STEINZEUG Information 2005 - Fachverband Steinzeugindustrie eV
STEINZEUG Information 2005 - Fachverband Steinzeugindustrie eV
STEINZEUG Information 2005 - Fachverband Steinzeugindustrie eV
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<strong>Information</strong><br />
<strong>STEINZEUG</strong><br />
Online-Überwachung<br />
der Vorpresskraft<br />
Steinzeug – ein<br />
„starkes Stück“<br />
Der Vortrieb<br />
rechnet sich!<br />
<strong>2005</strong><br />
FV ST<br />
<strong>Fachverband</strong><br />
<strong>Steinzeugindustrie</strong> e.V.
Impressum<br />
Herausgeber:<br />
FVST <strong>Fachverband</strong> <strong>Steinzeugindustrie</strong> e.V.<br />
Alfred-Nobel-Straße 17<br />
50226 Frechen<br />
Tel.: 02234/507-261<br />
Fax: 02234/507-204<br />
E-Mail: info@steinzeug.com<br />
Internet: www.steinzeug.com<br />
Redaktion:<br />
Bau-Ass. Dipl.-Ing. Karl-Heinz Flick<br />
Heiko Daun<br />
Dr. Gabriele Hahn<br />
Redaktionsbüro Dr. Hahn<br />
Postfach 300624<br />
53186 Bonn<br />
Tel.: 0228/464189<br />
Fax: 0228/4339261<br />
E-Mail: redaktion@hahn-bonn.de<br />
Satz:<br />
Satz+Layout Werkstatt Kluth GmbH<br />
Erftstadt<br />
Druck:<br />
Das Druckhaus<br />
Beineke Dickmanns GmbH, Kaarst-Büttgen<br />
Zum Abdruck angenommene Beiträge und Abbildungen gehen im Rahmen der gesetzlichen<br />
Bestimmungen in das Veröffentlichungs- und Verbreitungsrecht des Herausgebers über.<br />
Redaktionelle Überarbeitungen und Kürzungen liegen im Ermessen des Herausgebers.
Denken Sie doch einmal über diese Frage nach. Ich finde sie sehr interessant.<br />
Und Sie? Dabei ist die Antwort doch relativ einfach: An sich nur einmal! Nach<br />
dem Neubau einer Kanalisation beginnt die Betriebszeit; Wartungs-, Reparatur-<br />
und Instandhaltungsarbeiten werden durchgeführt; Anpassungen an die<br />
Kapazität erfolgen ebenfalls. Die Grundsubstanz bleibt erhalten. Dies zeigt<br />
sich auch im Alter der Kanäle. Betriebszeiten von 75 und mehr Jahren sind<br />
üblich und werden auch benötigt. Unverändert gilt: Der Neubau von Kanalisationen<br />
muss darauf ausgerichtet sein. Dass sich Eingangsgrößen im<br />
Laufe von Jahren ändern, ist selbstverständlich, aber die Betriebszeit einer<br />
Kanalisation muss davon unangetastet bleiben. Mit den hierzu notwendigen<br />
Entscheidungen stehen Bauherren und Betreiber von Kanalisationen alleine;<br />
keiner nimmt sie ihnen ab. Allerdings sind Nichtstun und Abwarten im<br />
Sinne eines nachhaltigen Handelns definitiv keine Alternativen.<br />
Die Kanalisationen sind nicht unendlich belastbar. Ob die Bürger heute und<br />
morgen Verständnis aufweisen, Gebührenerhöhungen für kurzlebige bauliche<br />
Entscheidungen mitzutragen, kann mit einem klaren Nein beantwortet<br />
werden. Denn auch sie haben eine Vorstellung davon, wie es in 10, 15 oder<br />
20 Jahren aussieht, wenn weiterhin Salamitaktik gefahren wird.<br />
Hoffentlich ist die Grundsubstanz gut, denn darauf kommt’s an! Nachhaltiges<br />
Handeln im Gewässerschutz – und das bezieht auch die Abwassertechnik<br />
ein – kann einfach nicht billig und nachlässig gestaltet werden. Vorausschauendes<br />
Handeln gibt’s nicht zum Nulltarif, sondern hat seinen Preis. Auf<br />
Sicht stellt sich dann auch der Erfolg ein.<br />
Mit der vorliegenden Ausgabe der <strong>STEINZEUG</strong> <strong>Information</strong> <strong>2005</strong> möchten<br />
wir Sie wieder zu Nachrichten, Berichten, Interviews, Reportagen und<br />
Forschungsthemen einladen, die einerseits Ihren Arbeitsalltag hilfreich begleiten<br />
und andererseits Denkanstöße für Entscheidungen und Unternehmungen<br />
bieten sollen.<br />
Ihr<br />
P.S.: Der <strong>Fachverband</strong> <strong>Steinzeugindustrie</strong> e.V. ist am 1.9.<strong>2005</strong> von Köln-<br />
Marsdorf nach Frechen umgezogen und damit wieder in der Steinzeugstadt<br />
Frechen angesiedelt.<br />
Editorial<br />
Wie oft kann eine Kanalisation gebaut werden?<br />
Dipl.-Ing. Karl-Heinz Flick<br />
Geschäftsführer <strong>Fachverband</strong> <strong>Steinzeugindustrie</strong> e.V.<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2005</strong><br />
1
2<br />
Inhalt<br />
17 Auf nationaler und<br />
internationaler Ebene „regelt“<br />
der FVST mit. Was hat sich im<br />
Regelwerk getan?<br />
10 Die DWA hat in den letzten Jahren im In- und<br />
Ausland zunehmend an Profil gewonnen. Geschäftsführer<br />
Johannes Lohaus umriss in einer Gesprächsrunde<br />
die vornehmlichen Aufgaben und Ziele der<br />
Vereinigung im nationalen und europäischen Umfeld.<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2005</strong><br />
5 Forschung und Technik auf Augenhöhe:<br />
„Hochleistungswerkstoff Steinzeug –<br />
Bauen im gewachsenen urbanen Umfeld“<br />
war das Motto der diesjährigen Tagung<br />
der Hochschullehrer im Bauwesen von<br />
FIHB, FVST und <strong>STEINZEUG</strong> Abwassersysteme<br />
GmbH, in Köln.<br />
60 Karel Michielsen (Keramo Steinzeug N.V.) stellt eine<br />
Studie vor, in der die indirekten Kosten einer Kanalerneuerungsmaßnahme<br />
in offener und geschlossener Bauweise<br />
ermittelt und gegenübergestellt werden.<br />
52 Die italienische Società del Gres<br />
produziert seit über 120 Jahren tubi e<br />
raccordi Gres. Ein Besuch in Sorisole,<br />
der sich gelohnt hat.<br />
Offener Graben Geschlossene Bauweise:<br />
Variante 1<br />
Geschlossene Bauweise:<br />
Variante 2<br />
Projektkosten 4.037.216 € 5.219.225 € 4.883.475 €<br />
indirekte Kosten 2.556.462 € 508.326 € 508.326 €<br />
Gesamt 6.693.678 € 5.727.551 € 5.391.801 €
27 An der RWTH<br />
Aachen wurde ein<br />
Überwachungssystem<br />
entwickelt, mit dem<br />
die Spannungsverteilung<br />
in den Rohrfugen<br />
beim Rohrvortrieb<br />
visualisiert und überwacht<br />
werden kann.<br />
Inhalt<br />
■ Editorial<br />
Wie oft kann eine Kanalisation gebaut werden? 1<br />
■ Verbandsnachrichten<br />
„Rohrleitungen für eine sich wandelnde Gesellschaft“ 4<br />
Forschung und Technik auf Augenhöhe 5<br />
DWA-Inhouse-Schulung und -Seminare ... unter Mitwirkung des FVST 8<br />
Dr. rer. pol. Dr.-Ing. E.h. Gottfried Cremer † 9<br />
■ Blickpunkt EU<br />
„Die Identifikation ist sehr groß“ 10<br />
Umweltgerechte Vergabe wird von EU-Kommission gefördert 14<br />
■ Regelwerknews<br />
Der FVST „regelt“ in den Gremien mit 17<br />
■ Forschung + Technik<br />
Statische Berechnung von …<br />
… in Weimarer Boden-Mörtel ® eingebetteten Rohrleitungen 20<br />
Online-Überwachung der Vorpresskraft beim Rohrvortrieb 27<br />
Auswahl des Maschinensystems bei Rohrvortrieben 32<br />
Steinzeug – ein „starkes Stück“ 41<br />
Erneuerung der Dichtung …<br />
… an Steinzeugrohrverbindungen älterer Bauart 46<br />
■ Baustellenbericht/-reportage<br />
Mikrotunnelverfahren im Breslauer Gewerbegebiet 50<br />
■ Portrait/Interview<br />
Zu Gast bei der Società del Gres 52<br />
Leitungsbau – Abwasser/Wasser/Gas 56<br />
■ Wirtschaft + Recht<br />
Der Vortrieb rechnet sich! 60<br />
■ Messen + Kongresse<br />
IFAT <strong>2005</strong> – FVST-Mitglieder waren gut vertreten 68<br />
Überzeugungsarbeit in Bergisch-Gladbach 69<br />
Branchentermine im Überblick 70<br />
■ Last Minute<br />
Ein paar „Klicks“ reichen aus 71<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2005</strong><br />
3
4<br />
Verbandsnachrichten<br />
FVST beim IRO 2006<br />
„Rohrleitungen – für eine sich<br />
wandelnde Gesellschaft“<br />
Am 9. und 10. Februar 2006<br />
findet zum 20. Mal im Institut<br />
für Rohrleitungsbau an<br />
der Fachhochschule Oldenburg/<br />
Ostfriesland/Wilhelmshaven das<br />
„Oldenburger Rohrleitungsforum“<br />
statt. Mit dem diesjährigen Leitmotiv<br />
„Rohrleitungen – für eine sich<br />
wandelnde Gesellschaft“ wird ein<br />
Thema aufgegriffen, dem sich zunehmend<br />
auch die Rohrleitungsbranche<br />
stellen muss. Daneben werden<br />
selbstverständlich auch die<br />
technischen Entwicklungen und<br />
Neuerungen des Rohrleitungsmarktes<br />
in Vorträgen und Ausstellungen<br />
ihren Platz haben.<br />
Der <strong>Fachverband</strong> <strong>Steinzeugindustrie</strong><br />
e.V. wird wie gewohnt mit einem eigenen<br />
Vortragsblock in Oldenburg<br />
vertreten sein, in dem der Kanalneubau<br />
und die Verbindungstechniken<br />
von Steinzeugrohren im bestehenden<br />
Netz im Mittelpunkt stehen:<br />
Der Einbau von Rohren nicht begehbarer<br />
Nennweiten im Mikrotunnelbau<br />
erfolgt nunmehr seit über 20<br />
Jahren. Die Überwachung des Vortriebs<br />
anhand der aufgezeichneten<br />
Daten der Vortriebsmaschine und<br />
die direkte Rückkopplung auf die<br />
Vortriebsrohre kann jetzt beginnen.<br />
Die wissenschaftlichen Untersuchungen<br />
dazu sowie deren direkter<br />
Bezug zur Baustellenpraxis an der<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2005</strong><br />
RWTH Aachen sind abgeschlossen. Im Rahmen von Pilotverfahren kann<br />
diese Technik nun eingesetzt werden.<br />
Für die Entwicklung selbstverdichtender Verfüllmaterialien für den Kanalbau<br />
sind vielerorts große Anstrengungen unternommen worden. Der Einbau von<br />
Rohren in selbstverdichtenden Verfüllmaterialien bietet nach Angaben der<br />
Vortragsblock Steinzeug<br />
10.02.2006, 11:00 – 12:30 Uhr<br />
Online-Überwachung der Vorpresskraft beim Rohrvortrieb<br />
Referent: Dr.-Ing. Joachim Beyert<br />
Institut für Baumaschinen und Baubetrieb,<br />
RWTH Aachen<br />
Selbstverdichtende Verfüllmaterialien für den Kanalbau –<br />
Ergebnisse einer Diplomarbeit an der FH Lippe und Höxter<br />
Referent: Dipl.-Ing. Michael Redeker<br />
Extertal<br />
Nachträgliche Dichtungsarbeiten an nicht begehbaren<br />
Abwasserkanälen als Maßnahme zur Verlängerung der<br />
betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer<br />
Referenten: Dipl.-Ing. Hans-Joachim Purde<br />
Purde, John & Partner Diplom-Ingenieure, Baldham<br />
Dipl.-Ing. Hans-Peter Hecker<br />
Kanaltechnik Geiger & Kunz GmbH & Co. KG,<br />
München<br />
Moderation: Bau-Ass. Dipl.-Ing. Karl-Heinz Flick<br />
<strong>Fachverband</strong> <strong>Steinzeugindustrie</strong> e.V., Frechen<br />
Weitere <strong>Information</strong>en zum 20. Oldenburger Rohrleitungsforum erhalten<br />
Sie unter den angegebenen Kontaktmöglichkeiten.
Hersteller neben der Kostenreduzierung durch schmalere Rohrgräben und<br />
Wiederverwendung des Aushubmaterials zugleich eine Erhöhung der<br />
Sicherheiten der Rohre. Dennoch sind auch dem Einsatz dieser Verfüllmaterialien<br />
Grenzen gesetzt.<br />
Die bekannt hohe Lebensdauer von Steinzeugbauteilen in der Kanalisation<br />
ist unbestritten anerkannt. Bis zur Umstellung auf werkseitig hergestellte<br />
Dichtungen wurde die Qualität z.B. durch die Wahl der Dichtstoffe, der Zulieferung<br />
von Dichtungen sowie durch die Bauausführung bestimmt. Wie<br />
können nun diese Verbindungen so nachgearbeitet werden, dass sie den<br />
Dichtheitsanforderungen von heute entsprechen, die Anforderungen an<br />
heutige Abwasserleitungen erfüllen und zukünftige Nutzungen nicht einschränken?<br />
Zur Klärung dieser Fragen wurde ein Forschungsvorhaben in Auftrag<br />
gegeben. Die Ergebnisse aus der Zusammenarbeit zwischen dem Ingenieurbüro<br />
PJP, der Kanaltechnik Geiger & Kunz GmbH & Co. KG und der<br />
<strong>STEINZEUG</strong> Abwassersysteme GmbH liegen nun vor (siehe auch S. 46).<br />
Kontakt<br />
Verbandsnachrichten<br />
Institut für Rohrleitungsbau an der<br />
Fachhochschule Oldenburg e.V.<br />
Ofener Straße 18<br />
26121 Oldenburg<br />
Tel.: 04 41/36 10 39-0<br />
Fax: 04 41/36 10 39-10<br />
E-Mail: ina.kleist@iro-online.de<br />
Industrie und Hochschule<br />
Forschung und Technik auf Augenhöhe<br />
Unter dem Motto „Hochleistungswerkstoff Steinzeug – Bauen im gewachsenen<br />
urbanen Umfeld“ stand die diesjährige Tagung der Hochschullehrer<br />
im Bauwesen, zu der die FIHB Fördergemeinschaft zur <strong>Information</strong><br />
der Hochschullehrer des Bauwesens e.V., der FVST <strong>Fachverband</strong><br />
<strong>Steinzeugindustrie</strong> e.V. und die <strong>STEINZEUG</strong> Abwassersysteme GmbH im Oktober<br />
nach Köln eingeladen hatten. Ziel dieser seit 1965 im Zwei-Jahres-<br />
Rhythmus stattfindenden Veranstaltung (vielen auch als Dozententagung bekannt)<br />
ist der <strong>Information</strong>s- und Erfahrungsaustausch zwischen der <strong>Steinzeugindustrie</strong><br />
und den bundesweiten Hochschulen.<br />
In den vielen Jahren ihres Bestehens hat sich diese Dozententagung sukzessive<br />
zu einer attraktiven Kommunikationsplattform für Forschung und Anwendungstechnik<br />
gleichermaßen entwickelt.<br />
Der erste Tagungstag in den Räumlichkeiten des Klärwerks Köln-Stammheim<br />
bot den rund 25 Teilnehmern ein entsprechend ausgewogenes Programm:<br />
Dipl.-Ing. Uwe Bormann, in der Produktion und Entwicklung der <strong>STEINZEUG</strong><br />
Abwassersysteme GmbH Frechen tätig, ließ in seinem einführenden Vortrag<br />
Hochleistungswerkstoff Steinzeug keinen Zweifel an den herausragenden<br />
technischen Eigenschaften und Qualitäten dieses traditionsreichen und<br />
gleichzeitig modernen Rohrmaterials. Er definierte die wesentlichen Ziele der<br />
Werkstoffentwicklung, wie z. B. die Steigerung der Bauteilfestigkeit, die v. a.<br />
von der Auswahl der Rohstoffe und deren Eigenschaften abhängt, sowie die<br />
wesentlichen Ziele der Verfahrensentwicklung, wie z. B. die Optimierung der<br />
thermischen Prozesse oder die Optimierung der Misch-, Zerkleinerungs- und<br />
Homogenisierungstechnik. Sowohl<br />
die Werkstoffentwicklung als auch<br />
die Prozessoptimierung haben in<br />
den letzten Jahren zu deutlichen Produktverbesserungen<br />
geführt. Als<br />
Beispiele nannte Bormann die Erhöhung<br />
von Kaltdruck- und Ringbiegezugfestigkeit<br />
sowie die Steigerung<br />
der spezifischen Werkstofffestigkeit<br />
und die Verdopplung der theoretischen<br />
Vortriebsbemessungskraft.<br />
Dipl.-Ing. Karl-Heinz Flick, Geschäftsführer<br />
des <strong>Fachverband</strong>es<br />
<strong>Steinzeugindustrie</strong> e.V., stellte das<br />
Produkt Steinzeug im Spiegel der<br />
Regelwerke dar. Dabei fokussierte<br />
er seine Ausführungen auf die Regelwerke<br />
von DIN, DWA und CEN, die<br />
derzeit in Bearbeitung sind oder in<br />
Kürze neu erscheinen. Für die in Bearbeitung<br />
befindlichen Regelwerke<br />
erläuterte er die jeweiligen Standpunkte<br />
bzw. wichtigsten Anforde-<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2005</strong><br />
5
6<br />
Verbandsnachrichten<br />
rungen aus der Sicht des FVST und<br />
umriss die Zielsetzungen für spezielle<br />
Steinzeug-Produktnormen.<br />
Die Positionierung einer Industriemarke<br />
im globalen Wettbewerb<br />
erläuterte Dipl.-Ing. Dietmar Böhme,<br />
<strong>STEINZEUG</strong> Abwassersysteme<br />
GmbH, anhand des Firmen-Kommunikationskonzeptes.<br />
Als Kernaussage<br />
ist festzuhalten, dass die Produkte<br />
der <strong>STEINZEUG</strong> Abwassersysteme<br />
GmbH auch im Sinne der<br />
Nachhaltigkeit im internationalen<br />
Wettbewerb in der ersten Reihe stehen.<br />
Denn: Nachhaltigkeit in der Abwassertechnik<br />
bedeutet auch, den<br />
Wasserkreislauf nicht negativ zu beeinflussen,<br />
ökologische und Ressourcen<br />
schonende Materialien und Ver-<br />
In den Räumlichkeiten des Klärwerks Köln-Stammheim trafen<br />
sich Vertreter von Hochschulen, Forschungseinrichtungen<br />
und der <strong>Steinzeugindustrie</strong> zum <strong>Information</strong>s- und Erfahrungsaustausch.<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2005</strong><br />
fahren einzusetzen sowie generationenüberschreitend vorausschauend zu<br />
handeln. Die Steinzeugprodukte erfüllen diese Kriterien und sind damit ein<br />
Werkstoff, der überzeugt.<br />
Aus Forschung und Technik berichtete Dipl.-Ing. Ulrich Bohle vom Institut<br />
für Baumaschinen und Baubetrieb an der RWTH Aachen. Er stellte ein Forschungsprojekt<br />
vor, in dem unter realen Bedingungen Untersuchungen der<br />
Belastungszustände von Vortriebsrohren durchgeführt wurden, da beim<br />
Rohrvortrieb Schäden in Form von Rissbildungen und Abplatzungen auftreten<br />
können. Die Ursache dafür liegt in der Überlastung der Rohre, die selten<br />
als Folge einer unzulässigen Erhöhung der Presskräfte auftritt, sondern oftmals<br />
aus einer zu großen Verwinkelung der Vortriebsrohre resultiert. Bohle<br />
stellte die Untersuchungsergebnisse sowie das an der RWTH entwickelte<br />
Überwachungssystem vor, mit dem die Spannungsverteilung in den Rohrfugen<br />
visualisiert und überwacht werden kann.<br />
Neue Technologien der Grabenverfüllung mit selbstverdichtenden Verfüllmaterialien<br />
hat das FITR Forschungsinstitut für Tief- und Rohrleitungsbau<br />
Weimar e.V. entwickelt. Dipl.-Ing. Ute Büchner beschrieb an verschiedenen<br />
Projekten den Einsatz des Weimarer Boden-Mörtels (WBM), der<br />
aufgrund seiner Fließfähigkeit verdichtungslos einbaubar ist und hohe Tragfähigkeit<br />
besitzt. Zu 90 % besteht er aus Recyclingmaterial<br />
und/oder natürlichen Aushubböden, wie Kies, Sand,<br />
Schluff und Ton, auf deren Zusammensetzung und Eigenschaften<br />
Art und Menge der Zugaben für die endgültige<br />
Mischung basieren. Als Verflüssiger wird eine Mischung aus<br />
Wasser und Ton sowie spezielle Zusätze verwendet, als Stabilisator<br />
dient die Zugabe von Zement. Der Einbau von<br />
Rohren in selbstverdichtenden Mörteln bietet neben der<br />
Kostenreduzierung durch schmalere Rohrgräben und Wiederverwendung<br />
des Aushubmaterials zugleich eine Erhöhung<br />
der Sicherheiten der Rohre.<br />
Den Schlussteil des Tages gestalteten zwei ausführliche<br />
Referate aus dem Hause der StEB Stadtentwässerungsbetriebe<br />
Köln, AöR. Dipl.-Ing. Henning Werker stellte das Entwässerungskonzept<br />
der StEB vor, das „Abwasserkonzept<br />
2000“. Bestandteile dieses Konzepts sind das<br />
● Abwasserbeseitigungskonzept<br />
● Betriebssicherungskonzept<br />
● Grundstücksentwässerungskonzept<br />
● Hochwasserschutzkonzept, Teil Abwasser<br />
Das Abwasserbeseitigungskonzept nimmt dabei den größten<br />
Raum ein; es steht als Grundlage der mittel- und langfristigen<br />
Investitionsprogramme. Prioritätensetzung und<br />
Dringlichkeitsstufung erfolgen unter Berücksichtigung ökologischer<br />
und ökonomischer Gesichtspunkte sowie anhand<br />
dynamischer Kostenvergleichsrechnungen entsprechend<br />
den LAWA-Leitlinien. Das „Projektmanagement“ versucht,<br />
die Unternehmensgesamtplanung zu realisieren und beinhaltet<br />
im Wesentlichen das operative Controlling mit den<br />
Komponenten:
Im Gänsemarsch ging’s am 2. Tag in<br />
den Kölner Stollen unter die Fußgängerzone:<br />
Hier werden zurzeit im bergmännischen<br />
Tunnelbauverfahren die fast<br />
100-jährigen Steinzeugrohre erneuert.<br />
„Licht am Ende des Tunnels“ für die<br />
Mineure an der Ortsbrust. Für die Aufrechterhaltung<br />
der Kanalisation wurden<br />
provisorische Leitungen eingebaut.<br />
● Umweltschutzcontrolling<br />
● Investitionscontrolling<br />
● Projektcontrolling<br />
Den Ausführungen von Dipl.-Ing. Joachim Lehnert über die bauliche Ausbildung<br />
zum Hochwasserschutz in Köln folgten die Tagungsteilnehmer auch<br />
zu fortgeschrittener Stunde mit unverminderter Aufmerksamkeit.<br />
Wie für den Bereich Abwasser ist auch für den Hochwasserschutz ein Konzept<br />
erarbeitet worden (1996), in dem die einzelnen Abschnitte zur Umsetzung<br />
definiert sind. Anhand einer Vielzahl von Projekten stellte Lehnert Baumaßnahmen<br />
vor, die<br />
● das Freihalten von Überschwemmungsgebieten<br />
● die Bodenentsiegelung und Regenwasserversickerung<br />
● die Renaturierung von Bachläufen<br />
● die Schaffung von zwei Retentionsräumen mit Rückverlegung der Deiche<br />
ermöglichen und noch ermöglichen werden. Während des Vortrags wurde<br />
sehr deutlich, wie lange der Weg zu einer trockenen Stadt sein wird, da die<br />
juristischen Auseinandersetzungen um Haus und Grund gewaltig sind.<br />
Der zweite Tag war im wahrsten Wortsinn dem unterirdischen Köln gewidmet.<br />
Zurzeit werden in einem großen Bereich der stark frequentierten Fußgängerzone,<br />
speziell der Einkaufszone, die fast hundertjährigen Steinzeug-<br />
Abwasserleitungen inklusive der Hausanschlüsse erneuert.<br />
Aufgrund der extrem engen Bebauung in relativ engen Straßen und aufgrund<br />
der hohen Frequentierung durch Einkaufskunden und Touristen, kam<br />
die Erneuerung der Kanäle in offener Bauweise nicht infrage. Die Stadtentwässerungsbetriebe<br />
Köln entschieden sich für den so genannten „Kölner<br />
Stollen“. Der Kölner Stollen ist eine bergmännische Tunnelbauweise für Ortbeton-<br />
und Rohrkanäle in Böden aller Art, für die das Bauunternehmen Friedrich<br />
Wassermann GmbH & Co., Köln, mehrere Verfahren entwickelt hat. Diese<br />
umfangreiche Maßnahme in der Innenstadt teilt sich das Unternehmen<br />
Verbandsnachrichten<br />
Die ersten neuen Steinzeugrohre im<br />
Stollen sind bereits eingebaut.<br />
jedoch mit dem ebenso erfahrenen<br />
Bauunternehmen Weitz & Co., um<br />
aufgrund der römischen und mittelalterlichen<br />
Vergangenheit der Stadt,<br />
die in den Stollen zu Tage tritt und<br />
für ausreichende Baustopps sorgt,<br />
halbwegs passable Bauzeiten zu erreichen.<br />
Die Tagungsteilnehmer hatten die<br />
einmalige Gelegenheit, unter sachkundiger<br />
Führung der beiden Bauleiter<br />
die Stollen unter der Stadt mit<br />
den zum Teil schon eingebauten<br />
Steinzeugrohren zu besichtigen.<br />
Mit einem großen Fundus an <strong>Information</strong>en<br />
aus Forschung und Praxis<br />
im Gepäck ging eine erfolgreiche<br />
Steinzeug-Dozententagung zu Ende.<br />
Herzlich gedankt sei an dieser Stelle der<br />
StEB für die Ausrichtung der Tagung im<br />
Klärwerk, für die Vorträge der beiden<br />
Referenten sowie für die fachliche<br />
Begleitung am Kölner Stollen.<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2005</strong><br />
7
8<br />
Verbandsnachrichten<br />
DWA-Inhouse-Schulung + -Seminare …<br />
... unter Mitwirkung des FVST<br />
Die fachliche Weiterbildung<br />
im Kanalbau beschritt am 8.<br />
Juni <strong>2005</strong> neue Wege mit einer<br />
Inhouse-Schulung bei den Stadtwerken<br />
Trier. Die Leitung lag im Namen<br />
der DWA in den Händen von<br />
Dipl.-Ing. Karl-Heinz Flick.<br />
Die Stadtwerke Trier bauen zwischenzeitlich<br />
auch die Abwasserkanäle<br />
für die Stadt Trier. Ziele der Inhouse-Schulung<br />
waren, die Besonderheiten<br />
des Kanalbaus im Tiefbau,<br />
die Anforderungen an Bauwerke der<br />
Ortsentwässerung, die technischen<br />
Regelwerke von DIN und DWA in ihrer<br />
Anwendung sowie die erforderlichen<br />
Maßnahmen zur Qualitätssi-<br />
Unter der gemeinsamen Leitung<br />
von Dr.-Ing. Helmuth<br />
Friede (Gütegemeinschaft<br />
Güteschutz Kanalbau) und Dipl.-<br />
Ing. Karl-Heinz Flick (FVST) fand am<br />
28. September <strong>2005</strong> in Mannheim<br />
das DWA-Seminar Fachgerechte<br />
Herstellung von Abwasserleitungen<br />
und -kanälen statt.<br />
Die fachgerechte Herstellung und<br />
Gütesicherung sind anerkanntermaßen<br />
inhaltlich miteinander verbunden.<br />
In diesem Seminar wurden<br />
Themen zu Planung, Bauausführung<br />
und Prüfung von Abwasserkanälen<br />
sowie deren Gütesicherung behandelt.<br />
Angesprochen waren Planer<br />
und Bauleiter von Kommunen und<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2005</strong><br />
cherung zu vermitteln. Dazu standen die folgenden Einzelthemen und Referenten<br />
zur Verfügung:<br />
● Rohrstatik und Wechselwirkung mit der Bauausführung<br />
(Dipl.-Ing. Karl-Heinz Flick, <strong>Fachverband</strong> <strong>Steinzeugindustrie</strong> e.V., Frechen)<br />
● Bauwerke der Ortsentwässerung<br />
(Dr.-Ing. Sören Knoll, Ingenieurbüro Stecha, Wiesbaden)<br />
● Güteüberwachung<br />
(Dipl.-Ing. Hans-Willi Bienentreu, Gütegemeinschaft Güteschutz Kanalbau,<br />
Bad Honnef)<br />
● Abnahmeprüfungen<br />
(Dipl.-Ing. Hans-Willi Bienentreu)<br />
● Verlegung<br />
(Dipl.-Ing. Karl-Heinz Flick)<br />
Das direkte Gespräch mit den Teilnehmern, das Eingehen auf die örtlichen<br />
Besonderheiten und die zu jeder Zeit mögliche Diskussion in gewohnter Umgebung<br />
für die Zuhörer stellen die Inhouse-Schulung als sehr attraktive und<br />
akzeptierte Möglichkeit der Weiterbildung dar.<br />
Bauunternehmen. Das Seminar diente<br />
auch dem Nachweis der Fortbildung auf<br />
dem Gebiet des Baus von Abwasserkanalisationen.<br />
Beim Seminar in Leipzig Hydraulische<br />
Planung von Abwasseranlagen (29./30.<br />
November <strong>2005</strong>) stand die hydraulische<br />
Berechnung von Abwasserleitungen und<br />
-kanälen sowie Bauwerken im Vordergrund.<br />
Der erste Seminartag wurde von Dipl.-Ing. K.-H. Flick geleitet und<br />
behandelte die Grundlagen der hydraulischen Berechnung von Kanälen und<br />
Bauwerken. Besonders herauszuheben sind dabei die Neuerungen, die sich<br />
aus der Bearbeitung des ATV-DVWK-Arbeitsblattes A 112 in der zuständigen<br />
Arbeitsgruppe ergeben haben und demnächst als Entwurf zu A 112 erscheinen<br />
werden. Das Referententeam setzte sich im Wesentlichen aus Mitarbeitern<br />
der DWA-Arbeitsgruppe ES 2.2 zusammen. Der zweite Seminartag stand<br />
unter der Leitung von Prof. Dipl.-Ing. D. Sitzmann und konzentrierte sich auf<br />
die hydraulische Kläranlagenplanung.
Verbandsnachrichten<br />
Die Entwicklung maßgeblich vorangetrieben<br />
Dr. rer. pol. Dr.-Ing. E.h. Gottfried Cremer †<br />
m 15. Oktober <strong>2005</strong> verstarb nach einem erfüllten Leben Dr. Dr.<br />
Gottfried Cremer im gesegneten Alter von 99 Jahren.<br />
Gottfried Cremer leitete in der Zeit von 1949 bis 1990 als Aufsichtsratsvorsitzender<br />
die Cremer Gruppe, der das von seinem Vater im Jahre 1906<br />
gegründete Unternehmen zur Steinzeugrohrproduktion Cremer & Breuer in<br />
Frechen angehört. Nach dem Zweiten Weltkrieg vollzog er den Umbruch von<br />
der Manufaktur zur industriellen Fertigung mit Mechanisierung der Formgebung<br />
und Einführung der kontinuierlichen Trocknung der Rohre. In dem für<br />
ihn patentierten Tunnelofen gelang es ihm durch Veränderung von Befeuerung<br />
und Kühlung, Steinzeugrohre aller Formate und Wanddicken ebenfalls<br />
kontinuierlich zu brennen. Für die gesamte <strong>Steinzeugindustrie</strong> war es ein weiterer<br />
Schritt, dass auf Cremers Initiative hin die Forschung auf eine breite Basis<br />
gestellt wurde. Dadurch konnten in Verbindung mit neuen Fertigungstechniken<br />
deutliche Produktionsverbesserungen erreicht werden. Zu nennen<br />
sind hierbei u.a. die Erhöhung der Tragfähigkeit, die Vergrößerung der Baulänge<br />
und die Herstellung maschinengefertigter<br />
Abzweige. Gleichermaßen<br />
wurden die Grundlagen zur Herstellung<br />
von Großrohren bis DN 1400 geschaffen.<br />
Zeit seines Lebens war Gottfried<br />
Cremer weitblickend und verantwortlich<br />
tätig, was sich in zahlreichen Ehrungen<br />
und Auszeichnungen, die ihm<br />
verliehen wurden, widerspiegelt. Mit<br />
Gottfried Cremer hat die <strong>Steinzeugindustrie</strong><br />
eine herausragende und angesehene<br />
Unternehmerpersönlichkeit<br />
verloren, die die Entwicklung der<br />
Cremer Gruppe maßgeblich mitverantwortete,<br />
die Entwicklung des Werkstoffs<br />
Keramik unermüdlich vorangetrieben<br />
und die Produktionstechnik<br />
mit profunden Fachkenntnissen modernisiert<br />
hat. Mitarbeiter und Geschäftspartner<br />
schätzten seine persönliche<br />
Art ganz besonders.<br />
Dr. rer. pol. Dr.-Ing. E.h. Gottfried Cremer<br />
Nach dem Ausscheiden aus der aktiven<br />
Führung der Cremer Gruppe hat<br />
sich Gottfried Cremer verstärkt der<br />
modernen keramischen Kunst gewidmet.<br />
So war es ihm als herausragendem<br />
Kenner ein besonderes Anliegen,<br />
diese Kunst und die Künstler<br />
zu fördern. In seiner Heimatstadt<br />
Frechen steht das KERAMION mit<br />
der größten europäischenprivatenSammlung<br />
von Keramikkunst.<br />
3.10.1906 geboren in Frechen<br />
1929 Dr. rer. pol. an der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck<br />
1949 bis 1990 Aufsichtsratsvorsitzender der Cremer Gruppe<br />
1957 bis 1969 Präsident der Deutschen Keramischen Gesellschaft<br />
1969 Ehrenpräsident der Deutschen Keramischen Gesellschaft<br />
1962 Verleihung des bayerischen Verdienstordens<br />
1963 Ehrenbürger des Marktes Schwarzenfeld<br />
1967 Dr.-Ing. E.h. der Technischen Universität Clausthal<br />
1967 bis 1971 Mitglied im Vorstand des <strong>Fachverband</strong>es <strong>Steinzeugindustrie</strong><br />
e.V.<br />
1976 Ehrenbürger der Stadt Frechen<br />
1988 Verleihung der Verdienstmedaille des Landes Baden-<br />
Württemberg<br />
1988 Ehrenvorsitzender des <strong>Fachverband</strong>s <strong>Steinzeugindustrie</strong><br />
e.V.<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2005</strong><br />
9
10<br />
Blickpunkt EU<br />
Gesprächsrunde mit Johannes Lohaus<br />
„Die Identifikation ist sehr groß“<br />
Bauass. Dipl.-Ing. Johannes Lohaus<br />
ist Geschäftsführer der<br />
DWA Deutsche Vereinigung<br />
für Wasserwirtschaft, Abwasser und<br />
Abfall e.V. sowie Generalsekretär des<br />
Dachverbandes EWA European Water<br />
Association. Das verstärkte Engagement<br />
der DWA auf europäischer<br />
Ebene über die EWA, die Ergebnisse<br />
der diesjährigen Bundestagung in<br />
Potsdam sowie die professionelle Arbeit<br />
für die Mitglieder des Verbandes<br />
weckten die Neugierde auf ein Gespräch<br />
mit dem Mann, der die Fäden<br />
in der Hand hält: Johannes Lohaus.<br />
?<br />
Herr Lohaus, Sie sind seit 1. März<br />
dieses Jahres Geschäftsführer der<br />
DWA. Worin bestand und besteht für<br />
Sie der Reiz, sich dieser Herausforderung<br />
zu stellen?<br />
Lohaus: Seit meinem Studium kenne<br />
ich die DWA und bin ihr seitdem<br />
eng verbunden. Nach verschiedenen<br />
beruflichen Stationen habe ich<br />
1988 bei ihr angefangen, damals<br />
hieß sie noch ATV. Mit der Wiedervereinigung<br />
ist der Verband stark gewachsen.<br />
Das war für uns alle eine<br />
spannende Zeit. Als sich jetzt für<br />
mich die Möglichkeit ergab, Geschäftsführer<br />
der DWA zu werden,<br />
habe ich diese Chance sehr gerne<br />
genutzt. Der Reiz liegt sicherlich darin,<br />
sich mit unterschiedlichsten The-<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2005</strong><br />
men und Fachleuten im zunehmend<br />
internationaler werdenden Umweltbereich<br />
befassen zu können.<br />
Flick: Das betrifft doch dann auch<br />
internationale Belange, die sowohl<br />
aus dem Ausland hierher nach<br />
Deutschland kommen als auch die<br />
direkte Tätigkeit der DWA als deutsche<br />
Organisation im Ausland.<br />
Lohaus: Wir sind in erster Linie eine deutsche Vereinigung und werden auch<br />
sicherlich eine deutsche Vereinigung bleiben. Allerdings haben wir unsere<br />
internationalen Dachverbände. In Europa ist dies die European Water Association<br />
(EWA) und weltweit die International Water Association (IWA). Wir<br />
merken zunehmend, dass unsere Arbeit im Ausland sehr gut wahrgenommen<br />
wird. Deutsches Know-how ist weltweit stark gefragt. Wenn wir in der<br />
entwicklungspolitischen Zusammenarbeit helfen können, tun wir das gerne.<br />
?<br />
Die Anforderungen an den Verband sind, wie überall, deutlich gestiegen.<br />
Denn auch in der deutschen Wasserwirtschaft hat ein Wandel der rechtlichen,<br />
politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen stattgefunden.<br />
Haben Sie aufgrund dessen mit Ihrem Amtsantritt Kursänderungen vorgenommen<br />
und Ziele neu definiert?<br />
Lohaus: Wir stehen in einer gewissen Tradition. Umbrüche wird es daher<br />
nicht geben. Dennoch: In den letzten Jahren ist die DWA zunehmend professioneller<br />
geworden. Diese Entwicklung hat der Vorstand bewusst betrieben<br />
und dies wird auch von den Mitgliedern anerkannt. Die Identifikation<br />
mit dem Verband ist sehr groß. Aufgrund der zur Zeit schwierigen wirtschaftlichen<br />
Lage, die auch viele unserer Mitglieder betrifft, müssen wir sehr sparsam<br />
haushalten. Wir wollen trotzdem unseren Mitgliederservice weiter ausbauen<br />
und haben u.a. in der Bundesgeschäftsstelle Anfang des Jahres ein<br />
Kundenzentrum eingerichtet. Weitere Änderungen betreffen die verbandsinterne<br />
Organisation, hier haben wir insbesondere bei der Zusammenarbeit<br />
mit den Landesverbänden gute Fortschritte erzielt. Dies wird unsere Vereinigung<br />
stärken und unseren Mitgliedern zugute kommen.
