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NewsLetter - Renner-Institut

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Grundbekenntnis zur kulturellen Pluralität zu tun. Politik wird<br />

als Teilnahme und Teilhabe der BürgerInnen am Staat gedeutet.<br />

Idealer PolitikerInnentypus ist eher ein differenziert argumentierender<br />

Intellektueller, ein postmoderner Kulturmensch mit Ironie,<br />

Humor, aber auch einem Hang zu Selbstinszenierung und<br />

(post-)moderner Selbststilisierung.<br />

Für eine erfolgreiche Jugendpolitik ist es unumgänglich, diese<br />

unterschiedlichen Milieus mit ihren unterschiedlichen Inhalten,<br />

ihren unterschiedlichen kommunikativen Stilistiken und ihren<br />

unterschiedlichen Schlüsselpersonen differenziert anzusprechen.<br />

Die Themen Migration und Asyl<br />

Es gibt drei wichtige Jugendthemen. An der Spitze und absolut<br />

am relevantesten für das politische Entscheidungsverhalten ist<br />

das Thema Migration/Asyl. Die polarisierenden Gruppen, Lehrlinge/Berufstätige<br />

auf der einen und SchülerInnen und StudentInnen<br />

auf der anderen Seite, stellen beide das Migrationsthema<br />

in den Mittelpunkt ihres politischen Interesses, leiten aber völlig<br />

konträre Überzeugungen und Konsequenzen aus der Thematik<br />

ab. Während die Lehrlinge und Berufstätigen großteils eine restriktive<br />

Migrationspolitik fordern, vertreten SchülerInnen und<br />

StudentInnen das Ideal einer multikulturellen Gesellschaft.<br />

Arbeit/Arbeitslosigkeit ist das zweitwichtigste Thema. Auch hier<br />

ist die Herangehensweise in den beiden Gruppen sehr unterschiedlich.<br />

Während Lehrlinge und Berufstätige die Arbeit primär<br />

als rein materielle Notwendigkeit betrachten und Selbstverwirklichung<br />

primär außerhalb der Arbeitswelt in den kommerziellen<br />

Freizeiterlebniswelten verortet, ist die Gruppe der Bildungsprivilegierten<br />

stärker auf Selbstverwirklichung in der Arbeit<br />

aus. Dies bedeutet, dass unterprivilegierte Jugendliche Arbeit<br />

vielfach als ein von ihren Interessen abweichendes, entfremdetes<br />

Geschehen wahrnehmen. Den wahren Sinn des Lebens suchen<br />

sie in der kommerziellen Erlebnisgesellschaft. Im Gegensatz dazu<br />

treten die bildungsnahen Schichten mit hohen Selbstverwirklichungsansprüchen<br />

an die Arbeitswelt heran, die teilweise an der<br />

Realität des Möglichen scheitern.<br />

Das dritte Thema, Bildung und Ausbildung, trennt ebenfalls die<br />

Milieus. Während sich die unterprivilegierten Jugendlichen im<br />

Bereich der Bildung und Ausbildung fast ausschließlich aus dem<br />

völlig pragmatischen Motiv des praktischen Nutzens am Arbeitsplatz<br />

sehen, geht es bei den Bildungsschichten vermehrt um<br />

das „authentische Ich“, das sich im Bildungprozess selbst entdeckt<br />

und weiterentwickelt.<br />

Während bildungsferne Milieus zum Teil extrem ablehnend auf<br />

Politik im allgemeinen reagieren, zeigt die überwiegende Mehrheit<br />

der bildungsnahen Jugendlichen eine positiv-zustimmende<br />

Grundhaltung. Hier fallen häufig Aussagen wie „Politik ist sehr<br />

wichtig und die Leute sollten sich mehr damit beschäftigen“.<br />

Während Lehrlinge und Berufstätige häufig von der Politik total<br />

entfremdet scheinen und dort nur Skandale, Korruption und<br />

sinnlosen Streit sehen, sieht die überwiegende Mehrheit der bildungsprivilegierten<br />

Schichten nicht nur das Negative der Politik,<br />

sondern vor allem auch die positive Chance, durch aktive Teilnahme<br />

am politischen Geschehen das Gemeinwesen mitgestalten<br />

zu können.<br />

Ein durchaus spannendes Ergebnis zeigt sich, wenn man die österreichischen<br />

Jugendlichen nach der Themenkompetenz der<br />

einzelnen Parteien fragt. Die SPÖ ist die Partei, die die größte thematische<br />

Bandbreite abdecken kann. Ihr Kompetenzprofil ist besonders<br />

geprägt von den Themen Arbeit, Bildung, Gesundheit,<br />

Familie und Kinderbetreuung. Generell wird die inhaltliche Substanz<br />

der Partei hervorgehoben. Man sieht die SPÖ als eine Partei<br />

mit „Tiefgang, Inhalten und Lösungsangeboten“. Ihr Hauptproblem<br />

ist, dass sie ihre Themen und Kompetenzen nicht aus-<br />

1_2010<br />

<strong>NewsLetter</strong><br />

reichend gut kommunikativ verkaufen kann. Die Jugendlichen<br />

vermissen an der SPÖ vor allem junge Ausstrahlung und jugendlichen<br />

Lifestyle. Der Grundtenor der Aussagen der Jugendlichen<br />

wird im folgendem Statement zu Ausdruck gebracht: „Die<br />

SPÖ ist eine super Partei. Wenn ich einmal älter bin, dann werde<br />

ich sie vielleicht auch wählen.“<br />

Die ÖVP steht für die Themen Wirtschaft, EU, Sicherheit, Landesverteidigung,<br />

