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Gesundheit und Ausbildung im Land Brandenburg - Brandenburg.de

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<strong>Land</strong>esarbeitskreis Arbeit <strong>und</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong><strong>de</strong>s <strong>Land</strong>es <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong> (Hrsg.):<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> <strong>und</strong> <strong>Ausbildung</strong><strong>im</strong> <strong>Land</strong> <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong>Erweiterte Dokumentation einer Fachtagungam 30. 06. 1999 in Potsdammit Beiträgen von:Anette Baumeister, Karin Bin<strong>de</strong>r, Uta Buchmann, Heike Die<strong>de</strong>richs, SilviaFrisch, Reinhard Fuchs, Eva Gummlich, Detlev Kuhn, Gerd Marstedt, RainerMüller, Michael Ranft, Ludwig Rainer, Martina Rummel, Karin Sötje, MargritStuhr, Klaus Töpfer.


ImpressumHerausgeber:<strong>Land</strong>esarbeitskreis Arbeit <strong>und</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>be<strong>im</strong> Ministerium für Arbeit, Soziales, <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong><strong>und</strong> Frauen <strong>de</strong>s <strong>Land</strong>es <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong>Redaktion:<strong>Land</strong>esges<strong>und</strong>heitsamt <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong><strong>im</strong> <strong>Land</strong>esamt für Soziales <strong>und</strong> VersorgungWünsdorfer Platz 315838 WünsdorfDruck:Zentrale Universitätsdruckerei<strong>de</strong>r FU BerlinPotsdam, August 2000Auflage: 300 Exemplare


VorwortLiebe Leserinnen <strong>und</strong> Leser,die Arbeit ist eine Quelle <strong>de</strong>r <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>. So sagt man allgemein <strong>und</strong> meint damit, dasskörperliche <strong>und</strong> geistige Betätigung wesentliche Voraussetzungen für unsere ges<strong>und</strong>heitlicheVerfassung sind. Immer vorausgesetzt natürlich, dass die Arbeitsbedingungen die <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>nicht beeinträchtigen. Es bleibt ein vorrangiges Anliegen auch von <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>spolitik,gemeinsam mit <strong>de</strong>n Betrieben <strong>und</strong> Unternehmen die <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> <strong>de</strong>r Beschäftigtenam Arbeitsplatz zu schützen. In ganz beson<strong>de</strong>rer Weise gilt dies für junge Menschen. Siestehen erst am Anfang eines langen Berufslebens, <strong>und</strong> hier sind die Chancen am größten,von vornherein <strong>und</strong> vorbeugend ges<strong>und</strong>heitsför<strong>de</strong>rn<strong>de</strong> <strong>und</strong> -schützen<strong>de</strong> Bedingungen zuschaffen.Das will die <strong>im</strong> vergangenen Jahr begonnene Initiative „<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> <strong>und</strong> <strong>Ausbildung</strong>“ mitgrößerem Nachdruck auf <strong>de</strong>n Weg bringen. Den Auftakt dazu gab damals eine Veranstaltung,auf <strong>de</strong>r Experten aus Betrieben, Berufsschulen, Krankenkassen, Kammern, von Gewerkschaften<strong>und</strong> Behör<strong>de</strong>n ihre Erfahrungen <strong>und</strong> Konzepte dazu austauschten. Als Trägerdieser Initiative hat es sich das <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sministerium zur Aufgabe gemacht, die auf <strong>de</strong>mGebiet <strong>de</strong>s betrieblichen <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>swesens tätigen Institutionen zusammenzuführen <strong>und</strong><strong>de</strong>ren Aktivitäten zu bün<strong>de</strong>ln. Dem dafür gebil<strong>de</strong>ten Gremium <strong>de</strong>s Ministeriums „Arbeit <strong>und</strong><strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>“ gehören neben Mitarbeitern <strong>de</strong>r für <strong>de</strong>n Arbeitsschutz zuständigen <strong>Land</strong>esbehör<strong>de</strong>nauch Vertreter <strong>de</strong>r Tarifpartner, <strong>de</strong>r Krankenkassen, <strong>de</strong>r Unfallversicherungsträger<strong>und</strong> <strong>de</strong>r Wissenschaft an.Die Mitglie<strong>de</strong>r dieses Arbeitskreises stehen vor <strong>de</strong>r Aufgabe, unter Beachtung <strong>de</strong>r verän<strong>de</strong>rtenRahmenbedingungen - so wur<strong>de</strong>n z. B. das Arbeitsschutzgesetz <strong>und</strong> Sozialgesetzbüchermodifiziert - die betriebliche <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sför<strong>de</strong>rung voranzubringen. Das umfasstein großes Spektrum sehr differenzierter Aufgaben. Ich begrüße es sehr, dass sich <strong>de</strong>rArbeitskreis als erstes <strong>de</strong>n Bedürfnissen <strong>de</strong>r jungen Generation zugewandt hat. Die erwachsenenKolleginnen <strong>und</strong> Kollegen wie auch die Ausbil<strong>de</strong>r beeinflussen ganz entschei<strong>de</strong>nddas ges<strong>und</strong>heitsbewusste Verhalten <strong>de</strong>r Jugendlichen am Arbeitsplatz. Sie können<strong>und</strong> müssen durch das eigene Vorbild dieser beruflichen Prägungsphase jene Richtunggeben, die ein solches Verhalten dauerhaft manifestiert. In Kombination mit arbeitsschutzgerechtenRahmenbedingungen entsteht so ein Kl<strong>im</strong>a, das die Arbeit zu einer wichtigenQuelle für ges<strong>und</strong>heitliches Wohlergehen, für Freu<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r Freizeit <strong>und</strong> insgesamt Spaßam Leben macht.Deshalb hoffe ich, dass diese Dokumentation, in <strong>de</strong>r viele Experten aus Theorie <strong>und</strong> Praxiszu Wort kommen, <strong>de</strong>m Anliegen <strong>de</strong>s <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sschutzes für Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong> <strong>und</strong> Berufsanfängerweitere Impulse gibt <strong>und</strong> danke allen, die an ihrer Entstehung mitgearbeitet haben.Minister für Arbeit, Soziales, <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> <strong>und</strong> Frauen <strong>de</strong>s <strong>Land</strong>es <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong>


InhaltsverzeichnisVorwort .........................................................................................................5Joseph Kuhn, Anna-Marie Metz, Ernst-Friedrich Pernack<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> <strong>und</strong> <strong>Ausbildung</strong> – zur Einführung ..............................................9Teil 1 - Rahmenbedingungen <strong>und</strong> DatenMichael RanftArbeitsmarkt- <strong>und</strong> <strong>Ausbildung</strong>ssituationjunger Menschen <strong>im</strong> <strong>Land</strong> <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong> ......................................................15Anette BaumeisterDer Krankenstand von Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n<strong>im</strong> <strong>Land</strong> <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong> – Anonymisierte Arbeitsunfähigkeitsdaten<strong>de</strong>r AOK für das <strong>Land</strong> <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong> - .........................................................29Uta BuchmannDer Krankenstand von Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n<strong>im</strong> <strong>Land</strong> <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong>– Strukturdaten <strong>de</strong>r bei <strong>de</strong>r IKKversicherten Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n -......................................................................41Silvia FrischAnalyse zum Arbeitsschutz in <strong>de</strong>r beruflichen Bildung– Vom Pilotprojekt zur Schwerpunktaktion ...................................................47Gerd Marstedt <strong>und</strong> Rainer MüllerGes<strong>und</strong>er Start ins Handwerk –Ergebnisse einer Befragung von Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n........................................51


Teil 2 - Praxisbeispiele <strong>und</strong> HandlungsansätzeAnette Baumeister <strong>und</strong> Heike Die<strong>de</strong>richs"Qualität <strong>und</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> <strong>im</strong> Gastgewerbe" –Ein Kooperationsprojekt von AOK <strong>und</strong> BGN ...............................................79Detlef KuhnUnterrichtseinheit für Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong> <strong>im</strong> Rahmeneines Mo<strong>de</strong>llprojekts <strong>im</strong> Bäckerhandwerk ....................................................85Klaus TöpferErfahrungen mit einem Seminarkonzeptfür Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong> aus Metallberufen ...........................................................93Karin Sötje<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> in <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sberufen .............................................................97Karin Bin<strong>de</strong>r<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sför<strong>de</strong>rung <strong>im</strong> Berufsschulsport ...............................................113Eva Gummlich <strong>und</strong> Margrit Stuhr<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> <strong>und</strong> <strong>Ausbildung</strong>bei Da<strong>im</strong>lerChrysler Ludwigsfel<strong>de</strong> ............................................................. 117Martina Rummel, Ludwig Rainer, Reinhard FuchsSuchtprävention für Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong> ...........................................................127AnhangAutorinnen <strong>und</strong> Autoren ........................................................................149


<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> <strong>und</strong> <strong>Ausbildung</strong> – zur EinführungJoseph Kuhn, Anna-Marie Metz, Ernst-Friedrich PernackWer am En<strong>de</strong> seines Arbeitslebens ges<strong>und</strong> <strong>und</strong> aktiv seinen Lebensabend verbringenwill, muss zu Beginn seines Arbeitslebens lernen, mit Belastungen adäquat umzugehen<strong>und</strong> seine <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> zu schützen. So einleuchtend dies klingt, so schwierig istdie Umsetzung in die Praxis. Wie erreicht man überhaupt Jugendliche, wenn es umThemen wie Unfallgefahren <strong>und</strong> Krankheit geht, wie schafft man <strong>im</strong> Betrieb <strong>und</strong> in<strong>de</strong>r Berufsschule die notwendigen zeitlichen Freiräume für diese Themen, welcheUnterstützung können Unfallversicherungsträger <strong>und</strong> Krankenkassen geben, wiekönnen die Lernorte Betrieb <strong>und</strong> Berufsschule be<strong>im</strong> Thema „Arbeit <strong>und</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>“besser zusammenarbeiten, welche nachahmenswerten Praxisbeispiele gibt esdafür bereits?Diese Themen waren Gegenstand einer Tagung mit <strong>de</strong>m Titel „<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> <strong>und</strong><strong>Ausbildung</strong>“ am 30. Juni 1999 in Potsdam, zu <strong>de</strong>r etwa 150 Experten aus Betrieben,Beratungseinrichtungen, Unfallversicherungsträgern, Krankenkassen, Kammern <strong>und</strong>Behör<strong>de</strong>n zusammen kamen, um über Konzepte <strong>und</strong> praktische Erfahrungen zu diskutieren.Anlass <strong>de</strong>r Tagung war auch ein Besorgnis erregen<strong>de</strong>s Ergebnis <strong>de</strong>r <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong>er<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sberichterstattung: 1 Während <strong>de</strong>r Krankenstand <strong>de</strong>r Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n in<strong>de</strong>n alten B<strong>und</strong>eslän<strong>de</strong>rn erwartungsgemäß unter <strong>de</strong>m Durchschnitt aller Beschäftigtenliegt, ist er in <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong> <strong>de</strong>utlich höher. Sicher ist daraus nicht einfach zuschließen, dass die Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n in <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong> weniger ges<strong>und</strong> sind. Vielmehrspielt auch eine Rolle, ob Jugendliche eine <strong>Ausbildung</strong> in ihren Wunschberufen fin<strong>de</strong>n,ob sie in Betrieben o<strong>de</strong>r in überbetrieblichen Einrichtungen ausgebil<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n,wie ihre Übernahmechancen in ein festes Arbeitsverhältnis nach <strong>de</strong>r <strong>Ausbildung</strong>stehen etc. Dabei hängen solche motivationalen Faktoren stets eng mit <strong>de</strong>m ges<strong>und</strong>heitlichenBefin<strong>de</strong>n zusammen: Wer sich zur Arbeit quält, wer in seinem Tun keinenSinn sieht, lei<strong>de</strong>t häufiger auch unter ges<strong>und</strong>heitlichen Beschwer<strong>de</strong>n. In je<strong>de</strong>m Fallsignalisiert die hohe Zahl von Krankschreibungen bei <strong>de</strong>n <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong>er Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>nHandlungsbedarf.1 Ministerium für Arbeit, Soziales, <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> <strong>und</strong> Frauen (Hrsg.): <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> <strong>und</strong> Arbeitswelt<strong>im</strong> <strong>Land</strong> <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong>. Beiträge zur <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sberichterstattung <strong>und</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sför<strong>de</strong>rungNr. 7, Potsdam 1997.


10Joseph Kuhn, Anna-Maria Metz, Ernst-Friedrich PernackDer <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong>er <strong>Land</strong>esarbeitskreis Arbeit <strong>und</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> be<strong>im</strong> Ministerium fürArbeit, Soziales, <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> <strong>und</strong> Frauen hat sich daher dieses Themas angenommen<strong>und</strong> zu einem seiner Arbeitsschwerpunkte für die kommen<strong>de</strong>n Jahre gemacht. Auspräventionspolitischer Sicht sind Maßnahmen zur Verbesserung <strong>de</strong>r <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> <strong>de</strong>rAuszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n schließlich von beson<strong>de</strong>rer Be<strong>de</strong>utung: Der Umgang <strong>de</strong>r Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>nmit arbeitsbedingten <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>srisiken ist noch nicht habitualisiert, mankann noch Einfluß nehmen – <strong>und</strong> sofern dies gelingt, zahlt sich <strong>de</strong>r Erfolg in Formvermie<strong>de</strong>ner Erkrankungen über viele Jahre aus.Prävention bei <strong>und</strong> mit Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n kann dabei allerdings nicht nach <strong>de</strong>m Mottovorgehen, dass die Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n einfach mehr über <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sgefahren am Arbeitsplatzinformiert wer<strong>de</strong>n müssen <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>heitsgerechtes Verhalten einzutrainierenhaben. Wissen <strong>und</strong> Können sind notwendige, aber keine hinreichen<strong>de</strong>n Voraussetzungenfür einen adäquaten Umgang mit ges<strong>und</strong>heitlichen Belastungen. Mitan<strong>de</strong>ren Worten: Wer weiß, dass er be<strong>im</strong> Schleifen eine Staubmaske tragen sollte,fin<strong>de</strong>t vielleicht trotz<strong>de</strong>m viele "gute" Grün<strong>de</strong>, dies nicht zu tun. Gera<strong>de</strong> weil <strong>Ausbildung</strong><strong>im</strong>mer auch eine schwierige soziale Situation ist, in <strong>de</strong>r die Arbeitsbedingungen,die persönlichen Einstellungen, die Vorbil<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Kollegen, dieberuflichen Zukunftsaussichten <strong>und</strong> vieles an<strong>de</strong>re zusammentreffen, muss auch <strong>de</strong>rPräventionsansatz komplexer sein <strong>und</strong> die <strong>Ausbildung</strong>ssituation an sich thematisieren.I<strong>de</strong>alerweise zeigt sich <strong>de</strong>r Erfolg dann nicht nur in weniger Krankmeldungen,son<strong>de</strong>rn auch in weniger <strong>Ausbildung</strong>sabbrüchen, weniger Konflikten zwischen Ausbil<strong>de</strong>rn<strong>und</strong> Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n <strong>und</strong> in mehr <strong>Ausbildung</strong>szufrie<strong>de</strong>nheit.Hier treffen sich die Interessen <strong>de</strong>r <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>s- bzw. Arbeitsschutzpolitik, <strong>de</strong>r Bildungspolitik,<strong>de</strong>r Betriebe, <strong>de</strong>r Krankenkassen <strong>und</strong> <strong>de</strong>r Unfallversicherungsträger –eine gera<strong>de</strong>zu i<strong>de</strong>ale Ausgangssituation für ein gemeinsames Han<strong>de</strong>ln <strong>de</strong>r <strong>im</strong> Arbeitskreisvertretenen Institutionen. Die Tagung war in diesem Sinne zugleich Auftaktveranstaltungfür eine <strong>Land</strong>esinitiative „<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> <strong>und</strong> <strong>Ausbildung</strong>“, die bereitseine Reihe von konkreten Projekten angeregt hat. So bereitet z. B. die Arbeitsschutzverwaltung<strong>de</strong>s <strong>Land</strong>es zusammen mit <strong>de</strong>m Ministerium für Bildung, Jugend<strong>und</strong> Sport eine Schwerpunktaktion zur Analyse <strong>de</strong>s arbeitsschutzbezogenen Berufsschulunterrichtsvor. Auf dieser Basis sollen anschließend Lehrerfortbildungen <strong>und</strong>Unterrichtsprojekte konzipiert wer<strong>de</strong>n. Eine Befragung von Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n durchdie Handwerkskammer Potsdam <strong>und</strong> die Innungskrankenkasse <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong>-Berlinwird dazu weitere Hinweise beisteuern. Des Weiteren wird die <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong>er Zentralstellefür Suchtprävention in diesem Jahr bei ihren Aktivitäten zur betrieblichenSuchtprävention ebenfalls beson<strong>de</strong>res Augenmerk auf die Zielgruppe <strong>de</strong>r Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>nrichten <strong>und</strong> dazu <strong>im</strong> Herbst eine Fachtagung veranstalten. Auch hier gilt es,sich über neue Ansätze zu verständigen, da Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong> von <strong>de</strong>n herkömmlichenProgrammen <strong>de</strong>r betrieblichen Suchtkrankenhilfe <strong>und</strong> Suchtprävention kaum erreichtwer<strong>de</strong>n.


<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> <strong>und</strong> <strong>Ausbildung</strong> - zur Einführung 11Eine wichtige Aufgabe für die Zukunft wird sicher darin liegen, neue Handlungskonzeptein die regulären <strong>Ausbildung</strong>sstrukturen zu integrieren. Es nützt dasschönste Präventionsprojekt nicht viel, wenn mit <strong>de</strong>m Abschlussbericht auch dieMaßnahmen been<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n, weil sie nur unter <strong>de</strong>n Son<strong>de</strong>rbedingungen eines Forschungs-o<strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>llprojekts durchzuhalten waren. Das Thema <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> <strong>und</strong><strong>Ausbildung</strong> muss also stärker in das Routinehan<strong>de</strong>ln aller Beteiligten Eingang fin<strong>de</strong>n:in die Lehrpläne an <strong>de</strong>n Berufsschulen, in die Besichtigungspläne <strong>de</strong>r Arbeitsschutzbehör<strong>de</strong>n,in die Prüfungsordnungen <strong>de</strong>r Kammern usw., d. h., es müssenWege einer Institutionalisierung <strong>de</strong>s Themas <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> in <strong>de</strong>r <strong>Ausbildung</strong> gef<strong>und</strong>enwer<strong>de</strong>n. Dies ist nicht leicht – juristische Hür<strong>de</strong>n <strong>und</strong> die sprichwörtliche Trägheitgroßer Institutionen wollen überw<strong>und</strong>en wer<strong>de</strong>n. Aber auch hier hat die Fachtagunggangbare Wege erkennbar wer<strong>de</strong>n lassen.Ein erfreuliches Ergebnis <strong>de</strong>r Tagung bestand nicht zuletzt darin, dass ein Erfahrungsaustauschzwischen Fachleuten aus ganz unterschiedlichen Institutionen <strong>und</strong>mit ganz unterschiedlichen Herangehensweisen zustan<strong>de</strong> kam, dass viele bereitserfolgreich laufen<strong>de</strong> Projekte einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wur<strong>de</strong>n <strong>und</strong> soanregend für neue Initiativen wirken konnten. Dazu soll auch die vorliegen<strong>de</strong> Dokumentation<strong>de</strong>r Tagung beitragen.Den Referent/innen <strong>und</strong> Teilnehmer/innen <strong>de</strong>r Fachtagung danken wir ganz herzlichfür ihr Engangement <strong>und</strong> ihre Diskussionsbereitschaft, <strong>de</strong>n unterstützen<strong>de</strong>n Institutionenfür ihre finanzielle Hilfe, ohne die diese Dokumentation nicht zustan<strong>de</strong> gekommenwäre, sowie Frau Bukowski <strong>und</strong> Frau Lü<strong>de</strong>cke vom <strong>Land</strong>esges<strong>und</strong>heitsamt<strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong> für die mühevolle Zusammenstellung <strong>de</strong>r Texte <strong>und</strong> Grafiken.


Teil 1Rahmenbedingungen<strong>und</strong>Daten


Arbeitsmarkt- <strong>und</strong> <strong>Ausbildung</strong>ssituation jungerMenschen <strong>im</strong> <strong>Land</strong> <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong>Michael RanftDas Motto dieser Fachtagung „<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> <strong>und</strong> <strong>Ausbildung</strong>“ ohne die aktuelle <strong>Ausbildung</strong>splatzsituation<strong>im</strong> <strong>Land</strong> <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong> zu diskutieren, hieße einen wichtigen,wenn nicht <strong>de</strong>n wichtigsten Aspekt unserer heutigen Fachtagung auszublen<strong>de</strong>n: Wiekann gera<strong>de</strong> vor <strong>de</strong>m Hintergr<strong>und</strong> einer äußerst angespannten Ausgangslage <strong>de</strong>r Gedanke<strong>de</strong>s <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sschutzes verstärkt in die berufliche Erstausbildung Einzughalten? Wie können wir <strong>Ausbildung</strong>sbetriebe <strong>und</strong> Ausbil<strong>de</strong>r anhalten, diesem Anliegen<strong>im</strong> Sinne <strong>de</strong>r Qualitätssicherung <strong>und</strong> -verbesserung <strong>de</strong>utlicher als bisher Rechnungzu tragen? Mit welchen Mitteln können wir Lehrlinge <strong>und</strong> Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong> ermuntern,ihre Rechte als Arbeitnehmer angemessen wahrzunehmen <strong>und</strong> zu artikulieren,wenn sie froh sein müssen, einen <strong>de</strong>r knappen betrieblichen <strong>Ausbildung</strong>splätzeerhalten zu haben?„Die Arbeitsmarkt- <strong>und</strong> <strong>Ausbildung</strong>ssituation junger Menschen“ lautet daher dasThema meines Kurzreferates, das mir als zuständiger Referatsleiter „Berufliche Bildung“<strong>im</strong> Arbeitsministerium <strong>de</strong>s <strong>Land</strong>es <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong> gestellt wor<strong>de</strong>n ist. DieserAufgabe wer<strong>de</strong> ich mich in folgen<strong>de</strong>n vier Schritten nähern:1. Darstellung <strong>de</strong>r mittelfristigen <strong>de</strong>mographischen Entwicklung <strong>de</strong>r <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong>erBevölkerung <strong>im</strong> Berufsausbildungsalter2. Aufzeigen <strong>de</strong>r Entwicklung betrieblicher <strong>und</strong> außerbetrieblicher <strong>Ausbildung</strong>sverhältnisse3. Darlegung <strong>de</strong>s Umfangs staatlicher För<strong>de</strong>rmaßnahmen <strong>und</strong>4. Erläuterung <strong>de</strong>r Programme zur För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r beruflichen Erstausbildung <strong>im</strong><strong>Land</strong> <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong>.Zur Erleichterung <strong>de</strong>s allgemeinen Verständnisses wer<strong>de</strong> ich hierzu einige vorbereitetegrafische Darstellungen benutzen.


16Michael Ranft1. Mittelfristige Entwicklung <strong>de</strong>r Bevölkerung <strong>im</strong>Berufsausbildungsalter450Entwicklung <strong>de</strong>r Bevölkerung <strong>im</strong> Berufsbildungsalter(15 bis unter 25 Jahre) <strong>im</strong> <strong>Land</strong> <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong> von 1997 bis 2010in Tsd.300325,7335,0345,2356,5365,3 371,9 375,0 374,2 369,2353,5333,4312,6292,0272,2150221,7 226,0231,0 236,3 240,0 242,0 241,6 238,7 233,4221,3206,2190,5174,6159,3104,0109,0 114,2120,2 125,3 129,9 133,4 135,5 135,8 132,2 127,2 122,1 117,4 112,901997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010<strong>Land</strong> insgesamt Periphere Regionen SpeckgürtelAbbildung 1Diese Darstellung beruht auf Schätzungen <strong>de</strong>s <strong>Land</strong>esamtes für Datenverarbeitung<strong>und</strong> Statistik <strong>und</strong> wur<strong>de</strong> für uns grafisch aufbereitet. Wie Sie <strong>de</strong>r Grafik entnehmenkönnen, haben wir es mit einer Entwicklung zu tun, die Experten <strong>de</strong>r Berufsbildungin Ost<strong>de</strong>utschland mittlerweile als „<strong>de</strong>mographische Falle“ bezeichnen. Die Nachfragenach <strong>Ausbildung</strong>splätzen wird stetig bis in das Jahr 2004 steigen, zwei Jahreauf einem hohen Niveau verbleiben <strong>und</strong> dann <strong>de</strong>utlich abfallen. Beson<strong>de</strong>rs problematischist hierbei für das <strong>Land</strong> <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong> die Tatsache, dass diese Entwicklungregional verzerrt ist: Während <strong>im</strong> sogenannten Speckgürtel <strong>de</strong>s Berliner Umlan<strong>de</strong>sdie Kurve weniger steil abfällt, wird es in <strong>de</strong>n peripheren Regionen einen dramatischenRückgang an Bewerbern um eine Lehre bzw. um einen <strong>Ausbildung</strong>splatz geben.Wür<strong>de</strong> man auf die vorliegen<strong>de</strong> Grafik die <strong>de</strong>rzeitige Altersstruktur <strong>de</strong>r Belegschaftenin <strong>de</strong>n Unternehmen Ost<strong>de</strong>utschlands projizieren, wür<strong>de</strong> das oben beschriebeneDilemma <strong>de</strong>utlich: Genau zu <strong>de</strong>m Zeitpunkt <strong>de</strong>s Rückgangs von Bewerbernsteigt <strong>de</strong>r Bedarf <strong>de</strong>r Betriebe an Fachkräften wegen <strong>de</strong>s altersbedingten Ausschei<strong>de</strong>ns<strong>de</strong>r <strong>de</strong>rzeitig Beschäftigten stark an. Der Fachkräftemangel <strong>de</strong>r ost<strong>de</strong>utschen


Arbeitsmarkt <strong>und</strong> <strong>Ausbildung</strong>ssituation 17Wirtschaft ab <strong>de</strong>m Jahr 2006 ist vorhersehbar, muss jetzt thematisiert <strong>und</strong> gemeinsamvon Wirtschaft <strong>und</strong> Politik angegangen wer<strong>de</strong>n.Die Entwicklungslinie ver<strong>de</strong>utlicht ferner nachvollziehbar, dass es sich bei <strong>de</strong>r Herausfor<strong>de</strong>rung,<strong>de</strong>r sich das System <strong>de</strong>r dualen <strong>Ausbildung</strong> <strong>im</strong> <strong>Land</strong> <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong>,wie in <strong>de</strong>n übrigen neuen B<strong>und</strong>eslän<strong>de</strong>rn, zu stellen hat, um die Folgen <strong>de</strong>r Bevölkerungsentwicklungin <strong>de</strong>r ehemaligen DDR han<strong>de</strong>lt. Diese muss von einem Berufsbildungssystembewältigt wer<strong>de</strong>n, in welchem <strong>de</strong>r Wirtschaft die pr<strong>im</strong>äre Verantwortungfür die Bereitstellung von <strong>Ausbildung</strong>splätzen obliegt. Diese Verantwortungkann jedoch die <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong>er Wirtschaft, <strong>de</strong>ren tragen<strong>de</strong> Säule, die großenKombinate, nach <strong>de</strong>r Wen<strong>de</strong> weggebrochen <strong>und</strong> die durch eine sehr kleinteiligeStruktur gekennzeichnet ist, nur unzureichend bewältigen.2. Entwicklung betrieblicher <strong>und</strong> außerbetrieblicher<strong>Ausbildung</strong>splätzeDer dargelegten Überlastsituation können die <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong>er Betriebe in zunehmen<strong>de</strong>mMaße nur noch bedingt gerecht wer<strong>de</strong>n, wie die Abbildung 2 zeigt:Art <strong>de</strong>r <strong>Ausbildung</strong>splätze <strong>im</strong> Erfassungszeitraum 1995 - 199825000200001500020.109 19.5533.8504.78418.9575.14618.0915.894ausserbetriebliche10000500016.25914.769 13.81112.197betriebliche01995 1996 1997 1998Abbildung 2


18Michael RanftAnteil <strong>de</strong>r Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>n einzelnen <strong>Ausbildung</strong>sbereichen<strong>im</strong> Erfassungszeitraum 1995 - 1998100%90%80%70%60%50%40%30%20%10%0%4,7%4,0% 3,1% 4,6%4,8%4,8%2,7% 2,8%3,7% 3,9% 4,5% 4,8%42,7% 43,2% 42,9% 41,0%44,9% 45,2% 45,1% 46,6%1995 1996 1997 1998freieBerufeöffentlicherDienst<strong>Land</strong>-/HauswirtschaftHandwerkIndustrie/Han<strong>de</strong>lAbbildung 3Seit 1995 haben wir einen Rückgang betrieblicher <strong>Ausbildung</strong>splätze um r<strong>und</strong> 25 %zu verzeichnen. Vorrangig liegt dieser Rückgang in <strong>de</strong>m Zurückführen <strong>de</strong>r Überbedarfsausbildung<strong>de</strong>s Handwerks begrün<strong>de</strong>t, wie auch <strong>de</strong>r Abbildung 3 zu entnehmenist:Danach reduziert sich <strong>de</strong>r Anteil <strong>de</strong>s Handwerks an <strong>de</strong>r Gesamtzahl <strong>de</strong>r Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>nstetig. Diese Reduzierung wür<strong>de</strong> noch <strong>de</strong>utlicher ausfallen, wenn man ausschließlichauf die neu abgeschlossenen <strong>Ausbildung</strong>sverträge eines je<strong>de</strong>n Jahres abstellenwür<strong>de</strong>. So relativieren noch die guten <strong>Ausbildung</strong>sleistungen <strong>de</strong>s Handwerksvor 1995 das relativ düstere Bild.Erlauben Sie mir, noch einmal auf das Verhältnis <strong>de</strong>r betrieblichen zu <strong>de</strong>n außerbetrieblichen<strong>Ausbildung</strong>sverhältnissen zurückzukommen (Abbildung 2): DurchBemühungen <strong>de</strong>r B<strong>und</strong>esregierung <strong>und</strong> <strong>de</strong>r <strong>Land</strong>esregierung <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong> sowie <strong>de</strong>rB<strong>und</strong>esanstalt für Arbeit konnte die zurückgehen<strong>de</strong> <strong>Ausbildung</strong>sleistung <strong>de</strong>r Wirtschaftdurch die steigen<strong>de</strong> Zahl öffentlich geför<strong>de</strong>rter außerbetrieblicher <strong>Ausbildung</strong>splätzeausgeglichen wer<strong>de</strong>n. Die Gesamtzahl <strong>de</strong>r eingetragenen <strong>Ausbildung</strong>sverhältnisse(1995: 20.109; 1998: 18.091) darf Sie dabei nicht irritieren. Neben <strong>de</strong>naußerbetrieblichen <strong>Ausbildung</strong>sverhältnissen bietet das <strong>Land</strong> <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong> seit 1997eine weitere Komponente zum Lückenschluss in Form <strong>de</strong>s sogenannten „KooperativenMo<strong>de</strong>lls“ an, das als schulischer <strong>Ausbildung</strong>sgang keinen Eingang in die Berufsbildungsstatistik<strong>de</strong>s <strong>Land</strong>esamtes für Datenverarbeitung <strong>und</strong> Statistik fin<strong>de</strong>t, auf


Arbeitsmarkt <strong>und</strong> <strong>Ausbildung</strong>ssituation 19<strong>de</strong>r die vorliegen<strong>de</strong>n Berechnungen beruhen. Zählt man die 2.800 Plätze, die <strong>im</strong> Jahr1998 <strong>im</strong> schulisch-kooperativen Mo<strong>de</strong>ll besetzt wur<strong>de</strong>n, hinzu, so ergibt sich sogareine leichte Steigerung <strong>de</strong>s <strong>Ausbildung</strong>splatzangebotes <strong>im</strong> Verlauf <strong>de</strong>r letzten Jahre.Lassen Sie mich noch exemplarisch für <strong>de</strong>n <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sbereich die <strong>Ausbildung</strong>sleistungen<strong>de</strong>r vier Heilberufskammern in <strong>de</strong>n letzten Jahren darstellen.Entwicklung <strong>de</strong>r Gesamtzahl <strong>de</strong>r Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n <strong>im</strong> ersten<strong>Ausbildung</strong>sjahr bei <strong>de</strong>n zuständigen Stellen für freie Berufe<strong>im</strong> Erfassungszeitraum 1996 - 19983503002632912502002312542332121501005007976692424391996 1997 1998<strong>Land</strong>eszahnärztekammer<strong>Land</strong>esapothekenkammer<strong>Land</strong>estierärztekammer<strong>Land</strong>esärztekammerAbbildung 4Insgesamt kann man feststellen, dass die <strong>Ausbildung</strong>sleistungen in <strong>de</strong>m Erfassungszeitraumgleich geblieben sind, wobei allerdings <strong>de</strong>r Einbruch <strong>im</strong> Bereich <strong>de</strong>r <strong>Land</strong>eszahnärztekammeraus <strong>de</strong>m Rahmen fällt. Ob dieser Rückgang ein Reflex <strong>de</strong>rDiskussionen über eine Reform <strong>de</strong>r gesetzlichen Krankenversicherung <strong>im</strong> Bereich<strong>de</strong>r zahnärztlichen Versorgung ist o<strong>de</strong>r auf eine Umstellung <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rpolitik <strong>de</strong>r<strong>Land</strong>esregierung Mitte 1998 beruht, vermag ich nicht zu beurteilen. Besorgnis erregendist für mich jedoch die Tatsache, dass die <strong>Ausbildung</strong>sleistungen <strong>de</strong>r freienBerufe <strong>im</strong> <strong>Land</strong> <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong>, die vorrangig durch die Heilberufe erbracht wer<strong>de</strong>n,gemessen an <strong>de</strong>r Gesamtzahl <strong>de</strong>r <strong>Ausbildung</strong>sverhältnisse sich um 50 % unter <strong>de</strong>mNiveau <strong>de</strong>r alten B<strong>und</strong>eslän<strong>de</strong>r bewegen. Die langfristig notwendige Absicherung<strong>de</strong>s Fachkräftebedarfs in <strong>de</strong>n <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong>er Praxen <strong>und</strong> Apotheken scheint somitnicht gewährleistet zu sein.