?<br />
Noch einmal zurück zum Ausland. Sie sagten eben, dass Deutschland im<br />
Ausland deutlicher wahrgenommen wird. Wie „reagieren“ Sie als DWA<br />
darauf? Wie und wo sind Sie präsent?<br />
Lohaus: Seit Anfang der 90er Jahre engagieren wir uns intensiv im Bereich<br />
der Europäischen Normung. 2003 haben wir eine Resolution zur Internationalen<br />
Zusammenarbeit verfasst. Mitte dieses Jahres haben wir eine Kooperationsvereinbarung<br />
mit dem Deutschen Entwicklungsdienst, DED, geschlossen.<br />
Ein Mitarbeiter des DED ist nun seit einigen Monaten hier in unserer<br />
Geschäftsstelle tätig. Mit dieser Kooperation verfolgen beide Partner das Ziel,<br />
den <strong>Information</strong>saustausch Ausland/Inland im Bereich der entwicklungspolitischen<br />
Zusammenarbeit zu fördern. Dies kann auch den wirtschaftlichen<br />
Interessen deutscher Unternehmen dienen. Konkret bringen wir uns außerdem<br />
bei der IFAT China ein, die nächstes Jahr zum zweiten Mal in Shanghai<br />
stattfindet. Die DWA wird dort das Kongressprogramm ausrichten.<br />
Flick: Ein Beispiel dafür ist wohl auch die Vielfältigkeit der mittlerweile vorliegenden<br />
und in andere Sprachen übersetzten Merk- und Arbeitsblätter?<br />
Lohaus: Ja. Hier ist die europäische Normung auslösender Faktor gewesen.<br />
Sie hat uns dazu geführt, internationaler zu denken und zu handeln. Gerade<br />
was den abwassertechnischen Teil unseres Regelwerkes betrifft, haben wir<br />
mittlerweile 70 bis 80 % ins Englische übersetzt. Ganz aktuell haben wir zur<br />
diesjährigen IFAT noch einmal eine CD-ROM herausgegeben, auf der alle<br />
übersetzten Publikationen zusammengefasst sind.<br />
?<br />
Arbeiten Sie auch mit anderen europäischen Verbänden zusammen?<br />
Lohaus: Wie bereits ausgeführt ist die DWA in der European Water Association<br />
(EWA) organisiert, deren Geschäftsführung hier in unserem Hause liegt.<br />
Ich selbst habe bei der EWA die Aufgabe des Generalsekretärs. Als EWA pflegen<br />
wir Kontakte zur EU-Kommission und zu den europäischen Normungsgremien.<br />
Wir fördern insbesondere den Erfahrungsaustausch auf europäischer<br />
Ebene. Das beste Beispiel unserer Aktivitäten ist die IFAT. Ohne das von<br />
der EWA ausgerichtete Europäische Abwassersymposium wäre die IFAT in<br />
ihrer jetzigen Form und Größe nicht denkbar. Im nächsten Jahr können wir<br />
übrigens das 25-jährige Jubiläum der EWA feiern.<br />
?<br />
Bleiben wir „in Europa“. Wir möchten gerne die Wasserrahmenrichtlinie<br />
(WRRL) ansprechen. Die DWA ist in diese Thematik auch involviert und hat<br />
sogar eine eigene Diskussionsplattform im Internet dazu eingerichtet. Ist die DWA<br />
zur Einflussnahme auf die Umsetzung der WRRL in Brüssel selbst präsent?<br />
Lohaus: Die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie ist unter verschiedenen<br />
Aspekten zu sehen: Zunächst einmal die formale Umsetzung in nationales<br />
Recht. Ein riesiges Problem. Es bedarf in Deutschland 33 Rechtsakte, um<br />
eine europäische Richtlinie umzusetzen! Als Vereinigung sehen wir da<br />
Deutschland als wenig „europatauglich“. Wir vertreten die Meinung, dass in<br />
Blickpunkt EU<br />
unserer Verfassung die Kompetenzen<br />
so geregelt werden sollten, dass<br />
zumindest das, was auf europäischer<br />
Ebene als Gemeinschaftsrecht verabschiedet<br />
werden kann, auch durch<br />
den Bund in nationales Recht umgesetzt<br />
werden sollte. Die konkurrierende<br />
Gesetzgebungskompetenz<br />
des Bundes wäre dafür sicherlich ein<br />
guter Weg. Aber Ihre Frage zielte<br />
auch darauf ab, wie wir im Entstehungsprozess<br />
einer Richtlinie als Vereinigung<br />
bereits aktiv werden können.<br />
Dies beschränkt sich derzeit im<br />
Wesentlichen auf <strong>Information</strong>sbeschaffung<br />
und -streuung. Aus meiner<br />
Sicht sind DWA und EWA für weitergehende<br />
Aktivitäten noch nicht<br />
aufgestellt, aber wir gehen in diese<br />
Richtung und intensivieren unsere<br />
Politikberatung in Berlin und Brüssel.<br />
Für die Zukunft liegt hier sicherlich<br />
eine Handlungsoption.<br />
?<br />
Ziel der WRLL – kurz gefasst – ist<br />
„der gute Zustand der Gewässer“<br />
in Europa. Wo sehen Sie hier in den<br />
nächsten fünf Jahren die dringlichen<br />
Handlungsfelder und wie wird sich die<br />
DWA einbringen?<br />
Lohaus: Den dringlichsten Handlungsbedarf<br />
sehe ich darin, die Frage<br />
zu klären, in welchem Umfang<br />
wir unsere Gewässer wieder in einen<br />
naturnahen Zustand versetzen wollen.<br />
Dies gilt insbesondere für den<br />
städtischen Raum. Wir brauchen hier<br />
einen gesellschaftlichen Dialog,<br />
denn die notwendigen Maßnahmen<br />
sind in aller Regel mit erheblichen<br />
Kosten verbunden. Die DWA selbst<br />
ist daher auch hinsichtlich der Beteiligung<br />
der Öffentlichkeit sehr aktiv.<br />
Vor kurzem haben wir die Arbeitsgruppe<br />
„Öffentlichkeitsarbeit und<br />
WRRL“ gegründet.<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2005</strong><br />
11
12<br />
Blickpunkt EU<br />
?<br />
Themenwechsel. Der Kanalzustandsbericht<br />
für 2004, an dem<br />
Sie maßgeblich mitgewirkt haben, ist<br />
kürzlich erschienen. Darin heißt es:<br />
„Die Ergebnisse zeigen, dass bislang<br />
keine Besserung des Gesamtzustandes<br />
der öffentlichen Kanalisation eingetreten<br />
ist, sondern dass sich tendenziell<br />
der Zustand weiter verschlechtert<br />
hat.“ Wie stehen Sie dazu?<br />
Lohaus: Die Formulierung ist zu<br />
Recht vorsichtig gewählt, da wir keine<br />
hundertprozentige Datenerhebung<br />
vorweisen können. Außerdem:<br />
Wir vergleichen Datensätze – in diesem<br />
Fall aus den Jahren 2004 mit<br />
Persönlich gefragt, spontan geantwortet<br />
Was ist Ihre Stärke?<br />
Zuhören und Situationen wahrnehmen.<br />
Was ist Ihre schwache Seite? Nein sagen.<br />
Worüber können Sie lachen?<br />
Über Filme von Woddy Allen.<br />
Worüber können Sie sich aufregen?<br />
Über Intoleranz und Rücksichtslosigkeit.<br />
Worauf könnten Sie auf der berühmten einsamen Insel<br />
nicht verzichten? Auf meine Familie.<br />
Wem möchten Sie dort keinesfalls begegnen?<br />
Dem Frost, denn dann sollte es schon warm sein.<br />
Haben Sie eine Lieblingslektüre (Regelwerke ausgenommen)?<br />
Ja, Bücher von Arto Paasilinna. Zurzeit<br />
lese ich von ihm „Nördlich des Weltuntergangs“,<br />
klasse!<br />
Sie haben unerwartet einen freien Tag. Was würden<br />
Sie damit anfangen? Ihn in der freien Natur verbringen,<br />
Rad fahren oder wandern.<br />
Welcher Ort/Stadt ist für Sie der/die schönste?<br />
Ich fühle mich in Bonn sehr wohl, Aachen ist noch<br />
schöner!<br />
Welche Persönlichkeit würden Sie einmal gerne<br />
treffen? Kofi Annan<br />
Was ist Ihr Magen- und Leibgericht? Leider zu viele.<br />
Welchen Beruf würden Sie in einem zweiten Leben<br />
ergreifen? Ozeanograf<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2005</strong><br />
2001 –, die nicht immer von den gleichen Betreibern stammen. Das allein<br />
signalisiert Vorsicht. Mit den absoluten Zahlen muss man also sehr zurückhaltend<br />
umgehen, aber wir haben eine Vorstellung, wie die Situation in<br />
Deutschland ist. Die generelle Aussage – und das wurde mir auch in vielen<br />
persönlichen Gesprächen bestätigt – ist: Der Zustand der Kanalisation hat<br />
sich nicht verbessert. Deshalb haben wir auch schon im vergangenen Jahr<br />
eine Resolution zum Substanzerhalt der Kanalisation verfasst, um dieses Thema<br />
stärker in den Blickwinkel der Öffentlichkeit zu rücken. In diesem Jahr haben<br />
wir dieses Thema in unserem Politikmemorandum erneut aufgegriffen.<br />
Flick: Diesen Zustandsbericht sehe ich als konstruktiven Beitrag. Er zeigt, was<br />
man über die Daten alles in Erfahrung bringen kann und welche Handlungsfelder<br />
betreten werden müssen. Er bietet aber auch Unterstützung und Hilfestellung<br />
an, Finanzmittel loszutreten. Dann stellt sich die Frage: Wann<br />
könnte sich dieser Bericht mal ändern?<br />
?<br />
In der Erhebung wurden erstmalig die Gründe für die mangelhafte<br />
Sanierung/Instandsetzung erfragt. Die verfügbaren Finanzmittel<br />
werden als wichtigster Limitierungsfaktor benannt, und hier auch<br />
die Abstimmung mit anderen Aufgabenträgern, z. B. dem Straßenbau.<br />
Im Straßenbau passiert aber auch nichts. Wird hier nicht das Problem<br />
hin- und her geschoben? Kann die DWA Veränderungen veranlassen,<br />
kann sie was bewegen, was initiieren?<br />
Lohaus: Die Situation ist in jeder Stadt anders. Wir drängen sehr<br />
darauf, dass für die Abwasserentsorgung bei den Kommunen ein<br />
eigenständiger Haushalt eingerichtet wird. Das Geld, das für die<br />
Abwasserentsorgung eingenommen wird, muss auch, wenn es gebraucht<br />
wird, für diesen Zweck wieder zur Verfügung stehen, und<br />
zwar in einem kalkulierbaren zeitlichen Rahmen und nicht erst in<br />
10 oder 20 Jahren. Dann kann die Substanz verloren sein. Kommunen,<br />
die über einen solchen eigenen Haushalt verfügen, haben<br />
deutlich weniger Finanzierungsprobleme. Ich glaube, der Straßenbau<br />
hat insgesamt größere Probleme als die Abwasserentsorgung.<br />
Trotzdem ist es sinnvoll, und da sind wir wieder bei der gesamtwirtschaftlichen<br />
Betrachtung, Kanäle im Zusammenwirken mit<br />
anderen Aufgabenträgern zu erneuern. Zu Herrn Flick, an eine<br />
kurzfristige Verbesserung der Situation glaube ich nicht. Die DWA<br />
leistet jedoch ihren Beitrag. Die Fragen der Kanalsanierung bilden<br />
einen Schwerpunkt unserer aktuellen Regelwerksarbeit; die entsprechende<br />
Merkblattreihe unserer M 143 besteht bereits aus über<br />
zehn Teilen und weitere befinden sich in Arbeit. Auch in unserem<br />
Bildungsprogramm steht dieses Thema obenauf. In diesem Jahr<br />
finden z.B. wiederum „DWA-Sanierungstage“ statt.<br />
?<br />
Hätten Sie als DWA die Möglichkeit, so etwas politisch durchzusetzen?
Lohaus: In den letzten Jahren ist es uns mit Pressemeldungen, Resolutionen,<br />
Politikmemoranden u. Ä. gelungen, dieses Problem in der Öffentlichkeit bewusst<br />
zu machen. Auch stehen wir im Gespräch mit der Umweltpolitik und<br />
mit den kommunalen Spitzenverbänden. Der Schutz des Grundwassers muss<br />
hohe Priorität haben. Gleichzeitig gilt es, einen weiteren Substanzverlust zu<br />
vermeiden, um den hohen Wert dieser notwendigen Infrastruktur langfristig<br />
zu sichern. Wir dürfen unseren Einfluss aber auch nicht überschätzen.<br />
Flick: Wertminderung und Abnutzung sind ja kein Thema, aber Substanzverlust<br />
wird schnell zu einem echten Problem.<br />
Lohaus: Die Funktionstüchtigkeit, die wollen und müssen wir erhalten. Und<br />
wenn wir jetzt nicht handeln, wird es in 10 oder 20 Jahren erheblich teurer.<br />
Wir müssen aber zukünftig noch etwas berücksichtigen: zum einen die Klimadiskussion,<br />
die uns darüber nachdenken lässt, ob unsere Kanalisation für<br />
die zunehmend auftretenden Starkregenereignisse richtig dimensioniert ist.<br />
Zum anderen hat auch die demografische Entwicklung Auswirkungen auf<br />
unser Metier: Wie viel Infrastruktur werden wir wo künftig brauchen? Ich<br />
sehe die hohen Abwanderungsraten in den vielen Gebieten Ostdeutschlands<br />
und auch im Ruhrgebiet. Wie passt man die Infrastruktur an? Welche<br />
Abschreibungszeiten lässt man für wasserwirtschaftliche Anlagen zu? Auch<br />
mit diesen Fragen werden wir uns künftig befassen.<br />
?<br />
In der Öffentlichkeit steht der Name DWA für einen technisch-wissenschaftlichen<br />
Verband der Abwasserwirtschaft. Als Vertreter der Versorgungswirtschaft<br />
kennt man den DVGW als technisch-wissenschaftlichen Verband und den<br />
BGW als politisch tätigen Verband. Ist so eine Aufteilung oder Ausrichtung auch<br />
für die DWA vorstellbar?<br />
Lohaus: Der BGW nimmt die Interessen der Betreiber der Wasser- und Gasversorgung<br />
wahr. Die Abwasserentsorger sind nur in sehr geringem Umfang<br />
im BGW organisiert. Die Abwasserseite ist überwiegend kommunal und ihre<br />
Interessen werden somit sehr stark von den Kommunalen Spitzenverbänden<br />
mit vertreten. Die DWA will die Lobby für das Fach, für Wasser sein. Deshalb<br />
wenden wir uns auch der Politikberatung zu. Wir wollen vor allem die Umwelt-<br />
und Wirtschaftspolitiker über den Zustand unserer Kanäle, über Notwendigkeiten<br />
hinsichtlich der Gewässerunterhaltung, über Hochwasserschutzmaßnahmen,<br />
über abfallwirtschaftliche Fragen und über die vielen<br />
Erkenntnisse aus unserer technisch-wissenschaftlichen Arbeit informieren.<br />
Schon aufgrund unserer heterogen zusammengesetzten Mitgliedschaft können<br />
wir keine politische Lobbyarbeit für eine bestimmte Gruppe leisten.<br />
Unsere Mitglieder kommen aus Kommunen, Wasserwirtschaftsverwaltung,<br />
Industrie, Ingenieurbüros, Hochschulen etc. Da ist einseitige Lobbyarbeit<br />
völlig deplatziert.<br />
?<br />
Im Oktober dieses Jahres fand in Potsdam die Bundestagung der DWA statt.<br />
Was waren die wichtigsten Themen?<br />
Blickpunkt EU<br />
Lohaus: Die Bundestagung stand<br />
unter der Überschrift „Welt im Wandel<br />
– Wasserwirtschaft im Wandel“.<br />
Das gesamte Programm hat sehr positive<br />
Resonanz bei den Teilnehmern<br />
gefunden. Hervorheben möchte ich<br />
an dieser Stelle nur den Festvortrag<br />
von Professor Freude zum Thema<br />
„Klimawandel und Wasserhaushalt“,<br />
der sehr anschaulich und konkret<br />
mögliche Folgen des Klimawandels<br />
aufgezeigt hat. Sehr gefreut haben<br />
uns die lobenden Worte zur Arbeit<br />
der DWA von Umweltminister Dr.<br />
Woidke. Eine gute Basis besonders<br />
für die weitere Arbeit unseres Landesverbandes<br />
Nord-Ost. Für die Vereinigung<br />
von hoher Bedeutung war<br />
die Verabschiedung unserer neuen<br />
Satzung. Nach der Fusion mit dem<br />
DVWK wurde nach einer gewissen<br />
Erfahrungszeit die Struktur generell<br />
auf den Prüfstand gestellt. Ein ganz<br />
wichtiges Kernelement war auch der<br />
neue Name DWA, den wir ja bereits<br />
im letzten Jahr verabschiedet hatten.<br />
Er hat sich übrigens erfreulich gut<br />
eingeführt. Die neue Satzung bringt<br />
eine Reihe interner Änderungen hinsichtlich<br />
unserer Arbeitsweise mit<br />
sich. Teilweise wurden Aufgaben<br />
vom Vorstand (einem großen Gremium)<br />
auf das Präsidium (einem<br />
kleinen Gremium) verlagert. Das<br />
macht uns handlungsfähiger. Außenwirkung<br />
hat – und da können<br />
wir wieder an die WRRL anknüpfen –<br />
die Aufnahme zweier neuer Preise in<br />
die Satzung. Wir werden künftig die<br />
so genannte Theodor-Rebock-Medaille<br />
sowie einen Preis zur Gewässerentwicklung<br />
vergeben. Mit Letzterem<br />
wollen wir herausragende Gewässerentwicklungsprojekteöffentlichkeitswirksam<br />
unterstützen.<br />
Wir danken Herrn Lohaus ganz herzlich<br />
für das Gespräch.<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2005</strong><br />
13
14<br />
Blickpunkt EU<br />
„Buying Green!“ – EU-Handbuch<br />
Umweltgerechte Vergabe wird von EU-Kommission<br />
gefördert<br />
Unter dem Titel „Buying<br />
Green!“ hat die Europäische<br />
Kommission einen Leitfaden<br />
zur Berücksichtigung von Umweltaspekten<br />
bei der Vergabe öffentlicher<br />
Aufträge herausgegeben. Öffentliche<br />
Auftraggeber und andere<br />
Organisationen, die dem EU-Vergaberecht<br />
unterliegen, tragen mit einem<br />
Anteil von ca. 15 % – das entspricht<br />
einem Volumen von 1.000<br />
Mrd. Euro – zum Bruttoinlandsprodukt<br />
bei. Die Macht der Nachfrage<br />
der öffentlichen Hand wurde schon<br />
früh als Instrument zur Durchsetzung<br />
europäischer Politik identifiziert.<br />
So sollte speziell die diskriminierungsfreie<br />
Vergabe zur Vollendung<br />
des Binnenmarktes beitragen.<br />
Dieser Gedanke prägte beispielsweise<br />
die Richtlinien über die Koordinierung<br />
zur Vergabe öffentlicher<br />
Bauaufträge (1971), öffentlicher Lieferaufträge<br />
(1977) etc.<br />
Nachhaltigkeitsziele<br />
umsetzen – nicht ohne<br />
Umweltschutz!<br />
Mittlerweile stellt auch der Ausbau<br />
eines effektiven Umweltschutzes eine<br />
gemeinschaftliche Aufgabe dar,<br />
der eine hohe Bedeutung beigemessen<br />
wird. Die Gründe für diesen<br />
Lernprozess sind sicher vielfältig.<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2005</strong><br />
Eine gewisse Rolle spielt vermutlich die Tatsache, dass sich ein Verstoß gegen<br />
die so genannte Nachhaltigkeit nicht immer erst – wie oft angenommen<br />
wird – bei der nächsten Generation oder irgendwann später rächt. Außerdem<br />
verursachen Umweltschäden weltweit und speziell auch in den heranwachsenden<br />
Industrienationen zunehmend gewaltige Probleme, was mit<br />
erheblichen Kosten verbunden ist. Diese Kosten übersteigen dabei den Aufwand<br />
in der Regel um ein Vielfaches, der zur Vermeidung notwendig gewesen<br />
wäre. Ein Industriestandort, der sich rechtzeitig auf diese Problematik eingestellt<br />
hat, wird deshalb zunehmend einen Vorteil haben, da die Nachfrage<br />
nach entsprechender Technologie überproportional steigen wird.<br />
Die europäischen Vergaberichtlinien enthalten bisher keinen ausdrücklichen<br />
Verweis auf den Umweltschutz oder die Berücksichtigung von Umweltbelangen.<br />
Der Leitfaden stellt die Möglichkeiten dar, die das EU-Gemeinschaftsrecht<br />
trotz dieser erheblichen Einschränkung auch heute schon einräumt.<br />
Dabei wird versucht, praxisnah möglichst einfache und effektive Lösungen<br />
aufzuzeigen. Aus pragmatischen Gründen versucht der Leitfaden dabei der<br />
Logik und Struktur, in der auch die Beschaffung abläuft, zu folgen. Neben<br />
praktischen Beispielen sind auch entsprechende Urteile des Europäischen Gerichtshofes<br />
wiedergegeben. Speziell durch diese Urteile wurde der Spielraum<br />
zur Berücksichtigung von Umweltschutzaspekten erheblich erweitert.<br />
Umweltgerechte Vergabe ist keine Theorie<br />
Ein schönes Beispiel, wie die öffentliche Nachfrage den Markt positiv beeinflussen<br />
kann, kommt überraschenderweise aus den USA: Dort beschloss die<br />
Regierung 1993 nur noch EDV-Geräte mit reduziertem Energieverbrauch<br />
(Energy Star-Label) zu kaufen. Da die US-Regierung der weltweit größte Käufer<br />
von Computern ist, wurde die entsprechende Technologie binnen kürzester<br />
Zeit bezahlbar, da sich die Kosten für die Entwicklung auf eine große<br />
Stückzahl verteilen ließ. Mittlerweile würde kein vernünftiger Mensch mehr<br />
EDV-Geräte mit einem höheren Energieverbrauch in Betracht ziehen, da er<br />
davon ausgehen muss, dass es sich hier um minderwertige oder veraltete<br />
Technologie handelt. Außerdem bemerkt der Benutzer den Einsatz von energiesparenden<br />
PCs nicht unangenehm durch Einschränkungen beim Gebrauch,<br />
sondern erst angenehm bei der Stromrechnung.
Ein Beispiel, wie ohne die geringsten Probleme ökologische Komponenten<br />
in die Beschaffung integriert werden können, sind energieeffiziente Gebäude.<br />
Jeder Besitzer eines eigenen Hauses weiß, dass die Heizkosten schnell in<br />
die Größenordnung einer Miete wachsen können und dass eine spätere<br />
Nachbesserung, beispielsweise durch eine Verbesserung der Wärmedämmung,<br />
den teilweisen Einsatz von Solarenergie, Geothermie zum Heizen<br />
und/oder Kühlen etc., oft sehr aufwendig ist. Werden die Folgekosten dagegen<br />
schon bei der Planung berücksichtigt und Lösungen gesucht, die über<br />
die bestehenden Vorschriften hinausgehen, so lässt sich nicht nur viel Geld<br />
sparen, sondern auch die Umwelt wird merklich entlastet. Hier existiert offensichtlich<br />
weniger ein Widerspruch zwischen Ökologie und Ökonomie,<br />
sondern eher ein Widerspruch zwischen kurzsichtigem Verhalten und dem<br />
Gebot, die wirtschaftlich günstigste Lösung zu finden.<br />
„Buying Green!“ – selbstverständlich auch in der<br />
Abwassertechnik<br />
Auch beim Einsatz von besonders langlebigen Produkten gehen ökonomische<br />
und ökologische Vorteile meist Hand in Hand. Der Kanalbau ist hierfür<br />
ein besonders anschauliches Beispiel, da er zum einen umfassend in die Umwelt<br />
eingreift und zum anderen sehr lange betrieben werden muss. Allein die<br />
Eingriffe in die Umwelt erfordern umweltgerechte Entscheidungen.<br />
Es ist keine Binsenweisheit, dass die Kosten für den Einbau die Kosten für das<br />
Rohrmaterial deutlich überschreiten. Schreibt man die Anlage (Rohrmaterial<br />
und Einbau) über den gesamten Zeitraum der Nutzung ab, so wird der<br />
ökonomische Vorteil von einem langlebigen Produkt sehr schnell sehr deutlich<br />
sichtbar. Um den ökologischen Vorteil darzustellen, müsste man die gesamte<br />
Umweltbelastung, d. h. Herstellung der Rohre (Rohmaterial, Energie),<br />
Transport zur Baustelle, Einbau und ggf. Entsorgung auch auf die gesamte<br />
Lebensdauer normieren. Da bei einer geringen Lebensdauer schon nach kurzer<br />
Zeit nicht nur neue Rohre benötigt werden, sondern diese auch zur Baustelle<br />
transportiert und eingebaut werden müssen, ist der ökologische Vorteil<br />
eines kurzlebigen Materials nur schwer erzielbar.<br />
Zu den „traditionellen“ Kosten müsste man eigentlich noch die so genannten<br />
externen Kosten addieren, was die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung noch<br />
mehr zu Gunsten langlebiger Produkte verschieben würde. Unter externen<br />
Kosten kann man dabei den Aufwand des Auftraggebers für die Vorbereitung<br />
und Durchführung der Ausschreibung, die Störung des Verkehrs durch Baustellen<br />
(Zeitverlust im Stau, erhöhter Benzinverbrauch, Umsatzeinbruch in<br />
Geschäften, ...) usw. verstehen. Diese externen Kosten dürfen aber bei einer<br />
Ausschreibung nur in wenigen Ausnahmefällen als Zuschlagskriterium berücksichtigt<br />
werden, da sie von der Gesellschaft als Ganzes und nicht vom<br />
einzelnen Auftraggeber zu tragen und außerdem schwer exakt zu definieren<br />
sind. Diese Faktoren sollten deshalb zu Beginn des Vergabeverfahrens, und<br />
zwar bei der Entscheidung über den Auftragsgegenstand, erwogen werden:<br />
Die Entscheidung über den Auftragsgegenstand unterliegt noch nicht dem<br />
Vergaberecht. Zu diesem Zeitpunkt müssen neben dem Diskriminierungsverbot<br />
nur die Grundsätze des freien Waren- und Dienstleistungsverkehrs nach<br />
EG-Vertrag beachtet werden.<br />
Blickpunkt EU<br />
Umweltbewusster Einkauf<br />
– Hilfestellung tut Not<br />
Es ist mittlerweile beliebte Praxis,<br />
den öffentlichen Dienst und dessen<br />
Mitarbeiter für alles, was nicht funktioniert,<br />
verantwortlich zu machen.<br />
Bei der Berücksichtigung von ökologischen<br />
Belangen in der Vergabepraxis<br />
gibt es jedoch Hindernisse, für<br />
die der einzelne – im Prinzip möglicherweise<br />
hoch motivierte – Sachbearbeiter<br />
wirklich nichts kann, vor allem,<br />
wenn er in einer kleineren Organisationseinheit<br />
tätig ist. Ein Hindernis<br />
ist, dass er bei jeder Ausschreibung<br />
neben der Feststellung des<br />
wahren Bedarfs, der Klärung der Verfügbarkeit<br />
der vorhandenen Mittel<br />
Buying green!<br />
A handbook on<br />
environmental public procurement<br />
European Commission<br />
und dem durch Gesetze und Verordnungen<br />
vorgeschriebenen Aufwand<br />
auch noch anhand einer Marktanalyse<br />
individuell prüfen müsste, ob<br />
und welche ökologisch günstigeren<br />
Lösungen es möglicherweise gibt. Er<br />
müsste dann noch prüfen, ab diese<br />
Lösungen finanziell tragbar sind und<br />
sie ausschreibungsgerecht formu-<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2005</strong><br />
15
16<br />
Blickpunkt EU<br />
lieren. Er kann hier zwar versuchen,<br />
bei entsprechenden Öko-Labeln<br />
(z. B. unter www.europa.eu.int/<br />
comm/environment/eco-label oder<br />
www.blauer-engel.de) Hilfestellungen<br />
zu suchen. Dies ist aber oft<br />
ziemlich mühsam und zeitaufwendig.<br />
Abhilfe könnte hier das zentrale<br />
<strong>Information</strong>ssystem schaffen: Mit<br />
www.beschaffung-info.de wurde<br />
mit Förderung durch das Bundesministerium<br />
für Umwelt zwar ein erster<br />
Anfang gemacht. Um durchschlagenden<br />
Erfolg zu haben, müsste dieser<br />
aber noch erheblich ausgebaut<br />
werden.<br />
Eine weitere Maßnahme, die den<br />
Sachbearbeiter erheblich entlasten<br />
würde, wäre das Aufstellen entsprechender<br />
EU-Normen. Nach Auffassung<br />
der Kommission sind diese<br />
Normen aufgrund der Art ihres Entstehens<br />
per se diskriminierungsfrei.<br />
Eine Beschreibung der technischen<br />
Spezifikationen auf Basis dieser Normen<br />
stellt damit das Übereinstimmen<br />
mit den Vergabeverordnungen<br />
der EU sicher. Die Normen sind zwar<br />
oft nur ein Minimalkonsens, aber<br />
auch großer Fortschritt ist oft die<br />
Summe von vielen wenig spektakulären<br />
kleinen Schritten.<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2005</strong><br />
<strong>Information</strong><br />
Download Handbuch „Buying Green!“<br />
www.europa.eu.int/comm/environment/gpp/pdf/int.pdf<br />
Öko-Label<br />
www.europa.eu.int/comm/environment/eco-label<br />
oder<br />
www.blauer-engel.de<br />
Zentrales <strong>Information</strong>ssystem<br />
www.beschaffung-info.de<br />
Kriterienkatalog zur umweltfreundlichen Beschaffung<br />
www.oekoeinkauf.at
Der <strong>Fachverband</strong> <strong>Steinzeugindustrie</strong> e.V. nimmt die vielfältigen Aufgaben<br />
der Normung sowohl in nationalen als auch in internationalen<br />
Gremien wahr, um Erfahrungen und Fachwissen einzubringen und<br />
um national etablierte Regelungen in europäischen Regelwerken einzugliedern.<br />
Seit der letzten <strong>STEINZEUG</strong> <strong>Information</strong> und dem <strong>STEINZEUG</strong> Update<br />
hat es im Regelwerk viele Neuigkeiten gegeben:<br />
CEN r DIN EN 295, Teil 10<br />
Mit Datum Mai <strong>2005</strong> wurde Teil 10 der DIN EN 295 Steinzeugrohre und<br />
Formstücke sowie Rohrverbindungen für Abwasserleitungen und -kanäle<br />
veröffentlicht.<br />
Die europäische Bauproduktrichtlinie legt u. a. Regeln zur Kennzeichnung<br />
von Bauprodukten fest. Mit diesem Teil 10 werden dann zukünftig Bauteile<br />
entsprechend Teil 1 sowie 4 bis 7 der DIN EN 295 mit dem CE-Zeichen gekennzeichnet.<br />
Der Teil 10 verweist direkt auf die vorhandenen anderen Teile<br />
der Normenreihe und regelt außer der Kennzeichnung keine eigenständigen<br />
technischen Lieferbedingungen. Mit der Umsetzung des Mandats der<br />
Kommission ist auch verbunden, dass alle Produkte der Abwassertechnik, die<br />
im CEN/TC 165 behandelt werden, der Konformitätsstufe 4 unterliegen.<br />
Damit entfällt die normative Verpflichtung der Fremdüberwachung. Eine<br />
Ausnahme bilden die Schachtabdeckungen mit der Stufe 1.<br />
Derzeit ist davon auszugehen, dass unter Beachtung der Fristen und Regelungen<br />
aus dem deutschen Baurecht die Norm ab 1. Januar 2007 Gültigkeit<br />
hat. Für den Geltungsbereich der Grundstücksentwässerung wird sie dann<br />
in der Bauregelliste B des Deutschen Instituts für Bautechnik geführt.<br />
CEN r DIN EN 295 Teile 1 bis 7<br />
Regelwerknews<br />
Normung – Überprüfung/Überarbeitung/Neuerscheinung<br />
Der FVST „regelt“ in den Gremien mit<br />
Teile 1 bis 7 der DIN EN 295 befinden sich in der Überarbeitung, die allerdings<br />
aufgrund der Beratungen in CEN/TC 165 WG 2 mehr Zeit als geplant<br />
benötigt.<br />
Ihre Struktur soll beibehalten werden, die inhaltlichen Änderungen und<br />
Ergänzungen beziehen sich im Wesentlichen auf den Teil 1. Derzeit sind u. a.<br />
folgende Punkte in der Bearbeitung:<br />
● Tragfähigkeitsklassen bei DN 700 und größer<br />
● Anpassung der Verbindungssysteme<br />
● Anpassung der Dichtheitsanforderungen<br />
an vorhandene Normen<br />
● Erweiterung um technische Lieferbedingungen<br />
zum Kanalbetrieb<br />
(Hochdruckspülfestigkeit und Prüfverfahren)<br />
● Technische Eigenschaften für<br />
Planung, Bau und Betrieb sowie für<br />
Berechnungen<br />
Mit der Überarbeitung sollen auch<br />
die einzelnen Teile 1 sowie 4 bis 7 jeweils<br />
um einen eigenen Anhang ZA<br />
zur Kennzeichnung mit dem CE-Zeichen<br />
ergänzt werden.<br />
CEN r TC 165, Projekt<br />
„Hochdruckspülfestigkeit“<br />
Nach vielen Jahren der Prüfungen,<br />
Diskussionen und Auseinandersetzungen<br />
wurde nun das als Norm<br />
angelegte Projekt verabschiedet<br />
und als technischer Bericht bei<br />
CEN veröffentlicht. Das Ergebnis<br />
dieser langjährigen Arbeit ist für die<br />
beteiligten Fachleute sicherlich<br />
nicht besonders befriedigend; die<br />
Notwendigkeit für eine solche europäische<br />
Norm war jedoch allseits<br />
anerkannt.<br />
Der technische Bericht beinhaltet<br />
den „Moving Test“ mit einer Einzeldüse<br />
und der kontinuierlichen Prüfung<br />
bei 120 bar Wasserdruck. Die<br />
Absicht, mit einer Einzeldüsen-Prüfung<br />
die Leistungsfähigkeit darzustellen,<br />
konnte nicht umgesetzt wer-<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2005</strong><br />
17
18<br />
Regelwerknews<br />
den. Der Bericht erscheint als CEN/TR<br />
14920.<br />
CEN r TC 165, DIN EN 1610<br />
In der Frühjahrssitzung des TC 165 in Oslo<br />
wurde über das Ergebnis der Aktualitätsprüfung<br />
der in 1997 erschienenen DIN EN<br />
1610 Verlegung und Prüfung von Abwasserleitungen<br />
und -kanälen beraten. Als Ergebnis<br />
wurde sie für weitere fünf Jahre bestätigt.<br />
CEN r Statische Berechnung<br />
erdverlegter Rohrleitungen<br />
Die neu gegründete Arbeitsgruppe WG 12<br />
im CEN/TC 165 hat ihre Arbeit aufgenommen.<br />
Der Technische Bericht CEN/TR 1295-<br />
2 wurde verabschiedet, während prCEN/TR<br />
1295-3 vom CEN/TC 165 noch freizugeben<br />
ist. Hierzu wird in der Novembersitzung<br />
<strong>2005</strong> beraten. Mit der Veröffentlichung als<br />
Technischer Bericht erreichen die Arbeiten<br />
an einem europäischen Verfahren zur statischen<br />
Berechnung ein abschließendes Ergebnis.<br />
CEN r DIN EN 1295, Teil 1<br />
befindet sich derzeit in der Aktualitätsprüfung.<br />
CEN r TC 165 Sitzungstermine<br />
Anberaumte Sitzungstermine:<br />
17. und 18. November <strong>2005</strong> in Ramsau/Österreich<br />
27. und 28. April 2006<br />
CEN r TC 165 Neuer convenor<br />
Auf der November-Sitzung 2004 des<br />
CEN/TC 165 in Mailand wurde als Nachfolger<br />
von Prof. Gerbault (F) L. Monfront (F) als<br />
neuer convenor gewählt.<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2005</strong><br />
DIN r NAW V9 UA 1<br />
Der Arbeitsstand im Normungsprojekt Prüfverfahren zur Ermittlung der<br />
Hochdruckspülfestigkeit von Rohrleitungsteilen für Abwasserkanäle und<br />
-leitungen beinhaltet derzeit einen Material- und Praxistest mit definierten<br />
Randbedingungen zum Versuchsablauf, zur Beschaffenheit der Prüfkörper,<br />
zum Prüfdruck und zur Spülwassermenge der Prüfdüsen. Ein wesentlicher<br />
Aspekt ist dabei die Nachvollziehbarkeit der Prüfung und der Ergebnisse daraus.<br />
Zurzeit werden freiwillige Vorversuche durchgeführt. Die <strong>Steinzeugindustrie</strong><br />
ist über den<br />
<strong>Fachverband</strong> <strong>Steinzeugindustrie</strong><br />
e.V.<br />
vertreten. Die Arbeiten<br />
sind soweit vorangeschritten,<br />
dass<br />
derzeit Hersteller<br />
und Verbände im<br />
Rahmen einer Umfrage<br />
zur Zustimmung<br />
befragt werden.<br />
Das Ergebnis<br />
der Umfrage ist für<br />
Ende Januar 2006 zu<br />
erwarten.<br />
Die Norm soll zukünftig<br />
für die Ausarbeitung<br />
oder Überarbeitung<br />
von Produktnormen<br />
für Abwasserkanäle<br />
und<br />
-leitungen dienen.<br />
Sie legt Prüfverfahren<br />
zur Ermittlung<br />
der Beständigkeit<br />
von neuen Rohren<br />
und Formstücken,<br />
einschließlich Verbindungen, für Abwasserleitungen und -kanäle gegenüber<br />
den Beanspruchungen bei der Reinigung mittels Hochdruckspülverfahren<br />
fest und soll auch für renovierte Abwasserleitungen und -kanäle nach DIN<br />
EN 752-5 anwendbar sein.<br />
Die Bauteile werden mit zwei Verfahren geprüft: Die hydraulischen Belastungen<br />
erfolgen mit einem Spülstrahl im Rahmen einer Werkstoffprüfung, die<br />
mechanischen Belastungen werden durch eine Spüldüse im Praxiseinsatz<br />
erfolgen. Beide Belastungen sind hinsichtlich der Maße der Düse und der<br />
hydraulischen Randbedingungen festgelegt. Über die Spülstrahlleistung<br />
können reproduzierbare Prüfbedingungen geschaffen werden. Eine Prüfung<br />
mit Geschiebe entfällt. Solche Beanspruchungen können über Abriebtests<br />
erfolgen (siehe auch DIN EN 295-3).
