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nitiative "~rger - MBWSV NRW

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Wir bedanken uns bei den vielen Menschen, die sich<br />

für „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“ und die Projekte engagieren.


I<strong>nitiative</strong> ergreifen –<br />

Kerstin Bohnsack, Joachim Boll, Anja Ganster<br />

Achim Dahlheimer, Rainer Klenner (Hrsg.)<br />

Bürger machen Stadt


Inhaltsverzeichnis<br />

Programmatik<br />

11<br />

15<br />

19<br />

23<br />

6<br />

Vorwort<br />

Das Landesprogramm „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“<br />

Bürgerschaftliches Engagement in der Stadterneuerung<br />

Oliver Wittke, Minister für Bauen und Verkehr<br />

des Landes Nordrhein-Westfalen<br />

„I<strong>nitiative</strong> ergreifen“ und Soziale Stadt<br />

Karl Jasper, Ministerium für Bauen und Verkehr<br />

des Landes Nordrhein-Westfalen<br />

Regionale 2010 und „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“<br />

„Brückenschläge“ in der Region Köln/ Bonn<br />

Reimar Molitor, Regionale 2010 Köln<br />

Bürgerstiftungen – Nährboden für Projekte in<br />

einer Bürgergesellschaft<br />

Stefan Nährlich und Bernadette Hellmann,<br />

Aktive Bürgerschaft Berlin<br />

29<br />

35<br />

38<br />

42<br />

Projekte<br />

Projekte und Projekterfahrungen<br />

2004 bis 2008<br />

Kerstin Bohnsack und<br />

Joachim Boll<br />

Projekt 01<br />

Kulturspeicher Dörenthe<br />

Ibbenbüren<br />

Projekt 02<br />

Jacob Pins Forum<br />

Höxter<br />

Projekt 03<br />

Kulturschmiede<br />

Fröndenberg<br />

46<br />

50<br />

54<br />

58<br />

Projekt 04<br />

Alte Drahtzieherei<br />

Wipperfürth<br />

Projekt 05<br />

domicil<br />

Dortmund<br />

Projekt 06<br />

Stadtteilzentrum HELL-GA<br />

Düsseldorf Garath<br />

Projekt 07<br />

Fabrik Becker & Funck<br />

Düren Süd-Ost


62<br />

66<br />

70<br />

74<br />

Projekt 08<br />

StadtteilWerkstatt Canyon<br />

Köln Chorweiler<br />

Projekt 09<br />

Alte Feuerwache<br />

Duisburg-Hochfeld<br />

Projekt 10<br />

Initiativ-Haus Bavierpark<br />

Erkrath<br />

Projekt 11<br />

Kulturzentrum<br />

Bahnhof Werl<br />

76<br />

78<br />

Projekt 12<br />

Frauenkommunikationszentrum<br />

Bahnhof<br />

Herzogenrath<br />

Projekt 13<br />

SchulenBauenPartnerschaften<br />

Euregio Maas-Rhein<br />

Werkstattberichte<br />

83<br />

86<br />

90<br />

95<br />

102<br />

105<br />

110<br />

115<br />

121<br />

122<br />

Partnerschaft aus Bürgerstiftung, Volksbank<br />

und Kommune<br />

ein Gespräch mit Guido Forsting, Lothar Palubitzki,<br />

Harald Klinke und Jörg Richter über die<br />

Alte Drahtzieherei in Wipperfürth<br />

Planung, Engagement und Selbsthilfe<br />

ein Gespräch mit Jörg Karpowitz und Andreas<br />

Hanke<br />

Vom notwendigen langen Atem…<br />

Gespräche mit Willi Engels, Hanne Mick, Heinz<br />

Eschbach<br />

Vom Aufbau eines verlässlichen<br />

Wirtschaftsplans<br />

Joachim Boll in Zusammenarbeit mit Lutz<br />

Hempel, Markus Selders, Axel Sostmann<br />

16 Punkte zu Gemeinnützigkeit und Steuer<br />

bei „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“-Projekten<br />

in Zusammenarbeit mit Klaus Grommes und<br />

Mark Patrick Probst<br />

Regeln und Besonderheiten beim Förderverfahren<br />

bei „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“<br />

Gaby Funck und Raimund Mirgeler<br />

Integration von Arbeitsmarktinstrumenten<br />

bei „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“<br />

Christoph Schilde<br />

Stiftungen und Bürgerstiftungen in <strong>NRW</strong> –<br />

Kooperationspartner für „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“<br />

Kerstin Bohnsack<br />

Abbildungsverzeichnis<br />

Impressum<br />

7


Vorwort der Herausgeber<br />

<strong>nitiative</strong> ergreifen“ gibt es als Programm-<br />

„Iangebot der Städtebauförderung des<br />

Landes Nordrhein-Westfalen seit nunmehr 12<br />

Jahren. Es verbindet Anliegen der Städtebauförderung<br />

mit dauerhaftem bürgerschaftlichem<br />

Engagement in unserem städtischen Gemeinwesen.<br />

Mit dem 2004 veröffentlichten<br />

Buch „Bürger machen Stadt – zivilgesellschaftliches<br />

Engagement in der Stadterneuerung“<br />

wurde eine erste programmatische Zwischenbilanz<br />

gezogen, die sich in der großen Bandbreite<br />

von Projekten und Akteuren widerspiegelt.<br />

Das wollen wir mit diesem Buch fortsetzen.<br />

Dazu haben wir Projekte, die seit 2004 in Betrieb<br />

gegangen sind, ausgewählt und im Mittelteil<br />

des Buches beschrieben. Konkrete Projekte<br />

machen letztendlich am besten klar, was hinter<br />

dem Programmansatz steht. In dem drit ten Teil<br />

des vorliegenden Buches haben wir ausführliche<br />

Werkstattberichte aus der Beratungs- und<br />

Qualifizierungspraxis, aber auch der Realisierung<br />

und dem Betrieb aufgenommen. Sie decken<br />

viele der Fragen ab, die immer wieder von<br />

Projekti<strong>nitiative</strong>n, Städten und Gemeinden, Architekten,<br />

Unternehmensberatern u.a. gestellt<br />

werden. Sie geben auch einen guten Einblick in<br />

das „Innenleben“ von Projekten in der Qualifizierungs-<br />

und Realisierungsphase.<br />

„I<strong>nitiative</strong> ergreifen“ setzt von Anfang an auf<br />

die „Humanressource bürgerschaftliches Engagement“<br />

zur Belebung unserer Städte und<br />

Regionen. Es ergänzt kommunales Handeln,<br />

bedeutet aber auch, dass sich Kommunen und<br />

Bürgergruppen auf gleicher Augenhöhe treffen<br />

und neue Formen von „öffentlich-privater Partnerschaft“<br />

erproben und praktizieren. Kooperationsfähigkeiten<br />

sind hierfür von zentraler Bedeutung.<br />

Gerade in den letzten Jahren sind<br />

auch die Synergien zwischen verschiedenen<br />

Förderzugängen und die Einbindung von „Dritt-<br />

mitteln“ in den Mittelpunkt gerückt. Die Verknüpfung<br />

von „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“ mit der „Sozialen<br />

Stadt“ oder den „Regionalen“, aber auch<br />

mit den großen Stiftungen oder dem rasch<br />

wachsenden Feld der Bürgerstiftungen hat einen<br />

erheblichen Bedeutungszuwachs erfahren.<br />

Diesen Themen widmen sich die einleitenden<br />

Beiträge des ersten, aber auch einige Beiträge<br />

des dritten Teils.<br />

Wir möchten mit diesem Buch den erheblichen<br />

Einsatz und die Leistungen von Bürgern im<br />

Rah men von „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“ für ihr städtisches<br />

Gemeinwesen würdigen. Insofern stehen<br />

die für das Buch ausgewählten Projektbeispiele<br />

für die seit 1996 in die Realisierung gegangenen<br />

insgesamt über 60 Projekte in ganz Nordrhein-Westfalen.<br />

Wir hoffen aber auch, dass das<br />

Buch viele Hinweise und Anregungen für die<br />

zukünftige Praxis von „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“ gibt.<br />

Kerstin Bohnsack, Joachim Boll, Anja Ganster<br />

Achim Dahlheimer, Rainer Klenner<br />

Dortmund/Düsseldorf im September 2008<br />

linke Seite: aktiv für den Kulturspeicher<br />

Dörenthe in Ibbenbüren<br />

9


Das Landesprogramm „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“<br />

Bürgerschaftliches Engagement in der Stadterneuerung<br />

von Oliver Wittke<br />

<strong>nitiative</strong> ergreifen“ ist ein ganz prakti-<br />

„Isches Programm:<br />

Der Verein „Haus am Müllestumpe – miteinander<br />

leben und gestalten“ baut die ehemalige<br />

Königin-Juliane-Schule für behinderte Kinder<br />

in Bonn zu einem Begegnungsort für Menschen<br />

mit und ohne Behinderung um und<br />

stellt so eine Infrastruktur sicher, die Familien<br />

mit behinderten Kindern unterstützt. Das<br />

Haus steht für Kunst- und Kulturveranstaltungen<br />

zur Verfügung, durch sein kleines Gastronomie-<br />

und Beherbergungsangebot soll es sich<br />

als Treffpunkt und Ausflugsort etablieren.<br />

Die Kirche des Dortmunder Ortsteils Deusen<br />

wird vom Verein „Wir lassen die Kirche im<br />

Dorf“ zu einem Begegnungs- und Stadtteilzentrum<br />

umgenutzt; sie wird Veranstaltungsort<br />

für Theater, Kultur und Vereine und ein Ort für<br />

die Jugendarbeit.<br />

Die Bürgerstiftung „Wir Wipperfürther“ setzt<br />

das direkt an der Wupper gelegene Fabrikgebäude<br />

der Alten Drahtzieherei instand, so dass<br />

es als Kultur- und Veranstaltungszentrum genutzt<br />

werden kann. Das ehemalige Industrieareal<br />

wird für die Allgemeinheit geöffnet und<br />

führt die Innenstadt an die Wupper heran.<br />

Der Verein „Bergbaudenkmal Grube Adolf“<br />

setzt die ehemalige Maschinenhalle und Teile<br />

der Waschkaue der Grube Adolf im Herzogenrather<br />

Stadtteil Merkstein instand, trägt zur<br />

Bewahrung und Präsentation der Fördermaschinenhalle<br />

und der historischen Fördermaschine<br />

bei und gibt Vereinen und den Merksteiner<br />

Bürgern einen außergewöhnlichen<br />

Veranstaltungsort, der zudem als außerschulischer<br />

Lernort für Bergbaugeschichte und für<br />

das Thema „Energie gestern – heute – morgen“<br />

genutzt wird. Ergänzend wird ein Besucherzentrum<br />

für den Haldenpark eingerichtet.<br />

Die Beispiele zeigen, was möglich ist, wenn sich<br />

Bürgerinnen und Bürger im sozialen, kulturellen,<br />

nachbarschaftlichen und städtebaulichen<br />

Bereich engagieren. Sie sind dem Projektaufruf<br />

des Landesprogramms „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“ gefolgt<br />

und haben so ihre Ideen mit Unterstützung<br />

des Landes verwirklichen können. Das<br />

Programm „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“ will helfen, ungewöhnliche<br />

und anspruchsvolle Projekte in<br />

überschaubarer Zeit zu realisieren. Es dient der<br />

Verbesserung der Infrastruktur in Städten,<br />

Stadtteilen und Siedlungen. Das Land hilft mit<br />

seiner Förderung gesellschaftlichen I<strong>nitiative</strong>n,<br />

die für ihre Projekte eine wirtschaftlich tragfähige<br />

Perspektive entwickeln können.<br />

Die vorgestellten Beispiele (vier von bisher über<br />

sechzig realisierten Projekten) zeigen, dass die<br />

Chancen, lokal und regional zu handeln und<br />

zu gestalten, größer sind, als vielen Menschen<br />

bewusst ist. Trotz der häufig beklagten Orientierung<br />

an Investoreninteressen gibt es vielfältige<br />

orts- und regionsbezogene Handlungsspielräume.<br />

Sie aktiv aufgreifend zu nutzen,<br />

wird von immer mehr Bürgerinnen und Bürgern<br />

als lohnenswerte Aufgabe verstanden.<br />

In Zeiten, in denen die Leistungsfähigkeit des<br />

Staates an ihre Grenzen stößt, bedarf es der<br />

Ergänzung durch Eigenverantwortung und<br />

gemeinwohl orientierten I<strong>nitiative</strong>n. Deshalb<br />

wendet sich „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“ an bürgerschaftliche<br />

Grup pen und lokale Partnerschaften,<br />

die Verantwortung übernehmen wollen<br />

für das städtische Gemeinwohl. „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“<br />

unterstützt die Verknüpfung von bürgerschaftlichem<br />

Engagement mit Anliegen der<br />

Stadterneuerung, der Stadt- und Stadtteilentwicklung<br />

und der Strukturpolitik. Und „I<strong>nitiative</strong><br />

ergreifen“ wendet sich an Kommunen, die<br />

neue Wege suchen in der Kooperation und Aufgabenteilung<br />

mit ihren Bürgern. „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“<br />

fördert somit eine neue partnerschaftliche<br />

Rollenverteilung zwischen Staat, Bürgern<br />

und Unternehmen.<br />

Das nordrhein-westfälische Landesprogramm<br />

„I<strong>nitiative</strong> ergreifen“ wurde 1996 zunächst im<br />

nördlichen Ruhrgebiet mit 20 Projekten der In-<br />

ternationalen Bauausstellung (IBA) Emscher<br />

Park gestartet. Ein Schwerpunkt lag dabei im<br />

Bereich soziokultureller Existenzgründungen,<br />

verbunden mit der Umnutzung industrie kulturell,<br />

städtebaulich und denkmalpfle ge risch<br />

bedeutender Gebäude. Ein zweiter Schwer -<br />

punkt waren Bewohner getragene Gemeinschaftsprojekte<br />

in Wohnsiedlungen: Gemeinschafts-<br />

und Nachbarschaftshäuser, Selbsthil-<br />

fewerkstätten und bauliche Selbstorganisation<br />

als Ausgangspunkt von Siedlungserneuerung<br />

bis hin zu Formen der Bewohner-Selbstverwaltung.<br />

Immer wurde gleichzeitig das Ziel verfolgt,<br />

ungewöhnliche Bürgerwerte zu fördern,<br />

Oliver Wittke ist Minister für Bauen und<br />

Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen.<br />

linke Seite: voll besetzter Veranstaltungssaal<br />

bei der Eröffnung der Kulturschmiede<br />

Fröndenberg am 19. Oktober 2007<br />

11


Das Landesprogramm „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“<br />

12<br />

neue Arbeit zu schaffen und die Lebensqualität in<br />

Stadtteilen, Siedlungen und Wohnquartieren zu verbessern.<br />

Im Jahr 2001 ist „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“ auf ganz Nordrhein-Westfalen<br />

ausgedehnt worden, wobei die vorgenannten<br />

Schwerpunkte mit neuen Ideen weiterentwickelt<br />

wurden. Das alle Projekte Verbindende ist,<br />

dass sie nicht von großen Institutionen entwickelt<br />

und vorangetrieben werden, sondern von Menschen,<br />

Gruppen und Vereinigungen aus der Gesellschaft, die<br />

ihr Engagement auf ein praktisches Projekt konzentrieren<br />

und ihre Anliegen selbst in die Hand nehmen<br />

wollen. Voraussetzung hierfür ist u.a., dass eigenständige<br />

Träger- und Organisationsformen entwickelt<br />

werden. Insofern war und ist „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“ ein<br />

Experimentierfeld. Das ist auch nicht anders möglich,<br />

denn wer Antworten sucht auf die Herausforderungen<br />

städtischer Gesellschaft, muss auf der Suche<br />

nach einer Neupositionierung experimentieren und<br />

hierbei fachdisziplinäre Grenzen überschreiten:<br />

Nachhaltige Stadterneuerungspolitik ist ohne Gewerbebestands-,<br />

ohne Kultur- und ohne stadtteilbezogene<br />

Sozialpolitik nicht denkbar.<br />

Deshalb ist es auch nicht verwunderlich, ja fast schon<br />

zwangsläufig, dass zahlreiche „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“-<br />

Projekte in Gebieten des Programms „Soziale Stadt“<br />

liegen. Denn beide Programme zielen darauf ab, städtische<br />

Quartiere zu stärken. Ein wesentlicher Erfolgsfaktor<br />

hierbei ist die aktive Einbringung vorhandener<br />

Organisationen, Vereine und I<strong>nitiative</strong>n in den stadtteilbezogenen<br />

Entwicklungsprozess. Diese Ideen und<br />

Interessen auf und ernst zu nehmen, ist ein allgemein<br />

geltendes Gebot für die Städte und das nicht<br />

nur in Bereichen der „Sozialen Stadt“.<br />

Wenn I<strong>nitiative</strong>n und Bürgergruppen Ansprüche an<br />

ihre Stadt formulieren, verdienen diese mindestens<br />

genauso positive Beachtung wie Wünsche von Projektentwicklern<br />

und Investoren. Investitionen von<br />

oben organisieren und durchsetzen zu wollen, wäre<br />

zum Scheitern verurteilt, wenn dies bei den Bürgern<br />

ohne Resonanz bliebe. Aber auch umgekehrt gilt: Bürgerschaftliches<br />

Engagement und I<strong>nitiative</strong>n von unten<br />

erschöpfen sich, wenn die Rahmenbedingungen<br />

nicht stimmen und die Impulse oben nicht ankommen.<br />

Deshalb bedeutet der nordrhein-westfälische<br />

Einsatz zur Förderung von bürgerschaftlichem Engagement<br />

in der Stadterneuerung nicht nur eine Stärkung<br />

der kommunalen Demokratie, sondern auch des<br />

Miteinanders in Stadt und Stadtquartier und damit<br />

in unserer Gesellschaft.<br />

„I<strong>nitiative</strong> ergreifen“ unterstützt deshalb insbesondere<br />

Projekte, die es jenseits des Üblichen und Gewöhnlichen<br />

schwer haben. Es ist ein Aufruf an die Phantasie<br />

und das Engagement der Bürgerschaft und will<br />

zivilgesellschaftliche I<strong>nitiative</strong>n fördern, die mit ihren<br />

Projekten einen öffentlichen Nutzen erbringen und<br />

so die lebensweltlichen, baulichen oder landschaftlichen<br />

Verhältnisse vor Ort verbessern. So fördert „I<strong>nitiative</strong><br />

ergreifen“ Projekte der Umnutzung denkmalgeschützter,<br />

industriekulturell und städtebaulich<br />

bedeutsamer Gebäude, aber auch neue Infrastruktur<br />

für nachbarschaftliches Zusammenleben, Bürgerhäuser<br />

und Kulturzentren. Oder allgemeiner ausgedrückt:<br />

„Die Investition in Steine verbunden mit der<br />

Investition in die Köpfe“.<br />

Auffallend häufig setzen sich I<strong>nitiative</strong>n für die Erhaltung<br />

des industriekulturellen Erbes ein. Das ist<br />

nicht verwunderlich, denn Nordrhein-Westfalen<br />

ist wie kaum eine andere Region in Europa von der<br />

Geschichte der Industrialisierung geprägt. Das gilt<br />

nicht nur für das Ruhrgebiet, sondern auch für das<br />

Bergische Land, das Siegerland sowie die früheren<br />

Hochburgen der Textilindustrie in Ostwestfalen, das<br />

westliche Münsterland, den Niederrhein und den<br />

Aachener Raum. Die Industriegeschichte hat hier<br />

zahlreiche Zeugnisse hinterlassen: Landesweit sind<br />

rund 3.500 industrie- oder technikgeschichtliche Gebäude<br />

oder Anlagen denkmalgeschützt. Die erhaltenen<br />

Zeugnisse der Industriegeschichte haben für die<br />

Bürgerinnen und Bürger in den jeweiligen Regionen<br />

einen zunehmend hohen ideellen Wert, den man<br />

durchaus mit der Bedeutung der Schlösser in anderen<br />

Regionen gleichsetzen kann. Bürgerschaftlich<br />

getragene I<strong>nitiative</strong>n setzen sich verstärkt für die Erhaltung<br />

des industriekulturellen Erbes, und nicht nur<br />

für die „kleinen“ Denkmäler aus der Zeit der Frühindus<br />

tria lisierung, ein. Auch ein Förderturm leistet seinen<br />

Beitrag zur örtlichen Identifikation. Nicht selten<br />

setzen sich ehemalige Beschäftigte für die Erhaltung<br />

„ihrer“ früheren Arbeitsstätten, beispielsweise alter<br />

Fabrik- und Zechenhallen ein. Das Programm „I<strong>nitiative</strong><br />

ergreifen“ unterstützt das bürgerschaftliche Engagement<br />

in diesen wie in anderen Bereichen.<br />

Bürgerinnen und Bürger sehen sich aufgerufen, an<br />

der Erhaltung des kulturellen Erbes mitzuwirken und<br />

dieses nicht nur der öffentlichen Hand zu überlassen.<br />

Mit den Projekten des Programms wurden auch neue<br />

Finanzierungswege gefunden, die den Kommunen,<br />

gerade in Zeiten knapper öffentlicher Kassen, wieder<br />

Gestaltungsspielräume geben. Sie werden mit bis zu


80 % der Investitionssumme durch das Land Nordrhein-Westfalen<br />

gefördert. Den verbleibenden Rest<br />

bringen Bürgerschaft und Kommune gemeinsam auf,<br />

auch in Form von Spenden und durch den Einsatz eigener,<br />

vor allem handwerklicher, vielfach auch planerischer<br />

Leistungen. Zur Finanzierung tragen in diesem<br />

Zusammenhang vielfach örtliche, regionale oder<br />

landesweite Stiftungen bei. Besonders zu erwähnen<br />

ist in diesem Zusammenhang die Nordrhein-Westfalen-Stiftung<br />

„Naturschutz, Heimat- und Kulturpflege“,<br />

die bürgerschaftliches Engagement in gemeinnützigen<br />

Vereinen, Verbänden und ehrenamtlich<br />

arbeitenden Gruppen unterstützt. Seit Jahren gibt es<br />

eine intensive Zusammenarbeit mit und gemeinsame<br />

Finanzierung von „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“-Projekten<br />

durch die <strong>NRW</strong>-Stiftung sowie das Land.<br />

Um unabhängig arbeiten zu können, setzen viele Bürgergruppen<br />

auf Trägermodelle außerhalb der öffentlichen<br />

Verwaltungen. Das schafft oft größere Spielräume,<br />

was wiederum zur Motivation beiträgt. Über<br />

neue Betriebs- und Managementkonzepte, die von<br />

Anfang an inhaltliches und wirtschaftliches Denken<br />

verknüpfen, können Mittel langfristig selbst erwirtschaftet<br />

werden.<br />

Potenzial für die Weiterentwicklung des Landesprogramms<br />

„I<strong>nitiative</strong> ergreifen“ liegt noch in einer engeren<br />

Partnerschaft zwischen Wirtschaft, Staat und<br />

Bürgerschaft. Im ländlichen und kleinstädtischen Bereich<br />

gelingt es zunehmend, Unternehmen zu ermutigen,<br />

sich für Projekte in Stadt und Region zu engagieren.<br />

Vorausschauende Unternehmen erkennen,<br />

dass sie ihren Beitrag zum sozialen Zusammenhalt<br />

und zur Verbesserung der Lebensbedingungen in<br />

Stadt und Region leisten können, indem sie den gesellschaftlichen<br />

Wandel zu mehr Eigeni<strong>nitiative</strong> und<br />

Mitverantwortung gestalten helfen. Sie erkennen<br />

auch, dass bürgerschaftliches Engagement von Unternehmen<br />

keinesfalls „soziale Schwärmerei“, sondern<br />

eine Investition in die Gesellschaft ist, die sich<br />

wiederum positiv auf den wirtschaftlichen Erfolg<br />

auswirkt. Unternehmen beteiligen sich daher konzeptionell<br />

an dauerhaft angelegten und strategisch<br />

ausgerichteten Lösungen für städtische Probleme. In<br />

einigen – von der Zahl her durchaus ausbaufähigen –<br />

„I<strong>nitiative</strong> ergreifen“-Projekten bringen sie nicht nur<br />

finanzielle Mittel ein, sondern wirken auch durch ihre<br />

unternehmerische Kreativität und durch ihre Kernkompetenz<br />

mit, indem sie ihre Infrastruktur oder<br />

Logistik zur Verfügung stellen. Die Unternehmen erkennen,<br />

dass sie ihr Ansehen bei Kunden und Geschäfts<br />

partnern verbessern, da sie durch gesellschaft-<br />

liches Engagement an Vertrauen und Glaubwürdigkeit<br />

hinzugewinnen. Das gilt vor allem für regional verwurzelte<br />

Unternehmen unterschiedlicher Größe, weil<br />

sie ihre Tradition und Erfahrungen mit gesellschaftlichem<br />

Engagement vor Ort verbinden können.<br />

Als ein besonders tragfähiges Modell für das erfolgreiche<br />

Zusammenwirken von Privatpersonen, mittelständischen<br />

Unternehmen, Handwerkern, Freiberuflern<br />

und vielen anderen haben sich Bürgerstiftungen<br />

erwiesen. Bürgerstiftungen stehen für Werte wie<br />

Selbsthilfe, Selbstverantwortung und Selbstverwaltung.<br />

Mit dem Landesprogramm „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“ hat<br />

Nordrhein-Westfalen eine bundesweite Vorreiterrolle<br />

bei der Aktivierung und Förderung bürgerschaftlichen<br />

Engagements für Projekte in der Stadtentwicklung,<br />

die das städtische Leben bereichern und von öffentlichem<br />

Nutzen sind: Von den Bürgern für die<br />

Bürger. Das <strong>NRW</strong>-Förderprogramm „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“<br />

ist Vorbild eines Themenschwerpunktes im Rahmen<br />

der „I<strong>nitiative</strong> zur Nationalen Stadtentwicklungspolitik“<br />

der Bundesregierung. Dort heißt es:<br />

„Eine entscheidende Voraussetzung für eine gerechte,<br />

sozial integrierende Stadtgesellschaft ist, dass sich<br />

Bürgerinnen und Bürger mit ihren Städten identifizieren<br />

können. Ohne bürgerschaftliches Engagement<br />

und private I<strong>nitiative</strong>n laufen öffentliche Projekte<br />

und Maßnahmen der Stadtentwicklung oft genug<br />

leer: nationale Stadtentwicklungspolitik muss zuhören,<br />

wo Engagement für Städte stattfindet und wendet<br />

sich deswegen direkt an zivilgesellschaftliche<br />

Gruppen. Sie stärkt gezielt ziviles Engagement für die<br />

Stadt und das Städtische. Sie unterstützt Programme<br />

und Projekte, die zeigen, dass Engagement für und in<br />

der Stadt modern und zukunftsweisend ist.“<br />

Ein erstes Projekt dieses Themenschwerpunktes ist<br />

„I<strong>nitiative</strong> ergreifen – Impulse für zivilgesellschaftliches<br />

Engagement in Nachbarschaft, Stadt und Region“.<br />

Anhand von konkreten Projekten in Sachsen-<br />

Anhalt und Brandenburg sollen Instrumente und<br />

Erfahrungen eines professionellen Coachings zur Initiierung<br />

und Unterstützung bürgerschaftlich-zivilgesellschaftlicher<br />

I<strong>nitiative</strong>n erprobt werden. Dabei<br />

werden in allen Phasen Erfahrungen genutzt, die mit<br />

dem <strong>NRW</strong>-Förderprogramm „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“ gemacht<br />

wurden. Die Verantwortung, die sich aus dieser<br />

Vorreiterrolle Nordrhein-Westfalens ergibt, übernehmen<br />

wir gerne.<br />

Das Landesprogramm „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“<br />

13


„I<strong>nitiative</strong> ergreifen“ und Soziale Stadt<br />

von Karl Jasper<br />

Wer die Entwicklungen von „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“<br />

und des Programms „Soziale<br />

Stadt“ betrachtet, stellt fest, dass beide I<strong>nitiative</strong>n<br />

darauf zielen, städtische Quartiere zu stärken.<br />

Dazu soll vorhandenes Engagement in den<br />

Quartieren von Seiten des Landes unterstützt<br />

werden, damit die Kommunen durch sich<br />

selbst tragende Strukturen im Stadtteil entlastet<br />

werden.<br />

Seit 1993 besteht in Nordrhein-Westfalen das<br />

ressortübergreifende Handlungsprogramm für<br />

„Stadtteile mit besonderem Erneuerungsbedarf“<br />

– „Soziale Stadt <strong>NRW</strong>“. Dieses Programm<br />

wurde für Stadtteile entwickelt, in denen die<br />

wirtschaftliche und die soziale, städtebauliche,<br />

infrastrukturelle oder die ökologische Situation<br />

besonders angespannt ist. Dabei handelt es<br />

sich oft um Quartiere, die durch den Abbau der<br />

Montanindustrien gekennzeichnet sind und in<br />

denen sich private Investoren gar nicht oder<br />

nur selten engagieren. Ursachen für die Stagnation<br />

sind sehr schlechte, hoch verdichtete<br />

Bausubstanz, fehlende Grün- und Freiflächen,<br />

Immissionsbelastungen, Gewerbebrachen mit<br />

Altlasten, Beeinträchtigungen durch Verkehrstrassen<br />

und Lärm, Mangel an Gemeinschaftseinrichtungen,<br />

Planungsunsicherheit und insgesamt<br />

fehlende Zukunftsperspektiven.<br />

Weitere Merkmale der Problemlage in diesen<br />

Stadtteilen sind die überdurchschnittlich<br />

hohen Anteile an sozial benachteiligten Bevölkerungsgruppen<br />

(Arbeitslose, Obdachlose, Sozialhilfeempfänger),<br />

hohe Anteile an ausländischen<br />

Bewohnerinnen und Bewohnern, an<br />

Kindern und Jugendlichen, geringe Haushaltseinkommen,<br />

niedrige Frauenerwerbstätigkeit<br />

und ein niedriges Bildungs- und Qualifikationsniveau.<br />

Ziel des Programms „Soziale Stadt“ der Landesregierung<br />

ist die Stabilisierung und Aufwertung<br />

dieser schwierigen Stadtteile, um soziale<br />

Brüche in unseren Städten zu verhindern oder<br />

zumindest abzumildern. Dazu werden sowohl<br />

auf der Ebene der Landesregierung als auch<br />

der Kommunen Ressourcen und verschiedene<br />

Förderprogramme in einem integrierten Ansatz<br />

im Sinne eines modernen Verwaltungsmanagements<br />

gebündelt. Auf diese Weise soll vor<br />

Ort die Lebenssituation der in den Stadtteilen<br />

wohnenden Menschen verbessert werden. Zu<br />

diesem Zweck werden Maßnahmen der Stadterneuerung<br />

mit Maßnahmen der Qualifizierung<br />

und Beschäftigung kombiniert sowie<br />

Maßnahmen des Wohnungsbaus, der Wirtschaftsförderung,<br />

der Weiterbildung, der Gesundheitsförderung<br />

und der Kinder- und Jugendpolitik<br />

gezielt in den Erneuerungsprozess<br />

vor Ort integriert.<br />

Die Kernmerkmale des Handlungsprogramms<br />

„Soziale Stadt <strong>NRW</strong>“ sind:<br />

• ein ressortübergreifendes Handeln auf allen<br />

Ebenen,<br />

• die Prioritätensetzung für alle betroffenen<br />

Aufgaben- und Förderbereiche,<br />

• der konzentrierte und zielgenaue Einsatz von<br />

Fördermitteln, um integrierte Handlungsansätze<br />

zu realisieren,<br />

• die umfassende Beteiligung der Bewohnerinnen<br />

und Bewohner sowie aller Akteure in den<br />

Stadtteilen und<br />

• die Unterstützung bürgerschaftlicher Aktivitäten<br />

mit Hilfe von Verfügungsfonds, die wir<br />

in Nordrhein-Westfalen mit den Pauschalmitteln<br />

der Stadterneuerung ermöglichen.<br />

Das Programm hat zunächst die Rahmenbedingungen<br />

geschaffen. Dazu zählen vor allem<br />

drei Dinge. Die Moderation, d. h. die Vermittlung<br />

durch die Stadtteilbüros, spielt eine wesentliche<br />

Rolle. Es ist zentral, dass das, was sich<br />

vor Ort entwickelt, auch weiter transportiert<br />

werden kann und auf entsprechende Hilfsmöglichkeiten<br />

hingewiesen wird. Dazu zählt als<br />

zweite Rahmenbedingung die Bereitstellung<br />

eines Verfügungsfonds. Das sind Pauschalmittel,<br />

um bewohnergetragene Projekte zu entwickeln.<br />

Die dritte Bedingung ist die Schaffung<br />

von Experimentierräumen, die im Rahmen der<br />

staatlichen Förderung ermöglicht werden. Innovation<br />

findet nur dort statt, wo diese Experimentierräume<br />

bestehen. Die Richtlinien geben<br />

meistens den Stand des bisher Bekannten wieder,<br />

aber wenn man etwas Neues erreichen<br />

will, dann muss man auch für neue Wege offen<br />

sein.<br />

1996 startete die Internationale Bauausstellung<br />

Emscher Park einen Projektaufruf unter<br />

dem Namen „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“. Darin hieß<br />

es:<br />

„I<strong>nitiative</strong>n und private Trägerschaften im sozialen<br />

Bereich, in der Beschäftigung und Qualifi­<br />

Karl Jasper ist im Ministerium für Bauen<br />

und Verkehr (MBV) des Landes Nordrhein-<br />

Westfalen als stellvertretender Leiter<br />

der Abteilung Stadtentwicklung unter<br />

anderem zuständig für das Programm<br />

„Soziale Stadt“. Mitte der 90er Jahre war<br />

er maßgeblich beteiligt am Aufbau des<br />

Impulsprogramms „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“ bei<br />

der Internationalen Bauausstellung (IBA)<br />

Emscher-Park.<br />

linke Seite: kulturelles Gründerzentrum<br />

Fabrik Huppertsberg in Wuppertal Ostersbaum<br />

während der Bauphase<br />

15


„I<strong>nitiative</strong> ergreifen“ und Soziale Stadt<br />

16<br />

zierung von Arbeitslosen, in der Integration von<br />

Ausländern, in Kunst und Kultur, für Bewegung,<br />

Sport und Freizeit, in der eigenverantworteten<br />

Gesundheitsvorsorge und der Ökologie gibt es<br />

im Lande in großer Zahl. Sie sind als Ausdruck<br />

bürgerschaftlichen Engagements von hohem<br />

gesellschaftlichen Nutzen.<br />

Im Rahmen der IBA Emscher Park soll es heißen<br />

„Mehr davon“. Denn diese Projekte sind auch<br />

Impulsgeber für strukturellen Wandel im Ruhrgebiet,<br />

Keimzellen für Innovation und Ausdruck<br />

praktischen Handelns. Daher sollen Projekti<strong>nitiative</strong>n<br />

in den benannten Feldern gezielt angeregt<br />

und unterstützt werden.<br />

Die zentralen Entscheidungskriterien sind:<br />

• Klarheit und Konzeption<br />

• überzeugende Organisation und Trägerstruktur<br />

• wirtschaftliche Tragfähigkeit und Perspektive<br />

• lokale Orientierung und Einbindung der Projekte<br />

• Einbeziehung von ehrenamtlicher und professioneller<br />

Kompetenz in einer ausgewogenen<br />

Mischung<br />

• integrierter Projektansatz mit positiven Auswirkungen<br />

auf die sozialen, kulturellen und<br />

ökologischen Aspekte der Stadt(teil­)entwicklung.“<br />

Das beispielhafte Vorlaufprojekt der IBA Emscher<br />

Park war und ist das Depot in der Dortmunder<br />

Nordstadt. Die denkmalgeschützten<br />

ehemaligen Straßenbahnhauptwerkstätten<br />

wurden in ein Zentrum für Handwerk, Kunst,<br />

Medien und Nachbarschaft umgenutzt; Projektentwicklung,<br />

Umbau und Betrieb erfolgte<br />

durch den Depot e. V. als Zusammenschluss<br />

der Nutzer. Handwerksbetriebe, freischaffende<br />

Künstler vom freien Theater bis zur Glaskünstlerin,<br />

Architekturbüro, Nachbarschaftswerkstatt<br />

und Büros im Dienstleistungsbereich sowie<br />

ein Gastronomiebetrieb sorgen für eine<br />

vitale Vielfalt. In Kooperation mit den Dortmunder<br />

Stadtwerken hat der Verein Depot e.V.<br />

in Selbsthilfe und mit seinem finanziellen Eigenanteil<br />

ca. 50 Arbeitsplätze im Stadtteil geschaffen.<br />

Zeitlich parallel zum Programm „Soziale Stadt“<br />

<strong>NRW</strong>“ ist von der europäischen Kommission<br />

die Gemeinschaftsi<strong>nitiative</strong> URBAN aufgelegt<br />

worden, von der in Nordrhein-Westfalen der<br />

Stadtteil Duisburg-Marxloh profitiert hat. Aus<br />

den Erfahrungen eines integrativen und partizipativen<br />

Ansatzes, den das Programm URBAN<br />

verfolgt hat, hat die Europäische Kommission<br />

für die Förderphase 2000 - 2006 erstmalig in<br />

den Mainstream der EFRE-Förderung die Unterstützung<br />

städtischer Problemgebiete aufgenommen.<br />

Auf Grund der ersten Erfahrungen<br />

im Rahmen der IBA Emscher Park war es folgerichtig,<br />

das sogenannte „Empowerment“ von<br />

„I<strong>nitiative</strong> ergreifen“ in die Förderung städtischer<br />

Problemgebiete zu überführen. So ist der<br />

Projektaufruf Ruhr entstanden, der im Kern beinhaltet:<br />

„Im Rahmen des Projektaufrufs sollen Projekti<strong>nitiative</strong>n<br />

und Projekte unterstützt werden, die<br />

• lokale I<strong>nitiative</strong> und Selbsthilfe fördern<br />

• Arbeitsplätze und Beschäftigung auf lokaler<br />

Ebene schaffen oder sichern<br />

• Qualifizierungsdefizite abbauen<br />

• soziale und Bildungsinfrastruktur, die Umweltsituation<br />

und das städtische Umfeld verbessern<br />

• einen unmittelbaren Nutzen bringen für<br />

Nach barschaft, Stadtteil, Siedlung oder Quartier<br />

• Armut bekämpfen<br />

• Integration von Migrantinnen und Migranten<br />

fördern<br />

• Unternehmen in die Entwicklung und Erneuerung<br />

der Stadtteile einbeziehen<br />

• partnerschaftliche Beziehungen zwischen<br />

Kommunen, Unternehmen, Bildungseinrichtungen<br />

und Stadtteili<strong>nitiative</strong>n auf lokaler<br />

Ebene aufbauen.<br />

Dabei kommt es vor allem darauf an, Beiträge<br />

für die Herausbildung oder Stärkung besonderer<br />

Stadtteilprofile zu leisten und Experimentierräume<br />

zu nutzen.<br />

Projekti<strong>nitiative</strong>n setzen zunächst durchaus an<br />

Eigeninteressen an. Im Projektaufruf sollen sie<br />

darüber hinaus einen „Überschussnutzen“ produzieren<br />

für die umgebende Nachbarschaft,<br />

den Stadtteil, die Siedlung, das Quartier. Dieser<br />

Nutzen kann im Bereich von Infrastruktur,<br />

Stadterneuerung, Stadtteil­ und Freiraumentwicklung,<br />

Stadtkultur u. v. m. liegen oder in der<br />

Nutzung, Aneignung und Pflege von öffentlich<br />

bedeutsamen Orten und Räumen. Projekte kön­


nen von Bürgeri<strong>nitiative</strong>n angestiftet werden,<br />

die sich nicht nur gegen etwas einsetzen, sondern<br />

Verantwortung übernehmen und mit gestalten<br />

wollen.<br />

Die Förderung bezieht sich im Kern auf die<br />

räum liche Kulisse des Ziel 2­Gebiets und die<br />

Stadtteile mit besonderem Erneuerungsbedarf<br />

im Ruhrgebiet. Förderanträge stellen die Projektträger<br />

möglichst in Abstimmung mit den<br />

Stadtteilbüros in den „Stadtteilen mit besonderem<br />

Erneuerungsbedarf“ bzw. den Kommunen.“<br />

Nach mehr als zehnjähriger Erfahrung mit beiden<br />

Programmi<strong>nitiative</strong>n wurde im Rahmen<br />

einer Tagung der Stadt Gelsenkirchen, dem<br />

Städ tenetz „Soziale Stadt <strong>NRW</strong>“ und dem Ministerium<br />

für Bauen und Verkehr im Jahr 2006<br />

unter dem Motto „Kontinuität in der Sozialen<br />

Stadt“ eines deutlich: Erfolgreich kann das Programm<br />

in den Stadtteilen dann sein, wenn es<br />

gelingt, die vorhandenen Organisationen, Vereine,<br />

I<strong>nitiative</strong>n in den Entwicklungsprozess<br />

aktiv einzubinden. Vielleicht liegt die „hohe<br />

Kunst“ eines Stadtteilmanagements zunächst<br />

darin, den Bestand an vorhandenen Interessen<br />

im Stadtteil auf und ernst zu nehmen und Angebote<br />

zu formulieren, damit sich diese Interessen<br />

positiv auf das Stadtteilleben auswirken<br />

können. Dazu gehört auch, das Programm „I<strong>nitiative</strong><br />

ergreifen“ in die Stadtteilarbeit zu integrieren.<br />

Der „Stadtteilbezug“ war und ist<br />

Ausgangspunkt für das staatliche finanzielle<br />

Engagement bei dem „Pilotprojekt Depot“ in<br />

der Dortmunder Nordstadt und bei den Projekten<br />

„Fabrik Heeder“ in Krefeld, „Ledigenheim“<br />

in Dinslaken, „Starterprojekt“ in Ahlen, „Huppertsberg-Fabrik“<br />

in Wuppertal, „Fabrik Becker<br />

& Funck“ in Düren oder der „Kaiser-Wilhelm-<br />

Straße“ in Duisburg. Als bemerkens- und nachahmenswert<br />

kann die Regelung in Wuppertal<br />

gelten, zu der die Mieter der Huppertsberg-Fabrik<br />

(junge Existenzgründer) sich für „ihren“<br />

Stadtteil Ostersbaum verpflichten:<br />

„Gemäß der Satzung des Vermieters startpunkt<br />

e. V. und der Verpflichtungen des Vermieters gegenüber<br />

dem Land <strong>NRW</strong> besteht ein Schwerpunkt<br />

in der Arbeit des startpunkt e. V. in der<br />

stadtteilnahen Durchführung von Projekten zur<br />

Entwicklung „neuen Lernens und neuer Arbeit“.<br />

Diese Projektverpflichtung kann nur durch eine<br />

gemeinsame Begleitung aller Fachkräfte in der<br />

Huppertsbergfabrik realisiert werden. Jeder<br />

Mieter verpflichtet sich daher mit 100 Stunden<br />

pro Jahr, dem Verein für dessen Aufgaben qualifiziertes<br />

Fachpersonal und Technik (aus seinem<br />

regulären Arbeitsbereich oder aus den in den<br />

jeweiligen Satzungen festgelegten Zielen eingesetztes<br />

Equipment) kostenlos zur Verfügung zu<br />

stellen. Der Verein verfügt somit über ein Stundenkontingent<br />

von ca. 1.500 Stunden Experten­<br />

Know­how pro Jahr. Dieses Stundenkontingent<br />

steht dem Verein für Qualifizierungsangebote<br />

(Seminare, Workshops etc.) vorwiegend aber für<br />

Projektbegleitungen Dritter zur Verfügung. Die<br />

Geschäftsleitung koordiniert je nach Projektanfragen<br />

die dafür von Vereinsseite bereitgestellten<br />

Expertenteams und deren Equipment.<br />

Vorstellbar sind Wochenendprojekte, Abendprojekte<br />

etc.“<br />

In gleicher Weise zu würdigen sind die Verantwortungsbereitschaft<br />

der Ahlener Mittelstands<br />

i<strong>nitiative</strong> MiA und der Händler und Gewerbetreibenden<br />

in Duisburg-Marxloh. Auch<br />

wenn die staatliche Unterstützung einen Teil<br />

des finanziellen Risikos auffängt, ist es doch die<br />

persönliche Leistung der Menschen in diesen<br />

I<strong>nitiative</strong>n, durch die die Projekte erst realisiert<br />

werden können.<br />

Aber nicht jedes Projekt ist von Erfolg gekrönt.<br />

Darüber müssen sich alle Verantwortlichen zu<br />

jeder Zeit klar sein. Verantwortung zu tragen<br />

heißt auch, rechtzeitig von einem staatlichen<br />

finanziellen Engagement Abstand zu nehmen.<br />

Deshalb sind eingeführte Kontrollmechanismen<br />

auch als Schutz der privaten I<strong>nitiative</strong>n zu<br />

verstehen. Denn nichts ist schädlicher für die<br />

Entwicklung in den sowieso schon problematischen<br />

Stadtteilen, als die Hinterlassenschaft<br />

von Investitionsruinen.<br />

Zusammengefasst sind für ein breit getragenes<br />

gesellschaftliches Engagement im Stadtteil<br />

erforderlich<br />

eine gute Moderation durch das Stadtteilma-<br />

•<br />

nagement<br />

eine souveräne kommunalpolitische Vorge-<br />

•<br />

hensweise<br />

ein Wettbewerb der guten Ideen<br />

•<br />

Experimentierräume<br />

•<br />

Anerkennung für bürgerschaftliches und<br />

•<br />

wirtschaftliches Engagement<br />

„I<strong>nitiative</strong> ergreifen“ und Soziale Stadt<br />

17


„I<strong>nitiative</strong> ergreifen“ und Soziale Stadt<br />

18<br />

Für ein Resümee der bisherigen Erfahrungen<br />

und als Ausblick auf die weitere Entwicklung<br />

des Programms „Soziale Stadt <strong>NRW</strong>“ haben Dr.<br />

Matthias Sautter und Marcel Ruiz formuliert:<br />

„In Bezug auf die angestrebte Nachhaltigkeit<br />

der Erneuerungsprozesse in den einzelnen Programmgebieten<br />

(„Verstetigung im engeren Sinne“)<br />

wurden ... zahlreiche Vorgehensweisen und<br />

Handlungsansätze erörtert. Aus der Gesamtheit<br />

dieser Vorschläge lassen sich sechs Kernelemente<br />

einer generellen Verstetigungsstrategie für<br />

diese Gebiete ableiten. Dabei handelt es sich<br />

um folgende Aspekte:<br />

• die frühzeitige und öffentliche Diskussion der<br />

Verstetigungsthematik;<br />

• das Einbeziehen der sozialen Ressorts in die<br />

Programmsteuerung;<br />

• die Sicherung der neu geschaffenen Projekte,<br />

Maßnahmen und Angebote;<br />

• die Entwicklung tragfähiger Kooperationsund<br />

Netzwerkstrukturen;<br />

• die Unterstützung der bewohnerschaftlichen<br />

Selbstorganisation;<br />

• die Beibehaltung einer dezentralen Koordinierungs­<br />

und Managementfunktion.<br />

Für die Verwirklichung des neuen Politikmodells<br />

(„Soziale Stadt“ als gesamtstädtische Daueraufgabe“)<br />

werden die Kommunen in starkem Maße<br />

auf die Zusammenarbeit mit Wohnungsgesellschaften,<br />

Wirtschaftsunternehmen, Wohlfahrtsverbänden,<br />

Kirchengemeinden, bürgerschaftlichen<br />

I<strong>nitiative</strong>n, Stiftungen und anderen nicht­<br />

staatlichen Akteursgruppen angewiesen sein.<br />

In den letzten Jahren haben sich hier bereits<br />

vielerorts formelle und informelle (lokale) Partnerschaften<br />

herausgebildet. Die Kommunen<br />

sollten solche Partnerschaften als ein wichtiges<br />

Zukunftspotenzial begreifen und im Sinne einer<br />

„Urban­Governance“­Strategie aktiv pflegen<br />

und weiter entwickeln, – nicht zuletzt auch deshalb,<br />

weil auf diese Weise zusätzliche Ressourcen<br />

für die gebietsbezogenen Erneuerungsprozesse<br />

erschlossen werden können.“<br />

Der letzte Hinweis auf die gesamtstädtische<br />

Entwicklung macht auch deutlich, wie beide<br />

Programmi<strong>nitiative</strong>n voneinander profitieren<br />

und damit nicht isoliert betrachtet werden<br />

sollten. So steht die Städtebauförderung spätestens<br />

seit der Verknüpfung mit der EU-Förde-<br />

rung für städtische Problemgebiete für die Förderphase<br />

2007 - 2013 noch stärker als bisher<br />

vor der Aufgabe, integrative und partizipative<br />

Ansätze der Stadtentwicklung für ausgewählte<br />

Stadtquartiere zu unterstützen, die sich auf<br />

Grund einer gesamtstädtischen Entwicklungsperspektive<br />

als Handlungsräume herausgestellt<br />

haben. Städtebauförderung steht vor der<br />

Aufgabe, auch bundesrechtlichen Anforderungen<br />

zu genügen, die seit der Föderalismusreform<br />

in Artikel 104 b Grundgesetz ihren Ausdruck<br />

gefunden haben. In den zwischen der<br />

Bundesregierung und den Ländern abgeschlossenen<br />

Verwaltungsvereinbarungen für den<br />

Einsatz von Städtebauförderungsmitteln ergibt<br />

sich ein Grundelement jeglicher Städtebauförderung,<br />

nämlich die gebietsbezogene<br />

Förderung eines integrativen und partizipativen<br />

Entwicklungsansatzes als Gesamtmaßnahme.<br />

Dieser Fördergesichtspunkt greift sowohl<br />

in innerstädtischen Gebieten wie Stadtteilzentren<br />

genau so wie in den Gebieten, in denen<br />

städtebauliche Missstände beseitigt werden<br />

(Sanierungsgebiete), in denen Funktionsschwächen<br />

beseitigt werden sollen (Stadtumbau)<br />

oder in denen die soziale, ökonomische<br />

und ökologische Verbesserung durchgeführt<br />

werden soll (Gebiete der „Sozialen Stadt“).<br />

Mit dem neuen Programm Aktive Stadt- und<br />

Ortsteilzentren wird erstmalig das Instrument<br />

des im Programm „Soziale Stadt“ entwickelten<br />

„Verfügungsfonds“ für innerstädtische Aktivitäten<br />

eingerichtet, um private I<strong>nitiative</strong>n zur<br />

Aufwertung der Innenstädte mit zu unterstützen.<br />

Auch wenn Immobilien- und Standortgemeinschaften,<br />

erst Recht nach Inkrafttreten<br />

des Gesetzes über Immobilien- und Standortgemeinschaften,<br />

und „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“-Projekte<br />

auf den ersten Blick nicht viel mit einander<br />

zu tun zu haben scheinen, gehen von Ihnen<br />

für die integrierte Stadtteilentwicklung jedoch<br />

wirksame Impulse aus, die von der Städtebauförderung<br />

aufgegriffen werden. Aus diesem<br />

Grunde ist es nur empfehlenswert, den<br />

Gedanken von „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“ nicht auf<br />

das Kernprogramm „Soziale Stadt“ zu reduzieren,<br />

sondern aus den positiven Erfahrungen zu<br />

lernen und diese in andere Stadtgebiete zu exportieren.