20Michael RanftRein nachrichtlich will ich Sie noch darüber informieren, dass die <strong>Ausbildung</strong>sleistungenin <strong>de</strong>n Fachberufen <strong>de</strong>s <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>s- <strong>und</strong> Sozialwesens außerhalb <strong>de</strong>sdualen Systems in <strong>de</strong>n letzten Jahren relativ konstant geblieben sind. Im <strong>Land</strong> <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong>wer<strong>de</strong>n jährlich r<strong>und</strong> 1.250 Jugendliche, ganz überwiegend junge Frauen, indiesen Berufen ausgebil<strong>de</strong>t. Dieser, <strong>de</strong>n <strong>Ausbildung</strong>smarkt stark entlasten<strong>de</strong> Umfangmuss trotz aller Schwierigkeiten, in <strong>de</strong>r sich die gesetzlichen Sozialversicherungen<strong>de</strong>rzeit befin<strong>de</strong>n, beibehalten wer<strong>de</strong>n, um die zukünftige Nachfrage nach <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>s-<strong>und</strong> Sozialdienstleistungen qualitativ <strong>und</strong> quantitativ weiterhin angemessenab<strong>de</strong>cken zu können. Die <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>s- <strong>und</strong> Sozialberufe stellen auch <strong>de</strong>shalb einewichtige Ergänzung <strong>de</strong>s <strong>Ausbildung</strong>sstellenmarktes dar, weil sich die Chancen <strong>und</strong>Möglichkeiten von jungen Frauen, ein <strong>Ausbildung</strong>sverhältnis nach <strong>de</strong>m Berufsbildungsgesetzbzw. nach <strong>de</strong>r Handwerksordnung abschließen zu können, stetig verschlechtern,wie die folgen<strong>de</strong>n Grafiken belegen:Neu abgeschlossene <strong>Ausbildung</strong>sverträgenach Geschlecht <strong>im</strong> Erfassungszeitraum 1995 - 199825.00021.346 21.42320.755 19.49920.00015.0008.515 8.402 8.0387.578Frauen10.0005.00012.834 13.021 12.717 11.921Männer01995 1996 1997 1998Abbildung 5


Arbeitsmarkt <strong>und</strong> <strong>Ausbildung</strong>ssituation 21Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong> <strong>im</strong> <strong>Land</strong> <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong> nach Geschlecht<strong>im</strong> Erfassungszeitraum 1995 - 199870.00060.00054.50959.101 61.158 59.77850.00040.00020.70622.57123.462 22.418Frauen30.00020.00010.00033.803 36.530 37.696 37.360Männer01995 1996 1997 1998Abbildung 6Der Anteil von weiblichen Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n beträgt danach, gemessen an <strong>de</strong>r Gesamtzahl<strong>de</strong>r <strong>Ausbildung</strong>sverhältnisse konstant r<strong>und</strong> 38 %, während er bei <strong>de</strong>n neuabgeschlossenen <strong>Ausbildung</strong>sverhältnissen leicht zurückgegangen ist. Berücksichtigtwer<strong>de</strong>n muss hierbei, dass bei <strong>de</strong>r Erfassung neu abgeschlossener <strong>Ausbildung</strong>sverhältnissesowohl die betrieblichen als auch die außerbetrieblichen berücksichtigtwer<strong>de</strong>n. Es ist daher nicht überraschend, dass <strong>de</strong>r Anteil von jungen Frauen bei <strong>de</strong>nbetrieblichen <strong>Ausbildung</strong>sverhältnissen beson<strong>de</strong>rs zurückgegangen ist, obwohl die<strong>Land</strong>esregierung seit 1992/93 Anstrengungen <strong>de</strong>r unterschiedlichsten Art <strong>im</strong> Rahmenihrer Programmeför<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r beruflichen <strong>Ausbildung</strong> unternommen hat, diesemTrend entgegenzuwirken.3. Umfang staatlicher För<strong>de</strong>rmaßnahmen <strong>im</strong> <strong>Land</strong> <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong>Das Angebot betrieblicher <strong>Ausbildung</strong>splätze reicht <strong>im</strong> <strong>Land</strong> <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong>, wie ichzuvor dargelegt habe, nicht aus, die stetig steigen<strong>de</strong>n Nachfragen nach einer dualen<strong>Ausbildung</strong> zu befriedigen. Neben <strong>de</strong>n umfangreichen Maßnahmen <strong>de</strong>r B<strong>und</strong>esanstaltfür Arbeit <strong>im</strong> Rahmen <strong>de</strong>r sogenannten Benachteiligtenför<strong>de</strong>rung nach §§ 240ff. SGB III, die durch die örtlichen Arbeitsämter umgesetzt wer<strong>de</strong>n, wer<strong>de</strong>n seit1993 zusätzlich staatliche Lückenschließungsprogramme in Ost<strong>de</strong>utschland aufgelegt.Diese wer<strong>de</strong>n als Lehrstelleninitiativen Ost o<strong>de</strong>r <strong>Ausbildung</strong>sprogramme Osthälftig von B<strong>und</strong> <strong>und</strong> neuen Län<strong>de</strong>rn finanziert <strong>und</strong> seit 1996 durch ausschließlich


22Michael Ranftvon <strong>de</strong>n neuen Län<strong>de</strong>rn finanzierte Programme ergänzt bzw. aufgestockt. Der Umfangdieser Programme kann <strong>de</strong>r nachfolgen<strong>de</strong>n Abbildung entnommen wer<strong>de</strong>n:<strong>Ausbildung</strong>splätze in Lückenschließungsprogrammen nachB<strong>und</strong>/<strong>Land</strong> <strong>und</strong> <strong>Land</strong> <strong>im</strong> Erfassungszeitraum 1995 - 19987.0006.0005.8166.0195.0004.0003.5002.7002.500<strong>Land</strong>3.0002.9005002.0001.0002.900 3.000 3.1163.519B<strong>und</strong>/<strong>Land</strong>01995 1996 1997 1998Abbildung 7Danach hat sich das gesamte Kontingent <strong>de</strong>r staatlich finanzierten <strong>Ausbildung</strong>splätzeinnerhalb <strong>de</strong>r letzten fünf Jahre mehr als verdoppelt <strong>und</strong> beträgt r<strong>und</strong> ein Drittelan <strong>de</strong>r Gesamtzahl <strong>de</strong>r eingetragenen <strong>Ausbildung</strong>sverhältnisse. Der Anteil <strong>de</strong>r vom<strong>Land</strong> <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong> ausschließlich finanzierten Plätze hat sich innerhalb von einemJahr verfünffacht. Umfang <strong>und</strong> Aufteilung zwischen B<strong>und</strong> <strong>und</strong> Län<strong>de</strong>rn wer<strong>de</strong>n in<strong>de</strong>n nächsten Jahren fortgeschrieben wer<strong>de</strong>n müssen; für 1999 ist dies auf <strong>de</strong>m Niveau<strong>de</strong>s Jahres 1998 zwischen <strong>de</strong>n Beteiligten zwischenzeitlich vereinbart wor<strong>de</strong>n.Welche finanziellen Belastungen sind B<strong>und</strong> <strong>und</strong> <strong>Land</strong> hierdurch ausgesetzt? DieseFrage beantwortet die nächste Übersicht:


Arbeitsmarkt <strong>und</strong> <strong>Ausbildung</strong>ssituation 23Mittelbewirtschaftung <strong>de</strong>s <strong>Land</strong>es <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong> für dieLückenschließungsprogramme140.000121.368120.000100.00080.00060.00040.00020.00034.89334.89360.6881.2004.65054.83892.56035.86111.44518.537 31.39362.57854.114<strong>Land</strong>esmittelv.L.B<strong>und</strong>esmittelv.B.u.L.<strong>Land</strong>esmittelv.B.u.L.01995 1996 1997 1998Abbildung 8Bei <strong>de</strong>r Erstauflage <strong>de</strong>r B<strong>und</strong>-Län<strong>de</strong>r-Programme sind die Beteiligten von einemrechnerischen Durchschnitt einer dreijährigen <strong>Ausbildung</strong> ausgegangen <strong>und</strong> habendiesen Satz <strong>de</strong>n weiteren <strong>und</strong> zusätzlichen Programmen zugr<strong>und</strong>e gelegt. Die Abbildungver<strong>de</strong>utlicht, dass zur Durchführung, die <strong>de</strong>n Län<strong>de</strong>rn obliegt, <strong>und</strong> zur Finanzierungdieser Programme ein stetig steigen<strong>de</strong>r Gesamtbetrag aus <strong>de</strong>m B<strong>und</strong>es- <strong>und</strong><strong>Land</strong>eshaushalt aufgewandt wer<strong>de</strong>n muss. Seit 1995 hat sich <strong>de</strong>r Mitteleinsatz fastvervierfacht. Man muss kein Prophet sein, um die Feststellung treffen zu können,dass <strong>de</strong>mnächst die Grenzen <strong>de</strong>r Belastbarkeit öffentlicher Haushalte erreicht seinwer<strong>de</strong>n. Die För<strong>de</strong>rpolitik von B<strong>und</strong> <strong>und</strong> Län<strong>de</strong>rn bedarf daher <strong>de</strong>r Überprüfung aufihre Effizenz <strong>und</strong> auf ihre weitere sinnvolle Einbindung in das Gesamtsystem <strong>de</strong>rdualen <strong>Ausbildung</strong>.4. Programme zur För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r beruflichen Erstausbildung <strong>im</strong><strong>Land</strong> <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong>Die <strong>Land</strong>esregierung hat sich <strong>de</strong>r Notwendigkeit einer Weiterentwicklung gestellt<strong>und</strong> ist <strong>im</strong> Jahre 1997/1998 in einen intensiven Dialog mit <strong>de</strong>n zuständigen Stellen,<strong>de</strong>n Sozialpartnern, <strong>de</strong>r Arbeitsverwaltung <strong>und</strong> <strong>de</strong>m <strong>Land</strong>tag getreten. Im Ergebnisdieses Meinungsaustausches verständigten sich die Beteiligten auf ein abgestuftesFör<strong>de</strong>rsystem, welches man auch als „Vier-Stufen-Mo<strong>de</strong>ll“ bezeichnen kann.


24Michael RanftFör<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r beruflichen Erstausbildung <strong>im</strong> <strong>Land</strong> <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong>„Vier-Stufen-Mo<strong>de</strong>ll“1. För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r einzel-betrieblichen <strong>Ausbildung</strong>- Gründungsphase- Übernahme <strong>de</strong>r Konkurslehrlinge- Berufe in <strong>de</strong>r Zukunftstechnologie2. För<strong>de</strong>rung von kooperatistisch-betrieblicher <strong>Ausbildung</strong>- Verb<strong>und</strong>- überbetriebliche Lehrunterweisung- überbetriebliche Bildungsstätten3. För<strong>de</strong>rung von betriebsnaher <strong>Ausbildung</strong>4. För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r schulisch-kooperativen <strong>Ausbildung</strong>Dieses Mo<strong>de</strong>ll geht von <strong>de</strong>n zwei Gr<strong>und</strong>prämissen aus, dass1. die betriebliche <strong>Ausbildung</strong> allein in <strong>de</strong>r Verantwortung <strong>de</strong>r Wirtschaft, <strong>de</strong>rArbeitgeber <strong>und</strong> <strong>de</strong>r Gewerkschaft steht <strong>und</strong> nicht weiterhin mit staatlichenMitteln direkt bezuschusst wer<strong>de</strong>n sollte (ausgenommen hiervon die Stützungvon Zwischen- <strong>und</strong> überbetrieblichen Kooperationsstrukturen),2. <strong>de</strong>r Lückenschluss in staatlicher Verantwortung in einer Form erfolgt, dienicht in das eigenverantwortliche <strong>de</strong>r Wirtschaft eingreift. Stabile Rahmenbedingungensind hierfür erfor<strong>de</strong>rlich, wie Kontinuität <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rung betrieblicher<strong>Ausbildung</strong>splätze sowie Kontinuität <strong>und</strong> Berechenbarkeit vonB<strong>und</strong>-Län<strong>de</strong>r-Programmen zur Schließung <strong>de</strong>r <strong>Ausbildung</strong>splatzlücke, damitdie Wirtschaft ihre Verantwortung umfassend in diesem Sinne wahrnehmenkann.Die entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Umstellung erfolgte vor diesem Hintergr<strong>und</strong> <strong>im</strong> Bereich <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rung<strong>de</strong>r einzelbetrieblichen <strong>Ausbildung</strong>. Statt <strong>de</strong>r bisher fast flächen<strong>de</strong>cken<strong>de</strong>nFör<strong>de</strong>rung zusätzlicher <strong>Ausbildung</strong>splätze wur<strong>de</strong>n ab Anfang Juni 1998 nur nochUnternehmen in einer Gründungsphase von bis zu fünf Jahren, die Übernahme vonLehrlingen aus in Konkurs gegangenen Betrieben <strong>und</strong> die <strong>Ausbildung</strong> in Berufen in<strong>de</strong>r Zukunftstechnologie mit einer Subventionsprämie in Höhe von 3.000 bzw. 4.000DM (unter best<strong>im</strong>mten Voraussetzungen für <strong>Ausbildung</strong>splätze von Mädchen) geför<strong>de</strong>rt.Hierdurch wird ver<strong>de</strong>utlicht, dass nur spezifische Situationen <strong>und</strong> Grün<strong>de</strong>die staatliche För<strong>de</strong>rung eines betrieblichen <strong>Ausbildung</strong>splatzes rechtfertigen. Dieregelhafte <strong>Ausbildung</strong> ist <strong>de</strong>mgegenüber Aufgabe <strong>de</strong>r Wirtschaft, d. h. <strong>de</strong>s Einzelbetriebes<strong>und</strong> fällt damit in ihre bzw. seine Finanzierungsverantwortung.Die <strong>Land</strong>esregierung <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong> sieht sich in ihrem Ansatz durch die B<strong>und</strong>esregierungbestätigt, die seit längerem in ihren Berufsbildungsberichten <strong>de</strong>n Umfang


Arbeitsmarkt <strong>und</strong> <strong>Ausbildung</strong>ssituation 25staatlicher För<strong>de</strong>rprogramme in Form von Prämien in Ost<strong>de</strong>utschland kritisiert. Zwischenzeitlichhat auf B<strong>und</strong>esebene sich das Bündnis für Arbeit, <strong>Ausbildung</strong> <strong>und</strong>Wettbewerbsfähigkeit <strong>de</strong>r Thematik angenommen <strong>und</strong> scheint <strong>de</strong>n Ansatz <strong>de</strong>s <strong>Land</strong>es<strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong> zu unterstützen.Die För<strong>de</strong>rung von kooperatistisch-betrieblicher <strong>Ausbildung</strong>, d. h. die arbeitsteilige<strong>Ausbildung</strong> durch mehrere Betriebe, soll <strong>de</strong>mgegenüber ausgebaut wer<strong>de</strong>n, um dieBasis an <strong>Ausbildung</strong>sbetrieben zu verbreitern. Noch liegt die <strong>Ausbildung</strong>sbeteiligungin <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong> <strong>de</strong>utlich unter <strong>de</strong>r in West<strong>de</strong>utschland. Die Zahl geeigneter<strong>Ausbildung</strong>sbetriebe ist gleichfalls unbefriedigend. Vor <strong>de</strong>m Hintergr<strong>und</strong> <strong>de</strong>r kleinteiligenWirtschaftsstruktur gilt es daher, Anreize zu schaffen <strong>und</strong> Mo<strong>de</strong>lle zu för<strong>de</strong>rn,mit <strong>de</strong>nen verstärkt Betriebe an die <strong>Ausbildung</strong> herangeführt wer<strong>de</strong>n. Die För<strong>de</strong>rung<strong>de</strong>r <strong>Ausbildung</strong> <strong>im</strong> Verb<strong>und</strong> mehrerer Betriebe bzw. mit einem Bildungsträgersteht hier an erster Stelle. Daneben soll mit Hilfe <strong>de</strong>r anteiligen För<strong>de</strong>rung vonLehrgängen <strong>und</strong> überbetrieblichen Bildungsstätten das ausstattungs- <strong>und</strong> angebotsbedingteDefizit <strong>de</strong>r betrieblichen <strong>Ausbildung</strong> in kleinen Betrieben, gera<strong>de</strong> <strong>im</strong>Handwerk, ausgeglichen wer<strong>de</strong>n.„Je<strong>de</strong>m Jugendlichen, <strong>de</strong>r dies wünscht, soll ein <strong>Ausbildung</strong>splatzangebot unterbreitetwer<strong>de</strong>n.“ Dieses Versprechen <strong>im</strong> Rahmen <strong>de</strong>s Programms <strong>de</strong>r <strong>Land</strong>esregierungwird durch die schon erwähnten Lückenschließungsprogramme miterfüllt. In<strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong> wer<strong>de</strong>n hierzu zwei Programmkomponenten angewandt, die betriebsnahenPlätze <strong>und</strong> <strong>Ausbildung</strong>splätze <strong>im</strong> schulisch-kooperativen Mo<strong>de</strong>ll.Die <strong>Ausbildung</strong> in einem betriebsnahen Platz erfolgt bei <strong>Ausbildung</strong>svereinen bzw.-ringen in Trägerschaft <strong>de</strong>r Kammern. Diese schließen mit <strong>de</strong>m Jugendlichen einen<strong>Ausbildung</strong>svertrag, bedienen sich für die Vermittlung <strong>de</strong>r fachpraktischen <strong>Ausbildung</strong>jedoch ausgesuchte <strong>Ausbildung</strong>sbetriebe, die zuvor <strong>de</strong>n Jugendlichen als ausbildungsgeeignetbewertet haben. Die <strong>Ausbildung</strong>sbetriebe müssen zur Teilnahmean diesem Mo<strong>de</strong>ll selber einen best<strong>im</strong>mten Anteil an eigenen (betrieblichen) Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n- bezogen auf die letzten drei Jahre - vorweisen. Der Jugendliche erhälteine abgesenkte <strong>Ausbildung</strong>svergütung, sein <strong>Ausbildung</strong>sverhältnis wird bei <strong>de</strong>nKammern bzw. zuständigen Stellen eingetragen. Das <strong>Land</strong>, vertreten durch das Arbeitsministerium,finanziert die <strong>Ausbildung</strong>svergütung sowie Durchführungskostenbei <strong>de</strong>n <strong>Ausbildung</strong>svereinen bzw. -ringen.Das gemeinsam mit <strong>de</strong>n zuständigen Stellen (Kammern <strong>und</strong> <strong>Land</strong>esausschuss fürBerufsbildung) entwickelte „Kooperative Mo<strong>de</strong>ll“ ist <strong>im</strong> <strong>Land</strong> <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong> an dieStelle <strong>de</strong>r bisher praktizierten außerbetrieblichen <strong>Ausbildung</strong> getreten <strong>und</strong> fin<strong>de</strong>t alsschulischer <strong>Ausbildung</strong>sgang seine Rechtsgr<strong>und</strong>lage <strong>im</strong> § 15 Abs. 3 Nr. 3d in Verbindungmit § 26 Abs. 2 <strong>de</strong>s <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong>ischen Schulgesetzes. Danach besteht dieMöglichkeit, <strong>im</strong> Benehmen mit <strong>de</strong>n Partnern <strong>im</strong> dualen System in <strong>de</strong>r BerufsfachschuleBildungsgänge einzurichten, die in schulischer Form zu Berufsabschlüssen


26Michael Ranftnach <strong>de</strong>m Berufsbildungsgesetz o<strong>de</strong>r nach <strong>de</strong>r Handwerksordnung führen. Die Oberstufenzentren<strong>de</strong>s <strong>Land</strong>es <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong> als Berufsfachschulen verfügen in <strong>de</strong>r Regelfür die gewerblich-technischen Berufe über keine fachpraktischen <strong>Ausbildung</strong>sstätten.Deshalb ist es notwendig gewesen, für die Einrichtung eines solchen Bildungsganges<strong>de</strong>m jeweiligen Oberstufenzentrum fachpraktische <strong>Ausbildung</strong>sstätten zuzuordnen.Durch eine Vereinbarung zwischen <strong>de</strong>m <strong>Land</strong> <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong>, vertreten durchdas Bildungsministerium, <strong>und</strong> <strong>de</strong>n Kammern als zuständige Stellen <strong>im</strong> Sinne <strong>de</strong>sBerufsbildungsgesetzes konnten die notwendigen Voraussetzungen hierfür geschaffenwer<strong>de</strong>n. Der Bildungsgang nach § 26 Abs. 2 <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong>ischen Schulgesetzbedingt, dass die Jugendlichen Schülerstatus haben <strong>und</strong> bei Vorliegen entsprechen<strong>de</strong>rVoraussetzung BAföG erhalten können. Durch eine Finanzierungsvereinbarungzwischen <strong>de</strong>n Kammern <strong>und</strong> <strong>de</strong>m Arbeitsministerium ist die Finanzierung <strong>de</strong>r fachpraktischen<strong>Ausbildung</strong> einschließlich eines Mobilitätszuschusses an die Jugendlichenin Höhe von monatlich 180,00 DM durch das <strong>Land</strong> sichergestellt. Zum 31. Dezember1998 wur<strong>de</strong>n 6.514 Jugendliche betriebsnah ausgebil<strong>de</strong>t, r<strong>und</strong> 4.000 Jugendlichebefan<strong>de</strong>n sich <strong>im</strong> „Kooperativen Mo<strong>de</strong>ll“.Lassen Sie mich zum Abschluss noch Fragen <strong>de</strong>s Übergangs von <strong>de</strong>r abgeschlossenen<strong>Ausbildung</strong> zur ersten Beschäftigung, <strong>de</strong>r sogenannten zweiten Schwelle, kommen.Seit 1995 n<strong>im</strong>mt die Übergangsquote in Ost<strong>de</strong>utschland, beson<strong>de</strong>rs in <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong>aufgr<strong>und</strong> <strong>de</strong>r angespannten Lage auf <strong>de</strong>m Arbeitsmarkt ab. Nur noch knapp40 % eines <strong>Ausbildung</strong>sjahrganges fin<strong>de</strong>n unmittelbar nach <strong>de</strong>r abgeschlossenenBerufsausbildung eine Beschäftigung. Dementsprechend hat sich die Jugendarbeitslosigkeitin <strong>de</strong>n letzten Jahren stetig erhöht, wie die folgen<strong>de</strong> Abbildung zeigt:Arbeitslose Jugendliche <strong>im</strong> <strong>Land</strong> <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong> <strong>im</strong>Erfassungszeitraum Mai 1995 - Mai 199920.00018.00016.00014.00013.20014.12915.79217.83515.91512.00010.0008.0006.0004.0002.0002.237 2.3373.078 3.387 3.12601995 1996 1997 1998 1999unter 20-JährigeAbbildung 920- bis 25-Jährige


Arbeitsmarkt <strong>und</strong> <strong>Ausbildung</strong>ssituation 27Erst das Sofortprogramm <strong>de</strong>r B<strong>und</strong>esregierung zum Abbau <strong>de</strong>r Jugendarbeitslosigkeitkonnte ab Anfang 1999 zu einer spürbaren Entlastung beitragen. Es ist zu hoffen,dass die B<strong>und</strong>esregierung <strong>im</strong> Hinblick auf die beschäftigungspolitischen Leitlinien<strong>de</strong>r Europäischen Union, die <strong>de</strong>r Bekämpfung <strong>de</strong>r Jugendarbeitslosigkeit einenbeson<strong>de</strong>rs hohen Stellenwert einräumen, ihre Bemühungen verstetigt <strong>und</strong> als sinnvolleErgänzung <strong>de</strong>r <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong>er <strong>Land</strong>espolitik ihr Engagement vorrangig auf dieFör<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Übergangs in <strong>de</strong>n Arbeitsmarkt, <strong>de</strong>r 2. Schwelle konzentriert.


Der Krankenstand von Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n <strong>im</strong> <strong>Land</strong><strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong> - AnonymisierteArbeitsunfähigkeitsdaten <strong>de</strong>r AOK für das <strong>Land</strong><strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong>Anette BaumeisterDie AOK für das <strong>Land</strong> <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong> unterstützt bran<strong>de</strong>nburgische Unternehmendurch quantitative <strong>und</strong> qualitative Analysen bei <strong>de</strong>r Suche nach Ursachen arbeitsbedingterErkrankungen. Oft wer<strong>de</strong>n dabei Schwachstellen in <strong>de</strong>n Bereichen Arbeitsorganisation,Führungsverhalten, Betriebskl<strong>im</strong>a, Information <strong>und</strong> Kommunikation<strong>im</strong> Unternehmen sowie in Analysen auch bei <strong>de</strong>r Maßnahmenplanung <strong>und</strong> Umsetzungfestgestellt. In diversen Unternehmen stan<strong>de</strong>n aufgr<strong>und</strong> ihrer hohen Fehlzeitenoft auch die Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n <strong>im</strong> Fokus <strong>de</strong>r Analysen.Der Einstieg in die Beratung geschieht in <strong>de</strong>r Regel über eine betriebsbezogene anonymisierteAuswertung von Arbeitsunfähigkeitsdaten. Dabei fällt <strong>im</strong>mer wie<strong>de</strong>r auf,dass in vielen bran<strong>de</strong>nburgischen Unternehmen <strong>de</strong>r Krankenstand von Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>nBesorgnis erregend hoch ist. Oft liegt er weit über <strong>de</strong>m Betriebsdurchschnitt, istin vielen Fällen sogar am höchsten von allen betrieblichen Gruppen. Unsere Daten<strong>und</strong> unsere Erfahrungen mit Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n in bran<strong>de</strong>nburgischen Unternehmenhaben die Auswahl <strong>de</strong>s Arbeitsschwerpunktes <strong>im</strong> <strong>Land</strong>esarbeitskreis „Arbeit <strong>und</strong><strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>“ daher stark mitbest<strong>im</strong>mt.Die folgen<strong>de</strong>n Daten beziehen sich auf <strong>de</strong>n Krankenstand von AOK-versichertenAuszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n <strong>im</strong> Vergleich zu sonstigen AOK-versicherten Beschäftigten <strong>im</strong><strong>Land</strong> <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong>. Die meisten Daten sind aus <strong>de</strong>m Jahr 1998, ergänzt durch Jahresvergleiche1996, 1997 <strong>und</strong> 1998 sowie <strong>Land</strong>esvergleiche zwischen <strong>de</strong>n B<strong>und</strong>eslän<strong>de</strong>rn.Datengr<strong>und</strong>lage sind mehr als 15.000 AOK-versicherte Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>. Ausgewertetwur<strong>de</strong>n entwe<strong>de</strong>r AU- (Arbeitsunfähigkeits-) Fälle (wie häufig war ein Versicherter<strong>im</strong> Auswertungsjahr durchschnittlich erkrankt) o<strong>de</strong>r AU- (Arbeitsunfähigkeits-) Tagepro Versicherten (wie lange war ein Versicherter <strong>im</strong> Auswertungsjahr durchschnittlicherkrankt).


30Anette Baumeister1. Auswertung nach B<strong>und</strong>eslän<strong>de</strong>rnEine Auswertung <strong>de</strong>r AU-Fälle zeigt, dass die Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>n neuen B<strong>und</strong>eslän<strong>de</strong>rn1998 am häufigsten krank waren. Den höchsten Wert weist dabei das<strong>Land</strong> Berlin mit 3,0 AU-Fällen pro versicherten Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n auf, dicht gefolgtvom <strong>Land</strong> <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong> mit 2,9 AU-Fällen. Nur Sachsen liegt <strong>im</strong> Jahr 1998 sogarnoch unter <strong>de</strong>m B<strong>und</strong>esdurchschnitt von 2,1 AU-Fällen (s. Abbildung 1).AU-Fälle pro versicherten Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n nach B<strong>und</strong>eslän<strong>de</strong>rn 1998HamburgSaarlandBremenHessenNordrhein-WestfalenSchleswig-HolsteinNie<strong>de</strong>rsachsenRheinland-PfalzBa<strong>de</strong>n-WürttembergBayern1,31,31,81,81,81,71,72,12,22,5Berlin<strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong>Mecklenburg-VorpommernSachsen-AnhaltThüringenSachsen1,72,32,52,62,93,0BRD2,10,0 0,5 1,0 1,5 2,0 2,5 3,0 3,5Abbildung 10Die gleichen Ten<strong>de</strong>nzen zeigen sich auch in <strong>de</strong>n Jahren 1996 <strong>und</strong> 1997. Allerdingssinken die Werte von 1996 bis 1998 leicht (s. Abbildung 2 <strong>und</strong> 3).


Der Krankenstand von Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n - Daten <strong>de</strong>r AOK 31AU-Fälle pro versicherten Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n nach B<strong>und</strong>eslän<strong>de</strong>rn 1996HamburgBremenHessenSaarlandNordrhein-WestfalenSchleswig-HolsteinRheinland-PfalzNie<strong>de</strong>rsachsenBa<strong>de</strong>n-WürttembergBayern1,31,31,91,91,81,81,71,62,22,5<strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong>BerlinMecklenburg-VorpommernSachsen-AnhaltThüringenSachsen2,22,42,62,93,03,1BRD2,30,0 0,5 1,0 1,5 2,0 2,5 3,0 3,5Abbildung 11Die Auswertung nach AU-Tagen zeigt das gleiche Ergebnis: Die Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n in<strong>de</strong>n neuen B<strong>und</strong>eslän<strong>de</strong>rn sind nicht nur am häufigsten, son<strong>de</strong>rn über das Jahr zusammengefasstauch am längsten krank. In <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong> 17,6 AU-Tage <strong>im</strong> Jahr1998, dicht gefolgt von Berlin <strong>und</strong> Mecklenburg-Vorpommern. Der B<strong>und</strong>esdurchschnittlag <strong>im</strong> Jahr 1998 bei 12,0 AU-Tagen (s. Abbildung unten).


32Anette BaumeisterAU-Tage pro versicherten Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n nach B<strong>und</strong>eslän<strong>de</strong>rn 1998BremenHamburgSaarlandHessenSchleswig-HolsteinNordrhein-WestfalenRheinland-PfalzNie<strong>de</strong>rsachsenBayernBa<strong>de</strong>n-Württemberg12,111,910,910,310,310,09,99,48,48,1<strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong>BerlinMecklenburg-VorpommernSachsen-AnhaltSachsenThüringen13,713,417,616,416,215,4BRD12,00 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22Abbildung 12Die Daten 1996 <strong>und</strong> 1997 zeigen wie<strong>de</strong>r die gleichen Ten<strong>de</strong>nzen <strong>und</strong> auch hier liegendie Werte von 1998 <strong>im</strong> Vergleich zu <strong>de</strong>n Vorjahren etwas niedriger (s. Abbildungunten).


Der Krankenstand von Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n - Daten <strong>de</strong>r AOK 33AU-Tage pro versicherten Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n nach B<strong>und</strong>eslän<strong>de</strong>rn 1996BremenHamburgSaarlandHessenSchleswig-HolsteinRheinland-PfalzNordrhein-WestfalenNie<strong>de</strong>rsachsenBa<strong>de</strong>n-WürttembergBayern8,48,49,113,113,012,712,111,611,311,2<strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong>Mecklenburg-VorpommernBerlinSachsen-AnhaltSachsenThüringen16,016,017,719,320,020,8BRD13,60 5 10 15 20 25Abbildung 132. Vergleich Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong> <strong>und</strong> sonstige versicherte Beschäftigte<strong>im</strong> JahresvergleichDie folgen<strong>de</strong>n Abbildungen zeigen eine fast dreifach höhere Erkrankungshäufigkeitbei <strong>de</strong>n Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n als bei <strong>de</strong>n sonstigen Beschäftigten. Der Rückgang von 3,1(1996) auf 2,9 AU-Fälle (1998) bei <strong>de</strong>n Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n zeigt noch einmal die leichtrückläufige Ten<strong>de</strong>nz <strong>im</strong> Jahresvergleich (s. Abbildung 14).Diese Ten<strong>de</strong>nz manifestiert sich <strong>de</strong>utlicher bei <strong>de</strong>r Anzahl <strong>de</strong>r AU-Tage pro Jahr.Hier ist ein <strong>de</strong>utlicher Rückgang <strong>de</strong>r AU-Tage von 1996 bis 1998 zu verzeichnen.Mit 17,5 AU-Tagen pro Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n <strong>im</strong> Jahr 1998 ist dadurch <strong>de</strong>r Unterschiedzu <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren Beschäftigten (14,4 AU-Tage) nicht mehr ganz so extrem (s.Abbildung 15). Wenn man jedoch be<strong>de</strong>nkt, dass jüngere Arbeitnehmer normalerweisezwar häufiger an kurzen Infekten erkranken, ältere Arbeitnehmer hingegen eherlangwierigere, zum Teil chronische Erkrankungen haben, sind diese Werte mehr alsbe<strong>de</strong>nklich: Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>, d. h. die jüngsten Arbeitnehmer <strong>im</strong> <strong>Land</strong> <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong>sind am häufigsten krank <strong>und</strong> haben die meisten Arbeitsunfähigkeitstage <strong>im</strong> Jahr!


