NewsLetter - Renner-Institut
NewsLetter - Renner-Institut
NewsLetter - Renner-Institut
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
6<br />
Grundbekenntnis zur kulturellen Pluralität zu tun. Politik wird<br />
als Teilnahme und Teilhabe der BürgerInnen am Staat gedeutet.<br />
Idealer PolitikerInnentypus ist eher ein differenziert argumentierender<br />
Intellektueller, ein postmoderner Kulturmensch mit Ironie,<br />
Humor, aber auch einem Hang zu Selbstinszenierung und<br />
(post-)moderner Selbststilisierung.<br />
Für eine erfolgreiche Jugendpolitik ist es unumgänglich, diese<br />
unterschiedlichen Milieus mit ihren unterschiedlichen Inhalten,<br />
ihren unterschiedlichen kommunikativen Stilistiken und ihren<br />
unterschiedlichen Schlüsselpersonen differenziert anzusprechen.<br />
Die Themen Migration und Asyl<br />
Es gibt drei wichtige Jugendthemen. An der Spitze und absolut<br />
am relevantesten für das politische Entscheidungsverhalten ist<br />
das Thema Migration/Asyl. Die polarisierenden Gruppen, Lehrlinge/Berufstätige<br />
auf der einen und SchülerInnen und StudentInnen<br />
auf der anderen Seite, stellen beide das Migrationsthema<br />
in den Mittelpunkt ihres politischen Interesses, leiten aber völlig<br />
konträre Überzeugungen und Konsequenzen aus der Thematik<br />
ab. Während die Lehrlinge und Berufstätigen großteils eine restriktive<br />
Migrationspolitik fordern, vertreten SchülerInnen und<br />
StudentInnen das Ideal einer multikulturellen Gesellschaft.<br />
Arbeit/Arbeitslosigkeit ist das zweitwichtigste Thema. Auch hier<br />
ist die Herangehensweise in den beiden Gruppen sehr unterschiedlich.<br />
Während Lehrlinge und Berufstätige die Arbeit primär<br />
als rein materielle Notwendigkeit betrachten und Selbstverwirklichung<br />
primär außerhalb der Arbeitswelt in den kommerziellen<br />
Freizeiterlebniswelten verortet, ist die Gruppe der Bildungsprivilegierten<br />
stärker auf Selbstverwirklichung in der Arbeit<br />
aus. Dies bedeutet, dass unterprivilegierte Jugendliche Arbeit<br />
vielfach als ein von ihren Interessen abweichendes, entfremdetes<br />
Geschehen wahrnehmen. Den wahren Sinn des Lebens suchen<br />
sie in der kommerziellen Erlebnisgesellschaft. Im Gegensatz dazu<br />
treten die bildungsnahen Schichten mit hohen Selbstverwirklichungsansprüchen<br />
an die Arbeitswelt heran, die teilweise an der<br />
Realität des Möglichen scheitern.<br />
Das dritte Thema, Bildung und Ausbildung, trennt ebenfalls die<br />
Milieus. Während sich die unterprivilegierten Jugendlichen im<br />
Bereich der Bildung und Ausbildung fast ausschließlich aus dem<br />
völlig pragmatischen Motiv des praktischen Nutzens am Arbeitsplatz<br />
sehen, geht es bei den Bildungsschichten vermehrt um<br />
das „authentische Ich“, das sich im Bildungprozess selbst entdeckt<br />
und weiterentwickelt.<br />
Während bildungsferne Milieus zum Teil extrem ablehnend auf<br />
Politik im allgemeinen reagieren, zeigt die überwiegende Mehrheit<br />
der bildungsnahen Jugendlichen eine positiv-zustimmende<br />
Grundhaltung. Hier fallen häufig Aussagen wie „Politik ist sehr<br />
wichtig und die Leute sollten sich mehr damit beschäftigen“.<br />
Während Lehrlinge und Berufstätige häufig von der Politik total<br />
entfremdet scheinen und dort nur Skandale, Korruption und<br />
sinnlosen Streit sehen, sieht die überwiegende Mehrheit der bildungsprivilegierten<br />
Schichten nicht nur das Negative der Politik,<br />
sondern vor allem auch die positive Chance, durch aktive Teilnahme<br />
am politischen Geschehen das Gemeinwesen mitgestalten<br />
zu können.<br />
Ein durchaus spannendes Ergebnis zeigt sich, wenn man die österreichischen<br />
Jugendlichen nach der Themenkompetenz der<br />
einzelnen Parteien fragt. Die SPÖ ist die Partei, die die größte thematische<br />
Bandbreite abdecken kann. Ihr Kompetenzprofil ist besonders<br />
geprägt von den Themen Arbeit, Bildung, Gesundheit,<br />
Familie und Kinderbetreuung. Generell wird die inhaltliche Substanz<br />
der Partei hervorgehoben. Man sieht die SPÖ als eine Partei<br />
mit „Tiefgang, Inhalten und Lösungsangeboten“. Ihr Hauptproblem<br />