DWA r Rohrstatik für Vortriebsrohre<br />
Parallel zur Überarbeitung des ATV-DVWK-Arbeitsblattes A 125 Rohrvortrieb<br />
erfolgt in der DWA-Arbeitsgruppe ES 5.4 UA 3 die Überprüfung des ATV-<br />
DVWK-Arbeitsblattes A 161 Statische Berechnung von Vortriebsrohren.<br />
Dieses aus dem Jahre 1990 stammende Arbeitsblatt erfordert eine Aktualisierung<br />
u. a. aufgrund der Erkenntnisse und Erfahrungen aus dem Mikrotunnelbau<br />
und zwischenzeitlich erzielter Forschungsergebnisse.<br />
Ein besonderer Schwerpunkt bildet dabei die Berechnung der Vortriebskraft<br />
in Kenntnis der beim Rohrvortrieb entstehenden Verwinklungen der Rohre<br />
in den Verbindungen. Die beim Rohrvortrieb dokumentierten Daten sind mit<br />
den im Rahmen der Dimensionierung der Rohre vor dem Einbau zu Grunde<br />
gelegten Randbedingungen in Einklang zu bringen.<br />
Die in der <strong>STEINZEUG</strong> <strong>Information</strong> 2004 veröffentlichten Ergebnisse der Untersuchungen<br />
der RWTH Aachen werden im Rahmen der Überarbeitung des<br />
ATV-DVWK-Arbeitsblattes A 161 intensiv diskutiert.<br />
DWA r DWA-Merkblatt M 159<br />
In der Schlussphase der Bearbeitung konnten die Rohrverbände ihre Stellungnahme<br />
zum DWA-Merkblatt M 159 Kriterien zur Materialauswahl für<br />
Abwasserleitungen und -kanäle vortragen. Ziel des Merkblatts ist, Hinweise<br />
für Planung, Bau und Betrieb zu geben. Dazu werden punktuell einzelne<br />
Themen ohne Anspruch auf Vollständigkeit kurz behandelt. Die technischen<br />
Möglichkeiten der offenen und geschlossenen Bauweise sollen genutzt werden.<br />
Hierzu zählen auch die Pflüg- und Fräsverfahren. Die wirtschaftliche<br />
Bewertung hat hinsichtlich Bau- und Betriebskosten zu erfolgen. Der Angebotspreis<br />
aus Material- und Bauleistung allein ist nicht entscheidend.<br />
Die Veröffentlichung ist für Anfang 2006 zu erwarten.<br />
Kontakt<br />
Regelwerknews<br />
Bau-Ass. Dipl.-Ing. Karl-Heinz Flick<br />
<strong>Fachverband</strong> <strong>Steinzeugindustrie</strong> e.V.<br />
Alfred-Nobel-Straße 17<br />
50226 Frechen<br />
Tel.: 0 22 34/5 07-271<br />
Fax: 0 22 34/5 07-204<br />
E-Mail: fachverband@steinzeug.com<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2005</strong><br />
19
20<br />
Forschung + Technik<br />
Statische Berechnung von …<br />
… in Weimarer Boden-Mörtel ® eingebetteten<br />
Rohrleitungen<br />
Seit ca. 25 Jahren wird in Österreich<br />
die Stabilisierte Sandmischung<br />
(SSM) zur Verfüllung<br />
von offenen Gräben oder Künetten<br />
eingesetzt [1]. 1987 entwickelte die<br />
Hochschule für Architektur und Bauwesen<br />
(HAB) in Anlehnung an diese<br />
Technologie ein neues Verfüllmaterial,<br />
das in diesem Jahr schutzrechtlich<br />
angemeldet wurde. Das Forschungsinstitut<br />
für Tief- und Rohrleitungsbau<br />
Weimar e.V. begann 1996<br />
in Zusammenarbeit mit Prof. Werner<br />
und Prof. Henning, den Erfindern<br />
[2] des WBM Weimarer Boden-<br />
Mörtels ® (WBM), dieses Material zur<br />
Marktreife zu entwickeln. Die Arbeit<br />
führte zu weiteren deutschen und<br />
europäischen Schutzrechtsanmeldungen.<br />
Dieses selbstverdichtende<br />
Verfüllmaterial (SVM) wird nunmehr<br />
erfolgreich im Gas-, Wasser- und<br />
Fernwärmeleitungsbau eingesetzt.<br />
Aufgrund der guten Erfahrungen<br />
mit dieser neuartigen Verfüllmethode<br />
besteht der Wunsch der Hersteller<br />
und Anwender des SVM, die Anwendungsbereiche<br />
auch auf den<br />
Bau von Abwasserkanälen auszudehnen.<br />
Deshalb stellt sich die Frage, inwiefern<br />
sich die Verwendung dieser<br />
unkonventionellen Verfüllmethode<br />
auf die Tragwirkung des Gesamtsystems<br />
Rohr/SVM/Boden auswirkt.<br />
In DIN EN 1295-1 [3] ist die statische<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2005</strong><br />
Berechnung von erdverlegten Rohrleitungen geregelt. Hierbei handelt es sich<br />
um eine europäische Vorschrift, die die jeweilig national eingeführten Richtlinien<br />
enthält. Deutschland bezieht sich auf das ATV-DVWK-Arbeitsblatt A 127<br />
„Richtlinie für die statische Berechnung von Abwasserkanälen und -leitungen“<br />
[4]. Um die SVM auch im Kanalbau verwenden zu können, ist eine statische<br />
Berechnung nach dem Arbeitsblatt A 127 [4] erforderlich. Gegenwärtig<br />
sind jedoch nur konventionelle Rohrgraben-Verfüllmaterialien in diese<br />
Richtlinie integriert. Somit stellt sich die Berechnung von Rohren, die in SVM<br />
gebettet sind, als eine besondere Herausforderung dar. Ziel ist die Implementierung<br />
der selbstverdichtenden Verfüllmaterialien, im speziellen des WBM,<br />
in den Berechnungsgang des ATV-DVWK-A 127. Die Wiederverfüllung des<br />
Rohrgrabens mit SVM als interessante Alternative beschrieben u. a. STEIN &<br />
BRAUER [5].<br />
Selbstverdichtende Verfüllmaterialien<br />
Der WBM ist ein Baustoff-Bindemittel-Gemisch, welches in verflüssigter Form<br />
in den Rohrgraben eingebracht wird, sich selbstständig verdichtet und<br />
erhärtet. Er setzt sich wie folgt zusammen [6]:<br />
● Grundmaterial: natürlicher Boden (Bodenaushub etc.) oder Recycling-<br />
Material<br />
● Plastifikator: Suspension aus Wasser und quellfähigem Ton<br />
● Stabilisator: anorganische Bindemittel<br />
Der WBM stellt durch sein flüssiges Einbringen in den Leitungsgraben eine<br />
Verringerung der Grabenbreite [7]. Dies zieht eine Reduzierung des Grabenaushubs<br />
ohne Mehraufwand z.B. bei der Wiederherstellung des Straßenoberbaus<br />
nach sich. Ein weiterer Vorteil ist die gleichmäßige Einbettung der Rohre,<br />
die ebenfalls durch die Verflüssigung des Verfüllstoffs erzielt wird. Die<br />
selbstverdichtende Wirkung des Materials macht eine maschinelle Verdichtung<br />
unnötig. Deshalb kommt es zu einer Reduzierung der sonst auftretenden<br />
Einbaulasten. Diese verursachen besonders bei biegeweichen Rohren<br />
Verformungen, „die weit über den Werten für den Belastungszustand ‚Erdlast’<br />
nach den einschlägigen Regelwerken liegen“ [8, S. 212]. Ebenso ist<br />
eine Verdichtung im Zwickelbereich des Rohres, die Handarbeit erfordert,<br />
nicht notwendig.
Selbstverdichtende Verfüllmaterialien sollten in der Leitungszone ihre<br />
Anwendung finden. Diese reicht laut ATV-DVWK-A 139 [9] im Regelfall bis<br />
300 mm, aber mindestens bis 150 mm über den Rohrscheitel. Oberhalb werden<br />
natürliche Verfüllstoffe eingebracht, die lagenweise einzubauen und zu<br />
verdichten sind. Eine hierbei erforderliche Verdichtungsarbeit kann bei Nichteinhaltung<br />
von Überdeckungen zu Schäden an der Rohrleitung führen. Deshalb<br />
sind mittlere bis schwere Verdichtungsgeräte erst ab einem Meter über<br />
Rohrscheitel einzusetzen. Infolge dessen besteht bei dieser Einbauvariante<br />
ebenfalls die Gefahr von dynamischen Schädigungen. Um dem entgegenzuwirken,<br />
wäre die Anwendung von SVM zusätzlich in der Hauptverfüllung<br />
des Rohrgrabens von Vorteil.<br />
Die verfestigten WBM-Bodenkörper besitzen eine geringe Wasserdurchlässigkeit.<br />
Unterspülen der Leitung und daraus resultierende Zerstörungen derselben<br />
werden verhindert. Um die Spatenlösbarkeit zu gewährleisten, wird<br />
eine Rezeptur erstellt. Die Herstellung des WBM kann vor Ort (Schlämmemaschine<br />
etc.), aber auch im Werk erfolgen. Die SVM können mit Spaten<br />
wieder aufgegraben werden, da sie sich zur Bodenklasse 4 nach DIN 18300<br />
[10] zuordnen lassen. Die Lösbarkeit ist bei eventuellen Reparaturen bzw.<br />
Erneuerungen an vorhandenen Leitungen erforderlich.<br />
Im Gegensatz zur direkten Verwendung des vorliegenden Bodenaushubes<br />
verursacht zwar der Einsatz von SVM durch die Zugabe von Zusatzmitteln<br />
und die maschinelle Aufbereitung einen höheren Kostenaufwand. Dem stehen<br />
aber die zuvor genannten Vorteile, insbesondere der schmale Graben<br />
und die damit verbundenen erheblichen Kosteneinsparungen, gegenüber.<br />
Zum ATV-DVWK-Arbeitsblatt A 127<br />
Das ATV-DVWK-Arbeitsblatt A 127 gilt hauptsächlich für die statische Berechnung<br />
von Abwasserkanälen und -leitungen, die im Rohrgraben verlegt werden.<br />
Es ist auf die natürlichen Böden, also die konventionelle Verfüllmethode,<br />
abgestimmt. Der Berechnungsalgorithmus beruht auf einer Vielzahl<br />
bodenmechanischer Kenngrößen. Um diese Richtlinie anwenden zu können,<br />
ist eine Einordnung des anstehenden Bodens sowie der Verfüllmaterialien in<br />
die Bodengruppen G1 bis G4 notwendig. Hieraus resultieren berechnungsrelevante<br />
Kenngrößen, wie z.B. Wichte und Reibungswinkel. Ferner besteht<br />
die Möglichkeit, vom ATV-DVWK-A 127 abweichende Bodenkennwerte zu<br />
verwenden.<br />
Der WBM lässt sich zunächst nicht direkt einer Bodengruppe des Arbeitsblattes<br />
A 127 mit den zugehörigen Berechnungskennwerten zuordnen. Durch<br />
Auswertung von speziellen Plattendruck-, Ödometer- und Durchlässigkeitsversuchen<br />
können die notwendigen Parameter einzeln bestimmt werden<br />
[11]. Diese sind in den Berechnungsalgorithmus des ATV-DVWK-A 127 einzubinden.<br />
Einordnung<br />
WBM verhält sich ähnlich den natürlichen Böden. Bei der Auswertung von<br />
Ödometerversuchen konnte die Elastizität durch Rückverformung nach der<br />
Erstbelastung nachgewiesen werden. Hieraus lässt sich ableiten, dass der<br />
Forschung + Technik<br />
Lastansatz nach dem ATV-Arbeitsblatt<br />
A 127 erfolgen kann. Ebenso<br />
sind beim WBM die Scherparameter<br />
Reibungswinkel und Kohäsion bestimmbar.<br />
Unterschiede lassen sich<br />
hierbei in Abhängigkeit vom Grundmaterial,<br />
aber auch von der Druckfestigkeit<br />
erkennen. Es ergeben sich<br />
Reibungswinkel von rund 28 bis 40°.<br />
Im ATV-DVWK-Arbeitsblatt A 127<br />
wird für die Bodengruppe G1 ein<br />
Reibungswinkel von 35° (± 2,5°) und<br />
für G2 ein Reibungswinkel von 30°<br />
(± 2,5°) angegeben. Somit ist der<br />
WBM in Abhängigkeit des Reibungswinkels<br />
einem nicht- bzw. schwachbindigen<br />
Boden zuzuordnen.<br />
Im ATV-DVWK-A 127 ist weiterhin<br />
angegeben, dass zur Bestimmung<br />
des Verformungsmoduls E B beispielsweise<br />
der Plattendruckversuch<br />
nach DIN 18134 [12] angewandt<br />
werden kann. Dies trifft für Bodenarten<br />
und Stoffe zu, die sich nicht in<br />
die Bodenklassifizierung des Arbeitsblattes<br />
A 127 einordnen lassen. Es<br />
„sind mindestens fünf Werte zu bestimmen,<br />
der Kleinstwert ist maßgebend“<br />
[4, S. 11]. Für den WBM wurden<br />
die Druck-Setzungs-Kurven dieses<br />
Versuchs im Spannungsbereich 0<br />
bis 100 kN/m 2 analog den Richtwerten<br />
in ATV-DVWK-A 127 ausgewertet.<br />
Die Verformungsmoduln ergaben<br />
sich zu 30 … 45 N/mm 2 [13,<br />
14] und liegen somit im Bereich der<br />
Bodengruppe G1. Demnach ist der<br />
WBM den nichtbindigen Böden zuzuordnen.<br />
Für den WBM erfolgte analog DIN<br />
18136 [15] die Bestimmung des<br />
Elastizitätsmoduls E und der Querdehnzahl<br />
�. Letztere gibt das Verhältnis<br />
von Querdehnung zu Längsdehnung<br />
bei axialer Belastung an.<br />
Theoretisch ergeben sich Werte zwischen<br />
0 und 0,5. Hierbei gilt ein Material<br />
mit einer Querdehnzahl von<br />
0,5 als inkompressibel. Beim WBM<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2005</strong><br />
21
22<br />
Forschung + Technik<br />
wurde ein �-Wert von durchschnittlich<br />
0,25 bestimmt. Nach SCHMIDT<br />
[16] liegt somit die Querdehnzahl<br />
des WBM im Bereich von Sanden,<br />
die nach ATV-DVWK-A 127 ebenfalls<br />
zur Bodengruppe G1 gehören.<br />
Das Langzeitverhalten eines bindigen<br />
Bodens wird durch den Reduktionsfaktor<br />
f 1 für das Kriechen berücksichtigt.<br />
Aus dem Zeit-Setzungs-<br />
Verlauf des WBM sind Aussagen zum<br />
Kriechen möglich. Für den WBM<br />
wurden Zeit-Setzungs-Linien für die<br />
drei Auflastspannungen 50, 100 und<br />
200 kN/m 2 beim Ödometerversuch<br />
bestimmt. Sie verlaufen bei halblogarithmischer<br />
Skalierung nahezu linear.<br />
Als Konsequenz hieraus lässt<br />
sich der Reduktionsfaktor f 1 zu 1,0<br />
ableiten. Ein für bindige Böden typischer<br />
Kurvenverlauf, wie er in DIN<br />
18135 [17] angegeben ist, stellt sich<br />
demnach beim Bodenmörtel nicht<br />
ein.<br />
Der Abminderungsfaktor f 2 des Verformungsmoduls<br />
E 2 der Leitungszone<br />
berücksichtigt grundwasserbedingte<br />
Sackungen. Da Grundwasser<br />
Einfluss auf die Tragfähigkeit des Bodens<br />
hat, erfolgt eine Abminderung<br />
von E 2 bei einem Verdichtungsgrad<br />
D Pr kleiner 95 %. Aus den ermittelten<br />
Wasserdurchlässigkeitswerten lässt<br />
sich schlussfolgern, dass die Bodenmörtel<br />
nur gering bis schwach wasserdurchlässig<br />
sind. Hieraus resultiert,<br />
dass keine relevanten Sackungen<br />
infolge Grundwassereinfluss zu<br />
erwarten sind; der Abminderungsfaktor<br />
f 2 ist hiernach bestimmbar<br />
und mit 1,0 anzusetzen.<br />
Zur Ermittlung der Erdlast p E und der<br />
gleichmäßig verteilten Flächenlast<br />
p 0 werden die Abminderungsfaktoren<br />
� und � 0 nach der Silotheorie<br />
herangezogen. Folgende Voraussetzungen<br />
müssen dazu erfüllt sein:<br />
● E 1 � E 3 r �<br />
● E 1 � E 3 r � 0<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2005</strong><br />
● Grabenverfüllung: D Pr > 90 %<br />
● Grabenwände bleiben auf Dauer erhalten<br />
(E 1 … Verformungsmodul Hauptverfüllung; E 3 … Verformungsmodul<br />
anstehender Boden)<br />
Bei Verwendung von Bodenmörtel als Überschüttung sind die o. g. Voraussetzungen<br />
zu prüfen und die Abminderungsfaktoren gegebenenfalls anzusetzen.<br />
Wenn der Rohrgraben vollständig mit WBM verfüllt wird, trifft die Überschüttungsbedingung<br />
A4 zu. Dies berücksichtigt den optimalen Verbund<br />
(durch das flüssige Einbringen des WBM) zwischen Verfüllung und Grabenwand.<br />
Da der WBM hohe Verformungsmoduln im Bereich der nichtbindigen<br />
Böden aufweist, ergeben sich in der Regel die Abminderungsfaktoren zu 1.<br />
„Maßgebend für die Abminderung der Erdlast sind der Seitendruck auf die<br />
Grabenwände, ausgedrückt durch das Verhältnis K 1 von horizontalem zu vertikalem<br />
Erddruck, und der wirksame Wandreibungswinkel �“ [4, S. 17]. K 1<br />
lässt sich nach LEONHARDT [18] wie folgt bestimmen:<br />
K1 = 1 + sin 2�’ – 2 sin 2�’ – tan 2�cos 2�’ cos 2�’ + 4 tan 2 klllllllllllll<br />
�<br />
Das Erddruckverhältnis K 1 ist von den bekannten Parametern Reibungswinkel<br />
�’ und Überschüttungsbedingung, also dem daraus resultierenden Wandreibungswinkel<br />
�, abhängig und kann somit für den WBM ermittelt werden.<br />
Bei der Verfüllung des Rohrgrabens oberhalb der Leitungszone mit einem anderen<br />
Boden als dem Aushub ist der jeweils kleinere der beiden Reibungswinkel<br />
anzusetzen. WBM besitzt zumeist einen relativ hohen Reibungswinkel<br />
�’, so dass �’ des anstehenden Bodens maßgebend wird. K 1 ergibt sich<br />
dementsprechend zu dem für alle Bodengruppen des ATV-DVWK-A 127 zutreffenden<br />
Wert 0,5. Wenn �’ des WBM maßgebend ist, ergeben sich höhere<br />
Werte für das Erddruckverhältnis K 1 .<br />
Nach LEONHARDT [19] kann das Erddruckverhältnis K 2 in der Leitungszone<br />
nach Gleichung (2) und (3) bestimmt werden.<br />
K2 = K – 2 · c klK<br />
�v mit K = K 0 = 1 – sin �’ (3)<br />
Die Berechnung von K 2 basiert auf der Kohäsion c und der vertikalen Spannung<br />
� v . Da die Kohäsion des Bodenmörtels aufgrund der Verfestigung sehr<br />
hoch ist, ergibt sich ein K 2 -Wert von nahezu Null. Das würde bedeuten, dass<br />
keine horizontale Spannung im WBM trotz vertikaler Spannung auftreten<br />
würde. Dies entspricht nicht dem Tragverhalten des Bodenmörtels. WBM<br />
verhält sich ähnlich der Bodengruppe G1 und deshalb erfolgte die Berechnung<br />
von in SVM gebetteten biegeweichen Rohre mit K 2 = 0,4.<br />
Die Rohrauflagerung in SVM stellt ein „Auflager im Boden“ dar mit der relativen<br />
Ausladung a = 1. Der Einbau von SVM in verflüssigter Konsistenz und<br />
die hieraus resultierende selbstverdichtende Wirkung haben optimale Bettungsbedingungen<br />
ohne Hohlräume zur Folge. Daraus ist der Auflagerwinkel<br />
2 � = 180° beim Bodenmörtel begründet.<br />
(1)<br />
(2)
Berechnung<br />
Lösungsalgorithmus<br />
Ähnlich der Vorgehensweise bei der Berechnung von Vortriebsrohren [20] ist<br />
zwischen einem Bauzustand und einem Betriebszustand zu unterscheiden.<br />
Da die selbstverdichtenden Verfüllmaterialien in flüssiger Form in den Rohrgraben<br />
eingebracht werden, ist zunächst der Nachweis der Auftriebssicherheit<br />
zu führen (Bauzustand). Nach DIN 1054 [21] stellen hierbei das Rohreigengewicht<br />
und die stützende Kraft aus den Belastungsbänken günstige<br />
Einwirkungen dar; die Auftriebskraft steht als ungünstige Einwirkung gegenüber.<br />
Dabei ist der „Flüssigkeitsspiegel“ des SVM in Höhe des Rohrscheitels<br />
anzunehmen, die maximale Auftriebskraft wird angesetzt.<br />
Die Berechnung im Betriebszustand erfolgt in Analogie zum ATV-DVWK-<br />
Arbeitsblatt A 127, wobei zwischen biegesteifen und biegeweichen Rohren<br />
zu unterscheiden ist.<br />
Herangehensweise<br />
Für Beispielrechnungen erfolgte die softwareseitige Umsetzung des gesamten<br />
Berechnungsalgorithmus des ATV-DVWK-A 127. Dies hat den Vorteil,<br />
dass die getroffenen Annahmen bezüglich des WBM einzeln in die Software<br />
übertragbar sind. Diese Möglichkeit besteht bei vorhandenen computergestützten<br />
Programmen nicht. Deren Berechnungen laufen im Hintergrund ab<br />
und Parameter können nicht unabhängig voneinander geändert werden.<br />
In Anlehnung an die Beispiele im Anhang des Arbeitsblattes A 127 wurden<br />
folgende Rohrtypen statisch nachgewiesen. Die Berechnung erfolgte für ein<br />
biegesteifes Steinzeug-Rohr (DIN EN 295), ein biegeweiches Rohr mit Elastizitätsmodul<br />
(PVC-U-Rohr nach DIN EN 1401) und ein biegeweiches Rohr<br />
mit Nennsteifigkeit (UP-GF-Rohr nach DIN 19565) der Nennweiten DN 300<br />
und DN 500. Darüber hinaus wurde für das Steinzeug-Rohr und das glasfaserverstärkte<br />
Polyesterharz-Rohr die Nennweite DN 1000 nachgewiesen.<br />
Varianten der Verfüllung<br />
Um die konventionelle Grabenverfüllung mit der unkonventionellen, also<br />
selbstverdichtenden Verfüllmethode (SVM, WBM) vergleichen zu können,<br />
wurden nachstehende Varianten der Einbaumöglichkeit unterschieden.<br />
Variante 1 (Abb. 1a) beschreibt einen schmalen Rohrgraben, in welchem das<br />
Rohr im WBM eingebettet ist, die Hauptverfüllung jedoch mit einem natürlichen<br />
Boden erfolgt. Variante 2 (Abb. 1b) steht beispielhaft für einen<br />
vollständig mit WBM verfüllten, schmalen Rohrgraben. Beide<br />
Varianten stehen im Vergleich zu der konventionellen Verfüllmethode<br />
(Abb. 1c), welche durch breitere Rohrgräben sowie eine<br />
Einbettung und Überschüttung aus natürlichen Böden charakterisiert<br />
ist.<br />
Forschung + Technik<br />
300 (DN 1000) b = 1,0 m (2,2 m).<br />
Da der anstehende Boden mit einem<br />
Verformungsmodul von 8 N/mm 2<br />
angesetzt wurde, ist bei Variante 2<br />
die Wahl der Überschüttungsbedingung<br />
irrelevant. Bei Variante 1 und<br />
bei der konventionellen Verfüllmethode<br />
ist die Überschüttungsbedingung<br />
A1 angesetzt worden, um den<br />
erforderlichen Verdichtungsgrad D Pr<br />
von 95 % zu realisieren. Weiterhin<br />
wurden für alle Varianten Auflagerwinkel<br />
von 2 � = 120°, bei konventioneller<br />
Hauptverfüllung auch 2 � =<br />
90° und bei unkonventioneller Verfüllmethode<br />
mit SVM/WBM ebenso<br />
2 � = 180°, betrachtet. Bei den Varianten<br />
1 und 2 kamen die ermittelten<br />
Verformungsmoduln des WBM zur<br />
Anwendung. Im Arbeitsblatt A 127<br />
[4, S. 24] heißt es: „Bei Böden (Lockergestein)<br />
wird E 4 = 10 · E 1 angenommen,<br />
sofern im Einzelfall keine<br />
genaueren Angaben vorliegen.“ Da<br />
es sich beim WBM um Bodenaustausch<br />
handelt, trifft diese Angabe<br />
nicht zu. Der Verformungsmodul E 4<br />
unter dem Rohr wird daher bei Variante<br />
2 entsprechend den beiden anderen<br />
Verfüllvarianten mit 50<br />
N/mm 2 angesetzt.<br />
Ergebnisse<br />
Für das biegesteife Steinzeug-Rohr<br />
ergeben sich bei den betrachteten<br />
WBM-Sand und WBM-RC identische<br />
Sicherheiten im Spannungsnach-<br />
Eingabedaten<br />
Ähnlich den Berechnungsbeispielen des ATV-DVWK-A 127 erfolgte<br />
der Ansatz der Einbaubedingungen. Für alle drei Verfüllmethoden<br />
wurde zur Vergleichbarkeit bei der Betrachtung von Rohren<br />
a) b) c)<br />
DN 500 die Grabenbreite b = 1,4 m gewählt, bei Rohren mit DN Abb. 1: Varianten der Verfüllung.<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2005</strong><br />
23
24<br />
Forschung + Technik<br />
weis. Die Abb. 2 und Abb. 3 zeigen<br />
zunächst die Untersuchungsergebnisse<br />
für das Steinzeug-Rohr am kritischen<br />
Punkt Rohrsohle.<br />
Es zeigt sich für die Nennweite DN<br />
500 (Grabenbreite: 1,4 m) in Abb. 2,<br />
dass sowohl die Verfüllung der Leitungszone<br />
als auch die komplette<br />
Ausführung mit WBM zu höheren Sicherheiten<br />
gegenüber der konventionellen<br />
Grabenverfüllung führen.<br />
Abb. 3 veranschaulicht die maßgebenden<br />
Sicherheiten für Steinzeug-<br />
Rohre mit unterschiedlichen Nenndurchmessern.<br />
Für biegesteife Rohre<br />
ist aufgrund fehlender Verformung<br />
und Bettungsreaktion das Erddruckverhältnis<br />
K 2 = K 1 .<br />
Die nachfolgenden Abbildungen<br />
zeigen die Ergebnisse der statischen<br />
Berechnungen der biegeweichen<br />
Rohrleitungen. Das Erddruckverhältnis<br />
K 2 beträgt bei allen Variationen<br />
0,4. Abb. 4 gibt für das PVC-U-Rohr<br />
mit DN 500 die Sicherheiten in der<br />
Sohle an.<br />
Die Ergebnisse verdeutlichen, dass<br />
Variante 1 und 2 höhere Sicherheiten<br />
des Spannungsnachweises gegenüber<br />
der konventionellen Grabenverfüllung<br />
aufweisen. Der Nachweis<br />
der Verformungen ist insbesondere<br />
für den Langzeitfall zu führen.<br />
In Abb. 5 zeigt sich für das PVC-U-<br />
Rohr, dass die relativen vertikalen<br />
Verformungen � v bei der konventionellen<br />
Verfüllmethode deutlich über<br />
denen bei WBM-Teil- oder Vollverfüllung<br />
des Rohrgrabens liegen. Die<br />
Verfüllung der Leitungszone mit<br />
WBM (Variante 1) führt zu kleineren<br />
Verformungen. Wenn auch die<br />
Hauptverfüllung mit WBM ausgeführt<br />
wird, treten die geringsten vertikalen<br />
Verformungen auf.<br />
Für ein biegeweiches Rohr mit zugehöriger<br />
Nennsteifigkeit (UP-GF-<br />
Rohr) sind die in Abb. 6 enthaltenen<br />
Verformungswerte � v bei unter-<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2005</strong><br />
( Sohle)<br />
n<br />
e<br />
t<br />
i<br />
e<br />
h<br />
r<br />
e<br />
h<br />
c<br />
i<br />
S<br />
6,5<br />
6,0<br />
5,5<br />
5,0<br />
4,5<br />
4,0<br />
3,5<br />
3,0<br />
konventionell - 2�<br />
= 90°<br />
Biegesteifes Steinzeug-Rohr (DN 500)<br />
Spannungsnachweis<br />
konventionell - 2�<br />
= 120°<br />
Variante 1 - 2�<br />
= 120°<br />
Variante 1 - 2�<br />
= 180°<br />
Variante 2 - 2�<br />
= 120°<br />
Varianten der Verfüllung bei verschiedenen Auflagerwinkeln 2�<br />
Abb. 2: Sicherheiten des Steinzeug-Rohres – DN 500 in WBM-Sand und WMB-RC.<br />
)<br />
e<br />
l<br />
h<br />
o<br />
S<br />
(<br />
n<br />
e<br />
t<br />
i<br />
e<br />
h<br />
r<br />
e<br />
h<br />
c<br />
i<br />
S<br />
9,0<br />
8,0<br />
7,0<br />
6,0<br />
5,0<br />
4,0<br />
3,0<br />
2,0<br />
1,0<br />
0,0<br />
Biegesteife Steinzeug-Rohre<br />
Spannungsnachweis<br />
DN 300 DN 500 DN 1000<br />
Variante 2 - 2�<br />
= 180°<br />
konventionell - 2� = 90°<br />
konventionell - 2� = 120°<br />
Variante 1 - 2� = 120°<br />
Variante 1 - 2� = 180°<br />
Variante 2 - 2� = 120°<br />
Variante 2 - 2� = 180°<br />
Abb. 3: Vergleich der Sicherheiten (Steinzeug-Rohr) in Abhängigkeit des DN.<br />
d<br />
n<br />
a<br />
S<br />
-<br />
M<br />
B<br />
W<br />
C<br />
R<br />
-<br />
M<br />
B<br />
W<br />
t<br />
i<br />
e<br />
z<br />
z<br />
r<br />
u<br />
K<br />
t<br />
i<br />
e<br />
z<br />
g<br />
n<br />
a<br />
L<br />
t<br />
i<br />
e<br />
z<br />
z<br />
r<br />
u<br />
K<br />
t<br />
i<br />
e<br />
z<br />
g<br />
n<br />
a<br />
L<br />
konventionell - 2� = 90°<br />
konventionell - 2� = 120°<br />
Variante 1 - 2� = 120°<br />
Variante 1 - 2� = 180°<br />
Variante 2 - 2� = 120°<br />
Variante 2 - 2� = 180°<br />
konventionell - 2� = 90°<br />
konventionell - 2� = 120°<br />
Variante 1 - 2� = 120°<br />
Variante 1 - 2� = 180°<br />
Variante 2 - 2� = 120°<br />
Variante 2 - 2� = 180°<br />
konventionell - 2� = 90°<br />
konventionell - 2� = 120°<br />
Variante 1 - 2� = 120°<br />
Variante 1 - 2� = 180°<br />
Variante 2 - 2� = 120°<br />
Variante 2 - 2� = 180°<br />
konventionell - 2� = 90°<br />
konventionell - 2� = 120°<br />
Variante 1 - 2� = 120°<br />
Variante 1 - 2� = 180°<br />
Variante 2 - 2� = 120°<br />
Variante 2 - 2� = 180°<br />
Biegeweiches PVC-U-Rohr (DN 500)<br />
Spannungs-Nachweis<br />
0,0 5,0 10,0 15,0 20,0 25,0 30,0 35,0 40,0 45,0 50,0 55,0<br />
Sicherheiten (Sohle)<br />
Abb. 4: Sicherheiten des biegeweichen PVC-U-Rohres – DN 500.