34Anette BaumeisterAU-Fälle je Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n <strong>und</strong> Beschäftigten <strong>im</strong>Jahresvergleich 1996, 1997, 1998 - <strong>Land</strong> <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong>3,532,523,13,02,91996199719981,511,11,01,00,50Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>BeschäftigteAbbildung 1425,020,015,0AU-Tage je Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n <strong>und</strong> Beschäftigten <strong>im</strong>Jahresvergleich 1996, 1997, 1998 -<strong>Land</strong> <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong>21,018,917,515,614,214,419961997199810,05,00,0Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>BeschäftigteAbbildung 15In Abbildung 16 zum direkten Vergleich Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong> - sonstige Beschäftigte nocheinmal die AU-Tage <strong>und</strong> AU-Fälle pro Versicherten von 1998.


Der Krankenstand von Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n - Daten <strong>de</strong>r AOK 35AU-Fälle <strong>und</strong> AU-Tage pro Versicherten 1998 in <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong>17,5 Tage14,4 Tage2,9 Fälle1,0 FälleAuszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>BeschäftigteAbbildung 163. Auswertung nach DiagnosehauptgruppenDie folgen<strong>de</strong>n Abbildungen geben Aufschluss über die Art <strong>de</strong>r Erkrankungen vonAuszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n <strong>und</strong> Beschäftigten <strong>im</strong> <strong>Land</strong> <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong>. Betrachtet wird zunächst,welchen prozentualen Anteil einzelne Diagnosehauptgruppen am gesamten Krankheitsgeschehenhaben.Eine Auswertung <strong>de</strong>r AU-Fälle 1998 zeigt bei <strong>de</strong>n Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n <strong>de</strong>n größtenAnteil an Erkrankungen <strong>de</strong>r Atmungsorgane mit 35,1 % (<strong>im</strong> Vergleich zu 24 % bei<strong>de</strong>n sonstigen Beschäftigten). Die zweithäufigsten Erkrankungsfälle betreffen dieVerdauungsorgane, d. h. 16 % <strong>im</strong> Vergleich zu 12,1 % bei <strong>de</strong>n sonstigen Beschäftigten.(Die Diagnosehauptgruppe Verdauungsorgane umfasst auch Erkrankungen<strong>de</strong>r Zähne.) Bei <strong>de</strong>n Muskel-Skelett-Erkrankungen liegen die Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n mit9,4 % weit unter <strong>de</strong>m Wert <strong>de</strong>r sonstigen Beschäftigten mit 18,3 %. Diese Werteentsprechen <strong>de</strong>n allgemeinen Ten<strong>de</strong>nzen insofern, dass Erkrankungen <strong>de</strong>s Muskel-Skelett-Systems erst mit steigen<strong>de</strong>m Alter zunehmen. Die prozentualen Werte beiVerletzungen <strong>und</strong> Vergiftungen differieren nur leicht (10,9 % bei <strong>de</strong>n Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n,12,7 % bei <strong>de</strong>n sonstigen Beschäftigten). Erkrankungen <strong>de</strong>s Kreislaufsystemstreten in statistisch relevanter Zahl von 5,5 % nur bei <strong>de</strong>n sonstigen Beschäftigtenauf (s. Abbildung 17).


36Anette BaumeisterAnteil <strong>de</strong>r Diagnosehauptgruppen an AU-Fällen 1998BeschäftigteSonstigesAtmungsorganeSkelett, Muskeln u. Bin<strong>de</strong>gewebeVerletzungen u. VergiftungenVerdauungsorganeKreislaufsystemAuszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>AtmungsorganeSonstigesVerdauungsorganeVerletzungen u. VergiftungenSkelett, Muskeln u. Bin<strong>de</strong>gewebeSymptome / unspez. Bef<strong>und</strong>e27,4%24,0%18,3%12,7%12,1%5,5%20,5%16,0%10,9%9,4%8,1%35,1%0% 5% 10% 15% 20% 25% 30% 35% 40%Abbildung 17Betrachtet man die AU-Tage 1998, so entfallen bei <strong>de</strong>n Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n die meistenKrankheitstage auf Erkrankungen <strong>de</strong>r Atmungs- (32 % versus 15,9 % bei <strong>de</strong>n sonstigenBeschäftigten) <strong>und</strong> <strong>de</strong>r Verdauungsorgane (12,2 % versus 7,6 % bei <strong>de</strong>n sonstigenBeschäftigten). Die Erkrankungsdauer durch Verletzungen <strong>und</strong> Vergiftungenliegt bei <strong>de</strong>n Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n mit 18,6 % höher als bei <strong>de</strong>n sonstigen Versichertenmit 17,6 %. Das heißt, die Anzahl von Verletzungen bei Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n liegt zwarinsgesamt etwas niedriger als bei <strong>de</strong>n sonstigen Beschäftigten, sie sind aber durchschnittlichpro Fall länger krank gewesen.Die Erkrankungsdauer bei <strong>de</strong>n Muskel- <strong>und</strong> Skelett-Erkrankungen liegt hingegen bei<strong>de</strong>n sonstigen Versicherten mit 23,4 % weitaus höher als bei <strong>de</strong>n Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>nmit 11,1 %. (s. Abbildung unten).


Der Krankenstand von Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n - Daten <strong>de</strong>r AOK 37BeschäftigteAnteil <strong>de</strong>r Diagnosehauptgruppen an AU-Tagen 1998SonstigesSkelett, Muskeln u. Bin<strong>de</strong>gewebeVerletzungen u. VergiftungenAtmungsorganeKreislaufsystemVerdauungsorganeAuszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>8,1%7,6%15,9%17,6%23,4%27,4%AtmungsorganeSonstigesVerletzungen u. VergiftungenVerdauungsorganeSkelett, Muskeln u. Bin<strong>de</strong>gewebeSymptome / unspez. Bef<strong>und</strong>e5,9%12,2%11,1%18,6%20,2%32,0%0% 5% 10% 15% 20% 25% 30% 35%Abbildung 18Im Jahresvergleich <strong>de</strong>r prozentualen Anteile <strong>de</strong>r fünf häufigsten Diagnosehauptgruppennach AU-Fällen fällt bei <strong>de</strong>n Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n eine abnehmen<strong>de</strong> Ten<strong>de</strong>nzbei <strong>de</strong>n Erkrankungen <strong>de</strong>r Atmungsorgane <strong>und</strong> bei <strong>de</strong>n Verletzungen <strong>und</strong> Vergiftungen,eine ansteigen<strong>de</strong> Ten<strong>de</strong>nz bei <strong>de</strong>n Erkrankungen <strong>de</strong>r Verdauungsorgane <strong>und</strong> beiSymptomen/unspezifischen Bef<strong>und</strong>en auf. Bei <strong>de</strong>n Skelett-, Muskel- <strong>und</strong> Bin<strong>de</strong>gewebserkrankungensind die Werte fast gleich geblieben. Bei <strong>de</strong>n sonstigen Versichertenzeichnet sich hier ein leichter Anstieg ab. (s. Abbildungen unten):


38Anette BaumeisterAU-Fälle in Prozent nach Diagnosehauptgruppen <strong>im</strong> Jahresvergleich1996, 1997, 1998Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong> <strong>im</strong> <strong>Land</strong> <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong>Atmungsorgane36,5%35,4%35,1%Verdauungsorgane15,0%15,2%16,0%Verletzungen u. Vergiftungen12,2%11,4%10,9%Skelett, Muskeln u.Bin<strong>de</strong>gewebeSymptome / unspez. Bef<strong>und</strong>e9,4%9,3%9,4%6,6%7,7%8,1%1996199719980% 5% 10% 15% 20% 25% 30% 35% 40%Abbildung 19AU-Fälle in Prozent nach Diagnosehauptgruppen <strong>im</strong>Jahresvergleich 1996, 1997, 1998Beschäftigte <strong>im</strong> <strong>Land</strong> <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong>Atmungsorgane25,3%24,1%24,0%Skelett, Muskeln u.Bin<strong>de</strong>gewebe17,5%17,5%18,3%Verletzungen u.Vergiftungen13,7%13,5%12,7%VerdauungsorganeSymptome / unspez.Bef<strong>und</strong>e5,2%6,3%5,1%12,4%12,2%12,1%1996199719980% 5% 10% 15% 20% 25% 30%Abbildung 20


Der Krankenstand von Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n - Daten <strong>de</strong>r AOK 39Diese Ten<strong>de</strong>nzen sind, bis auf die Muskel- <strong>und</strong> Skelett-Erkrankungen, auch <strong>im</strong> Jahresvergleich<strong>de</strong>r AU-Tage zu erkennen. Allerdings ist hier auch bei <strong>de</strong>n Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>nein leichter Anstieg zu erkennen. (s. Abbildungen unten).AU-Tage in Prozent nach Diagnosehauptgruppen <strong>im</strong>Jahresvergleich 1996, 1997, 1998Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong> <strong>im</strong> <strong>Land</strong> <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong>Atmungsorgane33,4%32,9%32,0%Verletzungen u.Vergiftungen20,1%19,1%18,6%Verdauungsorgane11,3%11,7%12,2%Skelett, Muskeln u.Bin<strong>de</strong>gewebeSymptome / unspez.Bef<strong>und</strong>e5,1%5,6%5,9%10,7%10,8%11,1%1996199719980% 5% 10% 15% 20% 25% 30% 35% 40%Abbildung 21AU-Tage in Prozent nach Diagnosehauptgruppen <strong>im</strong>Jahresvergleich 1996, 1997, 1998Beschäftigte <strong>im</strong> <strong>Land</strong> <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong>Atmungsorgane25,3%24,1%24,0%Skelett, Muskeln u.Bin<strong>de</strong>gewebe17,5%17,5%18,3%Verletzungen u.Vergiftungen13,7%13,5%12,7%VerdauungsorganeSymptome / unspez.Bef<strong>und</strong>e5,2%6,3%5,1%12,4%12,2%12,1%1996199719980% 5% 10% 15% 20% 25% 30%Abbildung 22


40Anette Baumeister4. Zusammenfassung <strong>und</strong> SchlussfolgerungenZusammenfassend lässt sich sagen, dass zumin<strong>de</strong>st die AOK-versicherten Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n<strong>im</strong> <strong>Land</strong> <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong>, aber auch in <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren neuen B<strong>und</strong>eslän<strong>de</strong>rn zu oft<strong>und</strong> insgesamt zu lange krank sind. Insbeson<strong>de</strong>re Erkrankungen <strong>de</strong>r Atemwegs- <strong>und</strong>Verdauungsorgane, <strong>de</strong>r Verletzungen, aber auch Muskel- <strong>und</strong> Skelett-Erkrankungensowie unspezifische Symptome schlagen hier zu Buche. Die meisten <strong>de</strong>r AOKversichertenAuszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n kommen aus mittelständischen <strong>und</strong> größeren Unternehmensowie aus überbetrieblichen <strong>Ausbildung</strong>szentren. Hier stellt sich als ersteSuchrichtung nach Ursachen <strong>de</strong>r hohen Ausfallzeiten die Frage nach Motivation,I<strong>de</strong>ntifikation mit <strong>de</strong>r zukünftigen Arbeit <strong>und</strong> mit <strong>de</strong>m Unternehmen, <strong>de</strong>n beruflichenPerspektiven sowie nach <strong>de</strong>r Betreuung durch die Ausbil<strong>de</strong>r.Viele offene Fragen, auf die diese Tagung hoffentlich zumin<strong>de</strong>st in Ansätzen ersteAntworten fin<strong>de</strong>t.


Der Krankenstand von Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n <strong>im</strong> <strong>Land</strong><strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong> - Strukturdaten <strong>de</strong>r bei <strong>de</strong>r IKKversicherten Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>nUta BuchmannDie Innungskrankenkasse <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong> <strong>und</strong> Berlin versichert ausschließlich das<strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong>er Handwerk. Bei <strong>de</strong>n vorliegen<strong>de</strong>n Daten han<strong>de</strong>lt es sich daher um dieBeschreibung einer homogenen Versichertengruppe, die aufgr<strong>und</strong> <strong>de</strong>r klassischenHandwerksberufe fast ausschließlich aus Männern besteht (82 %). Die vorliegen<strong>de</strong>nDaten beziehen sich auf 11.500 Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>, <strong>de</strong>ren Durchschnittsalter 19 Jahreist.Strukturdaten: bei <strong>de</strong>r IKK <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong> versicherteAuszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>Frauen18%11.500 Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>Durchschnittsalter ist19 JahreMänner82%98% <strong>de</strong>r Azubis befin<strong>de</strong>n sich in <strong>de</strong>rAltersgruppebis 24 JahreAbbildung 231. Arbeitsunfähigkeitsfälle, Falldauer <strong>und</strong> Krankenstand nachBerufsgruppenDer Vergleich <strong>de</strong>r Anzahl <strong>de</strong>r Arbeitsunfähigkeitsfälle zwischen Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n<strong>und</strong> Arbeitern, Facharbeitern sowie Meistern zeigt, dass auf die Gruppe <strong>de</strong>r Azubiszum Teil doppelt so viele Krankheitsfälle entfallen. Zu berücksichtigen ist hier aller-


42Uta Buchmanndings <strong>de</strong>r Alterseffekt. Generell sind junge Menschen häufiger krank, dafür aberkürzer als ältere Arbeitnehmer. Dies zeigt auch die durchschnittliche Falldauer, diemit 8 Tagen <strong>de</strong>utlich unter <strong>de</strong>r Falldauer <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Berufsgruppen liegt.Krankenstand nach BerufsgruppenAzubis4,9Arbeiter5,9Facharbeiter5,0Meister, Poliere4,1Angestellte3,6Teilzeit/He<strong>im</strong>arbeit5,50 1 2 3 4 5 6 7in v.H.Abbildung 24Langzeitarbeitsunfähigkeiten spielen bei Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n mit einem Anteil von 26% am Krankheitsgeschehen eine <strong>de</strong>utlich geringere Rolle als bei allen an<strong>de</strong>ren Versicherten,bei <strong>de</strong>nen die Quote mit 42 % <strong>de</strong>utlich höher liegt. Diesen Zusammenhangkann man auch am Krankenstand ablesen.


Der Krankenstand von Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n - Daten <strong>de</strong>r IKK 43Anteile stationärer AU-Tage <strong>und</strong> Langzeit-AUbei <strong>de</strong>n BerufsgruppenStationäre AU-Tage in v.H.Anteil <strong>de</strong>r Langzeit-AU in v. H.AzubisArbeiter9,712,926,345,6Facharbeiter10,445,2Meister, PoliereAngestellte9,613,549,853,9Teilzeit/He<strong>im</strong>arbeit10,046,00 10 20 30 40 50 60in v.H.Abbildung 25Mit knapp unter 5 % ist <strong>de</strong>r Krankenstand bei <strong>de</strong>n Azubis am geringsten <strong>im</strong> Vergleichzu an<strong>de</strong>ren Berufsgruppen. Dies ist ein typischer Effekt: Viele kurze Fällehaben einen weniger starken Einfluss auf <strong>de</strong>n Krankenstand insgesamt.Durchschnittliche Falldauer nach BerufsgruppenAzubis7,9ArbeiterFacharbeiter16,616,1Meister, PoliereAngestellteTeilzeit/He<strong>im</strong>arbeit17,817,318,60 5 10 15 20Durchschnittliche Falldauer in TagenAbbildung 26


44Uta Buchmann2. Krankenstän<strong>de</strong> <strong>und</strong> Krankheitsarten <strong>im</strong> Vergleich zwischenausgewählten <strong>Ausbildung</strong>sberufenDennoch gibt es Unterschie<strong>de</strong> zwischen <strong>de</strong>r Höhe <strong>de</strong>r Krankenstän<strong>de</strong> <strong>und</strong> <strong>de</strong>n unterschiedlichen<strong>Ausbildung</strong>sberufen. Obwohl die Schwere einer Arbeit nicht <strong>im</strong>mer eingültiger Prädiktor für das Risiko zu erkranken ist, fällt auf, dass Azubis aus <strong>de</strong>mBaubereich mit 6 % <strong>de</strong>n höchsten Krankenstand aufweisen. Ein Hinweis darauf,dass schwere körperliche Arbeit mit hohen Umgebungsbelastungen wie Hitze, Kälte<strong>und</strong> Nässe auch jungen Menschen zu schaffen machen. Die häufigsten Erkrankungsartenüber alle <strong>Ausbildung</strong>sberufe sind an erster Stelle Verletzungen <strong>und</strong> Vergiftungen,gefolgt von Erkrankungen <strong>de</strong>r Atmungsorgane. Verletzungen <strong>und</strong> Vergiftungenfin<strong>de</strong>n sich bei dieser Altersgruppe regelmäßig an <strong>de</strong>r Spitze <strong>de</strong>r Krankheitsartenstatistik.Dies ist aber vor allem ein Hinweis auf riskante Freizeitaktivitäten.Anteil ausgewählter Krankheitsgruppen an <strong>de</strong>n Fehltagen <strong>de</strong>rAuszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n in unterschiedlichen GewerkenBauDach<strong>de</strong>ckerMaler <strong>und</strong>LackiererKFZHolz <strong>und</strong>KunststoffBäckerMetzger <strong>und</strong>Fleischer6,65,64,38,87,89,39,411,210,09,79,413,512,615,319,921,825,426,828,727,223,829,631,836,237,936,340,844,60 10 20 30 40 50Verletzungen u.VergiftungenKrankheiten d.AtmungsorganeKrankheiten d.Verdauungsorg.Muskel- u.Skeletterkrankungenin v.H.Abbildung 27


Der Krankenstand von Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n - Daten <strong>de</strong>r IKK 45Durchschnittliche Falldauer nach BerufsgruppenAzubis7,9ArbeiterFacharbeiterMeister, PoliereAngestellteTeilzeit/He<strong>im</strong>arbeit16,616,117,818,617,30 5 10 15 20Durchschnittliche Falldauer in TagenAbbildung 283. Vergleich relevanter Kennzahlen zwischen <strong>de</strong>n Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>nin <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong> <strong>und</strong> b<strong>und</strong>esweitWe<strong>de</strong>r hinsichtlich <strong>de</strong>s Krankenstan<strong>de</strong>s noch <strong>im</strong> Hinblick auf best<strong>im</strong>mte Erkrankungsartengibt es auffällige Unterschie<strong>de</strong> zwischen bei <strong>de</strong>r IKK versicherten <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong>erAuszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n <strong>und</strong> Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n b<strong>und</strong>esweit. Lediglich bezüglich<strong>de</strong>s Anteils an stationären Arbeitsunfähigkeitstagen am AU-Geschehen insgesamtgibt es eine Abweichung: <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong>er Azubis wer<strong>de</strong>n häufiger <strong>im</strong> Krankenhausbehan<strong>de</strong>lt. Dies ist allerdings kein alleiniges Maß für die Schwere einer Erkrankung,son<strong>de</strong>rn spiegelt in erster Linie das Einweisungsverhalten von Ärzten wi<strong>de</strong>r.Vergleich Azubis in <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong> <strong>und</strong> b<strong>und</strong>esweit<strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong>B<strong>und</strong>Krankenstand 4,9% 4,6%Stationäre AU-Tage 12,9% 7,1%Muskel - Skelett 11,3% 13,7%Atmungsorgane 27,0% 22,6%Verletzungen/Vergiftungen 33,9% 32,3%


46Uta Buchmann4. ZusammenfassungDie Zahlen <strong>de</strong>r IKK <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong> <strong>und</strong> Berlin zum AU-Geschehen <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong>erAuszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n beinhalten keine Hinweise auf beson<strong>de</strong>re ges<strong>und</strong>heitliche Defizite<strong>de</strong>r Jugendlichen. Anzumerken ist jedoch, dass fast alle Jugendlichen dieser Stichprobeihre <strong>Ausbildung</strong> in Handwerksbetrieben machen <strong>und</strong> somit in festen Zusammenhängen<strong>und</strong> in enger betrieblicher Anbindung ihre <strong>Ausbildung</strong> absolvieren. Diesdürfte sowohl einen positiven Einfluss auf ihre Motivation <strong>und</strong> die Entwicklung vonVerantwortung gegenüber <strong>de</strong>m Arbeitsergebnis <strong>und</strong> <strong>de</strong>m betrieblichen Erfolg habenals auch die Zukunftsperspektiven <strong>de</strong>r Jugendlichen günstig beeinflussen. DieseFaktoren dürften die Krankenstän<strong>de</strong> maßgeblich beeinflussen.


Analyse zum Arbeitsschutz in <strong>de</strong>r beruflichenBildung - Vom Pilotprojekt zurSchwerpunktaktion -Silvia FrischIn <strong>de</strong>r <strong>Ausbildung</strong> wird <strong>de</strong>r Jugendliche erstmalig mit <strong>de</strong>r Arbeitswelt konfrontiert<strong>und</strong> entwickelt seine Einstellungen <strong>und</strong> Verhaltensweisen, insbeson<strong>de</strong>re auch die <strong>de</strong>reigenen <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> <strong>im</strong> Arbeitsprozess. Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Jugendliche erhalten ihreberufspraktische <strong>Ausbildung</strong> <strong>im</strong> Betrieb <strong>und</strong> die berufstheoretische <strong>Ausbildung</strong> in<strong>de</strong>r Berufsschule. Die <strong>Ausbildung</strong> fin<strong>de</strong>t <strong>de</strong>mnach an verschie<strong>de</strong>nen Orten <strong>und</strong> inverschie<strong>de</strong>nen Strukturen statt, das heißt Jugendliche sind Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong> aufgr<strong>und</strong>eines privatrechtlichen <strong>Ausbildung</strong>svertrages <strong>und</strong> gleichermaßen Berufsschüler gemäß<strong>de</strong>n Schulpflichtgesetzen <strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r.Im Rahmen <strong>de</strong>r bisherigen Kontrollen durch die staatlichen Ämter für Arbeitsschutzin <strong>de</strong>n Unternehmen wur<strong>de</strong> die Einhaltung <strong>de</strong>s Jugendarbeitsschutzgesetzes, insbeson<strong>de</strong>rein <strong>Ausbildung</strong>sbetrieben, standardmäßig überprüft. Die häufig wie<strong>de</strong>rkehren<strong>de</strong>nDefizite <strong>im</strong> Arbeitsschutz in <strong>de</strong>r praktischen <strong>Ausbildung</strong> sind <strong>de</strong>n Aufsichtsbehör<strong>de</strong>nhinlänglich bekannt. In einigen <strong>Ausbildung</strong>sbetrieben wer<strong>de</strong>n z. B. arbeitsplatzbezogeneUnterweisungen gar nicht o<strong>de</strong>r oft unzureichend durchgeführt,aushangpflichtige Arbeitsschutzgesetze fehlen o<strong>de</strong>r sind veraltet <strong>und</strong> persönlicheSchutzausrüstungen wer<strong>de</strong>n von Arbeitgebern zum einen nicht zur Verfügung gestellt<strong>und</strong> zum an<strong>de</strong>ren von <strong>de</strong>n Jugendlichen unsachgemäß angewandt. Diese Mängellistever<strong>de</strong>utlicht, dass in <strong>de</strong>r Praxis sehr unterschiedliche <strong>Ausbildung</strong>sbedingungenvorliegen.1. Organisation <strong>und</strong> AblaufDas Amt für Arbeitsschutz <strong>und</strong> Sicherheitstechnik Neuruppin entwickelte ein Metho<strong>de</strong>ninventar,um <strong>de</strong>n Wissensstand <strong>de</strong>r Berufsschullehrer <strong>und</strong> Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>nbezüglich <strong>de</strong>s Arbeitsschutzes einschätzen zu können. Für die Betrachtung wähltedas Amt eine große Bildungseinrichtung mit vielschichtigen Berufsbranchen. ImVorfeld <strong>de</strong>r Untersuchungen wur<strong>de</strong>n durch die Mitarbeiter <strong>de</strong>s Amtes jeweils einFragespiegel für Berufsschullehrer <strong>und</strong> ein Fragespiegel für Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong> erarbeitet.Anfang November 1998 wur<strong>de</strong>n die Fragespiegel an 115 Berufsschullehrer <strong>und</strong>900 Azubis verteilt. Die Befragung sowohl <strong>de</strong>r Lehrer als auch <strong>de</strong>r Schüler erfolgte


48Silvia Frischauf freiwilliger Basis unter Zusicherung <strong>de</strong>r Anonymität. Auswertbar waren 45 %<strong>de</strong>r Rückantworten <strong>de</strong>r Lehrer <strong>und</strong> 71 % <strong>de</strong>r Rückantworten <strong>de</strong>r Schüler.2. Inhalt <strong>und</strong> Auswertung <strong>de</strong>r Fragespiegel „Berufsschullehrer“Mit <strong>de</strong>m Fragespiegel für die Lehrer wur<strong>de</strong> erfasst, in welchen Unterrichtsfächern<strong>und</strong> mit welchem St<strong>und</strong>enumfang <strong>de</strong>r Arbeitsschutz in <strong>de</strong>r theoretischen <strong>Ausbildung</strong>integriert ist. Außer<strong>de</strong>m sollten die gesetzlichen Vorschriften <strong>de</strong>s Arbeitsschutzesermittelt wer<strong>de</strong>n, über die Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong> unterrichtet wer<strong>de</strong>n. Wichtig erschien <strong>de</strong>mAmt weiterhin zu erfragen, inwieweit die Lehrer, die <strong>de</strong>n Arbeitsschutz unterrichten,die qualifikatorischen Voraussetzungen mitbringen <strong>und</strong> welche Lehrermeinung zurmomentanen Qualität <strong>und</strong> Quantität <strong>de</strong>s Lerninhaltes Arbeitsschutz besteht. Abschließendwur<strong>de</strong> eruiert, ob Interesse besteht, <strong>de</strong>n Unterricht durch für <strong>de</strong>n Arbeitsschutzzuständige Institutionen mitgestalten zu lassen.Sicherheitsgerechtes Verhalten, Verhalten bei Unfällen <strong>und</strong> Arbeitssicherheit beispeziellen Arbeitsverfahren wer<strong>de</strong>n überwiegend <strong>im</strong> berufsbezogenen Unterricht (z.B. Fertigungstechnik, Elektronik) <strong>de</strong>r einzelnen Branchen gelehrt. Die gesetzlichenGr<strong>und</strong>lagen <strong>de</strong>s Arbeitsschutzes wer<strong>de</strong>n <strong>de</strong>n Jugendlichen in <strong>de</strong>n Fächern Wirtschafts-<strong>und</strong> Sozialk<strong>und</strong>e dargelegt. Konkrete Vorgaben zum St<strong>und</strong>enumfang <strong>und</strong>Lehrplaninhalt <strong>de</strong>s Arbeitsschutzes gibt es nicht. St<strong>und</strong>enempfehlungen zum Stoffkomplexgibt <strong>de</strong>r Rahmenlehrplan vor. Die St<strong>und</strong>enfestlegung für <strong>de</strong>n LerninhaltArbeitsschutz <strong>im</strong> Lehrjahr erfolgt <strong>im</strong> Stoffverteilungsplan durch <strong>de</strong>n Lehrer selbst<strong>und</strong> differiert daher, je nach Ermessen <strong>de</strong>r Lehrer. Sie liegt zwischen 10 bis 20 Unterrichtseinheitenpro Jahr.Die Mehrzahl <strong>de</strong>r Berufsschullehrer hält <strong>de</strong>n <strong>im</strong> Rahmen <strong>de</strong>s Lehrplanes vermitteltenUnterrichtsstoff zum Themenkomplex Arbeitsschutz für ausreichend. Nach eigenenAussagen haben nur die Hälfte <strong>de</strong>r Lehrer eine arbeitsschutzbezogene <strong>Ausbildung</strong>erhalten. Die Zeitabstän<strong>de</strong> von Fortbildungen <strong>im</strong> Arbeitsschutz differierenzwischen 1 - 5 Jahren. Zusätzliche Qualifizierungen Schulungsangebote <strong>und</strong> dieUnterrichtsmitgestaltung von Arbeitsschutzinstitutionen hält über die Hälfte <strong>de</strong>r befragtenLehrer trotz<strong>de</strong>m für wünschenswert <strong>und</strong> erfor<strong>de</strong>rlich.3. Inhalt <strong>und</strong> Auswertung <strong>de</strong>r Fragespiegel „Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>“Der Fragespiegel für die Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n glie<strong>de</strong>rt sich in 2 Bestandteile, die Wissensvermittlung<strong>im</strong> berufstheoretischen Unterricht <strong>und</strong> die Einglie<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Arbeitsschutzes<strong>im</strong> berufspraktischen Teil <strong>de</strong>r <strong>Ausbildung</strong>. Gleichlaufend zum Fragespiegel<strong>de</strong>r Berufsschullehrer waren die Azubis aufgefor<strong>de</strong>rt, einzuschätzen, in welchenFächern mit welcher St<strong>und</strong>enanzahl welche Gebiete <strong>de</strong>s Arbeitsschutzes be-


Analyse zum Arbeitsschutz in <strong>de</strong>r beruflichen Bildung 49han<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>n. Weiterhin wur<strong>de</strong> erfragt, ob zusätzliche Vortrags- <strong>und</strong> Schulungsangebotezum Arbeitsschutz von <strong>de</strong>n Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n gewünscht wer<strong>de</strong>n. Im Teil zwei<strong>de</strong>s Fragebogens sollte ermittelt wer<strong>de</strong>n, inwieweit <strong>de</strong>r <strong>Ausbildung</strong>sbetrieb seinenVerpflichtungen <strong>im</strong> Arbeitsschutz nachkommt.Bemerkenswert ist, dass nur ca. 21 % <strong>de</strong>r befragten Jugendlichen das Amt für Arbeitsschutz<strong>und</strong> Sicherheitstechnik kennen, obwohl <strong>de</strong>r Arbeitgeber zur Bekanntgabe<strong>de</strong>r für <strong>de</strong>n Arbeitsschutz zuständigen Behör<strong>de</strong> entsprechend Jugendarbeitsschutzverpflichtet ist. Die Frage, ob die Thematik Arbeitsschutz Bestandteil <strong>de</strong>s berufstheoretischenUnterrichtes ist, bejahten 75 % <strong>de</strong>r Jugendlichen. Keine Aussagen trafen13 % <strong>de</strong>r Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n <strong>und</strong> 12 % <strong>de</strong>r Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n verneinten die Frage. DieWissensvermittlung zum Thema Arbeitsschutz erfolgt nach Aussagen <strong>de</strong>r Jugendlichenhauptsächlich in <strong>de</strong>n Fächern Wirtschaft, Politik, Sozialk<strong>und</strong>e, Technologie,Betriebswirtschaftslehre <strong>und</strong> Technische Übungen.Die dafür aufgewandte St<strong>und</strong>enzahl liegt nach Meinung <strong>de</strong>r Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n zwischenmin<strong>im</strong>al 1 <strong>und</strong> max<strong>im</strong>al 15 St<strong>und</strong>en, zum größten Teil bei etwa durchschnittlich10 St<strong>und</strong>en in <strong>de</strong>r <strong>Ausbildung</strong>szeit. Der Wunsch nach zusätzlichen Schulungsangebotenbesteht bei ca. 74 % <strong>de</strong>r befragten Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n.Die Auswertung <strong>de</strong>s zweiten Teils <strong>de</strong>s Fragebogens, bezogen auf die berufspraktische<strong>Ausbildung</strong>, spiegelte ein<strong>de</strong>utig die bereits durch die Überprüfungen <strong>de</strong>r Ämterbekannten Defizite <strong>im</strong> Arbeitsschutz wi<strong>de</strong>r. Die Auswertung wur<strong>de</strong> branchenbezogenvorgenommen. Bei <strong>de</strong>n Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n <strong>im</strong> Metallbau gaben alle befragten Jugendlichenan, in <strong>de</strong>r Praxis eine Unterweisung <strong>im</strong> Arbeitsschutz erhalten zu haben.Demgegenüber konnten sich nur ca. Die Hälfte <strong>de</strong>r Zahnarzthelferinnen an einesachgerechte Unterweisung erinnern. Als nicht adäquat schätzten insgesamt ca. 31% <strong>de</strong>r Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n die Arbeitsschutzunterweisungen <strong>im</strong> <strong>Ausbildung</strong>sbetrieb ein.Immerhin glauben 63 % <strong>de</strong>r Befragten, dass die Unterweisungen ausreichend sind<strong>und</strong> 6 % <strong>de</strong>r Jugendlichen äußerten sich nicht zu dieser Frage.Branchenbezogen wur<strong>de</strong> ermittelt, welche Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r Arbeitsschutz <strong>im</strong> <strong>Ausbildung</strong>sbetriebhat. Nach Angaben <strong>de</strong>r Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n, z. B. <strong>de</strong>r Branchen Forstwirtschaft,Metallbau <strong>und</strong> Fleischer, spielt <strong>de</strong>r Arbeitsschutz eine wesentliche Rolle.Eine untergeordnete Rolle spielt <strong>de</strong>r Arbeitsschutz z. B. in Verwaltungen <strong>und</strong> bei<strong>de</strong>n Steuerberatern. Genaue Kenntnis über die Arbeitsschutzorganisation <strong>de</strong>s Unternehmens(Betriebsarzt, Fachkraft für Arbeitssicherheit, Sicherheitsbeauftragter)hatten nur ca. 25 % <strong>de</strong>r Jugendlichen.Mit diesem Pilotprojekt sollten erste Erfahrungen bezüglich <strong>de</strong>r Integration <strong>de</strong>s Arbeits-<strong>und</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sschutzes insbeson<strong>de</strong>re in die theoretische <strong>und</strong> in die betriebliche<strong>Ausbildung</strong> gesammelt wer<strong>de</strong>n. Die Ergebnisse zeigen <strong>de</strong>utlich, dass teilweiseerhebliche Defizite <strong>im</strong> Arbeitsschutz sowohl in <strong>de</strong>r betriebspraktischen als auch berufsschulischen<strong>Ausbildung</strong> bestehen. Es ist zu erwarten, dass gleich gelagert Prob-


50Silvia Frischleme auch an an<strong>de</strong>ren <strong>Ausbildung</strong>seinrichtungen existieren, d. h., dass Defizite in<strong>de</strong>r Berufsbildung ein generelles Problem darstellen.4. Weiterführung <strong>de</strong>s ProjektesAusgehend von <strong>de</strong>n Ergebnissen <strong>de</strong>s Pilotprojektes wird gegenwärtig eineSchwerpunktaktion <strong>de</strong>r Arbeitsschutzverwaltung <strong>de</strong>s <strong>Land</strong>es <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong> unterBeteiligung aller Ämter für Arbeitsschutz <strong>und</strong> Sicherheitstechnik <strong>und</strong> <strong>de</strong>s <strong>Land</strong>esinstitutsfür Arbeitsschutz <strong>und</strong> Arbeitsmedizin Potsdam mit <strong>de</strong>m Thema„Komplexe Integration <strong>de</strong>s Arbeitsschutzes in die Berufsbildung (KIAB)“ vorbereitet.Ziel dieser anspruchsvollen Aufgabe soll in <strong>de</strong>r 1. Phase die Erhebung <strong>und</strong>Auswertung lan<strong>de</strong>sweiter repräsentativer Daten zum momentanen Wissensstand<strong>de</strong>r Schüler <strong>und</strong> Lehrer bezüglich <strong>de</strong>s Arbeitsschutzes in <strong>de</strong>r Berufsausbildungsein (Befragung). Ausgehend von <strong>de</strong>n gewonnenen Befragungsergebnissen solltenin <strong>de</strong>r 2. Phase Lösungsvarianten für eine künftige Verbesserung <strong>de</strong>r Wissensvermittlungauf <strong>de</strong>m Gebiet <strong>de</strong>s Arbeitsschutzes erarbeitet wer<strong>de</strong>n. In vierAufsichtsbezirken wer<strong>de</strong>n jeweils drei berufsbil<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Einrichtungen befragt.Gr<strong>und</strong>lage dafür sind die überarbeiteten Fragebögen, die <strong>im</strong> Pilotprojekt verwen<strong>de</strong>twur<strong>de</strong>n. Die Fragestellungen haben eine Erweiterung um <strong>de</strong>n Themenkomplex„<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sför<strong>de</strong>rung“ erhalten. Ermittelt wer<strong>de</strong>n soll, inwieweit bei Lehrern<strong>und</strong> Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n die <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sför<strong>de</strong>rung bereits thematisiert ist bzw.<strong>de</strong>r Wunsch besteht, es zum unterrichtsgestalten<strong>de</strong>n Element wer<strong>de</strong>n zu lassen.Weiterhin neu ist, dass die Schulleitung <strong>de</strong>r zu befragen<strong>de</strong>n Einrichtungen aufgefor<strong>de</strong>rtwer<strong>de</strong>n, Selbstauskünfte über die Art, die Größe <strong>und</strong> die auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>nBerufsgruppen zu geben. Fragestellungen zu bisherigen Qualifikationsmöglichkeitenfür Lehrer hinsichtlich <strong>de</strong>s Arbeitsschutzes <strong>und</strong> zur Verfügung stehen<strong>de</strong>rLehrmaterialien ergänzen <strong>de</strong>n Fragebogen für die Schulleitungen.