Regionale 2010 und „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“ –<br />

„Brückenschläge“ in der Region Köln/Bonn<br />

von Reimar Molitor<br />

Die „Regionalen“ sind ein Strukturprogramm<br />

des Landes Nordrhein-Westfalen.<br />

Seit dem Jahr 2000 sollen Regionalen die Qualitäten<br />

und Eigenheiten einer Region herausarbeiten,<br />

um Impulse für deren zukünftige Entwicklung<br />

zu geben. „Brückenschläge“ heißt das<br />

Motto der Regionale 2010, die seit 2002 in der<br />

Region Köln/Bonn vorbereitet wird, im Raum<br />

zwischen dem Drachenfels in Königswinter im<br />

Süden und dem Bayer-Kreuz im Norden, den<br />

Braunkohle-Tagebau-Regionen im Westen und<br />

der Oberbergischen Talsperrenlandschaft im<br />

Osten. Die drei kreisfreien Städte Köln, Bonn<br />

und Leverkusen, der Oberbergische Kreis, der<br />

Rhein-Sieg-Kreis, der Rheinisch-Bergische Kreis<br />

und der Rhein-Erft-Kreis sowie deren Städte<br />

und Gemeinden sind aktiv in das Strukturprogramm<br />

eingebunden. Sie haben sich gemeinsam<br />

auf Projekte in fünf raumwirksamen<br />

Handlungsfeldern verständigt, die übergreifend<br />

als sinnstiftend und zukunftschaffend für<br />

die Region betrachtet werden:<br />

• Herausarbeitung städtebaulicher Zukunftsthemen<br />

in sieben modellhaften Schwerpunktprojekten<br />

(je eins in den kreisfreien<br />

Städten und den Kreisen)<br />

• Aufbau eines Kulturlandschaftsnetzwerks<br />

und Verständigung auf einen regionalen<br />

„masterplan :grün“<br />

• Stärkung des Rheins als Rückgrat der Region<br />

in Städtebau, Natur und Tourismus<br />

• Herausarbeiten wichtiger Orte des regionalen<br />

kulturellen Erbes<br />

• „Gärten der Technik“: beispielhafte Projekte<br />

an der Schnittstelle von Natur und Technik,<br />

von Tradition und Zukunft.<br />

Ziel der Regionale 2010 ist es, im Zeitraum 2002<br />

bis 2011 Projekte rechts und links des Rheins,<br />

entlang des Städtebands von Bonn, Köln und<br />

Leverkusen, zu formieren, in die Umsetzung zu<br />

bringen und vor allen Dingen langfristig zu<br />

stabilisieren, damit sie den Standort im Wettbewerb<br />

stärken, aber auch nach innen „neue<br />

Bindungen“ generieren. Kurzum: Regionale<br />

heißt „gemeinsam Zukunft gestalten“.<br />

So ist das Motto „Brückenschläge“ in allen Projekten<br />

der Regionale 2010 programmatische<br />

Grundphilosophie. Es geht darum, horizontal<br />

wie vertikal neue Akteurskonstellationen aufzubauen<br />

und darüber bedachte Vorsorge und<br />

Fürsorge für Zukunft zu treffen. Es geht aber<br />

auch darum, Mut für Neues zu generieren für<br />

den Bezugsraum der Menschen, die sich diesem<br />

nähern, in ihm wohnen, ihn nutzen und<br />

ihn nicht nur als „Standort“ sondern als mehr,<br />

auch als „Heimat“ begreifen.<br />

Mobilisierung von Potenzialen für regionale<br />

Entwicklung<br />

Alle Impulsprojekte der Regionale 2010 transportieren<br />

direkt und indirekt ein weiteres<br />

strukturpolitisches Anliegen: dass nicht der<br />

Staat alleine für Gemeinwohlorientierung, Vor-<br />

und Fürsorgeprinzipien und Zukunftsgestaltung<br />

„in Beschlag“ genommen wird, sondern<br />

dass ein Ort, eine Stadt – und im Fall der Regionale<br />

2010 eine ganze Region – lebendiger Teil<br />

eines größeren Ganzen ist, das aktiv vor Ort gestaltet<br />

werden will. Insofern ist es zentral, dass<br />

die Menschen mitgenommen und ihre Talente<br />

in den Zukunftsprozess mit eingebaut werden.<br />

Dazu gehört auch, dass sie angeregt oder bestärkt<br />

werden, Verantwortung zu übernehmen<br />

und sich einzubringen. Insofern geht es nicht<br />

nur darum, die Gebietskörperschaften und die<br />

vielen öffentlichen Institutionen in der Region<br />

einzubinden, sondern auch die Wirtschaft und<br />

die Banken, z.B. mit ihren Stiftungen, aber eben<br />

auch beispielhafte bürgerschaftliche I<strong>nitiative</strong>n<br />

zu mobilisieren.<br />

In diesem Sinne gibt es viele konzeptionelle Parallelen<br />

zum Programm „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“,<br />

welches der Regionale 2010 seit Jahren wertvolle<br />

Impulse gibt und sie inhaltlich stärkt.<br />

Geht es doch vor allem darum, durch die Zusammenführung<br />

von Menschen und die konzeptionelle<br />

sowie organisatorische Ertüchtigung<br />

und Qualifizierung von Vorhaben ein<br />

Stück lokale und regionale Zukunft zu gestalten<br />

und mittel- und längerfristig zu sichern.<br />

„I<strong>nitiative</strong> ergreifen“ bringt dabei beispielhafte<br />

Projekte ein, in denen sich Menschen mit einem<br />

inneren Anliegen für lokale und regionale<br />

Identität einsetzen und in praktischen Projekten<br />

verantworten.<br />

Beispielhaft genannt sei hier die 1.000-jährige<br />

Fischerei-Bruderschaft in Troisdorf/Bergheim<br />

an der Sieg, die ein Fischereimuseum aufbaut<br />

und so der Flussfischerei der Region „ein Denkmal<br />

setzt“, die aber auch ein Garant ist für den<br />

Wasser- und Naturschutz im einzigartigen Na-<br />

Reimar Molitor ist Geschäftsführer der<br />

Regionale 2010 Agentur in Köln.<br />

oben: das Kabel-Metall-Gelände in Windeck<br />

an der Sieg auf dem Weg zu einem Bürger-<br />

und Kulturzentrum<br />

19


Regionale 2010 und „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“<br />

20<br />

turraum an der Siegmündung in den Rhein. In diesem<br />

Projekt sind viele Menschen ehrenamtlich aktiv,<br />

sie halten eine Tradition über viele Generationen hinweg<br />

wach, die diese Region lange mit geprägt hat. Sie<br />

bringen sich aber auch engagiert in das Zukunftsthema<br />

Naturschutz in einem verstädterten Raum ein.<br />

Über die Regionale 2010 gelingt darüber hinaus die<br />

Einbindung des Projekts in den Kontext des Kulturlandschaftsnetzwerks<br />

und eine touristische Strategie<br />

über den Siegraum und die Mondorfer Rheinfähre bis<br />

in den Bonner Norden hinein.<br />

Es gibt im Rheinland (wie natürlich auch in anderen<br />

Regionen) eine große Zahl von Menschen, die sich an<br />

der Schnittstelle von privatem und öffentlichem Anliegen<br />

engagieren. Es kommt darauf an, sie zu ermutigen<br />

und ihr (meist ehrenamtliches) Engagement<br />

möglichst in ein großes Ganzes einzubauen, ihren<br />

Vorhaben dadurch mehr Stabilität zu geben. Hierzu<br />

braucht es Begleitung und persönliche Ansprache.<br />

Hierbei hilft „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“ mit seinen Angeboten<br />

der Ermutigung, der Beispiele, der Beratung, der<br />

Qualifizierung. In diesem Sinne ist „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“<br />

wichtiger Teil eines Zukunftsprinzips für Stadt-<br />

und Regionalentwicklung.<br />

Identität und „Heimat“: Hand in Hand auf der<br />

Suche nach dem „genetischen Code“<br />

Die Menschen, die sich in solchen Projekten engagieren,<br />

haben bewusst oder unbewusst ein gemeinsames<br />

Anliegen: Sie wollen am Anfang des 21. Jahrhunderts<br />

auch Antworten auf die Tendenzen der „Ver all-<br />

gemeinerung“ von Lebensstilen und Alternativen zur<br />

Austauschbarkeit von Räumen geben. Es geht in vielen<br />

Fällen um die Sicherung und die Weiterentwicklung<br />

des kulturellen Erbes bzw. der Herkunft einer<br />

Region. Immer mehr Menschen suchen eine Vergewisserung<br />

darüber, wo ihre Wurzeln sind – gerade in<br />

einer immer globaler werdenden Welt. Es kommt darauf<br />

an, Heimaten und Identitäten nach innen zu bewahren,<br />

um erfolgreich nach außen sein zu können.<br />

Es geht darum, Vorhaben zu qualifizieren, die eine Region<br />

unterscheidbar macht von anderen Regionen,<br />

die im Sinne eines einzigartigen Profils „Identitäts-<br />

Stellvertreterprojekte“ sind und die Menschen hinter<br />

diesen Projekten so zu ermutigen und organisatorisch<br />

zu stabilisieren, dass ihre Anliegen ein inhaltliches<br />

und konzeptionell maßgeschneidertes „Kleid“<br />

erhalten. Es geht letztlich darum, die Menschen darin<br />

zu bestärken, dass sie sich mit den Orten und Städten,<br />

an und in denen sie leben, und mit der Region<br />

identifizieren.<br />

Dabei geht es nicht immer um die „lauten Töne“, um<br />

große Projekte, sondern häufig um das feinmaschige<br />

Netz von I<strong>nitiative</strong>n, die sich oft erst im Zusammenspiel<br />

der Kräfte zu einer Art „Identitätsnetz“ verknüpfen,<br />

als eine „Landkarte der Herkunft“ lesbar werden<br />

und damit auch gleichzeitig eine Landkarte der Identität<br />

der Region werden. Auch diese eher kleineren<br />

Projekte lösen Zukunft aus, indem bei einer Rückschau<br />

auf und der Sicherung von Vorhandenem latent<br />

die Frage mitschwingt: „Wo wollen wir eigentlich<br />

hin?“, indem aber auch der Blick nicht nur auf Vergangenes<br />

gerichtet wird, sondern immer wieder die<br />

damit verbundene Frage nach dem Spannungsfeld<br />

zur Zukunft gestellt wird.<br />

Stabilisierung, Profilierung, Positionierung und<br />

Förderung<br />

Durch das Programm „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“ wird es<br />

den Menschen hinter diesen speziellen Projekten ermöglicht,<br />

ihre individuellen Interessen in einen größeren<br />

Kontext zu stellen und dabei zum einen organisatorische<br />

Stabilität zu erlangen, aber zum anderen<br />

auch die kontextuelle Verflechtung innerhalb eines<br />

Raums zu erreichen. „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“ wirkt an<br />

dieser Stelle als „Katalysator“ und als „Qualifizierer“.<br />

Durch eine fachkundige Beratung in der Projektprofilierung,<br />

aber auch in den harten Fakten der wirtschaftlichen<br />

Tragfähigkeit eines Vereins bzw. beim<br />

Projektbetrieb oder bei der Verzahnung von privater<br />

und öffentlicher Nutzung, werden die Projekte stabilisiert<br />

und bekommen dadurch automatisch eine<br />

neue Reichweite.<br />

Ein weiterer wichtiger Faktor ist, dass durch die Anerkennung<br />

als „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“-Projekt und die<br />

„Aufdopplung“ durch die Anerkennung als Regionale<br />

2010-Projekt im Umfeld leichter „Mittäter und Freunde“<br />

zu gewinnen sind, bis hin zur Akquisition von<br />

Sponsoren, die das Ausüben des eigentlichen gemeinwohlorientierten<br />

Anliegens erst abschließend<br />

ermöglichen. Aus Fördersicht ergibt sich hier eine<br />

höchst sinnvolle Bündelung von Anliegen des Landes.<br />

Aus Sicht der Projektträger ergibt sich eine in aller Regel<br />

gute Anerkennungsplattform, die ein freundliches<br />

Umfeld ermöglicht und als Motivationsverstärker<br />

für Engagement wirken kann. Besonders positiv<br />

und bemerkenswert ist bei „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“, dass<br />

erst über Förderung geholfen wird, wenn sowohl Eigeni<strong>nitiative</strong><br />

als auch Eigenkapital eingebracht worden<br />

sind, also die gemeinschaftliche Anstrengung einer<br />

„Zukunfts- und Verantwortungsgemeinschaft“<br />

sich lokal manifestiert hat.


Bei der konkreten Betreuung und beim Einflechten<br />

dieser Einzelstandorte in den Gesamtkontext einer<br />

Region bzw. einer Stadt ergeben sich so vielfältige<br />

Stabilisierungseffekte für die Projekte – und vor allen<br />

Dingen eine Wertschätzung für die Arbeit der Menschen<br />

hinter den Projekten.<br />

Zusätzlich geht es, um im „Organisationsdeutsch“<br />

zu sprechen, um „Schnittstellenmanagement“. Hier<br />

wirkt „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“ vielfach als „Leumund“,<br />

denn durch den betreuenden „Beistand“ des Landes<br />

Nordrhein-Westfalen wird aus dem individuellen<br />

Anliegen eines Bürgervereins oder engagierter<br />

Einzelmenschen bzw. engagierter Unternehmer gewissermaßen<br />

ein öffentliches Anliegen, was ausschlaggebend<br />

für die Zuwendung bzw. „Zuneigung“<br />

öffentlicher Stellen, weiterer Fördermittelgeber oder<br />

Sponsoren ist.<br />

Ort und Raum, Herkunft und Zukunft<br />

Ideell verbunden sind all die Projekte durch ein weiteres<br />

gemeinsames Anliegen: bei einer zunehmenden<br />

„Verlangweiligung“ von Innenstädten und bei einem<br />

zunehmenden Verlust von räumlicher Identität durch<br />

die Inanspruchnahme von Landschaft außerhalb der<br />

Städte und in urbanen Freiräumen kommt es in vielen<br />

Fällen zu Identitätsverlusten – und zwar von Stadt<br />

und Land gleichermaßen.<br />

Gerade in so dichten Siedlungsräumen, wie im Raum<br />

der Regionale 2010 entlang der Rheinschiene in Köln,<br />

Bonn und Leverkusen, manifestiert sich durchaus ein<br />

engmaschiges „Identitätsnetz“, das sich nicht durch<br />

ein Bauwerk oder eine räumliche Situation ergibt,<br />

sondern sich erst im Zusammenhang von vielen kleinen<br />

Einzelteilen wie ein „Identitäts-Mosaik“ zusammensetzt.<br />

Ein solches Mosaik zu ergänzen, mit weiteren<br />

Bausteinen zu bereichern und damit Gesamt -<br />

bilder entstehen zu lassen, das soll im Rahmen der<br />

Regionale 2010 begonnen werden. Dieser Prozess<br />

muss aber darüber hinaus weiter verfolgt werden.<br />

Hierbei helfen die Beispiele von „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“<br />

auch dadurch, dass in der Qualifizierung hartnäckig<br />

nicht nur nach den Visionen gefragt, sondern auch<br />

eine dauerhafte Tragfähigkeit vorangetrieben wird.<br />

In diesem Zusammenhang ist das Projekt Schiffsbrücke<br />

an der alten Wuppermündung in Leverkusen<br />

zu erwähnen. Engagierten Leverkusener Bürgern ist<br />

es dort gelungen, eine alte Schiffssteganlage, die lange<br />

Zeit als Wegeverbindung zwischen Rheindorf und<br />

Wiesdorf diente, zu retten und die Schiffe instand zu<br />

setzen. Lange wurde darum gerungen, wie man die<br />

Anlage mit den heutigen technischen Anforderungen<br />

absichern kann, wie ein zukünftiger Betrieb durch<br />

bürgerschaftliches Engagement gestaltet werden<br />

kann, wie eine stabile Finanzierung aus Förderung,<br />

Stiftungsmitteln, Spenden und Eigenleistung aufgebaut<br />

werden kann. Seit 2007 hat das Projekt sowohl<br />

die Anerkennung durch „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“ als auch<br />

durch die Regionale 2010. Diese historische Anlage<br />

kann nun mit kooperativer Unterstützung beider Programme<br />

durch bürgerschaftliches Enga gement erhalten<br />

und wieder genutzt werden. Ein historisches<br />

Erbe der sehr ungewöhnlichen Art kommt somit zurück<br />

an seinen Herkunftsort.<br />

Dank des Programms „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“ gelingt es<br />

immer wieder, dieses feinmaschige Identitäts-Netz zu<br />

ergänzen und zusammen zu stricken. Die konkrete<br />

Ansprache von bürgerschaftlichem und von unternehmerischem<br />

Engagement für lokale und regionale<br />

Projekte im Sinne der Wiedererkennbarkeit von Stadt<br />

und Land ist dabei das eigentlich aktivierende Moment.<br />

Hinzu kommen weitere Partner wie die <strong>NRW</strong>-<br />

Stiftung oder auch bei anderen Projekten der Landschaftsverband<br />

Rheinland.<br />

Partner der Region<br />

Insgesamt ist das Programm „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“ in<br />

der Region Köln/Bonn ein nicht mehr wegzudenkender<br />

Partner geworden. Das Programm hilft beim Aufbau<br />

des Identitätsnetzes, im Fall des Programms vor<br />

allem mit der klaren Ausrichtung auf engagierte<br />

Menschen, die sich ihrem Raum verpflichtet fühlen.<br />

Das Zwischenfazit ist relativ simpel: Ohne das Programm<br />

„I<strong>nitiative</strong> ergreifen“ würden viele der I<strong>nitiative</strong>n<br />

der Region Köln/Bonn entweder weiterhin isoliert<br />

vor sich hin arbeiten, bzw. hätten nicht die Chance<br />

sich so prominent aufzustellen, dass sie für die Zukunft<br />

stabil sind. Wenn man das konsequent weiter<br />

denkt, hieße dies, dass mittelfristig das engmaschige<br />

Netz kultureller Identität, welches im Wesentlichen<br />

durch bürgerschaftliches und unternehmerisches Engagement<br />

geprägt sein muss, verloren ginge. „I<strong>nitiative</strong><br />

ergreifen“ wirkt insofern als stabilisierendes Moment<br />

für die Vielfalt und Einzigartigkeit unserer<br />

nordrhein-westfälischen Landschaften bzw. Kulturräume<br />

und ist damit im besten Sinne eine beispielhafte<br />

Landesi<strong>nitiative</strong>, der die Region Köln/Bonn<br />

freundschaftlich und dankbar verbunden ist.<br />

Regionale 2010 und „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“<br />

21


Bürgerstiftungen – Nährboden für Projekte in<br />

einer Bürgergesellschaft<br />

von Stefan Nährlich und Bernadette Hellmann<br />

Die Spannweite bürgerschaftlichen Engagements<br />

reicht von der einfachen Mitgliedschaft<br />

und der ehrenamtlichen Tätigkeit bis<br />

zur freiwilligen unbezahlten Mitarbeit in gemeinnützigen<br />

Einrichtungen. Auch lassen sich<br />

die verschiedenen Formen direkt-demokratischer<br />

Bürgerbeteiligung (Volksbegehren,<br />

Volksentscheid) sowie die Beteiligung an Protestaktionen<br />

im Rahmen der Bürgerinitiativbewegung<br />

oder der neuen sozialen Bewegungen<br />

zum bürgerschaftlichen Engagement rechnen,<br />

ebenso, wie das traditionsreiche Stiftungswesen<br />

und das gemeinnützige Engagement von<br />

Firmen und Betrieben. (1)<br />

Bürgerschaftliches Engagement: „Billiger<br />

Jakob“ oder „aktiver Bürger“<br />

Verallgemeinert steht bürgerschaftliches Engagement<br />

auch als Synonym für eine tendenzielle<br />

Verschiebung der Verantwortlichkeit für die<br />

Erstellung öffentlicher Leistungen vom Staat<br />

auf die Gesellschaft. So betreiben z.B. Sportvereine<br />

zunehmend Freibäder, gründen sich mehr<br />

und mehr private Schulen (und Hochschulen),<br />

führen Kultur- oder Bürgervereine ehemals<br />

kommunale Büchereien und Museen und übernehmen<br />

Bürgerstiftungen die Trägerschaft von<br />

in Kulturzentren umgewandelte ehemalige Industrieanlagen.<br />

Zahlreiche weitere Beispiele<br />

ließen sich aufzählen. Während Befürworter<br />

darin in erster Linie eine Stärkung individueller<br />

Freiheit und gesellschaftlicher Partizipation sehen,<br />

befürchten die Kritiker, bürgerschaftliches<br />

Engagement sei lediglich eine kluge Taktik, um<br />

in Zeiten knapper öffentlicher Kassen brachliegende<br />

Ressourcen zu aktivieren. Statt „aktiver<br />

Bürger“ lediglich „billiger Jakob“.<br />

Dieses latente Spannungsverhältnis, das bürgerschaftlichem<br />

Engagement in Deutschland<br />

innewohnt, kommt in nahezu jeder einschlägigen<br />

Veranstaltung in der Forderung von engagierten<br />

Bürgern zum Ausdruck, man wolle aber<br />

„den Staat nicht aus seiner Verantwortung entlassen“.<br />

Alternativ oder auch ergänzend dazu<br />

versichern Vertreter aus Politik und Verwaltung<br />

ebenso häufig, dass man bürgerschaftliches<br />

Engagement „keinesfalls als Lückenbüßer“ bei<br />

leeren öffentlichen Kassen sehe.<br />

Inwieweit die eine oder andere Perspektive<br />

stärker zum Tragen kommt, hängt von mehre-<br />

ren Faktoren ab. Je vollständiger jedoch die<br />

Entscheidungskompetenzen und die Ergebnisverantwortung<br />

(dass zur Freiheit auch die<br />

Verant wortung gehört, wird auch beim bürgerschaftlichen<br />

Engagement bisweilen vergessen)<br />

auf Seiten des bürgerschaftlichen Engagements<br />

liegen, je solider die Finanzierung und<br />

das Management von Projekten und Maßnahmen<br />

sind und je unabhängiger der Zugang zu<br />

und die Verwendung von Ressourcen ist, desto<br />

eher werden individuelle Freiheit und gesellschaftliche<br />

Partizipation gestärkt.<br />

Dass dies in der Praxis häufig nicht der Fall ist,<br />

liegt im Wesentlichen daran, dass bürgerschaftliches<br />

Engagement (immer noch) in hohem<br />

Maß durch öffentliche Mittel und die damit<br />

verbundenen politischen Vorgaben und<br />

Interessen, zuwendungsrechtlichen Auflagen<br />

aber auch haushaltsrechtlichen Unsicherheiten<br />

u.a. Restriktionen reguliert wird und von<br />

ihnen abhängig ist. Gemeinnützigkeitsrecht<br />

und steuerrechtliche Regelungen wie z.B. das<br />

Gebot der zeitnahen Mittelverwendung tun<br />

ein Übriges dazu, zu erschweren, dass im bürgerschaftlichen<br />

Engagement das „Selbermachen“<br />

und nicht nur das „Mitmachen“ der Bürgerinnen<br />

und Bürger zum Ausdruck kommt.<br />

Soll das dem bürgerschaftlichen Engagement<br />

innewohnende Potenzial zur Selbstorganisation,<br />

Interessenartikulation, gesellschaftlichen<br />

Partizipation und Integration besser zur Entfaltung<br />

gebracht werden, muss u.a. auch das<br />

„bürgergesellschaftliche Eigenkapital“, z.B. in<br />

Form von Stiftungsvermögen, erhöht werden,<br />

was gleichzeitig auch die Stabilität und Verlässlichkeit<br />

bürgerschaftlichen Engagements<br />

fördert.<br />

Innovationspotenzial Bürgerstiftung<br />

Anders als bei Vereinen ist das Wesensmerkmal<br />

von Stiftungen, eigenes Vermögen zu bilden<br />

und zu bewahren. Nach Jahrzehnten des Wohlstandes<br />

erlebt das Stiftungswesen in Deutschland<br />

eine neue Blütezeit. Die letzten Jahre waren<br />

nach den Statistiken des Bundesverbandes<br />

Deutscher Stiftungen von einem stabilen<br />

Gründungsboom neuer Stiftungen gekennzeichnet.<br />

Mehr als die Hälfte der heute bestehenden<br />

ca. 15.500 rechtsfähigen Stiftungen<br />

wurden nach der deutschen Wiedervereinigung<br />

gegründet.<br />

Stefan Nährlich ist Geschäftsführer, Bernadette<br />

Hellmann ist Projektleiterin bei der<br />

Aktiven Bürgerschaft e.V., dem Kompetenzzentrum<br />

für Bürgerengagement der Volksbanken<br />

und Raiffeisenbanken in Berlin.<br />

(1) Der Abschlussbericht und die Sonderbände<br />

der Enquete Kommission „Zukunft<br />

des Bürgerschaftlichen Engagements“<br />

des Deutschen Bundestages aus der vierzehnten<br />

Legislaturperiode bieten einen<br />

um fang- und detailreichen Einblick in den<br />

Stand und in die Entwicklung des bürgerschaftlichen<br />

Engagements in Deutschland.<br />

23


Bürgerstiftungen – Nährboden für Projekte<br />

oben: Vorstand der Bürgerstiftung „Wir<br />

Wipperfürther“ bei der Eröffnung der Alten<br />

Drahtzieherei<br />

unten: Aktive der Bürgerstiftung Herten bei<br />

der Eröffnung des Jugendhofs Wessels<br />

24<br />

Als ein Kind der „Berliner Republik“ sind es die<br />

Bürgerstiftungen, die seit einiger Zeit aus guten<br />

Gründen in Fachkreisen von Wissenschaft,<br />

Wirtschaft und Politik große Beachtung finden.<br />

Der Grundgedanke einer Bürgerstiftung liegt<br />

darin, dass sich Privatpersonen, mittelständische<br />

Unternehmen und örtliche Vereine gemeinsam<br />

für das Gemeinwohl engagieren, und<br />

zwar dort wo man lebt, arbeitet oder Geschäfte<br />

macht: in einer Stadt, Gemeinde, einem Kreis<br />

oder einer Region. Die Anreize lokalen Engagements<br />

liegen auf der Hand. Die meisten Menschen<br />

sind eher bereit, sich finanziell oder<br />

ehrenamtlich einzubringen, wenn damit Probleme<br />

vor der eigenen Haustür gelöst werden.<br />

Auch Unternehmen engagieren sich bevorzugt,<br />

wenn damit Investitionen in die Attraktivität<br />

ihres Standortes verbunden sind.<br />

Die Vorteile gemeinsamen Engagements sind<br />

ebenfalls schlüssig nachzuvollziehen. Vorhandene<br />

Kräfte werden gebündelt, Synergieeffekte<br />

realisiert und bislang noch nicht erreichte Potenziale<br />

können durch die neuen Möglichkeiten<br />

der Bürgerstiftung angesprochen werden.<br />

Durch die Erträge aus dem langfristig aufzubauenden<br />

Vermögen wird die Bürgerstiftung<br />

unabhängiger von wechselnder Spendenbereitschaft<br />

der Bürgerinnen und Bürger, aber<br />

auch von öffentlichen Zuwendungen der Stadt -<br />

verwaltungen, Landkreise oder weitere Institutionen.<br />

Bürgerstiftungen sind jedoch vor allem deshalb<br />

interessant, weil sie eine institutionelle<br />

Innovation in der Organisationslandschaft der<br />

Bürgergesellschaft in Deutschland darstellen.<br />

Zwar gilt aufgrund des Fehlens einer gesetzlichen<br />

Definition jede Stiftung als Trägerin einer<br />

verselbständigten Vermögensmasse und unterscheidet<br />

sich von einem Verein dadurch,<br />

dass sie in ihren Grundzügen nicht einem<br />

ständigen demokratischen Willensbildungsprozess<br />

ihrer Mitglieder unterworfen ist, sondern<br />

den bei Gründung wiedergegebenen Stifterwillen<br />

nachhaltig zu erfüllen hat. Doch hat<br />

erstmals die Bürgerstiftung systematisch und<br />

konzeptionell die Stiftungsidee um assoziative<br />

Elemente ergänzt. Seine Umsetzung findet<br />

dies institutionell in Form der Stifterversammlung<br />

bzw. des Stifterrates, des Freundeskreises<br />

oder auch des Kuratoriums. Die Bezeichnung<br />

einer Bürgerstiftung als Stiftung „von Bürgern<br />

für Bürger“ bringt dies gut zum Ausdruck. Neben<br />

der finanziellen Unterstützung engagieren<br />

sich Privatpersonen und Unternehmen ebenso<br />

durch Sach- und Zeitspenden, durch Fachwissen<br />

und Ideen, Kontakte und Beziehungen.<br />

Aus Cleveland Ohio zum globalen<br />

Exportschlager<br />

In ihrem Mutterland, den USA, sind die Bürgerstiftungen<br />

bzw. die Community Foundations,<br />

wie sie dort heißen, eine Erfolgsgeschichte. Als<br />

der Bankier und Anwalt Frederick Harris Goff<br />

vor fast 100 Jahren die erste Community Foundation<br />

gründete, wollte er hauptsächlich ein<br />

Problem seiner Bank, der Cleveland Trust Company,<br />

lösen. Seine Bank verwaltete zahlreiche<br />

Stiftungen aus Vermächtnissen, deren Zweckbindungen<br />

sich nicht mehr verwirklichen ließen.<br />

Manchmal gab es die zu unterstützenden<br />

Institutionen nicht mehr, manchmal waren die<br />

ursprünglichen Ziele nicht mehr zeitgemäß.<br />

Bei anderen Stiftungen waren die Förderzwecke<br />

wiederum so weit gefasst, dass es der Bank<br />

nicht möglich war, die Zwecke in gesellschaftlich<br />

notwendige Maßnahmen umzusetzen.<br />

Vereinfacht gesagt, verwaltete die Bank zwar<br />

kompetent Stiftungsvermögen, hatte aber niemanden,<br />

der die Erträge aus diesen Vermögen<br />

sachgerecht einer vernünftigen und zeitgemäßen<br />

Verwendung zuführen konnte. Goffs Lösung<br />

bestand nun darin, eine unabhängige gemeinnützige<br />

Organisation zu schaffen, die von<br />

einem Vorstand aus ortsansässigen Bürgern<br />

geleitet werden sollte. Diese sollten dafür sorgen,<br />

dass mit den Stiftungserträgen die vordringlichsten<br />

Probleme der Stadt angegangen<br />

werden konnten.<br />

Seit damals sind in den USA bis heute nicht<br />

nur über 700 Community Foundations mit einem<br />

gesamten Stiftungsvermögen von ca. 50<br />

Mrd. Dollar entstanden, das Konzept der Bürgerstiftung<br />

ist darüber hinaus ein weltweiter<br />

Exportschlager geworden. So entstand bereits<br />

1921 in Kanada die erste Bürgerstiftung außerhalb<br />

der USA, 1976 in England die erste in Europa.<br />

Seit Mitte der 1990er Jahre hat die Bürgerstiftung<br />

eine globale Verbreitung gefunden.<br />

Heute gibt es weltweit mehr als 1175 Bürgerstiftungen<br />

in 46 Ländern, seit 1996 auch in<br />

Deutschland.


Bürgerstiftungen in Deutschland und<br />

Nordrhein-Westfalen<br />

In Deutschland sind die Bürgerstiftungen auf<br />

dem besten Weg, zu einer dauerhaften Erfolgsgeschichte<br />

zu werden. Gut zehn Jahre nach der<br />

Gründung der ersten beiden Bürgerstiftungen<br />

im nordrhein-westfälischen Gütersloh und in<br />

Hannover sind in mehr als 196 Städten, Gemein -<br />

den oder Regionen Bürgerstiftungen aktiv (2).<br />

Nach den USA gibt es inzwischen in Deutschland<br />

die meisten Bürgerstiftungen weltweit. In<br />

keinem anderen Land entwickeln sie sich so dynamisch<br />

wie hierzulande, wenngleich (noch)<br />

auf einem niedrigen finanziellen Niveau.<br />

Im Unterschied zu herkömmlichen Stiftungen<br />

sind Bürgerstiftungen unabhängige, nicht von<br />

einer Einzelperson, Organisation oder einem<br />

Unternehmen dominierte Stiftungen, die lokal<br />

oder regional aktiv sind und ihr Stiftungskapital<br />

langfristig aufbauen und vergrößern. Dabei<br />

kann es sich jeder leisten, Stifterin oder Stifter<br />

zu werden, denn das Stiftungsvermögen wird<br />

gemeinsam aufgebracht. Die Erträge können<br />

in eine Vielzahl von Förderzwecken fließen. Der<br />

Begriff Bürgerstiftung ist nicht lediglich ein<br />

zeitgemäßes Marketing-Label im Kontext von<br />

Bürgerengagement oder Bürgergesellschaft,<br />

sondern bezeichnet eine spezielle Stiftungsform,<br />

zu deren Charakteristika der Bundesverband<br />

Deutscher Stiftungen einen zehn Merkmale<br />

umfassenden Katalog aufgestellt hat (3).<br />

Durch ihre vielfältigen Funktionen ermöglichen<br />

die Bürgerstiftungen ein langfristiges institutionalisiertes<br />

Engagement ebenso wie verschiedene<br />

Formen des kurzfristigen oder<br />

spontanen Engagements. Als Fundraiser haben<br />

Bürgerstiftungen die Aufgabe, kontinuierlich<br />

für den Aufbau eines breitgefächerten Stiftungsvermögens<br />

zu sorgen. Daneben werben<br />

sie aber auch Spenden ein, die direkt und vollständig<br />

einzelnen Projekten zugute kommen.<br />

Als Dienstleistungsagenturen unterstützen<br />

Bürgerstiftungen Spender und Stifter bei der<br />

Vergabe von Fördermitteln, dem Finanzmanagement,<br />

der Erschließung weiterer Ressourcen,<br />

der Öffentlichkeitsarbeit und vielem mehr.<br />

Als Fördergeber sollen sie auf die sich neu entwickelnden<br />

und sich ändernden Bedürfnisse<br />

reagieren und innovative Entwicklungen im<br />

Bildungswesen, im Umweltbereich, in der Kul-<br />

tur oder im sozialen Bereich unterstützen. Bürgerstiftungen<br />

arbeiten aber auch operativ und<br />

führen zusammen mit anderen Institutionen<br />

eigene Projekte durch. Als Lobby für das Gemeinwohl<br />

können Bürgerstiftungen Katalysator<br />

des Gemeinwesens sein und neue Partnerschaften<br />

zwischen Staat, Wirtschaft und<br />

Gesellschaft ermöglichen.<br />

In mehr als 196 Städten, Gemeinden und Regionen<br />

waren zum Stichtag 31.08.2007 Bürgerstiftungen<br />

mit einem Gesamtvermögen von<br />

84,1 Millionen Euro aktiv. Im Jahr 2006 erreichte<br />

die Entwicklung der Bürgerstiftungen ihren<br />

bisherigen Höhepunkt: Es gab 46 Neugründungen,<br />

d.h. im Schnitt wurde in jeder Arbeitswoche<br />

eine neue Bürgerstiftung gegründet. Das<br />

sind fast doppelt so viele wie vor drei Jahren,<br />

fast viermal so viele wie noch vor fünf Jahren.<br />

Bürgerstiftungen fördern jährlich soziale, kulturelle<br />

oder andere gemeinnützige Anliegen<br />

mit insgesamt mehr als 5,5 Millionen Euro und<br />

sammeln Spenden in Höhe von ca. 5 Millionen<br />

Euro ein.<br />

Nordrhein-Westfalen nimmt im bundesweiten<br />

Vergleich in mancherlei Hinsicht eine Vorreiterrolle<br />

hinsichtlich der Bürgerstiftungsentwicklung<br />

ein. In allen Bundesländern existieren<br />

zum 31.08.2007 Bürgerstiftungen, die<br />

meisten in Nordrhein-Westfalen (57), gefolgt<br />

von Baden-Württemberg (45) und Niedersachsen<br />

(33). Hier wurde 1996 auf I<strong>nitiative</strong> des Bertelsmann-Eigners<br />

Reinhard Mohn die erste<br />

deutsche Bürgerstiftung gegründet. Seither<br />

verbreitete sich das Stiftungsmodell rapide:<br />

2004 wurden in Nordrhein-Westfalen 14 Bürgerstiftungen<br />

gegründet, 2005 waren es ebenfalls<br />

14 – jeweils mehr als ein Drittel der in<br />

Deutschland in diesen Jahren insgesamt gegründeten<br />

Bürgerstiftungen. Spitzenreiter ist<br />

Nordrhein-Westfalen auch in Bezug auf das<br />

durchschnittliche Gründungsvermögen von<br />

Bürgerstiftungen, das mit 270.331 Euro weit<br />

über dem Bundesdurchschnitt von 176.386 Euro<br />

liegt. Überdurchschnittlich hoch ist auch der<br />

Zugang zu Bürgerstiftungen: 41% der Menschen<br />

in Nordrhein-Westfalen leben bereits im<br />

Einzugsgebiet einer Bürgerstiftung, bundesweit<br />

sind es nur 38%.<br />

Bürgerstiftungen – Nährboden für Projekte<br />

oben: Projekt der Bürgerstiftung „Wir Wipperfürther“:<br />

Veranstaltungssaal<br />

unten: Selbsthilfe während der Bauzeit<br />

(2) Alle Angaben zu Bürgerstiftungen nach:<br />

Hellmann, Bernadette / Nährlich, Stefan:<br />

Länderspiegel Bürgerstiftungen. Fakten<br />

und Trends 2007 und Beilage „Bürgerstiftungen<br />

und Volksbanken Raiffeisenbanken:<br />

Gemeinsam mehr erreichen“. Hrsg: Aktive<br />

Bürgerschaft e.V. Berlin 2007. Der „Länderspiegel<br />

Bürgerstiftungen. Fakten und<br />

Trends 2008“ erscheint am 1.10.2008 und<br />

kann als PDF-Version von der Homepage<br />

der Aktiven Bürgerschaft heruntergeladen<br />

werden.<br />

(3) Die 10 Merkmale einer Bürgerstiftung<br />

sind als ein „Gütesiegel“ entwickelt worden<br />

um die Definition von Bürgerstiftungen<br />

abzusichern (www.die-deutschen-buergerstiftungen.de).<br />

25


Bürgerstiftungen – Nährboden für Projekte<br />

oben: Rohrmeisterei in Schwerte in Trägerschaft<br />

einer Bürgerstiftung<br />

26<br />

Bürgerstiftungen und „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“<br />

Es ist kein Zufall, dass direkt und indirekt in<br />

den letzten Jahren immer mehr Kooperationen<br />

zwischen dem <strong>NRW</strong>-Programm „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“,<br />

den daraus geförderten Projekten und<br />

Bürgerstiftungen entstanden sind. Es gibt zahlreiche<br />

programmatische und pragmatische<br />

Schnittfelder. Es ist davon auszugehen, dass<br />

derartige Kooperationen weiter zunehmen:<br />

Bürgerstiftungen als Projektträger, Bürgerstiftungen<br />

als örtliche Plattform zur Unterstützung<br />

und Begleitung von Projekten.<br />

Das Beispiel Hertener Bürgerstiftung<br />

Eine der ersten Bürgerstiftungen in Nordrhein-<br />

Westfalen war die Hertener Bürgerstiftung. In<br />

der ehemaligen Bergbaustadt zeichnet sich infolge<br />

der Zechenstillegungen langfristig eine<br />

hohe Arbeitslosenquote ab. Im Sommer 1999<br />

gründeten 39 Stifterinnen und Stifter die Hertener<br />

Bürgerstiftungen, die sich kreativ mit<br />

dem Strukturwandel auseinandersetzen, bürgerschaftliches<br />

Engagement mobilisieren und<br />

die Lebens-, Ausbildungs- und Berufsperspektiven<br />

von Kindern und Jugendlichen verbessern<br />

will. Zur Umsetzung ihrer Ziele hat die Stiftung<br />

verschiedene Projekte ins Leben gerufen.<br />

Das Vorzeigeprojekt ist der Jugendhof Wessels,<br />

das gleichzeitig ein „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“-Projekt<br />

ist: Die Bürgerstiftung sanierte einen lange<br />

unbewirtschafteten Bauernhof und wandelte<br />

ihn in einen ökologisch ausgerichteten Landwirtschaftsbetrieb<br />

um, der Jugendliche bei der<br />

beruflichen Orientierung und Qualifizierung<br />

unterstützt. Schüler aus Schulmüdenprojekten,<br />

lokale Unternehmen und ehrenamtliche Helfer<br />

brachten sich bei den Renovierungsarbeiten<br />

ein. Seit 2003 bietet der Hof als ge mein nützige<br />

GmbH Arbeits- und Ausbildungsstellen in Gastronomie,<br />

Küche, Hofladen, Bäcke rei, Landwirtschaft<br />

und Gärtnerei. Unter psychologischer<br />

und pädagogischer Betreuung lernen die Jugendlichen,<br />

eigenständig zu arbeiten und erwerben<br />

berufliche Qualifikationen. Die Bürgerstiftung<br />

arbeitet eng mit Schulen, Jugendamt<br />

und der Jugendberufshilfe zusammen. Zum<br />

Betrieb des Jugendhofs hat die Bürgerstiftung<br />

eine gemeinnützige GmbH gegründet.<br />

Für ihr beispielhaftes Engagement wurde die<br />

Hertener Bürgerstiftung mit dem Förderpreis<br />

Aktive Bürgerschaft 2004 ausgezeichnet. Die<br />

unabhängige Jury begründete ihre Entscheidung<br />

folgendermaßen: „In wirtschaftlich sehr<br />

schwierigen Zeiten haben Hertener Bürgerinnen<br />

und Bürger I<strong>nitiative</strong> gezeigt und die Hertener<br />

Bürgerstiftung gegründet. Mit dem Projekt<br />

„Jugendwerk- und Bauernhof Wessels“<br />

gelang es der Bürgerstiftung mit Unterstützung<br />

des Landes, örtlicher Unternehmen und<br />

viel ehrenamtlichem Engagement, neue Akzente<br />

für Arbeit und Ausbildung zu setzen.“<br />

Der Hof Wessels wird durch zahlreiche Ehrenamtliche<br />

und Unternehmen, durch die Kommune<br />

und das Programm „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“<br />

des Landes Nordrhein-Westfalen unterstützt.<br />

Wie in Herten übernehmen auch andernorts<br />

Bürgerstiftungen die Trägerschaft von Betrieben<br />

oder in Kulturzentren umgewandelte ehemalige<br />

Industrieanlagen, so z.B. in Schwerte<br />

eine Rohrmeisterei oder in Wipperfürth eine<br />

Drahtzieherei, zwei weitere „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“-Projekte.<br />

Aktive Bürgerschaft: bundesweiter<br />

„Support“ für Bürgerstiftungen<br />

Die Aktive Bürgerschaft ist das Kompetenzzentrum<br />

für Bürgerengagement der Volks- und<br />

Raiffeisenbanken im genossenschaftlichen Finanzverbund.<br />

Unterstützt von namhaften Persönlichkeiten<br />

aus Gesellschaft, Wirtschaft und<br />

Politik, Wissenschaft und Medien setzt sich die<br />

Aktive Bürgerschaft für eine Gesellschaft aktiver<br />

Bürger und engagierter Unternehmen ein.<br />

Gegründet wurde der gemeinnützige Verein<br />

1997 in Münster von mehreren genossenschaftlichen<br />

Organisationen unter Federführung der<br />

Düsseldorfer WGZ Bank AG und verschiedenen<br />

Privatpersonen auf I<strong>nitiative</strong> von Münsters<br />

ehemaligem Stadtdirektor Hermann Janssen.<br />

Im Jahr 2002 schuf die Aktive Bürgerschaft den<br />

Arbeitsbereich Bürgerstiftungen, um dieses innovative<br />

Konzept bürgerschaftlicher Selbstorganisation<br />

zu fördern. Mit ihrem Angebot will<br />

sie zur Verbreitung und Professionalisierung<br />

der deutschen Bürgerstiftungen beitragen. Die<br />

Aktive Bürgerschaft liefert Know-how, informiert,<br />

berät und vernetzt das Engagement vor<br />

Ort, beispielsweise durch Ratgeber, regionale<br />

Weiterbildungsveranstaltungen oder die „Umkreissuche<br />

Bürgerstiftungen“ im Internet, über


die Bürger, die sich für eine Bürgerstiftung engagieren<br />

wollen, die nächste Stiftung in ihrer<br />

Umgebung finden. Außerdem setzt die Aktive<br />

Bürgerschaft Bürgerstiftungen auf die Agenda<br />

gesellschaftspolitischer Diskurse und gibt engagierten<br />

Bürgern, Stiftungsbehörden, Politikern<br />

und Journalisten mit ihrem „Länderspiegel<br />

Bürgerstiftungen“ regelmäßig Auskunft<br />

über die Entwicklung der Bürgerstiftungen in<br />

Deutschland sowie in den einzelnen Bundesländern.<br />

Um die Idee der Bürgerstiftung in der<br />

Öffentlichkeit und den Medien bekannt zu machen<br />

und durch gute Beispiele zum Nachahmen<br />

anzuregen, verleiht sie jährlich ihren Förderpreis<br />

Aktive Bürgerschaft.<br />

Genossenschaftsbanken fördern<br />

Bürgerstiftungen vor Ort<br />

Darüber hinaus begleitet die Aktive Bürgerschaft<br />

Volksbanken und Raiffeisenbanken in ihrem<br />

gesellschaftlichen Engagement für Bürgerstiftungen<br />

als Ausdruck ihres Corporate<br />

Citizenship. Mit ihrer fachlichen Unterstützung<br />

engagieren sich Genossenschaftsbanken als<br />

Gründungsstifter oder Förderer bei mehr als<br />

Dreiviertel der Bürgerstiftungen in Deutschland.<br />

Denn Bürgerstiftungen und Genossenschaftsbanken<br />

haben viele Gemeinsamkeiten: Beide<br />

Organisationen basieren auf Regionalität und<br />

Dezentralität, beide Organisationen gehören<br />

ihren Mitgliedern, beide Organisationen funktionieren<br />

nach dem Prinzip der Hilfe zur Selbsthilfe,<br />

Selbstverantwortung und Selbstverwaltung.<br />

Auch die Kooperation ist ein weiteres<br />

konstitutives Strukturmerkmal, das Bürgerstiftungen<br />

und Genossenschaften verbindet und<br />

sich in dem Motto „Gemeinsam mehr erreichen“<br />

ausdrückt. Als regional verwurzelte Unternehmen<br />

mit langer Geschichte erreichen die<br />

Volksbanken über ihre Mitglieder, Privat- und<br />

Firmenkunden aus der klein- und mittelständischen<br />

Wirtschaft potentielle Mit- und Zustifter.<br />

Durch ihre Kontakte zum örtlichen Vereinswesen<br />

können weitere wichtige Akteure und Multiplikatoren<br />

für die Arbeit der Bürgerstiftung<br />

gewonnen werden.<br />

Für ihr Engagement in der Bürgerstiftung Hellweg-Region<br />

wurde die nordrhein-westfälische<br />

Volksbank Hellweg eG aus Soest im Jahr 2004<br />

stellvertretend für viele in diesem Bereich engagierte<br />

Volksbanken und Raiffeisenbanken<br />

mit dem Corporate Citizenship-Preis „Freiheit<br />

& Verantwortung“ der deutschen Wirtschaft<br />

ausgezeichnet.<br />

Synergien von Bürgerstiftungen, Aktiver<br />

Bürgerschaft und „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“<br />

Im Ergebnis macht es viel Sinn, in Zukunft über<br />

Kooperationen stärkere Synergien aus der Arbeit<br />

der Aktiven Bürgerschaft, der Bürgerstiftungen<br />

und dem Programm „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“<br />

in <strong>NRW</strong> zu entwickeln. Projektbezogen<br />

können Bürgerstiftungen an den Erfahrungen<br />

und Netzwerken der Aktiven Bürgerschaft partizipieren.<br />

Kontakte zu den örtlichen Volksbanken<br />

und deren Kontakte zur lokalen Wirtschaft<br />

können akquiriert werden. Das Programm „I<strong>nitiative</strong><br />

ergreifen“ kann dann zur ganzheitlichen<br />

Projektrealisierung von Bürgerstiftungen genutzt<br />

werden.<br />

Weiterführende Hinweise<br />

Internet<br />

• www.aktive-buergerschaft.de<br />

• Hertener Bürgerstiftung: www.hertenerbuergerstiftung.de<br />

•Umkreissuche Bürgerstiftungen: Das Online-Verzeichnis<br />

der Aktiven Bürgerschaft listet alle Bürgerstiftungen in<br />

Deutschland und enthält Kontakt- und Finanzdaten.<br />

www.aktive-buergerschaft.de/bsi/service/bsideutschland<br />

Literatur<br />

•Backhaus-Maul, Holger / Biedermann, Christiane / Nährlich,<br />

Stefan / Polterauer, Judith (Hrsg.): Corporate Citizenship<br />

in Deutschland. Bilanz und Perspektiven. Wiesbaden,<br />

VS-Verlag für Sozialwissenschaften, 2008.<br />

•Enquete-Kommission „Zukunft des Bürgerschaftlichen<br />

Engagements“ Deutscher Bundestag (Hrsg.): Bericht.<br />

Bürgerschaftliches Engagement: auf dem Weg in eine<br />

zukunftsfähige Bürgergesellschaft. Opladen, Verlag Leske<br />

und Budrich, 2002.<br />

•Hellmann, Bernadette / Nährlich, Stefan: Länderspiegel<br />

Bürgerstiftungen. Fakten und Trends 2007 und Beilage<br />

„Bürgerstiftungen und Volksbanken Raiffeisenbanken:<br />

Gemeinsam mehr erreichen“. Hrsg: Aktive Bürgerschaft e.V.<br />

Berlin 2007.<br />

•Nährlich, Stefan / Strachwitz, Rupert Graf / Hinterhuber,<br />

Eva Maria / Müller, Karin (Hrsg.): Bürgerstiftungen in<br />

Deutschland - Bilanz und Perspektiven. Wiesbaden, VS-<br />

Verlag für Sozialwissenschaften, 2006.<br />

•Zimmer, Annette / Nährlich, Stefan (Hrsg.): Engagierte Bürgerschaft.<br />

Traditionen und Perspektiven. Opladen, Verlag<br />

Leske und Budrich, 2000.<br />

Bürgerstiftungen – Nährboden für Projekte<br />

oben: Hof Wesels in Trägerschaft der Bürgerstiftung<br />

Herten sowie Sponsoren und<br />

Unterstützer<br />

27


Projekte und Projekterfahrungen 2004 bis 2008<br />

von Kerstin Bohnsack und Joachim Boll<br />

Das Programm „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“ wird<br />

vom Ministerium für Bauen und Verkehr<br />

(MBV) des Landes Nord rhein-Westfalen getragen.<br />

1996 wurde es als Impulsprogramm bei<br />

der Internationalen Bauausstellung (IBA) Emscher-Park<br />

im nördlichen Ruhrgebiet „erfunden“.<br />

Hier wurden in wenigen Jahren 20 Projekte<br />

in einem schwierigen städtebaulichen<br />

und sozialen Umfeld und in einem vom Strukturwandel<br />

der Montanindustrie schwer betroffenen<br />

Raum in die Realisierung gebracht. Zwischen<br />

2001 und 2004 wurde der Förderansatz<br />

im Rahmen des Ziel-2-Programms der Europäischen<br />

Union weiter konkretisiert. Im Ruhrgebiet<br />

konnten so weitere 15 Projekte realisiert<br />

werden. Darüber hinaus dehn te das Städtebauministerium<br />

<strong>NRW</strong> das Programmangebot<br />

auf das ganze Land Nord rhein-Westfalen aus,<br />

so dass 25 weitere „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“-Projekte<br />

beschlossen werden konnten. Die dritte<br />

Förderphase begann 2004/ 2005 und brachte<br />

bisher weitere 15 Projekte hervor, von denen<br />

ein großer Teil baulich fertig gestellt wurde<br />

und sich im erfolgreichen bürgerschaftlich getragenen<br />

Betrieb befindet.<br />

12 Jahre Programm- und Projekterfahrung von<br />

1996 bis 2008 lassen Veränderungen erkennen.<br />

Entstanden in den 90er Jahren die Projekte<br />

eher aus den Bürgerinitiativ-, Sozial- und Alternativbewegungen,<br />

so kommen heute in viel<br />

stärkerem Maße Motivationen hinzu, die sich<br />

aus Engagement für Gemeinsinn und stadtgesellschaftlicher<br />

Verantwortung angesichts<br />

eines schwächer werdenden Staates speisen.<br />

Wenn man so will, ist dahinter auch eine stärkere<br />

„Verbürgerlichung“ zu sehen. Viele erkennen<br />

darin positive Ansätze einer sich entwickelnden<br />

„Bürgergesellschaft“, der immer wei -<br />

ter gehenden Veränderung der Rolle des Staates<br />

und seiner Aufgaben. Andere sehen hierin<br />

einfach die zunehmende Ohnmacht des Staates<br />

angesichts leerer Kassen.<br />

Im Folgenden soll weniger auf die Veränderungen<br />

dieser gesellschaftlichen und politischen<br />

Rahmenbedingungen eingegangen werden,<br />

sondern vielmehr der Versuch unternommen<br />

werden, aus der Erfahrung der Projektberatung<br />

die erkennbaren Verschiebungen und Erkenntnisse<br />

aus dem Verhältnis von Projekten („Bürgergesellschaft“)<br />

und Förderung („Staat“) für<br />

die Projektqualifizierung zu beschreiben. Im<br />

Focus stehen Entwicklungslinien, die bei der<br />

Akquisition von neuen und bei der Qualifizierung<br />

von anlaufenden Projekten helfen können.<br />

Dabei wird der Schwerpunkt der Betrachtung<br />

auf drei Entwicklungslinien gelegt,<br />

welche den Beratungs- und Qualifizierungsprozess<br />

zunehmend prägen:<br />

• die Drittmittelakquisition<br />

• die Fördersynergien<br />

• die Parallelität von Bauen und Betreiben<br />

„Drittmittel aus der zivilen<br />

Bürgergesellschaft“<br />

Die bürgerschaftlichen Projektträger von „I<strong>nitiative</strong><br />

ergreifen“ bringen erhebliche Ressourcen<br />

des ehrenamtlichen Engagements, geldwerter<br />

professioneller Leistungen sowie neue Ideen<br />

und Impulse in die lokalen Stadtgesellschaften<br />

ein. Dies ist eine der Voraussetzungen für die<br />

Förderung aus dem Programm „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“.<br />

