Entfaltung der Persönlichkeit und die harmonischeBeziehung des Ratsuchenden im Blickfels des pastoralpsychologischagierenden Seelsorgers.Ganzheitliche Seelsorge, in welcher Psychologieintegriert ist als unverzichtbares diagnostisches Instrumentariumund auch als Hilfe bei derNeustrukturierung der Persönlichkeit und der sozialenBeziehungen, ist evangeliumsgemäße Seelsorge.Die neutestamentliche Briefliteratur zeigt immerwieder, wie die durch Christus bewirkte Erneuerungauch die gesamte psychische Struktur und sein Sozialverhaltendurchdringt (vgl. Eph. 4,22–32).6. Seelsorge und PsychologieSeelsorge und Psychologie sind nach ihremMenschenverständnis und Denkrahmen durchausverschieden, aber sie handeln an demselben Menschen.Dementsprechend arbeiten sie mit oft gleichenMethoden, wenn auch unterschiedlichen Perspektiven.So kann auch der psychologisch Gebildetein den biblischen Erzählungen menschliche Grundwahrheitenerkennen, in denen der Theologe bzw.christliche Seelsorger menschliche Erfahrungen derTranszendenz erkennt, die wiederum der Psychologeals nicht empirisch nachweisbare Wahrheiten eherablehnen wird.Die Generalsynode der VELKD 4 hat zum Verhältnisvon Seelsorge und Psychotherapie 1970 vermerkt:„Seelsorge und Psychotherapie sind eigenständigeBereiche im Dienst am Menschen. Sie könneneinander nicht ersetzen, wohl aber sich gegenseitigergänzen. Kenntnisse bestimmter Methoden undTechniken, besonders der Gesprächsführung undBeratung sind für eine verantwortliche und sich selbstkontrollierende Seelsorge heute notwendig. Sie dürfenaber nicht die unmittelbare Zuwendung zumMenschen überwuchern.“ (Evangelischer Erwachsenkatechismus,a.a.O., S.1184)7. Kompetenzen eines protestantischenMilitärseelsorgersDer Militärpfarrer ist ausgebildeter Theologe.Neben der wissenschaftlich-fachtheologischen Ausbildungim Bereich der Exegese, der historischenForschung und der Systematik ist dem Gebiet derPraktischen Theologie breiter Raum gewidmet (Pädagogik,Pastoralpsycholgie ...). Die empirisch-soziologischenFachthemata sind ihm also bekannt undvertraut. Die Evangelische Kirche bestätigt, beauftragtund sendet (Amtseinführung) ihn als Träger desgeistlichen Amtes in das ÖBH, um dort seinenDienst als Militärpfarrer (Spezialpfarramt) auszuüben.Er ist in das militärische System voll integriert(Uniform, Dienstrang) und gemäß seines Auftrages– entsprechend dem Richtlinienerlass für die EvangelischeMilitärseelsorge – Begleiter und Gegenüberdes Soldaten in allen Rängen und Funktionen, wasihm zur gleichen Zeit auch einen gewissen Freiraumin seelsorgerlicher Hinsicht sichert.Diese Positionierung ist notwendig, um den erlassmäßigfestgelegten Auftrag erfüllen zu können,innerhalb dessen die Seelsorge am Soldaten einenentscheidenden Teil ausmacht.Ergänzung vonPsychologie undSeelsorge:Aufgrund der angeführten Erklärungsansätze undAufgabenbereiche der Seelsorge und in Hinblick aufdie von ihr in Anspruch genommenen psychologischenErkenntnisse, ist es schwer möglich, beide Tätigkeitsbereichegrundsätzlich voneinander zu trennen.Wohl aber lassen sich verschiedene Aufgabenbereicheumgrenzen. Als wesentlich unterscheidendmüssen jedoch ihre Perspektiven gesehen werden.Die Seelsorge verwendet die psychologische Disziplin,und grenzt sich gleichzeitig als christliche Seelsorgeklar von der allgemeinen Psychologie ab. Sieverwendet, gerade wenn sie nach den Grundsätzender Notfallseelsorge handelt, ihre Methoden, zumTeil auch ihre Erkenntnisse, um ihre Hauptaufgabenbereichewie Helfen, Begleiten, Heilen, Erörtern vonGlaubensfragen, Weltsicht (Gotteserkenntnis) undEinstellungen des Menschen und Hinführung zurGemeinschaft, ... zu vermitteln.Die Psychologie innerhalb ihrer empirisch-wissenschaftlichenDisziplin hat ein breit gefächertes Spektrumempirischer Forschung als Hintergrund undGrundlage. Der Seelsorger kann und sollte sich dieserbedienen, wenn eine psychologische Grund-M&S 18: Zusammenarbeit von Militärärzten, Militärseelsorgern und Militärpsychologen - Seite 33 -