Ges<strong>und</strong>er Start ins Handwerk – Ergebnisse einerBefragung von Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>nGerd Marstedt, Rainer MüllerErgebnisse einer Befragung von Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n in Handwerks-Betrieben in Berlin-<strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong> über Arbeitsbelastungen, Berufswahl <strong>und</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> <strong>im</strong> Auftrag <strong>de</strong>rInnungskrankenkasse Berlin-<strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong>.1. „Ges<strong>und</strong>er Start ins Handwerk“ - zum Hintergr<strong>und</strong> <strong>de</strong>r StudieDer vorliegen<strong>de</strong> Bericht referiert Ergebnisse einer Befragung von insgesamt 2.321Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n <strong>im</strong> Handwerk <strong>im</strong> Raum Berlin-<strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong>. Die Befragung wur<strong>de</strong><strong>im</strong> Spätherbst 1998 durchgeführt. Die Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n beantworteten die Fragenwährend <strong>de</strong>s Berufsschul-Unterrichts, so dass eine für Befragungen ungewöhnlichhohe Teilnahmequote erreicht wur<strong>de</strong>.Der dabei verwen<strong>de</strong>te Fragebogen wur<strong>de</strong> bereits zuvor bei einer ähnlichen Befragungin Nordrhein-Westfalen (<strong>im</strong> Auftrag <strong>de</strong>s IKK-B<strong>und</strong>esverban<strong>de</strong>s) eingesetzt.Die Ergebnisse dieser Befragung aus <strong>de</strong>m Jahr 1997 liegen seit einiger Zeit alsBuchveröffentlichung vor. 2Ein wesentliches Fazit dieser Studie in Nordrhein-Westfalen lässt sich in wenigenSätzen zusammenfassen. Es lautet ein wenig verkürzt: Jugendliche, die <strong>im</strong> Handwerksbereicheine Berufsausbildung absolvieren, zeigen ein hohes Maß an I<strong>de</strong>ntifikationmit <strong>de</strong>m Handwerk <strong>und</strong> schätzen insbeson<strong>de</strong>re <strong>de</strong>n Abwechslungsreichtum<strong>de</strong>r Anfor<strong>de</strong>rungen außeror<strong>de</strong>ntlich. Gleichzeitig wer<strong>de</strong>n jedoch die Arbeitsbelastungen<strong>im</strong> Handwerk als stark beeinträchtigend erlebt. Von <strong>Ausbildung</strong>sjahr zu <strong>Ausbildung</strong>sjahrsteigt <strong>de</strong>r Anteil Jugendlicher, die die Belastungen als problematischerkennen <strong>und</strong> ihren <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>szustand zunehmend kritischer bewerten. Noch poin-2 Gerd Marstedt, Rainer Müller: <strong>Ausbildung</strong>sbeschwer<strong>de</strong>n - Eine Studie über Arbeitsbelastungen<strong>und</strong> ges<strong>und</strong>heitliche Beeinträchtigungen Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>r, <strong>im</strong> Auftrag <strong>de</strong>s B<strong>und</strong>esverban<strong>de</strong>s<strong>de</strong>r Innungskrankenkassen, Wirtschafts-Verlag NW, Verlag für neue Wissenschaft, Bremerhaven1998.


52Gerd Marstedt, Rainer Müllertierter könnte man formulieren: Die Bilanz von Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n <strong>im</strong> Handwerk lautet„Die <strong>Ausbildung</strong> macht Spaß, aber <strong>im</strong> Handwerk wird man nicht alt.“ 3Diese für die Berufsausbildung durchaus problematischen Erkenntnisse warfen jedochauch einige Fragen auf: Gelten diese Bef<strong>und</strong>e nur für das Handwerk o<strong>de</strong>r inähnlicher Weise auch für Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong> in an<strong>de</strong>ren Bereichen wie etwa <strong>de</strong>r Industrie,<strong>de</strong>m Han<strong>de</strong>l o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Öffentlichen Dienst? Und weiterhin: Sind diese Ergebnissewomöglich nur von regional begrenzter Aussagekraft <strong>und</strong> fin<strong>de</strong>n sich außerhalbNordrhein-Westfalens bei Jugendlichen in einer Berufsausbildung ganz an<strong>de</strong>reEinstellungs- <strong>und</strong> Verarbeitungsmuster?Mit <strong>de</strong>n hier aus Berlin-<strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong> vorgestellten empirischen Ergebnissen lässtsich nun zumin<strong>de</strong>st diese zweite Frage beantworten. Um das Ergebnis ganz kurzvorwegzunehmen: Die in Nordrhein-Westfalen erzielten Bef<strong>und</strong>e sind keineswegs„einmalig“ <strong>und</strong> nur von begrenzter regionaler Gültigkeit. Im Gegenteil: Es ist gera<strong>de</strong>zufrappierend, in wie starkem Maße sich die Ergebnisse aus Nordrhein-Westfalen<strong>und</strong> Berlin-<strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong>, von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen, in <strong>de</strong>r Ten<strong>de</strong>nzeinan<strong>de</strong>r gleichen <strong>und</strong> oftmals nur um wenige Prozentpunkte differieren. (vgl. dieDaten <strong>de</strong>r Gr<strong>und</strong>auszählung <strong>im</strong> Kap. 14).Die für die Berufsausbildung <strong>im</strong> Handwerk von Jugendlichen festgestellten Problemesind also mit hoher Wahrscheinlichkeit allgemeiner Art <strong>und</strong> nicht auf einzelneRegionen beschränkt, auch wenn sich vielleicht in B<strong>und</strong>eslän<strong>de</strong>rn mit günstigerenBedingungen auf <strong>de</strong>m <strong>Ausbildung</strong>sstellen- <strong>und</strong> Arbeitsmarkt noch Modifikationenzeigen könnten.2. Sozialstatistische Daten <strong>und</strong> Stichproben-StrukturBei<strong>de</strong> Geschlechter, männlich <strong>und</strong> weiblich, sind in <strong>de</strong>r Befragung nicht zu gleichenTeilen vertreten. Die Gruppe <strong>de</strong>r weiblichen Teilnehmer beträgt 24,6 %, wohingegendie Männer mit einem Anteil von 75,2 % an <strong>de</strong>r Studie teilgenommen haben. DieAltersbandbreite <strong>de</strong>r Befragten liegt zwischen 15 Jahren <strong>und</strong> Personen, die über 20Jahre alt sind.3 vgl. hierzu auch: Gerd Marstedt, Rainer Müller: Die Arbeit ist befriedigend - aber kann man<strong>im</strong> Handwerk alt wer<strong>de</strong>n? in: Hans-Ulrich Klose, Christina Ax (Hrsg.): Zukunft <strong>de</strong>s Handwerksin einer altern<strong>de</strong>n Gesellschaft, Forum Domographie <strong>und</strong> Politik, Heft 11, Dezember1998, Bericht zum BMBF-Forschungsvorhaben "Demographische Verän<strong>de</strong>rungen - zukünftigeAnfor<strong>de</strong>rungen <strong>und</strong> Strategien <strong>im</strong> Handwerk", Bonn 1998, S. 115 - 140.


Ges<strong>und</strong>er Start ins Handwerk 53Altersstruktur <strong>de</strong>r Stichprobe15 Jahre 16 Jahre 17 Jahre 18 Jahre 19 Jahre 20 Jahre über20 Jahre0,4 % 6,8 % 19,6 % 26,1 % 21,1 % 11,4 % 14,5 %Im Hinblick auf die Größe <strong>de</strong>s <strong>Ausbildung</strong>sbetriebes gaben 10,6 % <strong>de</strong>r Befragten an,dass dieser bis zu 5 Beschäftigte hat. 16,5 % machen ihre <strong>Ausbildung</strong> in einem Betriebmit 6 - 10 Mitarbeitern. Die Betriebsgröße von 11 - 20 Mitarbeitern traf für20,5 % <strong>de</strong>r Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n zu <strong>und</strong> 19,3 % teilten mit, dass ihr Unternehmen 21 - 50Beschäftigte hat. Die Einstufung in <strong>de</strong>n Bereich von 51 - 100 Betriebs-Angehörigenwur<strong>de</strong> von 9,8 % <strong>de</strong>r Lehrlinge vorgenommen. 23 % lernen in einem Betrieb mitüber 100 Angestellten <strong>und</strong> Arbeitern.Wenn es um die Anzahl <strong>de</strong>r Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n <strong>im</strong> Betrieb selbst geht, sind hier 43,8 %zu verzeichnen, die 7 o<strong>de</strong>r mehr Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong> <strong>im</strong> Unternehmen haben. 20,4 % lernenin einem Betrieb mit 4 - 6 Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n <strong>und</strong> 26,2 % in einem Unternehmenmit insgesamt 2 - 3 Personen, die sich noch auf dieser Stufe qualifizieren müssen.Nur 9,5 % gaben an, sie seien <strong>de</strong>r einzige Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong> <strong>im</strong> Lehrbetrieb.Die Verteilung <strong>de</strong>r Befragten auf die entsprechen<strong>de</strong>n Berufe sieht wie folgt aus:


54Gerd Marstedt, Rainer MüllerJetziger <strong>Ausbildung</strong>sberufProzentualerAnteil in Bezugauf die Gesamtteilnehmerzahl<strong>de</strong>r StudieProzentualerAnteil in Bezugauf das weiblicheGeschlechtProzentualerAnteil in Bezugauf das männlicheGeschlechtFriseur 6,1 21,8 0,8Bäcker 6,9 8,5 6,4Tischler 6,8 4,0 7,8Kfz-Bereich 11,2 0,5 14,6Heizung-, Sanitär-, Kl<strong>im</strong>atechnik 10,3 0,4 13,6Klempner, Installateur 6,7 0,4 8,6Metallbauer 6,5 0,5 8,5Stukkateur 3,5 2,0 4,1Straßenbau, Tiefbau 0,0 0,0 0,0Maler, Lackierer 4,2 1,1 5,2Fliesen-, Platten-, Mosaik-, Estrichleger6,5 0,5 8,5Stahlbeton-, Betonbauer 0,0 0,0 0,0Maurer 4,0 0,4 5,2an<strong>de</strong>re Berufe <strong>im</strong> Bau, Baugewerbe 4,5 0,7 5,8Fachverkäufer 14,0 51,2 1,8Sonstige Berufe 8,7 8,1 8,9Bei <strong>de</strong>r Zuordnung <strong>de</strong>r <strong>Ausbildung</strong>sstätte gaben 85,5 % <strong>de</strong>r Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n an, sieabsolvieren ihre Lehre in einem Handwerksbetrieb. Nur 4 % gaben die Industrie alsOrt <strong>de</strong>r Qualifikation an <strong>und</strong> 10,4 % lassen sich in einem an<strong>de</strong>ren Bereich ausbil<strong>de</strong>n.SchulausbildungSon<strong>de</strong>rschule 1,2 %Volks-/Hauptschule ohne Abschluss 2,1 %Volks-/Hauptschule mit Abschluss 28,9 %Mittlere Reife 60,8 %Fachhochschulreife o<strong>de</strong>r Abitur 7,1 %


Ges<strong>und</strong>er Start ins Handwerk 55Nach <strong>de</strong>m <strong>Ausbildung</strong>sjahr gefragt, in <strong>de</strong>m sich die Befragten befin<strong>de</strong>n, kann festgehaltenwer<strong>de</strong>n, dass <strong>de</strong>r Großteil <strong>de</strong>r Rückantworter gera<strong>de</strong> das erste Jahr <strong>de</strong>r betrieblichenQualifikation absolviert.<strong>Ausbildung</strong>sjahrErstes<strong>Ausbildung</strong>sjahrZweites<strong>Ausbildung</strong>sjahrDrittes<strong>Ausbildung</strong>sjahrViertes<strong>Ausbildung</strong>sjahr36,7 % 28,0 % 26,8 % 8,5 %3. <strong>Ausbildung</strong>sabbruchFür viele Teilnehmer <strong>de</strong>r Studie ist die momentane <strong>Ausbildung</strong> die erste. R<strong>und</strong> 88,1% <strong>de</strong>r Befragten gaben dies an, wohingegen ca. 10,5 % schon mal eine an<strong>de</strong>re Berufsausbildungangefangen hatten. 1,4 % <strong>de</strong>r Teilnehmer hatten zum Befragungszeitpunktschon eine <strong>Ausbildung</strong> abgeschlossen.Bei <strong>de</strong>r Frage, aus welchen Grün<strong>de</strong>n die <strong>Ausbildung</strong> abgebrochen wur<strong>de</strong>, kommt eszu <strong>de</strong>m überraschen<strong>de</strong>n Ergebnis, dass fast ein Drittel <strong>de</strong>rjenigen, die schon eine<strong>de</strong>rartige Beendigung <strong>de</strong>r Lehre hinter sich haben, dieses auf Konflikte <strong>und</strong> Ärgermit Ausbil<strong>de</strong>rn <strong>und</strong> Vorgesetzten <strong>im</strong> Betrieb zurückführt.Warum kam es seinerzeit zum Abbruch <strong>de</strong>r Lehrausbildung bzw. zum Wechsel <strong>de</strong>s Betriebes?Ärger, Konflikt mit Ausbil<strong>de</strong>rn o<strong>de</strong>r Vorgesetzten <strong>im</strong> Betrieb 33,8 %Ärger, Konflikt mit Lehrern in <strong>de</strong>r Schule/<strong>im</strong> <strong>Ausbildung</strong>szentrum 4,8 %<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>liche Grün<strong>de</strong>, Belastungen am Arbeitsplatz/<strong>im</strong> Betrieb 13,9 %Keine Lust mehr auf die Berufsschule 8,2 %Enttäuschung über <strong>de</strong>n gewählten Beruf 18,5 %Eine bessere Lehr- o<strong>de</strong>r <strong>Ausbildung</strong>sstelle gef<strong>und</strong>en 14,7 %Schulausbildung fortgesetzt o<strong>de</strong>r neu angefangen 3,8 %An<strong>de</strong>re Grün<strong>de</strong> 55,0 %Gr<strong>und</strong>sätzlich können wir feststellen, dass <strong>im</strong>merhin 20,8 % <strong>de</strong>r Befragten schonmin<strong>de</strong>stens einmal ernsthaft über <strong>de</strong>n Abbruch <strong>de</strong>r <strong>Ausbildung</strong> nachgedacht haben.


56Gerd Marstedt, Rainer MüllerVon speziellem Interesse erscheint unter diesem Aspekt, was sich konkret hinter diesenGedanken verbirgt. Welche Situationen, Konflikte <strong>und</strong> Anfor<strong>de</strong>rungen lassen dieAuszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n an <strong>de</strong>r Richtigkeit ihrer Entscheidung zweifeln? An erster Stelle <strong>de</strong>rUnzufrie<strong>de</strong>nheit rangiert bei <strong>de</strong>n Personen, die überhaupt schon mal an einen Abbruch<strong>de</strong>r Lehrausbildung gedacht haben, die Belastung <strong>im</strong> Betrieb. Dies wur<strong>de</strong> von46,4 % <strong>de</strong>r Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n genannt. Deutlich weniger Befragte, nämlich 20 %, sahenin <strong>de</strong>n Anfor<strong>de</strong>rungen <strong>und</strong> Belastungen in <strong>de</strong>r Berufsschule <strong>de</strong>n vorrangigenGr<strong>und</strong>, über einen Abbruch <strong>de</strong>r <strong>Ausbildung</strong> nachzu<strong>de</strong>nken. Be<strong>de</strong>nklich ist auch einAnteil von 33,1 % an Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n, die <strong>de</strong>rartige Motive in <strong>de</strong>r Wahl <strong>de</strong>s <strong>Ausbildung</strong>sberufesselbst erkennen, die sich also in <strong>de</strong>r Berufswahl getäuscht haben.Es ist somit nicht zu verkennen, dass eine nicht geringe Anzahl von Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n eigenen Einstieg ins Berufsleben als schwierig empfin<strong>de</strong>t. Diese von <strong>de</strong>n Lehrlingenwahrgenommenen Aspekte <strong>de</strong>r Berufsausbildung können nun zu unbewältigtenKonfliktpotentialen führen, da sie aufgr<strong>und</strong> <strong>de</strong>s vorherrschen<strong>de</strong>n Arbeitsplatzmangelsnicht in <strong>de</strong>r Lage sind, entsprechend zu reagieren. Unbewältigte Probleme<strong>und</strong> Sorgen führen zu steigen<strong>de</strong>n Frustrationen insbeson<strong>de</strong>re mit ansteigen<strong>de</strong>rAnzahl <strong>de</strong>r <strong>Ausbildung</strong>sjahre. So ist es nicht verw<strong>und</strong>erlich, wenn sich <strong>de</strong>r Unmut inForm von Gedanken an einen <strong>Ausbildung</strong>sabbruch beson<strong>de</strong>rs markant in <strong>de</strong>n höheren<strong>Ausbildung</strong>sjahren zeigt.Bemerkenswert ist, dass nur 25,5 % <strong>de</strong>r Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n sehr gerne in ihrem Lehrbetriebnach Abschluss <strong>de</strong>r Endprüfung weiterarbeiten wür<strong>de</strong>n. 33 % sehen die eigene<strong>Ausbildung</strong>sstätte nur als Notlösung, wenn nichts besseres in Aussicht ist. Undfast 30 % sagen direkt, dass sie lieber nicht <strong>im</strong> alten Betrieb weiterarbeiten wollen.12,1 % konnten sich in dieser Hinsicht nicht genau entschei<strong>de</strong>n. Immerhin 12,7 %<strong>de</strong>r Jugendlichen schätzen ihre Chancen auf eine Übernahme nach <strong>de</strong>r <strong>Ausbildung</strong>als sehr gut ein. Weitere 17,3 % bezeichneten diese Möglichkeit als eher gut <strong>und</strong>35,5 % wussten nicht genau wie ihre Chancen stehen.4. Wunschberufe - Zwischen Illusion <strong>und</strong> RealitätDecken sich die von <strong>de</strong>n Jugendlichen gehegten Vorstellungen bezüglich <strong>de</strong>r berufsspezifischenAnfor<strong>de</strong>rungen nun mit <strong>de</strong>n tatsächlichen Anfor<strong>de</strong>rungen <strong>und</strong> Arbeitsbedingungen?Lediglich 14 % <strong>de</strong>r Befragten hatten vor Beginn <strong>de</strong>r Lehrstellensuchekeinen Wunschberuf <strong>im</strong> Auge. 52,4 % hatten zumin<strong>de</strong>st ein grobe Vorstellung von<strong>de</strong>r <strong>Ausbildung</strong>s-Richtung <strong>und</strong> 33,6 % hatten ein ganz klares Bild von ihrem zukünftigenBeruf.


Ges<strong>und</strong>er Start ins Handwerk 57Erfüllung <strong>de</strong>r Wunschvorstellungen für <strong>de</strong>n Berufja, voll<strong>und</strong> ganzüberwiegendnurzum Teilnein,gar nicht15,015,823,820,027,225,019,522,925,325,825,825,330,631,832,633,31. Jahr2. Jahr3. Jahr4. Jahr0 10 20 30 40ProzentAbbildung 29Schaut man sich die entsprechen<strong>de</strong>n Zahlen wie<strong>de</strong>r in Verbindung mit <strong>de</strong>n Lehrjahrenan, wird <strong>de</strong>utlich, dass es hier wohl zu einem „Ernüchterungsprozess“ bei <strong>de</strong>nAuszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n kommt.5. Informationsangebot vor <strong>de</strong>r BerufswahlGr<strong>und</strong>sätzlich kann man davon ausgehen, dass hinreichen<strong>de</strong> Informationen zur Wahl<strong>de</strong>s Berufes darüber entschei<strong>de</strong>n können, ob gegebenenfalls während <strong>de</strong>r <strong>Ausbildung</strong>Frustrationen <strong>und</strong> die damit verb<strong>und</strong>enen Reaktionen entstehen. Somit kommt<strong>de</strong>n Informationsquellen, die in diesem Zusammenhang von jungen Menschen zurWahl <strong>de</strong>s Berufs genutzt wer<strong>de</strong>n, ein beson<strong>de</strong>rer Stellenwert zu. Nicht zuletzt ist dieAuswahl <strong>de</strong>s Lehrberufs eine <strong>de</strong>r wichtigsten Weichenstellungen <strong>im</strong> Leben von jungenMenschen.Überraschen<strong>de</strong> Erkenntnisse ergibt auch die geschlechtsspezifische Untersuchung<strong>de</strong>r Frage nach <strong>de</strong>n Informationsquellen. So ergeben sich hierbei ein<strong>de</strong>utige Unterschie<strong>de</strong>in <strong>de</strong>r Präferenz für best<strong>im</strong>mte Formen <strong>de</strong>r Informationsbeschaffung.


58Gerd Marstedt, Rainer MüllerWelche Informationen hatten Sie bei <strong>de</strong>r Berufswahl <strong>und</strong> Lehrstellensuche zur Verfügung?MännerGeschlechtFrauenAusführliche <strong>und</strong> persönliche Beratung be<strong>im</strong> Arbeitsamt 50 % 56 %Schriftliche Informationen vom Arbeitsamt 44 % 54 %Betriebs-Praktikum, das viel zu tun hatte mit <strong>de</strong>m jetzigen Beruf o<strong>de</strong>r Betrieb37 % 27 %Informationen aus Zeitschriften <strong>und</strong> Zeitungen 19 % 25 %Informationen aus Berufsk<strong>und</strong>e-Büchern o<strong>de</strong>r Ähnliches 24 % 26 %Sehr genaue Informationen von Eltern, Verwandten, Bekannten 47 % 38 %Informationen aus <strong>de</strong>m Schulunterricht 22 % 26 %Zurückblickend stellen 62,9 % <strong>de</strong>r Befragten fest, sie seien genug informiert gewesen.Trotz <strong>de</strong>r Informationsvielfalt mussten jedoch noch <strong>im</strong>merhin 37,1 % zugestehen,dass sie sich nicht ausreichend informiert gefühlt haben.Wenn es um die konkreten inhaltlichen Defizite <strong>de</strong>r Berufsberatung geht, fallen sofortvier wesentliche Aspekte in <strong>de</strong>n Ergebnissen auf. So weisen 46 % <strong>de</strong>r Befragtendarauf hin, dass generell viel zu wenig über die negativen Seiten <strong>de</strong>s Berufs aufgeklärtwird. Etwas konkreter sagen 36 %, Belastungen <strong>und</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sgefahren wer<strong>de</strong>nviel zu wenig thematisiert. Das gleiche Ergebnis zeigt sich auch für die Zukunftschancen<strong>de</strong>s Berufs <strong>und</strong> Fragen <strong>de</strong>r Arbeitssicherheit.Über welche Fragen wird Ihrer Meinung nach nicht genug informiert?Hierüber sind die Informationen Viel zu wenig Etwas zuwenigausreichendIm Beruf verlangte Kenntnisse <strong>und</strong> FähigkeitenZukunftschancen <strong>de</strong>s Berufs, Arbeitsplatzsicherheit13,7 % 45,3 % 41,3 %36,0 % 42,0 % 22,0 %Belastungen, <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sgefahren 36,0 % 38,2 % 25,8 %Bewerberzahlen <strong>und</strong> Stellenchancen 33,2 % 41,4 % 25,4 %Negative Seiten <strong>de</strong>s Berufs 46,0 % 37,5 % 16,6 %Positive Seiten <strong>de</strong>s Berufs 14,7 % 40,4 % 44,9 %Die Art <strong>und</strong> Qualität <strong>de</strong>r Berufsausbildung selbst 24,3 % 48,7 % 27,0 %


Ges<strong>und</strong>er Start ins Handwerk 596. Belastungen <strong>und</strong> Probleme in <strong>de</strong>r <strong>Ausbildung</strong>In Bezug auf <strong>de</strong>n Erfahrungshorizont <strong>de</strong>r Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n fällt es sicherlich schwer,Lebensphasen zu benennen, mit <strong>de</strong>nen die momentane Lehrsituation verglichenwer<strong>de</strong>n kann, schließlich ist <strong>de</strong>r erste Schritt in das Berufsleben eine meist völligneue Episo<strong>de</strong> <strong>im</strong> Leben junger Menschen. Dieser massive Einschnitt lässt es sinnvollerscheinen, die Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n nach <strong>de</strong>n Unterschie<strong>de</strong>n zur Schulzeit zu fragen.Hierbei kommt es zu ein<strong>de</strong>utigen Aussagen, <strong>de</strong>nn 55,4 % <strong>de</strong>r Befragten könnenklar sagen, dass sie die momentane <strong>Ausbildung</strong>ssituation <strong>im</strong> Betrieb als stärker belasten<strong>de</strong>mpfin<strong>de</strong>n <strong>im</strong> Gegensatz zum früheren Schulbesuch.Wenn es um die konkreten individuellen Probleme geht, so steht bei <strong>de</strong>n Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>nhier die Angst vor <strong>de</strong>r Zukunft <strong>und</strong> das, was nach <strong>de</strong>r Lehre wird, an ersterStelle. Diese Angst wird von 22,3 % mit „sehr stark“ beschrieben. Zusätzlich empfin<strong>de</strong>nnoch 27,5 % das Gefühl einer unsicheren Zukunft als starke Belastung. Einweiterer Aspekt, <strong>de</strong>r Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n zu schaffen macht, fin<strong>de</strong>t sich in <strong>de</strong>r Angst vor<strong>de</strong>m Versagen in <strong>de</strong>r Berufsschule. Immerhin empfin<strong>de</strong>n dies 12,1 % als „sehr starke“Belastung <strong>und</strong> 24 % als eine „starke“. Ärger o<strong>de</strong>r Konflikte mit Eltern, Berufsschullehrerno<strong>de</strong>r Ausbil<strong>de</strong>rn <strong>im</strong> Betrieb hingegen belastet eher wenige Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>.Auch die eigene Attraktivität o<strong>de</strong>r die Möglichkeit, über Probleme zu sprechen,wird nicht als problematisch wahrgenommen.Noch spezieller auf die Arbeitsbelastungen bezogen, liegt in diesem Teilbereich fürdie Befragten beson<strong>de</strong>rs unter <strong>de</strong>m Aspekt „Zeitdruck, Hektik, zu viele Anfor<strong>de</strong>rungen“ein herausragen<strong>de</strong>r Belastungsfaktor. Bei <strong>de</strong>r Addition <strong>de</strong>r Prozentzahlen fürdie Merkmalsausprägungen „sehr stark“ <strong>und</strong> „stark“ ergibt sich ein Anteil von 37,4%. Weiterhin 39,3 % empfin<strong>de</strong>n die abwechslungsarme Arbeit als eine zumin<strong>de</strong>ststarke Belastung. Ein weiteres Problem stellt die zu lange Arbeitszeit o<strong>de</strong>r Wochenendarbeitdar. Dieser Auffassung sind r<strong>und</strong> 30 %.Auffällig bei <strong>de</strong>n Belastungsschwerpunkten ist, dass gera<strong>de</strong> Konflikte mit Vorgesetztenbzw. <strong>de</strong>ren Verhalten nicht o<strong>de</strong>r nur sehr gering als Belastung wahrgenommenwer<strong>de</strong>n, obwohl diese Form <strong>de</strong>r Belastung bei <strong>de</strong>n Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n, die schoneine Lehre abgebrochen haben, von r<strong>und</strong> 33 % dieses Personenkreises als entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>rGr<strong>und</strong> für <strong>de</strong>n Abbruch angegeben wird.