Weil die geldwerten Ersatzleistungen<br />

wie bauliche Selbsthilfe oder gespendete Architektenleistungen<br />

und die originären Barmittel<br />

aus Mitgliedsbeiträgen und kleinen Spenden,<br />

aber auch die finanziellen Unterstützungen<br />

durch die Städte und durch das Land im Ergebnis<br />

in immer mehr Fällen für eine Projektrealisierung<br />

nicht ausreichen, ist der Druck, weitere<br />

Geldquellen zu erschließen, in den letzten Jahren<br />

deutlich gewachsen. In vielen Projekten, die<br />

zwischen 2005 und 2008 in die Realisierung<br />

gebracht wurden oder die sich in der Qualifizierung<br />

vor einer Förderempfehlung befinden,<br />

wurden neue Wege erschlossen, die, wenn man<br />

sie systematisieren will, auf drei Zugänge zugespitzt<br />

werden können:<br />

• kommunalnahe Geldquellen (über kommunale<br />

Partnerschaften)<br />

• „lokaler Wohlstand“ und lokale Wirtschaft<br />

(Spenden und Sponsoring)<br />

• Mittelakquisition über Stiftungen<br />

Um trotz schwieriger kommunaler Haushaltssituationen<br />

und bei so genannten „freiwilligen<br />

Leistungen“ handlungsfähig zu bleiben, werden<br />

auch bei „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“ über die<br />

Städte und Gemeinden zunehmend kommunalnahe<br />

Unternehmen im Hinblick auf finanzielle<br />

Hilfen bei der Aufbringung von Eigenanteilen<br />

oder bei der Unterstützung im Betrieb<br />

Joachim Boll ist Inhaber von und Kerstin<br />

Bohnsack ist Mitarbeiterin bei startklar.<br />

projekt.kommunikation. Sie organisieren<br />

das Landesprogramm „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“<br />

im Auftrag des Ministeriums für Bauen<br />

und Verkehr (MBV) des Landes Nordrhein-<br />

Westfalen. Joachim Boll hat bei der Internationalen<br />

Bauausstellung (IBA) Emscher<br />

Park u.a. schon das Vorläuferprogramm<br />

gesteuert.<br />

linke Seite: Abendstimmung im Projekt<br />

Becker&Funck in Düren<br />

29


Projekte und Projekterfahrungen 2004 bis 2008<br />

30<br />

angesprochen wie Energieversorger, Stadtwerke,<br />

Stadt- und Kreissparkassen oder Wohnungsunternehmen.<br />

Zugenommen hat auch das Werben um „wohlhabende<br />

Mitbürger“ und um die lokale Wirtschaft,<br />

wobei dies für zahlreiche bürgerschaftliche<br />

Projektträger und Kommunen ein noch<br />

nicht ausreichend entwickeltes Feld darstellt.<br />

Während im Bereich der Kulturpolitik und in<br />

bestimmten Bereichen der Kinder- und Jugendpolitik<br />

bereits seit 10 bis 20 Jahren Ansätze einer<br />

solchen Tradition entwickelt wurden, ist<br />

dies für Querschnittsprojekte, wie in aller Regel<br />

bei „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“, noch mit sehr viel<br />

Überzeugungsarbeit verbunden.<br />

Die Stiftungslandschaft hat sich in den letzten<br />

Jahren deutlich weiter entwickelt (siehe hierzu<br />

die Beiträge von Nährlich/Hellmann in Teil I sowie<br />

von Bohnsack in Teil III dieses Buches). Im<br />

Hinblick auf eine gezielte Mittelakquisition<br />

über Stiftungen ist für „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“-Projektträger<br />

eines der Kernprobleme der Zugang<br />

zum „Stiftungsdschungel“ generell und im<br />

Einzel fall zu einmal identifizierten Stiftungen.<br />

Insgesamt wird das Erschließen von zusätzlichen<br />

Finanzierungsquellen auch für „I<strong>nitiative</strong><br />

ergreifen“ deutlich an Bedeutung gewinnen.<br />

Hierauf gilt es in Zukunft mehr Aufmerksamkeit<br />

zu richten. Dies ist natürlich zunächst ein<br />

Hinweis für die I<strong>nitiative</strong>n und daraus entstehende<br />

bürgerschaftliche Projektträger. Es ist<br />

aber auch eine Herausforderung für die Spitzen<br />

der Kommunen. Bürgermeister können hier unter<br />

Umständen sehr glaubwürdig Türen öffnen<br />

und Netzwerke knüpfen. Aber auch von der<br />

Landesseite können Orientierungshilfen etwa<br />

beim Zugang zum „Stiftungsdschungel“ hilfreich<br />

sein und Hinweise auf sich zunehmend<br />

regional organisierende Stiftungsverbünde<br />

gegeben werden. Darauf zu drängen und Hilfestellungen<br />

zu geben, wird sicher ei ne der Zukunftsaufgaben<br />

des Managements „I<strong>nitiative</strong><br />

ergreifen“ sein. Das systematische „Fund raising“<br />

wird dabei ebenfalls eine der Zukunftssicherungen<br />

und Tätigkeitsfelder von Projektträgern<br />

sein, im Idealfall in öffentlich-privater<br />

Partnerschaft.<br />

All dies verändert immer deutlicher das Verhält<br />

nis von Förderung, Kommunen und Pro jekt-<br />

i<strong>nitiative</strong>n und damit auch die Projektqualifizierung<br />

vor einer Förderentscheidung. Die För-<br />

derung aus dem Programm „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“<br />

wird zum Impuls für immer vielfältigere Partnerschaften.<br />

Eine ausschließliche Projektfinanzierung<br />

aus Landesförderung plus Engagement<br />

der Projekti<strong>nitiative</strong> reicht immer seltener für<br />

eine Realisierung aus. In der Praxis finden sich<br />

neben der Förderung aus „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“<br />

zunehmend Mischfinanzierungen aus den originären<br />

Beiträgen der bürgerschaftlichen Projektträger<br />

und den zuvor genannten Quellen.<br />

Es wird in Zukunft immer stärker darum gehen,<br />

neue lokale Partnerschaften zur Unterstützung<br />

von I<strong>nitiative</strong>n aus der Stadtgesellschaft zu<br />

befördern. Zentral ist hierbei, dass auf kommunaler<br />

Ebene Berührungsängste zu „agilen Teilen“<br />

einer sich immer weiter ausdifferenzierenden,<br />

pluralistischen Stadtgesellschaft in den<br />

Hintergrund treten und die Bereitschaft weiter<br />

wächst, diese auch personell und mit Knowhow<br />

(außerhalb finanzieller Haushaltsressourcen)<br />

zu unterstützen.<br />

Synergien und Bündelungen von<br />

Förderstrategien<br />

Innerhalb des Fördergeschehens hat sich in<br />

den Jahren 2005 bis 2008 ein Trend verstärkt,<br />

welcher die Bündelung von strategischen Förderansätzen<br />

präferiert, den Wettbewerb um<br />

zielgenauen und effektiven Mitteleinsatz propagiert,<br />

um so vielfältige Synergien zu erzeugen.<br />

Konkret bedeutet dies, dass nur in sehr begründeten<br />

Sonderfällen herausragende<br />

Einzelprojekte gefördert werden sollen, dass<br />

Projekte auch bei „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“ in gebietsbezogene<br />

Handlungsprogramme eingebunden<br />

sein sollen, dass sie Beiträge zu Handlungsschwerpunkten<br />

der jeweiligen Stadt (teil) -<br />

entwicklungspolitik leisten sollen und dass sie<br />

sich einordnen in die großen Schwerpunkte der<br />

Städtebauförderpolitik des Landes Nordrhein-<br />

Westfalen.<br />

Wenn die realen „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“-Projekte<br />

sowie die Beratungs- und Qualifizierungsprozesse<br />

betrachtet werden, so tragen diese Projekte<br />

zur Stärkung von Förderstrategien vor allem<br />

in folgenden drei Schwerpunkten bei:


Regionalen<br />

Das Impulsprogramm „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“<br />

hat te von 1996 bis 2000 mit der Internationalen<br />

Bauausstellung (IBA) Emscher-Park die erste<br />

große „regionale Plattform“ in Nordrhein-<br />

Westfalen und das entsprechende Struktur-<br />

programm als Hintergrund. Die überwiegende<br />

Zahl der Projekte aus dieser Zeit waren eingebettet<br />

in einen Strukturwandel- und Modernisierungsprozess<br />

des nördlichen Ruhrgebiets<br />

und sie hatten oftmals den zusätzlichen strategischen<br />

Hintergrund der „Sozialen Stadt“ (damals<br />

noch „Stadtteile mit besonderem Erneuerungsbedarf“).<br />

Bis heute kommen im Rahmen<br />

von „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“ immer wieder Projekte<br />

im Ruhrgebiet zum Zuge, die gut zu den<br />

während der IBA-Zeit entwickelten strategischen<br />

Zielen einer langfristigen Regionalentwicklung<br />

passen (Emscher Landschaftspark, Industriekultur).<br />

Schon mit der Regionale 2006 im Raum Remscheid-Solingen-Wuppertal<br />

und der EuRegionale<br />

2008 im Aachener Grenzraum wurden<br />

Projektkooperationen mit „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“<br />

geschlossen. Mit der Regionale 2010 Agentur<br />

im Rheinland wurde erstmals eine strukturellere<br />

Kooperation aufgebaut (siehe hierzu auch<br />

den Beitrag von Molitor in Teil I). Hier konnte<br />

eine Vielzahl von Projekten auf den Weg gebracht<br />

werden, die in den Jahren bis 2010 und<br />

danach erst richtig sichtbar werden. Derartige<br />

Kooperationen machen aus Sicht des Programms<br />

„I<strong>nitiative</strong> ergreifen“ viel Sinn, weil sie<br />

in aller Regel „Anerkennungsplattformen“ für<br />

bürgerschaftliches Engagement darstellen und<br />

von daher Motivationen verstärken können. Da<br />

die Regionalen aber auch einen „Innovationsauftrag“<br />

haben, sind sie eher „Kopföffner“ und<br />

Motivatoren für Experimente und Neues. Die<br />

Gefahren für Projektinitiatoren, an kommunalpolitischen<br />

Hürden zu scheitern, sind somit geringer.<br />

Regionalen können gut dazu beitragen,<br />

auf kommunalen Ebenen Mut für Neues zu<br />

entfalten. Gleichzeitig werden die bürgerschaftlichen<br />

Projekte an Stadt- und Regionalentwicklungsprozesse<br />

herangeführt, sie erhalten<br />

mehr Aufmerksamkeit und können so<br />

größere Kraft freisetzen. Sie gewinnen dann in<br />

aller Regel weitere dauerhafte Partner und ein<br />

„freundlicheres Umfeld“, allesamt gute Faktoren<br />

für einen dauerhaft stabilen Betrieb. Diese<br />

Erfahrungen gilt es, auch im Hinblick auf die<br />

neuen Regionalen 2013 in Südwestfalen und<br />

2016 im westlichen Münsterland, zu nutzen.<br />

Kulturelles Erbe<br />

Denkmalschutz, Industriekultur und die Bewahrung<br />

eines historischen kulturellen Erbes<br />

gehören zu den großen „Energiequellen“ für<br />

bürgerschaftliches Engagement, und stellen<br />

gleichzeitig wichtige Bausteine für die ökonomische<br />

Zukunft unserer Städte und Regionen<br />

dar. Nur Städte und Regionen, die unter anderem<br />

unverwechselbare Traditionen erschaffen,<br />

können Menschen dauerhaft an sich binden<br />

und sind langfristig attraktiv. Gerade in mittleren<br />

und kleineren Städten und Gemeinden bieten<br />

„I<strong>nitiative</strong> ergreifen“-Projekte durchaus<br />

große Chancen, durch überschaubare Projekte<br />

und mit dem Potenzial eines engagierten<br />

Stadtbürgertums perspektivische Stadtentwicklungspolitik<br />

und Innenstadtentwicklung<br />

anzugehen (siehe die Beispiele Wipperfürth,<br />

Fröndenberg oder Höxter). Der formelle Denkmalschutz<br />

ist dabei oftmals ein hilfreiches Instrument.<br />

Im Sinne von „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“ ist<br />

aber noch entscheidender, dass sich unverwechselbare<br />

historische, stadt- oder regionalgeschichtliche<br />

Identität mit den Projekten verbinden<br />

lässt. Welche Kraft des Engagements<br />

sich hieraus entwickeln lässt, zeigen viele der<br />

Projektbeispiele seit 1996. Alles deutet darauf<br />

hin, dass gerade dies einer der wesentlichen<br />

Schwerpunkte bei „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“ bleiben<br />

wird – auch im Sinne des städtebaulichen<br />

Denkmalschutzes.<br />

Soziale Stadt<br />

„I<strong>nitiative</strong> ergreifen“ kann auch in den Förderkulissen<br />

der „Sozialen Stadt“ (oder von Stadtumbau<br />

West) über konkrete Projekte Impulse<br />

setzen (siehe hierzu auch den Beitrag von<br />

Jasper im Teil I). Im Sinne eines verantwortlichen<br />

bürgerschaftlichen Engagements sind die<br />

Rahmenbedingungen allerdings deutlich<br />

schwie riger, weil die Stadtbereiche gerade wegen<br />

besonderer struktureller Probleme in diese<br />

Programme aufgenommen wurden, also das<br />

bürgerschaftliche Engagement dort grundsätzlich<br />

nicht stark ausgeprägt ist. Seit 1996<br />

hat sich immer wieder gezeigt, dass insbesondere<br />

über Kulturi<strong>nitiative</strong>n an der Schnittstelle<br />

zur Kulturwirtschaft in Stadtteilen der Sozialen<br />

Stadt „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“-Projekte entstanden<br />

sind (seit 1996/97 das Depot in der Dortmun-<br />

Projekte und Projekterfahrungen 2004 bis 2008<br />

31


Projekte und Projekterfahrungen 2004 bis 2008<br />

32<br />

der Nordstadt, seit 2002/05 die Huppertsbergfabrik<br />

in Wuppertal-Ostersbaum, dann aber<br />

auch das Ledigenheim in Dinslaken-Lohberg<br />

oder die Fabrik Becker&Funck in Düren Süd-<br />

Ost). Für derartige I<strong>nitiative</strong>n ist gerade die<br />

Kombination aus baulicher Investitions- und<br />

betrieblicher Anschubförderung interessant.<br />

Im Bereich sozialer Projekti<strong>nitiative</strong>n gibt es<br />

über die letzten 10 Jahre gesehen eine größere<br />

Bereitschaft, sich außerhalb klassischer Sozialeinrichtungen<br />

zu engagieren. Zumindest deuten<br />

Projekte wie das HELL-GA-Stadtteilzentrum<br />

in Düsseldorf-Garath oder die Stadtteilwerkstatt<br />

Canyon in Köln-Chorweiler auf die darin<br />

liegenden Chancen hin.<br />

Projekte von „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“ können Initial-Projekte<br />

im Rahmen der „Sozialen Stadt“<br />

sein, sie können zu Verstetigungsprozessen<br />

und zum Aufbau nachhaltiger Strukturen beitragen.<br />

In jedem Fall benötigen derartige Projekte<br />

aber einen deutlich „längeren Atem“ als<br />

Projekte außerhalb der Förderkulissen dieser<br />

Stadtteile; sie benötigen eine längere Begleitung<br />

und den Aufbau eines freundlichen und<br />

unterstützenden Umfeldes.<br />

Überragende Bedeutung der parallelen<br />

Qualifizierung von Bauen und Betreiben<br />

Eigentlich ist es eine banale und von allen<br />

schnell akzeptierte Erkenntnis: Bauen und Betreiben<br />

gehören für ein erfolgreiches Projekt<br />

zusammen. Diese Erkenntnis dringt zwar mehr<br />

und mehr ins Bewusstsein, drückt sich aber<br />

noch immer nicht durchgängig in entsprechendem<br />

Handeln in der Praxis aus. Die Förderpraxis<br />

ist weiterhin in hohem Maße auf das Bauen fixiert.<br />

Vor allem steht das Bauen in der Umsetzungsabfolge<br />

gleich am Anfang. Dies führt oft<br />

dazu, dass das Bauen von vielen Beteiligten mit<br />

Nachdruck und zügig vorangetrieben wird bis<br />

hin zu dem Wunsch bzw. der Forderung, mit<br />

dem Bauen schnell beginnen zu wollen. Das Betreiben,<br />

also die Gründung von Trägergesellschaften,<br />

klare Organisationsstrukturen für den<br />

Betrieb, vor allem die verbindliche Einbindung<br />

von Betriebspartnern und der Aufbau von belastbaren<br />

Wirtschaftskonzepten für Teilbereiche<br />

und das Gesamtprojekt werden zeitlich gerne<br />

nach hinten geschoben, weil sie von der Umsetzung<br />

her in aller Regel erst im unmittelbaren<br />

Vorfeld der baulichen Fertigstellung anstehen.<br />

„I<strong>nitiative</strong> ergreifen“ hat – auch im Vergleich<br />

mit Förderprojekten aus anderen Handlungsfeldern<br />

– den großen Vorteil, dass wegen der<br />

bürgerschaftlichen Projektträgerschaften von<br />

vorneherein belastbare Träger-, Betriebs- und<br />

Wirtschaftlichkeitskonzepte als Fördervoraussetzung<br />

herausgearbeitet werden müssen. Dadurch<br />

dass seit 1999/2000 immer mehr Projekte<br />

von „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“ in den Betrieb<br />

gehen, sich also dem „Ernstfall“ nach der Bauphase<br />

stellen müssen, kann inzwischen auf<br />

sehr viel Betriebspraxis zurückgegriffen werden.<br />

Diese Erfahrungen bestätigen die überragende<br />

Bedeutung der parallelen (und nicht<br />

hintereinander geschalteten) Qualifizierung<br />

von Bauen und Betreiben. Betriebskonzepte,<br />

Wirtschaftspläne und Partnerschaftskonstellationen<br />

müssen belastbar stehen, wenn erste Finanzierungsmittel<br />

für das Bauen fließen sollen.<br />

Das Bauen hat klare Verfahrensregeln. Zur Förderempfehlung<br />

durch den Beirat „I<strong>nitiative</strong><br />

ergreifen“ bzw. zum Förderantrag müssen mindestens<br />

eine Vorplanung und eine Kosten schät -<br />

zung nach DIN 276 vorliegen, vor der Bewilligung<br />

sind diese zu einer Planung (am besten<br />

zur Genehmigungsplanung) und einer Kostenberechnung<br />

nach DIN 276 weiter durchzuarbeiten.<br />

Ein vergleichbares Regelwerk für die Vorbereitung<br />

des Betriebs gibt es nicht. Aus der<br />

Bera tungserfahrung gehören mindestens dazu:<br />

• die verbindliche Klärung der Trägerschaftskonstruktion<br />

(organisatorisch, juristisch,<br />

steuer- und gemeinnützigkeitsrechtlich, personelle<br />

Verantwortungen für Vorstand, Geschäftsführung,<br />

„Finanzminister“, „Bauminister“,<br />

Beiratskonstruktionen),<br />

• die verbindliche Klärung der Eigentumssituation,<br />

der sich daraus ergebenden Aufgaben<br />

und der finanziellen Folgen für den Betrieb,<br />

• ein plausibler betrieblicher Wirtschaftsplan<br />

über mindestens 5 Jahre mit durchgearbeiteten<br />

Teilwirtschaftsplänen für die Gebäudewirtschaft,<br />

das Projektmanagement, für<br />

jeden einzelnen Geschäfts- oder Aktivitätsbereich,<br />

für Rücklagen und Abschreibungen,<br />

• Absicherung der Eigenanteile neben der öffentlichen<br />

Förderung.<br />

Bis zur Förderempfehlung durch den Beirat „I<strong>nitiative</strong><br />

ergreifen“ bzw. bis zum Förderantrag<br />

muss der Rahmen stehen, der dann in der Zeit<br />

bis zur Förderbewilligung mit nachvollziehba-


en Schrit ten verbindlich gemacht werden<br />

muss, wie etwa die Gründung von Betriebsgesell<br />

schaf ten, der Nachweise von Eigenanteilen<br />

oder von rechtsverbindlichen Erklärungen. Bevor<br />

dies nicht geschehen ist, sollten keine Förderentscheidungen<br />

bzw. Bewilligungen (auch<br />

keine vorgezogenen für das Bauen!) ausgesprochen<br />

werden.<br />

Dies sind viele, auch sehr formale Herausforderungen.<br />

An diesen Punkten wird aber vor allem<br />

erkennbar, ob es tatsächlich gelingen kann,<br />

neue Verantwortungskoalitionen in den jeweiligen<br />

Stadtgesellschaften sowie neue „öffentlich-private<br />

Partnerschaften“ zu schmieden.<br />

Projekte, insbesondere solche, die von einem<br />

bürgerschaftlich organisierten Träger geschultert<br />

werden, sollten erst in die Realisierung gehen,<br />

wenn sie mit den vorgenannten Klärungen<br />

abgesichert sind. In der Praxis heißt dies,<br />

dass die Qualifizierungsphase vor einer abschließenden<br />

Förderentscheidung nicht selten<br />

bis zu 1 ½ oder 2 Jahre dauert. Dies sind lange<br />

Zeiträume für einen bürgerschaftlichen Projektträger,<br />

in denen sich allseits die Zeit genommen<br />

werden sollte, die angedeuteten Partnerschaften<br />

aufzubauen und diese als belast -<br />

bare Strukturen entwickeln zu lassen.<br />

Gerade weil die Parallelität der Qualifizierung<br />

von Bauen und Betreiben so wichtig und das<br />

formale Regelwerk noch nicht so ausgefeilt ist,<br />

kommt der Bewertung der in der Qualifizierung<br />

erreichten Schritte eine gewisse Bedeutung<br />

zu, damit formale Schritte nicht zu „Killerargumenten“<br />

werden für ein im Grunde gutes<br />

und sich belastbar entwickelndes Projekt. Insofern<br />

haben sich Zwischenschritte und Zwischenabsprachen<br />

unter den Hauptbeteiligten<br />

in der Qualifizierung als gutes Instrument herausgestellt.<br />

Im Hinblick auf die Beratung und<br />

die Förderempfehlung durch den Beirat „I<strong>nitiative</strong><br />

ergreifen“ wurden inzwischen bei vielen<br />

Projekten Erst- und Zwischenberatungen eingeführt,<br />

die die Projektträger motivieren und<br />

die Projekte nach und nach absichern helfen.<br />

Beteiligung und Teilhabe, Kommunen und<br />

Bürgergesellschaft<br />

Mitte der 90er Jahre war „Bürgerbeteiligung“<br />

eine zentrale Forderung im politisch-gesellschaftlichen<br />

Diskurs. Inzwischen gehört eine<br />

große Formenvielfalt zu einer breit verankerten<br />

Praxis von Beteiligung auf der kommunalen<br />

und lokalen Ebene. Kennzeichnend ist, dass die<br />

Aktivitäten eher von den Kommunen oder anderen<br />

Akteuren wie zum Beispiel aus der Wohnungswirtschaft<br />

ausgehen. Größere öffentlich<br />

wirksame Projekte können heute kaum noch<br />

ohne Informationsveranstaltungen und -broschüren<br />

auskommen. Beteiligungsangebote<br />

sind auch Akzeptanztests – und im besten Falle<br />

bringen sich BürgerInnen aktiv in Planungs-<br />

und Projektvorbereitungsprozesse ein.<br />

„I<strong>nitiative</strong> ergreifen“ ging schon Mitte der 90er<br />

Jahre deutlich weiter. Bei „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“<br />

wechselt der verantwortliche Akteur von einer<br />

Kommune oder einem Wohnungsunternehmen<br />

zu einem bürgerschaftlichen Projektträger,<br />

um Infrastrukturen mit aufzubauen. Diese<br />

Verantwortung muss dauerhaft und verlässlich<br />

geschultert werden. Derartige Projektträger<br />

können im Idealfall auf Augenhöhe mit den<br />

Kommunen und anderen Institutionen kooperieren.<br />

Diese Formen der „Teilhabe“ waren in den 90er<br />

Jahren noch seltener und sind inzwischen<br />

deutlich mehr verbreitet. So wie Kommunen<br />

mit privaten Investoren verhandeln und zu<br />

Public Privat Partnership (PPP)-Projekten kommen,<br />

beginnt sich auch eine Praxis herauszuarbeiten,<br />

in der Kommunen mit zivilgesellschaft-<br />

lichen I<strong>nitiative</strong>n und eben auch immer<br />

selbstbewusster werdenden bürgerschaftlichen<br />

Projektträgern partnerschaftliche Beziehungen<br />

eingehen. Damit gerät eine viel größere<br />

Breite von Engagement aus einer sich immer<br />

weiter ausdifferenzierenden Stadtgesellschaft<br />

in den Focus: Kulturi<strong>nitiative</strong>n, Bürgervereine,<br />

Stadtteili<strong>nitiative</strong>n, industriekulturelle Vereinigungen,<br />

Bürgerstiftungen, Heimatvereine, lokale<br />

Wirtschaft und viele andere mehr. Für<br />

Kommunen waren derartige stadtgesellschaftliche<br />

Akteure lange eher „Störfaktoren“ und<br />

„Sand im Getriebe“. Heute gehört es zur „good<br />

governance“, diese als „produktiven Humus“<br />

der Stadtgesellschaft zu begreifen und aktiv in<br />

Stadtentwicklungsprozesse einzuflechten.<br />

Projekte und Projekterfahrungen 2004 bis 2008<br />

33


Projekte und Projekterfahrungen 2004 bis 2008<br />

34<br />

Im Folgenden ist eine Auswahl von Projekten<br />

dargestellt, die zwischen 2006 und 2008 baulich<br />

fertig gestellt wurden und ihren Betrieb<br />

aufgenommen haben. Die Auflistung soll die<br />

Breite und Vielfalt im Programm „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“<br />

verdeutlichen (siehe hierzu auch die<br />

Projektbeschreibungen aus dem Buch „Bürger<br />

machen Stadt – Zivilgesellschaftliches Engagement<br />

in der Stadterneuerung“ aus dem Jahr<br />

2004).<br />

Darüber hinaus befinden sich 2008 viele Projekte<br />

in der Realisierung, die insbesondere im<br />

Zusammenhang größerer regionaler Strategien<br />

stehen, aber erst in den Jahren bis 2010 baulich<br />

fertig gestellt werden. Beispielhaft zu nennen<br />

sind:<br />

• im EuRegionale-2008-Raum: Tuchwerk Aachen,<br />

Kulturzentrum KuKuK im Deutschen<br />

Zollhaus<br />

• im Regionale-2010-Raum: Fischereimuseum<br />

Troisdorf, Schiffsbrücke Wuppermündung,<br />

Kulturausbesserungswerk Leverkusen-Opladen<br />

• im ehemaligen IBA-Raum im Ruhrgebiet:<br />

Bergwerk Hugo Schacht 2, Gelsenkirchen (Industriekultur),<br />

Begegnungszentrum Deusen,<br />

Dortmund (Emscher Landschaftspark)<br />

Projekt 01<br />

Kulturspeicher Dörenthe<br />

Ibbenbüren<br />

Projekt 02<br />

Jacob Pins Forum<br />

Höxter<br />

Projekt 03<br />

Kulturschmiede Fröndenberg<br />

Projekt 04<br />

Alte Drahtzieherei Wipperfürth<br />

Projekt 05<br />

domicil Dortmund<br />

Projekt 06<br />

Stadtteilzentrum HELL-GA<br />

Düsseldorf Garath<br />

Projekt 07<br />

Fabrik Becker & Funck<br />

Düren Süd-Ost<br />

Projekt 08<br />

StadtteilWerkstatt Canyon<br />

Köln-Chorweiler<br />

Projekt 09<br />

Alte Feuerwache<br />

Duisburg-Hochfeld<br />

Projekt 10<br />

Initiativ-Haus Bavierpark<br />

Erkrath<br />

Projekte 11 und 12<br />

Kulturzentrum Bahnhof Werl<br />

Frauenkommunikationszentrum<br />

Bahnhof Herzogenrath<br />

Projekt 13<br />

SchulenBauenPartnerschaften<br />

EuRegio Maas-Rhein


Der Ortsteil Dörenthe liegt im südlichen<br />

Stadt gebiet von Ibbenbüren an der<br />

Schnitt stelle der B 219 mit dem Dortmund-<br />

Ems-Kanal. Direkt am Kanal steht ein Getreidespeicher<br />

an einer kleinen Hafenanlage errichtet.<br />

Da das Speichergebäude seit den 90er<br />

Jahren leer stand, nutzte ihn eine Kulturi<strong>nitiative</strong><br />

seit 1996, die sich später als Förderverein<br />

Kulturspeicher Dörenthe e.V. etablierte. 2001<br />

erarbeitete die Regionale 2004 Agentur in diesem<br />

Raum ein kulturlandschaftliches Freiraumkonzept<br />

unter dem Titel „Dörenther Parklandschaft“.<br />

Hier brachte sich der Förderverein<br />

mit der Idee ein, im Speicher und am Kanal<br />

einen dauerhaften Kulturort entstehen zu lassen.<br />

Regionale und „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“ arbeiteten<br />

daraufhin mit dem Förderverein im Jahr<br />

2002 ein Konzept aus und schlugen es zu einer<br />

Förderung vor.<br />

Kultur am Kanal<br />

Das Speichergebäude wurde in der baulichen<br />

Hülle instand gesetzt, im Inneren einfach ausgebaut<br />

und sehr gezielt infrastrukturell aufgerüstet.<br />

Im Hauptgeschoss entstand ein voll<br />

Kulturspeicher Dörenthe<br />

Ibbenbüren<br />

ausgestatteter kultureller Veranstaltungsraum<br />

mit direktem Zugang zum Kanal für Theater<br />

und Musik, für Kleinkunst und Comedy, für<br />

Vorträge und Versammlungen. Das erste Obergeschoss<br />

des Speichers bleibt ein großer und<br />

eher spartanisch ausgestatteter Raum für<br />

(Kunst-)Ausstellungen und Präsentationen. Die<br />

über dem Obergeschoss liegenden Speichergeschosse<br />

bleiben vorerst unausgebaut und ungenutzt.<br />

Das unmittelbar benachbarte zweigeschossige<br />

ehemalige Lagergebäude wurde<br />

mit den beiden Speichergeschossen verbunden.<br />

Hier wurden weitere Ausstellungsflächen<br />

und Atelierräume untergebracht, die ebenfalls<br />

für Kunst- und Kulturaktionen, für Kultur- und<br />

Kunstpädagogik genutzt werden. Der Außenraum<br />

zum Kanal bietet viele Möglichkeiten<br />

vom Hafenfest über Floh- und Weihnachtsmärkte<br />

bis hin zu Kunstaktionen.<br />

Das Nutzungsprofil ist in der Praxis am Standort<br />

seit 1996 langsam gereift. Sogar während<br />

des Umbaus wurde weiter experimentiert, so<br />

dass mit der feierlichen Eröffnung im August<br />

2006 schon vielfältige Erfahrungen vorlagen<br />

und Netzwerke zu weiteren Kulturvereinen in<br />

Eigentümer<br />

Bundesrepublik (Grundstück) und Hafenbetriebe<br />

(Gebäude)<br />

Betreiber<br />

Förderverein Kulturspeicher Dörenthe e.V.<br />

Baukosten<br />

250.000 Euro<br />

Städtebauförderung<br />

200.000 Euro<br />

Eigenanteil<br />

50.000 Euro (Selbsthilfe und Spenden)<br />

Projektentwicklung<br />

2001 bis 2003<br />

Bauliche Realisierung<br />

2004 bis 2006<br />

Betrieb<br />

seit 2007 (Vorlauf im Provisorium)<br />

www.kulturspeicher.de<br />

Projekt 01<br />

35


Kulturspeicher Dörenthe<br />

36<br />

der Region und zur regionalen Kulturpolitik<br />

insbesondere des Kreises geknüpft waren. Seitdem<br />

kann der Förderverein mit verbesserter Infrastruktur<br />

sein Engagement voll in die inhaltliche<br />

Weiterentwicklung investieren: temporäre<br />

Werkstätten, Ausstellungen und Workshops,<br />

kulturelle Kleinveranstaltungen (wie Jazz-Frühschoppen),<br />

Feste und Gemeinschaftsaktionen<br />

mit den Dörenther Vereinen, Vermietungen an<br />

Vereine und I<strong>nitiative</strong>n aus der Region.<br />

Engagement für Kultur<br />

Planung und Umbau wurden durch einen Architekten<br />

als aktives Vereinsmitglied „mit viel<br />

Herzblut“ vorangetrieben. Die Aktiven in Vorstand<br />

und Verein brachten viele Stunden der<br />

baulichen Selbsthilfe ein und akquirierten<br />

Spenden für den Eigenanteil zur Förderung;<br />

insgesamt kam so ein Eigenanteil von 50.000<br />

Euro zustande. Organisation und Betrieb des<br />

Kulturspeichers laufen im „ehrenamtlichen<br />

System“ des Vereinsvorstands: Veranstaltungsmanagement,<br />

Kooperation mit Vereinen und<br />

Veranstaltern, Hausmeister- und Öffnungsdienste,<br />

und vieles andere mehr.<br />

Markenzeichen der Region<br />

Der Kulturspeicher Dörenthe hat sich zu einem<br />

Markenzeichen entwickelt, zu einer visuellen<br />

und touristischen Landmarke am Kanal, aber<br />

auch zu einem ungewöhnlichen kulturellen<br />

Veranstaltungsort.


Kulturspeicher Dörenthe<br />

37


Projekt 02<br />

Eigentümer Jacob Pins Gesellschaft e.V.<br />

Betreiber Jacob Pins Gesellschaft e.V.<br />

Baukosten Gebäude 2.641.000 Euro<br />

Denkmalbedingte Mehrkosten Gebäude<br />

970.000 Euro (680.ooo Euro Städtebauför-<br />

derung, 290.000 Euro Eigenanteil Stadt)<br />

Projektkosten Jacob Pins Forum<br />

1.120.000 Euro (997.000 Bauen,<br />

122.500 Euro Anschub Betrieb)<br />

Städtebauförderung Jacob Pins Forum<br />

796.000 Euro<br />

Eigenanteil Jacob Pins 324.000 Euro<br />

Projektentwicklung Jacob Pins Forum<br />

2004 und 2005<br />

Bauliche Realisierung bis 2008<br />

Eröffnung Jacob Pins Forum April 2008<br />

www.jacob-pins.de<br />

38<br />

Jacob Pins Forum<br />

Höxter<br />

Höxter ist eine Stadt der „Weserrenaissance“,<br />

in ihrer Altstadt konzentrieren sich<br />

viele Adelshöfe aus dem 16. Jahrhundert. Die<br />

Stadt kümmert sich seit langem um die Erneuerung<br />

und Sanierung des historischen Stadtkerns.<br />

Ein herausragendes Beispiel unter den<br />

Hofanlagen ist der Heisterman von Ziehlbergsche<br />

Hof in der Westerbachstraße. Im Jahr<br />

2000 ging diese Anlage in Privateigentum<br />

über und wurde seitdem für eine denkmalgerechte<br />

Instandsetzung sowie eine Umnutzung<br />

vorbereitet.<br />

Jacob Pins ist ein jüdischer Künstler aus Höxter.<br />

1936 gelang es ihm, nach Palästina zu emigrieren,<br />

seine Eltern wurden 1941 von den Nazis ermordet.<br />

Jacob Pins lebte seit Ende des Zweiten<br />

Weltkriegs in Israel und arbeitete dort als<br />

Künstler. Er nahm in den 60er Jahren wieder<br />

Kontakt auf mit seiner früheren Heimat; 1967<br />

und 1979, dann wieder 1989 und 1995 fanden<br />

Ausstellungen seiner Bilder und Drucke in Höxter<br />

statt. 2002/2003 vermachte er einen Großteil<br />

seines Werks seiner Geburtsstadt. Darauf<br />

gründete sich 2003 die Jacob-Pins-Gesellschaft<br />

e.V. aus der Mitte der Bürgerschaft Höxters mit<br />

dem Ziel, das Lebenswerk von Pins zu bewahren<br />

und zu präsentieren sowie gleichzeitig an<br />

das verloschene jüdische Leben in der Stadt zu<br />

erinnern.<br />

Kunst, jüdisches Leben, Bürgertreff,<br />

Stadtgeschichte<br />

2003/2004 kamen beide angedeuteten Entwicklungslinien<br />

zusammen. Die Jacob-Pins-Gesellschaft<br />

nahm die Chance wahr, in dem sorgfältig<br />

restaurierten Adelshof mitten in der<br />

Altstadt das Jacob-Pins-Forum aufzubauen.<br />

Hier werden inzwischen in einem schönen historischen<br />

Ambiente die Bilder des Künstlers<br />

ausgestellt und es wurde ein Archiv zu seinem<br />

Schaffen aufgebaut. In einem zweiten Ausstellungsteil<br />

wird am Beispiel der Familie Pins das<br />

Leben jüdischer Familien nachgezeichnet; die<br />

Lage des Adelshofs und des Forums mitten in<br />

der Altstadt ermöglicht auch Erkundungen zu<br />

Orten des früheren jüdischen Lebens in der<br />

Stadt. Über Veranstaltungen zu den Ausstellungen<br />

und über einen „Weinkeller“ wird zukünftig<br />

ein Bürgertreff organisiert. Damit ist<br />

ein öffentlicher Ort entstanden, der in original


hergestellten Räumen das Leben in Adelshöfen<br />

des 16. bis 18. Jahrhunderts darstellt.<br />

Der Adelshof in der Westerbachstraße wurde bis<br />

2008 in vorbildlicher Weise denkmalpflegerisch<br />

dokumentiert, instand gesetzt und umgebaut. Der<br />

größte Teil der Anlage konnte in Eigentumswohnungen<br />

umgenutzt werden. Kellergeschoss, Erdgeschoss<br />

und Teile des 1. Obergeschosses wurden<br />

für die öffentliche Nutzung durch das Jacob-Pins-<br />

Forum umgestaltet. Die Eröffnung des Forums<br />

konnte im April 2008 mit großer, auch überregionaler<br />

Aufmerksamkeit gefeiert werden.<br />

Lebendiger Ort, breites bürgerschaftliches<br />

Engagement<br />

Mit dem Jacob Pins Forum gelingt es, auf ungewöhnliche<br />

Weise sowohl eine schönen Ausstellungsort<br />

für einen international bekannten Künstler<br />

und einen Bildungs- und Erinnerungsort zu<br />

schaffen als auch einen positiven und einen sehr<br />

nachdenklichen Teil der Stadtgeschichte gleichzeitig<br />

zu dokumentieren und so durch das Engagement<br />

von Bürgern einen offenen Treffpunkt entstehen<br />

zu lassen.<br />

Jacob Pins Forum<br />

39


Jacob Pins Forum<br />

40<br />

Besonders bemerkenswert ist die breite Verankerung<br />

des Projekts in der Bürgerschaft und<br />

bei der Stadt und darauf aufbauend das ungewöhnliche<br />

ehrenamtliche bürgerschaftliche<br />

Engagement. Dies ist sicher ein Grund dafür,<br />

dass Jacob Pins kurz vor seinem Tod auch die<br />

restlichen Teile seines Gesamtwerks der Jacob-<br />

Pins-Gesellschaft und der Stadt vermacht hat.<br />

Ein weiteres Zeichen für das Engagement ist,<br />

dass es der Jacob-Pins-Gesellschaft bis Ende<br />

2007 gelang, den notwendigen Eigenanteil<br />

von 320.000 Euro über 100 Einzelspenden, Mitgliedsbeiträge<br />

und Aktionen als Barmittel zu<br />

mobilisieren.<br />

Die Jacob-Pins-Gesellschaft ist Eigentümer des<br />

Forums (Teileigentum an der Gesamtanlage im<br />

Rahmen einer Eigentümergemeinschaft). Sie<br />

betreibt im ehrenamtlichen System das Forum,<br />

sichert die regelmäßigen Öffnungszeiten der<br />

Ausstellung, organisiert Führungen, kooperiert<br />

mit diversen Schulen, der Volkshochschule und<br />

bindet sich in touristische Stadtrundgänge ein.


Jacob Pins Forum<br />

41


Projekt 03<br />

Eigentümer<br />

Stadt Fröndenberg<br />

Betreiber<br />

Förderverein Kulturzentrum Fröndenberg e.V.<br />

Baukosten 752.000 Euro<br />

Städtebauförderung 230.000 Euro<br />

Eigenanteil Stadt 153.000 Euro<br />

Eigenanteil über Verein<br />

379.000 Euro (Selbsthilfe, Spenden, <strong>NRW</strong>-<br />

Stiftung, Sparkasse und Stadtwerke)<br />

Projektentwicklung<br />

2003 bis 2005<br />

Bauliche Realisierung<br />

2006 und 2007<br />

Betrieb seit Oktober 2007<br />

www.kulturzentrum-ruhraue.de<br />

42<br />

Kulturschmiede<br />

Fröndenberg<br />

Fröndenberg ist eine Stadt in schöner landschaftlicher<br />

Umgebung an der Ruhr. Lange<br />

war die Stadt geprägt von Industrie, insbesondere<br />

der Papier- und der Kettenproduktion. Die<br />

Papierfabrik Himmelmann stellte Ende der<br />

80er Jahre ihre Produktion ein und hinterließ<br />

ein großes Gelände zwischen der Fröndenberger<br />

Innenstadt und der Ruhr. Große Teile der<br />

Werksanlagen wurden damals abgerissen. Die<br />

Stadt übernahm das Gelände in ihr Eigentum.<br />

Ein engagierter Verein Fröndenberger Bürger<br />

setzte sich schon früh für den Erhalt einiger<br />

Gebäude zur Wahrung der Industriegeschichte<br />

ihrer Stadt ein. So wurde in den 90er Jahren<br />

im ehemaligen Magazingebäude ein Kettenschmiedemuseum<br />

eingerichtet und die Umfassungsmauern<br />

gesichert. Mit dem Kettenschmiedemuseum<br />

und mit dem Erhalt von<br />

Teilen der ehemaligen Papierfabrik kann seitdem<br />

die industriegeschichtliche Vergangenheit<br />

der Stadt wach gehalten werden. Der Außenraum<br />

wurde zur Ruhr hin geöffnet; dem<br />

Verein gelang es, unter anderem mit Unterstützung<br />

des Düsseldorfer Künstlers Markus<br />

Lüpertz, einen mächtigen Trichter aus der Papierproduktion<br />

im Freiraum zu platzieren.<br />

Stadt an die Ruhr – Ort von Kultur und<br />

Freizeit<br />

Die Akzeptanz in der Bevölkerung, das Engagement<br />

der Bürger und das Interesse vieler Fröndenberger<br />

Vereine an dem Standort ließen die<br />

Idee reifen, einen mutigen nächsten Schritt zu<br />

tun: die Erweiterung des Kettenschmiedemuseums<br />

um einen Veranstaltungssaal und damit<br />

den Aufbau eines zentralen Kultur- und<br />

Bürgerzentrums für Fröndenberg. In den Jahren<br />

2003 bis 2005 wurde ein Konzept entwickelt,<br />

das im Ergebnis mittelfristig ein wichtiges<br />

Kapitel der Stadtentwicklung für Frön-<br />

denberg zu einem perspektivischen Abschluss<br />

bringen kann. Mit dem Anbau des Veranstaltungssaals<br />

entstand ein kultureller Mittelpunkt<br />

in der Stadt. Fröndenberg wendet sich<br />

jetzt mit dem Kettenschmiedemuseum, dem<br />

Kulturzentrum und dem kleinen Landschaftspark<br />

dauerhaft der Ruhr zu. Das Kulturzentrum<br />

bietet nicht nur dem vielfältigen traditionellen<br />

Vereinsleben der Stadt eine Heimat, sondern<br />

macht erstmals auch Kulturinteressierten aus<br />

Fröndenberg und seiner Umgebung ein Angebot.<br />

Der Standort entwickelt sich von der Ruhr-


seite her zu einer Visitenkarte für die Stadt<br />

Fröndenberg, was sich durch die Eröffnung des<br />

regionalen Ruhrtalradwegs noch verstärkt hat.<br />

Breit verankerter Trägerverein<br />

Im Jahr 2007 wurde der Bau des Veranstaltungssaals<br />

abgeschlossen. Er hatte seine bauliche<br />

Gestalt in einem Planungsworkshop im<br />

Frühjahr 2005 gefunden, an dem alle örtlich<br />

Verantwortlichen, der Projektarchitekt und externe<br />

Planer beteiligt waren. Der Bauprozess<br />

war in der Verantwortung des Trägervereins.<br />

Aktive aus dem Verein und seinem Umfeld<br />

brachten bauliche Selbsthilfe ein. Die letztendliche<br />

Finanzierung des Baus und der Ausstattung<br />

ist in einer im Projektfortschritt immer<br />

breiter werdenden Koalition gelungen: die<br />

Stadt hat sich ebenso beteiligt wie die <strong>NRW</strong>-<br />

Stiftung, die örtliche Sparkasse und die Stadtwerke.<br />

Hervorzuheben ist, dass es gelang, einen<br />

erheblichen Betrag über Spenden und Bürgschaften<br />

aus der Bevölkerung zu akquirieren.<br />

Im Ergebnis ist das Projekt in der Bevölkerung<br />

breit und gut verankert. Der Verein organisiert<br />

die Projektverantwortung in dieser mittelgro-<br />

Kulturschmiede Fröndenberg<br />

43


Kulturschmiede Fröndenberg<br />

44<br />

ßen Stadt weitgehend in einem ehrenamtlichen<br />

System. Dabei kann er auf die Erfahrungen<br />

aus dem Aufbau des Kettenschmiedemuseum<br />

zurückgreifen, ein Engagement, das sich im<br />

Bauprozess des Kulturzentrums und im anlaufenden<br />

Betrieb erneut bestätigt.<br />

Die Beharrlichkeit des Fördervereins, eine enge<br />

Partnerschaft von Stadt und Verein und die<br />

breite Verankerung in der Stadtgesellschaft<br />

haben ein Projekt zustande gebracht, das sich<br />

mittelfristig als Meilenstein der Fröndenberger<br />

Stadtentwicklung erweisen wird.