Inflationsbekämpfung und Sicherheit, die Grünen<br />

primär für die Themen Umwelt, Frauen und Asylpolitik. Interessant<br />

ist die Positionierung der FPÖ. Ihr wird von der Mehrheit<br />

der Jugendlichen keinerlei Themenkompetenz zugeschrieben,<br />

nicht einmal in der von der Partei stark akzentuierten Migrationspolitik.<br />

Aber ihr Politikmarketing ist unschlagbar. Eine<br />

typische Äußerung aus der Zielgruppe: „Die FPÖ hat wesentlich<br />

weniger Inhalte als die SPÖ, aber das Bisschen, was sie hat, verkauft<br />

sie um Jahrhunderte besser.“ Die FPÖ stellt sich damit als<br />

postmoderne Lifestyle-Partei mit hoher Kompetenz im Umgang<br />

mit jungen Ästhetiken und Stilistiken und einem „attraktiven<br />

Mann“ an der Spitze dar. Groß ist auch ihre Fähigkeit, Themen<br />

in Symbole und Bilder zu übersetzen.<br />

Betrachtet man die Parteipräferenzen im Jungwählersegment, so<br />

zeigt sich eine deutliche Tendenz unter den Parteien, die sich in<br />

den nächsten Jahren verstärken könnte. Diese Tendenz besteht<br />

darin, dass sich immer größere Gruppen des Lehrlingssegments<br />

zur FPÖ hingezogen fühlen, während unter den bildungsprivilegierten<br />

Schichten die Imagewerte der Grünen sich deutlich verbessern.<br />

Jedenfalls bedarf es für die SPÖ vor allem einer differenzierten<br />

kommunikativen Strategie, um in diesen beiden Lagern<br />

vorhandene Potenziale zu halten oder auszubauen.<br />

Eigenschaften und Erfolgsfaktoren der SPÖ<br />

Von den jungen WählerInnen wird die SPÖ in erster Linie als soziale<br />

Partei wahrgenommen, die sich um Grundanliegen der<br />

Menschen wie Gesundheit, Arbeit und Bildung kümmert. Die<br />

SPÖ ist bei ihrem Einsatz für die Anliegen der Menschen eher diplomatisch<br />

und ruhig. Vielen Jugendlichen ist die SPÖ ein wenig<br />

zu ruhig und abgeklärt. Was der SPÖ angekreidet wird, ist, dass<br />

sie zu sehr dazu neigt, am Alten festzuhalten.<br />

Die zentralen Erfolgsfaktoren der SPÖ sind neben ihrer Themenkompetenz<br />

vor allem Seriosität, Erfahrung und Verlässlichkeit.<br />

Man erwartet sich von der SPÖ zwar keinen Sturm der Innovation,<br />

dafür ist die Partei aber berechenbar. Wenn man mit<br />

ihr geht, muss man sich auf keine (bösen) Überraschungen oder<br />

plötzliche, unvorhersehbare Wendungen gefasst machen. Die<br />

SPÖ fährt ruhig ihre Strecke wie eine Diesellok der ÖBB.<br />

Neben den oben beschriebenen Defiziten in der Kommunikation<br />

mit jungen Wählergruppen ist die Ruhe und Vorhersehbarkeit<br />

ihres Handelns und die damit verbundene Unscheinbarkeit ihrer<br />

Kommunikation und Ästhetik das Hauptproblem der SPÖ. Die<br />

Partei handelt zu gleichförmig und unspektakulär, was zur Folge<br />

hat, dass sie bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen weder am<br />

Arbeitsplatz, in der Schule noch im Freundeskreis und der Familie<br />

ein Gesprächsthema ist. Die SPÖ emotionalisiert nicht, regt<br />

niemanden auf, weder im positiven, noch im negativen. Auf den<br />

Punkt gebracht: Vielen Jungen ist die SPÖ ein Neutrum, das sich<br />

der Spannung und dem Konflikt entzieht und von dem man<br />

letztendlich nicht genau weiß, wofür es steht und was man mit<br />

ihm anfangen soll.<br />

Bernhard Heinzlmaier<br />

ist Mitbegründer und seit 2003 ehrenamtlicher Vorsitzender des <strong>Institut</strong>s<br />

für Jugendkulturforschung. Hauptberuflich leitet er die tfactory-Trendagentur<br />

in Hamburg.<br />

Die Grundaussagen des Artikel beruhen auf den Daten der von tfactory im<br />

Auftrag der SPÖ durchgeführten Grundlagen-Studie „Politikverständnis<br />

der jungen ÖsterreicherInnen 2009“.

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