]<br />
%<br />
[<br />
g<br />
n<br />
u<br />
m<br />
r<br />
o<br />
f<br />
r<br />
e<br />
V<br />
e<br />
l<br />
a<br />
k<br />
i<br />
t<br />
r<br />
e<br />
v<br />
e<br />
v<br />
i<br />
t<br />
a<br />
l<br />
e<br />
r<br />
]<br />
%<br />
[<br />
g<br />
n<br />
u<br />
m<br />
r<br />
o<br />
f<br />
r<br />
e<br />
V<br />
e<br />
l<br />
a<br />
k<br />
i<br />
t<br />
r<br />
e<br />
v<br />
e<br />
v<br />
i<br />
t<br />
a<br />
l<br />
e<br />
r<br />
)<br />
e<br />
l<br />
h<br />
o<br />
S<br />
(<br />
n<br />
e<br />
t<br />
i<br />
e<br />
h<br />
r<br />
e<br />
h<br />
c<br />
i<br />
S<br />
1,50<br />
1,25<br />
1,00<br />
0,75<br />
0,50<br />
0,25<br />
0,00<br />
24,0<br />
18,0<br />
12,0<br />
6,0<br />
0,0<br />
konventionell - 2�<br />
= 90°<br />
konventionell - 2�<br />
= 120°<br />
Variante 1 - 2�<br />
= 120°<br />
konventionell - 2�<br />
= 120°<br />
Variante 1 - 2�<br />
= 180°<br />
Variante 1 - 2�<br />
= 120°<br />
Biegeweiches PVC-U-Rohr (DN 500)<br />
Verformungsnachweis<br />
Variante 1 - 2�<br />
= 180°<br />
Biegeweiches UP-GF-Rohr (DN 500)<br />
Dehnungsnachweis<br />
konventionell - 2�<br />
= 120°<br />
Variante 2 - 2�<br />
= 180°<br />
Variante 1 - 2�<br />
= 120°<br />
°<br />
0<br />
8<br />
1<br />
-<br />
2<br />
e<br />
t<br />
n<br />
a<br />
i<br />
r<br />
a<br />
V<br />
Variante 1 - 2�<br />
= 180°<br />
Kurzzeit Langzeit Kurzzeit Langzeit<br />
konventionell - 2�<br />
= 120°<br />
Variante 1 - 2�<br />
= 120°<br />
Variante 1 - 2�<br />
= 180°<br />
WBM-Sand WBM-RC<br />
Abb. 7: Sicherheiten des UP-GF-Rohres – DN 500 (Dehnungsnachweis).<br />
konventionell - 2�<br />
= 90°<br />
konventionell - 2�<br />
= 120°<br />
Variante 1 - 2�<br />
= 120°<br />
Variante 1 - 2�<br />
= 180°<br />
WBM-Sand WBM-RC<br />
Abb. 5: Relative vertikale Verformungen � v (PVC-U-Rohr – DN 500).<br />
1,50<br />
1,25<br />
1,00<br />
0,75<br />
0,50<br />
0,25<br />
0,00<br />
konventionell - 2�<br />
= 90°<br />
konventionell - 2�<br />
= 120°<br />
Variante 1 - 2�<br />
= 120°<br />
Biegeweiches UP-GF-Rohr (DN 500)<br />
Verformungsnachweis<br />
Variante 1 - 2�<br />
= 180°<br />
Variante 2 - 2�<br />
= 120°<br />
Variante 2 - 2�<br />
= 180°<br />
konventionell - 2�<br />
= 90°<br />
konventionell - 2�<br />
= 120°<br />
Variante 1 - 2�<br />
= 120°<br />
Variante 1 - 2�<br />
= 180°<br />
WBM-Sand WBM-RC<br />
Abb. 6: Vertikale Verformungen (UP-GF-Rohr – DN 500).<br />
konventionell - 2�<br />
= 120°<br />
Variante 2 - 2�<br />
= 180°<br />
Variante 2 - 2�<br />
= 120°<br />
Variante 1 - 2�<br />
= 120°<br />
°<br />
0<br />
8<br />
1<br />
-<br />
2<br />
e<br />
t<br />
n<br />
a<br />
i<br />
r<br />
a<br />
V<br />
Variante 2 - 2�<br />
= 180°<br />
Variante 1 - 2�<br />
= 180°<br />
Forschung + Technik<br />
schiedlichen Verfüllvarianten des<br />
Rohrgrabens und verschiedenen<br />
Auflagerwinkeln 2 � zu verzeichnen.<br />
Die Varianten 1 (WBM in Leitungszone)<br />
und 2 (WBM im gesamten Rohrgraben)<br />
bewirken bei einem glasfaserverstärkten<br />
Polyesterharz-Rohr<br />
mit DN 500 (Grabenbreite: 1,4 m)<br />
kaum unterschiedliche Rohrverformungen.<br />
Die Verformungen reduzieren<br />
sich allerdings auf nahezu die<br />
Hälfte der Verformungen gegenüber<br />
konventioneller Grabenverfüllung.<br />
Auch beim Dehnungsnachweis für<br />
das UP-GF-Rohr (Abb. 7) zeigt sich,<br />
dass die Verfüllung des Rohrgrabens<br />
mit WBM gegenüber der konventionellen<br />
Verfüllmethode eine deutliche<br />
Erhöhung der Sicherheiten bewirkt.<br />
Die biegeweichen Rohre sind gleichermaßen<br />
für den Nenndurchmesser<br />
DN 300 (Grabenbreite: 1,0 m)<br />
bzw. DN 1000 (nur bei UP-GF-Rohr)<br />
statisch nachgewiesen worden.<br />
Hierzu lassen sich die gleichen<br />
Schlussfolgerungen wie bei DN 500<br />
ziehen.<br />
Zusammenfassung<br />
Basierend auf der Auswertung einer<br />
Vielzahl bodenmechanischer Analysen<br />
der WBM konnte eine Einordnung<br />
dieses selbstverdichtenden<br />
Verfüllmaterials in den rohrstatischen<br />
Berechnungsalgorithmus des<br />
ATV-DVWK-Arbeitsblattes A 127 erfolgen.<br />
Direkte Zuordnungen zu den<br />
im Arbeitsblatt A 127 klassifizierten<br />
Bodengruppen mit deren zugehörigen<br />
berechnungsrelevanten Kennwerten<br />
waren nicht zu sichern.<br />
Die Ergebnisse der rohrstatischen<br />
Vergleichsrechnungen haben gezeigt,<br />
dass die Verwendung von<br />
WBM in der Leitungszone, aber auch<br />
zusätzlich in der Hauptverfüllung, zu<br />
höheren Sicherheiten der Rohre gegenüber<br />
der konventionellen Gra-<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2005</strong><br />
25
26<br />
Forschung + Technik<br />
benverfüllung führt. Für alle Untersuchungsvarianten<br />
wurden die Grabenbreiten<br />
in Anlehnung an das<br />
ATV-DVWK-A 139 gewählt; beim unkonventionellen<br />
Verfüllstoff (SVM<br />
bzw. WBM) sind dennoch schmalere<br />
Gräben möglich. Aus dieser Bedingung<br />
resultieren noch höhere Sicherheiten<br />
bei der Verlegung von<br />
Rohren in SVM.<br />
Auch die vertikale Verformung von<br />
in SVM eingebetteten biegeweichen<br />
Rohren ist deutlich geringer als bei<br />
der konventionellen Grabenverfüllung.<br />
Betrachtet man hierzu den Vergleich<br />
des Auflagerwinkels 2 � von<br />
90° (konventionell) zu 180° (für<br />
WBM maßgeblich), ist eine Halbierung<br />
der relativen vertikalen Verformung<br />
� v zu verzeichnen. Bei allen<br />
Berechnungsbeispielen ist die maximal<br />
zulässige Verformung von 6 %<br />
nicht überschritten.<br />
Die Verlegung der Rohre in SVM<br />
oder WBM bietet neben der Kostenreduzierung<br />
durch schmalere Rohrgräben<br />
zugleich eine Erhöhung der<br />
Sicherheiten für die Rohrleitungen.<br />
Literatur<br />
[1] BELETZ, O. (1982): Stabilisierte<br />
Sandmischung (SSM). – Zement und<br />
Beton, Heft 1, S. 39–40<br />
[2] WERNER, D. & HENNING, O.<br />
(1998): Boden-Mörtel – ein neuartiger<br />
Verfüllstoff für schmale Leitungsgräben<br />
in der Gas- und Wasserverteilung. – Gasund<br />
Wasserfach, S. 112–119<br />
[3] DIN EN 1295-1 (September<br />
1997): Statische Berechnung von erdverlegten<br />
Rohrleitungen unter verschiedenen<br />
Belastungsbedingungen, Beuth-<br />
Verlag<br />
[4] ATV-DVWK-A 127 (August 2000):<br />
Statische Berechnung von Abwasserkanälen<br />
und -leitungen, 3. Auflage<br />
[5] STEIN, R. & BRAUER, A. (<strong>2005</strong>): Eine<br />
interessante Alternative. – bi Umwelt-<br />
Bau, Heft 1<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2005</strong><br />
[6] WERNER, D. & HENNING, O.: Schmalere Leitungsgräben durch verdichtungslose<br />
Rohrbettung und -füllung – ein neuer wirtschaftlicher Lösungsansatz, Vortrag<br />
anlässlich der ibausil, 1996 in Weimar; http://www.fitr.de/Bau-Moertel/Fachpresse/<br />
IBausil/Text_Werner_Henning_ibausil.html<br />
[7] BERGER, W., KRAUSEWALD, J. & VAN HEYDEN, L. (1999): Boden-Mörtel – Anwendungsfragen<br />
und Wirtschaftlichkeit für den Tiefbau der Gasverteilung. – Gasund<br />
Wasserfach, S. 513–518<br />
[8] KIESSELBACH, G.: Beanspruchung von Rohrleitungen während des Einbauzustandes,<br />
Rohrbau Weimar 2000, (6./7. Dezember in Weimar), S. 207–218<br />
[9] ATV-DVWK-A 139 (Juni 2001): Einbau und Prüfung von Abwasserleitungen und<br />
-kanälen<br />
[10] DIN 18300 – VOB Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen – Teil C<br />
(Dezember 2002): Allgemeine Technische Vertragsbedingungen für Bauleistungen<br />
(ATV), Erdarbeiten<br />
[11] SPAHN, K. (<strong>2005</strong>): Beitrag zur Erfassung der Beanspruchung von in selbstverdichtenden<br />
Verfüllmaterialien eingebetteten biegeweichen und biegesteifen Rohrmaterialien<br />
im Kanalbau, Diplomarbeit, Bauhaus-Universität Weimar<br />
[12] DIN 18134 (September 2001): Versuche und Versuchsgeräte – Plattendruckversuch,<br />
Beuth-Verlag<br />
[13] VERSUCHSPROTOKOLL (Mai <strong>2005</strong>): Statische Lastplattendruckversuche – Forschungsinstitut<br />
für Tief- und Rohrleitungsbau Weimar e.V., Versuchsfeld<br />
[14] VERSUCHSPROTOKOLL (Mai 1997): Statische Lastplattendruckversuche –<br />
MFPA Weimar, Lützendorfer Straße<br />
[15] DIN 18136 (November 2003): Baugrund, Untersuchung von Bauproben – Einaxialer<br />
Druckversuch – Einaxialversuch, Beuth-Verlag<br />
[16] SCHMIDT, H.-H. (November 2001): Grundlagen der Geotechnik, Teubner-Verlag,<br />
2. Auflage<br />
[17] DIN 18135 (Juni 1999): Baugrund, Untersuchung von Bodenproben – Eindimensionaler<br />
Kompressionsversuch, Beuth-Verlag<br />
[18] LEONHARDT, G. (1984): Einige Bemerkungen zum statischen und bodenmechanischen<br />
Konzept des ATV-Arbeitsblattes A 127. – Korrespondenz Abwasser, S.<br />
528–531<br />
[19] LEONHARDT, G. (1979): Bodenmechanische Fragen der statischen Berechnung<br />
und Einbettung von erdverlegten Rohrleitungen. – Korrespondenz Abwasser, S. 489–<br />
493<br />
[20] ATV-DVWK-A 161 (Januar 1990): Statische Berechnung von Vortriebsrohren<br />
[21] DIN 1054 (Januar <strong>2005</strong>): Baugrund – Sicherheitsnachweise im Erd- und Grundbau,<br />
Beuth-Verlag<br />
Kontakt<br />
Dipl.-Ing. Kathrin Spahn<br />
Dr.-Ing. Wolfgang Berger<br />
Dr.-Ing. Dietmar Mälzer<br />
FITR Forschungsinstitut für Tiefund<br />
Rohrleitungsbau Weimar e.V.<br />
99427 Weimar<br />
Internet: www.fitr.de
Forschung + Technik<br />
Spannungsverteilung in Rohrfugen<br />
Online-Überwachung der Vorpresskraft<br />
beim Rohrvortrieb<br />
Kanäle und Leitungen können in offener oder in geschlossener Bauweise<br />
verlegt werden. Was die Belastung und Bemessung der Rohre anbelangt,<br />
sind bei der geschlossenen Bauweise die während des Einbauvorgangs<br />
auftretenden Vortriebskräfte zumeist maßgebend. Diese Vortriebskräfte<br />
werden von einer Vortriebspresse im Startschacht auf das jeweils zuletzt<br />
eingebaute Rohr aufgebracht und von Rohr zu Rohr bis zur Vortriebsmaschine<br />
übertragen (Abb. 1).<br />
Insgesamt ergibt sich die aufzubringende Vortriebskraft aus dem so genannten<br />
Spitzenwiderstand am Schneidrad der Vortriebsmaschine und der Mantelreibung<br />
zwischen Rohren und Boden. Mit zunehmender Vortriebsstreckenlänge<br />
nimmt daher auch die aufzubringende Vorpresskraft zu (Abb. 1).<br />
Zur Verbesserung der Übertragung der Presskräfte von Rohr zu Rohr werden<br />
Fugenzwischenlagen eingesetzt. Das Vortriebsrohr in Kombination mit der<br />
Fugenzwischenlage muss so ausgelegt werden, dass die Presskräfte schadlos<br />
aufgenommen werden.<br />
Aber auch bei sorgfältiger und normenkonformer Dimensionierung der Rohre<br />
kommt es beim Rohrvortrieb vereinzelt zu Schäden, die in Form von Rissbildung<br />
in Rohrlängsrichtung bis hin zu großflächigen Abplatzungen an den<br />
Rohrspiegeln auftreten (Abb. 2).<br />
Die Ursache hierfür ist zumeist eine Überlastung der Rohre, die seltener<br />
Folge einer unzulässigen Erhöhung der Presskräfte ist, sondern oftmals aus<br />
Abb. 1: Rohrvortrieb; Spitzenwiderstand, Mantelreibung und Vorpresskraft.<br />
einer zu großen Verwinkelung der<br />
Vortriebsrohre resultiert. Die Gründe<br />
für größere Rohrverwinkelungen<br />
können unterschiedlicher Natur sein<br />
und z. B. aus dem Boden (Schichtungen,<br />
Hindernisse) und zu starken<br />
Korrektursteuerungen herrühren.<br />
Um auch in diesen Fällen Schäden<br />
vermeiden zu können, wurde am Institut<br />
für Baumaschinen und Baubetrieb<br />
der RWTH Aachen (ibb) ein<br />
Überwachungssystem entwickelt,<br />
mit dem die Spannungsverteilung in<br />
den Rohrfugen visualisiert und überwacht<br />
werden kann.<br />
Belastung von Vortriebsrohren<br />
Die maximal zulässige Vorpresskraft<br />
für Rohrvortriebe wird bisher auf der<br />
Grundlage des Arbeitsblattes ATV-A<br />
161 [1] der Deutschen Vereinigung<br />
für Wasserwirtschaft, Abwasser und<br />
Abfall (DWA) festgelegt. Sie wird für<br />
eine theoretische Rohrverwinkelung<br />
(gerader Rohrvortrieb: z/d a = 1) für<br />
standardisierte Rohre vom Rohrhersteller<br />
angegeben oder bei begehbaren<br />
Rohrvortrieben und gekrümmten<br />
Vortriebstrassen durch eine<br />
statische Berechnung vor Beginn<br />
der Vorpressarbeiten ermittelt.<br />
Abb. 3 zeigt die Spannungsverteilung<br />
und den Rechengang zur Er-<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2005</strong><br />
27
28<br />
Forschung + Technik<br />
mittlung der zulässigen Vortriebskraft<br />
für z/d a = 1 nach ATV A 161.<br />
Bei der Bemessung von Vortriebsrohren<br />
wird davon ausgegangen,<br />
dass<br />
● die Spannungsverteilung linear<br />
verläuft<br />
● der Elastizitäts-Modul der Fugenzwischenlage<br />
sich während des Vortriebs<br />
nicht verändert<br />
● das gewählte z/d a während des<br />
Vortriebs nicht unterschritten wird.<br />
Ob diese Voraussetzungen tatsächlich<br />
so zutreffen, wurde in einem<br />
Forschungsprojekt vom ibb eingehend<br />
untersucht [2]. Hierbei wurden<br />
u. a. Vortriebsrohre in einem speziell<br />
hierfür entwickelten Versuchsstand<br />
einem Belastungsablauf unterzogen,<br />
der weitgehend die in situ Randbedingungen<br />
nachstellt (Abb. 4).<br />
In dem Versuchsstand werden bei einem<br />
Belastungsversuch zwei Rohre<br />
unter einer definierten Vorpresskraft<br />
verwinkelt. Hierbei wird die Vorpresskraft<br />
in Stufen gesteigert und<br />
die Verwinkelung in einer Laststufe<br />
mehrfach wiederholt.<br />
In der Rohrfuge werden dann mit einer<br />
speziellen Druckmessfolie über<br />
die gesamte Querschnittsfläche die<br />
Druckspannungen (Kontaktspannungen)<br />
gemessen. Das Ergebnis einer<br />
solchen Spannungsmessung<br />
zeigt Abb. 5.<br />
Es zeigt sich, dass die Spannungsverteilung<br />
nach mehrfacher Belastung<br />
der Fugenzwischenlage nicht mehr<br />
linear ist, sondern zum Rand hin<br />
überproportional ansteigt und dass<br />
es schon bei kleineren Verwinkelungen<br />
zu einer hohen Lastspitze kommen<br />
kann. Die Versuche wurden mit<br />
Beton- und Steinzeugvortriebsrohren<br />
DN 300 und 400 sowie den üblicherweise<br />
verwendeten Fugenzwischenlagen<br />
aus Spanplatten (V100)<br />
durchgeführt.<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2005</strong><br />
Abb. 2: Schäden an Vortriebsrohren durch exzentrische Belastung.<br />
Diese Belastungsbilder wurden dann zur Verifizierung von FEM-Berechnungen<br />
eingesetzt. Es wurde untersucht, welche Spannungen in den hoch<br />
belasteten Endbereichen der Vortriebsrohre auftreten, wie sie in der Rohrwandung<br />
weitergeleitet werden und was nun die Ursache für die eingangs<br />
dargestellten Schäden ist.<br />
Bei der Auswertung der Berechnungen zeigte sich, dass die hohen, konzentriert<br />
in den Rohrspiegel eingeleiteten Druckspannungen zu radialen Zugspannungen<br />
in der Rohrwandung führen, die ursächlich für schalenförmige<br />
Abplatzungen an der Außenseite von Vortriebsrohren sind.<br />
In Abb. 6 sind diese radial wirkenden Zugspannungen dargestellt. Erreichen<br />
diese Spannungen Werte im Bereich von ca. 10 % der maximal zulässigen<br />
Druckspannungen des Rohrwerkstoffes, kommt es zu Abplatzungen an<br />
Vortriebsrohren im Fugenbereich.<br />
Zulässige Vorpresskraft (� = 2,0):<br />
� LD<br />
zulV = A · �<br />
= A · �LD �LD = A ·<br />
max� 2,0 · 2 4<br />
Abb. 3: Berechnung der maximalen Vorpresskraft nach ATV-A 161.<br />
�<br />
Querschnittsfläche<br />
A = (d2 a – d 2 i ) · �<br />
4<br />
� LD = Längsdruckfestigkeit [N/mm 2 ]
Bei weitergehender Längsbelastung<br />
der Vortriebsrohre ohne Zunahme der<br />
Verwinkelung kann es dann plötzlich<br />
zum großflächigen Versagen des Vortriebsrohres<br />
kommen. Hierbei stellen<br />
sich als Schadensbilder entweder größere<br />
Scherbenbildung oder Längsrisse<br />
im Rohrschaft ein.<br />
Online-Überwachung der<br />
Vortriebskraft<br />
Im Institut konnte die tatsächlich auftretende<br />
Spannungsverteilung in der<br />
Rohrfuge mit einer speziellen Druckfolien-Messtechnik<br />
ermittelt werden.<br />
Diese Messtechnik ist allerdings nur für<br />
den Laborbetrieb geeignet und nicht<br />
für den rauen Betrieb auf Baustellen.<br />
Daher musste ein anderer Weg gefunden<br />
werden. Es wurde die Idee entwickelt,<br />
die Fugenzwischenlage als „Sensor“<br />
heranzuziehen und die Verformung<br />
der Fugenzwischenlage als<br />
Messgröße zur Ermittlung der Span-<br />
nung im Rohrspiegel zu nutzen. Voraussetzung für diesen Weg ist allerdings<br />
die genaue Kenntnis über das Verhalten des Fugenzwischenlagenmaterials<br />
unter allen bei Rohrvortrieb auftretenden Belastungen.<br />
Als Material von Fugenzwischenlagen werden in erster Linie Holzwerkstoffe<br />
(Spanplatte V100), seltener Vollhölzer, verwendet. Die Verformungseigenschaften<br />
von Holzwerkstoff- oder Vollholz-Fugenzwischenlagen zeichnen<br />
sich durch ein elastisches Materialverhalten im niedrigen Lastbereich und<br />
durch ein nicht linear elastisch-plastisches Materialverhalten im höheren<br />
Lastbereich aus.<br />
Forschung + Technik<br />
Abb. 4: Versuchsstand zur Untersuchung von Vortriebsrohren und Fugenzwischenlagen.<br />
Abb. 5: Messsensor (links) und Ergebnis einer Spannungsmessung in der Rohrfuge.<br />
Die Ermittlung des Spannungsverformungsverhaltens<br />
mit einem konstanten<br />
E-Modul führt deshalb zu<br />
falschen Ergebnissen.<br />
Zur Beschreibung des Materialverhaltens<br />
einer Fugenzwischenlage<br />
unter vortriebsspezifischen Belastungen<br />
wurde vom ibb ein Standard-<br />
Prüfverfahren entwickelt, in dem die<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2005</strong><br />
29
30<br />
Forschung + Technik<br />
Abb. 6: Zugspannungen im Vortriebsrohr.<br />
oben genannten Fugenzwischenlagenmaterialien<br />
untersucht werden<br />
und die Eingangsparameter für ein<br />
empirisches Materialmodell erfasst<br />
werden. Abb. 7 zeigt das nicht lineare<br />
Spannungs-Stauchungsverhalten<br />
bei mehrmaliger, gesteigerter Belastung<br />
sowie die isolierten Verläufe der<br />
vierten Belastungsäste.<br />
Zerlegt man nun eine Fugenzwischenlage<br />
in entsprechend kleine<br />
Elemente und ordnet diesen Elementen<br />
eine Verformung zu, können<br />
diesen Elementen mit dem entwickelten<br />
Materialmodell Druckspannungen<br />
zugewiesen werden.<br />
Geschieht dies über eine Parallelberechnung<br />
für alle Fugenzwischenlagenelemente,<br />
ergibt sich hieraus die<br />
Spannung � [N/mm 2]<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50<br />
Stauchung [%]<br />
Abb. 7: Zyklische Belastung von 10,3 mm-Holzwerkstoff-Prüfkörpern.<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2005</strong><br />
Spannungsverteilung auf die Fugenzwischenlage. Die fehlende<br />
Eingangsgröße hierfür ist die jeweilige Stauchung<br />
der einzelnen Fugenzwischenlagenelemente. Die Werte<br />
für die Stauchung der Fugenzwischenlage erhält man<br />
durch Vermessung des Fugenspalts zwischen zwei Vortriebsrohren.<br />
An ausgewählten Fugen werden mit vier<br />
Wegsensoren die Fugenspaltmaße gemessen. Die Sensoren<br />
sind in den um 45° versetzten Viertelspunkten angeordnet.<br />
Die Messwerte werden während des Rohrvortriebs<br />
kontinuierlich an einen externen Rechner weitergeleitet<br />
und mit einer eigens entwickelten Software, dem Kernstück<br />
des Systems, weiterverarbeitet. Hiermit kann die<br />
aktuelle Rohrverwinkelung visualisiert und in einem weiteren<br />
Rechengang aus diesen Werten die Spannung in dieser<br />
Messfuge errechnet werden. Hierbei wird die Verformungsgeschichte<br />
der Fugenzwischenlage berücksichtigt, d.h. aus den Vorbelastungen<br />
wird jedem Fugenzwischenlagen-Element die maximale plastische<br />
Verformung und der aktuelle E-Modul zugewiesen.<br />
Dieser Berechnungsvorgang wird für jede Rohrfuge der bislang eingebauten<br />
Rohre durchgeführt, so dass die Spannungsverteilung in allen Fugen auf<br />
Grundlage der aktuellen Belastung und der Belastungshistorie ermittelt wird.<br />
Die Spannungsverteilung und insbesondere die maximale Druckspannung<br />
wird mit der Druckfestigkeit des Rohrwerkstoffs verglichen. Durch Aufsummierung<br />
der Spannungen über die Druckkraft übertragende Fläche in der<br />
Rohrfuge kann nun die dort wirkende und die für die jeweilige Fuge<br />
aufnehmbare Vorpresskraft berechnet werden. Durch einen Vergleich aller<br />
Rohrfugen wird die Fuge mit den niedrigsten Reserven bestimmt und hieraus<br />
für jede Presseinrichtung (Hauptpresse und evtl. eingebaute Dehner) die<br />
jeweils zulässige Vorpresskraft berechnet, bei der in der maßgebenden Fuge<br />
gerade keine Überbelastung eintritt.<br />
Der Berechnungsvorgang wird mit einem Takt von zwei Sekunden wiederholt,<br />
so dass jederzeit online die auf Grundlage der aktuellen Belastungssituation<br />
berechnete zulässige Vortriebskraft für jede Presseinrichtung angezeigt<br />
wird.<br />
Spannung � [N/mm 2]<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50<br />
Stauchung [%]
Forschung + Technik<br />
Das entwickelte System wurde und<br />
wird bei Großrohrvortrieben der Emscher<br />
Genossenschaft sowie Micro-<br />
Tunnelling-Baumaßnahmen der Stadtentwässerungsbetriebe<br />
Köln mit Erfolg<br />
eingesetzt. Hierbei ist in der Nähe des<br />
Rohrvortriebs-Steuerstand ein Bildschirm<br />
aufgestellt, auf dem die jeweils<br />
max. zulässige, aus der Fugenverwinkelung<br />
errechnete Vortriebskraft sowie<br />
die tatsächliche Vortriebskraft angezeigt<br />
werden (Abb. 8). Zudem wird<br />
der aktuelle Ausnutzungsgrad durch<br />
einen Zeigerstand in einem grün-gelbroten<br />
Farbfeld angezeigt. Der Maschinenfahrer<br />
kann somit auf einen Blick<br />
erkennen, wie hoch die Rohrbelastung<br />
Abb. 8: Screenshot des Online-Überwachungssystems.<br />
ist und welche Reserven noch vorhanden sind. Wird die zulässige Vortriebskraft<br />
erreicht, sind beispielsweise die Dehner zu aktivieren oder es ist die<br />
Literatur<br />
Schmierung des Rohrstrangs zu verbessern.<br />
[1] ATV Arbeitsblatt 161: Statische Be-<br />
Eine Überlastung der Vortriebsrohre kann somit vermieden werden.<br />
rechnung von Vortriebsrohren. – Abwas-<br />
Rohrverwinkelungen, die errechneten zulässigen Vortriebskräfte und die tatsertechnische<br />
Vereinigung e.V. GFA, St.<br />
sächlichen Presskräfte werden über den gesamten Vortriebsverlauf abgespei-<br />
Augustin, Januar 1990<br />
chert. Damit hat der Auftraggeber eine vollständige Dokumentation über die<br />
Qualität der Vortriebsarbeiten und kann im Zweifelsfall erkennen, ob und in<br />
welchem Maße Vortriebsrohre eventuell zu hoch belastet wurden.<br />
[2] Forschungsprojekt: „Sicherung und<br />
Verbesserung der Rohrvortriebstechnik<br />
als umweltschonendes Verlegeverfahren<br />
bei Sanierung und Neubau von Kanälen“.<br />
– Bundesminister für Bildung und<br />
Fazit und Ausblick<br />
Forschung; <strong>Fachverband</strong> <strong>Steinzeugindustrie</strong><br />
e.V.; Fachvereinigung Betonroh-<br />
Durch die Online-Überwachung der Vorpresskraft können Schäden an Vortriebsrohren<br />
während des Einbauvorgangs sicher vermieden werden. Hierzu<br />
werden dem Maschinenfahrer die aktuell aus den Rohrverwinkelungen des<br />
Rohrstrangs errechneten zulässigen und die tatsächlichen Vortriebskräfte angezeigt.<br />
Ist absehbar, dass die zulässige Vortriebskraft erreicht wird, können<br />
zur Vermeidung von Schäden Maßnahmen getroffen werden. Der Auftraggeber<br />
und das ausführende Unternehmen erhalten eine vollständige Dokumentation<br />
der Rohrverwinkelungen, der zulässigen und der tatsächlich aufgebrachten<br />
Vortriebskräfte.<br />
Die dargestellten Forschungsarbeiten und hiermit gewonnenen Erkenntnisse<br />
werden zukünftig auch in die überarbeiteten Regelwerke der DWA Eingang<br />
finden. So wird im Arbeitsblatt A 161 das Bemessungsverfahren von<br />
Vortriebsrohren geändert sowie im A 125 die Messung und Überwachung<br />
der Rohrverwinkelung empfohlen.<br />
Das neu entwickelte System „Online Load Control“ wird von der <strong>STEINZEUG</strong><br />
Abwassersysteme GmbH auf einer Vortriebsmaßnahme bei Paderborn eingesetzt<br />
und mit zusätzlicher spezieller Messtechnik genutzt, um die tatsächliche<br />
Rohrbelastung von Vortriebsrohren weitergehend zu erforschen.<br />
Zur WASSER Berlin 2006 wird das System „Online Load Control“ auf einer<br />
Demo-Baustelle vorgestellt.<br />
re und Stahlbetonrohre e.V.; Abwassertechnische<br />
Vereinigung e.V., Güteschutz<br />
Kanalbau e.V. Förderkennzeichen 02WK<br />
9996/0, Laufzeit 2000–2003<br />
Kontakt<br />
Dr.-Ing. Joachim Beyert<br />
Dipl.-Ing. Ulrich Bohle<br />
Institut für Baumaschinen und<br />
Baubetrieb<br />
RWTH-Aachen<br />
Mies-van-der-Rohe-Straße 1<br />
52074 Aachen<br />
Tel.: 02 41/80 25-140<br />
Fax: 02 41/80 22-290<br />
E-Mail: beyert@ibb.rwth-aachen.de<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2005</strong><br />
31
32<br />
Forschung + Technik<br />
Dem Baugrund auf der Spur<br />
Auswahl des Maschinensystems bei Rohrvortrieben<br />
Die Entwicklung des Microtunnelings<br />
ist durch eine<br />
verstärkte Tendenz zum vollmechanisierten<br />
Tunnelbau mit geeigneten<br />
Vortriebsmaschinen im Locker-<br />
und Festgestein gekennzeichnet.<br />
Die zunehmende Anwendung<br />
der innovativen Technik führt zu neu<br />
gewonnenen Erfahrungen und Erkenntnissen,<br />
die die stetige Verbesserung<br />
der unterschiedlichen Maschinensysteme<br />
möglich macht. Die<br />
Maschinentypen sind durch die spezifische<br />
Maschinen- und Abbautechnik<br />
in der Lage, auch sehr heterogenen<br />
Baugrund bzw. eine Mischung<br />
aus Locker- und Festgestein aufzufahren<br />
und somit in ihrem geologischen<br />
Spektrum variabler einsetzbar.<br />
Bei den Slurrymaschinen hat beispielsweise<br />
die Anwendung von Diskenmeißeln<br />
zum Abbau von Fels<br />
und Findlingen zu einer wesentlichen<br />
Erweiterung des Einsatzbereichs<br />
und zu einer Steigerung der<br />
Wirtschaftlichkeit der Mikrotunnelvortriebe<br />
geführt. Bei den Erddruckschilden<br />
mit Dickstoffförderung ist<br />
durch das geschlossene System der<br />
Materialförderung der Einsatz in hohen<br />
Grundwasserverhältnissen erweitert<br />
worden.<br />
Dennoch steht einer heutzutage<br />
hoch entwickelten und leistungsfähigen<br />
Maschinentechnik die „große<br />
Unbekannte“ Boden gegenüber.<br />
Der Baugrund ist für die finanzielle<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2005</strong><br />
Kalkulation der größte Unsicherheitsfaktor beim Microtunneling, da er entscheidenden<br />
Einfluss auf die Wahl der richtigen Maschinentechnik und somit<br />
auf die Vortriebsgeschwindigkeit und den gesamten Baufortschritt hat.<br />
Aus diesem Grund ist ein wesentlicher Meilenstein in der Abwicklung eines<br />
Tunnelbauprojektes die Auswahl der richtigen Maschinen- und Verfahrenstechnik.<br />
Hierbei haben geologische Gutachten neben ständig steigenden Anforderungen<br />
des Gesetzgebers an die Sicherheit und an den Arbeitsschutz<br />
einen hohen Stellenwert.<br />
Allgemeines<br />
Da der Baugrund das Vortriebssystem bestimmt, ist eine bestmögliche Untersuchung<br />
der Untergrundverhältnisse relevant und obliegt auch rechtlich<br />
gesehen dem Bauherrn. Die geologische Vorerkundung soll im Idealfall so<br />
durchgeführt werden, dass alle für die Planung und Kalkulation notwendigen<br />
Gebirgseigenschaften erfasst werden. Die Anforderungen an das geologische<br />
Gutachten für Mikrotunnelvortriebe werden im Folgenden anhand<br />
der DIN 18319 näher beschrieben. Insbesondere wird auf die erweiterten Anforderungen<br />
an das geologische Gutachten eingegangen, die auch in dem<br />
zukünftigen Arbeitsblatt DWA-A 125 (<strong>2005</strong>) beschrieben werden.<br />
Angaben über den Baugrund und dessen Eigenschaften sowie über die<br />
Grundwasserverhältnisse sind erforderlich für:<br />
● die statische Berechnung der Rohre und Baugruben (siehe auch A 161),<br />
● die Wahl des Vortriebsverfahrens und Durchführung des Rohrvortriebes<br />
Die zur Durchführung der Untersuchungen und ihrer Bewertung verfügbaren<br />
allgemein anerkannten Regeln der Technik sind zusammengefasst in:<br />
● DIN TAB 113 – Erkundung und Untersuchung des Baugrundes und<br />
● DIN TAB 36 – Erd- und Grundbau<br />
Umfang des Baugrundgutachtens<br />
Baugrundgutachten müssen die notwendigen <strong>Information</strong>en und Kenngrößen<br />
enthalten, die für die statische Berechnung und den Vortrieb in den<br />
Arbeitsblättern A 161 und A 125 aufgeführt sind. In dem Bericht über die<br />
Ergebnisse der geologischen Voruntersuchungen sollte klar zwischen gesicherten<br />
Erkenntnissen und nachvollziehbaren Schlussfolgerungen getrennt<br />
werden. Daneben soll angegeben werden, was an möglichen, jedoch nicht
Stein<br />
Wasserdruck<br />
O.K. Gelände<br />
Grundwasser<br />
Sandlinse<br />
Schild<br />
EnddruckFlüssigkeitsstützung<br />
Abb. 1: Heterogene geologische Verhältnisse.<br />
sehr wahrscheinlichen Gebirgsverhältnissen<br />
auftreten<br />
kann. Zum Beispiel ist der<br />
Hinweis auf Hindernisse oder<br />
Findlinge in Höhe der Rohrsohle<br />
unbedingt notwendig,<br />
damit der Bohrkopf und die<br />
Werkzeugbestückung auf das<br />
Bauvorhaben optimal abgestimmt<br />
werden.<br />
Die Aussagesicherheit und<br />
Genauigkeit der Gutachten<br />
hängt in erster Linie von Art,<br />
Umfang und Aussagekraft der Voruntersuchungen ab. Je umfangreicher und<br />
aussagekräftiger die Voruntersuchungen durchgeführt werden, umso besser<br />
sind die Grundlagen für die Wahl der Verfahrenstechnik und der Vortriebsmaschine.<br />
Sehr wechselhafte geologische Verhältnisse (Abb. 1) erfordern einen<br />
erhöhten Umfang an Voruntersuchungen.<br />
Aufgrund des hohen Kosten- und Zeitaufwandes, den Baugrundaufschluss-<br />
Bohrungen verursachen, werden für einfache Aufschlüsse Sondierungen<br />
durchgeführt. Ramm- oder Drucksondierung sind indirekte Aufschlüsse, mit<br />
denen die Bodenart nicht festgestellt werden kann. Sie können Bohrungen<br />
nicht ersetzen, jedoch kann mit Hilfe der Rammsonde das Netz entlang der<br />
Trasse verdichtet werden, um eine höhere Sicherheit bestimmter Schichtenverläufe<br />
zu erhalten (Abb. 2).<br />
Dem geologischen Gutachten ist neben dem Textteil, den detail-<br />
lierten Darstellungen und den durchgeführten Laboruntersuchungen,<br />
ein Lageplan und verschiedene geologische Längs- und<br />
Querprofile beizulegen.<br />
Die Bohrprofile sind zu nummerieren, so dass diese im Lageplan<br />
und den Höhenkoten im Längsschnitt eindeutig zugeordnet werden<br />
können. Die Sohllage der Haltung ist neben einer Legende<br />
und den Grundwasserständen in den Längsschnitt einzutragen.<br />
Die Aufschlüsse sind in einem Abstand von max. 50 m in der Vortriebstrasse<br />
auszuführen. Dabei entstehende Hohlräume sind ggf.<br />
geeignet zu verschließen. In Sonderfällen sind die Abstände zu<br />
verringern. Sie sind mindestens bis 2 m unter Rohrsohle in grundwasserfreien<br />
Böden, jedoch bis 3 m unter Rohrsohle in grundwasserführenden<br />
Böden zu führen. Im Bereich der Start-, Zwischenund<br />
Zielgruben sind sie mindestens bis zur geplanten Unterkante<br />
des Verbaus vorzunehmen. Bei nicht ausreichend tragfähigem<br />
Baugrund müssen die Aufschlüsse bis in den tragfähigen Baugrund<br />
vorgenommen werden.<br />
Die Ansatzpunkte der Aufschlüsse sind auf Normalnull (NN) einzumessen.<br />
Die Ergebnisse der Baugrundaufschlüsse werden nach<br />
DIN 4022 als Bohrprofile und Rammdiagramme in die Längsschnitte<br />
(Höhenpläne) übernommen. Der Höhenfestpunkt, der für<br />
die Einmessung der Ansatzpunkte verwandt wurde, ist anzugeben.<br />
Dies gilt insbesondere für Bergsenkungsgebiete.<br />
Sondierprotokoll<br />
15<br />
18<br />
12<br />
9<br />
5<br />
3<br />
2<br />
2<br />
3<br />
3<br />
2<br />
4<br />
6<br />
8<br />
9<br />
8<br />
10<br />
9<br />
11<br />
8<br />
10<br />
16<br />
19<br />
15<br />
18<br />
20<br />
31<br />
19<br />
14<br />
20<br />
1,0<br />
2,0<br />
3,0<br />
[m]<br />
Forschung + Technik<br />
Bezüglich der Pläne sind folgende<br />
Hinweise zu beachten: Das zu erstellende<br />
Bauwerk und die dazu erforderlichen<br />
Hilfsmaßnahmen sind mit<br />
ihren Innen- und Außenabmessungen<br />
in geeigneter Weise zeichnerisch<br />
darzustellen. Hierzu dienen:<br />
1. Übersichtspläne, aus denen die<br />
Lage der Gesamtmaßnahme hervorgeht,<br />
Maßstab mind. 1 : 5000<br />
2. Lagepläne, Maßstab mind. 1 :<br />
1000<br />
3. Längenschnitte (Höhenpläne),<br />
Maßstab mind. 1 : 1000 für die Längen,<br />
1 : 100 für die Höhen<br />
4. geologische Querprofile an besonders<br />
kritischen Stellen, Maßstab<br />
1 : 100<br />
Die vorhandenen Baulichkeiten und<br />
Einrichtungen sowie Baugrund- und<br />
Grundwasserverhältnisse sind in die<br />
Lagepläne und Längsschnitte maßstabsgetreu<br />
einzutragen. Erfolgt die<br />
Darstellung in mehreren Plänen,<br />
0<br />
Sondierdiagramm Schichtenfolge<br />
10<br />
20 30<br />
n 10<br />
0,5<br />
1,2<br />
2,1<br />
3,0<br />
Abb. 2: Ergebnisse einer Rammsondierung.<br />
A<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2005</strong><br />
Auffüllung<br />
(Bauschutt)<br />
Schluff<br />
weich<br />
Sand<br />
Kies<br />
sandig<br />
33
34<br />
Forschung + Technik<br />
sind diese im gleichen Maßstab anzufertigen.<br />
Die Art der geologischen und hydraulischen<br />
Randbedingungen bestimmen<br />
die Wahl des Vortriebsverfahrens.<br />
Aus der Summe der relevanten<br />
Parameter bzw. Entscheidungskriterien,<br />
die aus dem geologischem<br />
Gutachten hervorgehen, resultiert<br />
die richtige Wahl des Mikrotunnelbauverfahrens.<br />
Die geologischen bzw. hydraulischen<br />
Verhältnisse beeinflussen Art<br />
und Umfang der:<br />
1. Setzungen, Hebungen, Überdeckung<br />
2. Trassierung, Gradienten<br />
3. mechanischen bzw. flüssigkeitsgestützten<br />
Ortsbruststützung<br />
4. Wasserhaltung<br />
5. Bodenentsorgung, Separationstechnik<br />
6. Hindernisbeseitigung<br />
7. Bodenkonditionierung<br />
8. Stütz- und Gleitmittel, Vortriebskräfte<br />
9. Lage und Zielgenauigkeit, Tragfähigkeit<br />
des Bodens, Bodenverbesserung<br />
Diese Parameter beeinflussen u.a. direkt<br />
das Vortriebsverfahren (Maschine<br />
und Bohrkopf) und werden im<br />
DWA-Arbeitsblatt A 125 näher beschrieben,<br />
damit von der Planung<br />
bis zur Bauausführung das Projekt<br />
technisch und wirtschaftlich erfolgreich<br />
ausgeführt wird.<br />
Die Baugrundverhältnisse sind so zu<br />
erkunden, dass eine Einordnung<br />
nach den Allgemeinen Technischen<br />
Vertragsbedingungen für Bauleistungen<br />
(ATV) und DIN 18319 „Rohrvortriebsarbeiten“<br />
möglich ist (s. a.<br />
DIN 18319 Punkt 0.2.2).<br />
Zukünftig sind neben den bisherigen<br />
Angaben über bauliche Anlagen<br />
auch <strong>Information</strong>en über Baubehelfe,<br />
z. B. von ehemaligen Spundwandbauwerken,<br />
Tiefgründungen,<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2005</strong><br />
Altlasten, Kriegs- und Kampfmitteln im Abschnitt der Bestandsaufnahme des<br />
geologischen Gutachtens zu benennen.<br />
Baugrund- und Grundwasserverhältnisse nach DIN 18319<br />
In der DIN 18319 sind folgende Punkte festgelegt:<br />
● Angaben zur Baustelle seitens des Auftraggebers<br />
● Angaben zur Ausführung<br />
● Abrechnungseinheiten<br />
● Einstufung von Boden und Fels hinsichtlich Beurteilung für den Rohrvortrieb<br />
● Angaben zur Ausführung, z. B. bei Abweichungen von der vereinbarten<br />
Sollachse oder auftretenden Hindernissen<br />
● Abrechnung<br />
Im Folgenden wird auf die erweiterten Anforderungen an das geologische<br />
Gutachten eingegangen, die überwiegend in der DIN 18319 „Rohrvortriebsarbeiten“<br />
und der DIN 4020 „Geotechnische Untersuchungen für Bautechnische<br />
Zwecke“ angesprochen werden.<br />
In Bezug auf Locker- und Festgestein sind folgende <strong>Information</strong>en gefordert:<br />
Lockergestein und Festgestein<br />
● maximaler und minimaler Grundwasserstand, Ganglinien<br />
● Grad einer Kontaminierung von Boden, Bodenluft und Grundwasser<br />
● Entsorgungshinweise gem. geltender Gesetze<br />
● Bestandteile an abrasiven Mineralien und Quarzgehalt zur Bestimmung<br />
der Abrasivität<br />
● aggressive Wirkung von Boden und Grundwasser<br />
● Quellverhalten<br />
● Verwitterungsanfälligkeit des Gesteins bzw. Veränderung beim Zutritt von<br />
Luft oder Wasser/Stützflüssigkeiten<br />
● Verklebungspotenzial<br />
● Schichtenverzeichnisse<br />
● Wichte<br />
Lockergesteine<br />
Bezüglich der Lockergesteine sind zusätzlich zu jeder Klasse folgende Bodenparameter<br />