Kulturschmiede Fröndenberg<br />

45


Projekt 04<br />

Eigentümer<br />

Stadt Wipperfürth<br />

Träger<br />

Bürgerstiftung „Wir Wipperfürther“<br />

Betreiber<br />

Alte Drahtzieherei GmbH<br />

Investitionskosten<br />

3.160.000 Mio. Euro<br />

Anschubkosten 340.000 Euro<br />

Städtebauförderung<br />

2.800.000 Mio. Euro<br />

Eigenanteile 700.000 Euro<br />

Projektentwicklung 2002 bis 2005<br />

bauliche Realisierung 2005 bis 2007<br />

Betrieb seit 2007<br />

www.altedrahtzieherei.de<br />

46<br />

Kultur- und Veranstaltungszentrum<br />

Alte Drahtzieherei<br />

Wipperfürth<br />

Im Jahr 2002 gründeten engagierte Bürger<br />

die Bürgerstiftung „Wir Wipperfürther“. Ihr<br />

konkretes Ziel: ein Kultur- und Bürgerzentrum<br />

für alle Wipperfürther in der Alten Drahtzieherei<br />

an der Wupper. Wipperfürth hat in der<br />

Kernstadt und seinen weit verstreuten Ortsteilen<br />

ein reiches Vereinsleben mit 100 Vereinen<br />

und zusammen 10.000 Mitgliedern. Es fehlte<br />

aber ein zentraler identitätsstiftender Ort für<br />

die Vereine und das kulturelle Leben.<br />

Mitte der 90er Jahre verkleinerte die Firma Radium<br />

ihren innerstädtischen Produktionsstandort.<br />

Die Stadt sah die Chance, das Gelände<br />

in die Stadtentwicklung einzubinden. In den<br />

Folgejahren wurde auf einer Teilfläche Wohnungsneubau<br />

errichtet, ein kleiner Platz gestaltet<br />

und mit einem neuen Pfarrzentrum an<br />

der Katholischen Kirche gelang eine Verbindung<br />

zur Altstadt, zum Marktplatz und zum<br />

Rathaus auf der einen Seite, und mit der Umnutzung<br />

ehemaliger Industriegebäude von<br />

Radium eine Verbindung zur Wupper auf der<br />

anderen Seite. Hier steht auch die Alte Drahtzieherei,<br />

die durch eine schmale Brücke mit<br />

dem übrigen Gelände verbunden ist.<br />

Der Gedanke, in der Alten Drahtzieherei das<br />

lang ersehnte Kultur- und Bürgerzentrum unterzubringen,<br />

lag nahe. Aber Wipperfürth war<br />

zu dieser Zeit Haushaltssicherungskommune,<br />

so dass eine kommunale Trägerschaft und eine<br />

kommunale Finanzierung des Umbaus so gut<br />

wie ausgeschlossen schienen. Das war letztlich<br />

der Anstoß zur Gründung der Bürgerstiftung<br />

aus der Mitte der Bürgerschaft. Beispiele aus<br />

anderen Städten machten Mut. Anfänglich in<br />

erster Linie als Trägeralternative zur Kommune<br />

gedacht, entwickelte sich eine kleine „Bürgerbewegung“<br />

aus aktiven Vereinen, vielen Einzelpersonen,<br />

der lokalen Wirtschaft und der Volksbank<br />

sowie aus der lokalen Politik.<br />

Aus der anfänglichen Idee entstand zwischen<br />

2002 und 2005 ein komplexes Projekt. Anfang<br />

2003 wurde in einer „Zukunftswerkstatt“ die<br />

Grundlage des Nutzungskonzepts erarbeitet.<br />

In den Räumen der Alten Drahtzieherei mit<br />

einer Grundfläche von 1.200 qm sollte ein zentraler<br />

Ort für die Wipperfürther Vereine entstehen,<br />

aber auch ein Kultur- und Veranstaltungszentrum<br />

für das Oberbergische, ein schöner<br />

Aufenthaltsort an der Wupper und ein Ort für


die Wipperfürther Jugend. Ein großer Veranstaltungssaal<br />

für über 1.000 Personen wurde<br />

geplant, ein kleiner für 100 bis 200 Personen<br />

kam hinzu. Eine Gastronomie wurde als Teil der<br />

wirtschaftlichen Basis angedacht. Die Außenflächen<br />

zur Wupper wurden einbezogen, um<br />

einen attraktiven Aufenthaltsort entstehen zu<br />

lassen.<br />

Bürgerstiftung als Plattform und<br />

Projektträger<br />

Um das Projekt zu verwirklichen, gab die Stadt<br />

Wipperfürth die Alte Drahtzieherei als Eigentümerin<br />

im Wege des Erbbaurechts an die Bürgerstiftung<br />

weiter. Die Bürgerstiftung gründete<br />

eine eigenständige Betreibergesellschaft als<br />

GmbH, die für die Stiftung den Veranstaltungs-<br />

und Kulturzentrumsbetrieb einschließlich der<br />

Gastronomie verantwortet. Die GmbH wird<br />

heute von einem Geschäftsführer geleitet, der<br />

aus der Bürgerstiftung kommt; er führt ein<br />

professionelles Veranstaltungs- und Gastronomieteam.<br />

Der Vorstand und viele Aktive der<br />

Bürgerstiftung binden die örtlichen Vereine<br />

ein. Gemeinsam mit der GmbH pflegen sie die<br />

Alte Drahtzieherei Wipperfürth<br />

47


Alte Drahtzieherei Wipperfürth<br />

48<br />

Kontakte zu Bürgerschaft und Wirtschaft. Die<br />

Stadt Wipperfürth beteiligt sich mit ihren Aktivitäten<br />

der kommunalen Kulturpolitik und unterstützt<br />

die Jugendarbeit. Über 5 Jahre wächst<br />

so seit 2002 eine ungewöhnliche Partnerschaft<br />

heran, die die Grundlage wird für eine dauerhafte<br />

und belastbare Trägerschaft.<br />

Es galt aber auch von Anfang an, eine positive<br />

Wirtschaftlichkeitsperspektive zu erreichen,<br />

die die Ansprüche einer auf Gemeinnützigkeit<br />

ausgerichteten Bürgerstiftung, eines professionellen<br />

Kultur- und Veranstaltungsbetriebs, einer<br />

Gastronomie im Eigenbetrieb, der Gebäudewirtschaft<br />

und einer Geschäftsführung<br />

unter einem Dach zusammen bringt. Wirtschaftlich<br />

entscheidend sind der Veranstaltungs-<br />

und der Gastronomiebetrieb. Sie müssen<br />

die gemeinnützigen, kulturellen und<br />

so zialen Projekte absichern, aber auch die Kosten<br />

für Gebäude und das Projektmanagement<br />

erwirtschaften. Im Ergebnis ist seit 2007 ein<br />

Betrieb mit einem Jahresumsatz von 500.000


is 600.000 Euro im Aufbau. Architekten, Stadt<br />

und Bürgerstiftung verantworteten gemeinsam<br />

den Planungs- und Bauprozess. Dabei die<br />

Kosten, die Bauzeiten und die Gesamtfinanzierung<br />

im Blick zu haben, erforderte besondere<br />

Anstrengungen. Die Kosten mussten alleine<br />

schon wegen der notwendigen Eigenanteile<br />

der Bürgerstiftung in der Planungsphase eingegrenzt<br />

und in der Bauphase laufend angepasst<br />

werden u.a. aufgrund von Bauverzögerungen<br />

aber auch durch den Abgleich von<br />

Planung und beabsichtigtem Betrieb.<br />

Der Eigenanteil von 700.000 Euro über die Bürgerstiftung<br />

war eine weitere Herausforderung.<br />

200.000 Euro konnten über die Stadt beigesteuert<br />

werden, 60.000 Euro über Schenkungen<br />

und Großspenden aus der örtlichen Wirtschaft,<br />

20.000 Euro über bauliche Selbsthilfe<br />

und Barmittel aus kleineren Spenden. Rund<br />

50% wurden zunächst über einen Sonderkredit<br />

der Volksbank abgesichert.<br />

Perspektive für Stadt und Bürgerschaft<br />

Im Herbst 2007 ging die Alte Drahtzieherei in<br />

Betrieb. Baulich wurde hier der „Schlussstein“<br />

gesetzt für eine Stadtentwicklung, die das<br />

Stadtleben wieder an die Wupper führt. Für die<br />

Bürgerschaft ist eine Attraktion entstanden,<br />

die auch über die Stadtgrenzen hinaus wirkt.<br />

Aufgabe der Bürgerstiftung wird es bleiben, die<br />

Plattform stetig zu verbreitern, auf der das Projekt<br />

aufbaut.<br />

Alte Drahtzieherei Wipperfürth<br />

49


Projekt 05<br />

Eigentümer privat<br />

Betreiber<br />

domicil e.V. und domicil gGmbH<br />

Baukosten 1.883.000 Euro<br />

Städtebauförderung<br />

1.004.000 Euro<br />

Eigenanteil Eigentümer<br />

178.000 Euro<br />

Eigenanteil über Verein<br />

575.000 Euro (Selbsthilfe, Spenden, Sponsoring,<br />

Nutzungsrechte, Darlehen)<br />

Eigenanteil Stadt 126.000 Euro<br />

Projektentwicklung 2002 und 2004<br />

Bauliche Realisierung 2004 bis 2006<br />

Betrieb seit Herbst 2006<br />

www.domicil-dortmund.de<br />

50<br />

domicil<br />

Dortmund<br />

Das „domicil“ ist seit den späten 60er Jahren<br />

eine „Marke“ für einen profilierten<br />

Jazz-Club in Dortmund. Dem domicil-Verein<br />

sind drei bemerkenswerte Dinge gelungen. Seit<br />

seiner Gründung 1968 hat sich der Verein mit<br />

einer ehrenamtlichen Basis von 80 bis 100 Mitgliedern<br />

über die Jahre hinweg immer wieder<br />

„neu erfunden“ und für den Jazz engagiert; es<br />

gibt nur wenige Kulturvereine, deren Mitgliederbasis<br />

über 40 Jahre so stabil ist. Der Verein<br />

hat es weiterhin geschafft, in der Stadt, in der<br />

Region und im Land Nordrhein-Westfalen ein<br />

dichtes Netzwerk zum Thema Jazz zu knüpfen.<br />

Schließlich ist das Veranstaltungsprogramm in<br />

einem seit 1968 bis 2006 betrieben en Jazz-Keller<br />

in der Dortmunder Nordstadt über die Jahre<br />

zu einem der bekanntesten und profiliertesten<br />

Jazz-Clubs in Deutschland geworden.<br />

Neuer Standort im Brückstraßenviertel<br />

Dem Verein und dem Dortmunder Kulturbüro<br />

war seit Ende der 90er Jahre klar, dass „Jazz-<br />

Clubs“ in ihrer eher klassischen Form der Vergangenheit<br />

angehören. Die domicil-Verantwortlichen<br />

haben sich daher neben dem Jazz<br />

immer mehr der Weltmusik zugewandt, auch<br />

um breitere Zielgruppen zu erreichen. Die<br />

Stadt unterstützt das domicil seit 1998 mit einem<br />

Betriebskostenzuschuss im Rahmen seiner<br />

Förderung von Kulturzentren, um seine betriebliche<br />

Basis zu stärken. 2001/2002 rang sich<br />

der Verein dann dazu durch, eine strukturelle<br />

Neupositionierung anzugehen.<br />

Zu dieser Zeit wurde in der nördlichen Randlage<br />

der Dortmunder City ein großes Kino aus<br />

den 50er Jahren frei. Das domicil sah die Chance,<br />

in der Region erstmals ein großes selbstorganisiertes<br />

Musikzentrum aufzubauen und<br />

dem Jazz, der Weltmusik sowie seinen Liebhabern<br />

und Musikern eine große Bühne zu geben.<br />

Die Stadt sah die einmalige Chance der<br />

kulturpolitischen Profilierung und der Verstärkung<br />

der Kulturwirtschaft im „Brückstraßenviertel“,<br />

in dem sich seit langem ein Quartiersmanagement<br />

um eine stadtentwicklerische<br />

Stabilisierung bemüht.<br />

In dieser „Gemengelage“ kam dann Ende 2002<br />

„I<strong>nitiative</strong> ergreifen“ ins Spiel. Über zwei Jahre<br />

hinweg wurde zwischen Verein, Stadt und „Ini-


tiative ergreifen“ an einem Projektkonzept gearbeitet,<br />

das schließlich in die Förderung geht.<br />

Mit dem privaten Immobilieneigentümer wurde<br />

als Basis ein langfristig bindender Vertrag<br />

geschlossen. Auf dieser Grundlage konnte das<br />

ehemalige Hansa-Kino vollständig umgebaut<br />

werden. Der große Kinosaal im ersten Obergeschoss<br />

wurde als Raum für größere Musikveranstaltungen<br />

mit bis zu 500 Personen umgebaut.<br />

Ein kleiner Teil des Saals wurde als Club<br />

für ca. 50 Personen abgetrennt, die ehemalige<br />

Galerie für Jazzvereine und Gruppen ausgebaut<br />

und um einen VIP-Raum ergänzt. Das Kinofoyer<br />

wurde zu einem Bistro und zu einem<br />

Treffpunkt in der City umfunktioniert. Bei all<br />

dem blieb das prägende Interieur aus den 5oer<br />

Jahre weitgehend erhalten.<br />

Die Vereinsmitglieder leisteten, beginnend im<br />

Herbst 2004 über den gesamten Bauprozesses<br />

bis zum „Baufinish“ im Herbst 2006, enorm<br />

viele Selbsthilfestunden. Trotz des engen Budgets<br />

wurden immer wieder Lösungen für Kosten-<br />

und Finanzierungsprobleme gefunden.<br />

Neben den Verein trat eine gleichnamige ge-<br />

domicil<br />

51


domicil<br />

52<br />

meinnützige GmbH als Betreibergesellschaft<br />

ergänzend hinzu, um einerseits die Tradition<br />

des Mitgliederengagements zu erhalten, andererseits<br />

aber auch professionellere Strukturen<br />

in Veranstaltungsmanagement und Gastronomie,<br />

in Organisation und Betrieb aufzubauen.<br />

Eine Geschäftsstelle mit einem hauptamtlichen<br />

Geschäftsführer organisiert seit 2006<br />

den Kernbetrieb und nach wie vor engagieren<br />

sich die Mitglieder ergänzend bei vielen Veranstaltungen.<br />

Vorhandene Kooperationen mit<br />

Musikschulen, „ProJazz e.V.“, dem „LandesJugendJazzOrchester“,<br />

WDR5 u.a. konnten ausgebaut<br />

werden oder ganz neu entstehen.<br />

Prominente Adresse<br />

Der Jazz und die Weltmusik haben mit dem domicil<br />

seit 2006 in Dortmund eine prominente<br />

Adresse. Das Programm zieht seit der Eröffnung<br />

2006 viele Musikliebhaber nach Dortmund.<br />

Eine weltoffene urbane Szene von Musikern<br />

und Musikliebhabern hat erstmals einen<br />

Treffpunkt mitten in der Stadt. Mit den vielen<br />

Kooperationspartnern entsteht nach und nach<br />

ein „Kompetenz- und Förderzentrum für Jazz<br />

und Weltmusik“ und das „Brückstraßenviertel“<br />

hat einen weiteren Baustein erhalten in sei nem<br />

kulturellen und musikwirtschaftlichen Profil.


domicil<br />

53


Projekt 06<br />

Eigentümer<br />

Evangelische Kirche<br />

Betreiber<br />

HELL-GA e.V.<br />

Kosten 910.000 Euro<br />

(Umbau, Ausstattung, Anschub)<br />

Städtebauförderung<br />

720.000 Euro<br />

Eigenanteil<br />

190.000 Euro (bauliche Selbsthilfe,<br />

Spenden, Stadt)<br />

Projektentwicklung<br />

2004 bis 2006<br />

Bauliche Realisierung<br />

2007<br />

Betrieb ab 2008<br />

www.hell-ga.de<br />

54<br />

Stadtteilzentrum HELL-GA<br />

Düsseldorf-Garath<br />

Garath-Hellerhof ist ein Stadtteil mit 25.000<br />

Einwohnern im Düsseldorfer Süden. Der<br />

überwiegende Teil besteht aus einer Großsiedlung<br />

des sozialen Wohnungsbaus aus den<br />

60er und 70er Jahren des letzten Jahrhunderts.<br />

Auch in Garath zeigen sich die „übli chen“<br />

städtebaulichen und sozialen Probleme der<br />

Großsiedlungen dieser Zeit, wenn auch nicht<br />

so gravierend wie an anderen Standorten in<br />

Nord rhein-Westfalen. Stadt und Wohnungswirtschaft<br />

bemühen sich seit mehreren Jahren<br />

um die Aufwertung der Quartierszentren in<br />

Garath, um eine abgestimmte Politik der Wohnungsbelegung<br />

und um soziale und arbeitsmarktpolitische<br />

Maßnahmen.<br />

2001 begann in der Evangelischen Kirche in<br />

Garath – wie an vielen anderen Orten auch –<br />

eine Diskussion um die Perspektive der Gemeinde<br />

angesichts geringer werdender Kirchenmitglieder<br />

und sinkender Steuer ein nah-<br />

men. Die Schlie ßung der Hoffnungskirche<br />

stand im Raum und insbesondere das daran<br />

angrenzende Gemeindezentrum mit Kindergarten<br />

musste aufgegeben werden. Aus dem<br />

Protest aus der Bevölkerung gegen die Schlie-<br />

ßung entstand eine I<strong>nitiative</strong> von Frauen, die<br />

sich nicht damit abfinden wollte, dass ein<br />

wichtiger sozialer Mittelpunkt im Stadtteil verloren<br />

geht. Sie verharrten aber nicht im Protest,<br />

sondern grün deten 2002 einen Verein,<br />

dessen Name HELL-GA (aus den Stadtteilnamen<br />

Hellerhof und Garath) statt des Kirchenbezugs<br />

schon den ausdrücklichen Stadtteilbezug<br />

herausstellte.<br />

Der Verein mietete die Räumlichkeiten des Gemeindezentrums<br />

zeitlich befristet an, zunächst<br />

mit der Idee, ein „Mütterzentrum“ auf der Basis<br />

von Freiwilligenarbeit aufzubauen. Es entstanden<br />

relativ schnell ein Café als Treff und ein<br />

Secondhand-Laden. Die Resonanz aus der Bewohnerschaft,<br />

aber vor allem auch das Engagement<br />

von weiteren Frauen an einem gemeinsam<br />

gestalteten Projekt war enorm, so dass<br />

bereits 2003 die Räumlichkeiten des ehemaligen<br />

Gemeindezentrums dicht belegt waren. So<br />

kamen Kinderbetreuungsansätze genau so<br />

hinzu wie Beratungs- und Kursangebote, immer<br />

auf der Basis von Freiwilligenarbeit.


Stadtteilzentrum HELL-GA<br />

55


Stadtteilzentrum HELL-GA<br />

56<br />

„Vom Provisorium zur Stadtteilinfrastruktur“<br />

Der Erfolg machte die I<strong>nitiative</strong> mutig, weiter<br />

zu denken. Sie nahm Ende 2003 Kontakt auf<br />

zum Management „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“, um<br />

auszuloten, ob es gelingen könnte, mit Hilfe<br />

des Programms eine dauerhafte Infrastruktur<br />

zu etablieren. In einem intensiven Qualifizierungsprozess<br />

konnte 2004 dann ein Konzept<br />

entwickelt werden, das schließlich die Unterstützung<br />

der Stadt Düsseldorf, der Evangelischen<br />

Kirche und des Landes fand.<br />

Aus einem „Provisorium“ sollte eine dauerhafte<br />

Einrichtung für Garath auf der Basis bürgerschaftlichen<br />

Engagements entstehen. Der Projektansatz<br />

wurde weiter entwickelt zu einem<br />

Familien- und Stadtteilzentrum. Im Mittelpunkt<br />

bleibt ein offenes Cafe/Bistro als Treffpunkt<br />

mit Frühstücks- und Mittagstischangeboten.<br />

Um diesen Kern werden ganz<br />

unterschiedliche und flexible Angebote der<br />

Kinderbetreuung unter 6 Jahre, aber auch<br />

Nachmittagsangebote für Grund- und Hauptschüler<br />

aufgebaut. Hinzu kommen Beratungs-<br />

und Weiterbildungsangebote für Frauen und


Mütter, aber auch für Familien sowie musische,<br />

künstlerische und Sprachförderung. Und mit<br />

dem Secondhand-Shop oder einer Hebammenpraxis<br />

wird darüber hinaus auch Selbständigkeit<br />

eingebunden. Neben langfristig angelegten<br />

„Kernangeboten“ wird bewusst auf<br />

Freiwilligen engagement und Eigenverantwortung<br />

gebaut. So verstehen sich Vereinsvorstand<br />

und professionelle Geschäftsführung als „Projektmotor“,<br />

der die Ansätze anschiebt und auf<br />

den Weg bringt, punktuell unterstützt und Impulse<br />

setzt.<br />

Im Jahr 2007 wurde das Gemeindezentrum in<br />

ein Stadtteilzentrum umgebaut. Der Verein hat<br />

dabei auch die Bauherrenrolle übernommen<br />

und unter Einsatz von viel baulicher Selbsthilfe<br />

aus seinem Umfeld einen wichtigen Beitrag<br />

zur Aufbringung des notwendigen Eigenanteils<br />

erbracht. Die inhaltliche Arbeit wurde teilweise<br />

im Provisorium fortgeführt, teilweise in<br />

einem angemieteten Ladenlokal in der unmittelbaren<br />

Nachbarschaft. Sukzessive zog das<br />

Projekt ab Dezember 2007 in die neuen Räume<br />

ein und nutzt diese komplett seit Mitte 2008.<br />

Das „offene Geheimnis“ des bisherigen HELL-<br />

GA-Erfolgs ist ein auf der Basis von freiwilligem<br />

Engagement und hoher unternehmerisch<br />

denkender Professionalität arbeitendes Kernteam<br />

(Vorstand und Projektverantwortliche).<br />

Diesem ist es gelungen, der Evangelischen Kirche<br />

einen langfristigen Mietvertrag abzuringen,<br />

kommunale Politik und örtliche Akteure<br />

aus den Vereinen, sozialen Einrichtungen und<br />

der lokalen Wirtschaft einzubinden.<br />

HELL-GA ist ein neuer Typus von sozialem<br />

Stadtteilzentrum. Deswegen erfährt das Projekt<br />

besondere Aufmerksamkeit und positive<br />

Begleitung durch die Stadt Düsseldorf und<br />

überregional z.B. durch die Anerkennung als<br />

„Mehrgenerationenhaus“ beim Bundesfamilienministerium.<br />

Seit 2006 ist HELL-GA Modellvorhaben<br />

des Bundesbauministeriums im Ex-<br />

WoSt-Forschungsfeld „Innovationen für<br />

familien- und altengerechte Stadtquartiere“<br />

und übernimmt zusätzlich Aufgaben des sozialen<br />

Quartiersmanagements. HELL-GA ist auf<br />

dem Weg, eine feste Größe im Stadtteil Garath-<br />

Hellerhof zu werden.<br />

Stadtteilzentrum HELL-GA<br />

57


Projekt 07<br />

Eigentümer<br />

Stiftung Fabrik für Kultur & Stadtteil<br />

Betreiber<br />

Stiftung Fabrik für Kultur & Stadtteil<br />

Kosten<br />

3.525.000 Euro (Bauen und Anschub)<br />

Städtebauförderung<br />

2.820.000 Euro<br />

Eigenanteil<br />

705.000 Euro<br />

Projektentwicklung<br />

2002 bis 2004<br />

Bauliche Realisierung<br />

2005 bis 2007<br />

Betrieb<br />

seit November 2007<br />

www.becker-und-funck.de<br />

58<br />

Fabrik für Kultur und Stadtteil Becker & Funck<br />

Düren<br />

Der Stadtteil Düren Süd-Ost ist seit 1999 im<br />

Programm „Stadtteile mit besonderem Erneuerungsbedarf“<br />

(heute „Soziale Stadt <strong>NRW</strong>“).<br />

Er hat mit diversen städtebaulichen und sozialen<br />

Problemen zu kämpfen. Mitten im Stadtteil<br />

liegt die ehemalige Papierfabrik Becker&<br />

Funck. Nach ihrer Stilllegung ging das Gelände<br />

Anfang der 90er Jahre in das Eigentum der<br />

Stadt Düren über. In einen Teil der Straßenrandbebauung<br />

an der Friedenstraße zog eine<br />

Kindertageseinrichtung ein, der andere Teil<br />

wurde zur Aufnahme von Flüchtlingen umgenutzt.<br />

Die großen Hallen im Blockinneren blieben<br />

zunächst leer. In den 90er Jahren konnten<br />

einige Hallensegmente für ein Bürgerhaus in<br />

Trägerschaft der Evangelischen Kirche abgetrennt<br />

werden.<br />

Im Rahmen des Programms „Soziale Stadt“ und<br />

angeregt durch das Programm „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“<br />

begann 2001/2002 ein Diskussionsprozess,<br />

die übrigen leerstehenden Hallen mit<br />

über 2.000 qm Fläche einer Nutzung zuzuführen<br />

und damit dem Standort Becker&Funck eine<br />

langfristige und dauerhafte Perspektive zu<br />

geben.<br />

Projektentwicklungsprozess in einem<br />

Stadtteil der „Sozialen Stadt“<br />

Unter dem Motto „eine Fabrik für Kultur und<br />

Stadtteil“ machten sich Vereine, Einzelpersonen<br />

aus der lokalen Wirtschaft, die in Düren<br />

auf Stadtteilebene sehr aktive Evangelische<br />

Kirche, das Stadtteilbüro der „Sozialen Stadt“<br />

und die Stadt daran, ein Konzept für die Fabrik<br />

zu erarbeiten. Dies mündete 2002 zunächst in<br />

eine „Zukunftswerkstatt“, dann in einen Kreis<br />

aktiver Personen und in einen breit angelegten<br />

Beteiligungsprozess im Stadtteil. 2003 wurden<br />

dann Unternehmensberater und Architekten<br />

hinzugezogen und es entstanden die Umrisse<br />

des später umgesetzten Konzepts.<br />

Die große Fabrikhalle und das Dampfkesselhaus<br />

stehen unter Denkmalschutz. Diese Gebäude<br />

und der Innenhof mit einer Fußgängeranbindung<br />

an die Binsfelder Straße und an<br />

eine benachbarte Schule werden zu einem<br />

städtebaulichen Mittelpunkt des Stadtteils<br />

und zeigen seine industrielle Vergangenheit.<br />

In die Halle sind Büroeinheiten eingebaut worden,<br />

die an kreativwirtschaftliche kleine Unter-


nehmungen und kulturell-gemeinnützige<br />

Vereine vermietet werden. Die Büroeinheiten<br />

wurden so geplant, dass sie in Form eines Kubus<br />

„in die Halle gestellt“ sind, die Hallenkonstruktion<br />

freigeben und das Hallenerlebnis weiterhin<br />

ermöglichen.<br />

Das großzügige Eingangsfoyer, ein „Clubkeller“,<br />

ein Seminarraum und ein Veranstaltungsraum<br />

können angemietet oder für Stadtteilveranstaltungen,<br />

kleinere Musik- und Kulturevents<br />

und für Sport- und Bewegungsangebote gerade<br />

für die Zielgruppe der Kinder und Jugendlichen<br />

aus dem Stadtteil genutzt werden. Das<br />

Dampfkesselhaus wurde sorgfältig wiederhergestellt<br />

und wird unter anderem von einem<br />

örtlichen Geschichtsverein übernommen. Der<br />

Außenraum eignet sich hervorragend für kleinere<br />

und größere Stadtteilfeste.<br />

Stiftung als dauerhafte Basis<br />

Eigens für das Projekt wurde die „Stiftung Fabrik<br />

für Kultur & Stadtteil“ gegründet. Die Stadt<br />

Düren hat das gesamte Grundstück und die<br />

Gebäude der ehemaligen Papierfabrik in die<br />

Fabrik für Kultur und Stadtteil Becker & Funck<br />

59


Fabrik für Kultur und Stadtteil Becker & Funck<br />

60<br />

Stiftung eingebracht und damit ein Zeichen<br />

gesetzt für die dauerhafte Belebung im Stadtteil.<br />

Die Stiftung ist damit vollzuständig für die<br />

Gebäude(wirtschaft) des Gesamtgeländes, also<br />

nicht nur für die Halle, das Dampfkesselhaus<br />

und den Innenhof, sondern auch für die Vermietung<br />

und Instandhaltung der Straßenrandbebauung<br />

(mit Flüchtlingsheim und Kindertageseinrichtung)<br />

und das Bürgerhaus der<br />

Evan gelischen Kirche verantwortlich. Sie übernimmt<br />

darüber hinaus die Betreiberfunktion<br />

für das zuvor beschriebene Nutzungskonzept<br />

in der Halle und im Dampfkesselhaus. Sie hat<br />

also die entscheidende Gestaltungsfunktion<br />

für den Gesamtstandort. Dies ist eine besondere<br />

Herausforderung und eine Chance.<br />

Die Stiftung hat einen hauptamtlichen geschäftsführenden<br />

Vorstand. Das 7-köpfige<br />

Kuratorium ist aus Vertretern der Stadt, des<br />

Stadtteils, des Fördervereins und der Nutzer<br />

zusammengesetzt. Daneben gibt es weiterhin<br />

den Förderverein, der bis zur Stiftungsgründung<br />

das Projekt mit der Stadt vorangetrieben<br />

hat und einen Beirat, in dem u.a. Vereine aus<br />

dem Stadtteil mitarbeiten.<br />

Becker & Funck ist ein Beispiel für den „langen<br />

Atem“, den man in einem Stadtteil der „Sozialen<br />

Stadt“ für den Aufbau dauerhafter Strukturen<br />

benötigt. Becker & Funck zeigt aber auch<br />

den Willen einer Stadt sowie der Akteure aus<br />

dem Stadtteil und der Stadtgesellschaft insgesamt,<br />

wie eine solche Herausforderung partnerschaftlich<br />

angegangen werden kann.


Fabrik für Kultur und Stadtteil Becker & Funck<br />

61


Projekt 08<br />

Eigentümer<br />

Arbeitsgemeinschaft zur Förderung der<br />

Waldorfpädagogik in Köln e.V.<br />

Betreiber<br />

StadtteilWerkstatt Chorweiler gGmbH<br />

Kosten<br />

3.160.000 Euro (Bauen und Anschub)<br />

Städtebauförderung<br />

2.520.000 Euro<br />

Eigenanteil<br />

640.000 Euro<br />

Projektentwicklung<br />

2001 bis 2003<br />

Bauliche Realisierung<br />

2004 bis 2006<br />

Betrieb<br />

seit März 2006<br />

www.canyon-chorweiler.de<br />

62<br />

StadtteilWerkstatt Canyon<br />

Köln-Chorweiler<br />

Der Stadtteil Chorweiler im Kölner Norden<br />

ist die größte „Trabantenstadt“ in <strong>NRW</strong><br />

und gilt als eines der Symbole einer verfehlten<br />

Städtebaupolitik der 60er und 70er Jahre des<br />

letzten Jahrhunderts. Schon Mitte der 80er<br />

Jahre setzten Wohnungsunternehmen, Stadt<br />

und Land mit baulichen Korrekturmaßnahmen<br />

an. Mitte der 90er Jahre kam Chorweiler in das<br />

Programm der „Stadtteile mit besonderem Erneuerungsbedarf“<br />

(heute „Soziale Stadt <strong>NRW</strong>“),<br />

um unter anderem auch soziale Maßnahmen<br />

für Kinder, Jugendliche und Migranten, aber<br />

auch im Bereich der Arbeitsmarktpolitik angehen<br />

zu können.<br />

Chance für Chorweiler<br />

Am Rand von Chorweiler-Nord siedelte sich Ende<br />

der 90er Jahre eine Waldorfschule an. In der<br />

Tradition der Waldorfpädagogik wurden hier<br />

Angebote der Theater- und Zirkusarbeit sowie<br />

von Tanz und Holzverarbeitung etabliert. Um<br />

diese Angebote in den Stadtteil hineintragen<br />

zu können, entstand die Idee einer eigenständigen<br />

„Stadtteil- oder Freizeitwerkstatt“. Die<br />

Stadt Köln sah die große Chance, einen belast-<br />

baren und verlässlichen Akteur dauerhaft für<br />

Chorweiler zu gewinnen und darüber einen<br />

Beitrag zur sozialen Stabilisierung zu leisten.<br />

Neben der Waldorfschule gab es noch ein städtisches<br />

Grundstück. Erste Baupläne reiften<br />

2001 für ein ambitioniertes Projekt. 2002 wurden<br />

dann die Überlegungen zur Konzeptidee,<br />

zum Bauen und zum Betrieb zu einem tragfähigen<br />

Gesamtprojekt zusammengeführt. Das<br />

Projekt konnte bis 2006 baulich fertig gestellt<br />

werden und ist seitdem in Betrieb.<br />

Neben der Waldorfschule wurde ein imposanter<br />

Neubau errichtet für eine Theater-, Zirkus-<br />

und Bewegungswerkstatt, für ein Therapiezentrum<br />

sowie für einen Kletterbetrieb mit<br />

angeschlossenem Bistro. Das Gebäude lehnt<br />

sich in der Gestaltung an die Schule an, hat<br />

aber mit dem über 10 m hohen Turm („Kletterfelsen“)<br />

eine eigenständige Form. Im Inneren<br />

bietet es eine transparente, einladende und<br />

warme Atmosphäre.<br />

Drei Kernanliegen stehen hinter dem Projekt:<br />

• Mit Theater-, Zirkus-, Tanz- und Bewegungswerkstatt<br />

können Kursangebote in einem


idealen Rahmen realisiert werden, die weit<br />

über die klassischen Zielgruppen von Waldorfschulen<br />

hinausgehen.<br />

• Die Kletterhalle ist zwar der wirtschaftliche<br />

Kern der Tragfähigkeit des Projekts, das Klettern<br />

ist aber auch der „Transmissionsriemen“,<br />

mit dem der Zugang zum Stadtteil, zu<br />

den Jugendlichen und Kindern sowie zu den<br />

Schulen geschaffen werden kann. Hier ordnet<br />

sich das Therapiezentrum ein, das für<br />

Chorweiler und seine Bewohner erstmals eine<br />

therapeutische Versorgung anbietet.<br />

• Canyon ist mit seinen Angeboten gleichzeitig<br />

Basisstation und Partner für Stadtteilarbeit.<br />

Es wird ein Netzwerk mit Schulen, Kinderund<br />

Jugendeinrichtungen aufgebaut, gemeinsame<br />

Abenteuercamps werden in den<br />

Schulferien organisiert. Canyon ist auch Partner<br />

bei Stadtteilfesten und Nachbarschaftsaktionen.<br />

Das Zusammenwirken dieser drei Ansätze ist<br />

das Besondere. Im Werkstattbereich sind Lehrer,<br />

Honorarkräfte und Ehrenamtliche aktiv. Im<br />

Kletterbetrieb muss am Wochenende „Geld gemacht<br />

werden“, in der Woche haben aber Ko-<br />

StadtteilWerkstatt Canyon<br />

63


StadtteilWerkstatt Canyon<br />

64<br />

operationen mit Schulen und Einrichtungen<br />

aus Chorweiler Vorrang. Aufgabe der Geschäfts-<br />

führung ist es, Partnerschaften aufzubauen<br />

und ein Netzwerk mit Stadtteileinrichtungen,<br />

Schulen und Kindergärten zu knüpfen. Diese<br />

Stadtteilarbeit ist seit 2006/2007 auf einem<br />

guten Weg. Akzeptanz und Interesse im Stadtteil<br />

steigen, immer mehr Angebote werden aus<br />

Chorweiler heraus angenommen, Partner und<br />

Paten für die Stadtteilarbeit gewonnen.<br />

Öffentlich-private Partnerschaft und<br />

„langer Atem“<br />

Die Stadt Köln hat das Grundstück zur Verfügung<br />

gestellt. Die Arbeitsgemeinschaft zur För-<br />

derung der Waldorfpädagogik (Arge) ist Träger<br />

der Schule und Eigentümer des Canyon-Gebäudes;<br />

sie hat zum Beispiel den Eigenanteil<br />

von 640.000 Euro geschultert. Die Arge hat eine<br />

eigenständige gemeinnützige Betreibergesellschaft<br />

für den Betrieb von Canyon gegründet.<br />

In einem Stadtteil wie Chorweiler ein solch<br />

ambitioniertes Projekt tragfähig und belastbar<br />

aufzubauen, erfordert einen „langen Atem“<br />

und eine besondere Verlässlichkeit, die sich gerade<br />

auch seitens des Projektträgers in der<br />

schwierigen Anlaufzeit als sehr hilfreich erwiesen<br />

hat. Dies ist die Basis dafür, dass ein dauerhafter<br />

Partner für die schwierige Stadtteilentwicklung<br />

in Chorweiler heranwachsen kann.


StadtteilWerkstatt Canyon<br />

65


Projekt 09<br />

Eigentümer<br />

Stadt Duisburg<br />

Betreiber<br />

Kultur- und Stadtteilzentrum<br />

Alte Feuerwache e.V.<br />

Kosten 3.210.000 Euro<br />

(Umbau, Freiraum, Ausstattung, Anschub)<br />

Städtebauförderung (Ziel-2-Programm)<br />

2.889.000 Euro<br />

Eigenanteil<br />

321.000 Euro<br />

Projektentwicklung<br />

2001 bis 2004<br />

Bauliche Realisierung<br />

2005 und 2006<br />

Betrieb<br />

sukzessiver Einstieg ab 2006<br />

www.altefeuerwache-duisburg.de<br />

66<br />

Alte Feuerwache<br />

Duisburg-Hochfeld<br />

Das Gebäude der Alten Feuerwache im<br />

Duis burger Stadtteil Hochfeld steht seit<br />

den 90er Jahren leer. Schon in dieser Zeit kamen<br />

immer wieder Diskussionen auf, hieraus<br />

ein soziokulturelles Zentrum zu machen. Ende<br />

der 90er Jahre standen der Abriss und ein<br />

Wohnungsneubau zur Debatte. Alle bis dahin<br />

angedachten Anläufe scheiterten jedoch.<br />

Hochfeld ist ein Arbeiter-, Migranten- und Studentenquartier<br />

unmittelbar südlich der Duisburger<br />

Innenstadt und der City und hat mit<br />

vielen städtebaulichen und sozialen Problemen<br />

zu kämpfen. 2000/2001 wurde der Stadtteil<br />

daher in das Programm „Soziale Stadt<br />

<strong>NRW</strong>“ aufgenommen. Dies war gleichzeitig<br />

noch einmal der Anlass, über die Zukunft der<br />

Alten Feuerwache nachzudenken, weil Mittel<br />

aus dem Ziel-2-Programm in Aussicht standen.<br />

Der „Runde Tisch Hochfeld“, die Bezirksvertretung<br />

und die Stadt Duisburg haben sich damals<br />

entschieden, das Gebäude nicht abzureißen.<br />

Stattdessen wurde eine Art Wettbewerb<br />

zur Umnutzung durchgeführt. Zwei Konzepte<br />

standen sich alternativ gegenüber: ein Misch-<br />

konzept mit einem Ökomarkt und Räumen für<br />

Stadtteili<strong>nitiative</strong>n und das Konzept einer „Interkulturellen<br />

Bühne“ ebenfalls mit Stadtteili<strong>nitiative</strong>n.<br />

Die Entscheidung fiel 2002 zugunsten<br />

des Basiskonzepts der „Interkulturellen<br />

Bühne“.<br />

Langer Projektentwicklungsprozess<br />

Zwischen 2002 und 2005 wurde das Konzept<br />

vom Verein „Kultur- und Stadtteilzentrum Alte<br />

Feuerwache e.V.“ in Kooperation mit der EG<br />

DU Entwicklungsgesellschaft Duisburg mbH<br />

mehrfach verändert und weiter entwickelt:<br />

von einem Interkulturellen Theater, über ein<br />

Kinder- und Jugendtheater, ein Weltmusik-Zentrum,<br />

eine Internationale Gastronomie, ein<br />

Raumangebot für Vereine und Gruppen aus<br />

der Dialog- sowie Kultur- und Stadtteilarbeit<br />

bis hin zu einem kulturwirtschaftlichen Gründerzentrum.<br />

Im Trägerverein organisierten sich kulturelle<br />

I<strong>nitiative</strong>n, ein Verein zur Förderung des Dialogs<br />

zwischen den Kulturen, ein internationaler<br />

Unternehmerverein, ein türkischstämmiger


Betreiber einer Kleinkunstbühne. Das Projektprofil<br />

sollte sich ausdrücklich an der Internationalität<br />

des Stadtteils ausrichten – und das<br />

nicht nur als soziales Stadtteilzentrum, sondern<br />

auch als Kulturzentrum in einer von Migranten<br />

geprägten Metropolregion.<br />

2005 musste unter der Federführung von EG<br />

DU und IMD mit dem Umbau begonnen, Ende<br />

2006 konnte er bereits abgeschlossen werden.<br />

Im Erdgeschoss ist ein großer Veranstaltungsraum<br />

mit guter Ausstattung entstanden, in einem<br />

Glasvorbau eine Gastronomie. In die beiden<br />

Obergeschosse sind soziale und kulturelle<br />

Vereine eingezogen, das kulturwirtschaftliche<br />

Gründerzentrum ließ sich nicht verwirklichen.<br />

Chancen und Risiken<br />

Im November 2007 wurde anlässlich der Eröffnung<br />

der Gastronomie das Projekt offiziell<br />

übergeben. Bei diesem Anlass wurde beeindruckend<br />

das Potenzial des Projektes für eine<br />

Stadtteil- und Stadtgesellschaft erkennbar, die<br />

in Zukunft zu einem immer höheren Anteil aus<br />

Migranten sowie deren Familien und Nach-<br />

Alte Feuerwache<br />

67


Alte Feuerwache<br />

68<br />

kommen bestehen wird. Allerdings bestätigte<br />

sich in den ersten Betriebsmonaten danach<br />

auch die Schwierigkeit, mit der ein Projekt mit<br />

den formulierten Ansprüchen auf der einen<br />

Seite und den Problemen in einem Stadtteil<br />

der „Sozialen Stadt“ wie Hochfeld auf der anderen<br />

Seite zu kämpfen hat. Es wird zentral auf<br />

einen „langen Atem“ und darauf ankommen,<br />

das Projekt im Zusammenhang der Kulturhauptstadt<br />

Ruhr.2010 weiterzuentwickeln und<br />

abschließend positionieren zu können.


Alte Feuerwache<br />

69


Projekt 10<br />

Eigentümer<br />

Stadt Erkrath<br />

Betreiber<br />

Initiativ-Haus Bavierpark Erkrath e.V.<br />

Baukosten<br />

100.000 Euro<br />

Städtebauförderung<br />

52.000 Euro<br />

Eigenanteil<br />

24.000 Euro<br />

(Verein in bar, über Sachspenden und<br />

Selbsthilfe),<br />

12.000 Euro (Stadt),<br />

13.000 Euro (Dritte)<br />

Projektentwicklung<br />

2001 bis 2004<br />

Bauliche Realisierung<br />

2005 bis 2007<br />

Betrieb<br />

ab 2007<br />

70<br />

Initiativ-Haus Bavierpark<br />

Erkrath<br />

Ähnlich wie in anderen Städten gab es auch<br />

in Erkrath eine kleine öffentliche Parkanlage,<br />

die zunehmend verwahrloste. Der Stadt<br />

und vielen ihrer Bürger war durchaus bewusst,<br />

dass der Bavierpark etwas Besonderes ist, südlich<br />

der Düssel und in unmittelbarer Nähe zur<br />

Innenstadt gelegen, mit Resten älterer Freiraum-<br />

und Parkanlagen und einem denkmalgeschützten<br />

„Kurhaus“, welche allesamt an<br />

große vergangene Zeiten erinnern.<br />

Die von der Stadt gepflegten Hauptwege wurden<br />

gut genutzt, doch abseits davon gab es<br />

Wildwuchs, illegale „Freitoiletten“, Vandalismus<br />

und „dunkle Trinkerecken“. An dieser<br />

Situation sollte sich etwas ändern. Die Stadt<br />

beauftragte Freiraumplaner, die ein Konzept<br />

erstellen sollten für eine einfache Inwertsetzung<br />

und vor allem für eine langfristige<br />

Nutzungsperspektive der Parkanlage. Bürger<br />

brachten sich in den Planungsprozess ein. Der<br />

Verein „Erkrath blüht“ kümmert sich seitdem<br />

um die Bepflanzung und Pflege von Pflanzbeeten,<br />

die „I<strong>nitiative</strong> Friedensforum“ und die „Interessengemeinschaft<br />

Mahnmal“ um den Erhalt<br />

und die Pflege der im Park befindlichen<br />

Gedenkstätten. Der Verein „Altes Kurhaus“ bemühte<br />

sich um die Erhaltung und Nutzung des<br />

unter Denkmalschutz stehenden Gebäudes.<br />

Mitte der 90er Jahre hatte sich im Bavierpark<br />

ein Boule-Club etabliert mit Pétanque-Spielflächen<br />

und einem einfachen Unterstand. Der<br />

Verein „Cercle des Pétanqueurs Erkrath e.V.“ gewann<br />

an diesem Standort viele begeisterte<br />

Mitglieder und Spieler. Das Boule-Spiel war<br />

bald nicht mehr aus dem Park wegzudenken.<br />

Hieraus entstand ein Projektansatz, der neben<br />

der Parkinstandsetzung und einem neuen<br />

Parkpflegekonzept dauerhaft bürgerschaftliches<br />

Leben und damit auch „soziale Kontrolle“<br />

in den Park bringen sollte. Kernpunkt wurde<br />

die Idee eines „Initiativ-Hauses Bavierpark“.<br />

„Ein gemeinsames Dach“<br />

An der Stelle des bisherigen Unterstands des<br />

Boule-Clubs wurde 2002 ein kleines Gebäude<br />

geplant und in den Jahren 2005 und 2006 realisiert.<br />

Dieses Haus dient heute den aktiven<br />

Gruppen als Basisstation für ihre Aktivitäten.<br />

Es hat sich aber gleichzeitig auch zu einem so-


zialen Treffpunkt im Freiraum und als Kommunikationsort<br />

für Vereinsaktive entwickelt.<br />

Damit konnte das Ziel der Bündelung der bürgerschaftlichen<br />

Aktivitäten, das sich im geselligen<br />

Zusammensein direkt „unter einem Dach“<br />

im Bavierpark widerspiegelt, erreicht werden.<br />

Das Initiativ-Haus steht allen Bürgern Erkraths<br />

und den im Bavierpark tätigen Vereinen nach<br />

Absprache mit dem Trägerverein als Treffpunkt<br />

und Aufenthaltsort sowie für die Durchführung<br />

von Veranstaltungen offen.<br />

Die Landschaftsarchitekten haben ein pavillonähnliches<br />

Gebäude mit einem einfach ausgestatteten<br />

Gemeinschaftsraum für Treffs, Feiern<br />

und Versammlungen geplant. Das Gebäude ist<br />

im Sommer nach zwei Seiten zu öffnen und im<br />

Winter einfach zu beheizen. Daneben gibt es<br />

einen Sanitärcontainer mit WC, Wasser- und<br />

anderen technischen Anschlüssen. Daraus ergeben<br />

sich drei einfache Kuben unter einem<br />

„flie genden Dach“. Das Dach überspannt gleich -<br />

zeitig eine vor dem Hauptraum liegende Terrasse,<br />

die sowohl bei Sonne als auch bei Regen<br />

das Sitzen im Freien erlaubt. Im Außenraum<br />

wurden Flächen für das Boulespiel angelegt.<br />

Initiativ-Haus Bavierpark<br />

71


Initiativ-Haus Bavierpark<br />

72<br />

Engagement und Zukunft für den<br />

Bavierpark<br />

Das Initiativ-Haus wurde als Projekt baulicher<br />

Selbsthilfe errichtet. Die Verantwortung für<br />

das Planen und Bauen des Initiativ-Hauses<br />

wurde in einer Kooperation von Verein, Landschaftsarchitekten<br />

und Stadt gemeinsam getragen.<br />

Der Verein kümmerte sich um das<br />

Bauen und ist verantwortlich für die Nutzung,<br />

den Betrieb und die Unterhaltung des Gebäudes.<br />

Die Stadt Erkrath stellt dem Trägerverein<br />

die benötigte Fläche kostenlos für eine Mindestdauer<br />

von 15 Jahren zur Verfügung; hie rüber<br />

wurde ein Vertrag geschlossen.<br />

Der Trägerverein „Initiativ-Haus Bavierpark Erkrath<br />

e.V.“ wird zentral gestützt vom Bouleverein<br />

„Cercle des Pétanqueurs Erkrath e.V.“ und<br />

vom Verein „Erkrath blüht e.V.“ Darüber hinaus<br />

gibt es vielfache Kooperationen mit weiteren<br />

Vereinen und I<strong>nitiative</strong>n, der Begegnungsstätte<br />

Erkrath und der VHS, die immer für konkrete<br />

Veranstaltungen und Projekte aktiviert werden<br />

können. Im Sommer 2007 fand im Bavierpark<br />

die „Boule-Bundesliga“ statt, ein zentrales Ereignis<br />

aller Boulevereine in Deutschland, das in<br />

Erkrath und Umgebung eine große Aufmerksamkeit<br />

hervorrief.<br />

Die Erkrather Vereine haben mit hohem bürgerschaftlichem<br />

Engagement die Verantwortung<br />

für einen öffentlichen Freiraum, dessen<br />

Pflege und Weiterentwicklung übernommen<br />

und gleichzeitig durch die Aktivitäten wieder<br />

städtisches Leben in den Park gebracht. In Partnerschaft<br />

von Bürgerschaft und Stadt ist dies<br />

ein wesentlicher Beitrag zur Belebung der Innenstadt<br />

von Erkrath.


