Determinismus in David Lynchs Mulholland Drive von Frank ...
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16Rolle. Ich möchte auf etwas anderes h<strong>in</strong>aus. Ich möchte jetzt nicht mehr <strong>von</strong> denGeme<strong>in</strong>samkeiten mit der Antike, sondern <strong>von</strong> den Unterschieden sprechen. Grundsätzlichkann man sagen, dass <strong>Determ<strong>in</strong>ismus</strong> nicht nur e<strong>in</strong> konzeptionelles, sondern auch e<strong>in</strong>ästhetisches Problem darstellt. Konzeptionell me<strong>in</strong>t, dass e<strong>in</strong> radikaler <strong>Determ<strong>in</strong>ismus</strong>argumentative Probleme aufwirft, etwa für e<strong>in</strong>en Christen, wenn er die Welt als <strong>von</strong> Gottgeschaffen ansieht, aber das Böse erklären möchte, dies aus dem freien Willen des Menschenableitet und <strong>von</strong> Gott trennt, damit aber Gottes Allmacht <strong>in</strong> Frage stellt. August<strong>in</strong> hat sichdaran zum Beispiel an vorderster Front abgearbeitet, mit fragwürdigem Erfolg. Mich<strong>in</strong>teressiert aber das ästhetische Problem: Wir haben <strong>in</strong> der Antike zahlreiche literarischeTexte, die determ<strong>in</strong>istische Konzepte formulieren, und diese auf der Handlungsebene nichte<strong>in</strong>lösen. So wird etwa <strong>in</strong> der Aeneis der Held Aeneas e<strong>in</strong> Objekt des Schicksals, der e<strong>in</strong>egöttliche Sendung, nämlich die Ansiedlung der Trojaner <strong>in</strong> Latium als Voraussetzung derGründung Roms zu leisten hat. Se<strong>in</strong> ganzes Verhalten ist also determ<strong>in</strong>iert. Dennoch gibt ese<strong>in</strong>e breite Diskussion darüber, ob er den freien Willen habe, weil es immer wiederSituationen gibt, <strong>in</strong> denen er vor e<strong>in</strong>e Entscheidung gestellt wird, und diese Entscheidungauch trifft (besonders der Schluss der Aeneis kommt hier <strong>in</strong> Betracht, als Aeneas e<strong>in</strong>enbittflehenden, besiegten Gegner nach kurzem Zögern doch tötet.) M. E. rechtet man aber zuUnrecht mit Autoren, die auf der e<strong>in</strong>en Seite zu erkennen geben, dass sie e<strong>in</strong> fatalistischesWeltbild haben, dies aber narrativ nicht konsequent e<strong>in</strong>lösen. Denn es ist e<strong>in</strong>e Grunderfahrungmenschlichen Lebens, dass der Mensch vor Entscheidungen gestellt ist. <strong>Determ<strong>in</strong>ismus</strong> istetwas kontraempirisches. Insofern stellt es e<strong>in</strong>en Dichter vor gewisse Probleme ästhetischerNatur: will er <strong>Determ<strong>in</strong>ismus</strong> ausdrücken, müsste er auf Entscheidungen verzichten, bzw. dasAbsehbare <strong>von</strong> Entscheidungen so deutlich markieren, dass das Ereignishafte der Erzählung<strong>in</strong> den H<strong>in</strong>tergrund träte. Anders ausgedrückt: das Buch wird e<strong>in</strong> bisschen langweilig. E<strong>in</strong>Beispiel haben wir ebenfalls <strong>in</strong> der Aeneis: Aeneas lässt sich (im vierten Buch) auf e<strong>in</strong>eAffäre mit der König<strong>in</strong> Dido e<strong>in</strong>. Hermes ersche<strong>in</strong>t als Bote des Zeus und fordert ihn auf,se<strong>in</strong>er Bestimmung zu folgen und se<strong>in</strong>e Reise <strong>in</strong> das Land des zukünftigen Rom fortzusetzen.Aeneas gehorcht sofort und lässt die Schiffe klarmachen. Dieser Schluss der Liebesgeschichteum Dido und Aeneas wurde seit jeher als ernüchternd empfunden und <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Bedeutungdiskutiert. Auffällig ist, dass Aeneas kaum e<strong>in</strong>e Regung zeigt: wer dem fatum folgt, erlebtke<strong>in</strong>e Konflikte. <strong>Determ<strong>in</strong>ismus</strong> ist also auch e<strong>in</strong> ästhetisches Problem. Bei <strong>David</strong> Lynchtaucht es freilich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er ganz anderen Form auf.Es ist gerade nicht langweilig und das zunächst e<strong>in</strong>mal dadurch, dass der Mensch se<strong>in</strong>Schicksal entdeckt und nicht entdeckt bekommt. Es ist e<strong>in</strong>e schmerzhafte Suche, die die