60Gerd Marstedt, Rainer MüllerProzentualer Anteil <strong>de</strong>r jeweiligen Berufsgruppe mit <strong>de</strong>r Ausprägung „stark“ <strong>und</strong> „sehr stark“in <strong>de</strong>n einzelnen Belastungsformen1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13Körperliche BelastungenSchlechte UmgebungKälte, Hitze,NässeSchädliche ChemieUnfall-<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>srisikenZu lange Arbeitszeit<strong>und</strong> Wochenen<strong>de</strong>AbwechslungsarmeArbeitZu viel ausbildungsfrem<strong>de</strong>Arbeiten28 28 20 16 27 25 27 30 29 24 20 22 2513 20 25 22 35 30 35 33 32 25 26 26 123 12 17 16 25 24 21 40 29 17 21 30 1522 27 16 21 16 10 11 19 23 13 13 12 811 18 18 20 28 20 31 17 19 21 13 25 1722 26 10 12 17 9 11 11 15 13 8 28 2624 30 23 24 30 23 20 14 24 26 33 35 3218 17 5 21 15 14 11 15 6 13 9 16 18Zeitdruck, Hektik 26 33 22 27 26 26 31 18 24 26 12 28 24Zu viel Verantwortung,Überfor<strong>de</strong>rungVorgesetztenverhaltenProbleme mitArbeitskollegenErwartungen/Verhalten vonK<strong>und</strong>en13 17 13 11 11 11 17 7 9 15 7 15 1520 26 16 20 18 17 19 15 14 17 15 17 1712 14 5 5 8 7 8 5 11 9 9 9 1013 1 7 5 8 6 4 4 9 8 4 5 171 = Friseur, 2 = Bäcker, 3 = Tischler, 4 = Kfz-Bereich, 5 = Heizungs-, Sanitär-, Kl<strong>im</strong>atechnik, 6 =Klempner, Installateur, 7 = Metallbauer, 8 = Strukkateur, 9 = Maler, Lackierer, 10 = Fliesen-, Platten-,Mosaik-, Estrichleger, 11 = Maurer, 12 = an<strong>de</strong>rer Beruf <strong>im</strong> Baugewerbe, 13 = FachverkäuferGr<strong>und</strong>sätzlich lassen sich sowohl relativ starke Differenzen, als auch weniger starkeAbweichungen unter <strong>de</strong>n einzelnen Berufsgruppen in Bezug auf die wahrgenommenenBelastungen feststellen. Hierbei teilt sich <strong>de</strong>r Bereich <strong>de</strong>r Belastungen in solche,


Ges<strong>und</strong>er Start ins Handwerk 61die wohl berufsspezifisch zu sehen sind <strong>und</strong> an<strong>de</strong>re, die in allen Berufen relativgleich wahrgenommen wer<strong>de</strong>n.Unter <strong>de</strong>m Gesichtspunkt ansteigen<strong>de</strong>r Belastungen <strong>im</strong> Erwerbsleben stellt sich dieFrage nach <strong>de</strong>n Perspektiven Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>r, nach Beendigung ihrer Eingangsqualifikationunter <strong>de</strong>n gegebenen Belastungsfaktoren am Arbeitsleben teilzunehmen. Sosind 27,3 % <strong>de</strong>r Befragten <strong>de</strong>r Meinung, dass die Anfor<strong>de</strong>rungen <strong>und</strong> <strong>de</strong>r daraus resultieren<strong>de</strong>Stress <strong>im</strong> zukünftigen Gesellenstatus wohl eher noch zunehmen wird.38,9 % beurteilen <strong>de</strong>rartige spätere Belastungen als ähnlich o<strong>de</strong>r gleich hoch wie in<strong>de</strong>r momentanen <strong>Ausbildung</strong>ssituation.Bei <strong>de</strong>r Einschätzung, wie lange <strong>de</strong>r erlernte Beruf von <strong>de</strong>n ges<strong>und</strong>heitlichen Voraussetzungenher ausgeübt wer<strong>de</strong>n kann, waren nur 14 % <strong>de</strong>r Auffassung, dass ihrBeruf bis zum Rentenalter durchgehalten wer<strong>de</strong>n kann. 19 % setzten mit 60 Jahrendie Grenze zur Ausübung <strong>de</strong>r entsprechen<strong>de</strong>n Tätigkeit. Und 29 % konnten sich sogarvorstellen, dass man ihren Beruf wohl nur bis zum Alter von 50 Jahren ausübenkann. 11 % behaupteten sogar, 40 Jahre sei das absolute Höchstalter, bis zu <strong>de</strong>m manin ihrem Beruf tätig sein könne. 27 % <strong>de</strong>r Befragten konnten keine Prognose abgeben.Auf die Frage, ob <strong>de</strong>nn wohl überdurchschnittlich viele Erwerbstätige <strong>im</strong> eigenenBerufszweig an <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sbeschwer<strong>de</strong>n lei<strong>de</strong>n, die arbeitsbedingt o<strong>de</strong>r beruflichmitverursacht sind, bejahten 26,8 % <strong>de</strong>r Befragten dies „mit Sicherheit“. Weitere26,2 % waren <strong>de</strong>r Ansicht, dass dies wohl eher zutreffen wür<strong>de</strong>. Also insgesamtr<strong>und</strong> 53 % vermuten eine überdurchschnittlich hohe Anzahl von beruflich ges<strong>und</strong>heitlichBeeinträchtigten in ihrer Branche. Nur 4 % aller Teilnehmer <strong>de</strong>r Studiewollten mit Sicherheit ausschließen, dass <strong>de</strong>rartige Effekte durch ihren Beruf hervorgerufenwer<strong>de</strong>n.Auch die Einschätzung <strong>de</strong>r zukünftigen Belastungen in Bezug auf die Tätigkeit alsGeselle <strong>und</strong> die Ergebnisse zum vermuteten Höchstalter, bis zu <strong>de</strong>m die Tätigkeitausgeübt wer<strong>de</strong>n kann, sowie die Prognosen über <strong>de</strong>n durchschnittlichen <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>szustand<strong>de</strong>r Mitarbeiter in <strong>de</strong>r Branche unterliegen starken Schwankungen in<strong>de</strong>n einzelnen <strong>Ausbildung</strong>sjahren. Auch hier ist ein <strong>de</strong>utlicher Trend zur kritischerenBetrachtung <strong>de</strong>r Arbeitsrealität <strong>und</strong> <strong>de</strong>n damit verb<strong>und</strong>enen ges<strong>und</strong>heitlichen Risiken<strong>und</strong> Belastungen zu verzeichnen. Die zunehmen<strong>de</strong> Einsicht in die Probleme <strong>de</strong>sgewählten Berufs <strong>und</strong> die progressive direkte physische <strong>und</strong> psychische Konfrontationmit <strong>de</strong>n realen Gegebenheiten führen auch in Bezug auf die ges<strong>und</strong>heitlichenRisiken <strong>de</strong>s Berufs zu einem zunehmen<strong>de</strong>n Bewusstseinswan<strong>de</strong>l. Unter diesem Aspektist es nicht verw<strong>und</strong>erlich, wenn gera<strong>de</strong> Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong> <strong>im</strong> 3. Lehrjahr beson<strong>de</strong>rshäufig negativ über ihre Perspektiven <strong>de</strong>nken.


62Gerd Marstedt, Rainer MüllerEinschätzung <strong>de</strong>r beruflichen Perspektiven in ges<strong>und</strong>heitlicher Hinsicht in Prozent1. Jahr 2. Jahr 3. o<strong>de</strong>r 4. JahrStress u. Belastungen wer<strong>de</strong>n sich <strong>im</strong> Gegensatzzur <strong>Ausbildung</strong> <strong>im</strong> späteren ErwerbslebenverschärfenGeschätztes Höchstalter für <strong>de</strong>n Beruf <strong>de</strong>reigenen Wahl 50 JahreEs gibt sicher überdurchschnittlich vieleErwerbstätige mit berufsbedingten <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sschä<strong>de</strong>nin <strong>de</strong>r eigenen Branche14,5 20,0 20,017,3 19,4 32,38,6 32,7 38,27. <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>liches RisikoverhaltenNicht nur die Belastungen am Arbeitsplatz, son<strong>de</strong>rn auch das persönliche <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sverhaltenwirken sich auf die <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> <strong>de</strong>r Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n <strong>und</strong> auf die subjektiveEinschätzung individueller Leistungsfähigkeit aus. Riskantes <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sverhaltenkann zur Schädigung <strong>de</strong>r eigenen physischen <strong>und</strong> psychischen Leistungsfähigkeitführen. Dieses Verhalten kann verschie<strong>de</strong>ne Grün<strong>de</strong> haben, oftmals sindauch berufliche Belastungen <strong>und</strong> soziale Probleme mitursächlich.Be<strong>im</strong> Vergleich <strong>de</strong>r Geschlechter ergeben sich auch für diesen Bereich interessanteErgebnisse. So leben Frauen beson<strong>de</strong>rs unter <strong>de</strong>m Aspekt <strong>de</strong>r körperlichen Bewegungnach eigener Einschätzung weniger ges<strong>und</strong> als Männer, wohingegen die weiblichenAuszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n sich eher <strong>im</strong> Konsum von Alkohol zurückhalten.<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sverhalten (sehr ges<strong>und</strong> <strong>und</strong> eher ges<strong>und</strong>) nach GeschlechtFrauen MännerSport, Bewegung 35,6 60,6Ernährung 30,1 36,8Alkohol 47,6 39,2Schlaf, Erholung 37,1 39,7Ein weiteres Phänomen ist die Abnahme <strong>de</strong>r Gruppe von Personen, die ihr <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sverhaltenals „eher ges<strong>und</strong>“ o<strong>de</strong>r „sehr ges<strong>und</strong>“ einschätzt über die einzelnen<strong>Ausbildung</strong>sjahre hinweg. So schätzen Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong> in Bezug auf Sport <strong>und</strong> Bewegung<strong>im</strong> 3. <strong>und</strong> 4. <strong>Ausbildung</strong>sjahr ihr <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sverhalten weniger gut ein als


Ges<strong>und</strong>er Start ins Handwerk 63Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong> <strong>im</strong> 1. Jahr. Das Gleiche trifft auch auf die Ernährung zu. Be<strong>im</strong> Alkoholjedoch bleiben die Ergebnisse über die <strong>Ausbildung</strong>sjahre relativ konstant. Aberauch das Verhalten in Bezug auf Schlaf <strong>und</strong> Erholung wird mit zunehmen<strong>de</strong>m <strong>Ausbildung</strong>sfortlaufschlechter beurteilt.Nach <strong>de</strong>r Anzahl <strong>de</strong>r St<strong>und</strong>en gefragt, die die Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n normalerweise in <strong>de</strong>rNacht vor Schul- <strong>und</strong> Arbeitstagen schlafen, gaben 10,3 % an, sie wür<strong>de</strong>n wenigerals 5 St<strong>und</strong>en darauf verwen<strong>de</strong>n. 34,9 % schlafen ca. 5 B 6 St<strong>und</strong>en. Die Gruppe <strong>de</strong>rPersonen, die sich 6 B 7 St<strong>und</strong>en gönnt, beträgt 32,1 % <strong>und</strong> mehr als 7 St<strong>und</strong>enschlafen dann nur noch 22,8 % <strong>de</strong>r Befragten.Auffällig ist <strong>de</strong>r Einflussfaktor Schulbildung. So n<strong>im</strong>mt <strong>de</strong>r Anteil <strong>de</strong>rer, die ihr <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sverhaltenin <strong>de</strong>n unterschiedlichen Bereichen als „unges<strong>und</strong>“ o<strong>de</strong>r „sehrunges<strong>und</strong>“ bezeichnen mit zunehmen<strong>de</strong>r Schulbildung ab.<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sverhalten nach Bildungsabschluss (Anteile unges<strong>und</strong> + sehr unges<strong>und</strong>)Son<strong>de</strong>rschuleHauptschuleohne AbschlussHauptschuleMittlereReifeAbiturSport, Bewegung 33,3 15,5 12,8 12,5 15,9Ernährung 34,7 34,0 22,7 22,3 16,5Alkohol 43,5 34,0 37,8 28,4 20,1Schlaf, Erholung 30,4 32,6 27,2 30,2 37,2Rauche öfters Zusammen 60 63 58 52Gr<strong>und</strong>sätzlich sind sich die Jugendlichen bewusst darüber, dass eine ges<strong>und</strong>e Lebensweiseauch zu mehr <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> verhilft. Immerhin 2/3 <strong>de</strong>r Befragten sind <strong>de</strong>rÜberzeugung, dass man wohl eher seltener erkrankt, wenn man ges<strong>und</strong>heitsbewusstlebt. Das Gleiche gilt für die Fitness <strong>im</strong> gehobenen Alter, meinten r<strong>und</strong> 60 % <strong>de</strong>rAuszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n. Ebenfalls r<strong>und</strong> 2/3 st<strong>im</strong>mten <strong>de</strong>r These zu, man fühle sich bei entsprechen<strong>de</strong>rLebensweise körperlich <strong>und</strong> seelisch wohler. Und r<strong>und</strong> 44 % sind <strong>de</strong>rMeinung, wenn man ges<strong>und</strong> lebt, erreicht man ein höheres Lebensalter.Diese Ergebnisse zeigen, dass <strong>de</strong>n Jugendlichen <strong>de</strong>r Zusammenhang zwischen <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>szustand<strong>und</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sverhalten <strong>im</strong> Alltag relativ <strong>de</strong>utlich bewusst ist.Sie wissen, dass sie durch entsprechen<strong>de</strong> Verhaltensweisen ihren körperlichen <strong>und</strong>seelischen Zustand verbessern können. Trotz<strong>de</strong>m überraschen die Zahlen in Bezugauf Alkoholkonsum <strong>und</strong> Rauchen. Zu vermuten ist, dass gera<strong>de</strong> junge Menschenaufgr<strong>und</strong> ihrer noch ausgezeichneten Konstitution die Folgen <strong>de</strong>rartigen Verhaltens


64Gerd Marstedt, Rainer Müllernoch nicht direkt wahrnehmen. Weiterhin stellt sich auch die Frage, ob nicht durchentsprechen<strong>de</strong> Belastungen am Arbeitsplatz <strong>de</strong>rartige Verhaltensweisen geför<strong>de</strong>rtwer<strong>de</strong>n. Zuvor konnten wir ja ein<strong>de</strong>utig erkennen, dass insbeson<strong>de</strong>re die eigene Einschätzungin Bezug auf das Ernährungs- <strong>und</strong> Bewegungsverhalten mit zunehmen<strong>de</strong>rBelastung in <strong>de</strong>n höheren <strong>Ausbildung</strong>jahren eher schlechter ausfällt. Sicher ist jedoch,dass die Personengruppe, die beson<strong>de</strong>rs unges<strong>und</strong> lebt, die Belastungen <strong>im</strong>Betrieb wesentlich stärker empfin<strong>de</strong>t als diejenigen, die beson<strong>de</strong>rs ges<strong>und</strong> leben.Prozentualer Anteil <strong>de</strong>r jeweiligen Gruppe in Bezug auf „sehr stark“ empf<strong>und</strong>ene Belastungenunges<strong>und</strong> (wenigSchlaf, rauchen, vielAlkohol)ges<strong>und</strong> (viel Schlaf,rauchen nicht, wenigAlkohol)Körperliche Belastungen 14,9 6,3Schlechte Umgebung 14,9 6,3Kälte, Hitze, Nässe 6,3 0,0Schädliche Chemie 9,7 0,0Unfall- <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>srisiken 9,1 3,2Zu lange Arbeitszeit+Wochenen<strong>de</strong> 17,2 3,2Abwechslungsarme Arbeit 12,1 3,2Zu viel ausbildungsfrem<strong>de</strong> Arbeiten 6,3 6,5Zeitdruck, Hektik 10,4 6,3Zu viel Verantwortung, Überfor<strong>de</strong>rung 3,1 3,1Vorgesetztenverhalten 12,5 3,1Probleme mit Arbeitskollegen 9,4 0,0Erwartungen / Verhalten von K<strong>und</strong>en 4,8 0,08. <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>liches Befin<strong>de</strong>n <strong>und</strong> BeeinträchtigungenDie subjektive Selbsteinstufung <strong>de</strong>s <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>szustands gilt als ein beson<strong>de</strong>rs guterIndikator für Krankheitsrisiken <strong>und</strong> auch für die Lebenserwartung. Körperliche Belastungsfaktoren<strong>und</strong> psychischer Stress beeinträchtigen die eigene Einschätzung <strong>de</strong>rLeistungskraft <strong>und</strong> das gesamte Körperempfin<strong>de</strong>n. Wer sich also gestresst fühlt <strong>und</strong>hohen Belastungen ausgesetzt sieht, wird wohl auch eher ein negatives Selbstbildseiner Leistungsfähigkeit haben. Dies drückt sich <strong>im</strong> Allgemeinen über die subjektiveBewertung <strong>de</strong>s eigenen <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>szustands aus.


Ges<strong>und</strong>er Start ins Handwerk 65Nach <strong>de</strong>r eigenen Einschätzung <strong>de</strong>s <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>szustands befragt, konnten <strong>im</strong>merhin56,5 % <strong>de</strong>r Befragten ein Kreuz bei „gut“ o<strong>de</strong>r „sehr gut“ machen. Darf man diesenZuordnungen Glauben schenken, fühlt sich also über die Hälfte <strong>de</strong>r Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>nrelativ fit. Aber auch <strong>de</strong>r weiteren Abstufung folgend, sind noch 28,7 % mit ihrer<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> zumin<strong>de</strong>st zufrie<strong>de</strong>n. 12,2 % äußerten sich über ihr Befin<strong>de</strong>n eher negativ<strong>und</strong> gaben an, sie seien in weniger guter Verfassung. Das Schlusslicht bil<strong>de</strong>n 2,5%, die ihren momentanen Zustand als schlecht einschätzten.Wie wür<strong>de</strong>n Sie Ihren eigenen <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>szustand einschätzen?Prozentualer Anteil <strong>de</strong>r jeweiligen GruppeGesamt Von <strong>de</strong>n Frauen Von <strong>de</strong>n MännernSehr gut 17,3 9,0 19,7Gut 39,2 31,8 41,7Zufrie<strong>de</strong>nstellend 28,7 36,8 26,6Weniger gut 12,2 20,0 9,8Schlecht 2,5 2,9 2,2Beson<strong>de</strong>rs aufschlussreich sind auch die Ergebnisse <strong>de</strong>r subjektiven Einschätzung<strong>de</strong>s <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>szustands differenziert nach <strong>de</strong>r Anzahl <strong>de</strong>r <strong>Ausbildung</strong>sjahre.Hier ist ein <strong>de</strong>utlicher Abstieg <strong>de</strong>r Anzahl <strong>de</strong>rer zu beobachten, die ihr Befin<strong>de</strong>n als„sehr gut“ einschätzen <strong>und</strong> ein Anstieg <strong>de</strong>r Personen, die die eigene <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> fürschlecht o<strong>de</strong>r weniger gut halten. Diese Entwicklung könnte einhergehen mit <strong>de</strong>rzunehmen<strong>de</strong>n Wahrnehmung von Belastungen in höheren <strong>Ausbildung</strong>sjahren, wiesie sich ja in <strong>de</strong>n vorherigen Ergebnissen wi<strong>de</strong>rgespiegelt haben.


66Gerd Marstedt, Rainer MüllerSubjektiver <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>szustand nach <strong>Ausbildung</strong>sjahren7064,3605053,250,3 51,349,746,848,71. Lehrjahr2. Lehrjahr4035,73. LehrjahrProzent304. Lehrjahr20100sehr guto<strong>de</strong>r gutzufrie<strong>de</strong>nstellend o<strong>de</strong>rweniger gut/schlechtAbbildung 30: Lesebeispiel: 64,3 Prozent <strong>de</strong>r Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n <strong>im</strong> 1. Lehrjahr beurteilen ihren<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>szustand mit sehr gut o<strong>de</strong>r gut.Ein weiterer Verhaltens-Indikator besteht in <strong>de</strong>r Aussage über die Häufigkeit vonArztbesuchen <strong>und</strong> die Anzahl <strong>de</strong>r Erkrankungen, die dazu führten, dass <strong>de</strong>r Betroffenedie Berufsschule o<strong>de</strong>r die <strong>Ausbildung</strong>sstätte nicht aufsuchen konnte.Nur r<strong>und</strong> ein Fünftel <strong>de</strong>r Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n gab an, sie seien in <strong>de</strong>n letzten 12 Monatenkeinmal be<strong>im</strong> Arzt gewesen. 23,4 % mussten in diesem Zeitraum <strong>de</strong>n Medizinereinmal konsultieren. 55,8 % waren zwischen 2- bis 8-mal in ärztlicher Behandlung.Bei <strong>de</strong>n Fehlzeiten <strong>im</strong> Betrieb o<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Berufsschule aufgr<strong>und</strong> von Krankheit gaben31,2 % <strong>de</strong>r Befragten an, sie hätten in <strong>de</strong>n letzten 12 Monaten nie gefehlt. 24,6% konnten <strong>de</strong>n Arbeitsplatz o<strong>de</strong>r die Schule nur einmal wegen Krankheit nicht aufsuchen,17,7 % zwe<strong>im</strong>al <strong>und</strong> 11,1 % dre<strong>im</strong>al. 15,3 % mussten wegen entsprechen<strong>de</strong>rBeschwer<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>n letzten 12 Monaten 4- bis 8-mal zu Hause bleiben.9. Krankheitssymptome <strong>und</strong> MedikamentenkonsumMit <strong>de</strong>m Fortschreiten <strong>de</strong>r <strong>Ausbildung</strong> wachsen die Belastungen <strong>und</strong> <strong>de</strong>r eigene <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>szustandwird als schlechter eingeschätzt. Doch in welchen Symptomen <strong>und</strong>Erkrankungen schlägt sich diese Problemlage nie<strong>de</strong>r?


Ges<strong>und</strong>er Start ins Handwerk 67Hatten Sie <strong>im</strong> letzten Jahr folgen<strong>de</strong> Beschwer<strong>de</strong>n? (ärztlich behan<strong>de</strong>lt u. nicht ärztlich behan<strong>de</strong>ltzusammen) - Prozent-Anteil <strong>de</strong>r jeweiligen BerufsgruppeBerufe 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13Erkältung,Schnupfen,Grippe87 80 87 85 90 9 90 91 82 88 88 82 9352 26 18 19 19 15 24 22 25 17 24 22 43Bluthochdruck 15 14 10 10 11 7 16 13 9 12 15 13 20Herzschmerzen 17 19 9 11 14 12 21 13 16 12 15 5 27Über-StarkesgewichtGelenkbeschwer<strong>de</strong>nKreislauf-,DurchblutungsstörungenBlasenbeschwer<strong>de</strong>nVerdauungsbeschwer<strong>de</strong>n21 13 5 3 6 7 13 13 8 6 10 7 2325 25 29 17 22 22 26 25 17 19 19 25 259 12 8 6 8 6 9 3 8 4 10 5 1227 39 34 23 42 31 39 30 27 34 28 45 351 = Friseur, 2 = Bäcker, 3 = Tischler, 4 = Kfz-Bereich, 5 = Heizungs-, Sanitär-, Kl<strong>im</strong>atechnik, 6 =Klempner, Installateur, 7 = Metallbauer, 8 = Stukkateur, 9 = Maler, Lackierer, 10 = Fliesen-, Platten-,Mosaik-, Estrichleger, 11 = Maurer, 12 = an<strong>de</strong>rer Beruf <strong>im</strong> Baugewerbe, 13 = FachverkäuferBei <strong>de</strong>r berufsspezifischen Betrachtung <strong>de</strong>r Beschwer<strong>de</strong>n fällt auf, dass die Gelenkschmerzen(Rheuma, Bandscheiben) an erster Stelle stehen, Schnupfen einmal ausgenommen.Der prozentuale Anteil innerhalb <strong>de</strong>r verschie<strong>de</strong>nen Berufsgruppen variiertjedoch stark.


68Gerd Marstedt, Rainer Müller<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sbeschwer<strong>de</strong>n <strong>und</strong> GeschlechtErkältungKreislaufGelenkbeschwer<strong>de</strong>nVerdauungBlasenbeschwer<strong>de</strong>nHerzschmerzenBluthochdruckÜbergewicht20,134,533,227,021,622,76,920,414,117,311,910,87,144,691,485,8FrauenMänner0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100ProzentAbbildung 31Ein signifikanter Zusammenhang ergibt sich auch be<strong>im</strong> Einbezug <strong>de</strong>r absolviertenLehrjahre. Entsprechend <strong>de</strong>r ansteigen<strong>de</strong>n Wahrnehmung von Belastungen ist auchbei <strong>de</strong>n Symptomen <strong>und</strong> Erkrankungen ein Anstieg zu verzeichnen. Dies wird insbeson<strong>de</strong>re<strong>de</strong>utlich in Bezug auf die bei<strong>de</strong>n Beschwer<strong>de</strong>formen Gelenkbeschwer<strong>de</strong>n<strong>und</strong> Kreislaufbeschwer<strong>de</strong>n, die generell zu <strong>de</strong>n am häufigsten auftreten<strong>de</strong>n Symptomengehören.


Ges<strong>und</strong>er Start ins Handwerk 69Anteil <strong>de</strong>r häufigsten Beschwer<strong>de</strong>n <strong>und</strong>Krankheiten nach <strong>Ausbildung</strong>sjahrenAnteil in Prozent4035302520151023,826,431,820,628,333,61. Lehrjahr2. Lehrjahr3. Lehrjahr50Gelenkbeschwer<strong>de</strong>nKreislauf,DurchblutungAbbildung 32Zweifellos könnte man nun dieses Ergebnis dahingehend interpretieren, dass dieAuszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n unter <strong>de</strong>n ansteigen<strong>de</strong>n Belastungen <strong>im</strong>mer kränker wer<strong>de</strong>n. Dochso einfach lässt sich diese Aussage nicht treffen, da für <strong>de</strong>rartige Vermutungen dasDatenmaterial nicht geeignet ist. Vielmehr wäre in diesem Zusammenhang eine Befragung<strong>de</strong>r Jugendlichen über mehrere Jahre hinweg vonnöten, <strong>de</strong>nn die sich abzeichnen<strong>de</strong>nEffekte können natürlich auch durch ein gewisses Abwan<strong>de</strong>rn von ges<strong>und</strong>enAuszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n aus <strong>de</strong>m Handwerk entstehen. Trotz aller Vorsicht ist wohleher zu vermuten, dass sich <strong>de</strong>r <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>szustand <strong>de</strong>r Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n mit zunehmen<strong>de</strong>nBelastungen verschlechtert. Zumin<strong>de</strong>st sprechen die Ergebnisse <strong>de</strong>rnächsten Abbildung eine ein<strong>de</strong>utige Sprache.Ein weiterer Aspekt in Bezug auf Beschwer<strong>de</strong>n <strong>und</strong> Symptome, die nicht direkt einerErkrankung zuzuordnen sind, son<strong>de</strong>rn eher unter die Beschwer<strong>de</strong>formen fallen,die sich bei Stress <strong>und</strong> Anspannung als physische Symptome äußern, meist also psychosomatischerNatur sind, ist die Frage nach diffusen Befindlichkeitsstörungen.Innerhalb dieses Beschwer<strong>de</strong>-Spektrums kommt es zu relativ ein<strong>de</strong>utigen Ergebnissen.So gaben <strong>im</strong>merhin 61 % aller Befragten an, sie hätten manchmal o<strong>de</strong>r häufigKopfschmerzen.


70Gerd Marstedt, Rainer Müller70Prozent-Anteil von Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n mit <strong>de</strong>n dreihäufigsten Beschwer<strong>de</strong>arten in Abhängigkeit vonTen<strong>de</strong>nzen zum Lehrabbruch62,8605046,0 45,442,250,4NervositätKopfschmerzenProzent403031,437,631,7Rücken-/Schulterschmerzen2022,119,820,711,6100noch niewenigernsthafteinmalernsthaftöfterernsthaftGedanken zum Abbruch <strong>de</strong>r <strong>Ausbildung</strong>Abbildung 33Gesichert ist auf je<strong>de</strong>n Fall auch <strong>de</strong>r Zusammenhang zwischen Konfliktsituation in<strong>de</strong>r <strong>Ausbildung</strong> <strong>und</strong> entsprechen<strong>de</strong>n Symptomen. So reagieren Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>, dienoch nie an <strong>de</strong>n Abbruch <strong>de</strong>r Lehre gedacht haben, wesentlich seltener mit <strong>de</strong>n vorabherausgestellten drei häufigsten Beschwer<strong>de</strong>n (Nacken-, Schulter-, Rückenschmerzen,Kopfschmerzen, Nervosität) als die Gruppe <strong>de</strong>r Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n, dieschon oft ernsthaft an einen Abbruch gedacht haben.Besorgnis erregend sind auch die Zahlen zum Konsum von rezeptfreien Medikamentenunter <strong>de</strong>n Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n.


Ges<strong>und</strong>er Start ins Handwerk 71Wie oft haben Sie in <strong>de</strong>n letzten 3 Monaten dieses Mittel genommen? (Prozentangaben)Schmerz-, Kopfschmerzmittelpraktischtäglichmehrmalspro Woche1-2-malpro Wocheseltenernie2,6 5,8 11,2 37,9 42,4Beruhigungs-, Schlafmittel 1,6 0,9 1,3 5,1 91,2Anregungsmittel 3,2 1,8 1,7 4,3 89,0Mittel gegen Magenbeschwer<strong>de</strong>n1,6 3,0 2,5 12,4 80,4Allergie-Mittel 3,2 2,2 2,4 5,9 86,3Junge Menschen versuchen mit Hilfe von pharmazeutischen Produkten Arbeitsbelastungen<strong>und</strong> <strong>de</strong>ren Auswirkungen entgegenzutreten. Die Signale <strong>de</strong>s Körpers wer<strong>de</strong>nhierbei überhört bzw. verdrängt aus Angst vor Folgen wie Verlust <strong>de</strong>r Lehrstelleo<strong>de</strong>r Gefährdung <strong>de</strong>r Übernahme als Geselle <strong>im</strong> Betrieb. Beson<strong>de</strong>rs <strong>de</strong>utlich wirddieser Zustand unter Einbezug <strong>de</strong>r <strong>Ausbildung</strong>sjahrgänge.Konsum von Medikamenten (min<strong>de</strong>stens 1- bis 2-mal in <strong>de</strong>n letzten drei Monaten) Angaben in% <strong>de</strong>s jeweiligen <strong>Ausbildung</strong>sjahrganges1. Jahr 2. Jahr 3. Jahr 4. JahrSchmerz-, KopfschmerzmittelBeruhigungs-,Schlafmittel15,5 21,3 22,7 21,72,7 3,3 4,9 3,8Anregungsmittel 5,5 7,3 6,7 6,6Mittel gegenMagenbeschwer<strong>de</strong>n5,9 6,2 7,7 12,5Allergie-Mittel 6,1 7,7 9,9 8,2Beson<strong>de</strong>rs auffällig ist auch hier wie<strong>de</strong>r die geschlechtsspezifische Betrachtung <strong>de</strong>sKonsums von Medikamenten. Hier stehen - außer bei Medikamenten, die anregendwirken - die Frauen an erster Stelle.


72Gerd Marstedt, Rainer MüllerKonsum von Medikamenten (min<strong>de</strong>sten 1- bis 2-mal in <strong>de</strong>n letzten drei Monaten)Angaben in % <strong>de</strong>s jeweiligen GeschlechtsFrauenMännerSchmerz-, Kopfschmerzmittel 32,5 15,5Beruhigungs-, Schlafmittel 4,5 3,3Anregungsmittel 5,5 6,8Mittel gegen Magenbeschwer<strong>de</strong>n 10,5 6,0Allergie-Mittel 11,7 6,610. Allergische Beschwer<strong>de</strong>nEine beson<strong>de</strong>re Form <strong>de</strong>r Reaktion auf Belastungen, Stress <strong>und</strong> verstärktem Kontaktmit einer Vielzahl von Umweltgiften ist die Allergie. Im Gegensatz zu an<strong>de</strong>ren Erkrankungenn<strong>im</strong>mt gera<strong>de</strong> diese Art von körperlichen Beschwer<strong>de</strong>n bei jüngerenMenschen zu <strong>und</strong> bei älteren ab. Vermutet wird, dass bei zunehmen<strong>de</strong>r Belastung dieentsprechen<strong>de</strong> Symptomatik erst zum Ausbruch kommen kann.11,7 % <strong>de</strong>r befragten Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n waren <strong>de</strong>r Überzeugung, dass die allergischenReaktionen hauptsächlich durch die Arbeit <strong>im</strong> Betrieb verursacht wur<strong>de</strong>n <strong>und</strong> 37 %meinten, dass dies zumin<strong>de</strong>st teilweise <strong>de</strong>r Fall ist. Demgegenüber stehen 51,3 % <strong>de</strong>rJugendlichen mit entsprechen<strong>de</strong>n Beschwer<strong>de</strong>n, die überhaupt keinen Zusammenhangzwischen <strong>de</strong>r Tätigkeit <strong>im</strong> <strong>Ausbildung</strong>sbetrieb <strong>und</strong> ihren Symptomen sehen.Einen Allergietest machten schon 52,3 % <strong>de</strong>r Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n, wobei bei r<strong>und</strong> <strong>de</strong>rHälfte auch eine Allergie festgestellt wur<strong>de</strong>.


Ges<strong>und</strong>er Start ins Handwerk 73Prozentualer Anteil <strong>de</strong>r jeweiligen Berufsgruppe mit <strong>de</strong>r Ausprägung „häufig“ bei allergischenBeschwer<strong>de</strong>nBerufe 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 139 12 6 6 6 2 3 0 2 6 4 3 10Neuro<strong>de</strong>rmitis 6 8 4 4 5 7 4 4 3 4 4 1 710 9 3 3 5 5 7 1 2 4 4 5 3Hautbeschwer<strong>de</strong>nAtembeschwer<strong>de</strong>nHusten, Bronchitis17 14 17 9 18 16 15 15 10 11 17 15 17Heuschnupfen 7 10 13 7 9 11 12 11 10 10 6 5 7Fließschnupfen 7 9 8 4 8 10 8 11 5 5 7 6 11Stockschnupfen 21 25 20 14 19 19 24 20 24 21 15 15 19Kiefer-/StirnhöhlenentzündungAugenbeschwer<strong>de</strong>nMigräne, anhalten<strong>de</strong>KopfschmerzenMagen-Darm-Beschwer<strong>de</strong>n2 1 7 2 3 2 4 1 2 1 1 2 317 10 6 6 9 8 18 9 11 7 4 10 924 14 10 8 11 10 13 7 14 6 9 11 1213 5 11 5 9 6 14 12 7 4 4 7 111 = Friseur, 2 = Bäcker, 3 = Tischler, 4 = Kfz-Bereich, 5 = Heizungs-, Sanitär-, Kl<strong>im</strong>atechnik, 6 =Klempner, Installateur, 7 = Metallbauer, 8 = Stukkateur, 9 = Maler, Lackierer, 10 = Fliesen-, Platten-,Mosaik-, Estrichleger, 11 = Maurer, 12 = an<strong>de</strong>rer Beruf <strong>im</strong> Baugewerbe, 13 = Fachverkäufer11. Belastungen <strong>und</strong> Konfliktpotentiale <strong>im</strong> Vergleich <strong>de</strong>rInnungsbereiche untereinan<strong>de</strong>rWir wollen nach dieser Analyse, die die <strong>im</strong> Fragebogen angesprochenen Themenjeweils einzeln behan<strong>de</strong>lt <strong>und</strong> nach statistisch signifikanten Einflussfaktoren gesuchthat, nun noch einmal nach „Querverbindungen“ suchen <strong>und</strong> uns dabei insbeson<strong>de</strong>re<strong>de</strong>r Frage zuwen<strong>de</strong>n: Sehen die in <strong>de</strong>n vorherigen Kapiteln festgestellten Probleme<strong>und</strong> Belastungserfahrungen <strong>de</strong>r Jugendlichen ganz unterschiedlich aus, je nach<strong>de</strong>m,welchen Beruf man gewählt hat <strong>und</strong> in welcher Innung <strong>de</strong>r <strong>Ausbildung</strong>sbetrieb ist?