gefordert, die die Eigenschaften der Böden näher beschreibt:<br />
Lockergestein<br />
● Korngrößenverteilung, Kornform<br />
● Wasserdurchlässigkeitsbeiwert<br />
● Lagerungsdichte<br />
● Plastizitätsgrenzen (Plastizitätszahl I c ), Wassergehalt (Konsistenzzahl I p )<br />
● Scherparameter, Reibungswinkel und Kohäsion<br />
● Verformungsmodul und Erddruckbeiwert<br />
● Steingröße und Steinanteil, einaxiale Druckfestigkeiten<br />
● Wasserführung und Wasserdruck<br />
● organische Bestandteile, Kalkgehalt<br />
● Neigung zur Liquefaktion (Neigung zum Fließen, Bodenverflüssigung)
Massenanteile a der Körner < d in % der Gesamtmenge<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
Schlämmkorn Siebkorn<br />
Ton Schluff Sand Kies<br />
fein mittel grob fein mittel grob fein mittel grob<br />
0<br />
100<br />
0,001 0,002 0,006 0,02 0,05 0,2 0,6 2 6 20 60<br />
Korndurchmesser d (mm)<br />
Kornverteilungslinien verschiedener Lockerböden<br />
Abb. 3: Einsatzbereiche von EPB- und Hydroschilden im<br />
gemeinsamen Körnungsdiagramm.<br />
Ergebnisse von Sondierungen liefern Hinweise auf Lagerungsdichte bzw.<br />
Konsistenz. Die Korngrößenverteilung (Sieblinie) gibt einen ersten Anhaltspunkt<br />
für die Wahl eines geeigneten Maschinenkonzepts. In Abb. 3 sind<br />
hierzu die Einsatzbereiche von EPB- und Hydroschilden in einem Körnungsdiagramm<br />
dargestellt.<br />
Der typische Einsatzbereich der EPB-Schilde kann bei entsprechender Bodenkonditionierung<br />
um den grün gestrichelten Bereich erweitert werden. Es wird<br />
deutlich, wie weit der Einsatzbereich der Erddruckschilde erweitert wurde.<br />
Die Korngrößenverteilung bzw. die Ungleichförmigkeitszahl gibt Auskunft<br />
über die Neigung zur Liquefaktion. Zum Beispiel ist bei Fließsanden oder rolligen<br />
Kieslagen der Stützung der Ortbrust in Bezug auf die Auswahl der<br />
Maschinentechnik und der Bohrkopfgestaltung erhöhte Aufmerksamkeit zu<br />
schenken.<br />
Der Durchlässigkeitsbeiwert hat einen großen Einfluss auf die Ortsbruststabilität<br />
bei Flüssigkeitsschilden und ist einer der wichtigsten Parameter zur Bestimmung<br />
der Einsetzbarkeit von Erddruckschilden. Abb. 4 zeigt die Abhängigkeit<br />
der Durchlässigkeit vom Verlauf der theoretischen Sieblinien bzw.<br />
Korngrößenklassen.<br />
Konsistenzzahl l c<br />
1,40<br />
1,25<br />
1,10<br />
1,00<br />
0,90<br />
0,75<br />
0,60<br />
0,50<br />
fest<br />
halbfest<br />
steif<br />
weich<br />
0,30 0 10<br />
Abb. 5: Indikationsbereiche für das Verklebungspotenzial von Tonböden in Abhängigkeit<br />
von Konsistenz- und Plastizitätszahl [4].<br />
0<br />
20<br />
40<br />
60<br />
80<br />
Siebrückstand in Gew. %<br />
Gew-%
36<br />
Forschung + Technik<br />
dem Lösen und in Verbindung mit<br />
Wasser oder Stützflüssigkeit“ ist die<br />
Klebrigkeit mit zu berücksichtigen,<br />
da sich diese in Abhängigkeit vom<br />
Wassergehalt des Bodenmaterials<br />
stark ändert. Ist bekannt, dass bindiger,<br />
kohäsiver Boden (fetter Ton) zu<br />
erwarten ist, werden die Düsen im<br />
Konus (Brecherraum) an eine leistungsstarke<br />
Hochdruckpumpe oder<br />
das Niederdrucksystem angeschlossen.<br />
Mit Hilfe der intensiven Wasserstrahlen<br />
wird der Brecher- und Saugstutzenbereich<br />
stets frei gehalten<br />
und ein ausreichender Materialfluss<br />
gewährleistet (Abb. 5 und 6).<br />
Die Bewertung der Quellfähigkeit<br />
des zu durchfahrenden Bodens ist<br />
anzugeben, da Tone oder auch Gipskeuper<br />
in Kontakt mit Wasser stark<br />
quellen können und den Rohrstrang<br />
einklemmen. Durch zusätzliche <strong>Information</strong>en<br />
zur Gefahr erhöhter<br />
Quellfähigkeit können mit einem<br />
größeren Überschnitt und speziellen<br />
Additiven in der Bentonit-Schmiersuspension<br />
ein Einklemmen des<br />
Rohrstranges und erhöhte Pressenkräfte<br />
vermieden werden.<br />
Art des verwendeten Anmachwassers und Charakterisierung<br />
der enthaltenen Störstoffe<br />
Bezeichnung Technische<br />
Angaben<br />
Abb. 9: Schädigung einer Bentonitsuspension durch Störstoffe, Quelle [9].<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2005</strong><br />
Abb. 7 und 8: Instabile, geschädigte Bentonitsuspension angemischt mit Grundwasser:<br />
1 Stunde und 8 Stunden nach dem Mischen.<br />
Eine chemische Analyse des Wassers und die Messung von pH-Wert und<br />
Leitfähigkeit sind ebenfalls erforderlich. Unter Punkt 0.2.14 „Art und Umfang<br />
von besonderen Maßnahmen bei aggressiven Böden und Grundwasser<br />
zum Schutz der Rohrleitung“ ist der Hinweis auf Störstoffe in Bezug auf Bentonitsuspensionen<br />
zu ergänzen. Zum Beispiel zählen Salze, Mineralquellen,<br />
freie Kohlensäure oder Huminstoffe zu den Störstoffen die eine Bentonitsuspension<br />
schädigen. Die Folge sind ein Ausflocken der Bentonitsuspension<br />
und steigende Pressenkräfte, da der Schmierfilm zur Reduktion der Mantelreibung<br />
verloren geht (Abb. 7 und 8).<br />
Den Einfluss von aus Boden oder Grundwasser eingetragenen Störstoffen auf<br />
Kennwerte und Stützwirkung einer Aktivbentonitsuspension (Quellzeit der<br />
Suspension > 16 h, Dosierung 30 – 60 kg Aktivbentonit/m 3 ) zeigt Abb. 9.<br />
Vor Vortriebsbeginn ist ein Eignungstest mit dem vorgesehenen Anmachwasser<br />
und dem anstehenden Grundwasser durchzuführen, um eventuelle<br />
Beeinträchtigungen der Suspensionseigenschaften rechtzeitig zu erkennen.<br />
Leitfähigkeit<br />
in μS/cm<br />
pH<br />
(–)<br />
Einfluss auf den Kennwert der Bentonitsuspension<br />
Fließgrenze<br />
DIN 4126/27<br />
Marshviskosität<br />
API RP 13B<br />
Aqua dest. – 13 – – Referenzmessung –<br />
Weiches Wasser 10 °dH 460 6,6 m m i<br />
Mittelhartes Wasser 20 °dH 780 7,2 m mm i<br />
Sehr hartes Wasser 40 °dH 1.750 7,1 mm mm ii<br />
Fe-belastetes Wasser Konz. 1 mmol/l 980 2,4 mm mm i<br />
Filtratwasser<br />
DIN 4126/27<br />
Stark Fe-belast. W. Konz. 5 mmol/l 3.350 1,9 mmm mmm iii<br />
W. mit Huminsäuren – 340 4,5 mmm mmm m<br />
Synth. Meerwasser 3,5 %ig 55.000 10,6 mmmm mmmm iiii<br />
Veränderung des i geringe Erhöhung m geringe Herabsetzung<br />
betrachteten Kennwertes: ii mäßige Erhöhung mm mäßige Herabsetzung<br />
iii beträchtl. Erhöhung mmm beträchtl. Herabsetzung<br />
iiii extreme Erhöhung mmmm extreme Herabsetzung
Festgesteine<br />
Bei den Festgesteinen sind zusätzlich zu jeder Klasse der DIN 18319 folgende<br />
Parameter zur Beschreibung der Felseigenschaften gefordert:<br />
Festgestein<br />
● Trennflächengefüge und Schichtstärke von Gesteinsplatten, Kluftkörper<br />
(RQD) und räumliche Orientierung<br />
● Härte<br />
● einaxiale Druckfestigkeit, Abbaubarkeit<br />
● Spaltzugfestigkeit<br />
● Cercar Abrasivity-Index zur Bestimmung der Abrasivität<br />
● Wasseranfall, Durchlässigkeit, Schichtwasserführung<br />
Folgende geotechnische Kenngrößen sind für Festgesteine<br />
in der DIN 18319 zu ergänzen: <strong>Information</strong>en über Verwerfungen,<br />
Hohlräume und Karsterscheinungen, Störzonen,<br />
Kluft- und Schichtfugen, da in diesen Bereichen dem<br />
Überschnitt erhöhte Aufmerksamkeit geschenkt werden<br />
muss (Abb. 10). In diesen gestörten Zonen ist die Gefahr,<br />
dass Feinteile und kleine Steine durch Klüfte in den Überschnitt<br />
gelangen und sich dort verkeilen, besonders groß.<br />
Die Folge sind erhöhte Pressenkräfte. Außerdem kann im<br />
Bereich von Klüften und Hohlräumen der Vortrieb durch<br />
den Verlust von Spülwasser erschwert werden.<br />
In schwierigen Fällen sind zusätzliche Angaben z. B. über<br />
wechselnde bzw. ungünstige Schichtungen, Hanglagen,<br />
Quelldruck erforderlich und in Form von Belastungsangaben<br />
durch ergänzende Untersuchungen zur Verfügung zu stellen.<br />
In dem Baugrundgutachten ist auf Hindernisse in Form von Holz, Findlingen,<br />
Steinen, Stahlteilen und Auffüllungen gesondert hinzuweisen.<br />
Baugrundklassifizierung nach DIN 18319<br />
Die für den Mikrotunnelvortrieb zu erwartenden Gesteinsarten werden anhand<br />
der Untersuchungsergebnisse und des daraus entwickelten Baugrundmodells<br />
nach der DIN 18319 (Rohrvortriebsarbeiten) klassifiziert.<br />
Boden und Fels werden unter dem Punkt „2.3 Einstufung in Boden und Felsklassen“<br />
aufgrund ihrer Eigenschaften für Rohrvortriebsarbeiten wie folgt eingestuft<br />
(Tab. 1 bis 4):<br />
1. nichtbindige Lockergesteine LN (Hauptbestandteile Sand, Kies) entsprechend<br />
ihrer Korngrößenverteilung und Lagerungsdichte (Tab. 1).<br />
Die Klassen LBM bezeichnen mineralische, bindige Lockergesteine und die<br />
Klassen LBO bezeichnen organogene (aus organischen Stoffen zusammengesetzt)<br />
bindige Lockergesteine (Tab. 2).<br />
2. Organische Böden – 2.3.1.3 Klasse LO<br />
3. Lockergesteine mit Korngrößen größer 63 mm (Tab. 3). Steinige Beimengungen<br />
mit Steingrößen bis 30 cm bzw. bis 60 cm und Massenanteilen bis<br />
30 % bzw. über 30 % sind in der Klasse S 1 erfasst.<br />
Kommen in Lockergesteinen Steine (Korngröße über 63 mm) vor, so wird in<br />
Forschung + Technik<br />
Abhängigkeit von Größe und Anteil<br />
der Steine bis 600 mm zusätzlich zu<br />
den Klassen LN und LB gemäß den<br />
Abschnitten 2.3.1.1 bis 2.3.1.3 klassifiziert;<br />
Steine größer 600 mm werden<br />
hinsichtlich Größe und Anteil<br />
gesondert angegeben (siehe Kapitel<br />
„Hindernisse“).<br />
4. Festgesteine entsprechend ihrer<br />
einaxialen Druckfestigkeit (Tab. 4).<br />
Die Klassifizierung der Festgesteine<br />
(F) erfolgt gemäß DIN 18319 nach<br />
Abb. 10: Verkeilte Steine im Überschnitt.<br />
der einaxialen Druckfestigkeit und<br />
nach dem Zerlegungsgrad bzw.<br />
dem Abstand der Trennflächen im<br />
Gebirge.<br />
Mit der Klasse FZ 1 wird zum Beispiel<br />
ein Sandstein als engständig geklüftet<br />
(Z = Zentimeterbereich) bei einer<br />
Druckfestigkeit bis 5 MN/m 2 (1) beschrieben.<br />
Die Klassen FD 2 bis FD 4<br />
charakterisieren zum Beispiel Hartgesteinsbänke<br />
als im Dezimeterbereich<br />
geklüftet (D), bei Druckfestigkeiten<br />
von 5 bis 50 MN/m 2 (FD 2),<br />
von 50 bis 100 MN/m 2 (FD 3) und<br />
über 100 MN/m 2 (FD 4).<br />
Die Ausschreibungsklassifizierung<br />
zeigt deutlich die große Bandbreite<br />
unterschiedlicher Gesteinsarten und<br />
die sich daraus ergebenden wechselhaften<br />
Bedingungen, die für den<br />
Mikrotunnelvortrieb nach der DIN<br />
18319 beschrieben werden kann.<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2005</strong><br />
37
38<br />
Forschung + Technik<br />
Wenn für einen Bauvertrag die VOB<br />
vereinbart wird, sind die gegebenenfalls<br />
anfallenden Arbeiten von<br />
Rohrvortrieben gemäß den Allgemeinen<br />
Technischen Vertragsbedingungen<br />
innerhalb des Teils C der<br />
VOB auszuschreiben (DIN 18319).<br />
Zu deren Geltungsbereich gehören<br />
alle dort aufgeführten Verfahren.<br />
Nicht in den Geltungsbereich fallen<br />
Erdarbeiten für das Herstellen der<br />
Schächte oder Gruben und der Abtransport<br />
des Bodens. Auch Verbauarbeiten<br />
für Baugruben, Arbeiten im<br />
Zusammenhang mit Wasserhaltungen<br />
und übliche Rohrverlegungen<br />
sind im Leistungsverzeichnis gesondert<br />
zu erfassen.<br />
Einsatzgrenzen von Mikrotunnelvortrieben<br />
Neben Hindernissen in Form von<br />
Steinen, auf die im nächsten Kapitel<br />
genauer eingegangen wird, bilden<br />
folgende Randbedingungen Grenzen<br />
der Einsetzbarkeit für Mikrotunnelvortriebe:<br />
1. Böden geringer Tragfähigkeit,<br />
z. B. breiiger Lehm oder Torf. Eine<br />
Massenanteile<br />
der Steine<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2005</strong><br />
Zusatzklassen für Steingröße<br />
bis 300 mm bis 600 mm<br />
bis 30 % S 1 S 3<br />
über 30 % S 2 S 4<br />
Tab. 3: 2.3.1.4 Zusatzklassen: S<br />
Alternative zum Bodenaustausch kann eine Bodenverbesserung sein, um die<br />
höchstzulässigen Abweichungen von der planmäßigen Höhen- und Seitenlage<br />
der Vortriebsstrecke nicht zu überschreiten.<br />
2. Aufschwimmen des Rohrstranges. Diese Gefahr ist vor allem durch den<br />
Auftrieb bei geringer Auflast im Kiesboden oder geringer Überdeckung unter<br />
Grundwasser gegeben. Die Gefahr des Auftriebs ist bei großen Rohrquerschnitten<br />
aufgrund des kleineren Gewichts, bezogen auf das verdrängte Volumen,<br />
größer.<br />
Hindernisse<br />
Lagerung Klassen der Lockergesteine, nicht bindig<br />
eng gestuft<br />
U = d 60/d 10 < 6<br />
locker LNE 1 LNW 1<br />
mitteldicht LNE 2 LNW 2<br />
dicht LNE 3 LNW 3<br />
Trotz der technischen Fortschritte bei der Durchörterung von Steinen und<br />
deren Zerkleinerung durch integrierte Konus- oder Backenbrecher sowie der<br />
kontinuierlichen Förderung, führt eine Häufung unvermuteter Hindernisse<br />
immer zu einer Verlangsamung des Vortriebs. Im Allgemeinen gilt die Faustformel<br />
für Mikrotunnelvortriebe (AVN): Die maximale Steingröße sollte kleiner<br />
als 1/3 des Außendurchmessers der Vortriebsmaschine sein.<br />
In ungünstigen Fällen müssen Hindernisse auch geborgen werden, gegebenenfalls<br />
mit gleichzeitiger Richtungskorrektur des Steuerkopfes. Dies sind<br />
besondere Risiken des Vortriebs, die umso größer werden, je kleiner die<br />
Nennweite ist. Steineinlagerungen werden aber auch – sofern es die örtliche<br />
Lagerungsdichte zulässt – entweder seitlich verdrängt oder vor der Ortsbrust<br />
hergeschoben (Abb. 11 und 12). Wenn größere Steine nicht zentrisch angefahren<br />
werden, besteht auch die Gefahr, dass der Steuerkopf abgelenkt wird.<br />
Bei bemannten Vortriebsverfahren mit offenen Schilden können Hindernisse<br />
i.d.R. aus dem Schild heraus beseitigt werden. In Abhängigkeit von Art und<br />
Lage des Hindernisses sowie vom Baugrund können besondere Hilfs- und<br />
Sicherungsmaßnahmen erforderlich werden.<br />
Bei Schilden mit vollflächigem Abbau können durch entsprechende Auswahl<br />
und Bestückung der Abbauwerkzeuge Hindernisse gegebenenfalls durch die<br />
weit oder intermittierend<br />
gestuft<br />
Tab. 1: 2.3.1.1 Klassen LN: Nichtbindige Lockergesteine,<br />
Korngröße < 63 mm<br />
Konsistenz Klassen der Lockergesteine, bindig<br />
mineralisch organogen<br />
breiig-weich LBM 1 LBO 1<br />
steif-halbfest LBM 2 LBO 2<br />
fest LBM 3 LBO 3<br />
Tab. 2: 2.3.1.2 Klassen LB: Bindige Lockergesteine, Korngröße<br />
< 63 mm<br />
Einaxiale<br />
Druckfestigkeit<br />
MN/m2 Klassen der Festgesteine<br />
Trennflächenabstand im<br />
Dezimeterbereich Zentimeterbereich<br />
bis 5 FD 1 FZ 1<br />
über 5 bis 50 FD 2 FZ 2<br />
über 50 bis 100 FD 3 FZ 3<br />
über 100 FD 4 FZ 4<br />
Tab. 4: 2.3.2 Klassen F: Festgesteine
Forschung + Technik<br />
Abb. 11: Hindernisse in Form von Findlingen. Abb. 12: Findling, der bis zum Zielschacht vor der Maschine<br />
hergeschoben wurde.<br />
Mikrotunnelmaschine zerkleinert und abgebaut werden. Eine manuelle<br />
Hindernisbeseitigung aus der Maschine heraus ist ab einem Mindestlichtmaß<br />
(MLM) des vorzupressenden Rohrstrangs von 1.200 mm (Innendurchmesser<br />
DN 1400 mm) eingeschränkt möglich. In Abhängigkeit von der Dimension,<br />
der Art des Hindernisses, des Maschinentyps und des Baugrunds können<br />
zusätzliche Hilfs- und Sicherungsmaßnahmen erforderlich werden.<br />
Es gibt derzeit noch keine sicheren Methoden, Steinhindernisse schon im Planungsstadium<br />
für den definierten Bereich des aufzufahrenden Querschnitts<br />
hinreichend genau zu orten. Daher ist es wichtig, immer wieder darauf hinzuweisen,<br />
dass der Bauherr hinsichtlich der Risikoverteilung als Besitzer des<br />
Bodens anzusehen ist. Er muss in der Planungsphase geologische Karten auswerten<br />
und sollte „historische Recherchen“ hinsichtlich der örtlichen Situation<br />
durchführen. Die Ergebnisse der Baugrundaufschlüsse sind in Baugrundlängsschnitten<br />
darzustellen. Alle diese Unterlagen liefern indessen Aussagen,<br />
die streng genommen nur für jeweils einen Punkt gelten.<br />
Es muss dennoch mit vorher nicht erfassten Einlagerungen gerechnet werden,<br />
so dass in den Ausschreibungen Aussagen über die Abrechnungsmodalitäten<br />
zu treffen sind. Folgerichtig bestimmt die DIN 18319, dass die<br />
Art der Beseitigung von Steinen, die im Hinblick auf den Vortriebsvorgang<br />
ein Hindernis darstellen, gemeinsam festzulegen ist, d. h., dass für das Bergen<br />
von Hindernissen eine Position im Leistungsverzeichnis vorzusehen ist.<br />
Die Größe der Steine, die Hindernisse darstellen, sind in dieser Position zu<br />
definieren.<br />
Folgende Verfahrensweise hat sich bewährt: Probebohrungen, Ramm- bzw.<br />
Drucksondierungen und deren Auswertungen werden in der Regel in Abständen<br />
von 50 m im Bereich der geplanten Trasse durchgeführt und Bestandteil<br />
der Ausschreibung.<br />
Die Wahl des Vortriebssystems ist im Regelfall dem Bieter vorbehalten. Er<br />
muss im Angebot jedoch das gewählte System angeben und die Hindernisgröße<br />
fixieren, die von der Maschine nicht mehr zerkleinert und gefördert<br />
werden kann.<br />
Die für das Bergen von Hindernissen oberhalb dieses Durchmessers erforderlichen<br />
Baugruben und die während der Zeit der Bergung entstehenden<br />
Vorhaltekosten werden gesondert<br />
vergütet. Dies geschieht, indem<br />
vom Auftraggeber aufgrund von Erfahrungswerten<br />
eine bestimmte Anzahl<br />
von Bergungsgruben in entsprechenden<br />
Größen, Tiefenlagen<br />
und Verbauarten vorgegeben werden,<br />
für die vom Bieter Preise anzugeben<br />
sind. Auf diese Weise wird die<br />
Hindernisbeseitigung mit der Vorhaltung<br />
der Vortriebseinrichtung<br />
dem Wettbewerb unterworfen. Dadurch<br />
können die Kosten für den<br />
Vortrieb risikofreier kalkuliert werden,<br />
und dem Auftraggeber wird die<br />
Angebotsprüfung erleichtert.<br />
Der Vortrieb kleiner Nennweiten in<br />
hindernisreichen und schweren Böden<br />
kann Probleme bereiten. Sofern<br />
gegenüber anderen Lösungen wirtschaftlich<br />
vertretbar, ist es in solchen<br />
Fällen auch üblich, zur Verringerung<br />
des Risikos von Unterbrechungen für<br />
die Bergung von Hindernissen, eine<br />
zweischalige Variante anzuwenden:<br />
es wird zunächst ein größeres und<br />
besonders belastbares Vortriebsrohr<br />
– z. B. DN 800 – mit einem stärkeren<br />
Vortriebssystem vorgetrieben und in<br />
ihm anschließend der betrieblich erforderliche<br />
kleinere Rohrstrang untergebracht<br />
[8].<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2005</strong><br />
39
40<br />
Forschung + Technik<br />
Fazit<br />
Aus den genannten geotechnischen<br />
Kennwerten und einer Gesamtbeurteilung<br />
der geologischen und hydrologischen<br />
Verhältnisse des Baugrundes<br />
lassen sich die bautechnischen<br />
<strong>Information</strong>en ableiten, die zur Auswahl<br />
des richtigen Vortriebssystems<br />
nötig sind.<br />
Dabei steht nicht immer nur die Mikrotunnelmaschine<br />
im Vordergrund,<br />
sondern unter bestimmten Bedingungen<br />
entscheidet auch die Separierbarkeit<br />
und die Wiederwendbarkeit<br />
des abgebauten Bodens über<br />
den wirtschaftlichen Erfolg eines Microtunneling-Projekts.<br />
Mit Hilfe der zusätzlich genannten<br />
<strong>Information</strong>en zur DIN 18319 und<br />
ATV A 125 und den Erfordernissen<br />
der Praxis angepassten Voruntersuchungen<br />
sollen in Zukunft die praktischen<br />
Probleme bei Microtunneling-Projekten,<br />
wie z. B. Richtungsablenkungen<br />
der Maschine durch<br />
Findlinge oder heterogene Schichtenverläufe,<br />
Verklebungen des Brecher-<br />
und Saugstutzenbereichs, Vortriebsreduzierung<br />
durch häufige<br />
Werkzeugwechsel aufgrund von Abrasivität<br />
des Bodens, reduziert werden.<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2005</strong><br />
Literatur- und Quellenverzeichnis<br />
[1] BECKER, W.: Möglichkeiten und Grenzen des Microtunnelbaus unter Berücksichtigung<br />
der Abbauwerkzeuge. – Tiefbau, Heft 7 (1996)<br />
[2] DAUB, ÖGG und FGU: Empfehlungen für Konstruktion und Betrieb von Schildmaschinen.<br />
– Zeitschrift „Tunnel“, 6 (2000)<br />
[3] DAUB, ÖGG und FGU: Empfehlungen zur Auswahl und Bewertung von Tunnelvortriebsmaschinen.<br />
– Zeitschrift „Tunnel“, 5 (1997)<br />
[4] KUROSCH THURO: Vorlesung und Skriptum „Erkundungs- und Aufschlussmethoden“.<br />
– Ingenieurgeologie ETH Zürich<br />
[5] THEWES, M.: Adhäsion von Tonböden beim Tunnelvortrieb mit Flüssigkeitsschilden.<br />
– Bericht-Nr. 21 Bodenmechanik und Grundbau, Bergische Universität Gesamthochschule<br />
Wuppertal, 7 (1999)<br />
[6] FRANK, H.: Vorlesung und Skriptum. – FH Gießen, Freiberg<br />
[7] Dipl.-Ing. Claus-Dieter Hauck, Dipl.-Ing. Günter Novotny, Dipl.-Geol. Dr. Eckhard<br />
Rogowski, Stuttgart: Microtunnelling beim Bau der Stadtbahn Stuttgart-Sillenbuch.<br />
– http://www.acht.de/presse_stuttgart.htm<br />
[8] Dipl.-Ing. Knut Möhring: Wirtschaftliche und umweltgerechte Herstellung von<br />
Abwasserkanälen und -leitungen durch Mikrotunnelbau, Güteschutz Kanalbau,<br />
http://www.gueteschutzkanalbau.de/veroeffentlich/veroeff_frameset.htm<br />
[9] IBECO Bentonit-Technologie GmbH: Bentonit für Tunnelbau und unterirdische<br />
Bauverfahren. – Ein Handbuch für die Baupraxis, 9 (1999)<br />
[10] Dr.-Ing. Max Scherle: Planung von Rohrvortrieben. – Fernseminar Rohrvortrieb<br />
vom 5.2.2003<br />
Kontakt<br />
Dipl.-Ing. Lutz Meyer<br />
Herrenknecht AG<br />
Schlehenweg 2<br />
77963 Schwanau<br />
Tel.: 07 84/30 20<br />
Fax: 07 84/34 03<br />
E-Mail: info@herrenknecht.de<br />
Internet: www.herrenknecht.de
Keramische Werkstoffe<br />
Steinzeug – ein „starkes Stück“<br />
Keramische Produkte sind im täglichen Leben unverzichtbar. Die technischen<br />
Eigenschaften des Werkstoffs Keramik werden heute zu Recht<br />
in High-Tech-Anwendungen genutzt. Ungeachtet der Anwendung<br />
kann man sich der Faszination der Keramik kaum entziehen. Das Wort Keramik<br />
entstammt dem griechischen „Keramos“ und bedeutet Erden, Ton und<br />
auch „durch das Feuer gegangen“. In der Abwassertechnik wird der so genannte<br />
silikatkeramische Werkstoff Steinzeug für Rohre und Formstücke zum<br />
Bau von Kanälen eingesetzt. Seine chemischen und physikalischen Eigenschaften<br />
verleihen dem Werkstoff hohe Festigkeit und Härte, verbunden mit<br />
hoher Verschleiß- und Korrosionsbeständigkeit, sowie eine außerordentlich<br />
lange Lebensdauer. Interessant ist der Quervergleich mit weiteren keramischen<br />
Werkstoffen und die Einordnung in die keramische Werkstoffwelt.<br />
Keramikwerkstoffe und Keramikprodukte<br />
Die Keramikwerkstoffe zählen zu den nichtmetallisch-anorganischen Werkstoffen,<br />
denen auch Glas, Natursteine und anorganische Bindemittel angehören.<br />
Keramische Werkstoffe werden aus einer Rohmasse geformt, die<br />
durch Temperatureinwirkung ihre typischen Werkstoffeigenschaften erhalten.<br />
Sie sind in Wasser nicht löslich und ihr Gefüge besteht mindestens zu<br />
30 % aus kristallinen Bestandteilen.<br />
Unter verschiedenen Gesichtspunkten können Keramikprodukte und keramische<br />
Werkstoffe in Gruppen zusammengefasst werden, wobei zwischen dem<br />
Einsatzbereich, der chemischen Zusammensetzung und dem Gefügeaufbau<br />
unterschieden werden kann.<br />
Klassifizierung<br />
Bei der Klassifizierung der Keramikprodukte nach den Einsatzbereichen (siehe<br />
Tab. 1), die dem „Nichtkeramiker“ einen verständlichen und guten Einblick<br />
in die „Welt der Keramik“ bietet, sind die typischen Eigenschaften der<br />
in der Hauptgruppe erfassten Produkte maßgebend.<br />
Bei dieser Klassifizierung unterscheidet man zunächst zwischen Silikatkeramik<br />
und Technischer Keramik. Die Silikatkeramik gliedert sich weiter in<br />
Gebrauchskeramik, Baukeramik und sonstige Silikatkeramik auf. Die Technische<br />
Keramik, oft auch als Hochleistungskeramik bezeichnet, wird häufig in<br />
Strukturkeramik und Funktionskeramik unterteilt. Zu der Strukturkeramik<br />
zählen Werkstoffe, die in der chemischen Verfahrenstechnik (Chemokera-<br />
Forschung + Technik<br />
Steinzeug …<br />
invented in the PAST …<br />
made for the FUTURE … !!!<br />
mik), in der Hochtemperaturtechnik<br />
(Feuerfestkeramik im Hochtemperaturbereich),<br />
in der Medizintechnik<br />
(Biokeramik) und im Maschinenbau<br />
(Mechanokeramik) Verwendung finden.<br />
Zur Funktionskeramik zählen<br />
die Optokeramik, die Magnetokeramik<br />
und die Elektrokeramik mit aktiven<br />
oder passiven Funktionen. Eine<br />
Sonderstellung nimmt die Nuklearkeramik<br />
ein.<br />
Wird nach der chemischen und mineralogischen<br />
(glasig-amorph, kristallin)<br />
Zusammensetzung unterschieden,<br />
so erfolgt die Einteilung<br />
der Keramikprodukte nach silikatischen,<br />
oxidischen und nicht-oxidischen<br />
Werkstoffen. In der Tabelle 1<br />
sind zu jedem Einsatzbereich der Keramikprodukte<br />
Angaben über den<br />
Werkstoff enthalten.<br />
Silikatkeramik umfasst die älteste<br />
Gruppe aller Keramik-Werkstoffe.<br />
Ausgangsmaterialien dieser mehrphasigen<br />
Werkstoffe sind natürlich<br />
vorkommende Rohstoffe wie Ton,<br />
Kaolin, Quarz, Feldspat und Speckstein.<br />
Wesentliche Kennzeichen für<br />
silikatische Werkstoffe sind glasigamorphe<br />
Phasen (> 20 %). Sie bestehen<br />
hauptsächlich aus SiO 2 , Anteilen<br />
von Al 2 O 3 und MgO und anderen<br />
Oxiden. In Abhängigkeit von den<br />
Merkmalen des Gefüges bezeichnet<br />
man die silikatkeramischen Werkstoffe<br />
als Feinkeramik bzw. Grobkeramik.<br />
Typische silikatkeramische<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2005</strong><br />
41
42<br />
Silikatkeramik (Traditionelle Keramik)<br />
Technische Keramik<br />
Forschung + Technik<br />
Hauptgruppe<br />
Gebrauchskeramik<br />
Baukeramik<br />
Sonstige Silikatkeramik<br />
Feuerfestkeramik<br />
Chemokeramik<br />
Mechanokeramik<br />
Magnetokeramik<br />
Optokeramik<br />
Biokeramik<br />
Elektrokeramik<br />
mit passiven<br />
Funktionen<br />
Elektrokeramik<br />
mit aktiven<br />
Funktionen<br />
Nuklearkeramik<br />
Untergruppe Werkstoff* Wesentliche Eigenschaften Produktbeispiele<br />
Zierkeramik (Feinkeramik) Tonwaren, Irdengut<br />
Majolika, Fayence<br />
Tab. 1: Klassifizierung der Keramikprodukte nach Einsatzbereichen. * nur eine Auswahl an Werkstoffen wurde aufgeführt<br />
(Grundlage dieser Tabelle: DGK, Ztschr. CFI/DGK 82 (<strong>2005</strong>), Nr. 6–7)<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2005</strong><br />
poröses Gefüge Töpferware<br />
Gefäß-, Figuren-, Gartenkeramik<br />
Geschirrkeramik (Feinkeramik) Steingut poröses Gefüge Ess- und Kaffeeservice, Terrakotten<br />
Porzellan dichtes Gefüge Ess- und Kaffeeservice<br />
Tragende Baukeramik (Grobkeramik) Tonware poröses Gefüge Mauerziegel, Dachziegel<br />
Steinzeug dichtes Gefüge, frostbeständig, mechanisch<br />
fest<br />
Klinker<br />
Tiefbaukeramik (Grobkeramik) Steinzeug dichtes Gefüge, chemisch beständig,<br />
mechanisch fest<br />
Kanalisations-, Kabelrohre<br />
Tonware poröses Gefüge, definierte Porosität Drainrohre<br />
Verkleidungskeramik (Feinkeramik) Steingut poröses Gefüge Wandfliesen, Kacheln<br />
Steinzeug dichtes Gefüge, mechanisch fest, chemisch<br />
beständig<br />
Bodenfliesen, Spaltplatten, Labortische<br />
Sanitärkeramik (Feinkeramik) Porzellan dichtes Gefüge, mechanisch fest, chemisch<br />
beständig<br />
Waschbecken, WC<br />
Feuerfestkeramik (Grobkeramik) Mullit, Magnesit, Zirkon,<br />
Forsterit, Quarzit<br />
thermisch beständig Magnesit-, Mullit-, Silika-, Forsteritsteine<br />
Feuerfestkeramik (Feinkeramik) Cordierit niedrige Wärmedehnung, gute<br />
Katalysatorträger, Brennhilfsmittel,<br />
Temperaturwechselbeständigkeit<br />
Heizelementträger<br />
Elektrokeramik (Feinkeramik) Elektroporzellan mechanisch fest Hochspannungs-Isolatoren, Sicherungs- und<br />
Schaltgehäuse<br />
Steatit mechanisch fest, dielektrische Eigenschaften Elektr. Isolierteile, Sicherungs- und<br />
Schaltgehäuse, Mahlkugeln<br />
Cordierit niedrige Wärmedehnung, gute<br />
Temperaturwechselbeständigkeit<br />
Isolatoren, Elektrowärmetechnik<br />
Hitze-Isolierkeramik Siliziumcarbid SiC,<br />
Siliziumnitrid Si3N4 ,<br />
Calziumoxid CaO<br />
thermisch beständig, mechanisch fest Steine, Massen, Brennhilfsmittel, Heizleiterträger<br />
Konstruktion-Feuerfestkeramik Zirkonoxid ZrO2, Siliziumcarbid SiC,<br />
Siliziumcarbid SiC<br />
thermisch beständig > 1.500 °C Steine, Massen, Fasermatten, Wärmetauscher<br />
Hochtemperatur-Keramik Aluminiumoxid Al2O3, Zirkonoxid ZrO2 thermisch beständig, thermisch isolierend<br />
> 1.800 °C<br />
Tiegel, Raumfahrt-Schutzschilde, Raketendüsen<br />
Chemotechnische Keramik Aluminiumoxid Al2O3 ,<br />
Siliziumcarbid SiC,<br />
Zirkonoxid ZrO2, Zeolith<br />
chemisch beständig, mechanisch fest Füllkörper, Rohre, Filter, Pumpen,<br />
Wärmetauscher<br />
Filterkeramik, Trägerprodukte Zeolith chemisch beständig, definierte<br />
Filter, Membranen, Diaphragmen,<br />
Porengrößenverteilung, z.T. graduiert<br />
Katalysatorträger<br />
Aktive Chemokeramik chemisch aktiv Katalysatoren, Sensoren<br />
Verschleißschutzkeramik Aluminiumoxid Al2O3, Siliziumnitrid Si3N4 ,<br />
Siliziumcarbid SiC<br />
abriebfest Fadenführer, Auskleidungen, Walzen, Rohre<br />
Maschinen-/Motorenbau Aluminiumoxid Al2O3 ,<br />
Siliziumnitrid Si3N4 ,<br />
Siliziumcarbid SiC<br />
mechanisch fest, abriebfest Dichtungen, Ventile, Lager, Bremsscheiben<br />
Panzerungskeramik Borcarbid B4C stoßabsorbierend, Härte Schutzwesten, Panzerungsplatten<br />
Schneidkeramik Aluminiumoxid Al2O3, Bornitrid BN,<br />
Zirkonoxid ZrO2 mechanisch fest, verschleißfest Schneidplatten, Messer, Bohrereinsätze<br />
Schleifkeramik Siliziumcarbid SiC verschleißfest Schleifscheiben<br />
Weichferrite Ferrite ferromagnetisch, hohe magnetische<br />
Permeabilität, geringe Verluste<br />
Trafos, Speicher, Spulenkerne, Datenschreibköpfe<br />
Hartferrite Ferrite ferromagnetisch, hohe Koerzivität Permanentmagnete für Elektromotoren und<br />
Lautsprecher<br />
Passive Optokeramik Granate spezif. Transmission, Reflektoren und<br />
Absorption von Licht<br />
Lampengehäuse, Fenster, Laserkomponenten<br />
Aktive Optokeramik Granate optoelektronisch Elektrooptische Wandler, Lasermaterialien,<br />
transluzente Szintillatoren<br />
Bionierte Keramik Aluminiumoxid Al2O3 bioniert (wird nicht abgestoßen),<br />
biokompatibel<br />
Ersatz/Reparatur von Zähnen, Beschichtungen,<br />
Zahnwurzelstifte, Kronen<br />
Bioaktive Keramik Aluminiumoxid Al2O3, Phosphate<br />
bioaktiv (wächst ein), biokompatibel Ersatz/Reparatur von Knochen/Gelenke<br />
Biosorbierbare Keramik resorbierbar (wird aufgelöst) Substrate für Zellzüchtung<br />
Isolatoren für Elektrotechnik Aluminiumoxid Al2O3 hoher elektrischer Widerstand Isolatoren, Zündkerzen, Sicherungen<br />
Isolatoren für Elektronik Aluminiumoxid Al2O3 ,<br />
Aluminiumnitrid AlN<br />
elektrische und spezifische dielektrische<br />
Eigenschaften, hohe Wärmeleitfähigkeit<br />
Substrate, Gehäuse, Widerstände, Spulenkörper<br />
Mikrowellenkeramik Berylliumoxid BeO spezifische elektrische und dielektrische Radome, MW-Substrate, -Filter, -Gerätefenster,<br />
Eigenschaften im MW-Bereich<br />
-Isolierteile, -Raketenspitzen<br />
Elektrizitätsspeicher spezifische dielektrische Eigenschaften monolithische und Mehrlagen-<br />
Chipkondensatoren<br />
Elektrische Leiter Cuprate Elektronenleitung, temperatur- und span- Elektroden, Heizelemente, Varistoren, Zünder,<br />
nungsabhängiger el. Widerstand<br />
Thermistoren, HT-Supraleiter<br />
Ionenleiter CeO2 Ionenleitung Batterie-Elektrolyte, O-Sensoren, O-Membranen<br />
Ferroelektrika und Piezokeramik Titanate Ferroelektrizität, z.T. gekoppelt mit elastischen Sensoren, Aktuatoren (AT), ML-AT, Membranen,<br />
Eigenschaften<br />
Resonatoren, Tintenstrahldrucker-Köpfe<br />
Borkarbid B4C, Berylliumoxid<br />
BeO, Uranoxid<br />
UO2 nukleartechnische Eigenschaften Absorber, Brennstäbe, Abschirmungen
keramische<br />
Bindung<br />
kovalent<br />
Si C<br />
ionisch<br />
Al + O –<br />
metallisch<br />
Fe e Fe<br />
van der Waals<br />
stabil<br />
Härte, Schmelzpunkt, E-Modul<br />
Bindungsstärke<br />
(Ionisierungsenergie)<br />
wenig stabil<br />
hoher Dampfdruck, niedriger Schmelzpunkt<br />
Diamant<br />
SiC, BN, B 4 C, Si 3 N 4<br />
Oxide<br />
Silikate<br />
Metalle<br />
Grafit<br />
Polymere<br />
Abb. 1: Die chemische Bindung und einige damit verknüpfte Eigenschaften.<br />
Werkstoffe sind z. B. Irdengut, Steingut, Steinzeug, Porzellan, Steatit, Cordierit,<br />
Mullit und Magnesit.<br />
Die Oxidkeramik und die Nichtoxidkeramik gehören zur Gruppe der Hochleistungskeramik<br />
und werden aus chemisch aufbereiteten oder synthetischen<br />
Rohstoffen hergestellt. Sie besitzen dadurch einen hohen Reinheitsgrad.<br />
Unter Oxidkeramik versteht man im Gegensatz zur Silikatkeramik alle<br />
Werkstoffe, die im Wesentlichen aus einer kristallinen Phase bestehen und<br />
glasphasenarm oder glasphasenfrei sind. Die wichtigsten einfachen Oxide<br />
sind Al 2 O 3 , MgO, ZnO, BeO, TiO 2 , ZrO 2 , UO 2 und ThO 2 . Die Eigenschaften<br />
dieser Oxide können durch Zusätze verändert werden. Daneben existieren<br />
auch Werkstoffe, die aus komplexen Oxiden oder Mischoxiden bestehen. Dazu<br />
gehören Spinell (Al 2 MgO 4 ), Aluminiumtitanat (Al 2 TiO 5 ), Mullit und Ferrite.<br />
Oxidkeramik kommt in der Elektrotechnik, der Elektronik und vielfach als<br />
Strukturkeramik für nichtelektrische Anwendungen zum Einsatz. Sie besitzt<br />
die dafür geeigneten Eigenschaften wie Bruchzähigkeit, Verschleiß- und<br />
Hochtemperaturfestigkeit sowie Korrosionsbeständigkeit.<br />
Die Nichtoxidkeramik beinhaltet keramische Werkstoffe auf der Basis von Verbindungen<br />
aus Bor, Kohlenstoff, Stickstoff und Silizium. Die wichtigsten<br />
Nichtoxidkeramiken sind Siliziumcarbid und -nitrid, Aluminiumnitrid, Borcarbid<br />
und Bornitrid. Diese Werkstoffe widerstehen hohen Temperaturen,<br />
besitzen einen hohen Elastizitätsmodul, eine hohe Festigkeit und Härte,<br />
Bestandteile<br />
Steinzeug<br />
allgemein<br />
[Angaben in Gew.-%]<br />
Steinzeugrohr<br />
von <strong>2005</strong><br />
[Angaben in Gew.-%]<br />
Steinzeugrohr<br />
von 1901<br />
[Angaben in Gew.-%]<br />
Mullit 20–30 29 26<br />
Cristobalit < 8 5 4<br />
Quarz 8–20 11 14<br />
amorphe<br />
Glasphase<br />
Tab. 2: Zusammensetzung des Gefüges.<br />
50–60 55 56<br />
Forschung + Technik<br />
verbunden mit hoher Verschleißund<br />
Korrosionsbeständigkeit.<br />
Einige dieser Eigenschaften besitzt<br />
auch der silikatkeramische Werkstoff<br />
Steinzeug. So ist die hohe Korrosionsbeständigkeit<br />
(außer gegen<br />
Flusssäure) sein herausragendes<br />
Qualitätsmerkmal neben der hohen<br />
Biegezug-, Druck- und Abriebfestigkeit.<br />
Wegen der relativ niedrigen Sintertemperatur<br />
(Brenntemperatur),<br />
der guten Prozessbeherrschung und<br />
der hohen Verfügbarkeit der natürlichen<br />
Rohstoffe ist die Silikatkeramik<br />
und damit Steinzeug wesentlich<br />
kostengünstiger als die Oxid- und<br />
Nichtoxidkeramik. Letztere benötigen<br />
aufwändig hergestellte synthetische<br />
Rohstoffe und hohe Sintertemperaturen.<br />
Die Eigenschaften keramischer<br />
Werkstoffe werden maßgeblich<br />
durch ihren inneren Aufbau, d. h.<br />
durch die Art der Atome, deren chemische<br />
Bindungen und Struktur untereinander,<br />
sowie durch das Gefüge<br />
bestimmt. Die chemischen Bindungen<br />
sind interatomare Wechselwirkungskräfte<br />
von unterschiedlicher<br />
Stärke, deren Abfolge aus Abb. 1<br />
hervorgeht.<br />
Für Keramikwerkstoffe ist ein hoher<br />
kovalenter und ionischer Bindungsanteil<br />
charakteristisch. Beides sind<br />
sehr stabile und feste Bindungen, die<br />
den keramischen Werkstoffen ihre<br />
hohe Härte und Korrosionsfestigkeit<br />
verleihen.<br />
Die Kombination einer hohen Härte<br />
mit einer hervorragenden chemischen<br />
Widerstandsfähigkeit, aus der<br />
eine hohe Abriebfestigkeit resultiert,<br />
begründet die überragende Lebensdauer<br />
der Kanalrohre aus Steinzeug.<br />
Wo die Atome durch stabile Bindungen<br />
miteinander verbunden sind,<br />
können zwei Strukturen vorhanden<br />
sein. Dabei handelt es sich um die<br />
kristalline und die amorphe Struktur.<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2005</strong><br />
43
44<br />
Forschung + Technik<br />
In einer kristallinen Struktur sind die<br />
Atome räumlich über größere Bereiche<br />
(Fernordnung) angeordnet.<br />
Liegt nur eine strukturelle Nahordnung<br />
vor, so spricht man von einer<br />
amorphen Struktur.<br />
Das Gefüge silikatkeramischer Werkstoffe<br />
besteht fast immer aus vielen,<br />
oft auch verschiedenen, kristallinen<br />
Strukturen. Daneben findet man<br />