Initiativ-Haus Bavierpark<br />

73


Projekt 11<br />

Eigentümer<br />

Stadt Werl bzw. die städtische Gesellschaft<br />

für Wirtschaftsförderung und Stadtentwicklung<br />

(GWS)<br />

Betreiber Kulturzentrum<br />

Kultur für Werl e.V.<br />

Kosten Gebäudehülle<br />

320.000 Euro (davon 182.000 Euro Denkmalförderung)<br />

Innenausbau<br />

Dachgeschoss Eisenbahnfreunde in Eigenverantwortung<br />

und Selbsthilfe,<br />

Obergeschoss Kolpingwerk mit Arbeitsmarktförderung<br />

(EU-Xenos),<br />

Erdgeschoss für Reisebüro/Fahrkartenverkauf<br />

und Busservice<br />

Kosten Kulturzentrum<br />

50.000 Euro (Innenausbau, Ausstattung<br />

und Anschub) davon 40.000 Euro Städtebauförderung,<br />

10.000 Euro Verein und Stadt<br />

Projektentwicklung 2001 bis 2003<br />

Bauliche Realisierung 2004 und 2005<br />

Betrieb ab 2005/2006<br />

www.werl.de<br />

74<br />

Kulturzentrum<br />

Bahnhof Werl<br />

Seit 1999/2000 arbeitet die Stadt Werl an<br />

einer langfristigen Perspektive für den<br />

Bahnhof. Parallel hatte sich eine Kulturi<strong>nitiative</strong><br />

gegründet, die den Bahnhof und seine<br />

Umgebung ebenfalls ins Blickfeld rückte. Das<br />

denk malgeschützte Gebäude sollte wieder zur<br />

Visitenkarte, zu einem der Eingangstore in die<br />

Stadt werden, nachdem es jahrelang baulich<br />

vernachlässigt wurde und von der Deutschen<br />

Bahn nur noch in geringen Teilen benötigt wird.<br />

Lange war eine „große Lösung“ im Gespräch sowohl<br />

mit einem Kultur- und Veranstaltungszentrum<br />

als auch mit der gesamten Neuordnung<br />

des Bahnhofsumfelds. Dies ließ sich aber<br />

nicht umsetzen. In der Folge machten sich alle<br />

Beteiligten auf den Weg einer „kleinen Lösung“<br />

mit vielen sehr unterschiedlichen Partnern und<br />

einer Realisierung in Schritten.<br />

Die Stadt kaufte zunächst den Bahnhof über<br />

die städtische Wirtschaftsförderungs- und<br />

Stadtentwicklungsgesellschaft (GWS). Das<br />

Land beteiligte sich an der denkmalgerechten<br />

Instandsetzung der Gebäudehülle. Ein Beschäftigungsträger<br />

des Kolpingwerks half beim Um-<br />

bau mit einem durch ein EU-Programm (Xenos)<br />

gefördertes Arbeitsmarktprojekt. Das Kolpingwerk<br />

zog auch in die Räume des Obergeschosses<br />

ein. Das Dachgeschoss wurde durch einen<br />

örtlichen Modelleisenbahnverein angemietet<br />

und in Eigenverantwortung mit über 3.000<br />

Selbsthilfestunden ausgebaut. In einen Teil des<br />

Erdgeschosses zieht ein kleines Reisebüro ein,<br />

das auch den Fahrkartenverkauf für die Bahn<br />

organisiert.<br />

Kultur für Werl<br />

Der Verein Kultur für Werl e.V. übernahm 2004<br />

den größten Teil des Erdgeschosses und organisiert<br />

dort ein kleines Kulturzentrum. Der Verein<br />

ist aus einer jüngeren örtlichen Musik- und<br />

Veranstaltungsszene hervorgegangen, die für<br />

ihre Aktivitäten bislang in Werl keinen Ort hatte.<br />

Im Laufe des Projektentwicklungsprozesses<br />

kam es zu einer fruchtbaren Kooperation mit<br />

der städtischen Kulturpolitik, so dass seit der<br />

Eröffnung im Jahr 2005 ein Programm im „Kulturbahnhof<br />

Werl“ partnerschaftlich verantwortet<br />

wird mit Musikveranstaltungen für jüngere<br />

Leute, mit Kinder- und Jugendtheater, mit


Kleinkunst, Kabarett und Comedy. Für diese<br />

Konzeption wurde dem Verein über „I<strong>nitiative</strong><br />

ergreifen“ eine Förderung für den Innenaus -<br />

bau, die Ausstattung und den anlaufenden Betrieb<br />

bewilligt.<br />

Im Ergebnis ist der Bahnhof heute ein städtebauliches<br />

„Aushängeschild“ der Stadt. Mit dem<br />

„Kulturbahnhof“ ist zudem erstmals in Werl<br />

ein interessanter Ort für eine jüngere Musik-<br />

und Kulturszene und generell für Kulturinteressierte<br />

entstanden. Dieses war in einer Stadt mit<br />

der Größenordnung von Werl nur möglich im<br />

dargestellten Mischnutzungskonzept und durch<br />

das Zusammenlegen der Kräfte einer aktiven<br />

Kulturi<strong>nitiative</strong> und der Möglichkeiten kommunaler<br />

Kulturpolitik u.a. im Rahmen der Kulturregion<br />

Hellweg. Einer alleine hätte das nicht<br />

schaffen können. Auch „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“ war<br />

letztlich nur ein Baustein unter vielen, die zur<br />

Realisierung des Projektes beigetragen haben.<br />

Kulturzentrum im Bahnhof Werl<br />

75


Projekt 12<br />

Eigentümer<br />

Stadt Herzogenrath<br />

Kauf und Umbau Bahnhof<br />

Städtebauförderung <strong>NRW</strong><br />

Betreiber Frauenkommunikationszentrum<br />

Frauenkommunikationszentrum e.V.<br />

Anschub Frauenkommunikationszentrum<br />

250.000 Euro (190.000 Euro Förderung,<br />

60.000 Euro Eigenanteil)<br />

Projektentwicklung<br />

2002 bis 2004<br />

Bauliche Realisierung<br />

2004 und 2005<br />

Einstieg in den Betrieb<br />

2007<br />

www.frauenkommgleis1.de<br />

76<br />

Frauenkommunikationszentrum<br />

Bahnhof Herzogenrath<br />

Der schöne alte Bahnhof in Herzogenrath<br />

drohte Ende der 90er Jahre „aufs Abstellgleis“<br />

zu geraten: baulich ungepflegt, Leerstand,<br />

Reduzierung der DB-genutzten Flächen.<br />

Er war aber städtebaulich wichtig als einer der<br />

Zugänge zur sich anschließenden Innenstadt<br />

von Herzogenrath. Mit dem 100-Bahnhöfe-Programm<br />

des Landes boten sich ab 2001 Chancen<br />

zur Neuorientierung. Die Stadt führte mit Unterstützung<br />

des Landes <strong>NRW</strong> Verhandlungen<br />

mit der Bahn und konnte den Bahnhof 2004<br />

kaufen. Unter anderem mit Mitteln der Städtebauförderung<br />

wurde das Gebäude in den Jahren<br />

2005 und 2006 denkmalgerecht instand<br />

gesetzt und umgebaut. Parallel konnte auch<br />

eine Modernisierung der Bahnsteige angegangen<br />

werden.<br />

Die Stadt baute zur perspektivischen Nutzung<br />

des Bahnhofs Kooperationen mit bürgerschaftlichen<br />

Vereinigungen auf. So ist in große Teile<br />

des Erdgeschosses ein Kunstverein eingezogen,<br />

der Ausstellungen und Kulturveranstaltungen<br />

organisiert. Ein weiterer Teil des Erdgeschosses<br />

und das Obergeschoss werden vom Verein<br />

Frauenkommunikationszentrum e.V. unter<br />

dem Projektnamen „FrauenKomm.Gleis1“ übernommen,<br />

einem aus der Lokalen Agenda 21<br />

her vorgegangenen Zusammenschluss von Herzogenrather<br />

Frauen. In ein kleines Pavillongebäude<br />

zogen ein Kiosk, ein Stadtmarketingverein<br />

und der Fahrkartenverkauf der Deutschen<br />

Bahn ein. Im März 2007 konnte die Wiedereröffnung<br />

des Bahnhofs gefeiert werden.<br />

Um die öffentliche Nutzung des Frauenkommunikationszentrums<br />

abzusichern, suchte die<br />

Frauenbeauftragte der Stadt und die Frauenini<br />

tiative den Kontakt zum Programm „I<strong>nitiative</strong><br />

ergreifen“. Der Qualifizierungsprozess führte<br />

zu einer betrieblichen Aufbauförderung,<br />

deren konzeptioneller Vorlauf schon 2002 abgeschlossen<br />

werden konnte, deren Umsetzung<br />

aber wegen der Kaufverhandlungen und des<br />

anschließenden Umbaus erst ab 2007 umgesetzt<br />

werden konnte.<br />

Das Frauenkommunikationszentrum besteht<br />

in seinem Kern aus drei Teilen: einer kleinen<br />

Gastronomie/Bistro im Erdgeschoss, einem<br />

Veranstaltungsraum sowie einer Beratung,<br />

einer „Familienfeuerwehr“ und einer „Service-


örse“. Der Trägerverein hat das Bistro weiter<br />

verpachtet. Er bietet Kurse an, organisiert<br />

Filmabende und Kulturveranstaltungen. Mit<br />

der „Familienfeuerwehr“ und der „Servicebörse“<br />

baut der Verein familien- und frauenentlastende<br />

Angebote auf, die auf den Einstieg oder<br />

die Wiederaufnahme von selbständiger Berufstätigkeit<br />

von Frauen abzielen. Dabei setzt insbesondere<br />

die „Servicebörse“ auf eine Vermittlung<br />

von Dienstleistungen für Privathaushalte,<br />

an denen der Verein auch wirtschaftlich partizipiert,<br />

um seine Arbeit langfristig finanzieren<br />

zu können.<br />

Im Ergebnis hat „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“ dazu beigetragen,<br />

dass der Bahnhof in Herzogenrath<br />

langfristig durchgängig öffentlich genutzt<br />

werden kann und heute ein lebendiges Stadtentree<br />

darstellt.<br />

Frauenkommunikationszentrum im Bahnhof<br />

77


Projekt 13<br />

Träger<br />

Stadtoasen e.V., acht Schulen aus der EuRegio,<br />

Deutsch-Niederländisches Jugendwerk<br />

e.V. (bei der IHK Aachen)<br />

Gesamtinvestition (Umbau Schulhöfe,<br />

Managementkosten, Sonderprojekte)<br />

612.000 Euro<br />

Städtebauförderung<br />

418.000 Euro<br />

Eigenanteile<br />

194.000 Euro<br />

Projektentwicklung<br />

2003 bis 2005<br />

Bauliche Realisierung, Aufbau grenzüberschreitender<br />

Schulpartnerschaften und<br />

Schulnetzwerke<br />

2005 bis 2009<br />

www.schulenbauenpartnerschaften.eu<br />

78<br />

SchulenBauenPartnerschaften<br />

Euregio Maas-Rhein<br />

Das Projekt „SchulenBauenPartnerschaften“,<br />

das der Verein Stadtoasen e.V. im<br />

Rahmen der EuRegionale 2008 durchführt,<br />

wurde im Jahr 2004 entwickelt und soll dazu<br />

beitragen, den grenzüberschreitenden Austausch<br />

zwischen den Projektbeteiligten und<br />

damit auch den Bürgern in der Dreiländer-<br />

Region Deutschland-Belgien-Niederlande zu<br />

fördern und eine Kultur des Voneinanderlernens<br />

erlebbar zu machen. Ausgehend von<br />

der Schule als Impulsgeber soll bürgerschaftliches<br />

Engagement aktiviert werden. Die primäre<br />

Zielgruppe sind Kinder und Jugendliche<br />

der Euregio Maas-Rhein.<br />

Grundidee war es dabei zunächst, dass Zielorte<br />

und Schauplätze des Projekts monotone Schulhöfe<br />

sind, die in Eigeni<strong>nitiative</strong> und Zusammenarbeit<br />

von Partnerschulen zweier Länder<br />

aufgewertet werden und die Grundlage für eine<br />

weitere Zusammenarbeit bilden sollen. Mit<br />

mehreren Schulen konnten konkrete Absprachen<br />

getroffen und die Bereitschaft zur Mitarbeit<br />

erreicht werden. Demnach sollten Schüler,<br />

Eltern, Lehrer sowie weitere lokale Partner aus<br />

der Wirtschaft in den Umbau-, Beteiligungs-<br />

und Selbsthilfeprozess aus den verschiedenen<br />

Ländern der Euregio eingebunden werden und<br />

sich durch die gemeinsame praktische Arbeit<br />

auf dem Schulhof näher kommen.<br />

Kooperationen auf mehreren Ebenen<br />

Allerdings wurde den Projektbeteiligten schnell<br />

klar, dass es bei dem Projekt nicht in erster Linie<br />

nur um die Umgestaltung der Schulhöfe<br />

gehen kann, sondern dass hierdurch ein aktiver<br />

und sichtbarer Austausch und eine Kooperation<br />

auf verschiedenen Ebenen zwischen den<br />

Schulen und Unternehmen über die Grenzen<br />

hinweg initiiert und verstetigt werden sollte.<br />

Diese Idee war der Anstoß dafür, nicht nur<br />

Schulhöfe umzugestalten, sondern dauerhafte<br />

grenzüberschreitende Kooperationen und Partnerschaften<br />

auf der Projekt- und Schulebene<br />

aufzubauen und langfristig zu festigen.<br />

Vor diesem Hintergrund wurden zunächst acht<br />

Schulen ausgewählt, die sich in den Prozess der<br />

Schulhofumgestaltung und in das Gesamtprojekt<br />

einbringen und sich zudem für eine grenzüberschreitende<br />

Kooperation zwischen je einer


deutschen und einer belgischen bzw. niederländischen<br />

Schule bereit erklärten:<br />

• Gymnasium St. Leonhardt Aachen<br />

• Gemeinschaftsgrundschule Nettersheim-<br />

Marmagen<br />

• Erich-Kästner-Hauptschule Herzogenrath-<br />

Kohlscheid<br />

• Gemeinschaftshauptschule Goetheschule<br />

Baesweiler<br />

• Sophianum Gulpen<br />

• College Rolduc Kerkrade<br />

• Berufsschule Diest<br />

• Gemeindeschule Kelmis<br />

Darüber hinaus konnte der Förderkreis Deutsch-<br />

Niederländisches Jugendwerk e.V. – angesiedelt<br />

bei der IHK Aachen – als strategischer Projektpartner<br />

gewonnen werden, wodurch die große<br />

Chance entstand, lokale Partner mit in die Projektrealisierung<br />

einzubinden und für die Schulkooperationen<br />

zu gewinnen.<br />

Zudem hat sich die EuRegionale 2008 Agentur<br />

des Gesamtansatzes angenommen, um das Projekt<br />

aktiv bis zum Jahr 2008 als wichtiges regio-<br />

SchulenBauenPartnerschaften<br />

79


SchulenBauenPartnerschaften<br />

80<br />

nales und grenzüberschreitendes Projekt des<br />

Bürgerengagements zu kommunizieren.<br />

Ausbau grenzüberschreitender<br />

Schulpartnerschaften<br />

Bis 2008 konnten die acht Schulhöfe zusammen<br />

mit den jeweiligen Partnerschulen umgestaltet<br />

werden. Neben der Schulhofumgestaltung<br />

wurden zusätzlich mit den Partnerschulen<br />

kooperativ und grenzübergreifend bilaterale<br />

Gemeinschaftsprojekte, sogenannte „Sonderprojekte“,<br />

ins Leben gerufen, welche langfristig<br />

gemeinsam fortgeführt werden und damit<br />

Verbindungen über die Grenzen hinweg schaffen<br />

sollen. Bei den Sonderprojekten handelt es<br />

sich nicht um bauliche Projekte, sondern es<br />

steht insbesondere der Vernetzungsansatz sowie<br />

die Qualifizierung von Kindern und Jugendlichen<br />

für den euregionalen Arbeitsmarkt<br />

im Vordergrund. Bei der Realisierung der Sonderprojekte<br />

setzt sich der Förderkreis Deutsch-<br />

Niederländisches Jugendwerk im Rahmen<br />

seiner Möglichkeiten dafür ein, die örtliche<br />

Wirtschaft zu mobilisieren und potenzielle Kooperationspartner<br />

aus der Euregio zu benen-


nen, die bereit sind, die grenzüberschreitende<br />

Kooperation der Schulen zu unterstützen. Somit<br />

spiegeln die Sonderprojekte nicht nur den<br />

bilateralen Partnergedanken wider, sondern<br />

sind sichtbarer Ausdruck der grenzüberschreitenden<br />

Kooperation, durch die weitere Partnerschaften<br />

(insbesondere mit der Wirtschaft) initiiert<br />

werden.<br />

Aufbau eines „Euregionalen Netzwerks<br />

Schule“ als Perspektive<br />

Darüber hinaus dient das Projekt dem Förderkreis<br />

Deutsch-Niederländisches Jugendwerk e.V.<br />

dazu, ein dauerhaftes Netzwerk der Schulen<br />

und der lokalen Kooperationspartner in der Euregio<br />

Maas-Rhein aufzubauen. Das Jugendwerk<br />

wird die entstandenen grenzüberschreitenden<br />

Partnerschaften auch über das Jahr 2009 hinaus<br />

pflegen mit dem Ziel, eine größere Durchlässigkeit<br />

für den Arbeitsmarkt und den beruflichen<br />

Einstieg diesseits und jenseits der<br />

Grenzen zu erreichen. Somit soll das Netzwerk<br />

durch die Verknüpfung von Schulen und Unternehmen<br />

mittel- bis langfristig in allen drei Ländern<br />

der Euregio grenzüberschreitende Mög-<br />

lichkeiten bei der Ausbildungsplatzsuche der<br />

Jugendlichen schaffen.<br />

Das Projekt wird als Best-Practice-Modell verstanden,<br />

welches andere Schulen in der Grenzregion<br />

zur Nachahmung anregen soll.<br />

SchulenBauenPartnerschaften<br />

81


Partnerschaft aus Bürgerstiftung, Volksbank und Kommune<br />

ein Gespräch mit Guido Forsting, Lothar Palubitzki, Harald Klinke und<br />

Jörg Richter über die Alte Drahtzieherei in Wipperfürth<br />

In der ehemaligen Drahtzieherei der Lampenfirma Radium wurde am Rande der Innenstadt von Wipperfürth ein<br />

Kultur- und Veranstaltungszentrum durch eine Bürgerstiftung errichtet und 2007 in Betrieb genommen (das Projekt<br />

ist in Teil II dieses Buches genauer beschrieben). Eine der Besonderheiten dieses Projekts ist die Kooperation zwischen<br />

Bürgerschaft, Kommune und Volksbank in dieser mittelgroßen Stadt. Hierauf wird in dem folgenden Bericht eingegangen.<br />

Grundlage ist ein Gespräch am 23. April 2008 in Wipperfürth. Das Gespräch führten Anja Ganster und Joachim Boll.<br />

„Notstopfen“ oder Zukunftschance – vom<br />

kommunalen Projekt zur Bürgerstiftung<br />

Als die Idee eines Kultur- und Bürgerzentrums<br />

in der Alten Drahtzieherei vor 2001 entstand,<br />

dachten zunächst alle an ein klassisches kommunales<br />

Projekt. Bürgermeister Forsting:<br />

„Vom Ursprungsgedanken her wollten wir Fördermittel<br />

akquirieren, um die Alte Drahtzieherei<br />

als Ort für kulturelle Veranstaltungen herzurichten<br />

und sie dann an einen privaten Pächter<br />

weiterzugeben. Dann hatten wir aber Probleme<br />

einen Pächter zu finden, der die damals von uns<br />

geforderte Pacht zahlen konnte und wollte. Hinzu<br />

kam, dass wir seit 1996 keinen ausgeglichenen<br />

Haushalt mehr hatten. Nach dem Haushaltssicherungskonzept<br />

war es dann für uns<br />

nicht möglich, u.a. die Eigenanteile für das Projekt­Investment<br />

aus dem städtischen Haushalt<br />

zu bestreiten. Das hat uns die Kommunalaufsicht<br />

sehr deutlich gemacht. Also mussten wir<br />

nach anderen Lösungen suchen.“<br />

Das war die Geburtsstunde der Idee einer Bürgerstiftung.<br />

Lothar Palubitzki: „Wir trauten der<br />

Bürgerschaft in Wipperfürth so etwas zu. Da ich<br />

auch im Rat der Stadt bin, sah ich natürlich die<br />

Probleme der Stadt. Wir haben uns dann kundig<br />

gemacht, haben uns umgehört, was für Alternativen<br />

es gibt und sind unter anderem auf das<br />

Beispiel der Bürgerstiftung Rohrmeisterei in<br />

Schwerte gestoßen. Das hat uns Mut gemacht.<br />

Und 2002 konnten wir dann die Bürgerstiftung<br />

gründen, denn wir hatten tatsächlich ziemlich<br />

schnell die 50.000 Euro als Mindeststiftungskapital<br />

aus der Bürgerschaft zusammen.“ Von Anfang<br />

an bestand eine sehr enge Kooperation<br />

zwischen den Aktiven der Bürgerstiftung und<br />

der Kommune. „Die Stadt hat die Bürgerstiftung,<br />

wo immer es ging, flankierend unterstützt.<br />

Das war gerade am Anfang – so glaube ich –<br />

auch sehr wichtig. Heute ist die Bürgerstiftung<br />

eine vollkommen eigenständige Einrichtung von<br />

Bürgern für Bürger dieser Stadt. Da stehen Men­<br />

schen mit Herz und Engagement hinter“, erläu-<br />

tert Bürgermeister Forsting. Und Herr Palubitzki<br />

ergänzt: „Ohne die Bürgerstiftung würde es<br />

dieses Projekt nicht geben. Man sieht einfach<br />

eine Chance für die Stadt, in der man ja gerne<br />

lebt. Das spornt an und motiviert.“ Gerade in<br />

mittleren und kleineren Kommunen scheint<br />

dies stärker ausgeprägt: „Das Engagement der<br />

Bürger und die Nähe von Kommune und Bürger<br />

ist in überschaubaren Städten und Gemeinden<br />

einfach größer. Bei uns in Wipperfürth ist die<br />

Identifikation schon extrem hoch.“<br />

Kulturpolitik machen Kommune und<br />

Bürgerstiftung gemeinsam<br />

Um mit Kultur lokal aber auch überregional<br />

wahrgenommen zu werden, müssen sich kleinere<br />

Städte Partner ins Boot holen. „Wir haben<br />

doch nur einen kleinen Etat für Kultur und wenig<br />

Personal“, meint Bürgermeister Forsting.<br />

„Wenn wir das jetzt mit der Bürgerstiftung machen,<br />

kommt da doch wesentlich mehr rum. Das<br />

war auch ein wichtiges Argument für den Rat,<br />

sich für die gefundene Lösung einzusetzen.“<br />

Die Bürgerstiftung bietet auch die große Chance,<br />

näher an die Bürger heranzukommen. Herr<br />

Klinke: „Die Bürgerstiftung hat ja nicht umsonst<br />

den Namen „Wir Wipperfürther“. Es ist eine<br />

Plattform von Bürgern für Bürger. Das Leben ist<br />

kein Wunschkonzert. Die Wipperfürther können<br />

und müssen sich letztlich hier aktiv engagieren<br />

und Veranstaltungen und Ideen mit einbringen.<br />

Das ist sicher kein Prozess, der sich von heute auf<br />

morgen in den Köpfen festsetzen wird, das dauert<br />

seine Zeit, wahrscheinlich viele Jahre. Aber<br />

wir sind da auf einem guten Weg. Auf diesem<br />

Weg helfen auch die lang laufenden Verträge<br />

zwischen Stadt und Bürgerstiftung, die dafür eine<br />

Basis darstellen. Den Bürgern soll die Möglichkeit<br />

offen stehen, sich bei Veranstaltungen,<br />

die in ihren Interessenbereich fallen, einzubringen<br />

und bei der Umsetzung helfen zu können.“<br />

Guido Forsting ist Bürgermeister von Wipperfürth.<br />

Er begleitet das Projekt intensiv<br />

und sehr persönlich, weil er darin u.a. eine<br />

zentrale Chance für die Stadtentwicklung<br />

Wipperfürths sieht. Er hat sich besonders<br />

eingesetzt bei der Unterstützung des<br />

Projekts durch die kommunale Politik und<br />

der Vernetzung in der Region.<br />

Lothar Palubitzki ist von Anfang an hoch<br />

engagiert bei der Gründung der Bürgerstiftung<br />

und der gesamten Projektentwicklung<br />

dabei. Er ist im Vorstand der Bürgerstiftung<br />

und kümmerte sich auch um die<br />

bauliche Realisierung des Projekts.<br />

Harald Klinke ist Mitglied der Bürgerstiftung,<br />

hat im Tandem mit Lothar Palubitzki<br />

zentral die Projektentwicklung vorangetrieben<br />

und ist seit 2007 Geschäftsführer<br />

der Betreibergesellschaft. Er hat berufliche<br />

Erfahrungen mit Musikveranstaltern und<br />

der technischen Ausrüstung von Veranstaltungszentren.<br />

Jörg Richter ist Mitarbeiter der Volksbank<br />

Wipperfürth. Herr Richter in Person und<br />

die örtliche Volksbank engagieren sich von<br />

Beginn an in der Bürgerstiftung.<br />

linke Seite: industriekulturelles Gelände der<br />

Radiumwerke in Wipperfürth<br />

83


Partnerschaft aus Bürgerstiftung, Volksbank und Kommune<br />

84<br />

Nach der Betriebsaufnahme zeigte sich ein<br />

leichter Einbruch des Engagements bei örtlichen<br />

Vereinen, der darauf zurückzuführen ist,<br />

dass die Vereine nun Raummiete zu entrichten<br />

haben. Früher wurden die Veranstaltungen von<br />

der Stadt über die Raummieten faktisch stark<br />

subventioniert, das ist vor dem Hintergrund<br />

der notwendigen kostendeckenden Arbeit der<br />

Alten Drahtzieherei so nicht mehr möglich.<br />

Lothar Palubitzki: „Wir sind eine neue Institution<br />

am Ort. Da sieht sich der ein oder andere Verein<br />

etwas an den Rand gedrängt. Aber das ist<br />

für mich eine Frage der Zeit.“ So regte eine Wipperfürther<br />

Kulturi<strong>nitiative</strong> an, zukünftig deren<br />

Veranstaltungen wie Jazz, Kabarett und Kleinkunst<br />

in das Veranstaltungsprogramm der Bürgerstiftung<br />

zu integrieren. Beim Schützenverein,<br />

beim Karnevalsverein, überall zeigen sich<br />

weitere Annäherungen.<br />

Die Bürgerstiftung versteht sich als Freund sowie<br />

als Vermittler und Bindeglied zwischen<br />

den Vereinen. Harald Klinke: „Jede Freundschaft<br />

muss wachsen und braucht Zeit.“<br />

Die Rolle der Volks- und Raiffeisenbank<br />

Die Volks- und Raiffeisenbanken haben traditionell<br />

aus ihrer Entstehungsgeschichte heraus<br />

eine Nähe zu bürgerschaftlichem Engagement.<br />

Jörg Richter: „ Die ursprüngliche Raiffeisenidee<br />

verfolgte das Ziel, Personen auf dem Land, im<br />

speziellen den Landwirten, den Zugang zu Krediten<br />

zu ermöglichen. Dieser Grundgedanken der<br />

Genossenschaftsbanken ist auch heute noch<br />

vorhanden und manifestiert sich unter anderem<br />

in dem Anliegen, einen grundsätzlichen Förderauftrag<br />

auf regionaler und lokaler Ebene zu<br />

verfolgen. Förderauftrag nicht im Sinne der Mitglieder<br />

und Kunden der Volks­ und Raiffeisenbanken,<br />

die aber im Wesentlichen aus der Region<br />

stammen. Wir sehen uns als eine Bank, die<br />

die Leute, die in unserer Region wohnen, gerne<br />

unterstützt. An dem Projekt Alte Drahtzieherei<br />

hat uns überzeugt, dass es aus der Bürgerschaft<br />

an uns herangetragen wurde. Das ist kein städtisches<br />

Projekt mehr, sondern ein durch bürgerschaftliches<br />

Engagement initiiertes und getragenes<br />

Projekt. Das sind genau die Dinge, die wir,<br />

von der Genossenschaftsidee her kommend, gerne<br />

unterstützen wollen.“ Die Volks- und Raiffeisenbank<br />

Wipperfürth war von Anfang an als<br />

Förderer dabei mit Spendengeld, mit ihren or-<br />

ganisatorischen, betrieblichen und finanziellen<br />

Erfahrungen, aber auch mit ihren Netzwerken<br />

in die lokale und regionale Wirtschaft und Politik.<br />

Sie sorgte mit dafür, dass zur Gründung der<br />

Bürgerstiftung das notwendige Stiftungskapital<br />

schnell zusammen kam und zügig verbreitert<br />

werden konnte.<br />

Die Volksbank war aber auch als Bank bereit,<br />

dem Projekt eine notwendige Absicherung<br />

über einen Kredit zu geben. Insofern achtete<br />

sie auch darauf, dass sich die Alte Drahtzieherei<br />

wirtschaftlich richtig aufstellt. „Es ist ein sehr<br />

schönes Projekt, in gewissem Sinn auch ein<br />

Leucht turmprojekt für Wipperfürth, mit dem<br />

man sich schnell identifizieren kann. Insofern<br />

versprechen wir uns durchaus auch einen<br />

Imagegewinn davon, eine noch stärkere Verankerung<br />

hier am Ort.“ Wenn Jörg Richter sich die<br />

Brille des Bankers aufsetzt, dann erzählt er davon,<br />

dass sich die Volksbank im Vorfeld sehr kritisch<br />

mit dem Projekt auseinandergesetzt hat,<br />

insbesondere mit dem Wirtschaftskonzept.<br />

„Das führte dazu, dass wir sehr eng in dieses<br />

Projekt involviert waren, die Entwicklung gut im<br />

Blick hatten. Wir wussten, dass wir hier sicherlich<br />

keine alltägliche Finanzierung übernehmen.<br />

Überzeugt hat uns das starke bürgerschaftliche<br />

Engagement und die Tatsache, dass die Stadt<br />

hinter dem Projekt stand. Auch wir wollten unseren<br />

Teil beitragen, um das Vorhaben zu einem<br />

Erfolg zu bringen und die Grundlage für einen<br />

Erfolg ist hier der starke Verbund aus Bürgerschaft,<br />

Verwaltung und Bank“. Dieser Verbund<br />

ist im Grunde bares Geld wert.<br />

Bürgermeister als Mittler bei der<br />

Aufbringung von Spenden<br />

Die Aufbringung des Eigenanteils in Projekten<br />

ist eine Riesenaufgabe. Neben den vielen<br />

kleineren Beträgen und neben der baulichen<br />

Selbst hilfe kommt den größeren Spenden ein<br />

hoher Stellenwert zu. Bürgerstiftung und<br />

Volksbank haben da einen wichtigen Beitrag<br />

geleistet. In Wipperfürth hat der Bürgermeister<br />

die Bürgerstiftung dabei maßgeblich unterstützt.<br />

Guido Forsting: „Diese Rolle wird auch<br />

zukünftig für Kommunen immer bedeutender<br />

werden, wollen sie in kulturellen und sozialen<br />

Fragen außerhalb der Pflichtaufgaben handlungsfähig<br />

bleiben. Und es gibt immer wieder<br />

ortsverbundene Unternehmen, die sich für die


Bevölkerung einsetzen und ihr Image positiv beeinflussen<br />

wollen, indem sie sich finanziell engagieren.“<br />

Häufig fehlt ihnen aber die Information,<br />

welche Projekte unterstützenswert sind.<br />

Hier kommt dann oft der Bürgermeister als Ansprechpartner<br />

und Mittler ins Spiel. Bürgermeister<br />

Forsting weist aber auch auf die Zyklen<br />

der Spendenakquisition und Spendenbereitschaft<br />

hin: „Das war in der euphorischen Anfangsphase<br />

deutlich leichter, hatte dann eine<br />

Delle, als es die Bauverzögerungen gab. Von jetzt<br />

an im Betrieb wird das wieder etwas einfacher<br />

werden.“<br />

Es zeigt sich aber auf der anderen Seite auch,<br />

dass das Zusammenspiel von kommunaler<br />

Ebene, Projekten und Wirtschaft in Deutschland<br />

noch nicht richtig eingespielt ist – im Vergleich<br />

zu anderen Ländern, die hier auf eine<br />

längere Tradition zurückblicken können. Bürgermeister<br />

Forsting: „Das müsste der Gesetzgeber<br />

auch mal aufgreifen und klarere Regeln<br />

finden. Wenn der Staat und die Kommunen<br />

nicht mehr alles alleine schaffen können, dann<br />

muss es auch möglich sein, bei Investoren, die in<br />

einer Kommune anfragen, Hinweise auf förderwürdige<br />

Projekte zu geben. Es gibt aber leider<br />

auch erste Rechtssprechungen, die das als Einfordern<br />

eines Vorteils auslegen. Dabei geht es<br />

um einen Vorteil für ein Projekt, das dem Gemeinwohl<br />

dient. Als Bürgermeister betritt man<br />

hier manchmal einen schmalen Grat.“<br />

Partnerschaft aus Bürgerstiftung, Volksbank und Kommune<br />

beide Seiten: Bilder von der Eröffnung der<br />

Alten Drahtzieherei in Wipperfürth<br />

85


86<br />

Planung, Engagement und Selbsthilfe<br />

ein Gespräch mit Jörg Karpowitz und Andreas Hanke<br />

Im Dortmunder Stadtteil Deusen baut ein Verein eine kleine Kirche aus den 20er Jahren in ein Stadtteil- und Kulturzentrum<br />

um. Deusen liegt nördlich des Dortmunder Hafens am Übergang der Nordstadt zur Kanalzone, die als zukünftiger<br />

Emscher Landschaftspark bis zum Schiffshebewerk Henrichenburg führt. Der Stadtteil hat eine ausgeprägte<br />

Ortsidentität und ein dichtes Vereinsleben; beides hat seine Wurzeln in den 20er und 50er Jahren des letzten<br />

Jahrhunderts, als die meisten Wohnungen und Häuser Deusens von Arbeiterfamilien in Selbsthilfe gebaut wurden.<br />

In Deusen wurde seit den 90er Jahren immer wieder über ein Stadtteil- und Begegnungszentrum diskutiert. Als die<br />

evangelische Kirche aufgegeben werden sollte, wurden die Deusener aktiv, um die Kirche als sozialen Mittelpunkt<br />

umzuwidmen und zu erhalten. Sie gründeten eigens für das Projekt einen neuen Trägerverein mit dem beziehungsreichen<br />

Namen „Wir lassen die Kirche im Dorf“. Im Projekt soll gleichzeitig eine Basisstation im Emscher Landschaftspark<br />

entstehen. Zusätzlich zum Umbau der Kirche als Veranstaltungsort werden zwei neue Gebäude im Holzrahmenbau<br />

errichtet; das eine Gebäude nimmt eine Gastronomie auf, das andere wird zum Vereins- und Jugendhaus.<br />

Das Projekt befindet sich 2008 im Bau und wird 2009 fertig gestellt und den Betrieb aufnehmen.<br />

Das Architekturbüro Hanke aus Dortmund ist als Sieger aus einem wettbewerbsähnlichen Planungsverfahren im<br />

Jahr 2006 hervorgegangen. Der Entwurf reagiert auf die Kernfunktionen „Kultur- und Veranstaltungsort“, „Vereins-<br />

und Jugendhaus“ sowie „Gastronomie“ in drei unterschiedlich gestalteten Baukörpern. Der Trägerverein übernimmt<br />

eine aktive Rolle als Bauherr und in der Bauleitung. Als wichtigen Beitrag zur Aufbringung des Eigenanteils zur Förderung<br />

organisiert der Projektträger u.a. gemeinschaftliche bauliche Selbsthilfe. Auf diese drei Besonderheiten wird<br />

der Focus im folgenden Beitrag gerichtet.<br />

Der folgende Beitrag basiert auf einem Gespräch mit Jörg Karpowitz und Andreas Hanke am 2. Mai 2008 während einer<br />

Selbsthilfeaktion in der Kirche Deusen. Das Gespräch führten Anja Ganster und Joachim Boll.<br />

Jörg Karpowitz ist im Vorstand des Trägervereins<br />

und dort neben der allgemeinen<br />

Projektverantwortung im Vorstand speziell<br />

für das Planen und Bauen, später auch für<br />

die Instandhaltung und Pflege der Gebäude<br />

zuständig („Bauminister“). Er hat einen<br />

baufachlichen beruflichen Hintergrund.<br />

Andreas Hanke ist Inhaber des gleichnamigen<br />

Architekturbüros in Dortmund. Er<br />

ist u.a. besonders engagiert in Bau- und<br />

Beteiligungsprojekten. Er und sein Büro<br />

hatten auch die planerische Verantwortung<br />

in einem weiteren „I<strong>nitiative</strong><br />

ergreifen“-Projekt in Dortmund.<br />

Wettbewerbsverfahren aus Sicht einer<br />

Projekti<strong>nitiative</strong><br />

Die Durchführung eines wettbewerbsähnlichen<br />

Planungsverfahrens wurde anfangs von<br />

der Projekti<strong>nitiative</strong> sehr kritisch gesehen nach<br />

dem Motto: „Muss das dann jetzt auch noch<br />

sein?“ Dennoch einigten sich alle Beteiligten<br />

auf das Verfahren. Es wurden Architektur- und<br />

Planungsbüros zur Abgabe von Referenzen aufgefordert,<br />

aus denen die Eignung für diese spezifische<br />

Bauaufgabe aber auch für einen intensiven<br />

Planungs- und Realisierungsprozess mit<br />

einem bürgerschaftlichen Bauherrn hervorgehen<br />

sollten. Vier Büros wurden gemeinsam<br />

ausgewählt und zur Teilnahme am Verfahren<br />

aufgefordert. Sie erarbeiteten Vorschläge, die<br />

sie vor einer Jury vorstellen und begründen<br />

konnten. Die Jury setzte sich aus Vertretern der<br />

I<strong>nitiative</strong> und der Stadt sowie externen Fachleuten<br />

und dem Management „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“<br />

zusammen. Die Jury entschied sich<br />

einstimmig für den Entwurf des Büros Hanke<br />

mit der Verpflichtung, diesen auch umzusetzen.<br />

Auch die Projekti<strong>nitiative</strong> bewertet das<br />

Verfahren und das Ergebnis im Nachhinein<br />

sehr positiv, wie Jörg Karpowitz bestätigt: „Es<br />

ist tatsächlich gut, wenn man sich mehrere Alternativen<br />

aufzeigen lässt. Dann wird klar, was<br />

alles möglich ist. Am Anfang meint man ja, es<br />

könne nur eine Lösung geben. Der Entwurf von<br />

Andreas Hanke hat eine klare Botschaft und eine<br />

Strahlkraft für und über Deusen hinaus. Und<br />

er zeigte viele Möglichkeiten der baulichen<br />

Selbsthilfe auf. Ich muss wirklich sagen, dass ich<br />

das am Anfang nicht erwartet habe, aber das<br />

Ergebnis hat uns überzeugt. Inso fern kann ich<br />

auch anderen I<strong>nitiative</strong>n durchaus empfehlen,<br />

sich auf wettbewerbsähnliche Planungsverfahren<br />

einzulassen.“<br />

Planungsverfahren aus Sicht des<br />

Architekten<br />

Der Aufwand, der mit einem Wettbewerbsverfahren<br />

für einen Architekten verbunden ist, ist<br />

in der Regel groß, während die Auftragswahrscheinlichkeit<br />

eher gering ist. Vor diesem Hintergrund<br />

werden derartige Planungsverfahren<br />

von Architekten auch durchaus kritisch gesehen.<br />

Andreas Hanke: „Ich bin eigentlich kein<br />

großer Anhänger von Wettbewerbsverfahren.<br />

Aber natürlich haben sie den immensen Vorteil,<br />

dass vor allem der Bauherr, aber auch die anderen<br />

Beteiligten auswählen können – vergleichbar<br />

mit einer reichhaltigen Karte eines Restaurants,<br />

aus der man das Gericht auswählen kann,<br />

von dem man annimmt, dass es einem am besten<br />

schmeckt.“ Der symbolhafte Entwurf von<br />

Andreas Hanke konnte überzeugen, da dieser


die Aufgabe der würdevollen Umnutzung der<br />

Kirche als besondere Herausforderung begriffen<br />

hat. „Wir haben uns für einen Entwurf entschieden,<br />

der die Kirche als kulturellen und sozialen<br />

Veranstaltungsort nutzt und möglichst<br />

monochrom rein weiß gestaltet ist. Und wir<br />

haben getrennt neben die Kirche einen neuen<br />

Baukörper gestellt, der die Gastronomie als wesentlichen<br />

wirtschaftlichen, sehr weltlichen Faktor<br />

aufnimmt und der von uns in roter Farbe<br />

bewusst abgesetzt wird. ... Weil es ein Wettbewerbsverfahren<br />

ist, haben wir uns natürlich<br />

besonders angestrengt. Wir haben gerade die<br />

Kirchenumnutzung als große Herausforderung<br />

begriffen. Ich glaube schon, dass Wettbewerbe<br />

und derartige Planungsverfahren dabei helfen,<br />

bei neuen Planungsaufgaben klare und grundsätzliche<br />

Antworten zu finden.“<br />

Rollenzuweisung in der Planungs- und<br />

Bauphase<br />

Es ist immer eine besondere Herausforderung,<br />

einen guten, aus einem Wettbewerb hervorgegangenen<br />

Entwurf in seiner Qualität auch zu<br />

realisieren. Aufgabe der Architekten ist es, gestalterische<br />

Qualität und die Kosten in gleicher<br />

Weise im Auge zu behalten. Bürgerschaftliche<br />

Bauherren müssen sich aber auch mit den Argumenten<br />

der Architekten und der Verantwortung<br />

für die Gestaltung unserer städtischen<br />

Umwelt auseinandersetzen. Erst auf der Ebene<br />

der Genehmigungs- und Ausführungsplanung,<br />

der Ausschreibung und erst recht bei den vielen<br />

Alltagsentscheidungen auf der Baustelle<br />

muss sich das in der Realität erweisen.<br />

Die Rollenverteilung zwischen Bauherr und<br />

Architekt hat sich in Deusen als ein stetiger<br />

und auch streitiger Prozess erwiesen, der als<br />

Chance gesehen und genutzt wurde, das bestmögliche<br />

Ergebnis zu erreichen: Der Architekt<br />

als der kreative Part, der auf die Grundlinien<br />

achtet, die künstlerische Oberleitung inne hat,<br />

der Weitblick und Impulse einbringt und dem<br />

Projekt auch über den Ortsteil hinaus ein Pro -<br />

fil gibt und der bürgerschaftliche Bauherr mit<br />

dem praktischen Part, zuständig für die bauliche<br />

Umsetzung und die Finanzierung. Von<br />

immensem Vorteil war und ist, dass auf Projektseite<br />

Fachkompetenz zum Bauen vorhanden<br />

ist. „Ein starker Bauherr und ein starker Architekt<br />

gehören einfach zusammen,“ dies ist<br />

eine gemeinsame Erkenntnis von Jörg Karpowitz<br />

und Andreas Hanke. Und Andreas Hanke<br />

ergänzt: „Es ist ein glücklicher Umstand, dass<br />

wir hier einen wirklich kompetenten Bauherrn<br />

haben, der die bauliche Umsetzung so stark in<br />

die Hand nehmen kann und will.“ Im übrigen<br />

hilft das dem Projektträger, auch Planungsleistungen<br />

als Eigenanteil einbringen zu können.<br />

Andreas Hanke: „Dieser Dialog zwischen Bauherr<br />

und Architekt ist selten geworden – und<br />

gerade deswegen in diesem Projekt modellhaft.“<br />

Und Jörg Karpowitz: „Heute sage ich: Nur so<br />

wird das auch ein wirklich gutes Projekt.“<br />

Organisation der Selbsthilfe<br />

Bereits im Grundansatz des Wettbewerbsentwurfs<br />

stand die bauliche Selbsthilfe im Vordergrund<br />

der Überlegungen. Der Entwurf sah<br />

zunächst vor, dass beim Kirchenumbau im Bestand<br />

mit den vielen Schnittstellen zu Fachgewerken<br />

die bauliche Selbsthilfe des Trägervereins<br />

nicht so sehr zum Tragen kommen sollte.<br />

Die Selbsthilfe war anfangs vor allem dem<br />

Neubau zugeordnet. Das war auch einer der<br />

Gründe dafür, dass sich das Büro Hanke für eine<br />

Holzrahmenbauweise entschieden hat, weil<br />

hier viele Menschen auch ohne spezielle Fachkenntnisse<br />

mitarbeiten können. Der Trägerverein<br />

nahm das Selbsthilfeangebot des Holz-<br />

rahmenbaus sehr positiv auf, auch wenn sie<br />

anfangs mit dem Eigenkapitalersatz über<br />

Selbsthilfe sehr viel zurückhaltender umgingen.<br />

Jörg Karpowitz: „Es ist natürlich in der heutigen<br />

Zeit schwierig, Leute für so was zu begeistern,<br />

ihre Freizeit für eine Selbsthilfeaktion zu<br />

opfern.“ Umso überraschter ist man jetzt, dass<br />

es nach den Erfahrungen im ersten Bauabschnitt<br />

des Kirchenumbaus deutlich besser<br />

läuft als man zu Beginn kalkuliert hatte. Jörg<br />

Karpowitz: „Wir müssen zwar immer wieder<br />

Leute ansprechen, immer dahinter her sein,<br />

aber das klappt wirklich gut. Auf jeden Fall ist es<br />

auch gut, dass wir jetzt schon so viel auf unser<br />

„Eigenleistungskonto“ buchen können.“<br />

Der Vereinsvorstand hat den Umbau auf der<br />

Grundlage der Planung der Architekten sehr<br />

genau vorbereitet. Das gilt besonders für den<br />

Selbsthilfeprozess. Es mussten sehr präzise und<br />

zum Teil sehr kleinteilig die Gewerke bestimmt<br />

werden, die durch Selbsthilfe geleistet werden<br />

sollen und können. Der Verein musste ein-<br />

Planung, Engagement und Selbsthilfe<br />

oben: Bilder während einer Selbsthilfeaktion<br />

in der Kirche Deusen<br />

87


Planung, Engagement und Selbsthilfe<br />

oben: Computersimulation der Planung<br />

von Andres Hanke<br />

unten: Vorstand des Trägervereins und<br />

Selbsthelfer<br />

88<br />

schätzen, ob aus seinen Reihen und seinem<br />

Umfeld genügend Selbsthelfer zu mobilisieren<br />

sind und ob diese die benötigten Fähigkeiten<br />

und die notwendige Zeit einbringen können.<br />

Der Trägerverein kann im Frühjahr 2008 im<br />

ersten Bauabschnitt auf einen Kreis von 60<br />

Helfern zurückgreifen, die sporadisch kommen,<br />

und einen harten Kern von 5 bis 7 Personen, die<br />

nahezu immer auf der Baustelle sind. Hinzu<br />

kommen drei Verantwortliche vom Vorstand,<br />

die als Bauleiter, Polier und Anleiter fungieren.<br />

Die Kernarbeitszeit für die Selbsthilfe wurde<br />

auf die Wochenenden, freitags von 15 bis 18<br />

oder 19 Uhr und samstags von 10 bis 18 Uhr<br />

festgelegt, der Sonntag ist arbeits frei. Der Vorstand<br />

teilt die Selbsthelfer ein und ist Ansprech<br />

partner bei Fragen und Anregungen. Er<br />

spricht sich vorab mit den Architekten ab, weil<br />

die nicht ständig auf der Baustelle sein können.<br />

„Wichtig ist es auch, die Leute bei Laune zu<br />

halten“, sagt Jörg Karpowitz. „Wir haben einen<br />

Grill auf dem Gelände aufgestellt. Am Ende einer<br />

jeden Selbsthilfeaktion werden Würstchen<br />

gebraten und alle Helfer sitzen zusammen und<br />

lassen den Tag ausklingen.“ Aufgrund des großen<br />

Einsatzes der Selbsthelfer wurden in dem<br />

Zeitraum zwischen Januar und Anfang Mai<br />

2008 mehr als 1.200 Stunden geleistet.<br />

Trotz der guten Erfahrungen geht der Trägerverein<br />

davon aus, dass nach Fertigstellung des<br />

ersten Bauabschnitts des Kirchenumbaus erst<br />

einmal mit einem Einbruch zu rechnen ist.<br />

Daher wurde bewusst für die Sommermonate<br />

eine Pause für die Selbsthelfer eingeplant. Der<br />

Anfang des Neubaus wird von beauftragten<br />

Firmen übernommen, obwohl beispielsweise<br />

die Bodenplatte durchaus auch in Eigenleistung<br />

erbracht werden könnte. Jörg Karpowitz:<br />

„Aber wir dürfen uns die Leute nicht „verbrennen“.<br />

Wir gehen davon aus, dass wir dann im<br />

Herbst wieder mit der Selbsthilfe einsteigen.“<br />

Dokumentation der Selbsthilfe<br />

Der Dokumentation der Selbsthilfe kommt eine<br />

große Bedeutung zu, um sie gegenüber der<br />

öffentlichen Förderung als Eigenanteil mit 15<br />

Euro je Stunde nachweisen zu können. Der<br />

Verein hat eigens ein Formular entworfen, in<br />

das sich jeder Selbsthelfer namentlich einträgt<br />

und die Arbeitszeit sowie die Leistung, die er<br />

erbracht hat, aufführt. „Keiner verlässt die Baustelle,<br />

ohne das auszufüllen, zu unterschreiben<br />

und bei uns abzugeben“, mahnt Jörg Karpowitz.<br />

Der Vorstand prüft die Einträge und unterschreibt<br />

seinerseits, um die erbrachte Leistung<br />

zu bestätigen. Auch dies erfolgt in enger Absprache<br />

mit den Architekten. „Im Übrigen<br />

machen wir auch immer wieder Nachkalkulationen,<br />

um die Erfahrungen für die nach folgenden<br />

Arbeiten nutzen zu können.“


Flexibilität im Selbsthilfeprozess<br />

Vorkalkulationen der Selbsthilfe werden auf<br />

der Baustelle oft von der Realität eingeholt, da<br />

eben nicht alles vorhersehbar ist. Dann bleibt<br />

in der Regel nur ein geringer Vorlauf, so dass<br />

„just in time“ reagiert und besonders vor dem<br />

Hintergrund der Ausschreibungen und zu beauftragenden<br />

Unternehmen eine hohe Flexibilität<br />

und Entscheidungsfreude an den Tag<br />

gelegt werden muss. Nach den Erfahrungen<br />

in Deusen hilft es, mit dem beauftragten Unternehmen<br />

im Gespräch die Vor- und Nacharbeiten<br />

der Selbsthilfe durchzugehen. Ganz<br />

entscheidend sind daneben aber auch die verlässlichen<br />

und vertrauensvollen Absprachen<br />

mit den Architekten und der Stadt bezüglich<br />

des Vergaberechts. „Die Vergaben unter 10.000<br />

Euro bereiten wir vor“, erläutert Jörg Karpowitz.<br />

„Wir holen drei Angebote ein, machen den<br />

Vergleich im Preisspiegel und den Vergabevorschlag.“<br />

Die Angebote werden dann an die<br />

Stadt weitergegeben. Dort prüft der zuständige<br />

Ansprechpartner zügig die eingereichten<br />

Unterlagen und nimmt die Beauftragung vor.<br />

So kann der Förderverein sicher sein, dass das<br />

Verfahren förder- und vertragskonform abgelaufen<br />

ist. Die bisherigen Erfahrungen haben<br />

gezeigt, dass dieses Vorgehen effektiv ist: „Das<br />

klappt jetzt im ersten Bauabschnitt des Kirchenumbaus<br />

sehr gut, weil wir so viel in Eigenhilfe<br />

hingekriegt haben und die notwendigen Vergaben<br />

an Fachunternehmen unter 10.000 Euro<br />

liegen. Das wird möglicherweise im nächsten<br />

Bauabschnitt des Neubaus anders.“<br />

Selbsthilfe im Holzrahmenbau-Neubau<br />

Die Selbsthilfe im Neubau wurde bereits vorbereitet.<br />

„Ich glaube schon, dass die Selbsthelfer<br />

aus Deusen noch mal so richtig loslegen werden“,<br />

meint Andreas Hanke. Die großen Gewerke<br />

der Holzständer und der Holzrahmen werden<br />

ausgeschrieben und von Zimmerleuten<br />

aufgestellt und zusammengebaut. Alle Arbeiten,<br />

die dann folgen – wie die Dämmung, die<br />

Weichfaserplatten, die Verbretterung – können<br />

von den Selbsthelfern in Eigenleistung erledigt<br />

werden. „Weil man da auch sofort die baulichen<br />

Ergebnisse sehen kann, wird hier auch die<br />

Moti vation hoch sein. Da bin ich mir hier in<br />

Deusen ziemlich sicher. Das wird noch mal so eine<br />

richtig große Gemeinschaftsaufgabe.“<br />

Planung, Engagement und Selbsthilfe<br />

oben: weitere Bilder von einer Selbsthilfeaktion<br />

im Mai 2008<br />

89


90<br />

Vom notwendigen langen Atem...<br />

Gespräche mit Willi Engels, Hanne Mick, Heinz Eschbach<br />

Im Mündungsbereich der Sieg in den Rhein existiert seit 1987 ein kleines Museum einer örtlichen Fischereibruderschaft.<br />