ist, dass sie ihre Themen und Kompetenzen nicht aus-<br />
1_2010<br />
<strong>NewsLetter</strong><br />
reichend gut kommunikativ verkaufen kann. Die Jugendlichen<br />
vermissen an der SPÖ vor allem junge Ausstrahlung und jugendlichen<br />
Lifestyle. Der Grundtenor der Aussagen der Jugendlichen<br />
wird im folgendem Statement zu Ausdruck gebracht: „Die<br />
SPÖ ist eine super Partei. Wenn ich einmal älter bin, dann werde<br />
ich sie vielleicht auch wählen.“<br />
Die ÖVP steht für die Themen Wirtschaft, EU, Sicherheit, Landesverteidigung,<br />
Inflationsbekämpfung und Sicherheit, die Grünen<br />
primär für die Themen Umwelt, Frauen und Asylpolitik. Interessant<br />
ist die Positionierung der FPÖ. Ihr wird von der Mehrheit<br />
der Jugendlichen keinerlei Themenkompetenz zugeschrieben,<br />
nicht einmal in der von der Partei stark akzentuierten Migrationspolitik.<br />
Aber ihr Politikmarketing ist unschlagbar. Eine<br />
typische Äußerung aus der Zielgruppe: „Die FPÖ hat wesentlich<br />
weniger Inhalte als die SPÖ, aber das Bisschen, was sie hat, verkauft<br />
sie um Jahrhunderte besser.“ Die FPÖ stellt sich damit als<br />
postmoderne Lifestyle-Partei mit hoher Kompetenz im Umgang<br />
mit jungen Ästhetiken und Stilistiken und einem „attraktiven<br />
Mann“ an der Spitze dar. Groß ist auch ihre Fähigkeit, Themen<br />
in Symbole und Bilder zu übersetzen.<br />
Betrachtet man die Parteipräferenzen im Jungwählersegment, so<br />
zeigt sich eine deutliche Tendenz unter den Parteien, die sich in<br />
den nächsten Jahren verstärken könnte. Diese Tendenz besteht<br />
darin, dass sich immer größere Gruppen des Lehrlingssegments<br />
zur FPÖ hingezogen fühlen, während unter den bildungsprivilegierten<br />
Schichten die Imagewerte der Grünen sich deutlich verbessern.<br />
Jedenfalls bedarf es für die SPÖ vor allem einer differenzierten<br />
kommunikativen Strategie, um in diesen beiden Lagern<br />
vorhandene Potenziale zu halten oder auszubauen.<br />
Eigenschaften und Erfolgsfaktoren der SPÖ<br />
Von den jungen WählerInnen wird die SPÖ in erster Linie als soziale<br />
Partei wahrgenommen, die sich um Grundanliegen der<br />
Menschen wie Gesundheit, Arbeit und Bildung kümmert. Die<br />
SPÖ ist bei ihrem Einsatz für die Anliegen der Menschen eher diplomatisch<br />
und ruhig. Vielen Jugendlichen ist die SPÖ ein wenig<br />
zu ruhig und abgeklärt. Was der SPÖ angekreidet wird, ist, dass<br />
sie zu sehr dazu neigt, am Alten festzuhalten.<br />
Die zentralen Erfolgsfaktoren der SPÖ sind neben ihrer Themenkompetenz<br />
vor allem Seriosität, Erfahrung und Verlässlichkeit.<br />
Man erwartet sich von der SPÖ zwar keinen Sturm der Innovation,<br />
dafür ist die Partei aber berechenbar. Wenn man mit<br />
ihr geht, muss man sich auf keine (bösen) Überraschungen oder<br />
plötzliche, unvorhersehbare Wendungen gefasst machen. Die<br />
SPÖ fährt ruhig ihre Strecke wie eine Diesellok der ÖBB.<br />
Neben den oben beschriebenen Defiziten in der Kommunikation<br />
mit jungen Wählergruppen ist die Ruhe und Vorhersehbarkeit<br />
ihres Handelns und die damit verbundene Unscheinbarkeit ihrer<br />
Kommunikation und Ästhetik das Hauptproblem der SPÖ. Die<br />
Partei handelt zu gleichförmig und unspektakulär, was zur Folge<br />
hat, dass sie bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen weder am<br />
Arbeitsplatz, in der Schule noch im Freundeskreis und der Familie<br />
ein Gesprächsthema ist. Die SPÖ emotionalisiert nicht, regt<br />
niemanden auf, weder im positiven, noch im negativen. Auf den<br />
Punkt gebracht: Vielen Jungen ist die SPÖ ein Neutrum, das sich<br />
der Spannung und dem Konflikt entzieht und von dem man<br />
letztendlich nicht genau weiß, wofür es steht und was man mit<br />
ihm anfangen soll.<br />
Bernhard Heinzlmaier<br />
ist Mitbegründer und seit 2003 ehrenamtlicher Vorsitzender des <strong>Institut</strong>s<br />
für Jugendkulturforschung. Hauptberuflich leitet er die tfactory-Trendagentur<br />
in Hamburg.<br />
Die Grundaussagen des Artikel beruhen auf den Daten der von tfactory im<br />
Auftrag der SPÖ durchgeführten Grundlagen-Studie „Politikverständnis<br />
der jungen ÖsterreicherInnen 2009“.