häufig noch Glasphase als amorphe<br />
Struktur und auch Poren.<br />
Die typische Zusammensetzung des<br />
Gefüges von Steinzeug ist in Tabelle<br />
2 aufgeführt. Daneben sind die Gefügezusammensetzungen<br />
des Werkstoffes<br />
Steinzeug eines heutigen Kanalrohres<br />
und eines über 100 Jahre<br />
alten Kanalrohres gegenübergestellt.<br />
Beide Zusammensetzungen<br />
sind annähernd gleich, wodurch<br />
ebenfalls die Langlebigkeit des keramischen<br />
Werkstoffes Steinzeug aufgezeigt<br />
wird.<br />
Geschichte der keramischen<br />
Werkstoffe<br />
Mit der Evolution der Menschheit ist<br />
auch die Entwicklung von Werkzeugen<br />
eng verknüpft. Anfänglich<br />
musste der Homo sapiens mit aus<br />
Naturprodukten (Stein, Holz und<br />
Knochen) gehauenen Werkzeugen<br />
auskommen, bevor er mit der Herstellung<br />
künstlicher Hilfsmittel aus<br />
Ton begann (Abb. 2). In der Zeit um<br />
etwa 20 000 v. Chr. wurden aus Ton<br />
erste Gefäße, Figuren und Ziegel geformt.<br />
Seit etwa 12 000 v. Chr. wurden<br />
diese aus Ton gefertigten Erzeugnisse<br />
über dem offenen Feuer<br />
gebrannt. Der Werkstoff „Keramik“<br />
ist daher mit Abstand der am frühesten<br />
von der Menschheit benutzte<br />
synthetisch erzeugte Werkstoff.<br />
Dank der weltweiten Verbreitung<br />
von Ton kommen keramische Erzeugnisse<br />
in fast allen Frühkulturen<br />
vor. Wesentliche Meilensteine auf<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2005</strong><br />
Ältere<br />
Steinzeit<br />
Mittlere<br />
Steinzeit<br />
Jungsteinzeit<br />
Bronzezeit<br />
Eisenzeit<br />
Neuzeit<br />
Abb. 2: Zeittafel der Keramik.<br />
Töpferscheibe<br />
Gefäßkeramik (7 000 v. Chr.)<br />
Griechische Vasen<br />
– 3000 – 2000 –1000<br />
ZEITTAFEL KERAMIK<br />
Jahr<br />
Jahr<br />
500 000<br />
20 000<br />
14 000<br />
12 000<br />
10 000<br />
8 000<br />
6 000<br />
4 000<br />
2 000<br />
Europ. Porzellan<br />
Abb. 3: Zeitachse der keramischen Werkstoffe.<br />
0<br />
2 000<br />
Steinwerkzeuge<br />
Ziegel, Figuren<br />
(ungebrannt)<br />
Töpferware<br />
Ziegel (gebrannt)<br />
Tonrohre<br />
Steinzeug<br />
Porzellan<br />
Moderne Keramik<br />
für die Technik<br />
0 1700 1990<br />
Nitride<br />
Ferrite<br />
Titanate<br />
Oxidkeramik<br />
Siliziumkarbid<br />
Steatit<br />
Steingut<br />
Feuerfeste<br />
Tonwaren<br />
Porzellan<br />
Steinzeug<br />
Irdenware
dem Weg zur heutigen Keramikherstellung waren etwa 4 000 v. Chr. in<br />
Ägypten die Erfindung der Töpferscheibe und des gedeckten Brennofens.<br />
Nach der Entwicklung der figürlichen Keramik und der Gefäßkeramik erlangte<br />
etwa 3 000 v. Chr. hauptsächlich in Ägypten, Griechenland und im Euphratgebiet<br />
die Baukeramik einen hohen technischen Stand. Hiervon zeugen<br />
besonders Tonrohre für die Kanalisation. In dieser Zeit wurde auch Steinzeug<br />
erfunden. Steinzeug ist daher der älteste Keramikwerkstoff aus technischer<br />
Sicht, bei dem die Beständigkeit an archäologischen Funden heute<br />
immer wieder nachgewiesen wird. Kein anderer keramischer bzw. synthetischer<br />
Werkstoff verfügt über eine solche Langlebigkeitsstudie.<br />
Etwa im 8. Jahrhundert v. Chr. wurde in China das Porzellan entwickelt. Erst<br />
1709 gelang es Johann Friedrich Böttger im Dienste von August dem Starken,<br />
Kurfürst von Sachsen, in Europa Porzellan herzustellen. Im Jahr 1849<br />
setzte Werner von Siemens Isolatoren aus Porzellan für Telegrafenleitungen<br />
ein. Kurz vor 1900 kamen zu diesen tonkeramischen bzw. silikatischen Werkstoffen<br />
Feuerfestwerkstoffe wie Magnesiumoxid oder Siliziumkarbid hinzu.<br />
Vor etwa 40 Jahren hielten dann die chemisch aufbereiteten keramischen<br />
Rohstoffe Einzug in die Technik. Beispielsweise wurden Zündkerzen aus Aluminiumoxid<br />
und magnetische Werkstoffe aus Ferritpulvern hergestellt. Von<br />
da an begann die Entwicklung „technischer Keramik“ stetig zu wachsen. Die<br />
vergangenen zwei Jahrzehnte haben in vielen Bereichen weitere Fortschritte<br />
gebracht und zu einer wesentlich größeren Zahl an Keramikprodukten mit<br />
immer weiter verbesserten Eigenschaften und neuen Einsatzmöglichkeiten,<br />
vor allem im technischen Bereich, geführt (Abb. 3).<br />
Kontakt<br />
Forschung + Technik<br />
Dipl.-Ing. Ralf Weingartz<br />
<strong>STEINZEUG</strong> Abwassersysteme GmbH<br />
Alfred-Nobel-Straße 17<br />
50226 Frechen<br />
Tel.: 0 22 34/5 07-491<br />
E-Mail: ralf.weingartz@steinzeug.com<br />
Internet: www.steinzeug.com<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2005</strong><br />
45
46<br />
Forschung + Technik<br />
Erneuerung der Dichtung ...<br />
... an Steinzeugrohrverbindungen älterer Bauart<br />
Seit Mitte des 19. Jahrhunderts<br />
wurden bzw. werden in<br />
Deutschland und anderen europäischen<br />
Ländern die Abwassernetze<br />
systematisch aufgebaut, erweitert,<br />
verbessert und dem aktuellen<br />
technischen Standard angepasst.<br />
Die vorwiegend eingesetzten Materialien<br />
für Rohre waren Steinzeug<br />
und Beton. Im Fokus dieses Beitrags<br />
stehen die aus dem Material Steinzeug<br />
hergestellten Rohrkanäle und<br />
-leitungen. Ihr Anteil am gesamten<br />
öffentlichen Kanalnetz (DN < 800)<br />
beträgt 46 % 1) .<br />
Die vor 1965 eingebauten Rohrkanäle<br />
aus Steinzeug weisen vornehmlich<br />
auf der Baustelle handwerklich<br />
hergestellte Dichtungen der Rohrverbindungen<br />
auf. Die Rohrlängen<br />
betrugen, je nach Baujahr, zwischen<br />
750 und 1.500 mm. Zum Gesamt-<br />
Abb. 1: Abdichtung der Rohrverbindung bis ca. 1910.<br />
1) DWA-Umfrage 2004<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2005</strong><br />
system gehören selbstverständlich auch die Abzweigstücke zur Aufnahme<br />
der Anschlussleitungen von Grundstücks- und Straßenentwässerung.<br />
Die handwerklich hergestellten Abdichtungen der Rohrverbindung (Teerstrick/Lehm<br />
bzw. Mörtel, Teerstrick mit Bitumenverguss, Rollringe aus Elastomeren)<br />
sind zwischenzeitlich infolge Alterung und konstruktiver Schwächen<br />
nach Maßstäben der technischen Regelwerke undicht mit den Folgen<br />
der Infiltration von Grundwasser und des Austrags von Abwasser in Boden<br />
und Grundwasser. Je nach Intensität dieser Erscheinungen erhöht sich das<br />
Risiko fortschreitender baulicher und betrieblicher Schäden bei gleichzeitig<br />
hieraus resultierenden Kosten (Abb. 1).<br />
Diesem technisch begründeten Prozess muss der Anlagenbetreiber gemäß<br />
gesetzlicher Vorschriften und der Vorgaben des technischen Regelwerks<br />
begegnen. Nicht zuletzt ist es auch ein Gebot der wirtschaftlichen Nutzung<br />
und des Werterhalts der Abwassersysteme.<br />
Motivation<br />
Kanalrohrleitungen aus Steinzeug sind langlebig, wenn ihre Lagebedingungen<br />
stimmen, d. h. keine Überlastung eintritt und die Rohre an ihren Verbindungen<br />
dicht bleiben. Der Vorsatz und das Gebot der Nachhaltigkeit wären<br />
hiermit erfüllt. Die Realität zeigt, dass der sorgfältige Einbau bei sorgfältig planenden<br />
und gut überwachenden Anlagenbetreibern durchaus umgesetzt<br />
wurde und wird.<br />
Die vor 1965 verwendeten Dichtsysteme der Rohrverbindungen<br />
erfüllen die heute gültigen Kriterien eines Dichtheitsnachweises<br />
weitgehend nicht mehr. Die Kanäle sind daher im Sinne des technischen<br />
Anforderungsprofils undicht, erfüllen aber sonst ihre Funktion<br />
vollwertig (hydraulisch voll ausreichend, standfest, wartungsund<br />
betriebsoptimal).<br />
Da Rohrverbindungen in Steinzeugrohrleitungen der Baujahre vor<br />
1965 ca. alle 1,5 bis 1,0 m vorkommen – zusätzlich noch die Einbindungen<br />
der Abzweigformstücke –, ist bei einer aus Alterung<br />
bzw. Bauart abzuleitenden Undichtheit bis heute ein durchlaufender<br />
Liner – ein „Rohr im Rohr“ – die technisch sinnvolle und wirtschaftliche<br />
Sanierungsmethode.<br />
Letzteres besonders deshalb, weil für eine dauerhafte Sanierung (=<br />
Abdichtung von Muffenverbindungen von Steinzeugrohren und
auch von Rohren anderer Werkstoffe) bislang kein anwendungsreifes<br />
Verfahren mit dem Anspruch auf eine lange Funktionsdauer<br />
von mehr als 40 Jahren zur Verfügung stand.<br />
Die „Rohr-im-Rohr“-Lösung, also der Liner aus den bekannten<br />
Harzen mit Trägergeweben oder auch PE bzw. PVC, ist zwar eine<br />
Lösung, die dem Anspruch an die Funktion und deren Dauer gut<br />
erfüllt, allerdings ist sie nicht beliebig oft wiederholbar. Zusätzlich<br />
entstehen Probleme bei den Abzweigen/Seiteneinläufen, bei der<br />
Entsorgung im Falle einer Leitungsauswechslung und u. U. bei der<br />
Hydraulik infolge der Querschnittseinengung.<br />
Das für den Abwasserkanal vorzüglich geeignete und bewährte<br />
Material Steinzeug wird zum Linerträger degradiert und ist damit<br />
für die weitere Nutzungsdauer des Kanals ohne Belang. Wirtschaftlicher<br />
Verlust und weitere Ressourcenverschwendung sind<br />
die Folgen.<br />
Für die <strong>STEINZEUG</strong>-Abwassersysteme GmbH und die mit dieser<br />
Thematik befassten Fachleute aus der Sanierungswirtschaft stellte<br />
sich also die Aufgabe, für hydraulisch, statisch und betrieblich<br />
intakte Abwasserleitungen aus Steinzeug, vorwiegend der Baujahre<br />
vor 1965, relativ kurzfristig ein Sanierungsverfahren zu entwickeln,<br />
mit dem Ziel, die vorhandene Langzeittauglichkeit des<br />
Steinzeugrohrs zu aktivieren und nicht durch gealterte und folglich<br />
undichte Rohrverbindungen infrage zu stellen.<br />
Anforderungsprofil<br />
Im Zuge der Projektdiskussion der <strong>STEINZEUG</strong>-Abwassersysteme<br />
mit der Münchner Stadtentwässerung, dem Sanierungsunternehmen<br />
GEIGER & KUNZ und dem Unternehmen PURDE, JOHN &<br />
PARTNER wurde folgendes Anforderungsprofil entwickelt (siehe<br />
auch Abb. 2):<br />
a) Entwicklung eines Verfahrens, das, aufbauend auf bewährten<br />
Sanierungstechnologien, ansonsten intakten Kanalstrecken im Bereich<br />
der dafür vorgesehenen Muffenverbindung eine dauerhafte<br />
Dichtheit verleiht und die dort auftretenden Kräfte/Bewegungen aufnehmen<br />
kann<br />
b) Erhalt der „Gliederkette“ für eine Rohrleitung aus endlichen Rohren, die<br />
über eine Rohrverbindung zu einer Leitung zusammengefügt werden<br />
c) Anwendung von in der Kanalsanierung bewährten Materialien mit der<br />
Gewähr einer Langzeitfunktion<br />
d) Wirtschaftlichkeit des Verfahrens<br />
e) Keine zwingende Omnipotenz des Verfahrens für alle Problemfälle<br />
f) Vorläufiger Einsatzbereich bis DN 400<br />
Entwicklungsschritte<br />
Die Verfahrensentwicklung wurde in mehreren, teils zeitlich parallelen Schritten<br />
vollzogen (Abb. 3). Der aktuelle Stand der Entwicklung ist im Abschnitt<br />
„Systembeschreibung“ enthalten.<br />
Anforderungsprofil<br />
Stand Okt.<br />
<strong>2005</strong><br />
Allgemeine<br />
Anwendungsreife<br />
Forschung + Technik<br />
Geotechnische<br />
Anforderung<br />
Harzmatrix<br />
Konstrukt<br />
Ausbildung<br />
Robotertechnik<br />
Labortests zu<br />
Beweglichkeit der<br />
Verbindung inkl.<br />
Dichtheitsnachweis<br />
In-Situ-Praxis-Tests<br />
Weitere In-Situ-Tests<br />
mit Nachweisen<br />
Gütezeichen und<br />
bauaufsichtl. Zulassung<br />
Technik der Vorbereitung<br />
der Verbindung<br />
Dichtheitsnachweis<br />
Hochdruckspültest<br />
Verfahrensoptimierung<br />
Abb. 2: Flussdiagramm vom Anforderungsprofil zur allgemeinen<br />
Anwendungsreife.<br />
Die konzeptionelle Idee<br />
● Robotertechnik und Epoxidharz als bewährte Basis<br />
– Modifizierung des Epoxidharzes Richtung Elastomer<br />
– Nachweis einer Abwinkelbarkeit der sanierten Muffe<br />
– Nachweis der Dichtheit der Verbindung<br />
– Nachweis der Hochdruckspülfestigkeit<br />
– Gegen drückendes Grundwasser anwendbar<br />
● Nachweis der dauerhaften Abwasserresistenz<br />
● Nachweis der Langzeittauglichkeit von 40+x Jahren<br />
● Wirtschaftlichkeit gegenüber der Linersanierung<br />
Abb. 3: Die konzeptionelle Idee.<br />
Die einzelnen Entwicklungsschritte<br />
bis heute sind:<br />
● Entwurf und Festlegung eines<br />
Anforderungsprofils<br />
● Entwurf einer konstruktiven Ausbildung<br />
● Verifizierung der Anforderungen<br />
bezüglich der Abwinkelbarkeit der<br />
Rohrverbindung im Boden befindlicher<br />
Leitungen<br />
● Entwicklung von Harzmatrix und<br />
Einbautechnik<br />
● Entwicklung der Technik der<br />
Muffenvorbereitung<br />
● Labortests und Messungen zur<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2005</strong><br />
47
48<br />
Forschung + Technik<br />
Abwinkelbarkeit der neu abgedichteten<br />
Rohrverbindung (Abb. 4)<br />
● Labortests zu Elastizität und Haftung<br />
der diversen modifizierten<br />
Harzmaterialien<br />
● Erprobungen „in situ“ und Überprüfung<br />
der Dichtheit und Hochdruckspülresistenz<br />
● Vorbereitung für die Erteilung eines<br />
Gütezeichens und einer bauaufsichtlichen<br />
Zulassung des Verfahrens<br />
Systembeschreibung<br />
Das auch von der Münchner Stadtentwässerung<br />
durch technischen Input<br />
und das Zur-Verfügung-Stellen<br />
von Erprobungsstrecken „in situ“<br />
geförderte Verfahren der „Erneuerung<br />
der Dichtung an Rohrverbindungen<br />
von Steinzeugrohren älterer<br />
Bauart“ stellt die nach aktuellem<br />
technischen Regelwerk (ATV-M 143-<br />
6 bei Betrachtung des gesamten bestehenden<br />
Kanals, DIN-EN 1610 bei<br />
Betrachtung der einzelnen Dichtung<br />
der Rohrmuffe) erforderliche Dichtheit<br />
wieder her.<br />
Gemäß der Nomenklatur der DIN<br />
EN 752-1 und des Merkblattes ATV-<br />
DVWK-M 143-1 ist das Verfahren der<br />
Definition „Renovierung“ zuzuordnen.<br />
Abb. 4: Versuchsaufbau zur Prüfung und Messung der<br />
Abwinkelbarkeit.<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2005</strong><br />
Die Vorgehensweise ist: Nach erfolgter Reinigung und partieller Sperrung<br />
eines Kanalteilstücks werden die bestehenden Dichtungen inklusive vorhandener<br />
Ablagerungen soweit notwendig aus dem Bereich des Muffenspalts<br />
entfernt. Zusätzlich werden sowohl vom Spitzende als auch vom Muffenspiegel<br />
der beiden verbundenen Rohre die Steinzeugglasur vollständig und auch<br />
Steinzeugkernmaterial so weit entfernt, bis ein definiert gleichmäßig breiter<br />
und tiefer Muffenspalt (Breite ca. 12 – 20 mm, Tiefe ca. 20 – 30 mm) vorliegt.<br />
Hierzu wird ein Fräsroboter mit einer entsprechenden Scheibenfräse eingesetzt,<br />
der diese Vorbehandlung im Zuge einer dem Rohrdurchmesser angepassten<br />
Rotationsbewegung durchführt.<br />
Die so geöffnete Verbindungsfuge muss mittels Reinwasserhochdruckspülung<br />
gereinigt werden. Das freie Steinzeugkernmaterial an Spitzende und<br />
Muffenspiegel bildet die Haftfläche für den Einbau des neuen Abdichtmaterials<br />
der Rohrverbindung.<br />
Zur Herstellung der neuen Abdichtung der Rohrverbindung dient ein speziell<br />
flexibilisiertes Epoxidharzmaterial aus der Familie der Epoxi-Spachtelmassen<br />
für die Risssanierung in Abwasserrohren. Die Flexibilisierung des<br />
Epoxidharzes ist soweit erfolgt, wie es für langjährig im Boden liegende Leitungen<br />
notwendig erscheint.<br />
Die schadlose Aufnahme von Abwinkelungen der Rohrverbindungen beträgt,<br />
je nach Harztyp, bei einer Rohrlänge von 1.500 mm ca. 5,0 bis<br />
10,0 mm und entspricht damit den Anforderungen der Rissfreiheit im Hochbau.<br />
Obige Werte gelten bis zu einer Nennweite von DN 400.<br />
Der Einbau des Epoxidmaterials in die vorbereitete Verbindungsfuge erfolgt<br />
mittels einer modifizierten Injektions- und Spachteltechnik, abgeleitet aus der<br />
bewährten Risssanierungstechnik nach KA-TE-Verfahren. Die Verbindungsfuge<br />
wird hierbei mit dem vorbereiteten Epoximaterial (Mischung und Verfüllung<br />
in Kartusche) voll und luftblasenfrei verfüllt und an der Rohrinnenseite<br />
glatt abgezogen. Das Material geht mit dem Steinzeugkernmaterial auch<br />
bei nassen Verhältnissen eine dichte und dauerhafte Klebeverbindung ein.<br />
Die potenziellen Bewegungen werden innerhalb des Materialvolumens<br />
Epoxidharz aufgenommen.<br />
Das verwendete Material zeichnet sich durch eine hohe innere Zähigkeit aus,<br />
ist lösungsmittelfrei, gut verarbeitbar und gegen Abwasser im<br />
Rahmen der Bestimmungen beständig. Das geringe Schwindmaß<br />
wird vom Material schadlos aufgenommen.<br />
Die neue Rohrverbindungsdichtung schafft eine glatte Rohrinnenfläche,<br />
da die früheren Rohrfugen verschlossen werden, und<br />
stabilisiert somit hydraulische Leistungsfähigkeit und betriebliche<br />
Funktion (Abb. 5 a + b).<br />
Die Resistenz der so erneuerten Verbindungsdichtung gegen<br />
Hochdruckreinigung wurde im Einvernehmen mit der Münchner<br />
Stadtentwässerung bei einem In-situ-Test nachgewiesen.<br />
Die Nachweise gemäß DIN 19517 werden derzeit gerade veranlasst.<br />
Die Dichtheit der Rohrverbindung beim „In-situ“-Test wurde sowohl<br />
nach dem Einbau als auch nach 50 Hochdruckspülgängen<br />
mittels einer Muffendruckprüfung mit Luft (Vorgangsweise nach<br />
DIN EN 1610, Verfahren LD) nachgewiesen.
Dichtung im Muffenspalt<br />
aus elastifiziertem<br />
Epoxidharz<br />
Boden der Rohrzone<br />
bzw. Rohrauflager<br />
Entsprechend den o. g. Ergebnissen und den Erfahrungen mit dem Material<br />
Epoxidharz entsteht eine dichte und dauerhafte neue Abdichtung der Rohrverbindung.<br />
Epoxidharz hat sich seit ca. 25 Jahren bei der Kanalsanierung bewährt. Das<br />
Verfahren KA-TE besteht entsprechend lange.<br />
Das Verfahren ist in gleicher Weise und an gleicher Stelle mehrfach wiederholbar,<br />
der Kanalbetrieb ist während der Ausführung in der Regel nur gering<br />
gestört.<br />
Anwendungsbereich<br />
Der Anwendungsbereich für das Verfahren sind Kanalrohrleitungen (vornehmlich<br />
aus Steinzeug), die bereits langjährig im Boden liegen, wenig bis<br />
keine statischen Schäden aufweisen und deren Schadensbild überwiegend<br />
durch die alterungs- bzw. konstruktiv bedingte Undichtheit der Rohrverbindung<br />
geprägt ist.<br />
Das Erneuerungsverfahren der Dichtung kann auch gegen drückendes<br />
Grundwasser erfolgen, wenn eine kurzzeitig wirksame Vorabdichtung oder<br />
andere Maßnahmen die Vorbereitung und Verfüllung der Verbindungsfugen<br />
zulassen.<br />
Verfahrenstechnisch kann derzeit eine Erneuerung der Verbindungsdichtung<br />
bis DN 400 erfolgen.<br />
Gesamtergebnis<br />
Materialabtrag<br />
durch Vorfräsen<br />
definierter Muffenspalt<br />
12–20 mm<br />
Rest der Muffenabd.<br />
älterer Bauart<br />
Abb. 5 a: Konstruktionsprinzip der erneuerten Dichtung<br />
der Rohrverbindung.<br />
Als technisches Ergebnis der Verfahrensanwendung erhält der Netzbetreiber<br />
einen hydraulisch leicht verbesserten Abwasserkanal für eine weitere langfristige<br />
Nutzung. Die Erfahrungen der Langzeitstandfestigkeit von Epoxidharzmaterialien<br />
in Abwasserkanälen reichen für eine Prognose von 40 Jahren+x.<br />
Zusammenfassend kann festgehalten werden:<br />
● Der Querschnitt des Kanals bleibt im Original-Durchmesser erhalten.<br />
● Das Ursprungsmaterial Steinzeug bestimmt weiterhin die Langzeitfunktion<br />
und die Wirtschaftlichkeit des Abwasserkanals.<br />
Forschung + Technik<br />
Abb. 5 b: Sanierte Muffe, bündig mit Rohrinnenwand, Versatz<br />
simuliert.<br />
● Besondere Maßnahmen bei<br />
Schächten und Abzweigen sind verfahrensbedingt<br />
nicht notwendig. Eine<br />
Sanierung der Abzweige kann<br />
unabhängig erfolgen.<br />
● Die technische Ausführung weist<br />
ein geringes Mängelrisiko auf.<br />
● Die Qualitätskriterien einer fachgerechten<br />
Ausführung sind einfach<br />
und eindeutig.<br />
Voraussichtliche Kosten<br />
Die Kosten der Erneuerung der Dichtung<br />
eines durchlaufenden Kanalstrangs<br />
(jede Rohrverbindung wird<br />
erfasst) werden unterhalb einer<br />
Komplettrenovierung (Rohrstrang,<br />
Abzweige, Schachteinbindungen<br />
u.a.) liegen. Die hohe Wirtschaftlichkeit<br />
generiert sich aus der Aktivierung<br />
einer weiteren, definierbaren<br />
Nutzungsdauer des Kanals.<br />
Kontakt<br />
Dipl.-Ing. Hans-Joachim Purde<br />
PURDE, JOHN & PARTNER<br />
Gluckstraße 27<br />
85598 Baldham<br />
Tel.: 0 81 06/35 83 15<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2005</strong><br />
49
50<br />
Baustellenbericht/-reportage<br />
Deutsch-polnische Partnerschaft<br />
Mikrotunnelverfahren im Breslauer Gewerbegebiet<br />
Die Gemeinde Kobierzyce,<br />
verwaltungstechnisch dem<br />
polnischen Wrocl /aw (Breslau)<br />
angegliedert, hat großes Expansionsbestreben:<br />
Auf einer mehrere<br />
tausend Quadratmeter messenden<br />
Brachfläche an der nahe gelegenen<br />
Autobahn E 40 ist die südwestliche<br />
Erweiterung eines Gewerbegebietes<br />
geplant. Eine der vordringlichsten<br />
Infrastrukturmaßnahmen, die dafür<br />
zurzeit in Angriff genommen wird,<br />
ist der Neu- und Ausbau der Trinkwasserversorgung<br />
sowie der Abwasserentsorgung.<br />
Im Zuge dessen soll<br />
auch die Anbindung dieses neuen<br />
Gewerbebezirks an die Gemeinde<br />
Kobierzyce und deren geplanter Erweiterungsareale<br />
erfolgen.<br />
Ende 2004 wurden die Planungen<br />
für dieses Projekt abgeschlossen. Die<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2005</strong><br />
technische Dokumentation erfolgte durch das Ingenieurbüro für kommunales<br />
Bauwesen GmbH in Wrocl /aw unter Federführung von Dipl.-Ing. Ryszard<br />
Mazurczak. Für den Investitionsplan zeichnen Dipl.-Ing. Grazyna Szczepaniak<br />
und Dipl.-Ing. Marcin Grezelec verantwortlich, die Finanzmittel stellen die<br />
Wasserwerke Wrocl /aw zur Verfügung.<br />
Die gesamte Baumaßnahme ist in Abhängigkeit von den fließenden Finanzmitteln<br />
in drei Abschnitte gegliedert:<br />
Abschnitt I: Bau einer 1.217 m langen Trinkwasserleitung mit DN-600-Gussrohren<br />
sowie eines 1.086 m langen Abwasserkanals mit Stahlbetonrohren<br />
DN 600 und DN 800 in offener Bauweise.<br />
Abschnitt II: Bau einer Trinkwasserleitung aus duktilen Gussrohren DN 600<br />
mit einer Gesamtlänge von 658 m sowie eines 1.040 m langen Abwasserkanals<br />
mit Steinzeugrohren DN 600 im Mikrotunnelverfahren.<br />
Dass der Einbau der Kanalrohre nur in geschlossener Bauweise infrage kam,<br />
basierte auf folgenden Gegebenheiten und Kriterien:<br />
● Die vorgesehene Trasse liegt unmittelbar an einer breiten, neu gebauten<br />
Umgehungsstraße<br />
● Schwierige Grundwasserverhältnisse und Wasserhorizonte hätten beim<br />
offenen Graben eine umfangreiche Wasserhaltung erforderlich gemacht
Auf dem Baustellenplatz kann man sich einen Eindruck des klebrig-nassen und<br />
zähen Geschiebemergels verschaffen. Mitte rechts im Bild: die nahe gelegene neue<br />
Umgehungsstraße.<br />
● Einbau der Rohre in 8 m Tiefe<br />
● minimaler Eingriff in die Geländeoberfläche<br />
● Gefahr zur Unterspülung der neuen Umgehungsstraße durch das hohe<br />
Grundwasserniveau sowie durch die schwer kalkulierbaren Wasserhorizonte<br />
Abschnitt III: Bau einer 1.379 m langen Trinkwasserleitung mit DN-600- und<br />
DN-800-Gussrohren in offener Bauweise.<br />
Anfang <strong>2005</strong> wurden die drei Abschnitte ausgeschrieben. An der Ausschreibung<br />
für Abschnitt II haben sich auch die ARGE-Partner INKOP (Krakau) für<br />
den Einbau der Trinkwasserleitung in offener Bauweise und GILDEMEISTER<br />
(Berlin) für den Einbau der Abwasserleitung im Mikrotunnelverfahren beteiligt<br />
und am 15. April <strong>2005</strong> den Auftrag erhalten.<br />
Am 15. Juni <strong>2005</strong> begann die GILDEMEISTER GmbH & Co. KG, Berlin, mit<br />
der Einrichtung der Vortriebsanlage (Herrenknecht AVN 600) und den Vortriebsarbeiten.<br />
Verwendet wurden durchweg Steinzeug-Vortriebsrohre DN<br />
600 mit edelstahlverstärkter Druckübertragung, einer Kupplung V4A Typ 2<br />
aus molybdänlegiertem Edelstahl und Druckübertragungsring. Als Startschächte<br />
wurden Stahlbetonabsenkschächte aus vorgefertigten Stahlbetonringen<br />
DN 3200 abgeteuft. Für die Zielschächte wurden ebenfalls Stahl-<br />
Steinzeug-Vortriebsrohre DN 600 liegen zum Einbau bereit.<br />
Baustellenbericht/-reportage<br />
betonsenkschächte eingebaut, jedoch<br />
mit der Dimension DN 2500.<br />
Die Vortriebsstrecken haben durchschnittliche<br />
Haltungslängen von<br />
140 m, jedoch konnte die bislang<br />
längste Haltung mit 160 m erzielt<br />
werden. In langen Vortriebsstrecken<br />
werden wiedergewinnbare Zwischenpressstationen<br />
eingebaut.<br />
Nicht unproblematisch – mit dem<br />
Mikrotunnelverfahren aber beherrschbar<br />
– sind zum einen das hohe<br />
Niveau des Grundwasserspiegels<br />
(in der gesamten Strecke steht das<br />
Grundwasser 3 m über dem Rohrscheitel),<br />
zum anderen die geologi-<br />
Blick in den Startschacht: Die Vorbereitungen für den<br />
Einbau des nächsten Vortriebsrohrs werden getroffen.<br />
schen Verhältnisse: Die Wechsellagerung<br />
von eiszeitlichen Geschiebemergeln<br />
mit Kiesschichten bedingt<br />
zahlreiche Wasserhorizonte, der äußerst<br />
zähe Geschiebemergel erfordert<br />
eine Hochdruckbedüsung zum<br />
verbesserten Abbau.<br />
Nach Fertigstellung einer Vortriebshaltung<br />
baut der ARGE-Partner IN-<br />
KOP die Start- und Zielschächte zu<br />
Revisionsschächten um. Die Vortriebsarbeiten<br />
werden voraussichtlich<br />
im November <strong>2005</strong> abgeschlossen<br />
sein.<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2005</strong><br />
51
52<br />
Portrait/Interview<br />
Tubi e raccordi Gres<br />
Zu Gast bei der Società del Gres<br />
Bei der Herstellung von Erzeugnissen<br />
aus Steinzeug zum Bau<br />
von Abwasserleitungen kann<br />
das im italienischen Sorisole (Bergamo)<br />
ansässige Unternehmen Società<br />
del Gres auf eine über 120-jährige<br />
Tätigkeit zurückblicken. Auf einer<br />
Gesamtfläche von 212.000 m 2 werden<br />
in einem modernen Werk Steinzeugrohre<br />
und Formstücke der Marke<br />
Gresala hergestellt und über die<br />
Grenzen Italiens hinaus vertrieben.<br />
Die Befriedigung der Kunden, die<br />
Steigerung der Produktivität, die<br />
permanente Weiterentwicklung der<br />
technologischen Forschung sowie<br />
die stetige Verbesserung der Qualität<br />
sind auch nach mehr als einhundert<br />
Jahren die Ziele des Unternehmens.<br />
Als Mitglied im <strong>Fachverband</strong> <strong>Steinzeugindustrie</strong><br />
e.V. und als Mitglied<br />
der FEUGRES haben Dr. Rodolfo<br />
Spotti (Direktor der Società del<br />
Gres), Marco Salvi (Direktor Vertrieb<br />
und Marketing) sowie Daniela Farnedi<br />
(Verkaufsleiterin Deutschland)<br />
im August die Redaktion zu einem<br />
Unternehmensportrait nach Sorisole<br />
eingeladen, das im Rahmen eines<br />
Gesprächs und eines Interviews entstanden<br />
ist.<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2005</strong><br />
?<br />
Das Unternehmen Società del Gres wurde 1887 gegründet. Was wurde damals<br />
produziert und wie hat sich das Unternehmen bis heute entwickelt?<br />
Società del Gres: Das Unternehmen produziert seit dem ersten Tag seiner<br />
Gründung Steinzeugrohre. Angefangen hat alles mit Rohren in den Durchmessern<br />
3 bis 4 cm und einer Baulänge von 1 m, die rund 1.000 Mitarbeiter<br />
überwiegend in Handarbeit produziert haben. Über die Jahre hinweg haben<br />
wir dann im Zuge der raschen Automatisierung in erster Linie die Durchmesser<br />
ständig erweitert und später auch die Rohrlängen vergrößert. Heute produzieren<br />
wir mit derzeit 150 Mitarbeitern Steinzeugrohre in den Dimensionen<br />
DN 100 bis DN 350 in den Längen 1 m, 1,25 m, 1,50 m und 2 m und<br />
in den Dimensionen DN 400 bis DN 800 in den Längen 2 m und 2,50 m. Zu<br />
unserem Angebot gehören natürlich auch die entsprechenden Formstücke<br />
und Verbindungssysteme, die ebenfalls hier in Sorisole hergestellt werden.<br />
?<br />
Hat die Società del Gres noch weitere Produktionsstandorte für Steinzeugrohre?<br />
Società del Gres: Nein, Sorisole ist der Einzige.<br />
?<br />
Wie viele Mitbewerber hat das Unternehmen?<br />
Società del Gres: In Italien sind wir – seit rund 15 Jahren – alleiniger<br />
Hersteller von Steinzeugrohren. Selbstverständlich haben wir in den übrigen<br />
EU-Ländern Mitbewerber.<br />
?<br />
Sie haben ein sehr gut ausgebautes Netzwerk von Mitarbeitern. Wir gehen<br />
davon aus, dass Ihre Auftraggeber in erster Linie die Städte und Kommunen<br />
sind. Wie erfolgt die Marktbearbeitung? Stehen Ihre Mitarbeiter in unmittelbarem<br />
persönlichen Kontakt mit den Kunden, begleiten und beraten diese?<br />
Società del Gres: Unser gut organisiertes Netzwerk umspannt ganz Italien.<br />
Wir haben 15 Gebietsleiter, verteilt auf insgesamt 21 Regionen, die es in<br />
Italien gibt, 30 Vertretungen und 25 Lagerstandorte. Vorrangige Aufgabe der<br />
Gebietsleiter ist, öffentliche Auftraggeber für den Einsatz von Steinzeugrohren<br />
zu gewinnen. Daher ist es für sie unabdingbar, in ständigem Kontakt mit
den Verantwortlichen der Kommunen und Städte zu stehen und auch<br />
Ansprechpartner für sie zu sein. Anstehende Kanalbauprojekte bereiten die<br />
Gebietsleiter direkt mit den Ingenieurbüros vor, um den Verantwortlichen in<br />
den Kommunen und Städten technische <strong>Information</strong>en bieten zu können<br />
und ihnen beratend zur Seite zu stehen. Rund 80 % ihrer Arbeit besteht also<br />
aus der „Promotion“ bei Kommunen und Städten; die restlichen 20 % beziehen<br />
sich auf die indirekte Organisation, z. B. die Entsendung unserer Vertreter,<br />
die dann die Verkaufsabwicklung, die fachliche Beratung und die<br />
Unterstützung der ausführenden Baufirmen übernehmen.<br />
Die „Promotion“ umfasst also die fachliche Beratung, die Serviceleistungen<br />
und alle notwendigen technischen <strong>Information</strong>en rund um das Produkt<br />
Steinzeugrohr und dessen Einbau. Wir bieten zudem auch eine Wirtschaftlichkeitsberechnung<br />
an.<br />
?<br />
Sie benennen Vertriebsstandorte in Süddeutschland. Ist das für Sie ein<br />
attraktiver Markt und welche weiteren Märkte außerhalb Italiens bedienen<br />
Sie?<br />
Società del Gres: Ja, wir haben eine Vertretung in Karlsruhe, aber wir verkaufen<br />
in ganz Deutschland. Deutschland ist für uns, neben Italien, wo wir<br />
75 % unseres Umsatzes erzielen, der größte und wichtigste Markt in Europa<br />
und damit ein sehr attraktiver! Wir vertreiben unsere Produkte auch in einigen<br />
anderen europäischen Ländern, wie etwa Polen, Tschechien, die Baltischen<br />
Länder, Slowenien, Frankreich, Spanien etc. Aber Deutschland ist<br />
unser größter europäischer Markt außerhalb Italiens.<br />
?<br />
Sehen Sie im Ausland noch weitere Marktpotenziale?<br />
Società del Gres: Marktpotenziale sehen wir eindeutig in Osteuropa. Aber<br />
wir müssen uns vorrangig in den Ländern behaupten und unsere Position in<br />
den Ländern stärken, in denen wir bereits aktiv<br />
sind. Unsere Bemühungen in Osteuropa<br />
befinden sich im Aufbau.<br />
?<br />
Sehen Sie diese Potenziale auch für den Vertrieb<br />
von Vortriebsrohren?<br />
Società del Gres: Die gibt es sicher auch in<br />
Osteuropa. Aber wir produzieren selbst keine<br />
Vortriebsrohre. Wir kaufen und vertreiben<br />
Rohre der <strong>STEINZEUG</strong> Abwassersysteme,<br />
Köln, aber nur für den italienischen Markt.<br />
?<br />
Sind Sie an Projekten von EU-Mitgliedsländern,<br />
speziell den neuen EU-Staaten, beteiligt?<br />
Gibt es Partnerschaften, Kooperationen<br />
etc.?<br />
Portrait/Interview<br />
Società del Gres: Nein. Wir versuchen,<br />
mit Eigeninitiative in Osteuropa<br />
Fuß zu fassen. Wir werden mit unseren<br />
Leuten und unserem Knowhow<br />
eigene Organisationen auf dem<br />
osteuropäischen Markt aufbauen.<br />
?<br />
Bei EU-erfahrenen deutschen<br />
Bauunternehmern heißt es: Wenn<br />
die Deutschen noch an ihren Anträgen<br />
für EU-Mittel sitzen, haben die Italiener<br />
ihre Projekte schon abgewickelt.<br />
Das trifft also auf Ihr Unternehmen<br />
nicht zu?<br />
Società del Gres: Nein, denn bei<br />
uns hier sagt man genau das Gegenteil!<br />
?<br />
Wie hoch ist Ihre Jahresproduktion<br />
an Steinzeugrohren und -formstücken,<br />
wie hoch ist der Umsatz?<br />
Società del Gres: Wir produzieren<br />
rund 70.000 t Steinzeugrohre und<br />
Formstücke (unsere Kapazität liegt<br />
bei 75.000 t), was einem Gesamtumsatz<br />
von 31,3 Mio. Euro entspricht.<br />
Wie vorhin schon erwähnt,<br />
erzielen wir 75 % unseres Umsatzes<br />
hier in Italien.<br />
Zu Gast bei der Società del Gres in Sorisole (Bergamo). V. l. n. r.: Dr. Rodolfo<br />
Spotti (Direktor der Società del Gres), Karl-Heinz Flick (Geschäftsführer des FVST),<br />
Daniela Farnedi (Verkaufsleiterin Deutschland) sowie Marco Salvi (Direktor Vertrieb<br />
und Marketing).<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2005</strong><br />
53
54<br />
Portrait/Interview<br />
Marco Salvi sorgt als Direktor für Vertrieb<br />
und Marketing u.a. für die umfassende „Promotion“,<br />
also für die fachliche Beratung, die<br />
Serviceleistungen und alle notwendigen technischen<br />
<strong>Information</strong>en rund um das Produkt<br />
Steinzeugrohr und dessen Einbau.<br />
?<br />
Ein Unternehmen wie die Società<br />
del Gres, mit dem o. g. Netzwerk<br />
und der bekannten Marktposition, bietet<br />
seinen Kunden sicher mehr als nur<br />
Steinzeugrohre und -formstücke. Welche<br />
Serviceleistungen bieten Sie Ihren<br />
Kunden?<br />
Società del Gres: Wir bieten den<br />
Ingenieuren Unterstützung mit<br />
technischen und wirtschaftlichen <strong>Information</strong>en,<br />
die für den Bau von<br />
Abwasserleitungen aus Steinzeug<br />
notwendig sind. Die Ingenieurbüros<br />
erhalten von uns die Hinweise für die<br />
statischen Berechnungen. Wir haben<br />
Mitarbeiter, die am Markt stets<br />
präsent sind: Sie besuchen Baustellen,<br />
bieten Bauservice an, überprüfen<br />
Baustellen etc. Für sämtliche<br />
technische Fragen bieten wir unseren<br />
Internetservice an, der mit 220<br />
Kontakten/Woche auch sehr gut genutzt<br />
wird.<br />
?<br />
Auf Ihrer Homepage ist ein spezieller<br />
Bereich dem Microtunneling<br />
gewidmet. Wie groß ist die Nachfrage<br />
in Italien nach Vortriebsrohren?<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2005</strong><br />
Società del Gres: Wie gesagt! Wir produzieren ja keine Vortriebsrohre<br />
selbst, sondern vertreiben Rohre der <strong>STEINZEUG</strong> Abwassersysteme in Italien.<br />
Der Markt ist auch nicht sehr groß: Schätzungsweise 1 bis 2 % aller Kanalbaumaßnahmen<br />
in Italien werden im Microtunneling-Verfahren ausgeführt,<br />
allerdings mit steigender Tendenz.<br />
?<br />
Seit wann wird das Microtunneling in Italien eingesetzt?<br />
Società del Gres: In größerem Umfang erst seit 2000, aber wir haben<br />
lange im Vorfeld viel Aufbauarbeit geleistet.<br />
?<br />
Wie viele Anbieter gibt es?<br />
Società del Gres: Es gibt 6 bis 7 Anbieter, also Bauunternehmen, auf dem<br />
italienischen Markt.<br />
?<br />
Welche Entwicklungsvorhaben stehen zurzeit auf Ihrem Programm?<br />
Società del Gres: Die Verbesserung der Qualität hat stets Priorität bei<br />
unseren Vorhaben und das impliziert Verbesserungen auf verschiedenen<br />
Ebenen: So werden ständig Materialmischungen, Produktionsabläufe, optische<br />
Erscheinung der Produkte und die Analyseverfahren optimiert.<br />
?<br />
Was sind Ihre Verkaufsargumente für Steinzeugrohre?<br />
Società del Gres: Ganz obenan stehen die hervorragenden chemischen<br />
und physikalischen Eigenschaften des Werkstoffes Steinzeug und die sehr hohe<br />
Lebensdauer. Es folgen die ökonomischen und ökologischen Vorteile, die<br />
sich eben aus diesen Eigenschaften und der langen Lebensdauer und den<br />
daraus resultierenden wirtschaftlichen Unterhaltungskosten ergeben. Mit<br />
dem Material Steinzeug werden wirklich Bauwerke im Sinne der Nachhaltigkeit<br />
geschaffen. Wir haben allerdings immer noch Probleme, die hohe Wirtschaftlichkeit<br />
von Abwassernetzen aus Steinzeug zu kommunizieren, da<br />
viele Entscheider immer noch sehr kurzfristig denken.<br />
?<br />
Spielt das Thema Nachhaltigkeit in Italien denn keine Rolle?<br />
Società del Gres: Theoretisch: ja, in der Realität: nein. Theoretisch liegt die<br />
Preisdifferenz zwischen einem PVC- und einem Steinzeugrohr bei 50 %. In<br />
der Realität sind es nur 10 bis 12 %. Das zu kommunizieren ist hier immer<br />
noch sehr schwierig; viele argumentieren immer noch mit den zu hohen<br />
Kosten „am Anfang“. Über die Zukunft machen sie sich keine Gedanken.<br />
Dennoch: Wir haben Zuwächse bei großen Leitungen, leichte Verluste im<br />
Hausanschlussbereich.