Die „Fischerei-Bruderschaft zu Bergheim an der Sieg“ ist eine vor über 1.000 Jahren gegründete Vereinigung<br />

zur Bewirtschaftung der im Eigentum stehenden Altarme in Teilbereichen der unteren Sieg sowie zum Erhalt ihrer<br />

eigenen Fischereirechte. Um die Tradition und die historische Bedeutung der Fischerei deutlich zu machen, entstand<br />

die Idee, ein öffentlichkeitswirksames „Museums- und Besucherzentrum“ zu errichten. Im Zusammenhang der Regionale<br />

2010 – und hier eingebunden in Überlegungen zur landschaftlichen und touristischen Weiterentwicklung –<br />

nahm sich die Fischerei-Bruderschaft mit ihrem breiten bürgerschaftlichen Umfeld dieser Idee an. Die Stadt Troisdorf,<br />

der Rhein-Sieg-Kreis sowie die <strong>NRW</strong>-Stiftung und der Landschaftsverband Rheinland konnten darüber hinaus<br />

eingebunden werden. Heute besteht ein ambitioniertes und komplexes Projektkonzept mit den Bestandteilen: Fischereimuseum,<br />

Basis-Station zur Erkundung des Siegmündungsbereichs und touristischer Knotenpunkt.<br />

In dem nachfolgenden Werkstattbericht geht es um die Notwendigkeit eines „langen Atems“ sowie der Schaffung eines<br />

„freundlichen Umfeldes“ der Projektbeteiligten im Prozess der Projektrealisierung. In drei Gesprächen, die Kerstin<br />

Bohnsack mit Willi Engels, Hanne Mick und Heinz Eschbach im Juni 2008 führte, wurde aus den jeweils unterschiedlichen<br />

Blickwinkeln, nämlich aus Sicht der Fischerei-Bruderschaft, der Regionale 2010 sowie der Stadt Troisdorf, das<br />

Thema beleuchtet.<br />

Willi Engels ist „Erster Brudermeister“ der<br />

„Fischerei-Bruderschaft zu Bergheim an<br />

der Sieg“ und dort neben der allgemeinen<br />

Projektverantwortung im Vorstand auch<br />

für das Planen und Bauen zuständig<br />

(„Bauminister“).<br />

Hanne Mick ist Projektleiterin bei der<br />

Regionale 2010. Sie begleitet z.B. ein<br />

großräumiges Pilotprojekt zum Aufbau<br />

eines Kulturlandschaftsnetzwerkes in der<br />

Region Köln/Bonn (sog. „Grünes C“), bei<br />

welchem u.a. das Fischereimuseum, der<br />

Siegmündungsbereich und die touristische<br />

Erschließung zentrale Themen darstellen.<br />

Heinz Eschbach ist Erster Beigeordneter<br />

der Stadt Troisdorf. Die Stadt engagiert<br />

sich bei der Projektrealisierung durch das<br />

Einbringen eines erheblichen Stiftungsbeitrages<br />

in die für das Projekt gegründete<br />

Bürgerstiftung.<br />

... das bürgerschaftlich getragene Projekt ist<br />

der Kern<br />

Das Potenzial einer 1.000-jährigen Tradition<br />

In Troisdorf-Bergheim ist die „Fischerei-Bruderschaft<br />

zu Bergheim an der Sieg“ beheimatet.<br />

Über 1.000 Jahre lang bewirtschafteten die<br />

zunftähnlich organisierten Bergheimer Fischereibrüder<br />

die Gewässer im Gebiet der Siegmündung.<br />

Bis heute wurde die Tradition von<br />

Generation zu Generation aufrechterhalten,<br />

so dass die Bruderschaft als Körperschaft des<br />

privaten Rechts das Fischereirecht in den Gewässern<br />

der unteren Sieg hält. Willi Engels:<br />

„Wesentlicher Bestandteil für den Zusammenhalt<br />

der Bruderschaft war ja, dass die zur Bruderschaft<br />

gehörenden Familien durch das<br />

Handwerk des Flussfischers ihr Familiendasein<br />

bestreiten konnten. Nach der Zeit, als der Berufsfischer<br />

seinen Stand aufgeben musste, dies war<br />

Mitte des letzten Jahrhunderts, sind wir praktisch<br />

übergegangen in eine ausschließliche Verwaltung<br />

der Fischereirechte. Allerdings wollten<br />

wir das, was unsere Väter und Altväter uns hinterlassen<br />

haben, an die nachfolgenden Generationen<br />

weitergeben. Das war auch der Grund,<br />

dass wir uns vor unserer 1.000­Jahrfeier im Jahr<br />

1987 angestrengt haben, die Kosten für ein Museum<br />

aufzubringen. Dieses Museum, an einem<br />

Altarm der Sieg am Übergang der Grenze zwischen<br />

den Städten Troisdorf und Niederkassel<br />

gelegen, widmet sich der Geschichte der Flussfischerei<br />

und legt seinen Schwerpunkt auf die<br />

Entwicklung der Bergheimer Fischerei-Bruderschaft<br />

unter Einbeziehung der fischereirechtlichen<br />

Aspekte. Die Bruderschaft nutzt und be-<br />

wahrt dieses als Treff- und Mittelpunkt, aber<br />

auch als Aufbewahrungs- und Präsentationsort<br />

von Alleinstellungsgegenständen und Fischereigerätschaften<br />

der Flussfischerei.<br />

Neuausrichtung des Museums zum Erhalt des<br />

kulturellen Erbes und des einmaligen Naturraums<br />

Um die Erinnerung an das nahezu ausgestorbene<br />

Handwerk des Binnenfischers zu erhalten<br />

und angespornt durch den Zuspruch aus der<br />

Bevölkerung und Politik sowie im Zusammenhang<br />

mit der Regionale 2010, der <strong>NRW</strong>-Stiftung,<br />

dem Landschaftsverband Rheinland und<br />

dem Programm „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“ will sich<br />

die Bruderschaft nun an die grundsätzliche<br />

Umgestaltung und Neuausrichtung des Museums<br />

wagen. Das bestehende Museumsgebäude<br />

soll deutlich vergrößert und um eine zukunftsweisende<br />

und attraktive Ausstellung<br />

erweitert werden. Es soll ein öffentlicher Ort<br />

entstehen, der nicht nur die Traditionen der<br />

Fischerei-Bruderschaft darstellt, sondern über<br />

die lokale Historie hinaus sowohl für den Landschaftsraum<br />

der Siegmündung als auch für<br />

Tourismus und Naherholung wichtige und<br />

nachhaltige Funktionen übernehmen will, wie<br />

Willi Engels erläutert: „Eine Neuausrichtung<br />

des Museums ist lebensnotwendig für unsere<br />

Fischerei­Bruderschaft, ganz besonders aber für<br />

unsere Söhne und Enkelsöhne. Unsere Altväter<br />

haben immer nur so viel Fisch aus den Gewässern<br />

entnommen, wie zum Eigenverbrauch benötigt<br />

wurde, um so den Fischbestand nachhaltig<br />

zu sichern. Wir erzielen keine individuellen<br />

wirtschaftlichen Erträge durch unsere Altarme,


sondern sie dienen nur zum Erhalt des Fischbestandes.<br />

Zudem wollen wir unseren Jungfischern<br />

die Chance geben, diese Tradition weiterzugeben<br />

und damit das kulturelle Erbe zu<br />

be wahren.“ Gerade auch aufgrund der Lage<br />

des Museums am Rande des einzigartigen<br />

Siegmündungsbereichs in den Rhein sieht sich<br />

die Fischerei-Bruderschaft in erheblicher Verantwortung<br />

für die sich über die Jahrhunderte<br />

geänderten Siegmündung, was auch durch<br />

Willi Engels hervorgehoben wird: „Wir waren<br />

immer bereit, etwas für das gesamte Gebiet zu<br />

tun. Wir sind verantwortlich für diesen Raum.<br />

Denn wir sind nicht nur für die Bruderschaft da,<br />

sondern auch für den Ortsteil und auch für die<br />

Stadt Troisdorf. Jeder bringt schon heute von der<br />

Bruderschaft seine Stunden mit ein, um den Naturraum<br />

der Siegmündung zu erhalten.“ Eine<br />

wesentliche Zukunftsaufgabe der Bruderschaft<br />

wird es sein, die Bedeutung der Wasserlandschaft,<br />

des Wasserschutzes sowie des Naturschutzes<br />

in der Siegmündung mit der Tradition<br />

der nachhaltigen Nutzung zu verknüpfen.<br />

Von Generation zu Generation<br />

„Allein in der Stadt Troisdorf kommen wir auf<br />

ca. 1.000 Personen, die aus Familien der Fischerbrüder<br />

kommen, die also mit den Fischerfamilien<br />

verwandt sind. Und das ist das Besondere,<br />

das ist die Basis. Darüber hinaus hat die Fischerei­Bruderschaft<br />

in den letzten 30 Jahren in<br />

Troisdorf einen Bekanntheitsgrad ohnegleichen<br />

erlangt. Hinter dem Projekt stecken Menschen<br />

und Tradition,“ erklärte Engels. Der Prozess der<br />

Neuausrichtung des Museums ist somit nur<br />

durch die vorhandenen (örtlichen) Strukturen<br />

und Netzwerke der Fischerei-Bruderschaft<br />

möglich. Aus der Familientradition heraus wird<br />

bereits den Kindern die Verantwortung für den<br />

Erhalt der Fischereitradition und für den Naturschutz<br />

im Siegmündungsbereich weitergegeben.<br />

Willi Engels betont: „Das ist ja eine Art<br />

Sonderprojekt. Wer befasst sich schon mit dem<br />

Thema Fischerei? Für den Projektentwicklungsprozess<br />

muss man Geduld mitbringen und immer<br />

wieder hart und stur sein. Man braucht<br />

den Atem einer 1.000­jährigen Tradition.“<br />

...von der Einordnung in eine Stra te gie<br />

regionaler Entwicklung<br />

Einbindung des Fischereimuseums in die Regionale<br />

2010<br />

Die Regionale 2010 verfolgt als Strukturprogramm<br />

des Landes Nordrhein-Westfalen einen<br />

breit angelegten, konzeptionellen Gesamtansatz,<br />

um die Qualitäten und Eigenheiten der<br />

Region Köln/Bonn herauszuarbeiten und Impulse<br />

für deren zukünftige Entwicklung zu geben.<br />

Die Projekte der Regionale 2010 sollen dabei<br />

Anstöße für Entwicklungen geben, zum<br />

Austausch anregen und die Vernetzung fördern.<br />

In diesem Zusammenhang ordnet sich<br />

das Projekt Fischereimuseum in die „Sicherung<br />

und Entwicklung des kulturellen Erbes“ in das<br />

Thema Kulturlandschaft der Region Köln/Bonn<br />

Vom notwendigen langen Atem...<br />

oben links: Fischereibrüder<br />

oben rechts: Atmosphäre am Discholls,<br />

einem der Altarme der Sieg im Mündungsbereich<br />

in den Rhein<br />

91


Vom notwendigen langen Atem...<br />

92<br />

ein. Hanne Mick: „Es sollen die charakteristischen<br />

Eigenschaften der Landschaft durch konkrete<br />

Projekte in den Bereichen Natur­ und<br />

Kulturerbe sichtbar gemacht und in einen regionalen<br />

Zusammenhang gebracht werden. In<br />

diesem Kontext ist der Landschaftsraum im<br />

„Grünen C“ vom Nordrand der Stadt Bonn über<br />

den Rhein hinweg zu nennen, in welchem das<br />

in Troisdorf­Bergheim angesiedelte Fischereimuseum<br />

einen wesentlichen Trittstein in der Entwicklung<br />

des Freiraumkorridors im Mündungsbereich<br />

der Sieg in den Rhein darstellt. Das<br />

Fischereimuseum nimmt aufgrund seines einzigartigen<br />

und besonderen kulturellen Erbes<br />

einen Kernpunkt in der Kombination Kulturlandschaft<br />

und kulturelles Erbe der Region Köln/<br />

Bonn ein.“ Demnach soll die existierende Vielfalt<br />

der Region Köln/Bonn über konkrete Projekte<br />

für die Bevölkerung langfristig deutlich<br />

gemacht werden. Aufgrund der lokalhistorischen<br />

Besonderheit und der Einmaligkeit spielt<br />

die Fischerei-Bruderschaft hierbei eine wesentliche<br />

Rolle, wie Hanne Mick bestätigt: „Das haben<br />

wir nur einmal in der Region. Einerseits ist<br />

der Standort des Fischereimuseums sehr stark<br />

geprägt von der Alleinstellungssituation des<br />

Naturraums entlang der Sieg. Zum anderen<br />

stellt die 1.000­jährige Bruderschaft eine ganz<br />

wesentli che regionale und durch Tradition geprägte<br />

Besonderheit dar. Das heißt, dass sich<br />

der touristi sche Knotenpunkt Fischereimuseum<br />

stark mit der Thematik des Naturraums auseinandersetzt<br />

und mit einer kulturellen Tradition<br />

sowie der inneren Stärke der Fischerei­Bruderschaft<br />

verquickt wird, die in Nord rhein­West ­<br />

fa len durchaus einzigartig ist. Diese Potenziale<br />

begründen, warum das Fischereimuseum als<br />

Projekt der Regionale 2010 mit aufgenommen<br />

wurde.“<br />

Chancen für die Vermittlung des regionalen<br />

Kontextes<br />

Die Idee, ein öffentlichkeitswirksames Fischereimuseum<br />

mit Alleinstellungsmerkmal zu errichten,<br />

wird durch die Regionale 2010 im Kontext<br />

der landschaftlichen Weiterentwicklung<br />

und Naherholungslenkung maßgeblich mit vorangebracht.<br />

Im Gebäude selber wird es eine<br />

Basis- Informationsstation zur fußläufigen Erkundung<br />

des ökologisch fragilen Siegmündungsbereichs<br />

geben. Mit dem Fischereimuseum<br />

im zentralen Bereich der Siegmündung<br />

und an einer Verbindung zwischen den fahr-<br />

radtouristisch stark frequentierten Stationen<br />

Siegfähre und Mondorfer-Rhein-Fähre kommt<br />

damit eine neue Station hinzu. Mick: „Das Fischereimuseum<br />

befindet sich in der Verbindungsachse,<br />

die den heterogenen Landschaftsraum<br />

erfahrbar macht für Radfahrer, Wanderer<br />

und Bewohner vor Ort. Es handelt sich nicht nur<br />

um eine (Rad­)Wegeverbindung sondern um eine<br />

Informationslinie, entlang derer sich landschaftstypische<br />

Merkmale sowie andere Besonderheiten<br />

in der Natur­ und Kulturlandschaft<br />

vermitteln lassen. Auch die Sensibilisierung und<br />

Motivation für die komplexen Zusammenhänge<br />

zwischen Natur und Kultur können jungen Besuchern<br />

nahe gebracht werden. Somit ist das Fischereimuseum<br />

durch seine Lage innerhalb<br />

eines stark frequentierten Naherholungsraums<br />

und mit seinem Attraktionswert von echter<br />

strategischer Bedeutung für die Vermittlung der<br />

Natur­ und Kulturlandschaft in der Region.“<br />

Bürgerschaftliches Engagement<br />

Da sich die Regionale 2010 u.a. als Netzwerk für<br />

die Akteure der Region Köln/Bonn versteht,<br />

wird versucht, konkrete Anreize zur Zusammenarbeit<br />

über kommunale Grenzen sowie zur<br />

Zusammenarbeit zwischen privaten und (halb)<br />

öffentlichen Akteuren und Kommunen aufzubauen.<br />

„Gerade auch durch bürgerschaftliches<br />

Engagement sollen Prozesse für und der Aufbau<br />

von langfristigen Strukturen mit unterstützt<br />

werden“, so Mick. Die Einbettung des im Kern<br />

bürgerschaftlich getragenen Projektes Fischereimuseum<br />

in eine öffentlich-private Partnerschaft<br />

mit der Stadt Troisdorf und dem Rhein-<br />

Sieg-Kreis, mit öffentlichen Institutionen,<br />

privaten Unternehmen und Bürgern unterstützt<br />

die Strategie der (über)regionalen Vernetzung<br />

und Entwicklung der Regionale 2010.<br />

Hanne Mick: „Das ist ja das faszinierende an<br />

dem Projekt Fischereimuseum. Es gibt eine Vernetzung<br />

und ein miteinander verknüpfen, was<br />

ein ganz wesentliches Ziel der Regionale­2010­<br />

Strategie ist. Der Gedanke, eine verbleibende<br />

Struktur über einen ‚bottom­up­Ansatz’ zu<br />

schaffen, wird dazu beitragen, dass das Kulturlandschaftsnetzwerk<br />

über die Zeitdauer der Regionale<br />

2010 mit getragen wird.“ Dabei liegt die<br />

Herausforderung der Regionale 2010 darin, die<br />

angestoßenen Prozesse tatsächlich über die<br />

zahlreichen Projekte in der Region fest zu verankern.<br />

Hierbei spielen neben den Potenzialen<br />

der regionalen Kooperation auch die einzelnen


Projektträger eine wesentliche Rolle. „Im Projekt<br />

Fischereimuseum muss bedacht werden,<br />

dass sich eine 1.000­jährige Fischereibruderschaft<br />

als etablierte Körperschaft auf neue<br />

Wege macht und sich neu aufstellt. Ohne den<br />

‚langen Atem’ der Fischerei­Bruderschaft wäre<br />

dieser Projektentwicklungsprozess bis zum Präsentationsjahr<br />

2010 wahrscheinlich nicht möglich“,<br />

betonte Hanne Mick.<br />

... vom „freundlichen Umfeld“ in einer<br />

handlungsfähigen Kommune<br />

Stadtprofil und Kulturlandschaft<br />

Die Stadt Troisdorf engagiert sich maßgeblich<br />

bei der Realisierung des Projektes Fischereimuseum<br />

und stellte sich von Anfang an unterstützend<br />

hinter die Pläne zur Neuausrichtung des<br />

Museums. Dabei verspricht sich die Stadt im<br />

Hinblick auf eine (Stadt-)Profilierung und Freiraumentwicklung<br />

zahlreiche Anstöße durch<br />

das Projekt. Folgende Aspekte stellen dabei für<br />

Heinz Eschbach die maßgeblichen Kriterien für<br />

das Engagement der Stadt Troisdorf dar: „Die<br />

Sammlung, die im Fischereimuseum vorgehalten<br />

wird, ist in qualitativer Hinsicht und in dieser<br />

Art im näheren und weiteren Umfeld nicht<br />

wieder vorzufinden. Darüber hinaus kann der<br />

Träger des Museums auf eine über 1.000­jährige<br />

Geschichte vor Ort blicken, was wiederum<br />

etwas mit Identitätsstiftung für den gesamten<br />

Ortsteil und die Stadt Troisdorf zu tun hat. Mit<br />

der Neuausrichtung des Museums besteht ferner<br />

die Chance, für Kinder und Jugendliche,<br />

aber ganz besonders auch für die Bildungsarbeit<br />

an unseren Schulen einen gravierenden<br />

Mehrwert zu schaffen. Schlussendlich ist ja das<br />

Museum eingebettet in einen einzigartigen<br />

Landschafsraum, der in Zukunft durchaus touristische<br />

Potenziale in der Kombination mit den<br />

Projekten Mondorfer Fähre und Siegfähre aufweisen<br />

wird.“<br />

Bürgerstiftung und Langfristigkeit<br />

Die Trägerschaft des zukünftigen Museums<br />

wird bei der Bürgerstiftung liegen, an der sich<br />

die Stadt Troisdorf und der Rhein-Sieg-Kreis finanziell<br />

mit erheblichen Summen bei der Aufbringung<br />

des Stiftungskapitals beteiligen. Gerade<br />

die langfristige Sicherung des Vermögens<br />

und der Grundgedanke, die Attraktivität des<br />

Stadtprofils durch das Projekt Fischereimuseum<br />

zu erhöhen und den dauerhaften Betrieb<br />

abzusichern, sind wesentliche Gründe für die<br />

Projektunterstützung durch die Stadt Troisdorf,<br />

wie Heinz Eschbach erklärt: „Über eine Stiftung<br />

kann ein wesentlicher Beitrag zur langfristigen<br />

Sicherung des Projektes geleistet werden, da das<br />

Stiftungskapital dauerhaft zur Verfügung steht<br />

und Erträge abwirft, die mit dazu beitragen<br />

werden, das Betreiben des Museums auf Dauer<br />

zu sichern. Und wenn es wirklich um identitätsstiftende<br />

Funktionen vor Ort gehen soll, dann ist<br />

es auch richtig, dass man das in Form einer Bürgerstiftung<br />

macht. Natürlich sind immer wieder<br />

Fragen aufgekommen, ob es überhaupt Möglichkeiten<br />

für das Projekt Fischereimuseum gibt,<br />

in eine öffentliche Förderung jenseits der Stadt<br />

Troisdorf zu kommen oder wie sich die Rahmenbedingungen<br />

bei den Zustiftungen gestalten. Es<br />

haben sich aber immer wieder Wege aufgezeigt.“<br />

Für die Stadtentwicklung von Troisdorf<br />

und deren Profilierung ist es zudem wichtig,<br />

dass bürgerschaftliches in Kooperation mit<br />

städtischem Engagement praktiziert wird.<br />

„Diese Kombination ist der richtige Weg, wie das<br />

Projekt Fischereimuseum deutlich macht!“, so<br />

Eschbach. Da das Projekt unter anderem in den<br />

Regionale-2010-Prozess und damit in Überlegungen<br />

zur landschaftlichen und touristischen<br />

Weiterentwicklung eingebunden ist, kann es<br />

aus seiner Sicht „nicht von heute auf morgen<br />

umgesetzt werden.“ Dennoch nimmt das Projekt<br />

insgesamt einen positiven Verlauf, so dass<br />

die Stadt Troisdorf mit der angestrebten Fertigstellung<br />

im Jahr 2010 rechnet, wie Eschbach erläutert:<br />

„Sicherlich werden noch zahlreiche<br />

Schwierig kei ten im Rahmen der baulichen Umsetzung<br />

sowie beim Aufbau von Kooperationen<br />

auftreten. Aber ich denke, insgesamt wird der<br />

Atem ausreichend sein, um das von uns allen<br />

gleichermaßen als erstrebenswert definierte<br />

Ziel, nämlich die Realisierung eines einmaligen,<br />

identitätsstiftenden Projektes, auch umzusetzen.<br />

Hierzu bedarf es natürlich des besagten<br />

‚langen Atems’.“<br />

Vom notwendigen langen Atem...<br />

93


Vom Aufbau eines verlässlichen Wirtschaftsplans<br />

von Joachim Boll in Zusammenarbeit mit Lutz Hempel, Markus Selders,<br />

Axel Sostmann<br />

Aus der Erfahrung einer 10-jährigen Begleitung<br />

von „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“-Projekten<br />

und mit Unterstützung von drei Experten, die<br />

Projekti<strong>nitiative</strong>n bei „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“ als<br />

Unternehmensberater unterstützen, wird<br />

nachfolgend der Versuch unternommen, Rahmenbedingungen<br />

eines beispielhaften Wirtschaftsplans<br />

„I<strong>nitiative</strong> ergreifen“ darzustellen.<br />

Die folgenden Ausführungen sind in zwei Teile<br />

gegliedert:<br />

• Wirtschaftlichkeit nach „Geschäftsbereichen“<br />

(Erfolgsplan)<br />

• steuerliche und Liquiditätsfragen<br />

Alle Projekte benötigen bei „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“<br />

langfristige, verlässliche und möglichst<br />

nachhaltige Wirtschaftspläne. Das eine ist die<br />

organisatorische und wirtschaftliche Kraft,<br />

die nur aus dem jeweiligen Projekt heraus entwickelt<br />

werden kann. Das andere ist eine hilfreiche<br />

Struktur von Wirtschaftsplänen, die für<br />

alle Beteiligten transparent und nachvollziehbar<br />

ist. Dabei zeigen sich immer wieder die<br />

sehr unterschiedlichen „Logiken“ von Wirtschaftlichkeit,<br />

Steuer und öffentlicher Förderung,<br />

wenn es zur Darstellung von Wirtschaftsplänen<br />

und Jahresabschlüssen kommt.<br />

Wirtschaftspläne für einen erfolgreichen Betrieb<br />

sollten nicht erst am Ende einer Projektentwicklung<br />

stehen, sondern sie sollten neben<br />

der Nutzungs-/Projektidee, dem Planen und<br />

Bauen und seiner Finanzierung sowie der Trägerschaft<br />

und Organisation als Instrument der<br />

Projektentwicklung begriffen werden. Denn an<br />

den wirtschaftlichen Eckdaten lassen sich<br />

schon früh Verlässlichkeit und Nachhaltigkeit<br />

eines Projektkonzepts erkennen.<br />

Die Projektträger benötigen einen Wirtschaftsplan,<br />

der den jeweiligen Betrieb strukturiert<br />

und so realistisch wie möglich abzubilden versucht.<br />

Er muss nicht nur für Steuer- und Finanz-<br />

experten, sondern für möglichst alle an einem<br />

Projekt Beteiligten transparent und nachvollziehbar<br />

sein. Dies ist letztlich ein Gebot der<br />

„projektinternen Demokratie“, die gerade bei<br />

„I<strong>nitiative</strong> ergreifen“ von großer Bedeutung ist.<br />

Aus dem Wirtschaftsplan muss der Erfolgsplan<br />

(wirtschaftlicher Betrieb), der steuerliche Jahresabschluss<br />

und der Liquiditätsplan hervorgehen.<br />

Der Erfolgsplan bildet den wirtschaftlichen<br />

Betrieb ab, also die „Aktivitätsbereiche“;<br />

die Öko nomen sprechen auch von „Geschäftsbereichen“<br />

oder „Profitcentern“. Deren Strukturierung<br />

ist der notwendige erste Schritt.<br />

Dabei geht es im Kern darum, den geplanten<br />

„Geschäftsbereichen“ jeweils möglichst genau<br />

Kosten und Einnahmen zuordnen zu können.<br />

Dann ist zu erkennen, welche „Geschäftsbereiche“<br />

wie hohe Überschüsse oder positive Deckungsbeiträge<br />

erwirtschaften können, die andere<br />

„Geschäftsbereiche“ mit Unterdeckungen<br />

in der Lage sind auszugleichen. Denn positive<br />

Deckungsbeiträge sind Voraussetzung für die<br />

Tragfähigkeit des Gesamtprojekts (insbesondere<br />

für die Gebäudewirtschaft und das Management<br />

einer Geschäftsstelle, aber auch z.B.<br />

soziale, kulturelle und stadtteilbezogene Akti vitäten).<br />

Erläuterungen zum<br />

wirtschaftlichen Erfolgsplan (auf S.96)<br />

Umsatzerlöse, Aufwendungen und Rohergebnis<br />

nach Geschäftsbereichen<br />

Es sind die zentralen (gemeinnützigen, sozialen,<br />

kulturellen sowie erwerbswirtschaftlichen<br />

und auf Erträge ausgerichteten) Geschäftsbereiche<br />

des jeweiligen Projekts zu definieren<br />

und wirtschaftlich abzugrenzen. Diesen Geschäftsbereichen<br />

sind die ihnen eindeutig<br />

zuzuordnenden Einnahmen und Ausgaben zuzurechnen.<br />

Dies ist die Grundlage für eine ratio<br />

nale wirtschaftlich-organisatorische Betrachtung<br />

der Aufgaben und Ziele des Projekts.<br />

Es macht deutlich, in welchen Bereichen Deckungsbeiträge<br />

erzielt werden, die notwendig<br />

sind, um andere Bereiche aus eigenen Kräften<br />

zu stützen, die ohne positive Deckungsbeiträge,<br />

aber Kernanliegen des Projekts sind.<br />

Geschäftsbereiche<br />

In der Übersicht sind typische Beispiele aus<br />

„I<strong>nitiative</strong> ergreifen“-Projekten aufgeführt. Bei<br />

einem Veranstaltungsprogramm ist z.B. zwischen<br />

Eigen- und Fremdveranstaltungen zu<br />

unterscheiden. Fremdveranstaltungen sind<br />

weitgehend punktuellen Vermietungen gleichzusetzen,<br />

ideal sind Veranstaltungsreihen mit<br />

Partnern, Veranstaltungsagenturen oder Städten.<br />

Eigenveranstaltungen sind aufwändiger<br />

und gehen auf Risiko des Projektträgers; sie benötigen<br />

für jede Veranstaltung eine vollkommen<br />

eigenständige Kalkulation. Kulturelle Veranstaltungsprogramme<br />

benötigen ein profes -<br />

Lutz Hempel ist Unternehmensberater<br />

bei ICG Culturplan, Berlin. Er hat u.a. das<br />

„I<strong>nitiative</strong> ergreifen“-Projekt Canyon in<br />

Köln-Chorweiler in der anfänglichen Projektentwicklung<br />

unterstützt.<br />

Markus Selders ist selbständiger Unternehmensberater<br />

(B&U Beraten und Umsetzen,<br />

Aachen). Er hat die Initiatoren des „I<strong>nitiative</strong><br />

ergreifen“-Projekts Tuchwerk Aachen<br />

bei der Konstruktion der Trägerschaft und<br />

beim Aufbau von Wirtschaftsplänen maßgeblich<br />

begleitet.<br />

Axel Sostmann ist Unternehmensberater<br />

und Marktforscher bei a&o empirics,<br />

Düsseldorf. Er hat bei dsp-consulting Duisburg<br />

u.a. die „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“-Projekte<br />

Ledi genheim Lohberg in Dinslaken und<br />

Becker&Funck in Düren beim Projektaufbau<br />

beraten.<br />

linke Seite: in der Alten Feuerwache in<br />

Duisburg-Hochfeld<br />

95


Vom Aufbau eines verlässlichen Wirtschaftsplans<br />

96<br />

Teil 1: Erfolgsplan, Deckungsbeitragrechnung nach Geschäftsbereichen<br />

(1) Geschäftsbereiche<br />

Umsatz(erlöse) Aufwendungen<br />

(erwirtschaftete Einnahmen nach (den Geschäftsbereichen/„Profit-Centern“ ein-<br />

Geschäftsbereichen/„Profit-Centern“) deutig zuzuordnende Kosten: Personal, Aufträge/<br />

Fremdleistungen, Material, Ausstattung, Technik)<br />

• z.B. Erlöse (+), Aufwendungen (-) Eigenveranstaltungen<br />

• z.B. Erlöse (+), Aufwendungen (-) Fremdveranstaltungen (Mieten, Service-Pakete)<br />

• z.B. Erlöse (+), Aufwendungen (-) Ausstellungs-, Museumsbetrieb etc.<br />

• z.B. Erlöse (+), Aufwendungen (-) Fix-Vermietungen/Verpachtungen<br />

• z.B. Erlöse (+), Aufwendungen (-) Raumvergaben an Partner, Vereine, Gruppen (Gebührenordnungen)<br />

• z.B. Erlöse (+), Aufwendungen (-) Eigenbetriebe (wie Bistro/Café, Gastronomie, Verkauf/Shops)<br />

Summe Umsatzerlöse Summe Aufwendungen<br />

Rohergebnis aus Geschäftsbereichen: Umsatzerlöse minus Aufwendungen<br />

(2) Kosten Gebäudewirtschaft<br />

• (+-) Gebäudenebenkosten I (den obigen Geschäftsbereichen zugeordnet)<br />

• (+-) Gebäudenebenkosten II (der Geschäftsstelle/den Gemeinkosten zugeordnet)<br />

• (-) Hausmeister (sofern nicht in o.a. Gebäudenebenkosten bzw. u.a. Personalkosten)<br />

• (-) Instandhaltung, Reparaturen (sofern nicht in o.a. Gebäudenebenkosten)<br />

• (-) Rücklagen (Gebäude und Gebäudetechnik)<br />

(3) Kosten Geschäftsstelle/Management<br />

Personalkosten<br />

• (+-) Kosten Personal in den Geschäftsbereichen (Teil des obigen Rohergebnisses unter (1))<br />

• (-) Gemeinkosten Personal außerhalb der Geschäftsbereiche<br />

Sachkosten Projektmanagement und Geschäftsstelle<br />

• (-) Miete Gemeinflächen<br />

• (-) Gebäudenebenkosten Gemeinflächen<br />

• (-) Verwaltungs-/Bürokosten<br />

• (-) Beratungskosten<br />

• (-) Werbung/Marketingkosten<br />

Summe Gemeinkosten Geschäftsstelle/Management<br />

(4) Allgemeine Einnahmen<br />

• (+) Spenden<br />

• (+) Sponsoring<br />

• (+) Mitgliedsbeiträge<br />

• (+) Zinserträge<br />

Betriebsergebnis Erfolgsplan (Saldo (1)-(4) vor Abschreibung/Zinsen/Steuern)


sionelles oder zumindest professionalisiertes<br />

Veranstaltungsmanagement. Von daher können<br />

diese u.U. in einen Geschäftsbereich zusammengeführt<br />

und diesem zumindest ein Teil der<br />

Personal- wie Marketingkosten unmittelbar zugeordnet<br />

werden.<br />

Die Vergabe von Räumen an örtliche Gruppen,<br />

Vereine und I<strong>nitiative</strong>n („Bürgerhaus“), in vielen<br />

Fällen auch für private Feiern und Feste („Nachbarschaftshaus“)<br />

ist gut über die ehrenamtlichen<br />

Systeme in den Projekten organisierbar.<br />

Wichtig ist eine klare Verständigung auf eine<br />

„Gebührenordnung“, eine „Telefonnummer zur<br />

Buchung“ und eine „Schlüsselverantwortung“.<br />

Darüber hinausgehende Vermietungen an<br />

Dritte dienen einer guten Auslastung und /<br />

oder der Erzielung von finanziellen Deckungsbeiträgen.<br />

Hier ist in aller Regel ein professionelles<br />

Herangehen angeraten (z.B. Anbindung<br />

an das zuvor erwähnte Veranstaltungsmanage<br />

ment oder an die generelle Geschäftsführung/Geschäftstelle).<br />

Mieten sollten sich am<br />

jeweiligen Markt orientieren.<br />

Bei allen Vermietungen sind besondere Serviceleistungen<br />

zu berücksichtigen, die vom Kunden<br />

extra gemietet werden können / müssen (Reinigung,<br />

Betriebskosten, Genehmigungskosten,<br />

technischer Service, Bestuhlung, Bühne, Licht,<br />

Ton u.a.m.). Dieser Service kann u.U. als besondere<br />

Leistung von außen angemietet oder je<br />

nach Häufigkeit im Projekt vorgehalten werden.<br />

Veranstaltungstechnik (Licht, Ton, Bühne, Seminarausstattung<br />

etc.) und deren über die Jahre<br />

zu verteilenden kalkulatorischen Wiederbeschaffungskosten<br />

sind möglichst auch den Geschäftsbereichen<br />

zuzuordnen. Wenn dies in der<br />

praktischen Zuordnung zu theoretisch wird,<br />

sollten sie eigenständig vor dem ausgewiesenen<br />

Betriebsergebnis zusammengefasst werden.<br />

Grundlage der Berechnung der Wiederbeschaffungskosten<br />

können entsprechende<br />

Abschreibungstabellen sein. Als Faustwert sollte<br />

zunächst von 10% p.a. der Ausgangsinvestition<br />

ausgegangen werden.<br />

Feste Dauervermietungen von Räumen haben<br />

den Vorteil planbarer Einnahmen. Sie setzen<br />

aber auch eine gebäudewirtschaftliche Nebenkostenverwaltung<br />

voraus.<br />

Ausstellungs- und Museumsbetriebe bedürfen<br />

einer vollkommen eigenständigen Grundkalkulation<br />

(Eintritt, Kasse, Aufsicht, Pflege und<br />

Wiederbeschaffung von Museums-/ Ausstellungsgegenständen,<br />

Marketing, Ticketing, Museumspädagogik).<br />

Wirtschaftliche Geschäftsbereiche in den Projekten<br />

sind ökonomisch mit ihren Deckungsbeiträgen<br />

letztlich wie „Fremdbetriebe“ zu<br />

werten. Als Eigenbetriebe sind sie als Betriebsgründungen<br />

eigenständig zu kalkulieren und<br />

am Markt zu platzieren. Bei „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“<br />

kommen häufig vor: gastronomische Betriebe,<br />

aber auch landwirtschaftliche Produktionen,<br />

Läden, Museumsshops, touristische<br />

Angebote.<br />

Kosten der Gebäudewirtschaft<br />

Zunächst ist die Grundentscheidung von Bedeutung,<br />

ob die Gebäudewirtschaft Teil des<br />

Projektbetriebs oder von einem Dritten übernommen<br />

wird, z.B. Geschäftsbesorgungsvertrag.<br />

Ist der bürgerschaftliche Projektträger<br />

auch Eigentümer und Bauherr, übernimmt er<br />

zumeist diese Funktion. In vielen Projekten<br />

sind die Kommunen (oder öffentliche Institutionen)<br />

Eigentümer, die den Projekten langfristig<br />

die Immobilie überlassen (Erbpacht, Nutzungsvertrag,<br />

Mietvertrag). Dann ist die Verantwortung<br />

für „Dach+Fach“ zu vereinbaren. In der Regel<br />

bleibt die Dach+Fach-Verantwortung beim<br />

Eigentümer, ist allerdings dann in einer entsprechend<br />

höheren Miete bzw. Pacht kalkuliert.<br />

Bei der Darstellung der Gebäudewirtschaft in<br />

einem Wirtschaftsplan ergeben sich immer<br />

wieder Zuordnungsprobleme, die aus der Logik<br />

von Handelsrecht oder Steuerrecht resultieren:<br />

Vom Aufbau eines verlässlichen Wirtschaftsplans<br />

• Fixvermietung: In der tabellarischen Darstellung<br />

sind nur die Kosten der Gebäudewirtschaft<br />

aufgeführt. Man kann die Gebäudewirtschaft<br />

natürlich auch als „Geschäftsbereich“<br />

auffassen und den Kosten, z.B. den<br />

Einnahmen aus festen Vermietungen, gegenüberstellen.<br />

Das bietet sich dann an, wenn<br />

der Flächenanteil für Dauervermietungen in<br />

einem Projekt relativ hoch ist und als strategisches<br />

Ziel die Dauervermietungen möglichst<br />

unabhängig von anderen Geschäftsbereichen<br />

die Kosten der Gebäudewirtschaft<br />

absichern sollen. (Dauervermietungen sind oben: Becker & Funck in Düren<br />

97


Vom Aufbau eines verlässlichen Wirtschaftsplans<br />

oben: Stadtteilwerkstatt Canyon Chorweiler<br />

in Köln<br />

98<br />

im Übrigen auch steuerlich und gemeinnützigkeitsrechtlich<br />

anders zu bewerten und von<br />

daher getrennt auszuweisen.)<br />

• Hausmeister: Wenn „Hausmeister“ weit überwiegend<br />

Aufgaben der Gebäudewirtschaft<br />

(Kleinreparaturen, Gebäudereinigung, Wartung<br />

Haustechnik, Schlüsseldienste u.a.m.)<br />

übernehmen, können sie den Gebäudekosten<br />

zugeordnet werden. In vielen Projekten übernehmen<br />

sie aber auch weitergehende Leistungen<br />

wie Service in der Veranstaltungstechnik<br />

und bei punktuellen Vermietungen<br />

oder auch „Springerdienste“ für die Geschäftsstelle.<br />

Dann sind Hausmeisterkosten<br />

mehr den allgemeinen Personalkosten einer<br />

Geschäftsstelle zuzuordnen.<br />

• Rücklagen: Entscheidend ist zunächst, dass<br />

Rücklagen gebildet werden. Wenn diese erst<br />

– wie in vielen Wirtschaftsplänen üblich –<br />

am Ende im Liquiditätsergebnis (als Teil des<br />

Liquiditätsplans) oder nur als steuerliche Abschreibung<br />

aufgeführt werden, besteht die<br />

Gefahr, dass deren Bedeutung für die langfristige<br />

finanzielle Stabilität in den Hintergrund<br />

rückt, sprich: dass keine Rücklagen gebildet<br />

werden. Die Rücklagen werden oft<br />

ver drängt, weil die anzusetzenden absoluten<br />

Beträge in der Regel ziemlich hoch sind und<br />

dadurch das Gesamtergebnis ins Minus bringen.<br />

Es ist anzuraten, die Rücklagen sehr wohl<br />

kalkulatorisch in der Gebäudewirtschaft aufzuführen<br />

und das Minus erkennbar zu machen,<br />

dann aber am Ende der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung<br />

bei der Liquidität und beim<br />

Gesamtergebnis zu bewerten.<br />

Bei der Kalkulation muss zwischen den kurzfristigen<br />

Pflege-, Reparatur- und Instandhaltungskosten<br />

und den Rücklagen für eine langfristige<br />

Instandsetzung (Vermeidung „Substanzverzehr“)<br />

unterschieden werden. Für die längerfristige<br />

Instandsetzung müssen Rücklagen<br />

gebildet werden, die kurzfristig bei Liquiditätsengpässen<br />

eingesetzt werden können, aber<br />

nicht dauerhaft aufgezehrt werden dürfen.<br />

Die Höhe variiert von Gebäude zu Gebäude<br />

und hängt u.a. vom Baualter ab. Erfahrungswerte<br />

können aus sehr differenzierten Abschreibungslisten<br />

herangezogen werden. Als<br />

absolute Untergrenze muss die Faustformel<br />

von 1% der baulichen Investitionskosten gelten.<br />

Insbesondere beim Umbau von Altbauten sind<br />

höhere Ansätze zwischen 1,5 und 2% sinnvoll.<br />

Vielen Projekten gelingt erst nach und nach<br />

der Aufbau von derartigen Rücklagen. Natürlich<br />

sind Zeitpunkt und Höhe einer Inanspruchnahme<br />

von Rücklagen auch abhängig von der<br />

laufenden Bauunterhaltung; hier kann der Einsatz<br />

von Hausmeistern oder die Kompetenz<br />

und Bereitschaft von ehrenamtlicher baulicher<br />

Selbsthilfe zumindest in den Anfangsjahren<br />

hilfreich sein.<br />

Getrennt von Substanzkosten der Instandhaltung<br />

und von den langfristigen Rücklagen sind<br />

die laufenden Betriebskosten zu kalkulieren:<br />

Wärme, Wasser/Abwasser, Strom, Reinigung,<br />

Gebäudeversicherungen, Grundbesitzabgaben<br />

etc. Diese Kosten sind jährlich abzurechnen. Sie<br />

sind transparent den Geschäftsbereichen zuzuordnen.<br />

Mit Ausnahme des selbstgenutzten<br />

Teils einer Geschäftsstelle des Projektträgers<br />

sind dies reine Durchlaufkosten (Pauschalen,<br />

Abrechnungen, Ausgleichszahlungen) allerdings<br />

mit Vorfinanzierungs-/Liquiditäts- und<br />

Ausfallrisiken (Leerstand). Bei Realisierung angemessener<br />

Vorauszahlungen und bei transparenter<br />

Zuordnung verbleiben dann lediglich die<br />

Gebäudenebenkosten für die Gemeinflächen<br />

im jeweiligen Projekt (z.B. Büro Geschäftsstelle).<br />

Definitions- und Klärungsspielräume bleiben<br />

z.B. bei den Kosten der laufenden Reparaturen<br />

und eines Hausmeisters, aber auch bei den Gebäudenebenkosten<br />

von Verkehrsflächen.<br />

Personal(kosten), Sachkosten Projektmanagement/Geschäftsstelle<br />

Es ist sinnvoll, das gesamte über den Träger<br />

laufende Personaltableau einschließlich aller<br />

Kosten abzubilden. Danach ist aber für die Betrachtung<br />

der Wirtschaftlichkeit zu unterscheiden,<br />

welches Personal und welche Personalkosten<br />

den einzelnen Geschäftsbereichen zuzu-<br />

ordnen sind und welche als Gemeinkosten<br />

(Overhead) zur Aufrechterhaltung und Organisation<br />

des Gesamtbetriebs notwendig und der<br />

Geschäftsstelle zuzuordnen sind.<br />

Gemeinkosten entstehen im Bereich der anteiligen<br />

Miet- und Gebäudenebenkosten sowie<br />

der Personalkosten. Hinzu kommen aber auch<br />

noch Verwaltungs-, (Steuer)Beratungs- und generelle<br />

Vermarktungskosten etc..