erfahrung und Grundausausbildung (Pastoralpsychologie)gewährleistet ist.Die Methodik der Psychologie ist das Gespräch,die Beobachtung, die Testung u.v.m. Aufgrund vonBeweisparametern und Belegbarkeiten aus der Feldforschungwird die Psychologie als Zugang zumMenschen in seinen Nöten, Sorgen und Problemenim Rahmen der Seelsorge einen geachteten Stellenwerteinnehmen, im Besonderen bei pathogenen Erscheinungen.Sie hat als spezielle fachkundige Hilfestellungeine wichtige Stellung im Dienst am Menschwahrzunehmen. Das Phänomen Mensch in einerpathogenen Krise soll in seiner Vielfalt und Einzigartigkeitbeobachtet, befragt und getestet werden, undwenn nötig der professionellen ärztliche Hilfe übergebenwerden.Deswegen sollten die beiden unterschiedlichen,wissenschaftlichen Zugänge der christlichen Seelsorgeund der Psychologie in dem einem Arbeits- undAufgabenbereich der Sorge um das menschliche Lebenim ganz individuellen Sinne nicht vollkommenabgegrenzt werden, sondern beide, sowohl die Seelsorgeals auch die Psychologie, in ihrer Vielfalt sichgegenseitig austauschen und ergänzen.In diesem Sinn sei zu bemerken, dass Seelsorgeund Psychologie sicherlich in ihren wesentlichen Einstellungund Grundhaltungen ein teilweise gemeinsames,sich überschneidendes Arbeitsfeld haben.Beide können durch ein respektvolles vertrauensvolles,gleichwertiges Miteinander bzw. durch fachspezifischeAbgrenzung eine Bereichung zum Wohledes Menschen in Krise und Entwicklung sein.Genannte und weiterführendeLiteratur:Katechismuskommision der VELKD (Hg): Evangelischer Erwachsenkatechismus,München 1977 3 .Deutsche Bibelgesellschaft (Hg.), Bibel nach Martin Luther mitWortkonkordanz, Stuttgart 2000.BASTIAN, H.-D.: Seelsorge in Extremsituationen, in Kirche unter denSoldaten I/1995, S.50–71.CLAUS, G. (Hg.): Wörterbuch der Psychologie, Köln 1986 4 .DORSCH, Fr.: Psychologisches Wörterbuch, Bern, Stuttgart, Toronto1987 11 .FAUST, V.: „Psychiatrie“, Ein Lehrbuch für Klinik, Praxis und Beratung,Stuttgart, Jena, New York 1995.FABER, H. / SCHOOT, E. van der: Praktikum der seelsorgerlichen Gesprächs,Göttingen 1980 6 .GENNRICH, A. Religionsspychologie und Pastoralspycologie, Eine Verhältnisbestimmung,in ARPS 13 (1978), S.123–135.KONECNY, E.: Psychologie, Wien 1985.MICHAELIS, P.: Für Ruhe in der Seele sorgen. Evangelische Militärpfarrerim Auslandseinsatz der Bundeswehr, Leipzig 2003.Müller-Lange, J. (Hg.), Handbuch Notfallseelsorge, Edewecht-Wien2001.PUZICHA, Kl. J. / HANSEN, D. / WEBER, W. W. (Hg.), Psychologie fürEinsatz und Notfall. Internationale truppenpsychologische Erfahrungenmit Auslandseinsätzen, Unglücksfällen, Katastrophen,Bonn 2001.REBELL, W.: Psychologisches Grundwissen für Theologen, Ein Handbuch,München 1992 2 .THILO, H-J.: Beratende Seelsorge, Göttingen 1986 3 .TREICHLER, M.: Ratgeber Psychotherapie, Wege zur Bewältigung vonKrisen und Krankheiten, Stuttgart 1997.ZIMBARDO, Ph. G.: Psychologie, Augsburg 1992 5 .Fußnoten1Sprachliche Gleichbehandlung: Die in diesem Bericht verwendetenpersonenbezogenen Ausdrücke betreffen, soweit dies inhaltlichin Betracht kommt, Frauen und Männer gleichermaßen.2Vgl. auch Faber und van der Schoot (a.a.O.).3Veränderte Abbildung aus Puzicha / Hansen / Weber, a.a.O.,S.216.4VELKD = Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands.M&S 18: Zusammenarbeit von Militärärzten, Militärseelsorgern und Militärpsychologen - Seite 34 -