74Gerd Marstedt, Rainer MüllerUnterschiedliche Indikatoren für Belastungen, Beeinträchtigungen <strong>und</strong> <strong>Ausbildung</strong>sprobleme -nach Innungen (Angaben in Prozent)Gesamtbelastunghoch (1)Beruf nurbis 50 (2)berufsb.Erkrankungen(3)<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>nichtgut (4)an Abbruchgedacht(5)ärztlichdiagn.Allergie(6)Friseur 32 36 74 53 66 30Bäcker 38 37 53 53 69 25Tischler 22 28 53 43 41 27Kfz 29 42 38 31 44 18Heizung, San.,Kl<strong>im</strong>aKlempner, Installateur31 57 65 39 51 2430 31 31 41 51 24Metallbauer 33 42 50 48 57 23Stukkateur 20 35 53 39 49 21Maler, Lackierer 29 43 57 32 41 17Fliesenleger usw. 24 49 53 36 32 25Baugewerbe 28 48 59 36 53 20Fachverkäufer 42 29 52 61 69 31alle Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n31 40 53 44 54 24(1) Durchschnittswert aus allen <strong>im</strong> Fragebogen erhobenen Einzelbelastungen, oberes Drittel allerWerte(2) Annahme, <strong>de</strong>r jetzige Beruf könne höchstens bis zum Alter von 50 (o<strong>de</strong>r noch kürzer) ausgeübtwer<strong>de</strong>n(3) Annahme, dass viele Erwerbstätige <strong>im</strong> gewählten Beruf an berufsbedingten <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sbeeinträchtigungenlei<strong>de</strong>n („sicher“ o<strong>de</strong>r „eher ja“)(4) Selbsteinstufung <strong>de</strong>s <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>szustan<strong>de</strong>s schlechter als „gut“(5) Angabe, dass schon mal über einen Lehrabbruch nachgedacht wor<strong>de</strong>n ist(6) Angabe, dass von einem Arzt eine Allergie diagnostiziert wur<strong>de</strong>fette Zahlen = überdurchschnittlich hohe Werte; kursive Zahlen = unterdurchschnittliche WerteAus <strong>de</strong>r Tabelle ergeben sich nun einige konsistente <strong>und</strong> inhaltlich „st<strong>im</strong>mige“ Ten<strong>de</strong>nzen,an<strong>de</strong>rerseits aber auch einige „Brüche“ <strong>und</strong> wi<strong>de</strong>rsprüchliche Bef<strong>und</strong>e.Weitgehend (wenn auch nicht h<strong>und</strong>ertprozentig <strong>und</strong> auf alle sechs Indikatoren zutreffend)st<strong>im</strong>mig <strong>und</strong> konsistent sind die Ergebnisse, was Friseure <strong>und</strong> Fachverkäufereinerseits betrifft: Hier fin<strong>de</strong>n sich beson<strong>de</strong>rs negative Ausprägungen von<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>s- <strong>und</strong> Belastungs-Merkmalen. Etwas schwächer gilt diese Ten<strong>de</strong>nz auchfür die Bäcker sowie Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong> <strong>im</strong> Bereich Heizung/Sanitär/Kl<strong>im</strong>atechnik.An<strong>de</strong>rerseits ragen Kfz-Berufe, Maler/Lackierer <strong>und</strong> nicht ganz so stark die Tischler<strong>und</strong> Schreiner positiv heraus. Hier wer<strong>de</strong>n die <strong>Ausbildung</strong>sbedingungen <strong>de</strong>utlichbesser als <strong>im</strong> Durchschnitt wahrgenommen <strong>und</strong> verarbeitet.


Ges<strong>und</strong>er Start ins Handwerk 75Wie kommen nun die teilweise wi<strong>de</strong>rsprüchlichen Ergebnisse zustan<strong>de</strong>? Hier istnoch einmal daran zu erinnern, dass die Dauer <strong>de</strong>r Berufsausbildung, die Zugehörigkeitzu <strong>de</strong>n einzelnen <strong>Ausbildung</strong>sjahren ein für viele Bereiche <strong>de</strong>r Analyse ganzwesentlicher Einflussfaktor war. Die Wahrnehmung <strong>de</strong>r Belastungshöhe etwa o<strong>de</strong>rdie Zuschreibung krank machen<strong>de</strong>r Einflüsse an die Arbeitsbedingungen wachsenvom 1. bis zum 3. bzw. 4. <strong>Ausbildung</strong>sjahr ganz erheblich. Und zugleich ist zu berücksichtigen,dass die Stichprobe nicht für alle Berufe/Innungen eine gleiche o<strong>de</strong>rzumin<strong>de</strong>st ähnliche Verteilung nach <strong>Ausbildung</strong>sjahren aufweist. Die folgen<strong>de</strong> Tabellezeigt vielmehr, dass diese Verteilung extrem unterschiedlich ist. Bei <strong>de</strong>n Malern/Lackierernbeispielsweise sind 65 % <strong>de</strong>r befragten Jugendlichen noch <strong>im</strong> 1.<strong>Ausbildung</strong>sjahr. Hingegen liegt bei <strong>de</strong>n Metallbauern o<strong>de</strong>r Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n <strong>im</strong> BereichHeizung/Sanitär/Kl<strong>im</strong>a diese Quote <strong>de</strong>r <strong>Ausbildung</strong>s-Anfänger unter 30 %.In die oben dargestellten Bef<strong>und</strong>e zu <strong>de</strong>n sechs Belastungs- <strong>und</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>s-Indikatoren fließen also Einflüsse ein, die die innungsspezifischen Faktoren zumTeil überlagern dürften. Lei<strong>de</strong>r ist unsere Stichprobe nicht so groß, als dass man nuneine dreid<strong>im</strong>ensionale Betrachtung einführen könnte, in <strong>de</strong>r die einzelnen Berufsgruppen/Innungennoch einmal unterteilt wer<strong>de</strong>n nach <strong>de</strong>m <strong>Ausbildung</strong>sjahr <strong>de</strong>r Befragten.Einen Ausweg aus dieser Situation bieten statistische Prüfverfahren, die <strong>de</strong>n unterschiedlichenEinfluss <strong>de</strong>r hier interessieren<strong>de</strong>n Variablen „<strong>Ausbildung</strong>sjahr“ <strong>und</strong>„Innung/Beruf“ kontrollieren. Für drei abhängige Variablen lassen sich, ohne aufDetails einzugehen, folgen<strong>de</strong> Ergebnisse festhalten:Ten<strong>de</strong>nzen zum Abbruch <strong>de</strong>r Berufsausbildung wer<strong>de</strong>n sowohl durch die <strong>Ausbildung</strong>sdauer(Lehrjahr) als auch durch die Zugehörigkeit zu best<strong>im</strong>mten Berufsgruppen<strong>und</strong> Innungen beeinflusst. Eine beson<strong>de</strong>rs hohe Abbruch-Ten<strong>de</strong>nz fin<strong>de</strong>t sich beiBäckern <strong>und</strong> bei Fachverkäufern. Eine unterdurchschnittliche Abbruch-Ten<strong>de</strong>nz,also ein hoher Wille zum Verbleib <strong>im</strong> <strong>Ausbildung</strong>sberuf an<strong>de</strong>rerseits, fin<strong>de</strong>t sich beiTischlern/Schreinern, <strong>im</strong> Kfz-Bereich, bei Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r Heizungs-, Sanitär-,Kl<strong>im</strong>atechnik, bei Malern/Lackierern <strong>und</strong> bei Fliesen-, Plattenlegern.Auch für <strong>de</strong>n selbstbewerteten <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>szustand sind bei<strong>de</strong> hier betrachtetenVariablen von Be<strong>de</strong>utung. Überdurchschnittlich negative Einstufungen <strong>de</strong>r <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>fin<strong>de</strong>n sich bei Friseuren <strong>und</strong> Bäckern. Umgekehrt bewerten sehr viele Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong><strong>im</strong> Kfz-Bereich ihre <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> als gut.Für die erlebte Gesamtbelastung ist ganz überwiegend das <strong>Ausbildung</strong>sjahr maßgeblich.Eine Berufsgruppe weicht auch unabhängig davon negativ ab: Fachverkäuferbewerten ihre Arbeitsbelastungen noch einmal überdurchschnittlich hoch.


Teil 2Praxisbeispiele <strong>und</strong>Handlungsansätze


„Qualität <strong>und</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> <strong>im</strong> Gastgewerbe“ –Ein Kooperationsprojekt von AOK <strong>und</strong> BGNAnette Baumeister, Heike Die<strong>de</strong>richs1. EinleitungSeit Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s § 20 SGB V <strong>und</strong> <strong>de</strong>r Erweiterung von § 14 SGB VII arbeiten Berufsgenossenschaften<strong>und</strong> Krankenkassen bei <strong>de</strong>r Verhütung arbeitsbedingter <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sgefahrennoch stärker zusammen. Ein beson<strong>de</strong>res Kooperationsprojektzwischen <strong>de</strong>r AOK für das <strong>Land</strong> <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong> <strong>und</strong> <strong>de</strong>r Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel<strong>und</strong> Gaststätten ist das regionale Entwicklungsprojekt in Klein- <strong>und</strong>Mittelbetrieben <strong>de</strong>r Gastronomie „Qualität <strong>und</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> <strong>im</strong> Gastgewerbe för<strong>de</strong>rn:Ges<strong>und</strong>e Mitarbeiter - Zufrie<strong>de</strong>ne Gäste - Aktive Unternehmer <strong>im</strong> <strong>Land</strong> <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong>“.Viele Instrumente <strong>de</strong>r betrieblichen <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sför<strong>de</strong>rung lassen sich zum Teil ausKapazitätsgrün<strong>de</strong>n, aber auch aus inhaltlichen Überlegungen nicht auf kleine <strong>und</strong>mittlere Unternehmen übertragen. Aus diesem Gr<strong>und</strong> haben AOK <strong>und</strong> BGN einenregionalen Ressourcen aktivieren<strong>de</strong>n Ansatz für das Gastgewerbe <strong>im</strong> <strong>Land</strong> <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong>entwickelt: Das Know-how <strong>und</strong> die Eigeninitiative von UnternehmerInnen,Führungskräften <strong>und</strong> Beschäftigten wird durch Qualifizierung <strong>und</strong> Unterstützunggeför<strong>de</strong>rt. Die Betriebe sollen durch die Vermittlung von Wissen in die Lage versetztwer<strong>de</strong>n, selbst Belastungen zu verringern <strong>und</strong> salutogene Faktoren zu erkennen <strong>und</strong>zu för<strong>de</strong>rn.Ein beson<strong>de</strong>rer Schwerpunkt in diesem Projekt ist die Qualifizierung von Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n<strong>im</strong> Gastgewerbe, <strong>de</strong>nn diese sind die Führungskräfte von morgen. Ein Mo<strong>de</strong>llprojektmit <strong>de</strong>m Oberstufenzentrum Johanna Rust ist darauf ausgerichtet <strong>und</strong>wird nachfolgend noch genauer beschrieben.2. Rahmenbedingungen <strong>im</strong> GastgewerbeIn welchem Feld bewegen sich Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Gastronomie <strong>im</strong> <strong>Land</strong> <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong>?93 % aller gastronomischen Betriebe haben unter 10 Mitarbeiter/-innen, 97 %weniger als 20. Viele Unternehmen befin<strong>de</strong>n sich in einer beson<strong>de</strong>rs schwierigenwirtschaftlichen Situation. Die Umsätze gehen zurück, gleichzeitig sind viele Unter-


80Anette Baumeister, Heike Die<strong>de</strong>richsnehmen durch Erweiterungs- <strong>und</strong> Umbaumaßnahmen hoch verschul<strong>de</strong>t. Es gibt einenhohen Anteil an Saisonbetrieben, die nur von März bis November geöffnet haben<strong>und</strong> daher nicht durchgehend beschäftigen.Vor allem in Klein- <strong>und</strong> Mittelbetrieben <strong>de</strong>r Gastronomie arbeiten viele Branchenfrem<strong>de</strong>.Der Anteil von qualifiziertem Personal ist daher relativ gering. Hinzukommt, dass gera<strong>de</strong> in kleineren Unternehmen <strong>de</strong>r Anteil <strong>de</strong>r Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n sehrhoch ist. Zum Teil arbeiten 6 bis 8 Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong> <strong>und</strong> nur 1 bis 2 Festangestellte ineinem Betrieb. Die Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n übernehmen volle Schichten an Rezeption <strong>und</strong>Restaurant. In kleineren Unternehmen lei<strong>de</strong>t aufgr<strong>und</strong> unzureichen<strong>de</strong>r qualifizierterAnleitung <strong>de</strong>shalb die <strong>Ausbildung</strong>squalität. In größeren Häusern ist die <strong>Ausbildung</strong>zwar insgesamt umfassen<strong>de</strong>r, aber auch hier bestreiten die Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n ganzeSchichten eigenständig.UnternehmerInnen <strong>und</strong> Führungskräfte <strong>de</strong>r Gastronomie sind vor allem in kleinen<strong>und</strong> mittleren Betrieben durch Mehrfachaufgaben (umfangreiche Anfor<strong>de</strong>rungen <strong>und</strong>zum Teil geringe Führungskompetenzen) belastet. Außer<strong>de</strong>m klaffen Angebotspalette<strong>und</strong> Anspruchsniveau <strong>de</strong>r Gäste oft auseinan<strong>de</strong>r, d. h. die Qualität <strong>de</strong>s Angebots<strong>und</strong> <strong>de</strong>r dafür verlangte Preis stehen in keinem angemessenen Verhältnis.Diese Rahmenbedingungen, die zum Teil die Existenz <strong>de</strong>r Unternehmen gefähr<strong>de</strong>n,führen dazu, dass Arbeits- <strong>und</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sschutz eine eher nachgeordnete Rollespielen.3. Ziele <strong>und</strong> ProjektbausteineUm das Interesse von UnternehmerInnen <strong>und</strong> Führungskräften <strong>de</strong>r Gastronomie zuwecken, wur<strong>de</strong>n die Ziele <strong>de</strong>s Projektes daher so gesetzt, dass die Gastronomen dortabgeholt wer<strong>de</strong>n, wo sie stehen: Mit <strong>de</strong>n Schwerpunkten „Qualität <strong>de</strong>r Dienstleistungen“<strong>und</strong> „Qualifikation von Führungskräften <strong>und</strong> MitarbeiterInnen“ wird direktan <strong>de</strong>n Schwachstellen <strong>und</strong> am Bedarf gastronomischer Betriebe <strong>im</strong> <strong>Land</strong> <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong>angesetzt. Ziele <strong>de</strong>s Projektes sind zum einen, die Hauptbelastungs- <strong>und</strong> Beanspruchungsfaktoren<strong>de</strong>r täglichen Arbeit zu min<strong>de</strong>rn. Diese sind z. B. keine bzw.ungeregelte Pausen, lange Arbeitszeiten, Nacht- <strong>und</strong> Wochenendarbeit, Zeitdruck,Stress, langes Stehen, Umgang mit schwierigen Gästen. Einige dieser Belastungensind spezifisch für das Gastgewerbe <strong>und</strong> per se nicht zu än<strong>de</strong>rn. Belastungen durchZeitdruck <strong>und</strong> Probleme bei <strong>de</strong>n Dienstplänen lassen sich jedoch durch eine verbesserteArbeitsorganisation <strong>und</strong> Arbeitsaufteilung min<strong>de</strong>rn. Zusätzlich sollen Ressourcenvon MitarbeiterInnen <strong>und</strong> Führungskräften geför<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n, <strong>im</strong> Sinne einerErweiterung von sozialen <strong>und</strong> fachlichen Kompetenzen <strong>im</strong> Umgang mit Gästen,MitarbeiterInnen <strong>und</strong> Belastungen. Auch für Köche <strong>und</strong> Küchenmitarbeiter/-innengibt es spezielle Schulungsangebote, z. B. zum Umgang mit Gewürzen, Convenien-


Qualität <strong>und</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> <strong>im</strong> Gastgewerbe 81ceprodukten <strong>und</strong> zur vegetarischen Küche. Durch die För<strong>de</strong>rung von Ressourcen<strong>und</strong> Motivation soll Frustration gemin<strong>de</strong>rt <strong>und</strong> Leistungsfähigkeit gesteigert wer<strong>de</strong>n.Eine höhere Qualität von Dienstleistungen <strong>und</strong> Produkten bietet dabei klare Wettbewerbsvorteilefür die Unternehmen <strong>und</strong> steht gleichzeitig auch für mehr <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong><strong>und</strong> Sicherheit <strong>de</strong>r MitarbeiterInnen.4. Bausteine <strong>de</strong>s ProjektesUm das Projekt <strong>im</strong> <strong>Land</strong> <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong> gut zu vernetzen <strong>und</strong> mit verschie<strong>de</strong>nen Interessengruppenopt<strong>im</strong>al zusammenzuarbeiten, sollen regionale r<strong>und</strong>e Tische zumThema „Qualität <strong>und</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> <strong>im</strong> Gastgewerbe“ initiiert wer<strong>de</strong>n. Gute Einzelkontaktebestehen bereits zu <strong>de</strong>n Industrie- <strong>und</strong> Han<strong>de</strong>lskammern, zum Hotel- <strong>und</strong>Gaststättenverband <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong>, zur Gewerkschaft Nahrungs- <strong>und</strong> Genussmittel, zu<strong>de</strong>n Ämtern für Arbeitsschutz sowie zu <strong>de</strong>n Frem<strong>de</strong>nverkehrsvereinen.Auf Stammtischen <strong>de</strong>s Hotel- <strong>und</strong> Gaststättenverban<strong>de</strong>s, organisiert über die jeweiligenKreisvorsitzen<strong>de</strong>n, fan<strong>de</strong>n Projektpräsentationen <strong>und</strong> Workshops zu einzelnenFachthemen statt. Gleichzeitig wur<strong>de</strong>n die Stammtische auch zum Erfahrungsaustauschmit <strong>de</strong>n UnternehmerInnen <strong>und</strong> zur Bedarfsabfrage genutzt.Ein wichtiger Bestandteil <strong>de</strong>s Projektes sind Workshops <strong>und</strong> Seminare für UnternehmerInnen,Führungskräfte, Unternehmerfrauen, Ausbil<strong>de</strong>r <strong>und</strong> Küchenleiter zuThemen wie Führung, Zeitmanagement, Dienstplangestaltung, Umgang mit Reklamationensowie fachspezifische Seminare für Küchenleiter zu Vollwert- <strong>und</strong> vegetarischerKüche. In allen Seminaren wird neben <strong>de</strong>n fachlich-organisatorischen Konzeptenauch das <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>s- <strong>und</strong> Sicherheitsbewusstsein geför<strong>de</strong>rt. In verschie<strong>de</strong>nenOberstufenzentren <strong>im</strong> <strong>Land</strong> <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong> fin<strong>de</strong>n einzelne Seminare für Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong><strong>de</strong>r Gastronomie (Hotel-, Restaurantfachleute, Köche) statt. Für spezielleTätigkeitsbereiche wie Z<strong>im</strong>merfrauen <strong>und</strong> Küchenhilfen existiert ein beson<strong>de</strong>resSeminarangebot mit <strong>de</strong>n Schwerpunkten Haut <strong>und</strong> Rücken. Außer<strong>de</strong>m bieten AOK<strong>und</strong> BGN gemeinsam betriebsspezifische Begehungen, Beratungen <strong>und</strong> Analysenan, wenn einzelne Betriebe aktuellen Bedarf äußern.Ein sehr umfangreicher <strong>und</strong> wichtiger Projektbaustein ist das Mo<strong>de</strong>llprojekt mit <strong>de</strong>mOberstufenzentrum (III) Johanna Just in Potsdam.5. Mo<strong>de</strong>llprojekt mit <strong>de</strong>m Oberstufenzentrum Johanna Just,PotsdamErste Kooperationsgespräche zwischen <strong>de</strong>m Oberstufenzentrum Johanna Just, vertretendurch die Abteilungsleiterin Ernährung <strong>und</strong> Hauswirtschaft, <strong>und</strong> Vertreterinnenvon AOK <strong>und</strong> BGN fan<strong>de</strong>n <strong>im</strong> Frühsommer 1998 statt. AOK <strong>und</strong> BGN stießen


82Anette Baumeister, Heike Die<strong>de</strong>richsdabei sofort auf großes Interesse <strong>und</strong> Offenheit bei <strong>de</strong>r Vertreterin <strong>de</strong>s Oberstufenzentrums.Zirka 2.000 Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong> bzw. Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler besuchen <strong>de</strong>rzeit die Bildungsgänge<strong>de</strong>r drei Abteilungen am Oberstufenzentrum Johanna Just. Neben <strong>de</strong>rBerufsfachschule für sozialpflegerische Berufe, <strong>de</strong>r Fachschule für Sozialwesen <strong>und</strong><strong>de</strong>r Berufsschule für <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>, in <strong>de</strong>r die theoretische <strong>Ausbildung</strong> unter an<strong>de</strong>remfür Arzt- <strong>und</strong> Zahnarzthelferinnen stattfin<strong>de</strong>t, gehören die Fachoberschule, die Berufsfachschulekaufmännischer Assistent/Schwerpunkt Frem<strong>de</strong>nverkehr <strong>und</strong> die Berufsschuleals Stätte <strong>de</strong>s schulischen Teils <strong>de</strong>r dualen <strong>Ausbildung</strong> gastronomischerBerufe zum <strong>Ausbildung</strong>sprofil <strong>de</strong>s Oberstufenzentrums. Damit fällt auch die Zuständigkeitfür das Projekt „Qualität <strong>und</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> <strong>im</strong> Gastgewerbe“ in die AbteilungErnährung <strong>und</strong> Hauswirtschaft.Das Projekt startete <strong>im</strong> Herbst 1998 <strong>und</strong> ist bis Frühjahr 2001 angelegt. In diesendrei Jahren nehmen alle Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Gastronomie pro Schuljahr an einemSeminartag <strong>im</strong> Haus <strong>de</strong>r AOK für das <strong>Land</strong> <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong> teil. Je<strong>de</strong>r Seminartag bestehtaus zwei Seminarbausteinen, die jeweils vor- bzw. nachmittags zum Teil vonBGN- <strong>und</strong> zum Teil von AOK-Referentinnen durchgeführt wer<strong>de</strong>n. Die Themen <strong>de</strong>rSeminare sind folgen<strong>de</strong>r Tabelle zu entnehmen:Seminare für Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong> <strong>im</strong> OSZ IIIKöche1. Lehrjahr Arbeits- <strong>und</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sschutz in <strong>de</strong>rKücheRücken fit <strong>im</strong> Job2. Lehrjahr HautschutzErnährung <strong>und</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>3. Lehrjahr VerkehrssicherheitHotel-, RestaurantfachleuteArbeits- <strong>und</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sschutz <strong>im</strong> ServiceRücken fit <strong>im</strong> JobHautschutzErfolgreicher Umgang mit StressSelbstsicher <strong>und</strong> k<strong>und</strong>enorientiert mit Gästen<strong>und</strong> Kollegen umgehenErfolgreicher Umgang mit StressIn das Projekt waren <strong>im</strong> Schuljahr 1998/1999 die Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n folgen<strong>de</strong>r Klasseneinbezogen:


Qualität <strong>und</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> <strong>im</strong> Gastgewerbe 831. Lehrjahr 2. Lehrjahr 3. Lehrjahr GesamtAzubis Klassen Azubis Klassen Azubis Klassen Azubis KlassenKoch 86 3 50 2 55 3 191 842 2 37 2 28 1 107 5Hotelfachleute 89 4 82 3 84 4 255 11RestaurantfachleuteFachgehilfenbzw. Fachkräfte<strong>im</strong>Gastgewerbe21 1 30 1 - - 51 2Gesamt 238 10 199 8 167 8 604 26Damit kamen 604 Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong> gastronomischer Berufe in <strong>de</strong>n Genuss, sich einenTeil <strong>de</strong>r Fertigkeiten <strong>und</strong> Kenntnisse entsprechend <strong>de</strong>r <strong>Ausbildung</strong>spläne aus <strong>de</strong>nVerordnungen über die Berufsausbildung in einer alternativen Unterrichtsform anzueignen.Hier heißt es für alle Berufe: <strong>im</strong> „Teil <strong>de</strong>s <strong>Ausbildung</strong>sberufsbil<strong>de</strong>s Nr. 3Sicherheit <strong>und</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sschutz bei <strong>de</strong>r Arbeit“ sind „Fertigkeiten <strong>und</strong> Kenntnisse(...) zu vermitteln“ wiea) „Gefährdung von Sicherheit <strong>und</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> am Arbeitsplatz feststellen <strong>und</strong>Maßnahmen zu ihrer Vermeidung ergreifen“b) „Berufsbezogene Arbeitsschutz- <strong>und</strong> Unfallverhütungsvorschriften anwen<strong>de</strong>n“.Die genannten Inhalte sind „während <strong>de</strong>r gesamten <strong>Ausbildung</strong>“ zu vermitteln.AOK, BGN <strong>und</strong> das Oberstufenzentrum erstellten gemeinsam einen Organisationsplan,<strong>de</strong>r es je<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r 26 Klassen ermöglichte, einen Exkursionstag zur AOK-Direktion nach Teltow durchzuführen.Die anfängliche Skepsis auf Seiten <strong>de</strong>r Schüler „Was sollen wir <strong>de</strong>nn in Teltow?“verstummte schnell. Inzwischen fragen viele Schüler „Wann sind wir <strong>de</strong>nn mit einemSeminar dran?“. Insgesamt gab es von Seiten <strong>de</strong>r Schüler, Lehrer <strong>und</strong> Referentenviel positive Resonanz. Das Seminar „Immer nur lächeln - Selbstsicher <strong>und</strong> k<strong>und</strong>enorientiertmit Gästen <strong>und</strong> Kollegen umgehen“ kam beson<strong>de</strong>rs gut an. Ziele diesesSeminars sind:- allgemeine Regeln <strong>de</strong>r Kommunikation <strong>und</strong> <strong>de</strong>r Interaktion vermitteln <strong>und</strong> erfahrbarmachen


84Anette Baumeister, Heike Die<strong>de</strong>richs- ein angemessenes <strong>und</strong> „ges<strong>und</strong>es“ Rollenverständnis <strong>im</strong> Umgang mit Gästen<strong>und</strong> KollegInnen entwickeln- Handlungs- <strong>und</strong> Entwicklungsmöglichkeiten, aber auch Grenzen erarbeiten.Rückmeldungen von Schülerinnen <strong>im</strong> Seminarbeurteilungsbogen bei <strong>de</strong>r Frage„Was fan<strong>de</strong>n Sie <strong>im</strong> Seminar beson<strong>de</strong>rs interessant?“, waren folgen<strong>de</strong>:- dass es um uns ging,- wir waren interessant <strong>und</strong> nicht nur die Gäste,- dass uns zugehört wur<strong>de</strong>,- dass man auf seine Stärken hingewiesen wur<strong>de</strong>,- man hat über eigene Probleme re<strong>de</strong>n können.6. Zwischenstand <strong>und</strong> AusblickInsgesamt wird das erste Projektjahr von allen Beteiligten als sehr erfolgreich eingeschätzt.In dieser Projektphase fan<strong>de</strong>n von Oktober 1998 bis März 1999 25 Seminartagein Teltow statt. Sowohl von SchülerInnen als auch von LehrerInnen, die alsBegleitung an <strong>de</strong>n diversen Seminaren teilgenommen haben, gab es ein gutes Feedback.Für Juli 1999 ist ein gemeinsamer Workshop mit <strong>de</strong>n Referentinnen von AOK<strong>und</strong> BGN <strong>und</strong> <strong>de</strong>n Lehrerinnen <strong>de</strong>r Abteilung Ernährung <strong>und</strong> Hauswirtschaft geplant,in <strong>de</strong>m die erste Projektphase ausgewertet <strong>und</strong> die nächste geplant wird. Zielist eine noch stärkere Integration <strong>de</strong>r Seminarthemen in <strong>de</strong>n Unterricht <strong>und</strong> in <strong>de</strong>nbetrieblichen Alltag.


Unterrichtseinheit für Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong> <strong>im</strong> Rahmeneines Mo<strong>de</strong>llprojektesDetlef Kuhn1. Das Bäckerprojekt <strong>im</strong> ÜberblickDie B<strong>und</strong>esanstalt für Arbeitsschutz <strong>und</strong> Arbeitsmedizin (BAuA) hat das Forschungsvorhabenmit <strong>de</strong>m Titel „Ges<strong>und</strong>e Betriebe <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>e Mitarbeiter <strong>im</strong> Bäckerhandwerk- Bildung eines Netzwerkes von Arbeitsschutz- <strong>und</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sakteurendurch <strong>Ausbildung</strong> <strong>und</strong> Information“ 1997 an das ZAGG Zentrum für angewandte<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sför<strong>de</strong>rung <strong>und</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>swissenschaften GmbH übertragen. In<strong>de</strong>m vorgegebenen zeitlichen Rahmen von 20 Monaten (Projekten<strong>de</strong>: Juni 1999)sollte aufbauend auf <strong>de</strong>n Erfahrungen <strong>und</strong> Produkten eines EU-Bäcker-Projektes, an<strong>de</strong>m die BAuA ebenfalls beteiligt war, eine erweiterte Konzeption erprobt wer<strong>de</strong>n.Die Erweiterung besteht in <strong>de</strong>r konkreten Zielsetzung einer Netzwerkbildung übergemeinsame Aufgabenstellungen <strong>de</strong>r Netzwerkpartner.“Ges<strong>und</strong>e Betriebe <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>e Mitarbeiter <strong>im</strong> Bäckerhandwerk- Bildung eines Netzwerkes von Arbeitsschutz- <strong>und</strong><strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sakteuren durch <strong>Ausbildung</strong> <strong>und</strong> Information”IKKBAuA/ProjektBäcker-Innung2. OSZBerlinHandwerkskammerBäckerbetriebeFachschule d.Bäckerinnung<strong>Land</strong>esbehör<strong>de</strong>nfür Arbeitsschutz +ArbeitsmedizinArbeitsmed.Dienst<strong>Land</strong>esges<strong>und</strong>heitsamt(LGA)<strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong>Abbildung 34


86Detlef KuhnDie zwei Hauptaufgaben bzw. Produkte <strong>de</strong>s Projektes sind einerseits die Entwicklung<strong>und</strong> Erprobung eines Arbeitshandbuches für Betriebsinhaber <strong>de</strong>s Bäckerhandwerkessowie an<strong>de</strong>rerseits die Entwicklung <strong>und</strong> Erprobung einer Unterrichtseinheitfür Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>. Darüber hinaus sollte sowohl eine Überprüfung <strong>de</strong>r Zielerreichungals auch Empfehlungen für <strong>de</strong>n Transfer in an<strong>de</strong>re Berufsgruppen geleistetwer<strong>de</strong>n.Die dargestellte Grobglie<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Arbeitsschritte ver<strong>de</strong>utlicht <strong>de</strong>n Gesamtaufbau<strong>de</strong>s Projektes. Parallel zu dieser Struktur gab es Netzwerksitzungen <strong>und</strong> sogenannteArenen, in <strong>de</strong>nen aufgabenbezogen, einzelne Netzwerkpartner teilnahmen.Projektplan/-ablaufRecherche:• Fragebögen- Arbeitgeber- Angestellte- Azubis• Interviews• IKK-AU-Berichte• Unfallberichte• Mo<strong>de</strong>rierte Azubi-GruppenUmsetzung:• Entwicklung <strong>und</strong>Einsatz <strong>de</strong>sArbeitsbuches• Unterrichtseinheiten• Meisterlehrgänge• Artikelserien• Lehrerfortbildung• VorträgeEvaluation:• Fragebögen- Meister- Azubis- Lehrer• Interviews- Meister- Azubis• Arenenè AbschlußberichtAbbildung 352. Aufbau <strong>und</strong> Inhalte <strong>de</strong>r Unterrichtseinheit (UE) fürAuszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>Die Konzeption <strong>de</strong>r UE sollte sich einerseits auf die Materialien <strong>de</strong>s EU-Projektesstützen, aber an<strong>de</strong>rerseits auch als ein Produkt <strong>de</strong>s Netzwerkes eine spezifische Anpassungerfahren. Aus diesem Gr<strong>und</strong> wur<strong>de</strong>n diverse Interviews mit Ausbil<strong>de</strong>rinnen<strong>und</strong> Ausbil<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r Fachschule <strong>de</strong>r Bäcker-Innung Berlin-<strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong> <strong>und</strong> <strong>de</strong>rBerliner Berufsschule (Emil-Fischer-Oberschule B 2.OSZ) durchgeführt. Hier wur<strong>de</strong>nneben <strong>de</strong>r Vorstellung <strong>de</strong>s Projektes, die Einschätzungen zum Bedarf <strong>de</strong>r Aus-


Mo<strong>de</strong>llprojekt <strong>im</strong> Bäckerhandwerk 87zubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n an diesem Themenkomplex <strong>und</strong> mögliche organisatorische Aspekte <strong>im</strong>Hinblick auf die Erprobung <strong>de</strong>r UE <strong>im</strong> Schulalltag thematisiert.Aufgr<strong>und</strong> <strong>de</strong>r günstigeren Rahmenbedingungen wur<strong>de</strong> entschie<strong>de</strong>n, die UE in <strong>de</strong>rBerufsschule durchzuführen. Die erste inhaltliche Grobplanung wur<strong>de</strong> dann <strong>de</strong>mKollegium präsentiert, erläutert <strong>und</strong> mit <strong>de</strong>n Erfahrungen <strong>de</strong>r Kolleginnen <strong>und</strong> Kollegenabgest<strong>im</strong>mt. Darüber hinaus wur<strong>de</strong> auch <strong>de</strong>r zeitliche Rahmen <strong>und</strong> die konkreteVorgehensweise festgelegt. Die somit festgelegte Struktur geht aus <strong>de</strong>r nächstenFolie hervor.“Ges<strong>und</strong>e Betriebe <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>e Mitarbeiter <strong>im</strong> Bäckerhandwerk- Bildung eines Netzwerkes von Arbeitsschutz- <strong>und</strong><strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sakteuren durch <strong>Ausbildung</strong> <strong>und</strong> Information”Rahmenbedingungen <strong>de</strong>r Unterrichtseinheitu Erster Durchgang - Juni 1998 (ca. 350 Azubis):- Vier zusammenhängen<strong>de</strong> Schulst<strong>und</strong>en (2 x 90‘)- Klassenz<strong>im</strong>mer mit üblicher Ausstattung- Halbe Klassen (ca. 12 TN)u Zweiter Durchgang - Oktober 1998 (ca. 350 Azubis):- Zwei zusammenhängen<strong>de</strong> Schulst<strong>und</strong>en- Teilweise halbe KlassenAbbildung 36Vor <strong>de</strong>m ersten Durchgang wur<strong>de</strong>n in fünf Klassen mo<strong>de</strong>rierte Gruppeninterviewszu <strong>de</strong>m geplanten Vorhaben durchgeführt, um das tatsächliche Interesse <strong>und</strong> die unterschiedlichenBedarfe in einer qualitativen Erhebungsform berücksichtigen zukönnen. Außer<strong>de</strong>m wur<strong>de</strong>n alle Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s ersten Lehrjahres mittels Fragebogenbefragt. Die Auswertungen dieser Recherchen <strong>und</strong> die Beratungen <strong>im</strong>Netzwerk führten dann zu <strong>de</strong>r endgültigen Ausgestaltung <strong>de</strong>r UE, die in <strong>de</strong>r folgen<strong>de</strong>nGlie<strong>de</strong>rung dargestellt ist.Die einzelnen Themen wur<strong>de</strong>n sowohl als eigenständige Module als auch in einemlogischen Zusammenhang konzipiert. Das übergeordnete Ziel war, mit <strong>de</strong>n Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>nin Gespräche über diese Themen zu kommen. Das heißt, nicht die Vermittlungvon Inhalten <strong>und</strong> Detailwissen zu diesen Modulen stand <strong>im</strong> Vor<strong>de</strong>rgr<strong>und</strong>,