Allgemeine Einnahmen (Mitgliedsbeiträge,<br />

Spenden etc.)<br />

Den Gemeinkosten stehen generelle, die Idee<br />

des Gesamtprojekts unterstützende Einnahmen<br />

gegenüber: Mitgliedsbeiträge, Spenden,<br />

Einnahmen aus Sponsoring, akquirierte Unterstützungen<br />

von Stiftungen, Zinserträge aus<br />

Rücklagen. Das Fundraising, die Einbindung<br />

von Sponsoren aus der Wirtschaft, die Akquisition<br />

von Klein- und Großspendern (in der Regel<br />

mit der Voraussetzung der steuerlichen Gemeinnützigkeit),<br />

die Pflege von Netzwerkkontakten<br />

zu Stiftungen hat in den letzten Jahren<br />

an Bedeutung zugenommen. Insofern kann<br />

man dies auch als eigenständigen „Geschäftsbereich“<br />

ansehen, um deutlich zu machen, dass<br />

es Sinn macht, das Fundraising als wichtige<br />

Teil 2: Steuern, Rücklagen, Liquidität<br />

Kernaufgabe aktiv zu steuern und nicht als<br />

selbstverständliche beiläufige Einnahmequellen<br />

zu betrachten. Dann wären die Einnahmen<br />

aus diesem „Geschäftsbereich“ in aller Regel<br />

den Kosten einer Geschäftsstelle / eines Managements<br />

zuzuordnen. Natürlich ist die Aufschlüsselung<br />

der Einnahmen aus diesem Bereich<br />

wichtig, da sie je nach Einnahmenart<br />

steuerlich und gemeinnützigkeitsrechtlich unterschiedlich<br />

zu bewerten sind.<br />

Betriebsergebnis Erfolgsplan<br />

Die Gegenüberstellung der Einnahmen und<br />

Aus gaben ergibt das wirtschaftliche Ergebnis,<br />

das zentral von den originären Aktivitäten des<br />

Projektbetriebs des Trägers / Betreibers abhängt<br />

(vor Abschreibung, Zinsbelastungen, Steuern).<br />

Abschreibungen<br />

• (-) Abschreibung Gebäude (1 bis 2% der baulichen Investitionen)<br />

• (-) Abschreibung Ausstattung (10% z.B. Veranstaltungsausstattung, Ausstellungen)<br />

• (-) Abschreibung Ausstattung wirtschaftliche Eigenbetriebe (wie Gastronomie)<br />

Summe Abschreibungen = Rücklagen<br />

Zinsen<br />

• (-) Zinsen Kapitalmarktdarlehen<br />

Betriebsergebnis vor Steuern<br />

(Betriebsergebnis minus Abschreibungen und Zinsen)<br />

Steuern<br />

• (-) aus wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben<br />

Betriebsergebnis nach Steuern<br />

• (+) Summe Abschreibungen<br />

• (-) Tilgung Darlehen<br />

Liquiditätsergebnis (nach Steuern)<br />

Erläuterungen zum Teil 2<br />

(Rücklagen, Steuern, Liquidität)<br />

Abschreibungen und Rücklagen<br />

Abschreibungen haben ihren Ursprung als kalkulatorische<br />

Größen in der steuerlichen Logik.<br />

(Bei der Ermittlung der steuerlichen Grundlagen<br />

mindern die Abschreibungen das Betriebsergebnis.)<br />

Sie bilden einen Wertverlust ab und<br />

können somit gleichzeitig als Grundlage her-<br />

angezogen werden für die Ermittlung der längerfristig<br />

notwendigen größeren Instandsetzungsaufwendungen<br />

(durchschnittliche<br />

jährliche Rücklagen Gebäude und Außenanlagen)<br />

und die Wieder-/Ersatzbeschaffungen<br />

(durchschnittliche jährliche Rücklagen Ausstattung).<br />

Die steuerlichen Abschreibungen sind<br />

Orientierungsgröße für die jährlichen Rücklagen<br />

(näheres siehe Afa-Tabellen des Bundesfinanzministeriums).<br />

In der Wirtschaftspla-<br />

Vom Aufbau eines verlässlichen Wirtschaftsplans<br />

oben: Standort und Planung (Lewitzki &<br />

Kleinen) Tuchwerk Aachen<br />

99


Vom Aufbau eines verlässlichen Wirtschaftsplans<br />

rechte Seite: „kleine Selbsthelfer“ beim<br />

Projekt SchulenBauenPartnerschaften<br />

100<br />

nung vor Betriebsbeginn kann von einfacheren<br />

„Faustformeln“ ausgegangen werden. Durchschnittlich<br />

1,5% der baulichen Investitionssumme<br />

sollte jährlich in eine Rücklage gesteckt<br />

werden (dies kann bei komplizierten Bestandsgebäuden<br />

bis 2% angehoben werden). Bei Ausstattungen<br />

gilt die Faustformel einer 10%igen<br />

Rücklage je Jahr (dies schwankt als Durchschnittsgröße<br />

im Detail sehr stark von Büromöbeln<br />

oder Bestuhlungen bis zu Licht- und Tontechnik).<br />

Diese Rücklagen sollten real auch gebildet werden<br />

und nicht nur auf dem Papier erscheinen.<br />

Viele Projekte tun sich damit in den Anlaufjahren<br />

sehr schwer. Spätestens ab dem 3. bis 5. Betriebsjahr<br />

sollten aber nennenswerte Beträge<br />

in die Rücklage fließen, um das Projekt nicht<br />

mittelfristig zu gefährden (siehe auch oben<br />

„Abschreibungen“ und im Erfolgsplan „Gebäudewirtschaft“<br />

und „Geschäftsbereiche“ Veranstaltungen).<br />

Steuern<br />

Nach Abstimmung mit den Steuerberatern<br />

und dem zuständigen Finanzamt sind einzelne<br />

Geschäftsbereiche unter Umständen steuerpflichtig.<br />

Steuerbescheinigungen für erhaltene<br />

Spenden müssen sich auf die als gemeinnützig<br />

anerkannten Geschäftsbereiche beziehen. Eine<br />

Differenzierung der Mehrwertsteuer nach<br />

7% bzw. 19% sollte ebenfalls geschäftsbereichgenau<br />

zugeordnet werden können. Diese steuerlichen<br />

Aspekte sollten möglichst bei der Aufteilung<br />

der „Geschäftsbereiche“ im obigen<br />

Erfolgsplan berücksichtigt werden und führen<br />

dort möglicherweise zu weiteren Differenzierungen.<br />

Liquidität und Liquiditätsplanung<br />

Rücklagen müssen separat ausgewiesen und<br />

aus dem Finanzkreislauf herausgenommen<br />

werden, weil sie zweckgebunden sind. In der<br />

Praxis können sie für Zwischenfinanzierungen<br />

genutzt werden. Rücklagen stärken die Liquidität<br />

und über die Zinsen auch die Ertragssituation.<br />

Tilgungen bei Kapitalmarktfinanzierungen<br />

dienen dem Schuldenabbau (und um ge kehrt<br />

dem Vermögensaufbau) und stärken die Bonität<br />

als Spielraum bei zusätzlichen Investitionen.<br />

Es ist anzuraten, eine (möglichst monatliche)<br />

Liquiditätsplanung aufzubauen (Einnahmen,<br />

Ausgaben, evt. zusätzlicher Finanzierungs-<br />

bzw. Zwischenfinanzierungsbedarf). Gerade zu<br />

Betriebsbeginn von „I<strong>nitiative</strong>-ergreifen“-Projekten<br />

kommt es immer wieder zu Liquiditätsengpässen.<br />

Dies ist eher die Regel als die<br />

Ausnahme. Daher sollte aus Gründen der kaufmännischen<br />

Vorsicht der Liquiditätsspielraum<br />

(= Zwischenfinanzierungsspielraum) ausreichend<br />

hoch in der Liquiditätsplanung angesetzt<br />

werden, um Verhandlungen über Nachfinanzierungen<br />

zu vermeiden.<br />

Wirtschaftspläne über 5 bzw. 10 Jahre<br />

Wirtschaftspläne sollten möglichst frühzeitig<br />

aufgestellt und immer mehr verfeinert werden.<br />

Sie sollten einen Zeitraum von mindestens<br />

5 bis 10 Jahren umfassen, das heißt die Zeit des<br />

betrieblichen Aufbaus über z.B. 3 Jahre und die<br />

ersten normalen Betriebsjahre. Bei „I<strong>nitiative</strong><br />

ergreifen“ ist dies auch die Grundlage für eine<br />

eventuelle Anschubförderung einerseits und<br />

eines plausiblen Nachweises, dass mittelfristig<br />

ein ausgeglichenes Ergebnis zu erzielen ist.


Staat und Zivilgesellschaft<br />

101


Klaus Grommes ist Partner der Sozietät<br />

Grommes Engels + Partner, die Büros in<br />

Köln und Mondorf unterhält.<br />

Mark Patrick Probst ist Steuerberater bei<br />

Grommes Engels + Partner.<br />

oben: heutiges altes Fischereimuseum<br />

unten: Neubauplanung des Fischereimuseums<br />

in Troisdorf von hks Architekten<br />

Aachen<br />

102<br />

16 Punkte zu Gemeinnützigkeit und Steuer bei<br />

„I<strong>nitiative</strong> ergreifen“-Projekten<br />

in Zusammenarbeit mit Klaus Grommes und Mark Patrick Probst<br />

Bei der Aufstellung von Wirtschaftsplänen<br />

und bei der Perspektive eines langfristig<br />

belastbaren Betriebs stehen Steuerfragen zwar<br />

nicht im Mittelpunkt, dennoch haben sie eine<br />

große Bedeutung. Im Folgenden wird der Versuch<br />

unternommen, wesentliche Fragen und<br />

Rahmenbedingungen um Gemeinnützigkeit<br />

und Steuer bei „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“-Projekten<br />

darzustellen. Dabei wird kein Anspruch auf<br />

Vollständigkeit erhoben. Grundlage sind die<br />

Erfahrungen aus der Projektberatung bei „I<strong>nitiative</strong><br />

ergreifen“.<br />

Die Ausführungen entstanden in einem Gespräch<br />

im Mai 2008, das Kerstin Bohnsack und<br />

Joachim Boll mit den Steuerberatern Klaus<br />

Grommes und Mark Patrick Probst in Troisdorf<br />

führten. Klaus Grommes und Mark Patrick<br />

Probst engagieren sich ehrenamtlich im Projekt<br />

„Fischereimuseum“, das Ende 2006 in das<br />

Programm „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“ aufgenommen<br />

und zur Förderung empfohlen wurde. Es wird<br />

im Troisdorfer Stadtteil Bergheim an der Sieg<br />

bis 2010 baulich realisiert werden und danach<br />

seinen Betrieb aufnehmen. Projektträger sind<br />

eine über 1.000-jährige Fischereibruderschaft,<br />

eine Bürgerstiftung und ein Förderverein.<br />

1. Fast alle Projektträger von „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“<br />

haben die Anerkennung der steuerlichen<br />

Gemeinnützigkeit nach § 52 Absatz 2 der Abgabenordnung<br />

(AO). Hier sind die wesentlichen<br />

Gemeinnützigkeitskriterien kodifiziert.<br />

2. Unter der Voraussetzung der Gemeinnützigkeit<br />

sind für die Projektträger alle Mitgliedsbeiträge<br />

und Spenden steuerfrei (ideeller Bereich).<br />

3. Die Gemeinnützigkeit führt unter bestimmten<br />

Umständen zur Befreiung von den Ertragsteuern<br />

(Körperschaft- und Gewerbesteuer) im<br />

sogenannten Zweckbetrieb. In der Satzung, die<br />

zur Anerkennung der Gemeinnützigkeit beim<br />

zuständigen Finanzamt eingereicht wird, ist<br />

der Tätigkeitsbericht der Gesellschaft/des Vereins<br />

als Projektträger beschrieben.<br />

4. (Gemeinnützige) Projektträger müssen bei<br />

„I<strong>nitiative</strong> ergreifen“ Geschäftsbereiche mit positiven<br />

Deckungsbeiträgen betreiben, um sich<br />

dauerhaft soziale, kulturelle, stadtteilbezogene<br />

Projektbereiche „leisten“ zu können, die natürlich<br />

die zentralen Ziele der Städtebauförderung<br />

darstellen. Wirtschaftliche Geschäftsbetriebe<br />

können unter dem Dach eines gemeinnützigen<br />

Projektträgers organisiert werden. Ihre Gewinne<br />

sind aber körperschaftsteuer­ und gewerbesteuerpflichtig,<br />

wenn die Umsätze im wirtschaftlichen<br />

Geschäftsbetrieb 35.000 Euro im<br />

Jahr übersteigen. Die Körperschaftsteuer liegt<br />

bei 15% zuzüglich Solidaritätszuschlag, die Gewerbesteuer<br />

schwankt von Kommune zu Kommune<br />

und liegt durchschnittlich bei 15% (jeweils<br />

auf den ermittelten Gewinn in den<br />

wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben). Bei der<br />

Körperschaftsteuer gibt es einen Freibetrag<br />

von 3.885 Euro p.a. und bei der Gewerbesteuer<br />

von 3.900 Euro p.a..<br />

5. Zu den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben<br />

zählen z.B. eine Gastronomie oder ein Café/Bistro<br />

im Eigenbetrieb, Disco-Veranstaltungen,<br />

aber u.U. auch die Erträge aus Festen. Wirtschaftliche<br />

Geschäftsbetriebe dürfen bei einem<br />

gemeinnützigen Projektträger im Jahresergebnis<br />

nicht mit einem Minus abschließen; in solchen<br />

Fällen läuft der Projektträger Gefahr, die<br />

Gemeinnützigkeit zu verlieren, weil dann das<br />

Minus durch den Zweckbetrieb oder gar den<br />

ideellen Bereich ausgeglichen werden müsste.<br />

6. Steuerlich interessant sind bei gemeinnützigen<br />

Projektträgern die Zuordnungsspielräume<br />

von „Geschäftsbereichen“ zum Zweck­ bzw. zum<br />

wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb. Hier gibt es<br />

diverse Schnittstellen, die mit Steuerberatern<br />

besprochen werden sollten: Musikveranstaltungen,<br />

Feste u.a.m. Es gibt aber auch noch formale<br />

Kriterien, die die Zuordnung bestimmen<br />

können wie Umsatzgrenzen oder der Einsatz<br />

bezahlter Kräfte.<br />

7. Für „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“-Projekte ist die projektinterne<br />

Gegenfinanzierung von erwerbswirtschaftlichen<br />

und unrentierlichen Bereichen<br />

von essenzieller Bedeutung. Gewinne aus<br />

den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben können<br />

nach Abzug der Ertragsteuern in den<br />

Zweckbetrieb (also die laut Satzungszweck festgelegten<br />

gemeinnützigen Aktivitäten) überführt<br />

werden und diese unterstützen. Dies gilt<br />

ebenso für die steuerfreien Vermögenserträge,<br />

Mitgliedsbeiträge und Spenden.<br />

8. Gemeinnützige Projektträger können Spendenbescheinigungen<br />

ausstellen. Das Recht, der


artige Bescheinigungen ausstellen zu können,<br />

ist aus Sicht der Projektträger attraktiv für das<br />

Einwerben von Spenden, weil die Spender den<br />

gespendeten Betrag privat steuermindernd<br />

geltend machen können. Zur Erreichung der<br />

Gemeinnützigkeit existieren diverse Mustersatzungen<br />

als Beispiele.<br />

9. Lohnsteuer bei Beschäftigten müssen immer<br />

abgeführt werden. Dies ist Grundlage eines jeden<br />

Beschäftigungsverhältnisses, vollkommen<br />

unabhängig davon, ob der Projektträger als gemeinnützig<br />

anerkannt ist oder nicht.<br />

10. Bei der Mehrwertsteuer/Umsatzsteuer gibt<br />

es die drei Fälle:<br />

• der Umsatzsteuerbefreiung z.B. bei Einnahmen<br />

aus festen langfristigen Vermietungen<br />

• den 7%ige Umsatzsteuersatz auf Aktivitäten<br />

aus einer festen Liste<br />

• in allen anderen Fällen: der aktuell 19%ige<br />

Umsatzsteuersatz.<br />

• Für den Sonderfall von so genannten „Kleinunternehmen“<br />

wird keine Umsatzsteuer ausgewiesen,<br />

wenn im Vorjahr der Umsatz unter<br />

17.500 Euro lag und im laufenden Jahr voraussichtlich<br />

50.000 Euro nicht überschreitet.<br />

11. (Gemeinnützige) Stiftungen haben i.d.R. Einnahmen<br />

aus der Vermögensverwaltung (dem<br />

Stiftungsvermögen). Diese Einnahmen sind ertragsteuerfrei<br />

(Körperschafts- und Gewerbesteuer),<br />

soweit sie für den Stiftungszweck ausgegeben<br />

werden. Nicht ausgegebene<br />

Einnahmen können (unter bestimmten Voraussetzungen)<br />

steuerfrei in der Stiftung verbleiben.<br />

12. Fungieren Stiftungen zusätzlich als Betreibergesellschaften,<br />

sind diese Aktivitäten entweder<br />

dem (ertrag)steuerfreien Zweckbetrieb oder<br />

einem nicht gemeinnützigen wirtschaftlichen<br />

Geschäftsbetrieb zuzuordnen (siehe Punkte 4<br />

und 5).<br />

13. Gründen Stiftungen eine eigenständige Betreibergesellschaft<br />

(z.B. eine GmbH), so wirtschaftet<br />

diese getrennt von der Stiftung für<br />

sich. Ausschüttungen aus dieser Betreibergesellschaft<br />

gehen als Erträge in die Vermögensverwaltung<br />

der Stiftung ein. Sie stellen damit<br />

eine weitere Form der „projektinternen Gegenfinanzierung“<br />

dar.<br />

14. Gemeinnützige GmbHs sind steuerlich gemeinnützigen<br />

Vereinen gleichgestellt in den Bereichen<br />

„Vermögensverwaltung“, „Zweckbetrieb“<br />

und „wirtschaftlichem Geschäftsbetrieb“.<br />

Der Gewinn von nicht gemeinnützigen GmbHs<br />

ist vom ersten Euro an ertragsteuerpflichtig<br />

(Körperschaft- und Gewerbesteuer).<br />

15. Im Wirtschaftsplan, in den Gewinn­und­Verlust­Rechnungen<br />

(G+V) und den Jahresabschlüssen<br />

sollten die Geschäftsbereiche nach<br />

wirtschaftlichen und steuerlichen Kriterien<br />

transparent geordnet werden. Eine Vorstrukturierung<br />

beim (Erst)Aufbau von Wirtschaftsplänen<br />

nach beiden Kriterien kommt in der Qualifizierungsphase<br />

bei „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“-<br />

Projekten (vor der Förderentscheidung und vor<br />

dem Betriebseinstieg) große Bedeutung zu. In<br />

den Jahresabschlüssen werden sie dann mit<br />

dem jeweiligen Steuerberater konkretisiert<br />

(und bei Unsicherheiten eventuell auch mit<br />

dem zuständigen Finanzamt abgestimmt).<br />

16. Rücklagen für periodisch wiederkehrende<br />

Ausgaben der Gebäudeinstandhaltung und der<br />

Projektausstattung können – wenn sie „gebunden“<br />

sind – u.U. über mehrere Jahre steuerfrei<br />

im Vermögen verbleiben. Anzuraten ist aber,<br />

dies mit den zuständigen Finanzämtern abzusprechen.<br />

Hier kann der Hinweis, dass Rücklagen<br />

eine wichtige Fördervoraussetzung bei<br />

„I<strong>nitiative</strong> ergreifen“ sind, von Vorteil sein:<br />

Bau rücklage 1,5% der baulichen Ausgangsinvestition,<br />

Ausstattungsrücklage 10% der Erstinvestition<br />

insbesondere der Veranstaltungs ausstat<br />

tung.<br />

16 Punkte zu Gemeinnützigkeit und Steuer<br />

oben: Blick vom Fischereimuseum auf das<br />

Discholls mit Schokker<br />

103


104


Regeln und Besonderheiten beim Förderverfahren bei<br />

„I<strong>nitiative</strong> ergreifen“<br />

von Gaby Funck und Raimund Mirgeler<br />

<strong>nitiative</strong> ergreifen“ ist ein Programm des<br />

„IMinisteriums für Bauen und Verkehr<br />

(MBV) des Landes Nordrhein-Westfalen und<br />

wird aus der Städtebauförderung finanziert.<br />

Damit gelten die Stadterneuerungsrichtlinien<br />

<strong>NRW</strong> in der jeweils aktuellen Fassung. Seit<br />

2001 wurden aus dem Programm resultierende<br />

Besonderheiten zunächst in gesonderten Erlassen<br />

geregelt, von denen einige inzwischen in<br />

die Stadterneuerungsrichtlinien übernommen<br />

wurden. Zu den Besonderheiten gehören:<br />

• Bürgerschaftliche Projekte, die über „I<strong>nitiative</strong><br />

ergreifen“ gefördert werden, müssen als<br />

Fördervoraussetzung ein Qualifizierungsverfahren<br />

mit einem Management „I<strong>nitiative</strong><br />

ergreifen“ durchlaufen, das die Projekte üblicherweise<br />

bis zum Abschluss der betrieblichen<br />

Aufbauphase begleitet. Das Management<br />

wird durch ein privates Büro organisiert,<br />

das vom Ministerium für Bauen und<br />

Verkehr (MBV) und einer Stellvertreter-Kommune<br />

(aktuell die Stadt Castrop-Rauxel) beauftragt<br />

ist.<br />

• Alle Projekte bei „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“ müssen<br />

zudem in einem Beirat beraten und dem<br />

MBV zur Förderung empfohlen werden. Diese<br />

Empfehlung ist eine weitere Fördervoraussetzung.<br />

• Die „Letztempfänger“ der Förderung sind<br />

bürgerschaftliche Projektträger, die mit ihren<br />

Projekten anstelle der Kommunen soziale,<br />

kulturelle, nachbarschafts- oder stadtteilbezogene<br />

Stadterneuerungsmaßnahmen<br />

durchführen und betrieblich tragen. Empfänger<br />

von Fördermitteln für Stadterneuerungsmaßnahmen<br />

(Zuwendungsempfänger) und<br />

verantwortlich für deren Verwendung sind<br />

die Kommunen. Daher müssen Förderanträge<br />

von der jeweiligen Kommune bei der zuständigen<br />

Bezirksregierung gestellt werden. Nach<br />

Bewilligung der Maßnahme schließt die<br />

Kommune einen sogenannten „Weiterleitungsvertrag“<br />

mit dem Projektträger oder<br />

gibt die Mittel per Bescheid weiter.<br />

• Der vom kommunalen Zuwendungsempfänger<br />

zu erbringende Eigenanteil kann von<br />

Dritten, also auch von den bürgerschaftlichen<br />

Projektträgern übernommen werden.<br />

Allerdings muss die Kommune einen mindestens<br />

10%igen Eigenanteil beisteuern.<br />

• Neben der Förderung baulicher Investition -<br />

en kann eine auf zwei bis drei Jahre begrenzte<br />

betriebliche Anschubförderung hinzu<br />

kommen, deren Höhe sich aus dem Qualifizierungsverfahren<br />

ergibt. Investitions- und<br />

Anschubförderung sind gegenseitig deckungsfähig.<br />

• Die Projektträger müssen sich mit einer<br />

überschaubaren „Umlage“ an der Finanzierung<br />

des Managements „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“<br />

beteiligen.<br />

Im Folgenden gehen wir auf besondere Fragestellungen<br />

aus der Praxis ein, auf die im Verfahren<br />

der Förderanträge ein besonderes Augenmerk<br />

gerichtet werden sollte.<br />

Kostensicherheit Bauen<br />

Die Kostensicherheit ist gerade für bürgerschaftliche<br />

Projektträger bei „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“<br />

von ganz besonderer Bedeutung als<br />

Grundlage für Finanzierung und Förderung.<br />

Hier liegt eine große Verantwortung bei den<br />

beteiligten Architekten. Da bürgerschaftliche<br />

Projektträger Kostensteigerungen während des<br />

Bau- und Realisierungsprozesses in aller Regel<br />

nur schwer auffangen können, ist hier mit einer<br />

besonderen Sorgfalt heranzugehen.<br />

Im Rahmen der Projektqualifizierung sollte daher<br />

vor einer Bewilligung nicht nur eine Vorplanung<br />

mit einer Kostenschätzung erstellt,<br />

sondern möglichst schon die Qualität einer<br />

Kostenberechnung nach DIN 276 auf der Basis<br />

einer genehmigungsreifen Planung erreicht<br />

werden. Diese Planungskosten sind zwar generell<br />

im Förderfall refinanzierbar, müssen aber<br />

als Vorleistung erbracht und somit vorfinanziert<br />

werden. Das „Risiko“ von Vorleistung bzw.<br />

Vorfinanzierung liegt damit bei den Architekten<br />

oder beim Projektträger. Daher ist die<br />

Schritt folge von einer Erstabschätzung über<br />

eine Kostenschätzung bis zu einer Kostenberechnung<br />

sinnvoll und risikoabschätzend in<br />

den Qualifizierungsprozess einzubauen.<br />

Kostengruppe 400: Haustechnik<br />

Ein „Sorgenkind“ in diesem Zusammenhang<br />

sind immer wieder die haustechnischen Kosten<br />

der Kostengruppe 400 nach DIN 276 (Energie,<br />

Heizung, Fluchtwege, Brandschutz, Veranstaltungstechnik<br />

u.v.m.). In der „normalen<br />

Abfolge“ der Leistungsstufen der HOAI werden<br />

diese technischen Fragen von Fachplanern erst<br />

Gaby Funck und Raimund Mirgeler sind<br />

Mitarbeiter des für die Städtebauförderung<br />

zuständigen Dezernats bei der Bezirksregierung<br />

Köln. Sie haben Erfahrungen<br />

hinsichtlich der verwaltungsmäßigen und<br />

baufachlichen Abwicklung von Förderverfahren<br />

im Rahmen des Programms<br />

„I<strong>nitiative</strong> ergreifen“. In den nachfolgenden<br />

Werkstattbericht sind auch Erfahrungen<br />

des Managements „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“<br />

außerhalb des räumlichen Zuständigkeitsbereichs<br />

der Bezirksregierung Köln<br />

eingeflossen.<br />

linke Seite: Abendstimmung am Kulturspeicher<br />

Dörenthe in Ibbenbüren<br />

105


Regeln und Besonderheiten beim Förderverfahren<br />

oben: das Kulturausbesserungswerk in Leverkusen<br />

auf dem Gelände der Bahnstadt<br />

Opladen (Bilder vor dem Umbau ab 2008)<br />

106<br />

im Zusammenhang mit der Genehmigungsplanung<br />

und zum Teil sogar erst danach erfasst.<br />

Diese Kostenpositionen stellen aber oft<br />

ein wesentliches Risiko bei der Kostensicherheit<br />

und damit für die Absicherung der Gesamtfinanzierung<br />

dar. Hier gilt es, zwischen<br />

den Risiken einer nicht so hohen Kostensicherheit<br />

einerseits und höheren Planungskosten<br />

vor einer abschließenden Förderbewilligung<br />

andererseits abzuwägen.<br />

Ausstattung der Projekte<br />

Zur Aufnahme des Projektbetriebs werden Ausstattungen<br />

benötigt, die Teil der Gesamtfinanzierung<br />

sein müssen. Hier sind in aller Regel<br />

drei Fälle zu unterscheiden:<br />

• Ausstattungen, die fest mit dem Gebäude<br />

verbunden sind, gehören klassisch zum Bauen<br />

und sind von daher auch dort zu planen<br />

und zu finanzieren (Kostengruppe 400, siehe<br />

oben).<br />

• Nicht mit dem Gebäude fest verbundene und<br />

mobile Ausstattungen, die rein erwerbswirtschaftlichen<br />

Projektbestandteilen zuzuordnen<br />

sind, können keine Fördergegenstände<br />

sein (hierunter fällt insbesondere die Ausstattung<br />

von Gastronomien).<br />

• Mobile Ausstattungen der gemeinnützigen,<br />

sozialen, kulturellen, nachbarschafts- und<br />

stadtteilbezogenen Kernaktivitäten (Förderziele)<br />

können gefördert werden, wenn es dafür<br />

keine anderen Fördermöglichkeiten gibt<br />

und sie zwingend erforderlich für den Betrieb<br />

und somit für das angestrebte Ziel der<br />

Maßnahme sind.<br />

• Die Gebäudeplanung muss durch die Architekten<br />

so weit vorangetrieben worden sein,<br />

dass eine belastbare Kostenberechnung als<br />

Grundlage der Finanzierung entsteht. Hierzu<br />

gehören auch für die unterschiedlichen Bereiche<br />

der Ausstattung vergleichbare Planungen<br />

und Kostenermittlungen, damit diese<br />

dem Förderantrag beigelegt werden können.<br />

Absicherung der Eigenanteile über<br />

den Projektträger<br />

Die notwendigen Eigenanteile zur Förderung<br />

müssen vor der Bewilligung abgesichert und in<br />

ihren überwiegenden Teilen nachgewiesen<br />

werden können. Hierzu gibt es in der Praxis folgende<br />

Hauptwege:<br />

• bauliche Selbsthilfe des Projektträgers<br />

• Eigenarbeitsleistung von Architekten, Ingenieuren<br />

und Unternehmen<br />

• Barmittel des Projektträgers<br />

• Geldspenden<br />

• Darlehen.<br />

Bauliche Selbsthilfe<br />

Zur Anerkennung von baulicher (Gemeinschafts-)Selbsthilfe<br />

als Eigenkapitalersatz in<br />

der Städtebauförderung gibt es in <strong>NRW</strong> inzwischen<br />

eine eingespielte und bewährte Praxis:<br />

• Spätestens zur Kostenberechnung bereitet<br />

der Architekt ein detailliertes Leistungsverzeichnis<br />

nach Gewerken und Kostenpositionen<br />

vor. Der bürgerschaftliche Projektträger<br />

stimmt mit den Architekten die Positionen<br />

ab, die vollständig für die Selbsthilfe vorgesehen<br />

werden sollen. Wichtig hierbei ist, dass<br />

diese Positionen nicht mit Fachhandwerkerpositionen<br />

vermischt werden. Mit Ausnahme<br />

dieser Selbsthilfegewerke müssen alle Positionen<br />

ausgeschrieben werden.<br />

• Bei diesen Selbsthilfepositionen trennen die<br />

Architekten die Arbeitskosten von den Materialkosten.<br />

Die Arbeitsanteile werden als Arbeitsleistung<br />

von freiwilligen Selbsthelfern<br />

des Projektträgers unentgeltlich erbracht.<br />

Bauherr und/oder Architekt/Bauleiter setzen<br />

die Selbsthelfer im Bauprozess ein. Die von<br />

ihnen geleisteten Stunden und die damit erbrachten<br />

Arbeiten müssen dokumentiert<br />

und als fachlich korrekt anerkannt werden.<br />

Jede so nachgewiesene Stunde kann mit einem<br />

Wert von 15 Euro (als fiktive Ausgabe) als<br />

Eigenkapitalersatz anerkannt werden. Die<br />

Gesamtsumme je Gewerk darf allerdings den<br />

von den Architekten in der Kostenberechnung<br />

für das Gewerk ermittelten Wert nicht<br />

überschreiten.<br />

Empfehlenswert ist, dass sich der Projektträger<br />

bei der Selbsthilfe auf einige Gewerke konzentriert,<br />

um die allseitige Abwicklung zu erleichtern.<br />

Der Projektträger sollte sich im Vorfeld<br />

vergewissern, dass es in seinem Umfeld auch<br />

tatsächlich die entsprechenden Personen gibt,<br />

die fähig und willens sind, sich mit baulicher<br />

Selbsthilfe zu engagieren. Sollten sich im realen<br />

Bauprozess weitere Selbsthilfepotenziale<br />

auftun, so kann dieses Zusatzpotenzial eher für<br />

kleinere oder manchmal auch größere Finanzierungslücken<br />

genutzt werden. Der nach die


sem Verfahren realistisch erreichbare Selbsthilfewert<br />

wird häufig überschätzt. Die Erfahrung<br />

zeigt, dass er überwiegend zwischen 10.000<br />

und 15.000 Euro liegt; bei größeren oder sich<br />

länger hinziehenden Projekten, aber auch in<br />

Projektumfeldern mit ausdrücklicher Selbsthilfetradition<br />

kann er im Einzelfall auf 20.000 bis<br />

30.000 Euro steigen.<br />

Barmittel des Projektträgers<br />

In aller Regel verfügen die Projektträger über<br />

nur relativ geringes Barkapital, das über Mitgliedsbeiträge,<br />

viele kleinere Spenden und über<br />

Erlöse aus Festen und Sonderaktionen entstanden<br />

ist. Mit einer konkreten Aussicht auf die<br />

Projektrealisierung über das Programm „I<strong>nitiative</strong><br />

ergreifen“ lässt sich das auf diesem Wege<br />

erreichbare Ausgangskapital erhöhen.<br />

Akquisition von Großspendern und Stiftungen<br />

In fast allen Projekten sind die Projektträger auf<br />

die Einwerbung größerer Spenden angewiesen.<br />

Erfahrungsgemäß eignen sich „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“-Projekte<br />

wegen ihrer Konkretheit am Ort,<br />

der Bürgernähe, dem Bürgerengagement und<br />

wegen der Ausrichtung auf örtlichen Gemeinsinn<br />

relativ gut dafür, Gelder einzuwerben. In<br />

der Praxis gibt es drei zentrale Quellen:<br />

• lokal verwurzelte und den Anliegen von Kommunen<br />

nahe stehende Institutionen wie<br />

Sparkassen, Volksbanken, Versorgungsunternehmen,<br />

Stadtwerke,<br />

• Traditions- und Familienunternehmen am<br />

Ort oder in der Region,<br />

• eine nahezu unübersehbare Zahl von Stiftungen,<br />

die Kultur, Denkmalschutz, Heimatpflege,<br />

Naturschutz, das Wohlfahrtswesen, Jugendhilfe<br />

und Bildung unterstützen.<br />

Hierüber können mit „langem Atem“ und gut<br />

funktionierenden Netzwerken in Einzelfällen<br />

erhebliche Geldmittel als Eigenanteil aufgebracht<br />

werden. Hilfreich ist dabei ein Schulterschluss<br />

mit den (Ober-)Bürgermeistern.<br />

Eigenanteile über Architekten-, Ingenieur- und<br />

Unternehmensleistungen<br />

In vielen Projekten gelingt es den Projektträgern,<br />

Architekten als engagierte Spender von<br />

Leistungen zu gewinnen. In einigen Fällen sind<br />

Architekten sogar von Anfang an Teil des Engagement-Systems<br />

von Projekti<strong>nitiative</strong>n. Architekten-<br />

und Fachingenieurleistungen können<br />

als fiktive Ausgabe als Eigenanteil anerkannt<br />

werden, wenn sie sich auf die Honorarordnung<br />

für Architekten und Ingenieure (HOAI) beziehen.<br />

Die entsprechenden Leistungen müssen<br />

in der Kostenberechnung nach DIN 276, die<br />

wiederum dem Förderantrag zugrunde liegt, in<br />

der Kostengruppe 700 enthalten sein. Die Korrektheit<br />

der Honorarermittlung muss durch<br />

die antragstellende Kommune geprüft werden,<br />

um anerkannt werden zu können (anerkannt<br />

werden jeweils die niedrigsten Werte in der<br />

entsprechenden Honorarzone laut HOAI).<br />

Als Sonderfall können auch gespendete (Bau)<br />

Unternehmerleistungen als Eigenanteil anerkannt<br />

werden. Voraussetzung: Ein Unternehmen<br />

übernimmt komplett und unentgeltlich<br />

ein Gewerk aus dem Leistungsverzeichnis in<br />

der Kostenberechnung der Architekten. Dann<br />

kann 70% des im Leistungsverzeichnis ermittelten<br />

Wertes anerkannt werden. Hiermit ist<br />

nicht von vornherein verbunden, dass diese<br />

Leistung als gemeinnützig beim Finanzamt anerkannt<br />

werden kann; dies ist zusätzlich abzusprechen,<br />

aber keine Voraussetzung im Rahmen<br />

der Förderung.<br />

Darlehen<br />

Natürlich können die Eigenanteile grundsätzlich<br />

auch über Darlehen aufgebracht werden.<br />

Bei „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“ darf dies aber nur eine<br />

untergeordnete Rolle spielen, weil Zinsen und<br />

Darlehen in vollem Umfang vom Projektträger<br />

zu tragen sind und damit den späteren Betrieb<br />

finanziell belasten. Daher sollten Darlehen nur<br />

zur Absicherung verbliebener Restlücken bei<br />

den Eigenanteilen (möglichst unter 10% des Eigenanteils)<br />

und zur Absicherung notwendiger<br />

Vor- und Zwischenfinanzierungen zur Liquidität<br />

im Bauprozess eingesetzt werden. In diesen<br />

Komplex fallen sowohl normale Kapitalmarktdarlehen<br />

als auch Privatdarlehen und private<br />

Bürgschaften.<br />

Nachweis/Plausibilität der Eigenanteile vor<br />

Förderbewilligung<br />

Um die antragstellenden Kommunen, die Landesförderung,<br />

aber auch die Projektträger<br />

selbst abzusichern, sollte im Rahmen des Qualifizierungsprozesses<br />

zum Förderantrag der<br />

überwiegende und zur Bewilligung nahezu der<br />

vollständige Eigenanteil plausibel nachgewiesen<br />

werden:<br />

Regeln und Besonderheiten beim Förderverfahren<br />

oben: der Bürger- und Jugendpavillion in<br />

Düren-Mariaweiler (während des Baus)<br />

107


Regeln und Besonderheiten beim Förderverfahren<br />

oben: das Projekt Tuchwerk in Aachen<br />

(Qualifizierungsprozess 2007/ 2008)<br />

108<br />

• Beim Eigenkapitalersatz über bauliche Selbsthilfe<br />

sollte ein Selbsthilfekonzept vorliegen<br />

und in die Kostenberechnung eingearbeitet<br />

sein.<br />

• Barmittel des Trägers und kleinere Spenden<br />

können anhand des Kontostandes dargestellt<br />

werden.<br />

• Bei Großspendern müssen belastbare und<br />

von Entscheidern unterschriebene „letters of<br />

intent“ vorgelegt werden.<br />

• Eigenanteile über Architekten-, Ingenieur- und<br />

Unternehmensleistungen müssen in ihren<br />

Leistungen und den Geldwerten mit „letters<br />

of intent“ der jeweiligen Firma mit verbindlicher<br />

Unterschrift erkennbar werden.<br />

• Bei Darlehensabsicherungen müssen Bereitschaftserklärungen<br />

der Banken vorliegen.<br />

Die Plausibilitätsdarstellung setzt ein gutes Finanzmanagement<br />

beim Projektträger und eine<br />

gute Koordination zwischen Projektträger, antragstellender<br />

Kommune und dem Mana gement<br />

„I<strong>nitiative</strong> ergreifen“ im Rahmen der Projektqualifizierung<br />

voraus, um die vorgenannten<br />

Ziele in Stufen von der Beiratsberatung über<br />

den Förderantrag bis zur Bewilligung auch tatsächlich<br />

zu erreichen.<br />

Förderanträge, Bewilligungen, Einstieg in<br />

die Förderung<br />

Für bürgerschaftliche Projektträger ist das Finanzmanagement<br />

beim Einstieg in die Realisierung<br />

von entscheidender Bedeutung. Förderanträge<br />

der Kommunen müssen zwischen<br />

Mai und September bei den Bezirksregierungen<br />

gestellt werden, damit sie bei der Aufstellung<br />

des nächstjährigen Stadterneuerungsprogramms<br />

berücksichtigt werden können. In aller<br />

Regel kann dann erst mit Verabschiedung des<br />

Landeshaushaltes im Früh sommer eine Bewilligung<br />

ausgesprochen und in der zweiten<br />

Jahreshälfte frühestens mit den ersten Fördermitteln<br />

gerechnet werden. Dieser ca. einjährige<br />

Vorlauf muss in der Projektentwicklung bedacht<br />

werden. Er kann genutzt werden für die<br />

weitere Absicherung der Eigenanteile, die<br />

Gründung der Betreibergesellschaften, für die<br />

Ausführungsplanung, für die Baugenehmigung<br />

und die Vorbereitung der Ausschreibungen<br />

u.v.a.m.<br />

Die Zeit zwischen Förderantrag und Bewilligung<br />

der Fördermittel und damit dem Beginn<br />

der Projektrealisierung kann in Einzelfällen<br />

durch einen „Antrag auf vorzeitigen förderunschädlichen<br />

Maßnahmenbeginn“ verkürzt<br />

werden, der die Projektträger in die Lage versetzt,<br />

beginnen zu können, ohne dass dies die<br />

spätere Förderbewilligung in Frage stellt (das<br />

Risiko bis zur Bewilligung ist aber vom Projektträger<br />

zu übernehmen).<br />

Zeit-/Maßnahmenplan, Fördermittelfluss,<br />

Vorfinanzierung, Liquidität<br />

Zur Vorbereitung des Einstiegs in die Projektrealisierung<br />

muss ein möglichst detaillierter<br />

Zeit-/Maßnahmenplan mit Angaben der jeweiligen<br />

Ausgaben aufgestellt werden. Dies ist aus


Sicht der Förderung in einem ersten Schritt<br />

notwendig, um die Mittel möglichst exakt jahresweise<br />

in die Landeshaushaltsplanung einstellen<br />

zu können. Ferner sollte auf dieser groben<br />

Basis in einem 2-Monats-Rhythmus der<br />

Mittelbedarf zwischen Bauherr-Architekt-Kommune<br />

exakt ermittelt und über die Kommune<br />

bei der Bezirksregierung die Auszahlung angemeldet<br />

werden. Je exakter das Bau- und Finanzmanagement<br />

funktioniert, umso geringer<br />

sind die Liquiditätsprobleme im Realisierungsprozess.<br />

Dies trifft nicht nur auf den Fördermittelfluss,<br />

sondern auch auf die Einspeisung der<br />

Eigenanteile in eine Gesamtfinanzierung zu.<br />

In der Praxis tauchen immer wieder Liquiditätsprobleme<br />

auf, so dass den Projektträgern<br />

zu raten ist, in jedem Fall Vor- und Zwischenfinanzierungsspielräume<br />

zu schaffen. Darüber<br />

hinaus dient der Zeit- /Maßnahmenplan der<br />

Kostenkontrolle zum jeweiligen Projektzeitpunkt.<br />

Sollte dabei erkannt werden, dass Abweichungen<br />

zwischen Soll- und Ist-Kosten bestehen,<br />

so ist in einem ersten Schritt zu prüfen,<br />

inwieweit durch Minderausgaben die Mehrkosten<br />

aufgefangen werden können. Sind aber<br />

die Mehrkosten nicht kompensierbar, so sollte<br />

umgehend mit der Bewilligungsbehörde und<br />

dem Management „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“ das<br />

Gespräch zur Klärung der weiteren Vorgehensweise<br />

gesucht werden.<br />

Umlage zur Mitfinanzierung des Programm-<br />

Managements<br />

Projektträger, die in den Genuss der Förderung<br />

aus dem Programm „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“ kommen,<br />

müssen sich mit einer Umlage an den Kosten<br />

des Managements „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“ beteiligen.<br />

Die Höhe der Umlage beträgt je nach<br />

Größenordnung des Projektes zwischen 5.000<br />

und 10.000 Euro, in Einzelfällen bis zu 20.000<br />

Euro. Sie muss vor der Auszahlung der ersten<br />

Fördermittel, also ganz am Anfang der Projektrealisierung<br />

in einem Betrag geleistet werden.<br />

Nutzungs-, Träger-, Betriebs- und<br />

Wirtschaftlichkeitskonzept, Ermittlung der<br />

Anschubförderung<br />

Eine der Fördervoraussetzungen beim Programm<br />

„I<strong>nitiative</strong> ergreifen“ ist das Vorliegen<br />

eines belastbaren Träger-, Betriebs- und Wirt-<br />

schaftlichkeitskonzepts. Dies wird im Qualifizierungsverfahren<br />

zwischen dem Projektträger<br />

und dem Management „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“<br />

erarbeitet und im Beirat „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“,<br />

als Teil der Förderempfehlung an das MBV, beraten.<br />

Aus diesem Konzept ergibt sich auch<br />

eine eventuelle Förderung des betrieblichen<br />

Anschubs. In der Konsequenz wird das Konzept<br />

dann ebenso wie die Planung und die Kostenschätzung<br />

der Investitionen zum Bestandteil<br />

des Förderantrags und der späteren Bewilligung.<br />

Kommunen und Förderanträge<br />

Städtebauförderanträge müssen von Kommunen<br />

gestellt werden; dies gilt auch bei „I<strong>nitiative</strong><br />

ergreifen“. Dennoch stehen die Projekti<strong>nitiative</strong>n,<br />

die bürgerschaftlichen Projekte sowie<br />

ihre Tragfähigkeit und Belastbarkeit im Vordergrund.<br />

Nur belastbare und tragfähige Projekte<br />

sollen in die Förderung gehen, um alle Beteiligten<br />

vor zu großen Risiken zu schützen. Denn<br />

mit dem Förderantrag übernehmen die Kommunen<br />

die formelle Verantwortung bei der Einhaltung<br />

der Zweckbindungsfrist. Die Verwendung<br />

der Mittel ist durch den Projektträger<br />

gegenüber der Kommune nachzuweisen, die<br />

wiederum den Nachweis gegenüber der Bezirksregierung<br />

zu führen hat.<br />

Die Projekte müssen sich grundsätzlich in die<br />

örtliche Stadtentwicklungspolitik einordnen<br />

und Teile „integrierter Stadt(teil)entwicklungsprogramme“<br />

sein. Dies ist eine wichtige Voraussetzung<br />

für die Förderung. Das Baugesetzbuch<br />

(BauGB) bietet hierfür eine ganze Reihe<br />

von formalen Möglichkeiten zur Herstellung eines<br />

sogenannten „Gebietsbezugs“.<br />

Regeln und Besonderheiten beim Förderverfahren<br />

109


Christoph Schilde ist Mitarbeiter der LEG<br />

– Arbeitsmarkt- und Strukturentwicklung<br />

aus Essen. Er begleitet mehrere „I<strong>nitiative</strong><br />

ergreifen“-Projekte insbesondere aus der<br />

Sicht der Einbindung von Arbeitsmarktinstrumenten.<br />

110<br />

Integration von Arbeitsmarktinstrumenten bei<br />

„I<strong>nitiative</strong> ergreifen“<br />

von Christoph Schilde<br />

Ein erfolgreicher Strukturwandel in <strong>NRW</strong> soll<br />

durch eine ressortübergreifende und ganzheitliche<br />

Strategie und die Einbindung unterschiedlicher<br />

Politikfelder und Förderprogramme<br />

unterstützt werden. Die LEG Arbeits marktund<br />

Strukturentwicklung GmbH (LEG AS) berät<br />

im Rahmen des Programms „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“<br />

vier bürgerschaftlich getragene Projekte,<br />

in denen Langzeitarbeitslose qualifiziert und<br />

beschäftigt sowie teilweise auch Dauerarbeitsplätze<br />

geschaffen werden. Um dies zu ermöglichen,<br />

werden neben der Städtebauförderung<br />

des Ministeriums für Bauen und Verkehr (MBV)<br />

<strong>NRW</strong> auch Förderinstrumente des Ministeriums<br />

für Arbeit, Gesundheit und Soziales (MAGS)<br />

<strong>NRW</strong>, Mittel der Bundesagentur für Arbeit (BA)<br />

und z.T. der Europäischen Union (EU) eingesetzt.<br />

Grundlegende Änderungen bei<br />

Arbeitsmarktinstrumenten seit 2004<br />

Die arbeitsmarktpolitischen Strategien der<br />

Bun desagentur für Arbeit (BA) und des Landes<br />

<strong>NRW</strong> sowie ihre Finanzierungs- und Förderprogramme<br />

haben sich seit 2004 wesentlich verändert.<br />

War in der Vergangenheit z. B. das Instrument<br />

der „Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen“<br />

(ABM) trotz aller Kürzungen im Lauf der Jahre<br />

relativ stabil und projektbezogen planbar, so<br />

haben die Änderungen in der arbeitsmarktpolitischen<br />

Förderlandschaft sowie die Umorientierung<br />

der ehemaligen „Arbeitsämter“ auf<br />

„Arbeitsgemeinschaften / ARGEn“ seitdem erhebliche<br />

Auswirkungen auf die Projektarbeit.<br />

Praxis projektbezogen sehr unterschiedlich<br />

Mit den Veränderungen sollte mehr Autonomie<br />

und Entscheidungsfreiheit bei den ARGEn ermöglicht<br />

werden. In der Praxis heißt dies, dass<br />

jede ARGE situativ und fallbezogen sehr unterschiedlich<br />

mit den ihr zur Verfügung stehenden<br />

Instrumenten und Förderprogrammen verfährt.<br />

Darüber hinaus gibt es Unsicherheiten<br />

im Umgang mit den neuen Entscheidungsspielräumen,<br />

so dass für jedes Projekt immer<br />

wieder Überzeugungsarbeit zu leisten ist. Dies<br />

führt für „Integrierte Arbeitsmarktprojekte“ dazu,<br />

dass die Übertragbarkeit von Erfahrungen<br />

und Know-How hinsichtlich möglicher Strategien,<br />

fördertechnischer Strukturen und Verfahren<br />

stark eingeschränkt ist und die „kreative Lösung<br />

des Einzelfalls“ die Regel geworden ist.<br />

Drei zentrale Instrumente in der Praxis<br />

Im Großen und Ganzen beschränkt sich das<br />

Spektrum an Förderprogrammen der Bundesanstalt<br />

für Arbeit (BA) (Stand Frühsommer<br />

2008) auf drei Schwerpunkte, die für Integrierte<br />

Arbeitsmarktprojekte mehr oder weniger<br />

effektiv eingesetzt werden können:<br />

• „Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen“ (ABM) :<br />

Dies ist ein Instrument, das regional sehr unterschiedlich<br />

angeboten wird, von offensiver<br />

Nutzung bis hin zu absoluter Ablehnung<br />

sind alle Optionen bei den ARGEn vertreten.<br />

• „Arbeitsgelegenheiten“ (AGH, § 16 Abs. Sozialgesetzbuch<br />

II): Als neues Förderinstrument<br />

seit 2006 in unterschiedlichen Abwandlungen<br />

(hinsichtlich der Mehraufwandsentschädigung)<br />

von den ARGEn vorgestellt, scheint<br />

diese vermittlungs- und qualifizierungsorientierte<br />

Förderstrategie schon wieder an ihre<br />

Grenzen gekommen zu sein und – allerdings<br />

regional sehr unterschiedlich – zurück gefahren<br />

zu werden.<br />

• „JobPerspektive“ (§ 16 a Sozialgesetzbuch II) :<br />

Dieses Instrument wurde für die dauerhafte<br />

Förderung insbesondere für Zielgruppen mit<br />

mehreren Vermittlungshemmnissen eingeführt,<br />

das jedoch wegen seiner wirtschaftlichen<br />

Hürden sowohl bei den ARGEn als auch<br />

bei Trägern, Wohlfahrtsverbänden und Unternehmen<br />

oft nur im Einzelfall eingesetzt<br />

wird.<br />

Darüber hinaus bietet das Land <strong>NRW</strong> unterschiedliche<br />

Förderansätze, die im Wesentlichen<br />

auf arbeitslose Jugendliche, behinderte Menschen,<br />

ältere Menschen sowie Migrantinnen<br />

und Migranten fokussieren und eher im speziellen<br />

Einzelfall für Integrierte Arbeitsmarktprojekte<br />

geeignet sind.<br />

Bauen und Dienstleistungen/Betrieb, Träger<br />

und Akteure des Arbeitsmarkts<br />

Neben den eher klassischen Einsatzfeldern wie<br />

Brachflächensanierung, Abriss / Rückbau, Garten-<br />

und Landschaftsbau, Grünpflege, partiell<br />

auch Hochbau sind seit geraumer Zeit auch<br />

Dienstleistungen in unterschiedlichen Konstellationen<br />

Gegenstand arbeitsmarktpolitischer<br />

Förderprogramme, über deren Entwicklung und<br />

marktorientierter Ausrichtung die Schaffung


von Dauerarbeitsplätzen mittel- und langfristig<br />

seitens der Fördergeber angestrebt wird.<br />

Durchgängig ist bei allen Förderinstrumenten,<br />

dass die angebotenen Fördersätze im Verlauf<br />

der letzten Jahre massiv zurückgenommen<br />

wurden. Dies bedeutet für die Träger arbeitsmarktpolitischer<br />

Maßnahmen, dass die erforderlichen<br />

Restkosten (Personal-, Verwaltungs-<br />

und Sachkosten) durch steigende produktive<br />

Leistungsanteile der Maßnahmeteilnehmer<br />

„erwirtschaftet“ werden müssen. Für die Praxis<br />

heißt das, dass arbeitsmarktpolitische Maßnahmen<br />

nur in Projektkonstellationen einbezogen<br />

werden sollten, in denen sichergestellt<br />

werden kann, dass die durch „Vermittlungshemmnisse“<br />

bedingten Minderleistungen der<br />

Teilnehmer nicht größer sind als der Ausgleich<br />

durch den öffentliche Zuschuss. Die Träger arbeitsmarktpolitischer<br />

Maßnahmen dürfen<br />

grundsätzlich nur ihre maßnahmebedingten<br />

„ungedeckten Kosten“ über die produktiven<br />

Anteile des Integrierten Arbeitsmarktprojektes<br />

finanzieren; darüber hinaus gehende Überschüsse<br />

müssen an die ARGEn zurückgezahlt<br />

werden. Aus diesen Gründen ist eine enge und<br />

vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen<br />

Projektträger und ARGE unerlässlich.<br />

Kammern und Verbände achten als Interessensvertreter<br />

ihrer Mitgliedsunternehmen auf Aspekte<br />

der Wettbewerbsverzerrung und der Einhaltung<br />

von Vergaberichtlinien. Hinsichtlich<br />

der Vergabe bieten die VOB und die VOL Lösungen,<br />

die jedoch im „Tagesgeschäft“ von Kommunen,<br />

Kammern und Verbänden selten zum<br />

Tragen kommen und deshalb nicht immer sofort<br />

präsent sind; nicht zuletzt aus diesem<br />

Grund ist es ratsam, frühzeitig vergaberechtliches<br />

Know-How extern einzuwerben. In diesem<br />

Zusammenhang ist darauf zu verweisen, dass<br />

arbeitsmarktpolitische Maßnahmen im Rahmen<br />

von „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“ auf bürgerschaftliche<br />