?<br />
Sie sind als Unternehmen Mitglied der FEUGRES. Warum sind Sie das?<br />
Bietet Ihnen diese Mitgliedschaft Vorteile auf dem europäischen Markt?<br />
Società del Gres: Die Mitgliedschaft ist außerordentlich wichtig für den gesamten<br />
europäischen Markt, nicht für die Produkte. Mit FEUGRES und durch<br />
FEUGRES ist eine detaillierte Analyse des europäischen Abwassermarktes<br />
möglich. Die Märkte sind transparenter geworden, man lernt die Situation<br />
(und auch die Probleme) anderer Länder kennen, man kann sich austauschen.<br />
?<br />
Auf dem FEUGRES-Kongress in Sorrento waren Sie mit FEUGRES auch Gastgeber.<br />
Welche Resonanz hatten Sie auf diese erfolgreiche Veranstaltung?<br />
Società del Gres: Wir waren nicht nur Gastgeber, Dr. Rodolfo Spotti war<br />
auch Präsident der FEUGRES. Wir hatten mit dem Kongress große Resonanz<br />
auf dem italienischen Markt. Theorie und Praxis kamen sich hier deutlich<br />
näher.<br />
Wir halten diesen internationalen Austausch, der alle drei Jahre stattfindet,<br />
für außerordentlich wichtig. Auf nationaler Ebene finden viele Kongresse<br />
statt, hier bei uns sind es pro Jahr ca. 20, die wir auch größtenteils besuchen.<br />
Aber die Internationalität dürfen wir nicht aus den Augen verlieren, der<br />
<strong>Information</strong>saustausch ist immanent.<br />
?<br />
Sie waren auch auf der IFAT im April dieses Jahres vertreten. Welche Rolle<br />
spielt diese Messe für Sie? Ist das eine Plattform für Sie, neue Märkte zu<br />
erschließen?<br />
Società del Gres: Die IFAT ist für uns die einzige Messe in Europa, auf der<br />
wir präsent sind. Es ist für uns die wichtigste Messe mit internationalem<br />
Anspruch. Dort haben wir viele, internationale und qualitativ gute Kontakte<br />
geknüpft. Ansonsten besuchen wir Kongresse, die eine technische Ausrichtung<br />
haben.<br />
?<br />
Laut Statistik aus dem Jahr 2002 versickern in Italien aus den Kanalnetzen<br />
rund 40 % des Abwassers im Boden. Mittelfristig hieß es, sollten nach dem<br />
Galli-Gesetz, das 1994 verabschiedet wurde, 4,6 Mrd. Euro für den Ausbau und<br />
die Modernisierung investiert werden. Ist das geschehen? Haben Sie das in<br />
Ihrem Absatzmarkt gespürt?<br />
Società del Gres: Bei der Modernisierung von Abwasserleitungen besitzen<br />
wir einen Marktanteil von 10 bis 15 %. Das bezieht sich auf die offene Bauweise.<br />
Der Rest wird über Innensanierungen abgedeckt. Soweit wir das überblicken<br />
und spüren, sind nach dem Erlass des Galli-Gesetzes aber nur wenige<br />
Projekte im Bereich der Modernisierung/Renovierung/Sanierung realisiert<br />
worden. Einen Boom hat es jedenfalls bislang nicht gegeben.<br />
?<br />
Ihr stellvertretender Umweltminister, Antonio Martusciello, betonte auf dem<br />
FEUGRES-Kongress in Sorrento, dass sich PPP-Modelle in Italien auch auf<br />
dem Wasser-/Abwassersektor allmählich etablieren. Ich erinnere auch an die<br />
Portrait/Interview<br />
Daniela Farnedi ist mit ihren umfangreichen<br />
Sprach- und Fachkenntnissen die perfekte Besetzung<br />
der Verkaufsleiterin Deutschland.<br />
„ATO“ (ambiti territoriali). Können Sie<br />
das für den Abwassersektor bestätigen<br />
bzw. kennen Sie positive Beispiele dafür?<br />
Società del Gres: Wir kennen keine<br />
Beispiele, und es wurde unseres<br />
Wissens nach bislang wenig oder gar<br />
nichts umgesetzt. Vielleicht in der<br />
Wasserversorgung. Für die PPP-Modelle<br />
selbst sehen wir gute Chancen,<br />
allerdings nicht für uns bzw. für unsere<br />
Produkte aus Steinzeug. Der<br />
Grund ist ganz einfach: Bei den PPP-<br />
Projekten schauen die Verantwortlichen<br />
auf maximal 20 Jahre in die Zukunft.<br />
Hier sind wir wieder bei der<br />
Problematik, die wir oben schon angeschnitten<br />
haben. Das Thema<br />
Nachhaltigkeit ist in vielen Köpfen<br />
noch nicht präsent.<br />
Wirklich etwas bewegt haben weder<br />
das Galli-Gesetz noch die ATO-Initiative.<br />
Theorie und Praxis liegen häufig<br />
weit auseinander...<br />
Wir danken Dr. Rodolfo Spotti, Marco<br />
Salvi und Daniela Farnedi ganz herzlich<br />
für dieses Gespräch.<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2005</strong><br />
55
56<br />
Portrait/Interview<br />
Qualifizieren und Zertifizieren<br />
Leitungsbau – Abwasser/Wasser/Gas<br />
Dipl.-Ing. Wilhelm Kröfges ist<br />
seit über 20 Jahren in der<br />
Fort- und Weiterbildung des<br />
Rohrleitungsbaus im Rohrleitungsbauverband<br />
e.V. tätig. Seit November<br />
2004 übt er als Geschäftsführer<br />
des BLB Bildungsinstitut des Leitungsbaus<br />
der Bauindustrie GmbH,<br />
an dessen Gründung er maßgeblich<br />
beteiligt war, eine weitere Funktion<br />
in diesem Segment aus. Ziel des BLB<br />
ist – vergleichbar mit den Zielen des<br />
brbv Berufsförderungswerk des<br />
Rohrleitungsbauverbandes GmbH –<br />
anerkannte Qualifikationsanforderungen<br />
mit weiteren Zertifizierern<br />
und Gütegemeinschaften für den<br />
Kanalbau, den Kabelleitungstiefbau<br />
und den Fernwärmeleitungsbau auszuarbeiten<br />
und als Voraussetzung zu<br />
manifestieren. In einem Gespräch<br />
mit der Redaktion hat Wilhelm Kröfges<br />
die definierten Ziele und Aufgaben<br />
des BLB geschildert.<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2005</strong><br />
?<br />
Es gibt das psychologische Spiel der spontanen Assoziation: schwarz – weiß,<br />
Mann – Frau, oben – unten, Feuer – Wasser etc. Mit dem Namen Kröfges<br />
assoziieren in der Branche viele ganz spontan „Rohrleitungsbau“. Seit über 20<br />
Jahren sind Sie Referent der figawa/rbv (Bundesvereinigung der Firmen im Gasund<br />
Wasserfach e.V./Rohrleitungsbauverband e.V.) und seit einigen Jahren<br />
Geschäftsführer des Berufsförderungswerkes des Rohrleitungsbauverbandes<br />
GmbH (brbv). Sie führen diese Aufgaben mit viel Engagement und viel Erfolg aus.<br />
Seit November letzten Jahres sind Sie auch Geschäftsführer des BLB Bildungsinstitut<br />
des Leitungsbaus der Bauindustrie GmbH, an dessen Gründung Sie maßgeblich<br />
beteiligt waren. Was waren die Gründe, eine weitere Institution für die<br />
Fort- und Weiterbildung zu etablieren?<br />
W. Kröfges: Die Rahmenbedingungen in der Bauwirtschaft und die Gegebenheiten<br />
innerhalb der Interessensverbände der Bauindustrie haben sich in<br />
den letzten Jahren deutlich verändert. Sowohl die Veränderungen im Rahmen<br />
des unbundlings der Versorgungsunternehmen als auch das Outsourcing<br />
in Teilbereichen der Versorgungsunternehmen sind nicht ohne Auswirkung<br />
auf die Bildungsarbeit geblieben. Auch die Aufgabenstellung in den<br />
gestiegenen Anforderungen des Kanalbaus, z. B. in der Kanalsanierung und<br />
der -erneuerung, stellt besondere Anforderungen an die Bildungsarbeit. Das<br />
heißt auch, die Bildungsarbeit muss sich anpassen.<br />
In Ergänzung zum „Königsteiner Abkommen“ wurde zwischen den bauindustriellen<br />
Verbänden und dem Rohrleitungsbauverband in den 70er Jahren<br />
beschlossen, dass es das Bestreben der Bildungsträger für den Bereich des<br />
Rohrleitungsbaus, des Kanalbaus, des Kabelleitungstiefbaus und des Fernwärmeleitungsbaus<br />
ist, enger zu kooperieren.<br />
Es ist das übereinstimmende Ziel der Beteiligten, den Bauunternehmen des<br />
Leitungsbaus flächendeckend Komplettlösungen im Bereich der Fort- und<br />
Weiterbildung anzubieten.<br />
?<br />
Welche Ziele hat sich die BLB gesetzt, wie sieht die Aufgabenstellung aus?<br />
W. Kröfges: Die Herausforderungen an die Bildungsarbeit sind nur mit<br />
einer erfolgreichen Strukturreform in der Fort- und Weiterbildung zu bewältigen.<br />
Das Bildungsinstitut des Leitungsbaus der Bauindustrie hat hier klare<br />
Vorstellungen zur Erfüllung dieser Voraussetzungen. Diese sind:
● der Aufbau berufsbezogener Qualifikationsprofile<br />
● die Zusammenstellung verzahnter Qualifikationspakete nach dem fachlichen<br />
Bedarf der Unternehmen<br />
● die Kombination von branchen- und technischspezifischen sowie betriebsorientierten<br />
Qualifikationen mit berufsübergreifenden Lernzielen zu<br />
ermöglichen.<br />
Im Rahmen des Berufsförderungswerkes des Rohrleitungsbauverbandes<br />
GmbH sind hier vergleichbare Strukturen im Rahmen der Zertifizierung nach<br />
dem DVGW-Arbeitsblatt<br />
GW 301 geschaffen worden. Es ist Ziel des Bildungsinstitutes, vergleichbar<br />
anerkannte Qualifikationsanforderungen mit weiteren Zertifizierern und Gütegemeinschaften<br />
auszuarbeiten und als Voraussetzungen zu manifestieren.<br />
?<br />
In den Statuten ist neben dem Beirat ein so genannter Fachbeirat als Organ<br />
des BLB definiert. Wenn in dem Fachbeirat Fachverbände und -institutionen<br />
vertreten sind, die ja auch eigene Veranstaltungen durchführen, treten da nicht<br />
Wettbewerbssituationen auf?<br />
W. Kröfges: Der Fachbeirat repräsentiert die institutionellen Fachorgane des<br />
Leitungsbaus und berät die Geschäftsführung bei der Konzeption und Umsetzung<br />
der Fort- und Weiterbildungsprojekte. Es ist nicht Aufgabe des Bildungsinstitutes,<br />
die <strong>Information</strong>sveranstaltungen, verbunden mit <strong>Information</strong>en<br />
der einzelnen Fachorgane, -verbände und Gütegemeinschaften zu unterlaufen<br />
oder hier in Wettbewerb zu treten. Allerdings sieht es das BLB als<br />
Aufgabe an, gemeinsam mit den Fachverbänden, Gütegemeinschaften und<br />
der Bauindustrie ein harmonisiertes komplettes Bildungsprogramm für den<br />
Leitungstiefbau anzubieten und Strukturprogramme festzulegen. Erste<br />
Schritte wurden hier bereits im Programm 2006 manifestiert. Vorarbeiterlehrgänge<br />
wie auch Werkpolierlehrgänge sind in einem modularen System aufgebaut<br />
und geben dem Fachpersonal Gelegenheit, ein aufbauendes Fortbildungsprogramm<br />
zu absolvieren.<br />
Noch mal ganz deutlich: Die Fachverbände, Gütegemeinschaften führen<br />
eigene <strong>Information</strong>sveranstaltungen, in der Regel fachbezogen zum Produkt,<br />
durch. Es besteht bei den Beteiligten Einvernehmen, hier zwischen der Bauindustrie,<br />
dem BLB und den Fachverbänden und -institutionen, keine Wettbewerbssituation<br />
auftreten zu lassen. Es wird angestrebt, koordiniert über das<br />
Fortbildungsprogramm 2006, ein harmonisches Ganzes in einer nicht auftretenden<br />
Wettbewerbssituation anzubieten.<br />
?<br />
Im Kanalbau ist das Fort- und Weiterbildungsangebot etwas diffus und nicht<br />
gerade überschäumend. Schließt die BLB mit ihrem Angebot hier Lücken?<br />
W. Kröfges: Für das Jahr 2006 wird ein neuer Bildungskatalog für den Leitungsbau<br />
erarbeitet. Der Katalog beruht auf der neuerlichen Zusammenstellung<br />
des Angebotes der bauindustriellen Bildungsträger sowie der Fachorgane.<br />
Hierbei ist in ersten Schritten nicht zu erwarten, dass ein „überschäumendes“<br />
neues Bildungsprogramm zu Tage tritt, sondern erstmals eine<br />
Regulierung des bestehenden Marktes erfolgt. Eine Straffung des Fortbildungsprogramms<br />
war hier in der Vorarbeit dringend notwendig. Eine Viel-<br />
Portrait/Interview<br />
zahl von Veranstaltungen wurde mit<br />
gleichem Titel und in einer nicht zu<br />
vertretenden Vielfalt angeboten. Die<br />
neue Struktur des Bildungsprogramms<br />
gliedert sich wie folgt:<br />
Gruppe 1: Aufstiegsfortbildung<br />
Gruppe 2: Praxisseminare<br />
Gruppe 3: <strong>Information</strong>sveranstaltungen,Intensivschulungen<br />
und Tagungen<br />
Der Schwerpunkt der Arbeit wird für<br />
das Jahr 2006 vorab im Bereich der<br />
Aufstiegsfortbildung liegen. Hier ist<br />
kurrikulare Arbeit zu leisten und diese<br />
Ergebnisse in das Bewusststein der<br />
Kunden, also die Leitungsbauunternehmen,<br />
zu bringen.<br />
?<br />
Gibt es im Kanalbau für den Fortund<br />
Weiterbildungssektor noch<br />
Neuland, das zu betreten sich lohnt?<br />
W. Kröfges: Im Bereich des Neubaus<br />
von Kanälen, der Sanierung<br />
und der Instandhaltung von Abwasserleitungen<br />
sowie im Kabelleitungsbau<br />
ist eine Vielzahl von Bildungsaufgaben<br />
zu erfüllen. Im Bereich der<br />
Produkt bezogenen <strong>Information</strong>en<br />
werden diese weitestgehend von<br />
den Fachorganen, wie z. B. der<br />
<strong>Steinzeugindustrie</strong>, abgedeckt.<br />
Grundlegende Qualifikationsanforderungen<br />
sind bei den einzelnen<br />
Gütegemeinschaften sehr wohl eingefordert,<br />
jedoch sind die Erfüllung<br />
dieser Anforderungen sehr differenziert.<br />
?<br />
Ist es vorgesehen, die Auftraggeberseite<br />
in die Arbeit der BLB einzubeziehen?<br />
W. Kröfges: Im Fachbeirat wurde<br />
angeregt, die Auftraggeberseite in<br />
die Beiratsarbeit des BLB einzubinden.<br />
Dies wird mit Sicherheit geschehen,<br />
jedoch ist vorab innerhalb<br />
der bauindustriellen Kursstätten wie<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2005</strong><br />
57
58<br />
Portrait/Interview<br />
auch in der Diskussion mit den Fachverbänden<br />
eine Strukturaufgabe zu<br />
lösen. Die Auftraggeberseite kann<br />
hier zukünftig einen wesentlichen<br />
Input für die Bildungsarbeit leisten.<br />
Anforderungskataloge sind von der<br />
Auftraggeberseite zu definieren und<br />
vor allen Dingen an Fortbildungsqualifikationen<br />
zu akzeptieren. Bei<br />
der Durchführung der Bildungsarbeit<br />
im Jahre 2006 wird die Auftraggeberseite<br />
angesprochen werden<br />
und um aktive Mitarbeit im Fachbeirat<br />
des BLB gebeten. Konstruktive<br />
Vorschläge hierzu werden gern angenommen,<br />
da es zurzeit in der jetzigen<br />
wirtschaftlichen Situation<br />
schwierig ist, Auftraggeber für eine<br />
aktive Mitarbeit zu gewinnen.<br />
?<br />
Auf vielen Veranstaltungen, z.B.<br />
der ARGE Leitungsbau, wird immer<br />
wieder der schlechte Zustand der<br />
Kanalnetze in unseren Städten und<br />
Gemeinden beklagt. Die Finanzierungsfrage<br />
ist das Problem. Sehen Sie,<br />
bzw. die BLB, auch hier die Möglichkeit,<br />
Veranstaltungen für die Verantwortlichen<br />
anzubieten, die diese Problematik<br />
handfest anpackt, sprich Lösungsmodelle,<br />
die es ja gibt, vorzustellen?<br />
W. Kröfges: Das BLB hat nicht die<br />
Aufgabe, wirtschaftspolitische Faktoren<br />
anzusprechen bzw. hier Lösungen<br />
anzubieten. Es ist Aufgabe der<br />
Wirtschaft und auch der Fachverbände,<br />
die Problematik handfest anzupacken<br />
und für die Leitungsbauunternehmen<br />
Lösungsmodelle vorzuschlagen.<br />
Das BLB ist gerne bereit,<br />
hier in der Darstellung der Personalproblematik<br />
mit einzuwirken. Nur<br />
durch fachlich potentes, gut ausgebildetes<br />
Personal können auch die<br />
technisch schwierigen Aufgaben im<br />
Leitungsbau, insbesondere des Kanalbaus,<br />
gelöst werden.<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2005</strong><br />
?<br />
In diesem Jahr ist das Angebot zur Kanalsanierung und -erneuerung noch<br />
wenig berücksichtigt. Ist für das nächste Jahr mehr vorgesehen oder ist die<br />
Nachfrage zu gering?<br />
W. Kröfges: Das brbv Berufsförderungswerk des Rohrleitungsbauverbandes<br />
wie auch das BLB Bildungsinstitut des Leitungsbaus der Bauindustrie gelten<br />
als ergänzende Einrichtungen im Leitungsbau. Das BLB nimmt zum Gas-/<br />
Wasserbereich des brbv-Angebots die ergänzende Aufgabe wahr, den Kanalbau,<br />
den Fernwärmeleitungsbau und den Kabelleitungstiefbau in der Fortbildung<br />
zu konzipieren und anzubieten. In dieser Struktur ist das Programm<br />
2006 des brbv Berufsförderungswerk des Rohrleitungsbauverbandes sowie<br />
des BLB Bildungsinstitut des Leitungsbaus der Bauindustrie konzipiert. Beide<br />
Programme 2006 sind im Oktober diesen Jahres erschienen.<br />
?<br />
In der Mikrotunneltechnik wurden<br />
in den letzten Jahren große technische<br />
Fortschritte gemacht. Ist das<br />
auch ein Thema für Sie? Eventuell in<br />
Verbindung mit den Maschinenherstellern?<br />
W. Kröfges: Wie vorab erläutert,<br />
hat das BLB Bildungsinstitut des Leitungsbaus<br />
der Bauindustrie sich vorab<br />
mit einer Strukturierung der Fortbildungsveranstaltungenbeschäftigt.<br />
Neue Technologien und Programmentwicklungen, insbesondere für die<br />
Kanalsanierung und -erneuerung, werden als Zielvorgabe für 2007 aufgenommen.<br />
Hierzu gehört auch die Mikrotunneltechnik sowie das Fortbildungsprogramm<br />
in der Kanalsanierungstechnik. Der Kontakt zu Maschinenherstellern<br />
und anderen Produkten ist hierbei unabdingbar.<br />
?<br />
Spielt das Thema „Europäische Union“ im Sinne von Beteiligungen deutscher<br />
Firmen an EU-Projekten für die BLB eine Rolle? Hier wären eventuell Schulungen<br />
für die Firmen, die sich an einem EU-Projekt beteiligen wollen, vorstellbar.<br />
Viele haben Probleme mit der Bürokratie, haben nicht das Know-how, sich durch<br />
den englisch-sprachigen „Papierwust“ zu kämpfen.<br />
W. Kröfges: Nationale Projekte wie EU-Projekte oder internationale Projekte<br />
werden in der Regel zurzeit einzeln durch die Geschäftsführungen der Berufsförderungswerke<br />
der Bauindustrie und Landesverbände abgedeckt. Hier<br />
ist jedoch eine positive Entwicklung in der Gründung des Kompetenzzentrums<br />
Berufsbildung zu sehen. Dieses Kompetenzzentrum Berufsbildung<br />
wird sich national wie auch überregional mit der Fort- und Weiterbildung beschäftigen<br />
und dies nicht nur auf dem Sektor Leitungsbau. Für den Sektor<br />
Leitungsbau besteht ein enger Kontakt zwischen Kompetenzzentrum und<br />
dem BLB.
?<br />
Wie sieht nach einem knappen Jahr BLB Ihre „Bilanz“ aus? Sind Sie zufrieden?<br />
Haben sich Ihre Erwartungen bislang erfüllt? Müssen Sie Kurskorrekturen<br />
vornehmen?<br />
W. Kröfges: Eine gemeinnützige GmbH wurde im März 2004 gegründet,<br />
jedoch aus steuerlichen Gründen Anfang des Jahres <strong>2005</strong> aufgelöst. Ein neuer<br />
Ansatz erfolgte Mitte des Jahres <strong>2005</strong> mit dem nun bestehenden BLB Bildungsinstitut<br />
des Leitungsbaus der Bauindustrie GmbH. Wer die Bildungslandschaft<br />
in der Bundesrepublik mit rund 16 bauindustriellen Landesverbänden<br />
und deren parallelen Bildungseinrichtungen kennt, weiß, dass es<br />
eine Sysiphusarbeit ist, diese zu harmonisieren und im Bereich des Kanalund<br />
Leitungsbaus eine gemeinsame Struktur festzulegen. Aus dieser Sicht<br />
heraus ist die Geschäftsführung des BLB mit der geleisteten Arbeit sehr zufrieden,<br />
denn die Akzeptanz wurde von allen Bildungseinrichtungen der Bauindustrie<br />
gegeben. Die Unterstützung der Kollegen war hier sehr konstruktiv<br />
und einvernehmlich. Die vorgenommenen Kurskorrekturen müssen nun<br />
ihre Erfolge im Jahre 2006 zeigen. Die Unterstützung des Faches und die<br />
Akzeptanz der Leitungsbauunternehmen wird hier Maßstab für die weitere<br />
Arbeit sein.<br />
Portrait/Interview<br />
?<br />
Was wünschen Sie sich, bzw. dem<br />
Bildungsinstitut, für die nächste<br />
Zukunft?<br />
W. Kröfges: Als Geschäftsführer<br />
des BLB wünsche ich mir für die Zukunft<br />
die persönliche wie auch die<br />
institutionelle Unterstützung der jeweiligen<br />
Fachorgane, der Institute<br />
und insbesondere auch der Leitungsbauunternehmen.<br />
Die Bildungsträger,<br />
die hier mit dem BLB<br />
gemeinsam am Tisch sitzen, haben<br />
im Strukturprogramm gute und zielgerichtete<br />
Arbeit geleistet. Ich hoffe,<br />
dass diese auch von allen zuständigen<br />
Gremien und insbesondere<br />
auch von den Leitungsbauunternehmen<br />
gewürdigt wird.<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2005</strong><br />
59
60<br />
Wirtschaft + Recht<br />
Entscheidend sind die indirekten Kosten<br />
Der Vortrieb rechnet sich!<br />
Für die Durchführung von Infrastrukturmaßnahmen,<br />
wie z. B.<br />
dem Bau von Abwasserleitungen,<br />
liegen bislang nur rein theoretische<br />
und abstrakte Modelle vor, die<br />
die indirekten Kosten einer solchen<br />
Maßnahme berücksichtigen. Auf<br />
dem „Vlario“-Tag in Belgien, auf<br />
dem Kongress „Ville sans tranchée“<br />
in Paris sowie auf der „No-Dig“ in<br />
Rotterdam wurden erstmals die Ergebnisse<br />
einer Fallstudie vorgestellt,<br />
in der die indirekten Kosten (Gemeinkosten)<br />
und die direkten Baukosten<br />
für den Bau von Abwasserkanälen<br />
in der offenen und geschlossenen<br />
Bauweise erfasst und gegenübergestellt<br />
werden. Zu diesem<br />
Zweck wurden auf einer aktuellen<br />
Kanalbaumaßnahme in offener Bauweise<br />
umfangreiche Messreihen zur<br />
Erfassung aller indirekten Kosten<br />
durchgeführt. Auf der Grundlage<br />
dieses Datenmaterials hat das Limburg<br />
University Centre (LUC) eine<br />
Methode zur Berechnung der Gesamtkosten<br />
(bestehend aus den direkten<br />
Baukosten und den indirekten<br />
Kosten) entwickelt. Diese berechneten<br />
Gesamtkosten der aktuell<br />
durchgeführten Baumaßnahme<br />
wurden den hypothetisch kalkulierten<br />
Gesamtkosten gegenübergestellt,<br />
die sich für die gleiche Baumaßnahme<br />
in geschlossener Bauweise<br />
ergeben hätten. Mit dieser<br />
Methode können so auf objektive<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2005</strong><br />
Weise die indirekten Kosten für künftige Projekte – sowohl für die offene als<br />
auch für die geschlossene Bauweise – ermittelt und verglichen und die<br />
gesellschaftlich sinnvollste Baumethode gewählt werden. In einem weiteren<br />
Kanalbauprojekt wird diese Methode zurzeit verfeinert. In Flandern sind diesbezüglich<br />
ministerielle Erlasse in Vorbereitung.<br />
1. Indirekte Kosten<br />
Der Neubau und/oder die Erneuerung von Kanalleitungen erfordern hohe<br />
Investitionen. Diese setzen sich zusammen aus den direkten Einzelkosten<br />
(Baukosten) und aus den Gemeinkosten (indirekte Kosten). Letztere werden<br />
nicht vom Auftraggeber des Projekts, sondern müssen von der Allgemeinheit<br />
getragen werden. Verursacht werden diese indirekten Kosten beispielsweise<br />
durch folgende Faktoren:<br />
● Folgekosten durch Beschädigung vorhandener öffentlicher Leitungen<br />
(Trinkwasser, Stromausfall)<br />
● Sperrung von Straßen mit einhergehenden Umleitungen<br />
– Zeitverlust für die Kraftfahrer<br />
– Zeitverlust auf den Umleitungen auch für die Personen, die bereits auf<br />
diesen Umleitungen fahren (Staugefahr)<br />
● Erhöhung der Treibstoffkosten<br />
● zusätzlicher materieller Schaden an Fahrzeugen und an der Straßendecke<br />
● erhöhte Unfallgefahr mit Personenschäden (auch Unfälle mit Todesfolge)<br />
● Umsatzeinbußen für Groß- und Einzelhandelsgeschäfte<br />
● Umweltkosten durch erhöhte Emissionen<br />
Andere, meist nicht zugeordnete Kosten entstehen infolge von Absenkungen<br />
des Grundwasserspiegels, Gebäudeabsenkungen und Gebäuderissen, Vegetationsschäden,<br />
Schäden an der Straßendecke außerhalb des eigentlichen<br />
Arbeitsbereichs und psychosomatischen Beschwerden bei Anwohnern.<br />
2. Die Fallstudie<br />
Eine allgemein geltende Anschauung ist, dass der Einbau von Rohren in grabenloser<br />
Bauweise sehr viel teurer ist als der Einbau im offenen Graben.<br />
Zunehmend werden allerdings Vermutungen geäußert, dass beim grabenlosen<br />
Einbau die Gesamtkosten (Einzelkosten und Gemeinkosten) niedriger
sind als bei einer offenen Verlegung. So auch bei einem Projekt in Belgien,<br />
dessen indirekte Kosten als sehr hoch eingeschätzt wurden. Dort wurde eine<br />
Studie auf der Grundlage eines signifikanten, konkreten Projekts durchgeführt,<br />
nämlich der Erneuerung der Straßen sowie der Erneuerung von Abwasserleitungen<br />
in offener Bauweise im Stationssteenweg und angrenzenden<br />
Straßen in Kessel-Nijlen. In dieser Studie werden die jeweiligen Größenordnungen<br />
unter Einbeziehung aller Kosten deutlich.<br />
Vlario 1) hat dieses Projekt iniziiert, die Verwaltungsbehörde für Straßen und<br />
Verkehr der flämischen Regionalregierung hat die Studie zu 50 % finanziert,<br />
die andere Hälfte wurde von sieben Privatunternehmen getragen. Die Universität<br />
Limburg (LUC, CBM) wurde mit der Durchführung der Untersuchung<br />
der indirekten Kosten beauftragt. Die Analyse der Einzelkosten, sowohl für<br />
den Einbau der Rohre in der offenen Bauweise am durchgeführten Projekt<br />
als auch für die hypothetische Rohrvortriebsvariante, wurde von Fachleuten<br />
der Arbeitsgruppe 8 (Vortrieb) von Vlario durchgeführt.<br />
3. Das Projekt<br />
Das vorhandene Abwassersystem in Kessel-Dorp (Nijlen) wies an verschiedenen<br />
Stellen Schäden und Einsenkungen an der Oberfläche auf. Obwohl sich<br />
das Straßenpflaster noch in einem relativ guten Zustand befand, entschied<br />
man sich für die Erneuerung der Abwasserleitungen. Auftraggeber war die<br />
Aquafin, eine 1990 von der flämischen Regierung gegründete Gesellschaft<br />
zum Bau und Betrieb von abwasserwirtschaftlichen Anlagen.<br />
Die Arbeiten umfassten den Austausch eines Abwassersammlers DN 1250<br />
durch Leitungen mit DN 1200 bis DN 1600. Das kommunale Mischwassersystem<br />
wurde durch ein Trennsystem mit einer Schmutzwasserleitung<br />
(DN 300) über dem Sammler und einer Regenwasserleitung (DN 500) seitlich<br />
im Straßenprofil ersetzt.<br />
Obwohl versucht wurde, Umleitungen durch eine in Phasen gegliederte<br />
Durchführung zu begrenzen, musste der über die wichtige Verkehrsader im<br />
Zentrum von Nijlen verlaufende Verkehr dennoch über einen Zeitraum von<br />
acht Monaten umgeleitet werden. Anstelle einer 3,2 km langen Strecke<br />
musste eine offizielle Umleitung von 14,9 km Länge eingerichtet werden<br />
(Abb. 1).<br />
Um Änderungen im Hinblick auf die indirekten Kosten (Gemeinkosten) als<br />
Folge des Projekts bewerten zu können, wurden vor und während der Arbeiten<br />
Messungen des Verkehrsaufkommens (Abb. 2) durchgeführt, der Umsatz<br />
von Groß- und Einzelhändlern erfasst und die Zahl der Unfälle registriert.<br />
4. Alternative Baumethode: Rohrvortriebsvarianten 1 + 2<br />
Um die Gesamtkosten – vor allem die indirekten Kosten – für die Kanalerneuerung<br />
in Kessel-Nijlen alternativ in geschlossener Bauweise (Rohrvortrieb)<br />
zu ermitteln, wurden alle hypothetisch erforderlichen Einzelmaßnahmen für<br />
die Ausführung kalkuliert. Dafür wurden folgende Grundlagen definiert:<br />
1) Siehe Website http: //www.vlario.be<br />
Wirtschaft + Recht<br />
Pumpstation<br />
Abb. 1: Stationssteenweg und Umleitungen.<br />
Abb. 2: Verteilung der Verkehrsmesspunkte.<br />
● größtmögliche Reduzierung der<br />
Belästigung<br />
● Erhalt der Durchmesser mit offenem<br />
Graben (Variante 1), mit hydraulisch<br />
optimierten Durchmessern<br />
in einer zweiten Rohrvortriebsvariante<br />
(Variante 2)<br />
● Umbau des vorhandenen<br />
Sammlers in eine Regenwasserleitung<br />
4.1 Längenprofil der<br />
Vortriebsvariante<br />
In der Untersuchungsvariante 1 wird<br />
der neue Sammler unter den vorhandenen<br />
Kanal durchgepresst. Dabei<br />
werden Durchmesser DN 1200<br />
und DN 1600 vorgetrieben anstatt<br />
DN 600, DN 1200 und DN 1600,<br />
wie im real ausgeführten Projekt verwendet.<br />
Abb. 3 zeigt eine Übersicht<br />
der unterschiedlichen Rohrvortriebstrassen,<br />
Tabelle 1 gibt die Vortriebslängen<br />
für die drei Durchmesser wie-<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2005</strong><br />
61
62<br />
Wirtschaft + Recht<br />
Abb. 3: Vortriebstrassen und -schächte.<br />
der. Der Plan umfasst 13 Start- und<br />
Zielschächte sowie vier Zwischenschächte.<br />
4.2 Querprofil der Vortriebsvariante<br />
In Abb. 4 stellt die oberste Hauptleitung<br />
den vorhandenen Sammler<br />
dar, der in einen Regenwasserkanal<br />
umgewandelt werden soll. Der im<br />
Vortrieb einzubauende Sammler befindet<br />
sich darunter. Die Sammelkanäle<br />
zum Auffangen des Schmutzwassers<br />
und einen Teil des Regenwassers<br />
werden unter den Gehwegen<br />
im offenen Graben eingebaut.<br />
Die vorhandenen Hausanschlüsse<br />
werden zu den neuen Schmutzwasserkanälen<br />
in DN-200-Steinzeugrohren<br />
umgelegt.<br />
4.3 Mikrotunnelbau für die<br />
Anschlüsse<br />
Mit der Mikrotunneltechnik können<br />
in regelmäßigen Abständen (weniger<br />
als 75 m) Anschlüsse vom<br />
Sammler zu den neuen Schmutz-<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2005</strong><br />
boorrichting lengte (m) diameter (mm) helling (%)<br />
K2 -> K1 293,52 1200 0,1<br />
K2 -> K3 159,11 1200 0,3<br />
K4 -> K3 116,90 600 0,5<br />
K5 -> K3 314,47 1200 0,3<br />
K5 -> K8 365,65 1200 0,1<br />
K11 -> K8 444,75 1200 0,2<br />
K11 -> K12 135,70 1600 0,1<br />
K13 -> K12 216,85 1600 0,1<br />
K13 -> K14 111,79 600 0,3<br />
K15 -> K14 119,30 600 0,6<br />
K15 -> K16 106,59 600 0,6<br />
K13 -> K17 132,43 1600 0,1<br />
Vortriebsabschnitte:<br />
Richtung<br />
[von – bis]<br />
K2–K1<br />
K2–K3<br />
K4–K3<br />
K5–K3<br />
K11–K8<br />
K11–K12<br />
K13–K12<br />
K13–K14<br />
K15–K14<br />
K15–K16<br />
K13–K17<br />
Länge<br />
[m]<br />
293<br />
159<br />
117<br />
314<br />
445<br />
136<br />
217<br />
112<br />
119<br />
107<br />
132<br />
Durchmesser<br />
[mm]<br />
1.200<br />
1.200<br />
.600<br />
1.200<br />
1.200<br />
1.600<br />
1.600<br />
.600<br />
.600<br />
.600<br />
1.600<br />
Vortriebslängen nach Durchmesser:<br />
DN 600: .454 m<br />
DN 1200: 1.577 m<br />
DN 1600: .485 m<br />
Tab. 1: Schächte, Vortriebsrichtungen,<br />
-längen und -durchmesser.<br />
wasserkanälen errichtet werden (Abb. 5 und 6). Diese Anschlüsse werden mit<br />
DN-200-Steinzeugrohren lasergesteuert eingebaut. Es ist ebenfalls möglich,<br />
in drei Phasen Steinzeugrohre von den Grundstücken zum Sammler<br />
(< DN 1200) durchzupressen (Abb. 7).<br />
4.4 Vorteile der Rohrvortriebsvariante<br />
Gegenüber der offenen Bauweise hat die Rohrvortriebstechnik folgende<br />
Vorteile:<br />
● weniger Umlegungen öffentlicher Leitungen<br />
● verringerte Gefahr von Beschädigungen öffentlicher Leitungen<br />
● Setzungen werden vermieden bzw. minimiert<br />
● Verkehrsbehinderungen werden auf ein Minimum reduziert<br />
● Anliegende Geschäfte haben kaum finanzielle Einbußen aufgrund von<br />
Straßen- und Wegsperrungen<br />
● reduzierte Schäden an Baumbeständen<br />
● keine Senkung des Grundwasserspiegels<br />
● erheblich weniger Erdarbeiten und damit einhergehend reduzierte Belästigung<br />
und niedrigere Deponiekosten<br />
● höhere Arbeitssicherheit und höherer Arbeitskomfort<br />
● deutlich höhere bauliche Sicherheitsmarge der Anlage (erhöhte Lebensdauer)<br />
Im Besonderen hätte die Anwendung der Rohrvortriebstechnik bei dem<br />
Projekt Kessel-Nijlen folgenden Vorteile:<br />
● Der vorhandene Sammler kann als Regenwassersammler wiederverwendet<br />
werden. (Kosten verursachen hier lediglich die TV-Befahrung und einige<br />
lokale Reparaturen im Inneren.)<br />
● Der Vortrieb des Sammlers kann mit langen und damit Kosten sparenden
Rohrabschnitten erfolgen. Drei Trassen werden<br />
in einer Kurve durchbohrt.<br />
● Der Verkehrsfluss kann mit nur wenigen Einschränkungen<br />
aufrechterhalten werden (eine<br />
Fahrspur in der Nähe der Vortriebsschächte für<br />
Materialzufuhr und -lagerung)<br />
● Eine Grundwasserabsenkung ist weitestgehend<br />
nicht erforderlich oder gänzlich nicht notwendig<br />
4.5 Nachteile der Rohrvortriebstechnik<br />
Die Nachteile der Rohrvortriebstechnik beim<br />
Projekt Kessel-Nijlen wären:<br />
● Die Versorgungskanäle werden unter den<br />
Gehwegen in offenem Graben verlegt, was zu<br />
einer zeitweiligen Belästigung führt<br />
● Der neue Sammler wird unter dem vorhandenen<br />
Sammler in einem Abstand von 1 m vorgetrieben,<br />
was eine Anpassung der Pumpstation<br />
am Ende des Sammlers erfordert (größere<br />
Förderhöhe).<br />
● Für das Regenwasser muss ebenfalls eine zusätzliche<br />
Pumpeneinheit bereitgestellt werden.<br />
● Im Bereich der Vortriebsschächte gibt es ein<br />
gewisses Maß an Belästigung.<br />
● Für das gesamte Equipment muss eine Fahrbahn über eine begrenzte<br />
Strecke gesperrt werden.<br />
4.6 Option Vortriebsvariante 2<br />
Abgerundet wurde die „Alternative Rohrvortriebstechnik“ mit einer ergänzenden<br />
hydrodynamischen Untersuchung. Tiefe und Gefälle für die Variante<br />
2 wurden erhöht und optimiert, und zwar mit einem Abstand von 1 bis<br />
2 m zur vorhandenen Leitung. Somit war eine Reduzierung der Sammlerdurchmesser<br />
auf DN 1000 und DN 1200, anstatt DN 1200 und DN 1600<br />
Abb. 5 + 6: Vortrieb vom Sammler aus.<br />
Haus<br />
Pflasterung<br />
Neue<br />
Versorgungsleitung<br />
Straßeneinlauf<br />
Straße<br />
Vorhandene<br />
Versorgungsleitung<br />
Wirtschaft + Recht<br />
Vorhandener<br />
Sammler wird<br />
Regenwasserkanal<br />
Neu zu bohrender<br />
Sammler<br />
wie linke Seite<br />
Legende<br />
Vorhanden<br />
Neu<br />
Abzusperren<br />
Abb. 4: Querprofil der vorhandenen, beizubehaltenden und auszubessernden<br />
Kanäle des neu vorzutreibenden Sammlers sowie der in offenen<br />
Gräben einzubauenden Schmutzwasserkanäle.<br />
unter Befolgung bestimmter hydrodynamischer<br />
Randbedingungen<br />
möglich.<br />
An den 542 Knoten des Modells traten<br />
keine höheren Wasserstände auf<br />
und die Einleitungsmengen und<br />
-höhen an den Überläufen waren<br />
weiterhin mit dem Modell der Ausführung<br />
im offenen Graben vergleichbar.<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2005</strong><br />
63
64<br />
Wirtschaft + Recht<br />
Abb. 7: Verlegung einer Verbindungsleitung und unterirdische<br />
Verbindung zu einem Sammler.<br />
5. Die Kostenermittlung<br />
5.1 Direkte Baukosten<br />
(Einzelkosten)<br />
Alle direkten Baukosten für die Ausführung<br />
der Bauarbeiten in der offenen<br />
Bauweise im durchgeführten<br />
Projekt wurden vom Auftragnehmer<br />
berechnet; für die alternative Rohrvortriebsvariante<br />
wurden sie auf der<br />
Basis vielfacher Erfahrungen kalkuliert.<br />
Der Vergleich ergab, dass die<br />
Rohrvortriebsvariante 1 mit Baukosten<br />
in Höhe von 5,2 Mio. Euro um<br />
29 % teurer ausfallen würde als die<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2005</strong><br />
tatsächlich durchgeführte offene Ausführung,<br />
die mit 4,0 Mio. Euro abschloss. Die<br />
Einzelkosten für die Rohrvortriebsvariante 2<br />
wurden mit 4,8 Mio. Euro kalkuliert.<br />
5.2 Indirekte Kosten (Gemeinkosten)<br />
offene Bauweise<br />
Die Änderungen des Verkehrsaufkommens<br />
über die acht Monate anhaltende Sperrung des Stationssteenwegs<br />
wurden sowohl für die Projektzone, für die offizielle Umleitungsstrecke,<br />
als auch für inoffizielle Umleitungsstrecken ermittelt.<br />
Für die achtmonatige Umleitung mit den aufgezeichneten Daten<br />
von drei Fahrzeugarten (Schwerlastwagen, Leichttransporter und<br />
Personenwagen) ergab sich folgendes Bild:<br />
Zusätzliche Fahrtzeit: 72.998 Stunden<br />
Zeitkosten: 403.069 Euro für den längeren Aufenthalt der Verkehrsteilnehmer,<br />
die die Umleitungsstrecke üblicherweise in Normalzeit<br />
befahren; 1.334.181 Euro für Verkehrsteilnehmer, die die<br />
Umleitungsstrecke aufgrund der Sperrung nehmen mussten.<br />
Kraftstoffkosten: 406.224 Euro aller Fahrzeugtypen für Mehrverbrauch<br />
aufgrund der Umleitung<br />
Umsatzeinbußen: Bei der Ermittlung der Umsatzeinbußen wurde<br />
zwischen Gesellschaften und Einzelhändlern unterschieden.<br />
Für die erste Kategorie lassen sich Umsatzdaten auf Anfrage ermitteln,<br />
für die zweite Kategorie wurden Schätzungen auf der Grundlage<br />
von Durchschnittswerten angestellt (21 Händler mit einem<br />
durchschnittlichen Umsatz von 60.000 Euro). Aus Untersuchungen<br />
geht hervor, dass Händler praktisch zwei Drittel ihrer Umsatzeinbußen<br />
verzeichnen müssen, wenn sie nicht erreichbar sind.<br />
Wenn sie nur schwer erreichbar sind, beläuft sich der Verlust auf<br />
ein Drittel des normalen Umsatzes. Bei einem Gesamtjahresumsatz<br />
bei beiden Kategorien von 3,1 Mio. Euro würden die Umsatzverluste<br />
825.976 Euro betragen (im ersten Monat 70 %, bei acht Monaten<br />
35 %). Einer konservativen Berechnung zufolge und um den<br />
tatsächlich erlittenen Verlust nicht zu überschätzen – denn die Händler haben<br />
die Möglichkeit, ihren Einkauf an die Situation anzupassen – wurde lediglich<br />
eine Nettoeinbuße bei der Marge von 50 % ermittelt. Dies ergibt einen<br />
Gesamt-Umsatzverlust von 412.988 Euro.<br />
Unfallkosten: Dieser Posten wurde zwar zu informativen Zwecken berechnet<br />
(662.500 Euro), aber aufgrund einer Reihe von Unsicherheiten nicht in<br />
die Vergleichsstudie aufgenommen.<br />
Infrastrukturkosten: Auch dieser Wert ließ sich auf der Basis einer international<br />
anerkannten Methode bewerten. Aufgrund der eingeschränkten Begründung<br />
dieser Methode wurde auch dieser Kostenposten nur informativ<br />
mitgeteilt (Fahrbahnverschleiß durch Lkw wird hierin mit 0,72 Euro/km veranschlagt.<br />