88Detlef Kuhnson<strong>de</strong>rn das Gespräch über die unterschiedlichen Zusammenhänge von Arbeit <strong>und</strong><strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>, die Möglichkeiten <strong>de</strong>r <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sför<strong>de</strong>rung <strong>und</strong> dies mit <strong>de</strong>r pr<strong>im</strong>ärenAusrichtung auf die Reflexion <strong>de</strong>r eigenen Situation.3. Metho<strong>de</strong>n <strong>und</strong> eingesetzte Materialien“Ges<strong>und</strong>e Betriebe <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>e Mitarbeiter <strong>im</strong> Bäckerhandwerk- Bildung eines Netzwerkes von Arbeitsschutz- <strong>und</strong><strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sakteuren durch <strong>Ausbildung</strong> <strong>und</strong> Information”Unterrichtseinheit für „Bäcker-Azubis“Metho<strong>de</strong>nMaterialu Frontalunterricht/“Inputs“u Gruppendiskussionenu Kleingruppenarbeitu Praktische Übungenu Rollenspieleu Fallbeispiele/Reflexionu Folienu Arbeitsbögenu Teilnehmer-MappenAbbildung 37Die benannten Metho<strong>de</strong>n in einem abwechslungsreichen „Mix“ <strong>und</strong> die vorbereitetenMaterialien bieten eine gute Voraussetzung, um die genannten Ziele zu erreichen.Jedoch sollte nicht verschwiegen wer<strong>de</strong>n, dass die tatsächliche Umsetzung in<strong>de</strong>n einzelnen Klassen nicht nur sehr unterschiedlich gelungen ist, son<strong>de</strong>rn auch häufiger,trotz <strong>de</strong>r Recherchen vorab, nicht die Mehrheit <strong>de</strong>r Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n interessierte.Dennoch for<strong>de</strong>rten sie in <strong>de</strong>r Abschlussbefragung (drei Monate nach Abschluss<strong>de</strong>r Durchführung), dass diese Inhalte fest in die Berufsschulausbildung aufgenommenwer<strong>de</strong>n müssten <strong>und</strong> mehr Möglichkeiten für eine solche Form <strong>de</strong>r Unterrichtsgestaltung(Gruppengespräche, Reflexion <strong>de</strong>r Arbeitssituation, Entwicklungvon Perspektiven u. v. m) gegeben sein sollten.Die Ergebnisse <strong>de</strong>r Befragungen <strong>und</strong> Erfahrungen mit <strong>de</strong>r UE <strong>de</strong>cken sich ten<strong>de</strong>nziellmit aktuellen Untersuchungen (Befragungen von mehreren Tausend Jugendli-


Mo<strong>de</strong>llprojekt <strong>im</strong> Bäckerhandwerk 89chen), die Marstedt <strong>und</strong> Müller für die Gmün<strong>de</strong>r Ersatzkasse (GEK) <strong>und</strong> <strong>de</strong>n B<strong>und</strong>esverband<strong>de</strong>r Innungskrankenkassen (IKK) durchgeführt haben.4. Relevanz für die Praxis anhand <strong>de</strong>r gemachten Erfahrungen bei<strong>de</strong>r Umsetzung dieser EU <strong>und</strong> notwendige Perspektiven“Ges<strong>und</strong>e Betriebe <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>e Mitarbeiter <strong>im</strong> Bäckerhandwerk- Bildung eines Netzwerkes von Arbeitsschutz- <strong>und</strong><strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sakteuren durch <strong>Ausbildung</strong> <strong>und</strong> Information”Relevanz für die Praxis, Perspektiven (1):u Der modulare Aufbau <strong>de</strong>r UE ermöglicht einen flexiblen Einsatzin <strong>de</strong>r Berufsschule <strong>und</strong> <strong>de</strong>r Fachschule <strong>de</strong>r Bäcker-Innung.u Die Ausstattung <strong>de</strong>r Schulen mit Basismaterial (Foliensätze,CD-ROM, Lehrerleitfa<strong>de</strong>n, weitere Informationsmaterialien)unterstützt nur diejenigen Lehrkräfte, die Interesse an diesenThemen/Metho<strong>de</strong>n haben.u Lehrerfortbildungen zum Thema Arbeit <strong>und</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> (<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sför<strong>de</strong>rung)sind nicht nur erwünscht, son<strong>de</strong>rn auchnotwendig, um die Ziele dieser UE zu verwirklichen.Abbildung 38Die langfristige Perspektive für <strong>de</strong>n Transfer <strong>de</strong>r UE machte einen modularen Aufbaunotwendig. Nicht wie <strong>im</strong> Projekt, aufgr<strong>und</strong> <strong>de</strong>r organisatorischen Rahmenbedingungenin einem Block, sollte die Möglichkeit bestehen, Themen aus diesem Gesamtkomplexin <strong>de</strong>n „normalen“ Berufsschulalltag integrieren zu können. Das heißt,die Ausbil<strong>de</strong>rinnen <strong>und</strong> Ausbil<strong>de</strong>r entschei<strong>de</strong>n, welche Teilbereiche in <strong>de</strong>n geplantenUnterricht eingebaut wer<strong>de</strong>n sollen.Dies wird ihnen durch die <strong>im</strong> Projekt erstellten Materialien (Foliensatz, CD-ROMetc.) ermöglicht, sogar mit <strong>de</strong>r Chance, die vorgegebenen Folien <strong>und</strong> Arbeitsbögennoch entsprechend <strong>de</strong>s aktuellen Bedarfs umzugestalten.Um die Wichtigkeit dieses Themenkomplexes zu ver<strong>de</strong>utlichen <strong>und</strong> ausreichendSicherheit <strong>im</strong> Umgang mit diesen Materialien <strong>und</strong> Metho<strong>de</strong>n zu geben, müssen entsprechen<strong>de</strong>Lehrerfortbildungen umgesetzt wer<strong>de</strong>n. Die <strong>im</strong> Rahmen <strong>de</strong>s Projektesdurchgeführten Lehrerfortbildungen zeigten, dass nicht nur ein enormer Bedarf an


90Detlef Kuhn<strong>de</strong>n theoretischen, son<strong>de</strong>rn auch an <strong>de</strong>n praktischen Inhalten bestand. Das be<strong>de</strong>utet,dass hierfür die üblichen Veranstaltungen nicht ausreichen wür<strong>de</strong>n, son<strong>de</strong>rn vielmehrmehrtägige Fortbildungen angeboten wer<strong>de</strong>n müssten. Der damit verb<strong>und</strong>eneAufwand spricht jedoch nicht für eine hohe Wahrscheinlichkeit <strong>de</strong>r Realisierung.“Ges<strong>und</strong>e Betriebe <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>e Mitarbeiter <strong>im</strong> Bäckerhandwerk- Bildung eines Netzwerkes von Arbeitsschutz- <strong>und</strong><strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sakteuren durch <strong>Ausbildung</strong> <strong>und</strong> Information”Relevanz für die Praxis, Perspektiven (2):u Rahmenpläne (die Inhalte) <strong>de</strong>r Berufs- <strong>und</strong> Fachschulen (<strong>und</strong>somit auch die Qualifizierung <strong>de</strong>r Lehrkräfte) müssen auf dieaktuellen Situationen (Bedürfnisse) angepaßt wer<strong>de</strong>n.u Bei <strong>de</strong>n aktuellen Perspektiven <strong>de</strong>r Azubis, sollte die <strong>Ausbildung</strong>nicht auf die eigentliche Berufsausbildung begrenzt bleiben.u Interesse bei <strong>de</strong>n Azubis wird nur dann geweckt, wenn dasAngebot einen Beitrag zur Lösung <strong>de</strong>r Probleme leisten kann.u Übergeordnete Lernziele:- besseres Kommunikationsverhalten- Stärkung <strong>de</strong>r sozialen Kompetenz <strong>und</strong>- eine konstruktive Problemlösekompetenzsollten in <strong>de</strong>r <strong>Ausbildung</strong> mehr Berücksichtigung fin<strong>de</strong>n.Abbildung 39Die Bedarfe <strong>de</strong>r Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n <strong>und</strong> <strong>de</strong>ren aktuelle Lebenssituation mit <strong>de</strong>n zumin<strong>de</strong>st<strong>im</strong> Bäckerhandwerk trostlosen Perspektiven, sollten auch zunehmend mehr Berücksichtigungin <strong>de</strong>n <strong>Ausbildung</strong>splänen <strong>de</strong>r Schulen fin<strong>de</strong>n. Es macht keinen Sinn,an teilweise recht veralteten Inhalten festzuhalten <strong>und</strong> <strong>de</strong>n Unterricht nicht mehr aufallgemeine, übergeordnete Qualifikationen (Lernziele), die auch für an<strong>de</strong>re Tätigkeitennutzbar wären, auszurichten. Die somit verstärkte Anfor<strong>de</strong>rung an eine konsequentere„Ankopplung“ wür<strong>de</strong> das Interesse <strong>de</strong>r Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n nicht nur an dieserThematik erhöhen. Das be<strong>de</strong>utet jedoch, dass die Umsetzung nicht nur auf dasEngagement <strong>und</strong> die Flexibilität <strong>de</strong>r Lehrkräfte abgeschoben wer<strong>de</strong>n darf bzw. dieseEntwicklung <strong>de</strong>m Zufall überlassen wer<strong>de</strong>n dürfte, son<strong>de</strong>rn ein<strong>de</strong>utig an vor<strong>de</strong>rsterStelle die Verantwortung <strong>de</strong>r Politik <strong>und</strong> <strong>de</strong>r <strong>Land</strong>esministerien eingefor<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>nmüsste.


Mo<strong>de</strong>llprojekt <strong>im</strong> Bäckerhandwerk 915. Thesen zur Unterrichtseinheit bei <strong>de</strong>n Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>nDie in <strong>de</strong>r Folie ohne Rangfolge aufgelisteten Thesen spiegeln einerseits Erfahrungen<strong>de</strong>s Autors wi<strong>de</strong>r, sollen an<strong>de</strong>rerseits aber auch weitere Fragen aufwerfen, umdie Auseinan<strong>de</strong>rsetzung <strong>und</strong> Weiterentwicklung dieses Komplexes anzuregen. Zuberücksichtigen ist jedoch, dass die geschil<strong>de</strong>rte Situation in diesem Projekt, in dieserRegion <strong>und</strong> vor allem in dieser Berufsgruppe <strong>de</strong>utliche Spezifika aufweist, diesich in <strong>de</strong>r Ausprägung nicht mit an<strong>de</strong>ren Untersuchungen <strong>und</strong> Projekten bei Jugendlichen<strong>de</strong>ckt.“Ges<strong>und</strong>e Betriebe <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>e Mitarbeiter <strong>im</strong> Bäckerhandwerk- Bildung eines Netzwerkes von Arbeitsschutz- <strong>und</strong><strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sakteuren durch <strong>Ausbildung</strong> <strong>und</strong> Information”Thesen zur Unterrichtseinheit bei <strong>de</strong>n Azubis:u Azubis haben einen hohen Bedarf (ges<strong>und</strong>heitl. Probleme,Schwierigkeiten <strong>im</strong> Beruf, Ausnutzung, Perspektivlosigkeit ...).u Azubis haben eine sehr realistische Einschätzung zu <strong>de</strong>n betrieblichenBedingungen (Verän<strong>de</strong>rungen/Verbesserungen).u Themen <strong>und</strong> Ansätze <strong>de</strong>r Unterrichtseinheit för<strong>de</strong>rn I<strong>de</strong>en <strong>und</strong>neue Handlungsmöglichkeiten.u Die Schulen sollten Raum zur Reflexion <strong>de</strong>r <strong>Ausbildung</strong>ssituationbieten (Gestaltungskräfte för<strong>de</strong>rn).u Praktische Angebote (Berufsschulsport, arbeitsplatzbezogeneMaßnahmen in <strong>de</strong>r Fachschulausbildung ...) hätten vielleichtgrößere Wirkungen bei <strong>de</strong>n Azubis erzeugt.Abbildung 40Die hier nicht dargestellten Befragungsergebnisse 4 belegen <strong>de</strong>n hohen Bedarf, zumeinen aufgr<strong>und</strong> <strong>de</strong>r schon beträchtlichen ges<strong>und</strong>heitlichen Beschwer<strong>de</strong>n (pr<strong>im</strong>är Allergien<strong>und</strong> Rückenbeschwer<strong>de</strong>n) <strong>und</strong> zum an<strong>de</strong>ren wegen <strong>de</strong>r recht massiven Problememit <strong>de</strong>r Arbeitssituation sowie <strong>de</strong>r wahrscheinlich zu erwarten<strong>de</strong>n Arbeitslosigkeit.Des Weiteren besteht große Unzufrie<strong>de</strong>nheit, da die Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>nseltensten Fällen ihre vorhan<strong>de</strong>nen Ressourcen in angemessener Form einbringenkönnen.4 Siehe dazu Hauss, F., Kuhn, D.: Ges<strong>und</strong>e Betriebe <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>e Mitarbeiter <strong>im</strong> Bäckerhandwerk,Schriftenreihe <strong>de</strong>r B<strong>und</strong>esanstalt für Arbeitsschutz <strong>und</strong> Arbeitsmedizin, Fb 884, Dortm<strong>und</strong>,Berlin 2000.


92Detlef KuhnDie Schule könnte sehr gut einige dieser Lücken schließen <strong>und</strong> in dieser HinsichtBegleitung <strong>und</strong> Unterstützung anbieten. Sicherlich bietet <strong>de</strong>r Themenkomplex dieserUnterrichtseinheit hierzu gute Voraussetzungen, da <strong>de</strong>ren Ten<strong>de</strong>nz auf eine sinnvolleNutzung von Humanressourcen abzielt.Die Frage nach praktischer <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sför<strong>de</strong>rung <strong>im</strong> Rahmen <strong>de</strong>s Sportunterrichteswur<strong>de</strong> von <strong>de</strong>n Berliner Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern häufig gestellt, da <strong>im</strong> Gegensatzzu <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong> einerseits nur ein Berufsschultag pro Woche <strong>und</strong> zu<strong>de</strong>m nicht dasFach Sport angeboten wird. Hierüber wären zweifelsfrei nützliche Ergänzungen zurbestehen<strong>de</strong>n UE zu erzielen, aber keinesfalls die übergeordneten Lernziele erreichbar.


Erfahrungen mit einem Seminarkonzept fürAuszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong> aus MetallberufenKlaus TöpferAls empfehlenswertes Praxisbeispiel wird hier das Seminarkonzept einer halbwöchigen<strong>Ausbildung</strong> unserer Berufsgenossenschaft für Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong> aus Metallberufenvorgestellt. Im Gegensatz zu <strong>de</strong>n meisten übrigen Beiträgen han<strong>de</strong>lt es sich umkein kurzzeitiges Projekt, son<strong>de</strong>rn stellt eine feste Größe <strong>im</strong> <strong>Ausbildung</strong>splan unserer<strong>Ausbildung</strong>sstätten dar. Dass es genutzt wird, zeigt <strong>de</strong>r Jahresbericht 1998. Danachwar fast je<strong>de</strong>r fünfte Teilnehmer an Sicherheitslehrgängen ein Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>r.Es informiert über Gefährdungen in <strong>de</strong>n Unternehmen <strong>und</strong> <strong>im</strong> Straßenverkehr, wirdjugendgerecht dargeboten <strong>und</strong> stellt eine Gr<strong>und</strong>ausbildung dar, auf die in <strong>de</strong>n Unternehmen<strong>und</strong> <strong>Ausbildung</strong>szentren in <strong>de</strong>r weiteren <strong>Ausbildung</strong> erfolgreich aufgebautwer<strong>de</strong>n kann.1. Die Teilnehmer müssen lernen wollenDie Kenntnisvermittlung erfolgt durch mo<strong>de</strong>rne <strong>und</strong> aktivieren<strong>de</strong> Unterrichts- <strong>und</strong>Seminarprinzipien. Die Lehrgangsteilnehmer wer<strong>de</strong>n zum aktiven Mit- bzw. Selbstgestalter<strong>de</strong>s Unterrichtsgeschehens. Die Erfahrungen, Meinungen, Überlegungen<strong>und</strong> kreativen Gedanken <strong>de</strong>r Teilnehmer best<strong>im</strong>men <strong>de</strong>n Unterrichtsablauf wesentlichmit. Eine <strong>de</strong>rartige Zielgruppenorientierung mit problembezogenen Inhalten istbei Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n beson<strong>de</strong>rs wichtig.Die Lehrgangsinhalte für die Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n müssen <strong>de</strong>shalb relativ offen sein. Dasheißt, Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong> wählen aus einer begrenzten Anzahl von vorgestellten Themenaus. Damit wird ein erstes Hin<strong>de</strong>rnis in <strong>de</strong>r Einstellung zur <strong>Ausbildung</strong> überw<strong>und</strong>en<strong>und</strong> das „Wollen“ <strong>de</strong>r Teilnehmer für die Wissensaufnahme günstig beeinflusst. Erfahrungenzeigen speziell bei Jugendlichen, dass unter diesen Bedingungen Kreativität,Einsatzbereitschaft <strong>und</strong> Entschlossenheit, best<strong>im</strong>mte Aufgaben zu lösen, besserzur Entfaltung kommen.Die freie Themenwahl allein ist jedoch keine ausreichen<strong>de</strong> Lernmotivation. Das„Wie“ <strong>de</strong>r Themenbearbeitung ist ebenso wichtig <strong>und</strong> entschei<strong>de</strong>nd für <strong>de</strong>n Erfolg.Arbeit in Kleingruppen mit etwa fünf Teilnehmern bietet dazu eine beson<strong>de</strong>rs guteMöglichkeit.


94Klaus TöpferHier einige Vorteile (keine Reihenfolge nach Be<strong>de</strong>utsamkeit):- die Teilnehmer wer<strong>de</strong>n gefragt <strong>und</strong> sind dadurch eingeb<strong>und</strong>en <strong>und</strong> engagiert- das Ergebnis wird durch die Erfahrung <strong>de</strong>r Gruppe geprägt- je<strong>de</strong>r Teilnehmer leistet einen Beitrag <strong>und</strong> durch die Gruppendynamik ist dasGruppenergebnis nicht nur die Addition <strong>de</strong>r Einzelergebnisse- ruhige <strong>und</strong> zurückhalten<strong>de</strong> Teilnehmer entfalten sich in <strong>de</strong>r Gruppe besser- die Ergebnisse in Form von Anschauungstafeln, Plakaten u. a. können mitgenommen,in <strong>de</strong>r Werkstatt ausgehängt <strong>und</strong> in <strong>de</strong>n weiteren <strong>Ausbildung</strong>sprozesseinbezogen wer<strong>de</strong>n.2. Ablauf <strong>de</strong>r SeminareDie Themenvorschläge für das Seminar wer<strong>de</strong>n vorher gemeinsam mit <strong>de</strong>n Ausbil<strong>de</strong>rnin <strong>de</strong>n betreffen<strong>de</strong>n Betrieben erarbeitet, z. B.- <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sgefährdung durch Lärmeinwirkung- Gefährdungen be<strong>im</strong> Umgang mit Handwerkszeugen- Gefahren durch <strong>de</strong>n elektrischen Strom- Sicheres „Anschlagen“ von Lasten- Gefährdungen be<strong>im</strong> Umgang mit Gabelstaplern- Arbeiten in engen Räumen- Ergonomische Probleme am Büro- <strong>und</strong> Computer-Arbeitsplatz- Sicherheit <strong>im</strong> Straßenverkehr- Brand- <strong>und</strong> Explosionsgefahr- Persönliche Schutzausrüstung be<strong>im</strong> Schweißen.Dementsprechend wer<strong>de</strong>n die Hilfs- <strong>und</strong> Arbeitsmittel für das Seminar <strong>und</strong> dieGruppenarbeiten <strong>de</strong>r Kleingruppen ausgewählt <strong>und</strong> bereitgestellt, insbeson<strong>de</strong>re- Anschauungsmittel- Betriebsmittel aus betreffen<strong>de</strong>n Unternehmen- Medien wie Filme, Vi<strong>de</strong>os, Folien <strong>und</strong> Lesematerial, Metaplan-Wand, Flipchart,Copy-Tafel- Labortechnik zur Durchführung von Versuchen- Mess- <strong>und</strong> Prüfgeräte.Die Ausbil<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>n Betrieben führen Einzel- <strong>und</strong> Gruppengespräche mit <strong>de</strong>n Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n<strong>und</strong> ver<strong>de</strong>utlichen die Ziele <strong>de</strong>r vorgesehenen Veranstaltung. Dabeiliegt <strong>de</strong>r Schwerpunkt <strong>de</strong>r Argumentation in <strong>de</strong>r Erzielung einer positiven Bereitschaftzur Fortbildung in Bezug auf Arbeitssicherheit <strong>und</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sschutz.Nach <strong>de</strong>r Begrüßung stellen sich die Teilnehmer vor <strong>und</strong> berichten über Berührungspunktemit <strong>de</strong>m Arbeitsschutz <strong>im</strong> Unternehmen. Dabei wer<strong>de</strong>n zur Zielorien-


Seminarkonzept für Metallberufe 95tierung die Aufgaben <strong>und</strong> Ziele <strong>de</strong>r Berufsgenossenschaft erläutert <strong>und</strong> mit einemFilm ver<strong>de</strong>utlicht. Nach<strong>de</strong>m alle offenen Fragen beantwortet sind, wer<strong>de</strong>n die zurBearbeitung durch die Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n ausgewählten Themen vorgestellt. DieseKurzdarstellung mit Beispielen aus <strong>de</strong>m Unternehmen hilft <strong>de</strong>n Teilnehmern, sichfür die Bearbeitung eines <strong>de</strong>r Themen in <strong>de</strong>r Gruppe zu entschei<strong>de</strong>n.Nach Zusammenstellung <strong>de</strong>r Kleingruppen (max<strong>im</strong>al fünf Teilnehmer) wer<strong>de</strong>n dievorgesehenen Ausarbeitungen unter ein Leitmotiv gestellt, das zur Orientierung <strong>de</strong>rTeilnehmer beiträgt.Die bei Kurzunterweisung in <strong>de</strong>n Mitgliedsunternehmen vielfach erprobten <strong>und</strong> bewährtenFragen- Was gibt es für Gefahren <strong>und</strong> Gefährdungen?- Was kann dabei passieren?- Wie können wir uns schützen?geben eine Zielorientierung für die Gruppenarbeit.Die Gruppenarbeit selbst wird unterstützt durch die Referenten. Sie geben Hinweisezur Bearbeitungsstrategie sowie zur notwendigen Handhabung <strong>de</strong>r Technik <strong>und</strong> Medien.Dies hilft <strong>de</strong>n Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n, bei <strong>de</strong>r anschließen<strong>de</strong>n Präsentation sicher aufzutreten<strong>und</strong> auch diesbezüglich eine Erfahrung zu gewinnen.Nach einer <strong>de</strong>r Thematik angemessenen Bearbeitungszeit stellen die Gruppen ihreArbeitsergebnisse vor. Dabei gilt das Prinzip, dass jeweils alle Gruppenmitglie<strong>de</strong>reinen Beitrag leisten.Die Erfahrung zeigt, dass die Gruppenbetreuer nur in ganz seltenen Fällen in dieAussprache eingreifen müssen. Am Vortragsen<strong>de</strong> wer<strong>de</strong>n die Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n auchschon einmal mit einem kleinen Wissenstest überrascht. Die dabei erzielten gutenErgebnisse sind <strong>de</strong>r Lohn für angestrengte St<strong>und</strong>en <strong>de</strong>r Arbeit.


<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> in <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sberufenKarin SötjeDer Verein Forum Arbeit e.V./KDA 5 führt seit Mitte <strong>de</strong>r 80er Jahre Bildungsurlaubs-<strong>und</strong> Tagesseminare für Berufsschulklassen zum Thema „Arbeit <strong>und</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>“durch. Die Teilnehmer sind Berliner <strong>und</strong> <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong>er Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong> austypischen Handwerksberufen wie Maler, Lackierer, Bauschlosser, Gas- <strong>und</strong> Wasserinstallateure(Czock 1990, Panke 1992, Kuhn 1997). Seit Mitte <strong>de</strong>r 90er Jahrebietet „Forum Arbeit e.V.“ Tagesseminare zu diesem Thema auch für Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>in <strong>de</strong>n „typisch weiblichen“ <strong>Ausbildung</strong>sberufen <strong>de</strong>r Arzt- <strong>und</strong> Zahnarzthelferinan. Ein erster Vergleich mit <strong>de</strong>n Azubis <strong>de</strong>r Baunebenberufe zeigt einerseits- Differenzen in <strong>de</strong>n Bildungsvoraussetzungen. Die angehen<strong>de</strong>n Arzt- <strong>und</strong> Zahnarzthelferinnenverfügen i. d. R. über einen Realschulabschluss, einige auch überdas Abitur. Die männlichen Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n aus <strong>de</strong>n Handwerksberufen habendagegen i. d. R. <strong>de</strong>n erweiterten o<strong>de</strong>r einfachen Hauptschulabschluss. Aber guteBildungsabschlüsse allein reichen für eine „Wunschlehre“ anscheinend nichtaus: Nur 16 % <strong>de</strong>r angehen<strong>de</strong>n Arzt- <strong>und</strong> Zahnarzthelferinnen bezeichnen ihre<strong>de</strong>rzeitige <strong>Ausbildung</strong> als „erste Wahl“ (Gelhardt, Kohlmeyer, Theisen 1995).Mädchen sind trotz guter Schulabschlüsse eine benachteiligte Gruppe, die verzichtenmuss.An<strong>de</strong>rerseits gibt es strukturelle Ähnlichkeiten wie:- die geschlechtsspezifische „Geschlossenheit“; Arzt- <strong>und</strong> Zahnarzthelferin ist eintypischer, häufig gewählter Frauenberuf, in <strong>de</strong>m nur vereinzelt junge Männerausgebil<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n. In Berlin stellt dieser Bereich die zweithöchste Zahl an<strong>Ausbildung</strong>splätzen für junge Frauen; spiegelbildlich trifft das auch für die obenaufgeführte „Männerwelt“ <strong>de</strong>r Handwerksberufe zu; 6- die eher patriarchalischen <strong>und</strong> paternalistischen Strukturen von Kleinbetrieben;in <strong>de</strong>r Mehrzahl <strong>de</strong>r <strong>Ausbildung</strong>spraxen arbeiten weniger als 10 Beschäftigte.5 Forum Arbeit e. V. führt die pädagogische Arbeit <strong>de</strong>s - aufgelösten - Kirchlichen Dienstes in<strong>de</strong>r Arbeitswelt (KDA) Berlin-<strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong> weiter.6 Berufsbildungsbericht 1999.


98Karin SötjeDiese Ähnlichkeiten in <strong>de</strong>n Rahmenbedingungen lassen zunächst vergleichbareProbleme für bei<strong>de</strong> Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>ngruppen vermuten. Aber welche Rolle spielt -neben Berufsbil<strong>de</strong>rn - die geschlechtsspezifische Sicht auf die Anfor<strong>de</strong>rungen <strong>und</strong>Belastungen, auf die Wahrnehmung <strong>de</strong>r interessanten <strong>und</strong> langweiligen Seiten <strong>de</strong>sBerufs? Die Jugendges<strong>und</strong>heitsforschung 7 hat in <strong>de</strong>n letzten Jahren verstärkt diegeschlechtsspezifischen Differenzen <strong>im</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sverhalten <strong>und</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sbewusstseinvon Jugendlichen zum Thema gemacht. Lei<strong>de</strong>r befassen sich nur wenigeUntersuchungen mit <strong>de</strong>m entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Wechsel von <strong>de</strong>r Schule in <strong>de</strong>n Beruf <strong>und</strong>mit <strong>de</strong>r Frage, wie Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong> betriebliche <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>s- <strong>und</strong> Verhaltensnormenin ihre persönlichen <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>skonzepte integrieren (Marstedt, Müller 1998) 8 . DerÜbergang von <strong>de</strong>r Schule in <strong>de</strong>n Beruf stellt die Azubis vor vielfältige neue Anfor<strong>de</strong>rungen<strong>und</strong> kostet gera<strong>de</strong> <strong>im</strong> ersten Jahr <strong>de</strong>r <strong>Ausbildung</strong> viel Kraft. Im Betriebwird <strong>de</strong>shalb schnell nachgemacht, was die „Alten“ vormachen. Vieles davon isthilfreich <strong>und</strong> entlastend, aber häufig wer<strong>de</strong>n auch ges<strong>und</strong>heitsgefähr<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Routinenangenommen, über die sich niemand mehr Gedanken macht. Wer 20 Jahre lang überKabelsalat steigt, wird hierin keine Gefährdung mehr sehen können. Wenn das injungen Jahren entwickelte <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sverhalten, aber relativ stabil bleibt - so einErgebnis <strong>de</strong>r <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sforschung -, kann ein frühzeitig entwickeltes Problembewusstsein<strong>und</strong> Selbst-Bewusstsein zur entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Ressource bei <strong>de</strong>r Vermeidunglangfristiger <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sschä<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n. Betriebliche <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>spräventionmuss <strong>de</strong>shalb <strong>im</strong> ersten <strong>Ausbildung</strong>sjahr beginnen.1. Die Seminare „Arbeit <strong>und</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>“: Konzept - Metho<strong>de</strong> -Durchführung9Das Motto: „Gefahr erkannt - Gefahr gebannt“ ist zwar griffig, aber als Prämisse füreinen wirksamen <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sschutz unzureichend, wenn nicht sogar falsch. „Aufklärung“erzeugt beson<strong>de</strong>rs bei jungen Menschen nur wenig Motivation für verän<strong>de</strong>rtesHan<strong>de</strong>ln. Die Ergebnisse <strong>de</strong>r Jugendges<strong>und</strong>heitsforschung belegen, dass <strong>de</strong>rerhobene Zeigefinger weniger für „Achtung!“ steht als für die Richtung, in die Verbote<strong>und</strong> gut gemeinte Hinweise sich verflüchtigen. Auf die Frage, warum Men-7 Insbeson<strong>de</strong>re die Mitarbeiter/-innen <strong>de</strong>r Fakultät für <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>swissenschaften <strong>und</strong> <strong>de</strong>s Son<strong>de</strong>rforschungsbereich227 "Prävention <strong>und</strong> Intervention <strong>im</strong> Kin<strong>de</strong>s- <strong>und</strong> Jugendalter" <strong>de</strong>r UniversitätBielefeld haben zu diesem Themenbereich geforscht.8 Es ist die aktuellste Untersuchung in diesem Forschungsneuland <strong>und</strong> heißt "Ges<strong>und</strong>er Start insHandwerk", in <strong>de</strong>r über 3.700 Azubis aus NRW zu <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> <strong>und</strong> <strong>Ausbildung</strong> befragt wur<strong>de</strong>n.9 Die Konzeptentwicklung, Durchführung <strong>und</strong> Auswertung <strong>de</strong>r Seminare wur<strong>de</strong>n finanziert aus<strong>de</strong>m För<strong>de</strong>rprogramm Frauenforschung <strong>de</strong>s Berliner Senats für Arbeit, Berufliche Bildung<strong>und</strong> Frauen.