Aspekte fokussieren, die teilwirtschaftlich<br />

ausgerichtet sind und ihren Schwerpunkt nicht<br />

im kommerziellen Handeln suchen. Bei Arbeitsmarktprojekten<br />

bezieht sich öffentliche Förderung<br />

auf den Ausgleich von Minderleistungen<br />

der Teilnehmer sowie auf eine Behebung von<br />

Qualifizierungsdefiziten, die die Teilnehmer<br />

hinsichtlich eines Einsatzes auf dem ersten Arbeitsmarkt<br />

vorbereiten. Die Bereitschaft der<br />

Kammern und Verbände, bürgerschaftliche<br />

Projekte sowie arbeitsmarktpolitische Maßnahmen<br />

zu tolerieren, ist regional sehr unterschiedlich<br />

ausgeprägt. Ratsam ist es jedoch in<br />

jedem Fall, möglichst früh Kontakt zu suchen<br />

und Vertrauen durch Transparenz und Dialog<br />

zu schaffen.<br />

„Integrierte Arbeitsmarktprojekte“ und<br />

„I<strong>nitiative</strong> ergreifen“<br />

Bis 2004 waren die Förderung von Arbeitsmarktmaßnahmen<br />

und die Städtebauförderung<br />

eng miteinander verzahnt. Auch unter<br />

den veränderten Bedingungen ist die Nutzung<br />

arbeitsmarktpolitischer Instrumente in „Integrierten<br />

Arbeitsmarktprojekten“ für die Stadterneuerung<br />

weiterhin möglich und sinnvoll. Sie<br />

stützen den regionalen Arbeitsmarkt, sie bieten<br />

gerade jüngeren Leuten Perspektiven und<br />

sie entlasten die kommunalen Haushalte. Dieser<br />

dreifache Nutzen ist dazu geeignet, die Projekte<br />

im Programm „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“ in der<br />

öffentlichen Wahrnehmung noch besser zu positionieren.<br />

Für die Projekte können u.U. Personalressourcen<br />

aus dem direkten Umfeld der<br />

Projekte erschlossen werden.<br />

Bewährt hat sich der Einsatz Integrierter Arbeitsmarktansätze<br />

insbesondere für die Bauphase,<br />

um beschäftigungspolitische Aspekte<br />

sowie Aspekte der Stabilisierung und beruflichen<br />

Qualifizierung arbeitsloser Menschen zu<br />

unterstützen. Öffentliche Förderprogramme,<br />

insbesondere der Bundesagentur für Arbeit, z.T.<br />

auch die des Europäischen Sozialfonds, sind in<br />

der Regel für eine solide mittel- und langfristige<br />

Betriebsplanung bei „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“-<br />

Projekten nur bedingt nutzbar.<br />

Arbeitsmarktmaßnahmen beim Bauen müssen<br />

sich wie bei allen öffentlich finanzierten Maßnahmen<br />

auch bei Projekten der Stadterneuerung<br />

in das Vergaberecht einordnen. Dabei wird<br />

in der Praxis mit zwei Optionen gearbeitet:<br />

Bei der Aufstellung des Leistungsverzeichnisses<br />

im Rahmen der Kostenberechnung nach DIN<br />

276 werden die vollständigen Gewerke /<br />

Teilgewerke im Vorfeld einer Ausschreibung<br />

definiert, die über Arbeitsmarktmaßnahmen<br />

und anerkannte Beschäftigungsträger ausgeführt<br />

werden sollen. Diese Gewerke können<br />

dann freihändig vergeben werden; eine Ausschreibung<br />

entfällt. Voraussetzung für dieses<br />

Integration von Arbeitsmarktinstrumenten<br />

oben: das Projekt Müllestumpe in Bonn,<br />

hier beim Richtfest und beim Spatenstich<br />

111


Integration von Arbeitsmarktinstrumenten<br />

oben: Isometrie der Schiffsbrücke Wuppermündung<br />

112<br />

Verfahren ist, dass die eingebundenen Beschäftigungsträger<br />

bereit sein müssen, ihre internen<br />

Trägerkosten nachvollziehbar zu belegen<br />

(z. B. ungedeckte Teilnehmerkosten, Anleiter,<br />

Verwaltung, Mieten). Hieraus ergeben sich<br />

dann abschließend die „ungedeckte Maßnahmekosten“,<br />

die nach Abschluss der Arbeiten<br />

und Abnahme der Gewerke aus dem Baubudget<br />

vergütet werden. Es ist auszuschließen,<br />

dass der Träger bei der Durchführung des Auftrags<br />

Gewinne erzielt. Die Teilproduktivität der<br />

Teilnehmerstunden wird als Kalkulationsgröße<br />

berücksichtig und fließt in die Gesamtkalkulation<br />

mit ein. Die Kostenobergrenze bilden die<br />

in der Kostenberechnung nach DIN 276 ermittelten<br />

Kosten.<br />

Die LEG Arbeitsmarkt- und Strukturentwicklung<br />

GmbH (LEG AS) übernimmt als „Generalübernehmer“<br />

(GÜ) das gesamte Baupaket für<br />

den Projektträger und ordnet für alle Beteiligten<br />

die Arbeitsmarktmaßnahmen optimal und<br />

regel-/förderkonform ein. Dabei werden die<br />

Gewerke, die von Beschäftigungsträgern realisiert<br />

werden können freihändig an diese vergeben;<br />

alle anderen Aufträge werden von der LEG<br />

AS öffentlich ausgeschrieben. Das wirtschaftliche<br />

Risiko liegt dabei beim GÜ.<br />

Der Einsatz von Arbeitsmarktinstrumenten bei<br />

„I<strong>nitiative</strong> ergreifen“-Projekten sei im Folgenden<br />

an zwei konkreten Beispielen beschrieben.<br />

Haus am Müllestumpe, Bonn<br />

Projekthintergrund: In einem Park mit schönem<br />

alten Baumbestand im Norden von Bonn liegt<br />

die „Königin-Juliana-Schule“, eine ehemalige<br />

Förderschule für Kinder mit geistiger Behinderung.<br />

Nach dem Umzug der Schule 2002 entwickelten<br />

die Eltern der Schüler gemeinsam mit<br />

BürgerInnen der benachbarten Stadtteile Auerberg<br />

und Graurheindorf das Konzept „Haus am<br />

Müllestumpe – miteinander leben und gestalten“:<br />

Bürger- und Kulturzentrum mit einer<br />

Gastronomie, Ausflugsort mit einfacher Übernachtungsmöglichkeit<br />

(„Bed&Bike-Hotel“). Impulsgeber<br />

ist der Verein „Haus am Müllestumpe<br />

- miteinander leben und gestalten e. V.“, der<br />

Betrieb wird von einer gemeinnützigen GmbH<br />

sichergestellt. Ziel ist die Schaffung eines öffentlichen<br />

Orts, wo sich Menschen mit und ohne<br />

Behinderung aus der ganzen Region treffen<br />

können. Die Betreibergesellschaft wird als Integrationsunternehmen<br />

Menschen mit Behinderungen<br />

in wirtschaftlichen Zweckbetrieben<br />

beschäftigen. Parallel zum Bürgerzentrum werden<br />

12 Wohnungen gebaut, in denen behinderte<br />

Menschen selbständig leben und im Bedarfsfall<br />

Hilfe anfordern können. Weiterhin<br />

entstehen Werkstätten, in denen behinderte<br />

und nicht behinderte Menschen, Vereine, Kindergärten<br />

und Schulen künstlerisch tätig sein<br />

können, Kurse anbieten und Aktionen durchführen,<br />

die die Philosophie des Projektes vermitteln.<br />

Zur Integration von Arbeitsmarktmaßnahmen<br />

im Haus am Müllestumpe: Die Abbruch- und<br />

Entkernungsarbeiten wurden freihändig an die<br />

Diakonischen Wirtschaftsbetriebe Bonn vergeben,<br />

unter der Voraussetzung, dass die Arbeiten<br />

präzise definiert und im Vorfeld nicht ausgeschrieben<br />

wurden. Die Diakonischen Wirt-<br />

schaftsbetriebe haben diese Arbeiten nach<br />

Offenlegung ihrer ungedeckten Kosten mit ca.<br />

15 Personen (finanziert über Arbeitsgelegenheiten<br />

(AGH) der ARGE Bonn) durchgeführt. Die<br />

Kosten des Trägers und die Produktivität der<br />

Teilnehmer wurden auf der Grundlage der<br />

Bautagebücher geprüft und anerkannt. Auf<br />

dieser Grundlage wurde die Leistung der Diakonischen<br />

Wirtschaftsbetriebe nach Abnahme<br />

der Arbeiten vergütet. Die von den Architekten<br />

im Rahmen der Kostenberechnung nach DIN<br />

276 ermittelten Kosten für das Gewerk wurden<br />

dabei nicht überschritten.<br />

Eine erfolgreiche Umsetzung dieses Verfahrens<br />

setzt voraus, dass ein leistungsfähiger Träger<br />

wie die Diakonischen Wirtschaftsbetriebe vor<br />

Ort vorhanden ist, der sowohl über ausreichendes<br />

Fachpersonal verfügt als auch über geeignete<br />

„Teilnehmerkapazitäten“, um bei überdurchschnittlichen<br />

Fehlzeiten oder anderen<br />

nicht kalkulierbaren Engpässen weitere Teilnehmer<br />

ohne Zeitverzug einsetzen zu können,<br />

und so einen durchgängigen Bauablauf gewährleisten<br />

kann.<br />

Darüber hinaus konnten im Projekt Mülle -<br />

s tum pe weitergehende Regelungen vereinbart<br />

werden. So wurden alle ausgeschriebenen Gewerke<br />

mit dem Zusatz versehen, dass die Unternehmen,<br />

die sich um die Aufträge bewerben,<br />

bereit sein müssen, arbeitslose Menschen,


vorwiegend Jugendliche und junge Erwachsene,<br />

bei der Durchführung der Arbeiten zu beschäftigen<br />

und zu qualifizieren. Eine erforderliche<br />

Begleitung und Betreuung sicherten die<br />

Diakonischen Wirtschaftsbetriebe zu.<br />

Über eine zeitnahe Kostenkontrolle kann bereits<br />

vor Abschluss der Bauarbeiten am Altbau<br />

festgestellt werden, dass durch die Einbindung<br />

arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen keine<br />

Mehr kosten für das Projekt entstanden sind.<br />

Durch die direkte Nähe der Teilnehmer zu den<br />

Unternehmen konnte zudem erreicht werden,<br />

dass über Vermittlung der Diakonischen Wirtschaftsbetriebe<br />

vier Jugendliche eine Ausbildungs-<br />

bzw. einen Arbeitsplatz bekamen. Des<br />

Weiteren wird die „Haus am Müllestumpe<br />

gGmbH“ mindestens einen Mitarbeiter aus<br />

den Maßnahmen einstellen.<br />

Schiffsbrücke Leverkusen<br />

Projekthintergrund: BürgerInnen aus Leverkusen<br />

setzen sich seit langem für das Unikum einer<br />

historischen Schiffsbrücke ein, die seit 1912<br />

über die Mündung der Wupper in den Rhein<br />

führt. Der „Förderverein Schiffsbrücke Wuppermündung<br />

e. V.“ übernahm die Verantwortung<br />

für die Schiffe und die Schiffsbrücke Mitte der<br />

90er Jahre, um dieses überregional bedeutsame<br />

Denkmal zu retten. 1996 ging die Schiffsbrücke<br />

in den Besitz des Fördervereins über. Er<br />

ließ die Schiffskörper auf einer holländischen<br />

Spezialwerft mit Mitteln des Vereins, einiger<br />

großer Stiftungen und der Wirtschaft technisch<br />

sanieren. Seit 2004 arbeiten viele Partner<br />

an einem langfristig tragfähigen Gesamtprojekt<br />

(Ausbau der Schiffe als Ausflugsziel und<br />

als Bürger- und Kulturzentrum, Integration eines<br />

Pontonschiffs, feste Steganlage über den<br />

Altarm der Wupper, Anschluss an das Rad- und<br />

Wegenetz, Andocken eines Seglers für Einzelaktion<br />

und Fahrten auf dem Rhein).<br />

Zur Integration von Arbeitsmarktmaßnahmen<br />

in das Projekt. Der Innenausbau der Schiffskörper,<br />

der Bau des Pontons und der Ausbau des<br />

Seglers werden – soweit die Einhaltung fachlicher<br />

Standards dies ermöglichen – unter Einbeziehung<br />

Integrierter Arbeitsmarktprojekte<br />

durchgeführt. Bis zu 10 Auszubildende des<br />

überbetrieblichen Ausbildungsträgers Wuppermann<br />

Bildungswerk werden gemeinsam<br />

mit Ausbildungsbetrieben Arbeiten (zunächst<br />

vor allem im Stahlbereich) durchführen.<br />

Die Einbindung von Auszubildenden, überbetrieblichen<br />

Ausbildungsträgern und ihren Betrieben<br />

im Stahlbereich ergibt sich aus dem<br />

Umstand, dass im Fall der Schiffsbrücke überwiegend<br />

fachlich anspruchsvolle Gewerke zum<br />

Tragen kommen und weniger sogenannte „Helferarbeiten“.<br />

Grundsätzlich muss festgestellt<br />

werden, dass „klassische“ Arbeitsmarktprojekte<br />

insbesondere dann sinnvoll sind, wenn rein<br />

„händische“ Arbeiten im Vordergrund stehen,<br />

deren Inhalte ein unteres bis mittleres Anforderungsprofil<br />

beschreiben.<br />

Es ist beabsichtigt, bei weiteren Leistungen<br />

(beim Innenausbau der Schiffe) ortansässige<br />

Träger für Beschäftigung und Qualifizierung<br />

mit max. 10 TeilnehmerInnen einzubinden<br />

(analog zum Projekt Müllestumpe).<br />

Schlussbemerkung<br />

Die Verbindung von arbeitsmarktpolitischen<br />

Maßnahmen mit Projekten der Stadt- und<br />

Strukturentwicklung, der Grünflächenentwicklung<br />

etc. hat sich im Verlauf der letzten 15 Jahre<br />

bewährt. Es ist deutlich geworden, dass diese<br />

Verbindung arbeitsmarkt- und sozialpolitische<br />

Effekte hat und dies in einem angemessenen<br />

Kostenrahmen sichergestellt werden kann.<br />

Angesichts der sozial- und arbeitsmarktpolitischen<br />

Anpassungsprozesse, des demografischen<br />

Wandels bis hin zu der immer größer<br />

werdenden Schere zwischen „arm“ und „reich“<br />

werden zukünftig bürgerschaftliche und (sozial-)unternehmerische<br />

I<strong>nitiative</strong>n eine zentrale<br />

Rolle spielen. Bei einer Vernetzung unterschiedlicher<br />

Politikfelder wird die Arbeitsmarkt-<br />

und Sozialpolitik dabei eine wichtige<br />

Rolle spielen müssen.<br />

Integration von Arbeitsmarktinstrumenten<br />

oben: das Projekt Müllestumpe in Bonn<br />

beim Richtfest<br />

113


114


Stiftungen und Bürgerstiftungen in <strong>NRW</strong> –<br />

Kooperationspartner für „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“<br />

von Kerstin Bohnsack<br />

Das Land Nordrhein-Westfalen (<strong>NRW</strong>) unterstützt<br />

im Rahmen von „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“<br />

seit 1996/1997 bürgerschaftlich getragene<br />

Projekte im Rahmen der Stadterneuerung. Aus<br />

der Sicht des Landes sind zwei Aspekte in den<br />

letzten Jahren immer bedeutender geworden:<br />

erstens die Einbindung in Strukturpolitik und<br />

langfristige Perspektiven der Stadtentwicklung<br />

sowie zweitens die Einbindung in öffentlichprivate<br />

Partnerschaften (ÖPP) bei der Finanzierung<br />

und dem Betrieb von Projekten. Vor diesem<br />

Hintergrund binden immer mehr Projekte<br />

von „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“ neben den Kommunen<br />

zunehmend Stiftungen sowie andere<br />

„Drittförderer“ ein. Immer häufiger ergeben<br />

sich Mischfinanzierungen bei der Erstinvestition<br />

aus der Städtebauförderung (hier „I<strong>nitiative</strong><br />

ergreifen“), kommunalen Eigenanteilen, Beiträgen<br />

der bürgerschaftlichen Projektträger<br />

(u.a. bauliche Selbsthilfe, gespendete Unternehmerleistungen,<br />

Barmittel aus Mitgliedsbeiträgen<br />

und Kleinspenden), Spenden aus der lokalen<br />

oder regionalen Wirtschaft (meist in<br />

gemeinsamer Anstrengung von bürgerschaftlichen<br />

Projektträgern und Bürgermeistern) sowie<br />

lokal, regional, landes- oder bundesweit<br />

agierenden einschlägigen Stiftungen.<br />

Aktive Kommunalpolitiker, Dezernenten und<br />

Bürgermeister sind auf der lokalen bzw. kommunalen<br />

Ebene dabei, „Quellen des Ersatzes“<br />

von Eigenanteilen zu erschließen. Klassischerweise<br />

werden die Sparkassen und Ortsbanken<br />

und ihre jeweiligen Stiftungen, die Energieversorger<br />

und die Stadtwerke angesprochen. Eine<br />

„strategische Bündelung“ ist dabei selten zu<br />

erkennen, vielmehr werden Einzelfallentscheidungen<br />

getroffen. Dies wird je nach örtlicher<br />

Situation um die Akquisition von Beiträgen aus<br />

der privaten lokalen Wirtschaft ergänzt.<br />

Darüber hinaus wächst auch in der Bürgerschaft<br />

und der lokal verwurzelten Wirtschaft<br />

die Erkenntnis, ergänzende Unterstützungsstrukturen<br />

jenseits von Staat und Kommunen<br />

zu initiieren. Hierzu gehören z.B. Bürgerstiftungen<br />

und andere kleinere Stiftungen, deren Zahl<br />

und Vielfalt in den letzten Jahren deutlich zugenommen<br />

hat und weiter zunimmt. Die Rotarier<br />

oder Lions-Clubs gehören ebenso dazu wie<br />

die in Teilen von Unternehmerschaft und Wirtschaft<br />

diskutierten Ansätze der Corporate Social<br />

Responsibility (CSR) als Teil neuer Unterneh-<br />

mensphilosophien. Örtlich kommen aber die<br />

in Projekten organisierten Bürgergruppen<br />

nicht immer mit den Wirkungskreisen von Unternehmen<br />

und „Wohlhabenden“ zusammen.<br />

Hier eine stärkere Transparenz herzustellen<br />

oder auch Methoden der Erschließung von<br />

Geldquellen anzubieten, ist eine Chance für<br />

viele „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“-Projektträger.<br />

Da sich „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“ auch in Zukunft<br />

stärker auf Ansätze solcher Mischfinanzierungen<br />

ausrichten muss, ist es umso wichtiger, ein<br />

Unterstützungsnetzwerk für bürgerschaftliches<br />

Engagement in der Stadterneuerung in<br />

<strong>NRW</strong> aufzubauen. Hierbei spielt die Stiftungslandschaft<br />

eine wichtige Rolle. Vor diesem Hintergrund<br />

sollen im Folgenden Potenziale aufgezeigt<br />

und ein Überblick über diejenigen<br />

Stiftungen in <strong>NRW</strong> gegeben werden, die für<br />

„I<strong>nitiative</strong> ergreifen“ und die Realisierung von<br />

Projekten eine Relevanz haben (können).<br />

Überregionale Stiftungen als Kooperationspartner<br />

für „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“<br />

Trotz der Vielzahl der Stiftungen, die eine gewisse<br />

Größenordnung und eine überregionale<br />

Bedeutung haben, zeigen diese oftmals keine<br />

klaren Bezüge und keine thematische Nähe zu<br />

Anliegen der <strong>NRW</strong>-Städtebauförderung auf.<br />

Darüber hinaus richten nur wenige überregionale<br />

Stiftungen einen „klaren“ Fokus auf das<br />

Thema bürgerschaftliches Engagement (in der<br />

Stadterneuerung), was wiederum das Kernanliegen<br />

des Programms „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“ ist.<br />

Nahe an den Interessen und Zielsetzungen der<br />

Städtebauförderung sind vor allem die Nordrhein-<br />

Westfalen-Stiftung Naturschutz, Heimat-<br />

und Kulturpflege (<strong>NRW</strong>-Stiftung; www.<br />

nrw-stiftung.de) sowie die Deutsche Stiftung<br />

Denkmalschutz (www.denkmalschutz.de). Die<br />

eine in <strong>NRW</strong> und die andere in ganz Deutschland<br />

tätig, sind zu „Sammelbecken“ für die Unterstützung<br />

von Anliegen des Natur- und Heimatschutzes,<br />

des Denkmalschutzes sowie an<br />

der Schnittstelle zum bürgerschaftlichen Engagement<br />

geworden.<br />

Die durch ihre Satzungen festgelegten inhaltlichen<br />

Ausrichtungen können in der Regel nur<br />

Teilunterstützungen von „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“-<br />

Projekten ermöglichen. Darüber hinaus können<br />

Kerstin Bohnsack ist Mitarbeiterin bei<br />

startklar.projekt.kommunikation in<br />

Dortmund. Sie ist mitverantwortlich für<br />

das Management „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“ und<br />

setzt sich in diesem Zusammenhang mit<br />

dem Aufbau eines Unterstützungswerks<br />

für bürgerschaftliches Engagement in der<br />

Stadterneuerung auseinander.<br />

oben: Hof Wessels in Trägerschaft der<br />

Bürgerstiftung Herten<br />

linke Seite: Becker & Funck Düren in Trägerschaft<br />

der gleichnamigen Stiftung<br />

115


Stiftungen und Bürgerstiftungen in <strong>NRW</strong><br />

Seiten 116­119: Bürgerstiftungsbeispiele<br />

bei I<strong>nitiative</strong> ergreifen: Rohrmeisterei<br />

Schwerte, Hof Wessels Herten, Alte Drahtzieherei<br />

Wipperfürth<br />

116<br />

beide Stiftungen trotz ihrer Größe nicht immer<br />

baulich investive Projekte vollständig aus eigener<br />

Kraft auf den Weg bringen. Damit verstehen<br />

sie sich in der Regel als Unterstützer von<br />

Projektbausteinen bzw. als Förderer, wo sonstige<br />

staatliche Förderprogramme nicht ausreichend<br />

greifen können.<br />

Potenzielle Kooperation mit der <strong>NRW</strong>-Stiftung<br />

Zum Beispiel bietet sich für die <strong>NRW</strong>-Stiftung<br />

eine Kooperation mit „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“ zum<br />

einen wegen der thematischen Nähe und der<br />

Fördersynergien an, aber auch weil „I<strong>nitiative</strong><br />

ergreifen“ mit der Unterstützung beim Aufbau<br />

und bei der Stabilisierung eines bürgerschaftlich<br />

getragenen Betriebs Erfahrungen einbringt.<br />

Vor diesem Hintergrund gibt es in den<br />

letzten Jahren immer mehr gemeinsame Projekte<br />

zwischen der <strong>NRW</strong>-Stiftung und „I<strong>nitiative</strong><br />

ergreifen“. Inzwischen ist daraus ein Kooperationsansatz<br />

entstanden mit dem Ziel, sich im<br />

Vorfeld von Förderentscheidungen projektbezogen<br />

zu informieren und abzustimmen sowie<br />

Synergien zu nutzen, um durch Bündelung der<br />

Kräfte die Chance zur Realisierung von Gesamtprojekten<br />

zu erhöhen.<br />

Prinzipiell macht es somit viel Sinn, dass sich<br />

derartige überregionale Stiftungen mit Programmen<br />

wie „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“ stärker und<br />

bei Projektanfragen frühzeitiger vernetzen, abstimmen<br />

und Ressourcen bündeln. Derartige<br />

Kooperationen sollen demnach auch mit weiteren<br />

Stiftungspartnern in den nächsten Jahren<br />

angegangen werden.<br />

Bürgerstiftungen in <strong>NRW</strong> – eine Chance<br />

für „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“<br />

Entwicklung von Bürgerstiftungen<br />

Im Jahr 1996 wurde mit der „Stadt Stiftung Gütersloh“<br />

die bundesweit erste Bürgerstiftung<br />

gegründet. Seither wächst das Interesse an diesem<br />

neuartigen Stiftungstyp in Deutschland<br />

kontinuierlich und stellt in vielen Regionen<br />

und Kommunen einen zunehmend wichtigen<br />

Akteur im Zusammenspiel von Staat, Wirtschaft<br />

und Bürgergesellschaft dar. Seit 2004 /<br />

2005 gibt es einen regelrechten Gründungsboom,<br />

der aktuell anhält. 2007 konnten bereits<br />

über 55 Bürgerstiftungen in allen Regionen von<br />

<strong>NRW</strong> festgestellt werden, die den 10 Merkmalen<br />

einer Bürgerstiftung und damit dem Güte-


siegel des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen<br />

entsprechen (siehe 10 Merkmale einer<br />

Bürger stiftung am Ende dieses Artikels). Auch<br />

wenn nur wenige Bürgerstiftungen „vermögend“<br />

sind und Bürgerstiftungen mit einem<br />

Stiftungskapital von mehreren hunderttausend<br />

Euro noch die absolute Ausnahme darstellen,<br />

sind sie dazu geeignet, komplementär<br />

zur öffentlichen Hand tätig zu werden und eine<br />

neue Form der Netzwerkunterstützung auf<br />

regionaler und insbesondere auf lokaler Ebene<br />

zu bilden. Ein breitenwirksamer (finanzieller)<br />

Fördereffekt ist allerdings erst mittel- bis langfristig<br />

zu erwarten (vgl. hierzu auch den Artikel<br />

zum Thema „Bürgerstiftungen“ von Nährlich<br />

und Hellmann in diesem Buch).<br />

Gründungsmotive von Bürgerstiftungen<br />

Anlässe und Motive zur Gründung von Bürgerstiftungen<br />

sind in der Regel konkrete Bürgerprojekte<br />

(u.a. auch einige „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“-<br />

Projekte), I<strong>nitiative</strong>n lokalen Gemeinsinns (u.a.<br />

Soziales, Kinder, Bildung, Kunst und Kultur) sowie<br />

„Förderstiftungen“ (u.a. Sparkassen, Städte,<br />

kommunale Unternehmen). Unter den konkreten<br />

Bürgerprojekten befinden sich auch „I<strong>nitiative</strong><br />

ergreifen“-Projekte wie die Rohrmeisterei<br />

in Schwerte, der Bauerhof Wessels in Herten,<br />

die Alte Drahtzieherei in Wipperfürth und das<br />

Fischereimuseum in Troisdorf-Bergheim. Bürgerstiftungen,<br />

die sich in bestimmten Themenfeldern<br />

für lokalen Gemeinsinn engagieren,<br />

sind punktuell Partner über die Projektträger<br />

bei „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“; sie helfen mit sehr<br />

überschaubaren Beträgen z.B. bei der Ausstattung<br />

oder im Betrieb eines Projektes. In den<br />

letzten Jahren sind zunehmend Bürgerstiftungen<br />

als „Sammelbecken“ von privaten Geldern<br />

für lokale oder regionale Anliegen hinzugekommen<br />

(z.B. die Sparkassen- Bürgerstiftungen).<br />

Merkmale von und Schnittstellen zu<br />

Bürgerstiftungen<br />

Die <strong>NRW</strong>-Bürgerstiftungen verfolgen mit einem<br />

breiten Stiftungszweck vielfältige Ziele<br />

und beschränken sich dabei in der Regel auf eine<br />

konkrete Stadt, zum Teil auch auf eine Region.<br />

Dabei ist zwischen den langfristigen Zielen<br />

von Bürgerstiftungen und ihren gemeinnützigkeits-<br />

und steuerrechtlich begründeten Satzungszwecken<br />

auf der einen Seite und dem aktuellen<br />

pragmatischen Handeln und Vorgehen<br />

auf der anderen Seite zu unterscheiden. Die<br />

Vielfalt der Aufgaben und der organisatorischen<br />

Strukturen sind genauso mannigfaltig<br />

wie die jeweils eigene Ausgangssituation für<br />

die jeweiligen Bürgerstiftungen. Aber eben diese<br />

Breite der Stiftungszwecke ermöglicht den<br />

Bürgerstiftungen eine auf lokale Anforderungen<br />

und Entwicklungen angepasste Tätigkeit,<br />

sei es durch eigene Projekte und/oder die Förderung<br />

weiterer I<strong>nitiative</strong>n.<br />

Bürgerstiftungen sind damit lokale, auf einer<br />

breiten Basis stehende bürgerschaftliche Vernetzungen.<br />

Dies ist eine neue Qualität, weil<br />

sich hierüber viele Bürger engagieren und für<br />

lokalen Gemeinsinn einsetzen. Dabei werden<br />

nicht nur die Bürger als Unterstützer angesprochen,<br />

sondern auch Unternehmen, gemeinnützige<br />

Organisationen und Kommunen.<br />

Nicht wenige <strong>NRW</strong>-Bürgerstiftungen kooperieren<br />

beispielsweise mit den Geldinstituten, wie<br />

den Sparkassen oder Volks- und Raiffeisenbanken<br />

vor Ort (nicht zu verwechseln mit den eigenen<br />

Stiftungen dieser Geldinstitute). Auch pflegen<br />

die Bürgerstiftungen im Allgemeinen eine<br />

gute Kooperation mit ihren Kommunen und<br />

verfügen oft über breit angelegte lokale Kooperationsnetzwerke.<br />

Aus dieser breiten Anlage resultieren vielfältige<br />

Anknüpfungspunkte für „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“,<br />

wie Projektanstöße und Projektträgerschaften<br />

über Bürgerstiftungen, die Ein bin-<br />

dung thematischer Bürgerstiftungen in Netz-<br />

werke um Projekte, der Aufbau von lokalen<br />

Plattformen für Gemeinsinn in der Stadtentwicklung<br />

und Stadterneuerung sowie Bürgerstiftungen<br />

als lokale bzw. regionale „Geldsammelstellen“<br />

außerhalb öffentlicher Haushalte.<br />

Zur Strukturierung eines gezielten, systematischen<br />

und vollständigen Zugangs zu Bürgerstiftungen<br />

in <strong>NRW</strong> sind insbesondere die datenbankbezogene<br />

Internetseiten der Aktiven<br />

Bürgerschaft (www.buergerstiftungen.info) sowie<br />

die der Bertelsmann Stiftung (www.buergerstiftungen.de)<br />

von Interesse.<br />

Die Aktive Bürgerschaft als potenzieller Kooperationspartner<br />

für „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“<br />

Die Aktive Bürgerschaft unterstützt als „Kompetenzzentrum<br />

für Bürgerengagement“ der Volks-<br />

und Raiffeisenbanken das Bürgerstiftungsengagement<br />

der Genossenschaftsbanken in<br />

Stiftungen und Bürgerstiftungen in <strong>NRW</strong><br />

117


Stiftungen und Bürgerstiftungen in <strong>NRW</strong><br />

118<br />

Deutschland. Da es im Rahmen von „I<strong>nitiative</strong><br />

ergreifen“ mehrere beispielhafte Pro jekte gibt,<br />

die unmittelbare Schnittstellen zu Bürgerstiftungen<br />

und den Aktivitäten der Aktiven Bürgerschaft<br />

aufweisen und darüber hinaus einzelne<br />

Projekte direkt über die Volks- und Raiffeisenbanken<br />

unterstützt werden, wurde analog zur<br />

<strong>NRW</strong>-Stiftung zunächst eine informelle Zusammenarbeit<br />

zwischen der Aktiven Bür gerschaft<br />

und „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“ besprochen.<br />

Regionale Stiftungsverbünde in <strong>NRW</strong><br />

<strong>NRW</strong> ist reich an Stiftungen. Den besten Überblick<br />

zu der Vielzahl der Stiftungen in <strong>NRW</strong><br />

bietet der Stiftungsindex bzw. die Stiftungsdatenbank<br />

des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen<br />

(www.Stiftungen.org/stiftungsindex).<br />

Ein Online-Suchdienst kann Projektträgern einen<br />

ersten räumlichen und thematischen<br />

Überblick geben. Die frei zugänglichen Informationen<br />

zu Stiftungen etwa bei den jeweiligen<br />

Bezirksregierungen oder beim Innenministerium<br />

<strong>NRW</strong> (www.im.nrw.de/stiftungsverzeichnis<br />

/suche.jsp) gehen nicht darüber hinaus. Auch<br />

die Banken (u.a. Sparkassen mit ihren regionalen<br />

Stiftungsverbünden) verfügen derzeit über<br />

keine geeigneten, auf das bürgerschaftliche<br />

Engagement ausgerichteten regionalen Stiftungsdatenbanken.<br />

Die vorhandenen Stiftungsdatenbanken geben<br />

grundsätzlich nur einen unzureichenden Einblick<br />

in den „Stiftungsdschungel“. Dies wird<br />

durch den „Stiftungsboom“ der letzten Jahre<br />

noch verstärkt. Aus diesem Grunde haben sich<br />

inzwischen einige regionale I<strong>nitiative</strong>n von<br />

Stiftungsverbünden in <strong>NRW</strong> das Ziel gesetzt,<br />

regionale Netwerke aufzubauen sowie gebündelte<br />

Informationen über die Stiftungslandschaft<br />

weiterzugeben und darüber bürgerschaftliches<br />

Engagement zu unterstützen.<br />

Beispielhaft seien genannt:<br />

• der Stiftungsverbund Westfalen-Lippe in<br />

Münster (www.stiftungsverbund-westfalenlippe.de),<br />

• der Kompetenzkreis Stiftungen Ostwestfalen-Lippe<br />

in Detmold (www.lippeimpuls.de),<br />

• der Initiativkreis Kölner Stiftertag ( www.koeln.de/stiftungstag).<br />

Potenzielle Kooperationsansätze von Stiftungsverbünden<br />

und „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“<br />

Von Interesse für eine potenzielle Vernetzung<br />

mit „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“ ist der Stiftungsverbund<br />

Westfalen-Lippe in Münster, der über eine<br />

umfangreiche Stiftungsdatenbank mit<br />

mehr als 1.000 Stiftungen verfügt. Dieser Verbund<br />

verfolgt das Ziel, die reale Vernetzung der<br />

ansässigen Stiftungen in Westfalen-Lippe<br />

(Schwerpunkt: Münsterland) maßgeblich zu<br />

unterstützen. Er erhält seine Impulse einerseits<br />

aus der Stiftung Westfalen-I<strong>nitiative</strong> und andererseits<br />

aus einem sich seit Jahren an der Westfälischen<br />

Wilhelms-Universität Münster entwickelnden<br />

Bereich des Non-Profit-Managements.<br />

Diese Kombination ist insofern interessant,<br />

weil sich hieraus stärkere Öffnungen der Stiftungen<br />

für Projekte und Kommunen ergeben,<br />

vor allem aber aktiv Zugänge von Projekten zu<br />

Stiftern geschaffen werden können. Dem großen<br />

Nachteil der für Projekti<strong>nitiative</strong>n so großen<br />

Unübersichtlichkeit der Stiftungslandschaft<br />

kann so mittel- und langfristig gezielt<br />

begegnet werden. Hieraus lassen sich Chancen<br />

gerade auch für „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“ herausarbeiten.<br />

Analog zu bestehenden I<strong>nitiative</strong>n z.B. in Düsseldorf,<br />

Frankfurt und der Region Hannover<br />

wurde der „Kompetenzkreis Stiftungen OWL“<br />

als Netzwerk von Stiftungen in Ostwestfalen-<br />

Lippe (OWL) gegründet. Die Bezirksregierung<br />

Detmold und die „Stiftung Lippe Impuls“ haben<br />

den Anstoß zum Aufbau dieses Stiftungsnetzwerks<br />

in Ostwestfalen-Lippe gegeben.<br />

Das Grundprinzip des Netzwerkes liegt in der<br />

Selbst organisation. Es handelt sich damit um<br />

einen losen Zusammenschluss interessierter<br />

Stiftungen aus OWL, in dem u.a. auch die Sparkassenstiftungen,<br />

Bürgerstiftungen sowie zahlreiche<br />

lokal bzw. regional tätige Stiftungen<br />

vertreten sind. Der Kompetenzkreis Stiftungen<br />

OWL hat sich zum Ziel gesetzt, ein regionales<br />

Netzwerk aufzubauen, einen Überblick über<br />

die Stiftungslandschaft zu geben, den Erfahrungsaustausch<br />

sowie die aktive Förderung regionalen<br />

bürgerschaftlichen Engagements zu<br />

unterstützen und die Vermittlung von Fördermöglichkeiten<br />

für gemeinnützige Vorhaben<br />

voranzubringen. Auch mit dem Kompetenzkreis<br />

Stiftungen OWL ist zunächst eine informelle<br />

stärkere Vernetzung mit „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“<br />

abgesprochen, die sich gegebenenfalls


auch mit den regionalen strukturpolitischen<br />

Aktivitäten der Ostwestfalen-Marketing GmbH<br />

verknüpfen lässt.<br />

Resümee<br />

Beim Aufbau struktureller Kooperationen zwischen<br />

unterschiedlich agierenden Stiftungen<br />

in <strong>NRW</strong> und „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“ kann im<br />

Ergebnis festgehalten werden, dass sich inzwischen<br />

einige Vernetzungsansätze klar herauskristallisieren<br />

und zukünftig verstärkt für die<br />

Einbindung in das Programm „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“<br />

genutzt werden sollen. Gerade durch die<br />

Einbindung von Stiftungen, der Initiierung<br />

von mehr öffentlich-privaten Partnerschaften<br />

sowie durch eine gezielte Ergänzung des vorhandenen<br />

Beratungs- und Unterstützungsangebotes<br />

bei der Bündelung kommunaler Spendenakquisition<br />

für bürgerschaftliche Projekte,<br />

kann dadurch ein Mehrwert für „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“<br />

erzielt werden.<br />

10 Merkmale einer Bürgerstiftung<br />

Verabschiedet vom Arbeitskreis Bürgerstiftungen des<br />

Bundesverbandes Deutscher Stiftungen im Rahmen der<br />

56. Jahrestagung im Mai 2000<br />

Eine Bürgerstiftung ist eine unabhängige, autonom<br />

handelnde, gemeinnützige Stiftung von Bürgern für Bürger<br />

mit möglichst breitem Stiftungszweck. Sie engagiert<br />

sich nachhaltig und dauerhaft für das Gemeinwesen in<br />

einem geographisch begrenzten Raum und ist in der Regel<br />

fördernd und operativ für alle Bürger ihres definierten<br />

Einzugsgebietes tätig. Sie unterstützt mit ihrer Arbeit<br />

bürgerschaftliches Engagement.<br />

1. Eine Bürgerstiftung ist gemeinnützig und will das<br />

Gemeinwesen stärken. Sie versteht sich als Element einer<br />

selbstbestimmten Bürgergesellschaft.<br />

2. Eine Bürgerstiftung wird in der Regel von mehreren Stiftern<br />

errichtet. Eine I<strong>nitiative</strong> zu ihrer Errichtung kann auch<br />

von Einzelpersonen oder einzelnen Institutionen ausgehen.<br />

3. Eine Bürgerstiftung ist wirtschaftlich und politisch<br />

unabhängig. Sie ist konfessionell und parteipolitisch<br />

nicht gebunden. Eine Dominanz einzelner Stifter, Parteien,<br />

Unternehmen wird abgelehnt. Politische Gremien und<br />

Verwaltungsspitzen dürfen keinen bestimmenden Einfluss<br />

auf Entscheidungen nehmen.<br />

4. Das Aktionsgebiet einer Bürgerstiftung ist geographisch<br />

ausgerichtet: auf eine Stadt, einen Landkreis, eine Region.<br />

5. Eine Bürgerstiftung baut kontinuierlich Stiftungskapital<br />

auf. Dabei gibt sie allen Bürgern, die sich einer bestimmten<br />

Stadt oder Region verbunden fühlen und die Stiftungsziele<br />

bejahen, die Möglichkeit einer Zustiftung. Sie sammelt<br />

darüber hinaus Projektspenden und kann Unterstiftungen<br />

und Fonds einrichten, die einzelne der in der Satzung<br />

aufgeführten Zwecke verfolgen oder auch regionale Teilgebiete<br />

fördern.<br />

6. Eine Bürgerstiftung wirkt in einem breiten Spektrum des<br />

städtischen oder regionalen Lebens, dessen Förderung für<br />

sie im Vordergrund steht. Ihr Stiftungszweck ist daher breit.<br />

Er umfasst in der Regel den kulturellen Sektor, Jugend und<br />

Soziales, das Bildungswesen, Natur und Umwelt und den<br />

Denkmalschutz. Sie ist fördernd und/oder operativ tätig<br />

und sollte innovativ tätig sein.<br />

7. Eine Bürgerstiftung fördert Projekte, die von bürgerschaftlichem<br />

Engagement getragen sind oder Hilfe zur<br />

Selbsthilfe leisten. Dabei bemüht sie sich um neue Formen<br />

des gesellschaftlichen Engagements.<br />

8. Eine Bürgerstiftung macht ihre Projekte öffentlich und<br />

betreibt eine ausgeprägte Öffentlichkeitsarbeit, um allen<br />

Bürgern ihrer Region die Möglichkeit zu geben, sich an den<br />

Projekten zu beteiligen.<br />

9. Eine Bürgerstiftung kann ein lokales Netzwerk innerhalb<br />

verschiedener gemeinnütziger Organisationen einer Stadt<br />

oder Region koordinieren.<br />

10. Die interne Arbeit einer Bürgerstiftung ist durch Partizipation<br />

und Transparenz geprägt. Eine Bürgerstiftung<br />

hat mehrere Gremien (Vorstand und Kontrollorgan), in<br />

denen Bürger für Bürger ausführende und kontrollierende<br />

Funktionen innehaben.<br />

Stiftungen und Bürgerstiftungen in <strong>NRW</strong><br />

119


120


Abbildungsverzeichnis<br />

Umschlag<br />

Titelfoto<br />

Manfred Vollmer, Essen<br />

Innenseiten<br />

alle Fotos Manfred Vollmer, Essen<br />

bis auf:<br />

S. 19 startklar.projekt.kommunikation, Dortmund<br />

S.25 unten: Bürgerstiftung „Wir Wipperfürther“,<br />

Wipperfürth<br />

S. 49 Bürgerstiftung „Wir Wipperfürther“, Wipperfürth<br />

S. 50–53 alle Fotos: Cornelia Suhan, Dortmund<br />

bis auf:<br />

S. 51 rechts oben: domicil e.V., Dortmund<br />

S. 53 rechts unten: domicil e.V., Dortmund<br />

S. 61 rechts oben: startklar.projekt.kommunikation,<br />

Dortmund<br />

rechts unten: Stiftung Becker & Funck, Düren<br />

S. 62-65 alle Fotos: Canyon Chorweiler, Köln<br />

S. 72 startklar.projekt.kommunikation, Dortmund<br />

S. 74-75 alle Fotos: startklar.projekt.kommunikation,<br />

Dortmund<br />

bis auf:<br />

S. 75 rechts oben: Kultur für Werl e.V., Werl<br />

S. 76-77 alle Fotos: startklar.projekt.kommunikation<br />

bis auf:<br />

S. 77 oben: Frauenkommunikationszentrum e.V.,<br />

Herzogenrath<br />

S. 78-81 alle Fotos: Norbert Kuntz, Stadtoasen<br />

e.V., Aachen<br />

S. 88 oben: Cornelia Suhan, Dortmund<br />

S. 91 oben links: Fischerei-Bruderschaft zu Bergheim<br />

an der Sieg, Troisdorf-Bergheim<br />

oben rechts: Fischerei-Bruderschaft zu Bergheim<br />

an der Sieg, Troisdorf-Bergheim<br />

S. 98 Canyon Chorweiler, Köln<br />

S. 99 Lewitzky & Kleinen, Aachen<br />

S. 101 Norbert Kuntz, Stadtoasen e.V., Aachen<br />

S. 102 oben: Fischerei-Bruderschaft zu Bergheim<br />

an der Sieg, Troisdorf-Bergheim<br />

unten: hks Architekten, Aachen<br />

S. 103 startklar.projekt.kommunikation, Dortmund<br />

S. 106 startklar.projekt.kommunikation, Dortmund<br />

S. 107 oben: Trägerverein Mariaweiler, Düren<br />

unten: startklar.projekt.kommunikation, Dortmund<br />

S. 108 startklar.projekt.kommunikation, Dortmund<br />

S. 111 startklar.projekt.kommunikation, Dortmund<br />

S. 112 Meinolf Hehmann, Leverkusen<br />

S. 113 startklar.projekt.kommunikation, Dortmund<br />

121


122<br />

Impressum<br />

I<strong>nitiative</strong> ergreifen<br />

Bürger machen Stadt<br />

von<br />

startklar.projekt.kommunikation<br />

Management „I<strong>nitiative</strong> ergreifen“<br />

in Zusammenarbeit mit dem<br />

Ministerium für Bauen und Verkehr (MBV)<br />

des Landes Nordrhein-Westfalen<br />

herausgegeben von<br />

Kerstin Bohnsack, Joachim Boll, Anja Ganster<br />

Achim Dahlheimer, Rainer Klenner<br />

ISBN 978-3-00-025901-2<br />

Konzept und Redaktion<br />

Kerstin Bohnsack, Joachim Boll, Anja Ganster<br />

grafische Gestaltung<br />

FKK-design, Wuppertal<br />

Druck<br />

Limberg Druck GmbH, Kaarst<br />

© 2008<br />

startklar.projekt.kommunikation, Dortmund<br />

Ministerium für Bauen und Verkehr (MBV)<br />

des Landes Nordrhein-Westfalen<br />

Auflage: 1.500<br />

Vertrieb<br />

Gemeinnützige Werkstätten Neuss GmbH<br />

Am Henselsgraben 3<br />

41 470 Neuss<br />

SB-158<br />

Telefon: 02131 . 923 46 99<br />

e-mail: mbv@gwn-neuss.de<br />

startklar.projekt.kommunikation<br />

Immermannstraße 39a, 44 147 Dortmund<br />

Telefon: 0 231 . 880 85 93-0 (Fax -9)<br />

e-mail: kontakt@startklar-prokom.de<br />

www.startklar-prokom.de<br />

www.i<strong>nitiative</strong>-ergreifen.nrw.de<br />

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