Für die achtmonatige Mehrbelastung ergeben sich bei der Gesamtzahl<br />
der gefahrenen Lkw-Kilometer Abnutzungskosten in Höhe von<br />
252.131 Euro). In der Studie wurden diese Kosten nicht weiter berücksichtigt.
Zeitkosten auf der Umleitungsstrecke<br />
Zeitkosten aufgrund der Verkehrsumleitung<br />
Zeitkosten aufgrund der Arbeiten<br />
Tab. 2: Vergleich der externen Kosten für die Varianten mit offener und geschlossener<br />
Bauweise.<br />
Umweltkosten: Aufgrund der erhöhten Anzahl der Fahrzeugkilometer wurde<br />
eine erheblich höhere Menge an Schadstoffen ausgestoßen. In Bezug auf<br />
die Berechnung der sich daraus ergebenden Umweltkosten insgesamt liegt<br />
eine Vielzahl wissenschaftlicher Untersuchungen vor. Da die Zahlen jedoch<br />
erheblich variieren, wurden die Berechnungen in dieser Untersuchung auf<br />
der Basis „vorsichtiger“ Zahlen vorgenommen, und zwar einschließlich des<br />
Zahlenmaterials des VITO (Flämisches Institut für Forschung und Technologie).<br />
Unter Zugrundelegung dieser Zahlen wurden die Umweltkosten für den<br />
achtmonatigen Zeitraum auf 343.858 Euro geschätzt, jedoch nicht in die Bewertung<br />
aufgenommen.<br />
Die gesamten indirekten Kosten bei der offenen Bauweise (ausgenommen<br />
Unfall-, Infrastruktur- und Umweltkosten) beliefen sich auf rund 2,5 Mio.<br />
Euro.<br />
5.3 Indirekte Kosten (Gemeinkosten) Rohrvortrieb<br />
Die Berechnung der indirekten Kosten wurde auch für die hypothetische Ausführung<br />
des Projektes unter Einsatz der Rohrvortriebstechnik vorgenommen,<br />
allerdings mit der Ausnahme, dass hierfür selbstverständlich keine spezifi-<br />
Tab. 3: Übersicht der Gesamtkosten.<br />
Offene<br />
Bauweise<br />
Geschlossene<br />
Bauweise<br />
(Variante 1 + 2)<br />
Differenz<br />
403.069 49.830 353.239<br />
1.334.181 164.940 1.169.241<br />
0 192.276 –192.276<br />
Kraftstoffkosten 406.224 50.220 356.004<br />
Umsatzverlust der Händler 412.988 51.060 361.928<br />
Unfallkosten<br />
Infrastrukturabnutzung<br />
Umweltkosten<br />
Nicht<br />
inbegriffen<br />
Nicht<br />
inbegriffen<br />
Nicht<br />
inbegriffen<br />
Nicht<br />
inbegriffen<br />
Nicht<br />
inbegriffen<br />
Nicht<br />
inbegriffen<br />
Nicht<br />
inbegriffen<br />
Nicht<br />
inbegriffen<br />
Nicht<br />
inbegriffen<br />
Gesamt 2.556.462 508.326 2.048.136<br />
Offener Graben Geschlossene Bauweise:<br />
Variante 1<br />
Geschlossene Bauweise:<br />
Variante 2<br />
Projektkosten 4.037.216 € 5.219.225 € 4.883.475 €<br />
indirekte Kosten 2.556.462 € 508.326 € 508.326 €<br />
Gesamt 6.693.678 € 5.727.551 € 5.391.801 €<br />
Wirtschaft + Recht<br />
schen Datenerhebungen vorgenommen<br />
werden konnten. Anhand der<br />
Ergebnisse für die Ausführung in der<br />
offenen Bauweise war es jedoch<br />
möglich, mit Hochrechnungen zu<br />
arbeiten: Bei der Umsetzung der geplanten<br />
Ausführungen beliefen sich<br />
die indirekten Kosten auf 508.326<br />
Euro (Unfall-, Infrastruktur- und Umweltkosten<br />
ebenfalls ausgenommen).<br />
6. Der Kostenvergleich<br />
Differenzen im Vergleich zur Ausführung<br />
mit offenem Graben ergeben<br />
sich aus der Tatsache, dass Umleitungen<br />
begrenzt bleiben (30 Tage)<br />
und Verkehrsstockungen in Höhe<br />
der Start- und Zielschächte in beschränkter<br />
Form entstehen. Für die<br />
verschiedenen Kostenpunkte wurden<br />
dieselben Tageskosten angesetzt<br />
wie für die Ausführung im offenen<br />
Graben. Die Kosten aufgrund<br />
zusätzlicher Unfälle, Infrastrukturabnutzung<br />
und Umweltkosten wurden<br />
aus denselben Gründen, wie diese<br />
bei der Ausführung in der offenen<br />
Bauweise gehandhabt wurden,<br />
nicht mit in die Endbewertung aufgenommen.<br />
Die oben beschriebenen indirekten<br />
Kosten sind in Tabelle 2 zusammengefasst.<br />
Ein bemerkenswerter Aspekt<br />
ist, dass bei der Variante mit Mikrotunneling<br />
die Zeitkosten für Personen,<br />
die an der Umleitungsstrecke<br />
ansässig sind, die Zeitkosten für die<br />
eigentliche Umleitung sowie die zusätzlichen<br />
Kraftstoffkosten nur 1 / 8<br />
der entsprechenden Kosten bei der<br />
Ausführung bei offenem Graben<br />
ausmachen.<br />
Alle Daten und Zahlen basieren auf<br />
spezifischen Messungen und Erhebungen,<br />
die genauestens nachgeprüft<br />
wurden. Die Ergebnisse wurden<br />
anhand der besten verfügbaren<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2005</strong><br />
65
66<br />
Wirtschaft + Recht<br />
Methoden berechnet und sind konservativ,<br />
d. h., dass die erforderlichen<br />
Annahmen gemäßigter Art sind und<br />
einige Kostenpunkte keine weitere<br />
Berücksichtigung fanden. Die Schätzungen<br />
der messbaren Kosten für<br />
die Methode mit offenem Graben<br />
wurden aus minimalistischer Sicht<br />
vorgenommen, während die Kosten<br />
für die Rohrvortriebsvariante so geschätzt<br />
wurden, dass sich Höchstwerte<br />
ergaben. So wurde bei der<br />
Rohrvortriebsvariante zum Beispiel<br />
derselbe Umsatzverlust pro Tag zu<br />
Grunde gelegt wie bei der Variante<br />
mit offenem Graben, obwohl es<br />
zweifelhaft ist, dass als Folge von<br />
zeitlich versetzten und jeweils nur einigen<br />
Tagen andauernden Straßensperrungen<br />
tatsächlich ein Umsatzverlust<br />
erlitten wird. Für die sich über<br />
30 Tage erstreckende Verkehrsumleitung<br />
wurde dieselbe Umleitungsstrecke<br />
verwendet wie bei der Variante<br />
mit offenem Graben, obwohl<br />
kürzere Umleitungen aufgrund der<br />
Tatsache möglich sind, dass die Straßensperrungen<br />
bei der Rohrvortriebsvariante<br />
örtlich begrenzter<br />
sind.<br />
Der Vergleich der Gesamtkosten (indirekte<br />
Kosten und Einzelkosten) ist<br />
in Tabelle 3 zusammengestellt.<br />
Einzelkosten und indirekte Kosten<br />
zusammen betrugen für die offene<br />
Bauweise 6,7 Mio. Euro, wohingegen<br />
die Gesamtkosten für die Rohrvortriebsvariante<br />
1 5,7 Mio. Euro<br />
und 5,4 Mio. Euro für die Rohrvortriebsvariante<br />
2 betragen. Wenn also<br />
die zusätzlichen Baukosten der<br />
Rohrvortriebsvariante 1 weniger als<br />
2,5 Mio. Euro betragen (6,7 – 0,5 –<br />
4,0 Mio. Euro), ist diese Baumethode<br />
wirtschaftlich und gesellschaftlich<br />
wünschenswert.<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2005</strong><br />
7. Entwicklung eines Modells<br />
Mit den im ersten Abschnitt dieser Untersuchung gesammelten Erfahrungen<br />
konnte im zweiten Abschnitt ein Modell erstellt werden, mit dessen Hilfe es<br />
für zukünftige Projekte möglich sein sollte, Ex-Ante-Schätzungen der indirekten<br />
Kosten vorzunehmen, Vergleiche zu ziehen sowie Bewertungen zu generieren.<br />
Anhand des Modells ergibt sich die Differenz der Gesamtkosten<br />
(Einzelkosten plus indirekte Kosten) zwischen zwei Ausführungsvarianten. Für<br />
die rechnerische Anwendung des Modells und zur weiteren Erläuterung der<br />
Formel siehe auch VEREECK & ROEFFAERS (2004 a, 2004 b).<br />
�<br />
j=1<br />
2<br />
�<br />
k=1<br />
3<br />
�� i=1<br />
6<br />
� � � S’i,j,k<br />
EK = T � Di � A<br />
1<br />
� Uk � –<br />
1<br />
+ (B – A) �<br />
Si,j,k � �S’i,j,k<br />
–<br />
�<br />
j<br />
2<br />
�<br />
k<br />
3<br />
�T � D7 ���7,j,k � � I7,j,k � (Uk +Fk) + (I’7,j,k – I7,j,k) � (Wk + Mk)��<br />
j<br />
2<br />
�<br />
k<br />
3<br />
+ �<br />
j<br />
2<br />
�<br />
k<br />
3<br />
� (Ttot<br />
I7,j,k � X<br />
– T) � P �<br />
3600 � + � � (Y n–1 –Y n ) �� 365<br />
Schlüssel:<br />
A und B: abgekürzte Formeln für Verkehrsstärken.<br />
I: Verkehrsstärke vor Aufnahme der Arbeiten<br />
I’: Verkehrsstärke nach Aufnahme der Arbeiten mit<br />
i = Segmentnummer des Straßenabschnitts<br />
j = Verkehrsrichtung (1 = hin, 2 = zurück)<br />
k = Transportart (1 = Pkw, 2 = Leicht-Lkw, 3 = Schwer-Lkw)<br />
U: Geldwert der Zeit in Euro/Stunde<br />
D: Länge des Abschnitts<br />
S: durchschnittliche Geschwindigkeit (km/h)<br />
F: Kraftstoffkosten (Euro/km)<br />
M: Umweltkosten (Euro/km)<br />
W: Kosten der Infrastrukturabnutzung in Euro/km<br />
8. Schlussfolgerungen<br />
Uk + Fk + Wk + Mk��� �<br />
0,65 � Tmaxhinder 0,30 � Tminhinder<br />
+<br />
365 �<br />
Die Einzelkosten (Baukosten) des tatsächlich durchgeführten Projekts in der<br />
offenen Bauweise (ohne die Erneuerung der Pflasterung beliefen) sich auf 4.0<br />
Mio. Euro. Die Einzelkosten für die Ausführung in geschlossener Bauweise<br />
würden mit 29 % (Vortriebsvariante 1), respektive 21 % (Vortriebsvariante 2)<br />
höher ausfallen.<br />
Die indirekten Kosten (Gemeinkosten) liegen für die offene Bauweise mit<br />
63 % der Gesamtkosten (2,5 Mio. Euro) weitaus höher als erwartet. Würden<br />
die Kosten für Unfälle, Infrastrukturabnutzung und Umwelt noch berücksichtigt,<br />
würde sich der Betrag noch um 9 % erhöhen. Die indirekten Kosten für<br />
den Rohrvortrieb würden sich auf lediglich 10 % der Gesamtkosten belaufen.<br />
Die Gesamtkosten (Einzelkosten + indirekte Kosten) der Rohrvortriebsvariante<br />
wären um 1,3 Mio. Euro niedriger als die Gesamtkosten für die<br />
Durchführung in der offenen Bauweise.<br />
Unter der Voraussetzung, dass einige Verfeinerungen und Differenzierungen<br />
vorgenommen werden, soll die auf der Basis dieses Projekts entwickelte Methode<br />
die Möglichkeit bieten, bei der Beurteilung von Bauvorhaben in offener<br />
und geschlossener Bauweise die indirekten Kosten auf wissenschaftlich<br />
seriöse Weise zu berücksichtigen.
Quellen- und Literaturverzeichnis<br />
READ, G.F., MSCE, CENG (1990): Social costing. – Underground, September 1990<br />
GSTT <strong>Information</strong> (1999): Kostenvergelijking tussen open en gesloten bouwwijze, rekening<br />
houdend met de directe en indirecte kosten bij het aanleggen en saneren van<br />
leidinge. – Werkgroep 3 Sleufloos bouwen, Nr. 11, Oktober 1999<br />
VERMOERE, F. (2003): Politici zijn niet geïnteresseerd in deze drama’s. – Het<br />
Nieuwsblad, Mittwoch, 15. Oktober 2003<br />
VEREECK, L. (2003): Kosten-batenanalyse van open sleuf en sleufloze rioolbouwtechniek.<br />
– LUC, CBM, Diepenbeek<br />
VEREECK, L. & ROEFFAERS, K. (2004 a): Universiteit Hasselt und Centrum voor Beleidsmanagement;<br />
fase 5 Kosten-batenanalyse,voortgangsrapport oct 2004, 56 p.<br />
VEREECK, L. & ROEFFAERS, K. (2004 b): Universiteit Hasselt und Centrum voor Beleidsmanagement;<br />
Veranstaltungstexte Vlario Seminar; Soziale Kosten bei Straßenund<br />
Kanalisationsarbeiten, 23. November 2004<br />
Kontakt<br />
Wirtschaft + Recht<br />
Dipl.-Ing. Karel Michielsen<br />
Keramo Steinzeug N.V.<br />
Paalsteenstraat 36<br />
B–3500 Hasselt<br />
Tel.: 00 32/11/26 52 12<br />
Fax: 00 32/11/23 51 17<br />
Internet: www.keramo-steinzeug.com<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2005</strong><br />
67
68<br />
Messen + Kongresse<br />
IFAT <strong>2005</strong><br />
FVST-Mitglieder waren gut vertreten<br />
Mehr als 108.000 Fachbesucher<br />
aus 166 Ländern informierten<br />
sich vom 25.<br />
bis 29. April <strong>2005</strong> auf der Münchener<br />
Weltmesse IFAT bei 2.223 Ausstellern<br />
und einem breit gefächerten<br />
Kongressprogramm über Technologien,<br />
neueste Trends und Produktinnovationen<br />
aus den Bereichen Wasser,<br />
Abwasser, Abfall und Recycling.<br />
Die Mitglieder des <strong>Fachverband</strong>es<br />
<strong>Steinzeugindustrie</strong> e.V. waren auf<br />
der IFAT mit attraktiven und offenen<br />
Ausstellungsständen gut vertreten:<br />
So nutzte die <strong>STEINZEUG</strong> Abwassersysteme<br />
GmbH, Köln, gemeinsam<br />
mit ihrer für das Auslandsgeschäft<br />
verantwortlichen Tochter, der<br />
Keramo <strong>STEINZEUG</strong>, Hasselt (Belgien),<br />
diese einmalige Plattform, um<br />
ihr erweitertes, umfangreiches Produktangebot,<br />
ihre Technologien<br />
und ihre Serviceleistungen dem internationalen<br />
Fachpublikum zu prä-<br />
Der großzügig gestaltete Ausstellungsstand der STEIN-<br />
ZEUG Abwassersysteme GmbH war hoch frequentierter Branchentreffpunkt.<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2005</strong><br />
sentieren. Der einladende Messestand und die „greifbaren“ Ausstellungsstücke<br />
auf dem Freigelände erwiesen sich als hoch frequentierter Anziehungspunkt<br />
für interessierte Besucher und Kunden, darunter viele aus dem<br />
Ausland.<br />
Als ganz besonders gelungen und erfolgreich gilt das <strong>STEINZEUG</strong> EVENT<br />
„Ceramic Meets Fashion“ im Münchener Crowns Club, zu dem die STEIN-<br />
ZEUG Abwassersysteme GmbH eingeladen hatte. Rund 300 Geschäftsfreunde<br />
erlebten mit Begeisterung, wie Schüler der Sigmaringer Modefachschule<br />
Spitzenmodelle in Assoziation zum Produkt Steinzeug kreiert hatten.<br />
Zufrieden blickt auch Italiens einziger Hersteller von Steinzeugrohren und<br />
Formstücken, die Società del Gres, Bergamo, ebenfalls Mitglied im <strong>Fachverband</strong><br />
<strong>Steinzeugindustrie</strong> e.V. und Mitglied der FEUGRES, auf die IFAT <strong>2005</strong><br />
zurück: Die für das italienische Unternehmen wichtigste internationale Umweltmesse<br />
bot nach eigenen Aussagen die richtige Plattform zur Vorstellung<br />
seiner technischen Neuheiten: Steinzeugrohre mit 2,50 m Baulänge in den<br />
Dimensionen DN 400 bis DN 800. Der attraktive Messestand der Società del<br />
Gres fand großen Anklang beim interessierten Fachpublikum und war Treffpunkt<br />
für <strong>Information</strong>en und Gespräche vieler Kunden und Geschäftspartner<br />
aus dem In- und Ausland.<br />
Im Rahmen der IFAT <strong>2005</strong> versammelte sich auch der TWB Technisch-<br />
Wissenschaftlicher Beirat der Forschungsgesellschaft <strong>Steinzeugindustrie</strong> e.V.<br />
zu seiner 42. Sitzung. Im Mittelpunkt standen dabei Entwicklungsvorhaben<br />
zur Werterhaltung von Kanalisationsanlagen.<br />
Die nächste IFAT findet vom 5. bis 9. Mai 2008 wieder in München statt.<br />
Die Società del Gres präsentierte ihre neuen Produkte:<br />
Steinzeugrohre mit einer Baulänge von 2,50 m in den Nennweiten<br />
DN 400 bis DN 800.
Am 25. Mai <strong>2005</strong> hatte das Abwasserwerk der Stadt Bergisch-Gladbach<br />
zu einem Seminar in das Bensberger Rathaus eingeladen, in dem der<br />
„Einsatz verschiedener Rohrmaterialien in der Abwasserwirtschaft“<br />
thematisiert wurde. Unter der Regie von Werksleiter Dipl.-Ing. Martin Wagner<br />
stellten Referenten der Steinzeug-, Beton-, Kunststoff- und Gussindustrie<br />
ihre jeweiligen Werkstoffe vor und standen den rund 50 Teilnehmern, vornehmlich<br />
aus Ingenieurbüros und Nachbargemeinden, für z.T. ergiebige<br />
Diskussionen zur Verfügung.<br />
Einleitend skizzierte Dipl.-Ing. Martin Wagner die Struktur der Abwasserwerke<br />
und gab einen Überblick über Umfang, Zustand und Baumaterial des bestehenden<br />
Kanalisationsnetzes der Stadt, für dessen Instandhaltung in den<br />
nächsten acht Jahren ein Investitionsbedarf von rund 68 Mio. Euro besteht.<br />
Als Beispiel für eine laufende Kanalnetzsanierung berichtete Dipl.-Ing. Manfred<br />
Fiedler (Stadtentwässerung Göttingen) und erläuterte dabei detailliert<br />
Konzept, Strategien und Techniken der seit Jahren kontinuierlich betriebenen<br />
Sanierungen des Göttinger Kanalnetzes.<br />
Dipl.-Ing. Karl-Heinz Flick (<strong>Fachverband</strong> <strong>Steinzeugindustrie</strong> e.V.) stellte für<br />
das Mitgliedsunternehmen <strong>STEINZEUG</strong> Abwassersysteme GmbH, Köln, Rohre,<br />
Formteile und Zubehör aus dem Werkstoff Steinzeug vor. Er überzeugte<br />
mit seinem Beitrag „Steinzeug – Werkstoff und Bauteile für die Kanalisation“,<br />
Messen + Kongresse<br />
Seminar über Rohrmaterialien<br />
Überzeugungsarbeit in Bergisch-Gladbach<br />
<strong>STEINZEUG</strong> auf einen Blick<br />
Steinzeug ist ein Werkstoff<br />
Rohre DN 100 – DN 1400<br />
Werkseitig vormontierte Steckmuffen-Verbindungen<br />
Rohre mit der Standardbaulänge 2,50 m<br />
Komplettprogramm an Rohren, Formstücken und Zubehör<br />
Hohe chemische und mechanische Widerstandsfähigkeit<br />
Produktion nach DIN EN 295<br />
Gütesicherung mit Eigen- und Fremdüberwachung<br />
Zertifizierung nach ISO 9002<br />
indem er die herausragenden Eigenschaften<br />
des Werkstoffes Steinzeug<br />
klar definierte, auf das umfangreiche<br />
Komplettprogramm verwies sowie<br />
auf die Tatsache, dass die Produktion<br />
nach den hohen Qualitätsanforderungen<br />
von DIN- und Werksnorm erfolgt.<br />
Nicht zuletzt machte er auf die<br />
hohe Lebensdauer des Werkstoffes<br />
Steinzeug aufmerksam, die den Betreibern<br />
durch Abschreibungssätze<br />
von bis zu hundert Jahren und geringen<br />
Reparatur- und Wartungsaufwand<br />
ein hohes Maß an Wirtschaftlichkeit<br />
biete.<br />
Joachim Scheffler und Peter Wolfstädter<br />
von der Berding Beton<br />
GmbH grenzten das Thema leider<br />
sehr ein, da sie sich in ihren Ausführungen<br />
speziell auf Stahlbetonfußrohre<br />
und auf das Schachtsystem<br />
econorm konzentrierten. Gern hätte<br />
man hier mehr über den Werkstoff<br />
Beton erfahren. Den Einsatz von PE-<br />
HD-Rohren stellte Axel Piper, Egeplast<br />
Werner Strumann GmbH, vor.<br />
Auch er stellte die Vorteile des seit<br />
1957 eingesetzten Werkstoffes im<br />
Kanalbau vor, berichtete über die Erfahrungen<br />
mit dem SL-System sowie<br />
über den Einsatz von verschiedenen<br />
PE-HD-Modulen in der Kanalsanierung.<br />
Dipl.-Ing. Robert Eckert, FRIA-<br />
TEC AG, ergänzte den Part Kunststoff<br />
mit seinem Vortrag über Verbindungstechniken<br />
für PE-HD-Rohre. Er<br />
konzentrierte sich auf die Material-<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2005</strong><br />
69
70<br />
Messen + Kongresse<br />
2006<br />
Branchentermine im Überblick<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2005</strong><br />
verbindung durch Heizwendelschweißen, das als bewährte Technik für<br />
Schachtanbindung, Hausanschluss und Rohrverbindung eingesetzt wird.<br />
Den Abschluss zur Vorstellung der Rohrmaterialien für die Abwasserwirtschaft<br />
bildete Dipl.-Ing. Stephan Hobohm von der BUDERUS Guss GmbH. Selbstverständlich<br />
wurde auch hier auf die positiven Materialeigenschaften hingewiesen;<br />
der Schwerpunkt der Ausführungen lag jedoch in den Vorteilen der<br />
Muffenrohre mit Zementmörtel-Umhüllung und der Steckmuffenverbindungen.<br />
Nach einer lebhaften und intensiven Diskussion konnten sich die Seminarteilnehmer<br />
ein Bild von „ihrem“ bevorzugten Baumaterial machen.<br />
20. Oldenburger Rohrleitungsforum 09.02.–10.02.2006 Oldenburg<br />
TRENCHLESS ASIA 2006 07.03.–09.03.2006 Shanghai<br />
WASSER BERLIN 03.04.–07.04.2006 Berlin<br />
ECWATECH 2006 30.05.–02.06.2006 Moskau<br />
IFAT China 2006 27.06.–30.06.2006 Shanghai<br />
IWA-Kongress 10.09.–14.09.2006 Peking<br />
NO-DIG DOWN UNDER 2006 29.10.–02.11.2006 Brisbane/<br />
Australien
Der Besuch des Internetangebotes der Bundesagentur für Außenwirtschaft<br />
bfai ist für alle, die im Ausland tätig sind oder tätig werden wollen<br />
(schlichtweg aber auch für alle Länder-Interessierte) äußerst lohnend.<br />
Aktuelle und ausführliche Marktanalysen, Wirtschaftsdaten und Länderberichte<br />
aus rund 200 Ländern, Wirtschaftsregionen und nationalen Zusammenschlüssen,<br />
die von den weltweit eingesetzten Korrespondenten und<br />
Fachleuten der bfai zusammengeführt werden, stehen hier zur Verfügung.<br />
Die unkomplizierte und übersichtliche Navigation sorgt für schnelle und vor<br />
allem treffende Suchergebnisse.<br />
Länder und Märkte<br />
Im Menü „Länder und Märkte“ öffnet sich eine Seite, auf der zunächst die<br />
Bedingungen für die weitere Nutzung des Angebots übersichtlich (und groß<br />
gedruckt) aufgeführt sind. Die kostenpflichtigen Leistungen bewegen sich in<br />
sehr moderatem Rahmen. Schon auf dieser Seite startet man unter „Jetzt recherchieren“<br />
seine Suche. Es öffnet sich das nächste Fenster mit einer Stan-<br />
Last Minute<br />
Surftipp www.bfai.de<br />
Ein paar „Klicks“ reichen aus<br />
dardabfrage. Unter drei Menüpunkten<br />
kann man den „Zeitraum“, das<br />
„Land“ und das „Thema“, über das<br />
man die <strong>Information</strong>en haben will,<br />
auswählen. Zur weiteren Eingrenzung<br />
des Themas bietet das Fenster<br />
die beiden Menüs „Bereiche“ und<br />
„Unterbereich“ an, nach deren Auswahl<br />
die Zahl der gefundenen Dokumente<br />
angezeigt wird (siehe Abb.).<br />
Die Dokumente können in einer „Ergebnisliste“<br />
geprüft werden. Bis<br />
hierhin sind die Leistungen kostenfrei.<br />
Für die Bestellung der ausgewählten<br />
Dokumente, die meist in<br />
Form einer pdf-Datei zum direkten<br />
Download bereitstehen, wird’s kostenpflichtig.<br />
Bei häufiger Nutzung<br />
ist der einmalig kostenpflichtige<br />
„Zugang“ zu den Datenbanken<br />
sinnvoll.<br />
Ausschreibungen<br />
Die Vorgehensweise für den Menüpunkt<br />
„Ausschreibungen“ ist vergleichbar.<br />
Nach dem Anklicken dieses<br />
Buttons öffnet sich zunächst ein<br />
Fenster, das die beiden Recherchemöglichkeiten<br />
„Zu den Ausschreibungen<br />
International“ und „Zu den<br />
EU-Binnenmarkt-Ausschreibungen<br />
staatlicher Stellen“ anbietet. Nach<br />
entsprechender Auswahl öffnet sich<br />
wieder die „Standardabfrage“ zur<br />
Eingrenzung der Suchoptionen, die<br />
wie oben erfolgt.<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2005</strong><br />
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Last Minute<br />
Kontakt<br />
bfai Bundesagentur für<br />
Außenwirtschaft<br />
Agrippastraße 87–93<br />
50676 Köln<br />
Tel.: 02 21/20 57-0<br />
Fax: 02 21/20 57-212<br />
<strong>STEINZEUG</strong>-<strong>Information</strong> <strong>2005</strong><br />
Investitions- und Entwicklungsvorhaben<br />
Unter diesem Menü steht eine Datenbank zur Verfügung, die Fakten über Investitions-<br />
und Entwicklungsvorhaben im Ausland, die von internationalen<br />
Finanzierungsinstituten gefördert werden, enthält. Die kostenpflichtigen Dokumente<br />
mit den Volltextversionen informieren über Projektinhalte, Termine,<br />
Fördervolumen, Adressen der Ansprechpartner und weitere Hilfestellungen<br />
und Beratungsmöglichkeiten durch die bfai. Über „Jetzt recherchieren“<br />
gelangt man wieder, wie gewohnt und geübt, in die „Standardabfrage“.<br />
EU-Projekte<br />
Neun Rubriken können unter dem Menü „EU-Projekte“ aufgerufen werden.<br />
Hier gibt es alle <strong>Information</strong>en über die Außenhilfen der Europäischen Union,<br />
d.h. über die Programme der Union zur wirtschaftlichen und technischen<br />
Zusammenarbeit mit Drittstaaten. In den einzelnen Rubriken werden zahlreiche<br />
<strong>Information</strong>en zu Förderprogrammen, Leistungsangeboten und Drittlandprogrammen<br />
angeboten. Besonders empfehlenswert sind die vielen EU-<br />
Links, die thematisch sortiert sind und dadurch den direkten Zugriff auf eine<br />
Site ermöglichen, ohne sich mühsam und zeitraubend durch das Labyrinth<br />
des EU-Portals klicken zu müssen.<br />
Publikationen<br />
In Ergänzung zu dem umfangreichen <strong>Information</strong>sangebot in den Datenbanken<br />
bietet die bfai Spezialwissen in Publikationen an. Unter „Publikationen“<br />
(oben im frame) öffnet sich das Angebot, das mit sechs Links die verschiedenen<br />
Produktgruppen anbietet. Die Veröffentlichungen werden als Download<br />
oder Prints, die unverzüglich auf dem Postweg versendet werden, angeboten.<br />
www.bfai.de ist aufgrund des umfassenden Service- und Leistungsangebots<br />
und nicht zuletzt aufgrund der unkomplizierten Handhabung eine sehr nützliche<br />
und empfehlenswerte Adresse.