<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> in <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sberufen 99schen - auch wi<strong>de</strong>r besseres Wissen - ihre <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> gefähr<strong>de</strong>n, gibt es nicht nureine Antwort. Die Suche nach Grün<strong>de</strong>n <strong>und</strong> <strong>de</strong>m subjektiven Sinn ges<strong>und</strong>heitsgefähr<strong>de</strong>n<strong>de</strong>nHan<strong>de</strong>lns führt in Wertewelten, in <strong>de</strong>nen Männlichkeit <strong>und</strong> Weiblichkeit,gesellschaftlicher Status <strong>und</strong> soziale Anerkennung, Arbeits- <strong>und</strong> Berufsethos einegroße Rolle spielen. Diese Werte fin<strong>de</strong>n sich auch in <strong>de</strong>n Arbeitskulturen <strong>de</strong>r Berufe<strong>und</strong> Betriebe wie<strong>de</strong>r, die das Miteinan<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Arbeit weitaus mehr als formelleVorgaben beeinflussen. Für je<strong>de</strong>n Azubi gelten <strong>de</strong>shalb an<strong>de</strong>re Regeln, mit <strong>de</strong>nener/sie sich <strong>im</strong> Laufe <strong>de</strong>r Verberuflichung auseinan<strong>de</strong>r setzen muss. Die beruflicheI<strong>de</strong>ntität entwickelt sich auch - unterhalb <strong>de</strong>r Ebene rein fachlicher Wissensaneignung- <strong>im</strong> Zuge <strong>de</strong>s sich Einfügens <strong>und</strong> Teilhabens am Arbeitsalltag. Dieser Prozessist von Wi<strong>de</strong>rsprüchen geprägt <strong>und</strong> beinhaltet für viele Azubis eine Gratwan<strong>de</strong>rungzwischen Hinnehmen <strong>und</strong> Ablehnen von - auch ges<strong>und</strong>heitsgefähr<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n - Zumutungen.Gleichwohl ist auch bei <strong>de</strong>n Azubis die verbreitete Haltung anzutreffen, dassdie Vernutzung <strong>de</strong>r <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> <strong>de</strong>r Preis ist, <strong>de</strong>n man für ein Arbeitsleben zu zahlenhat. Dass <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> eine Gr<strong>und</strong>bedingung individueller <strong>und</strong> gesellschaftlicherLeistungsfähigkeit ist, tritt erst dann in <strong>de</strong>n Vor<strong>de</strong>rgr<strong>und</strong>, wenn Krankheit sie behin<strong>de</strong>rt.Wie kann diesem Problem in <strong>de</strong>n Seminaren Rechnung getragen wer<strong>de</strong>n?Die Frage nach <strong>de</strong>m subjektiven Sinn, nach i<strong>de</strong>ntitätsstiften<strong>de</strong>n- <strong>und</strong> gefähr<strong>de</strong>n<strong>de</strong>nPotentialen <strong>de</strong>s Arbeitsalltags erweist sich als produktiver Zugang für die gemeinsameDiskussion <strong>de</strong>s Themas „Arbeit <strong>und</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>“. Wir eröffnen vor diesemHintergr<strong>und</strong> das Seminar mit <strong>de</strong>r Frage „nach <strong>de</strong>m Schönen <strong>und</strong> <strong>de</strong>m Schweren in<strong>de</strong>r Arbeit“. Ohne die vorschnelle Einengung auf „Belasten<strong>de</strong>s“ erweist sie sich alsaufschlussreicher Zugang zu <strong>de</strong>n Arbeitserfahrungen <strong>de</strong>r Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n. Dereninnere Kämpfe <strong>und</strong> Unsicherheiten, ihre Auseinan<strong>de</strong>rsetzungen mit Kolleginnen <strong>und</strong>Ausbil<strong>de</strong>r/-innen, aber auch ihr Umgang mit Zeit <strong>und</strong> Kraft, mit ihrem Körper <strong>und</strong>seinen Grenzen, mit Vorlieben für <strong>und</strong> Abneigungen gegen best<strong>im</strong>mte Tätigkeiten,ihre Zukunftswünsche <strong>und</strong> Überlegungen über <strong>de</strong>n Sinn <strong>de</strong>r Arbeit sind als situative,konkrete Ausgangspunkte einer Deutung zugänglich. Die gemeinsame Sammlung<strong>und</strong> Ordnung von Erfahrungen, das Re<strong>de</strong>n über Erfolge <strong>und</strong> Misserfolge, über Kränken<strong>de</strong>s<strong>und</strong> Belasten<strong>de</strong>s schärfen <strong>de</strong>n Blick auf die eigene Arbeitssituation, sensibilisierendie Wahrnehmung von psychischen <strong>und</strong> körperlichen Befindlichkeiten alspersönliche „Antworten“ auf die geschil<strong>de</strong>rten Verhältnisse <strong>und</strong> stellen vertrauteVerhaltensweisen infrage. Zugleich erfolgt <strong>im</strong> Gespräch ein Austausch über die unterschiedlichen<strong>Ausbildung</strong>sbedingungen in <strong>de</strong>n Betrieben, darüber, wie man sich inihnen „am besten“ bewegt <strong>und</strong> welche Möglichkeiten es gibt, die eigenen Interessenzu vertreten. „<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>“ erscheint so für die Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n in einem neuen Zusammenhang.Während <strong>de</strong>r Seminare arbeiten wir in Kleingruppen von ca. 8 Teilnehmerinnen.Das Gespräch in <strong>de</strong>r Form eines kurzen ca.15-minütigen Interviews wird von einem/rMitarbeiter/-in geführt, <strong>und</strong> die Einstiegsfrage richtet sich an je<strong>de</strong> Auszubil-


100Karin Sötje<strong>de</strong>n<strong>de</strong> persönlich. Die an<strong>de</strong>ren Teilnehmerinnen können nachfragen, aber es sollzunächst keine Diskussion über die Erfahrungen, Gefühle <strong>und</strong> Befindlichkeiten <strong>de</strong>rErzählen<strong>de</strong>n entstehen. Diese anfängliche Vermeidung einer Gruppendiskussion soll<strong>de</strong>r Einzelnen Zeit <strong>und</strong> Raum geben <strong>und</strong> ihr die Aufmerksamkeit <strong>de</strong>r Gruppe sichern.Erst in einem zweiten Schritt wer<strong>de</strong>n diese persönlichen Erfahrungen als Teilkollektiver Erfahrungen kenntlich gemacht: Zum einen, in<strong>de</strong>m über best<strong>im</strong>mte - vonallen Teilnehmerinnen als beson<strong>de</strong>rs schwierig o<strong>de</strong>r beson<strong>de</strong>rs belastend erlebten -Tätigkeiten o<strong>de</strong>r Situationen gemeinsam diskutiert wird. Zum an<strong>de</strong>ren, in<strong>de</strong>m dieTeilnehmerinnen in das Bild eines Körperumrisses alle körperlichen Beschwer<strong>de</strong>n<strong>und</strong> Befindlichkeitsstörungen malen <strong>und</strong> schreiben. In diesem Akt kommen häufigKörperbeschwer<strong>de</strong>n zutage, über die viele Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong> <strong>im</strong> Zusammenhang mitihrer Arbeit noch nie nachgedacht haben. Vor <strong>de</strong>m Plenum <strong>de</strong>r gesamten Klasse führendann die Seminarmitarbeiter/-innen die Erfahrungen in einem Resümee zusammen,in <strong>de</strong>m sich sowohl das individuell Erlebte als auch die Kollektiverfahrungenwi<strong>de</strong>rspiegeln. Diese Zusammenfassung durch „Berufsfrem<strong>de</strong>“ erfolgt in <strong>de</strong>r Absicht,<strong>de</strong>n Azubis zu zeigen, dass ihre Sichtweisen verstan<strong>de</strong>n <strong>und</strong> ernst genommenwer<strong>de</strong>n, da ihre Schil<strong>de</strong>rungen, aber auch Wi<strong>de</strong>rsprüche <strong>und</strong> ver<strong>de</strong>ckte Problemeeinschließen. Die Seminare en<strong>de</strong>n mit einer St<strong>und</strong>e <strong>de</strong>r „Bewegung <strong>und</strong> Entspannung“,die von einer Rückenschultrainerin angeleitet wird. Die „Körperbil<strong>de</strong>r“ bil<strong>de</strong>ndie Gr<strong>und</strong>lage für ausgewählte Übungen, die auch in <strong>de</strong>r Praxis <strong>und</strong> zu Hausedurchgeführt wer<strong>de</strong>n können.2. AuswertungIn <strong>de</strong>n geschil<strong>de</strong>rten Seminaren haben von 1997 - 1999 ca. 250 angehen<strong>de</strong> Arzt- <strong>und</strong>Zahnarzthelferinnen über ihre Erfahrungen in <strong>de</strong>r <strong>Ausbildung</strong> berichtet. 10 Wir erhieltenso einen Einblick in das breite Problemspektrum dieser Berufsgruppen. DieFülle <strong>und</strong> die Heterogenität <strong>de</strong>s Materials lässt vorerst eine Auswertung mit repräsentativenAussagen nicht zu. Die hier vorgestellten Bef<strong>und</strong>e geben eher „typische“Erfahrungen von Azubis wie<strong>de</strong>r, die bei ihren Kolleginnen einen hohen Wie<strong>de</strong>rerkennungseffekthaben dürften. Sie treffen aber keineswegs auf alle <strong>Ausbildung</strong>spraxenzu. Die Auswahl <strong>de</strong>s hier vorgestellten Materials will auf ausbildungs- <strong>und</strong> berufsspezifischeProbleme in einem typischen Frauenberuf hinweisen, die das Wohlbefin<strong>de</strong>nin <strong>de</strong>r Arbeit <strong>und</strong> die Sicherung langfristiger <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sinteressen behin<strong>de</strong>rn.10 Mehrheitlich haben an <strong>de</strong>n Seminaren angehen<strong>de</strong> Zahnarzthelferinnen teilgenommen.


<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> in <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sberufen 101Die folgen<strong>de</strong> Auswertung geschieht unter zwei Leitfragen:1. Wie gelingt jungen Mädchen <strong>de</strong>r Start in die <strong>Ausbildung</strong>: Welche Motive,Berufsinteressen <strong>und</strong> Zukunftsperspektiven entwickeln o<strong>de</strong>r verbin<strong>de</strong>n siemit ihrer <strong>Ausbildung</strong>? Wo liegen die Schwerpunkte ihrer Empfindung vonAnfor<strong>de</strong>rungen <strong>und</strong> Belastungen <strong>im</strong> <strong>Ausbildung</strong>sberuf?2. Gelingt <strong>de</strong>n Azubis die Wahrung eigener <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sinteressen <strong>im</strong> professionellen<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>shan<strong>de</strong>ln? Welchen Stellenwert hat <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> in einer ü-berwiegend „weiblichen Arbeitskultur“ dieser <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sberufe?In <strong>de</strong>r kontrovers geführten Debatte um die (finanziellen) Folgen <strong>de</strong>r <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sreformauf die ambulante Versorgung <strong>de</strong>r Bevölkerung wird stets auch auf die damitverb<strong>und</strong>ene Gefährdung <strong>de</strong>r Arbeits- <strong>und</strong> <strong>Ausbildung</strong>splätze in diesem Bereich verwiesen.In <strong>de</strong>r Wahrnehmung <strong>de</strong>r Seminarteilnehmerinnen wer<strong>de</strong>n Azubis <strong>im</strong>mer seltener inein Arbeitsverhältnis übernommen <strong>und</strong> ersetzten als billigere Arbeitskräfte ausgebil<strong>de</strong>teHelferinnen häufig auch Putzfrauen; sie berichten von untertariflicher Bezahlungeinem vermehrten Einsatz von Beschäftigten auf 630,00 DM Basis von längerenArbeitszeiten <strong>und</strong> zunehmen<strong>de</strong>m Stress. Diese Einschätzung <strong>de</strong>r arbeitsmarktpolitischenSituation färbte die Schil<strong>de</strong>rungen <strong>und</strong> Einstellungen <strong>de</strong>s Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n<strong>de</strong>utlich ein.3. Motivation, Zukunftsperspektiven, Qualifikation„Es war schwer am Anfang gewesen da reinzukommen - <strong>de</strong>n Beruf wollte ich garnicht wer<strong>de</strong>n - ich wollte Hebamme wer<strong>de</strong>n, dafür war ich lei<strong>de</strong>r zu jung - das gehterst ab 19 Jahre. Dann habe ich mich als Kin<strong>de</strong>rkrankenschwester beworben, dafürwar ich auch noch zu jung - da hätte ich dann 4 Jahre Schule gehabt, anstatt 3 - dablieb mir nichts an<strong>de</strong>res übrig als Zahnarzthelferin - <strong>de</strong>r Beruf ist nicht so mein Ding- ich mach zwar meine Arbeit, versuche sie auch gut zu machen - aber gefallen tutmir <strong>de</strong>r Job nicht.“Unsere Seminarteilnehmerinnen haben die Berufe Arzthelferin <strong>und</strong> beson<strong>de</strong>rs Zahnarzthelferinnur selten als ersten Wunschberuf angegeben. Die <strong>Ausbildung</strong> war fürviele Azubis oft eine Ausweichstation für an<strong>de</strong>re frauentypische Berufe <strong>im</strong> Pflege<strong>und</strong>medizinisch-therapeutischen Bereich, <strong>de</strong>ren Zugänge durch Altersgrenzen, <strong>Ausbildung</strong>skosten<strong>und</strong> Verschulung erschwert sind (Krüger 1989, Wetterer 1995). Diese„Stolpersteine“ auf <strong>de</strong>m Weg zum Wunschberuf lassen in vielen Fällen die inhaltlichenBerufsmotivationen hinter an<strong>de</strong>ren Motiven wie keine Lust mehr aufSchule <strong>und</strong> eigenes Geld verdienen zurücktreten. Im Gegensatz zu vielen privatisiertenweiblichen <strong>Ausbildung</strong>sgängen sind die Arzt- <strong>und</strong> Zahnarzthelferinberufezwar <strong>im</strong> dualen <strong>Ausbildung</strong>ssystem angesie<strong>de</strong>lt, bieten aber als sog. Sackgassenbe-


102Karin Sötjerufe <strong>de</strong>n jungen Mädchen we<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Bezahlung noch in <strong>de</strong>n Berufsperspektivendie Chance einer Existenzsicherung. Diese Einschätzung spiegelt sich in <strong>de</strong>n Aussagen<strong>de</strong>r befragten Azubis wi<strong>de</strong>r. Ein dauerhaftes Berufsleben als Helferin könnensich viele <strong>de</strong>r jungen Frauen nicht vorstellen. Für die meisten gilt: Sie wollen eine<strong>Ausbildung</strong> in <strong>de</strong>r Tasche haben <strong>und</strong> vielleicht noch ein paar Jahre Berufserfahrungsammeln, um sich dann neu zu orientieren, weiter zu qualifizieren o<strong>de</strong>r ihren Kin<strong>de</strong>rwunschrealisieren, <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Regel von ihnen mit einem zeitweiligen Ausstiegaus <strong>de</strong>m Erwerbsleben verknüpft ist. Angesichts <strong>de</strong>r allgemeinen Arbeitsmarktsituationist davon auszugehen, dass nur wenige Azubis nach <strong>de</strong>r <strong>Ausbildung</strong> an ihrenursprünglichen Berufsinteressen anknüpfen <strong>und</strong> <strong>de</strong>n Wechsel in <strong>de</strong>n Wunschberufversuchen wer<strong>de</strong>n. Für viele ist die <strong>Ausbildung</strong> zur Arzt- <strong>und</strong> Zahnarzthelferin zwar<strong>de</strong>r Einstieg in das Berufsleben, aber zugleich schon <strong>de</strong>r Ausstieg aus <strong>de</strong>r Wunschkarriere.Gleichwohl entwickeln die Azubis ein <strong>de</strong>utliches Interesse an diesen Berufen, dassie auch in <strong>de</strong>n Seminaren zum Ausdruck bringen. Die Mischung von sozialen,technisch-medizinischen, verwalten<strong>de</strong>n/bürotechnischen <strong>und</strong> organisationalen Anfor<strong>de</strong>rungenfin<strong>de</strong>n viele Azubis durchaus reizvoll. Die Vielseitigkeit ermöglichtindividuelle Schwerpunktsetzungen, die sich - beson<strong>de</strong>rs bei <strong>de</strong>n Arzthelferinnen -aufgr<strong>und</strong> <strong>de</strong>r Vielfalt <strong>de</strong>r Fachpraxen auch realisieren lässt. Für die Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>nin <strong>de</strong>n Zahnarztpraxen genießt die Weiterbildung zur Prophylaxehelferin eine hohePriorität, weil diese Ausrichtung eine selbständige Arbeit mit „eigenen“ Patientenverspricht. Die Lust am Fachlichen, an Spezialisierung, an Selbständigkeit gerät in<strong>de</strong>n Beschreibungen über das Schöne <strong>und</strong> das Schwere in <strong>de</strong>r Arbeit häufig in Wi<strong>de</strong>rstreitmit <strong>de</strong>m erlebten Arbeitsalltag. Die Berufe <strong>de</strong>r Arzt- <strong>und</strong> Zahnarzthelferinwer<strong>de</strong>n so in <strong>de</strong>n Diskussionen zu latent attraktiven Berufen: eigentlich interessant -nur nicht in <strong>de</strong>r Realität.4. MotivationsrisikenEs sind nicht nur die klassischen Merkmale von Frauenarbeitsplätzen - wie zu geringeEntlohnung, keine Aufstiegschancen, schlechte Arbeitsbedingungen -, die <strong>de</strong>nAzubis diese Berufe verlei<strong>de</strong>n, vielmehr treten in <strong>de</strong>n Diskussionen ganz spezifischeMerkmale hervor: für die Zahnarzthelferin ist es vor allem die ver<strong>de</strong>ckte Position <strong>im</strong>Arbeitsgeschehen <strong>und</strong> die damit verb<strong>und</strong>ene Unsichtbarkeit ihres professionellenKönnens.„...weil man so als Helferin gesehen wird - hört sich ja so an diese Bezeichnung,als wenn man so reinkommt, legt die Serviette an <strong>und</strong> stellt ein Becher hin <strong>und</strong>das war's - aber wir machen ja viel mehr. Manche Arbeiten mache ich zu 90 %alleine - wenn <strong>de</strong>r Arzt keine Lust hat, <strong>de</strong>nn geht er <strong>und</strong> ich mache fast alles alleine- 'ne falsche Bezeichnung o<strong>de</strong>r von früher eine falsche Ansicht.“


<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> in <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sberufen 103Das Gefühl „unsichtbar“ zu sein ist auch durch das „setting“ während <strong>de</strong>r Behandlungbedingt. Obwohl die Zahnarzthelferinnen einen großen Teil auch zahnmedizinischerTätigkeiten übernehmen, erfahren sie nur selten angemessene Beachtung<strong>und</strong> Anerkennung durch Patienten o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Arzt. Gekoppelt mit <strong>de</strong>r geringen Bezahlungfrustriert das <strong>und</strong> entwertet ihre Arbeit.„...na ja - das Geld ist nicht beson<strong>de</strong>rs - <strong>und</strong> <strong>de</strong>r Beruf - man ist nicht beson<strong>de</strong>rsangesehen - schon <strong>de</strong>r Name - Zahnarzthelferin - viele glauben wir stehen darum - saugen ein bisschen ab - das ist halt das Traurige daran - dass man vielean<strong>de</strong>re Dinge macht <strong>und</strong> auch selbständig arbeitet - das sieht halt keiner.“Die Frustration <strong>de</strong>r Arzthelferinnen haben eine an<strong>de</strong>re Quelle: Eine Arzthelferin, seit20 Jahren <strong>im</strong> Beruf, charakterisiert die öffentliche Wahrnehmung ihrer Tätigkeitlapidar mit: „Der nächste bitte“. Die nur <strong>de</strong>m Arzt zugebilligte medizinische Qualifikation,die Dominanz seines Auftretens <strong>und</strong> seine gesellschaftliche Stellung machenblind für eine gerechte Einschätzung <strong>de</strong>r Assistenzleistungen <strong>de</strong>r Helferinnendurch Patient <strong>und</strong> Gesellschaft. Angesichts <strong>de</strong>r realen Arbeitsteilung in <strong>de</strong>n Praxenwird diese Geringschätzung zum Kernpunkt beruflicher Enttäuschungen.5. Anfor<strong>de</strong>rungen <strong>und</strong> BelastungenEine beson<strong>de</strong>re berufliche Herausfor<strong>de</strong>rung liegt für viele Azubis <strong>im</strong> Umgang mitPatienten. Der Umgang mit Patienten ist „das Schöne“ <strong>und</strong> „das Schwere“ zugleich.Schön ist <strong>de</strong>r Dank für Hilfe <strong>und</strong> Genesung, ist ein fre<strong>und</strong>liches Wort von Patienten,sind die Einblicke in die „Buntheit“ <strong>und</strong> Vielfalt <strong>de</strong>r Leben. Schwer ist <strong>de</strong>r Umgangmit schwierigen Patienten, die ihren Ärger bei <strong>de</strong>n Helferinnen abla<strong>de</strong>n, <strong>und</strong> das„Aushalten müssen“ anmaßen<strong>de</strong>r Patientenauftritte. Die angehen<strong>de</strong>n Arzthelferinnenerleben sich dann nicht nur in ihrer Berufsrolle, son<strong>de</strong>rn auch als Person herabgesetzt.Immer fre<strong>und</strong>lich sein <strong>und</strong> alles schlucken müssen: das fällt <strong>de</strong>n Azubisschwer.Einen großen Anteil an dieser Stress <strong>und</strong> Ärger produzieren<strong>de</strong>n Atmosphäre hat dieArbeitsorganisation in <strong>de</strong>n Praxen (Sötje 1998). Die Hauptkritik richtet sich gegendie zu eng bemessenen Patiententermine, die überfüllten Wartez<strong>im</strong>mer, die Pausenverzicht<strong>und</strong> Überst<strong>und</strong>en für die Helferinnen zur Folge haben. Aber Überst<strong>und</strong>en,fehlen<strong>de</strong> Pausen, Zeitdruck treten als typische Belastungen in <strong>de</strong>n Hintergr<strong>und</strong>,wenn die Diskussion um das alltägliche Miteinan<strong>de</strong>r unter <strong>de</strong>n Kolleginnen beginnt.Das Kl<strong>im</strong>a unter <strong>de</strong>n Kolleginnen, <strong>de</strong>r Umgang miteinan<strong>de</strong>r, ist bei <strong>de</strong>n Azubis einHauptthema <strong>und</strong> wird von ihnen ganz selbstverständlich als wesentlicher ges<strong>und</strong>heitsrelevanterFaktor benannt. „Stress“ unter Kolleginnen fin<strong>de</strong>n alle unerträglich.


104Karin Sötje„Tuscheln“ <strong>und</strong> „Tratsch“, „ hinterm Rücken re<strong>de</strong>n“, „Mobbing“ sind Begriffe, mit<strong>de</strong>nen die angehen<strong>de</strong>n Helferinnen die „Positionskämpfe“, vor allem in <strong>de</strong>n größerenPraxen beschreiben. In <strong>de</strong>r Wahrnehmung <strong>de</strong>r Azubis ist <strong>de</strong>r Konkurrenzkampf unterFrauen beson<strong>de</strong>rs ausgeprägt. Als Begründung für scharfes Konkurrenzverhaltennennen sie „Angst um <strong>de</strong>n Arbeitsplatz“ <strong>und</strong> Verlust <strong>de</strong>r Anerkennung <strong>und</strong> <strong>de</strong>r Position<strong>im</strong> Praxisgeschehen. Die soziale Stellung <strong>de</strong>r Mitarbeiterinnen in <strong>de</strong>r Hierarchie<strong>de</strong>r Praxen liegt selten in einer klar <strong>de</strong>finierten Aufgaben- <strong>und</strong> Kompetenzverteilungbegrün<strong>de</strong>t <strong>und</strong> ist <strong>de</strong>shalb sachlich schwer zu behaupten. Die „Ordnung“untereinan<strong>de</strong>r wird eher von informellen Machtprozessen gesteuert, in <strong>de</strong>nen objektive<strong>und</strong> subjektive Faktoren eine Rolle spielen: Alter <strong>und</strong> Praxiszugehörigkeit, aberauch Fehlzeiten, individuelle Interessen, Fähigkeiten <strong>und</strong> Vorlieben in <strong>de</strong>r Arbeit,allzu oft auch die „persönliche „ Nähe zum Chef o<strong>de</strong>r zur Chefin. Tuscheln <strong>und</strong>„hinter <strong>de</strong>m Rücken“ re<strong>de</strong>n sind dabei nicht nur typische Mittel <strong>de</strong>r Konfliktaustragungin einem strukturell unsicheren Hierarchiegefüge, son<strong>de</strong>rn auch typisch weiblicheMittel, die <strong>de</strong>m (ansozialisierten) Bedürfnis, „an<strong>de</strong>re nicht verletzen“ zu wollen,scheinbar Rechnung tragen. Frauen - so Ergebnisse aus <strong>de</strong>r pädagogischen Frauenforschung- wollen Verb<strong>und</strong>enheit <strong>und</strong> fürchten die Abgrenzung (Göttner-Abendroth, 1990, Kieper-Wellmer, 1993). Eine offene Konfliktaustragung könntediesen erwünschten Zustand gefähr<strong>de</strong>n.Konfliktsituationen, von <strong>de</strong>nen beson<strong>de</strong>rs die Azubis betroffen sind, entwickeln sichhäufig aus Fehlern <strong>und</strong> Unwissenheit über betriebliche Abläufe <strong>und</strong> Gepflogenheiten.Die geringe Rückmeldung über die eigene Leistung <strong>und</strong> auch fehlen<strong>de</strong> persönlicheAnerkennung <strong>im</strong> Arbeitsalltag bringen Unsicherheiten hervor: „man weiß nie -ob es nun o. k. ist - o<strong>de</strong>r ob etwas verän<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n muss“. Die oft verletzen<strong>de</strong>n Reaktionenvon Helferinnen auf Fehler interpretieren die Azubis als Konkurrenzverhalten,als Zurschaustellung eigener Unfehlbarkeit, als Macht<strong>de</strong>monstration von„oben“ <strong>und</strong> „unten“. Aber auch die „Chefs“ reagieren auf Fehler mit autoritärerSchärfe, die in <strong>de</strong>n Beschreibungen <strong>de</strong>r Azubis gera<strong>de</strong>zu feudale Züge ann<strong>im</strong>mt:„Und hat es drauf, <strong>de</strong>n Abdruck durch <strong>de</strong>n Behandlungsraum zu schmeißen <strong>und</strong>zu fluchen ....vor <strong>de</strong>n Patienten...“.Die Unduldsamkeit <strong>de</strong>r Ärzte gegenüber Fehlern durch Azubis <strong>und</strong> Mitarbeiterinnenist zum einen Ausdruck <strong>de</strong>r hohen Verantwortung, die auf <strong>de</strong>m beruflichen Han<strong>de</strong>lnliegt, <strong>und</strong> Teil <strong>de</strong>s ärztlichen Berufsethos. Zum an<strong>de</strong>ren liegt sie - so meine Vermutung- in <strong>de</strong>r traditionellen Form <strong>de</strong>r Arbeitsbeziehung zwischen Arzt <strong>und</strong> Helferinbegrün<strong>de</strong>t, die durch arztzentrierte Vor,- Zu- <strong>und</strong> Nacharbeit charakterisiert ist(Hoffmann 1983, Holtgrewe 1998). Auch wenn die Helferin <strong>im</strong> Rahmen erlaubterDelegationsverfahren selbständige, qualifizierte <strong>und</strong> verantwortungsvolle Tätigkeitenausübt, verbleibt die letzte Verantwortung jedoch be<strong>im</strong> Arzt. Das „Aufgehen“<strong>de</strong>r Leistungen (<strong>und</strong> Fehlleistungen) <strong>de</strong>r Helferin „<strong>im</strong>“ Arzt schmücken o<strong>de</strong>r schädi-


<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> in <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sberufen 105gen sein Ansehen - nicht das <strong>de</strong>r Helferin (Malleier 1996). Hierin liegt ein latentesSpannungsverhältnis, das sich unreflektiert in <strong>de</strong>n zitierten „Ausbrüchen“ Luftmacht. Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> gerät für manche Azubis <strong>de</strong>r zu frühe vollwertigeEinsatz <strong>im</strong> Praxisalltag zum persönlichen <strong>und</strong> psychischen Desaster: Die Angst etwasfalsch zu machen ist groß. Das setzt die Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n beson<strong>de</strong>rs dann unterDruck, wenn die Fehler vor <strong>de</strong>n Patienten lautstark kommentiert wer<strong>de</strong>n.„...<strong>und</strong> <strong>de</strong>n falschen Knopf drücke <strong>und</strong> dann stürzt <strong>de</strong>r Computer ab <strong>und</strong> er istschon kurz am ausflippen, weil halt von Anfang an <strong>de</strong>r Druck bei ihm war, dassman alles gleich 100%ig kann - <strong>und</strong> dann sitzen viele Patienten da <strong>und</strong> manweiß überhaupt nicht weiter <strong>und</strong> wür<strong>de</strong> am liebsten rausrennen.“Vor allem bei angehen<strong>de</strong>n Zahnarzthelferinnen fällt auf, dass sie bereits nach kurzerZeit („nach zwei Wochen muss man das können“) als volle Kraft bei <strong>de</strong>r Assistenzam Stuhl eingesetzt wer<strong>de</strong>n. Dabei gerät ihr Status als Azubi offensichtlich in Vergessenheit.Für die Azubis, die alle gerne selbständig arbeiten, ergibt sich ein zunächstver<strong>de</strong>cktes Dilemma, wenn <strong>de</strong>r Chef ihre <strong>Ausbildung</strong>sinteressen mit seinenEinsatzinteressen verwechselt (Hecker 1999). Praxen, die ausschließlich mit Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>narbeiten, waren in unseren Seminarberichten kein Einzelfall.6. <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sinteressen <strong>und</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sverhaltenUnsere Frage nach <strong>de</strong>m Umgang mit <strong>de</strong>r eigenen <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> war in <strong>de</strong>n Seminarennicht nur häufig ein Anlass, über das Betriebskl<strong>im</strong>a in <strong>de</strong>n Praxen <strong>und</strong> über erfahreneKränkungen zu sprechen, son<strong>de</strong>rn gleichermaßen über Motivation <strong>und</strong> <strong>de</strong>n Spaßan <strong>de</strong>r Arbeit als <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sressource nachzu<strong>de</strong>nken. Dass „krank sein“ auch einAusdruck von Überfor<strong>de</strong>rungen, eine Reaktion auf Kränkungen sein kann, kam e-benso zur Sprache wie das „Durchhalten“ trotz Krankheit, um die Kolleginnen nichthängen zu lassen. Der Umgang mit <strong>de</strong>r persönlichen <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> ist i. d. R. von familiären<strong>und</strong> sozialen Normen, von formellen Anfor<strong>de</strong>rungen geprägt, aber auch vonpersönlichen „Verlust- <strong>und</strong> Gewinnrechnungen“. Bis zum <strong>Ausbildung</strong>seintritt lebendie Azubis in <strong>de</strong>m Gefühl, ihren Umgang mit Krankheit selbst best<strong>im</strong>men zu können.Mit <strong>de</strong>m Beginn <strong>de</strong>r <strong>Ausbildung</strong> än<strong>de</strong>rt sich dies radikal: Aus <strong>de</strong>m individuellenBefin<strong>de</strong>n „ich bin krank“ wird ein soziales Ereignis. Krankheit ist nicht mehrallein ein Problem <strong>de</strong>s persönlichen Wohlbefin<strong>de</strong>ns, son<strong>de</strong>rn auch eines <strong>de</strong>r Kolleginnen.„...In <strong>de</strong>r Schulzeit war das auch so - wenn man mal krank war, ist man zu Hausegeblieben, hat es auskuriert - auf Arbeit ist es ganz an<strong>de</strong>rs - da muss manauch mit ´ner Erkältung o<strong>de</strong>r sonstwas zur Arbeit gehen <strong>und</strong> sich da rumschleppen.“


106Karin SötjeViele Arzt- <strong>und</strong> Zahnarztpraxen - so zumin<strong>de</strong>st <strong>de</strong>r Anschein - unterschei<strong>de</strong>n sich,obwohl sie doch „<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sbetriebe“ sind, in <strong>de</strong>r Rücksicht auf die ges<strong>und</strong>heitlichenBelange <strong>de</strong>r Mitarbeiterinnen nicht von an<strong>de</strong>ren Betrieben. Der verbreiteteVorwurf <strong>de</strong>r Azubis, <strong>de</strong>r <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> <strong>de</strong>r Beschäftigten wer<strong>de</strong> zu wenig Beachtung -<strong>und</strong> Krankheit soviel Missachtung - geschenkt, wirft die Frage auf, mit welchempersönlichen <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>skonzept die Ärzte an ihre Arbeit gehen, welche Maßstäbesie - sowohl bei <strong>de</strong>r Beachtung von Arbeits- <strong>und</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sschutzvorschriften(„Mein Chef hat mir gleich gesagt: Wir arbeiten ohne Handschuhe“) als auch bei <strong>de</strong>rWahrnehmung ges<strong>und</strong>heitlicher Probleme ihrer Mitarbeiterinnen - anlegen.„...aber bei ihr ist es so - die ist so ´n Stehaufmännchen - die kommt mit Hexenschusszur Arbeit - mit Grippe zur Arbeit - sie kommt mit allem - <strong>und</strong> da <strong>de</strong>nktman, wenn du jetzt anrufst <strong>und</strong> erzählst dir geht ´s voll mies, dann muss sie auch<strong>de</strong>nken - sie geht zur Arbeit <strong>und</strong> du nicht - <strong>und</strong> dann geht man automatisch -wenn man zum Arzt geht <strong>und</strong> <strong>de</strong>r sagt, ich schreib sie krank, kurieren sie sichmal aus, dann sagt man ´ne, ´ne - ich geh schon zur Arbeit - also <strong>de</strong>r Druck vonihr direkt ist es nicht - aber das glänzen<strong>de</strong> Beispiel.“Das zeigt: Im prestigemächtigen Berufsbild <strong>de</strong>s Arztes ist Krankheit nicht enthalten.„Ein kranker Arzt ist ein schlechter Arzt“ - so die öffentliche Wahrnehmung. Ob dasImage, die finanziellen Einbußen o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re Grün<strong>de</strong> Ärzte <strong>und</strong> Ärztinnen motivieren,trotz Krankheit zu arbeiten, lässt sich nur vermuten. Die Helferin aber nötigtdiese Form <strong>de</strong>r Selbstausbeutung, sich selbst gleichermaßen unter Druck zu setzen.Dies zeigt sich z. B. auch in <strong>de</strong>n Beschwer<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Azubis, sie erführen keine Anerkennung,wenn sie trotz Krankheit zur Arbeit erscheinen. („... das wird nicht anerkannt- wenn man krank zur Arbeit kommt.“). Sie erwarten, dass die bewusste Hintenanstellungihrer <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sinteressen zumin<strong>de</strong>st wahrgenommen <strong>und</strong> anerkanntwird. Statt<strong>de</strong>ssen müssen sie sich gegen die gelegentliche Unterstellung wehren,nicht wirklich o<strong>de</strong>r nicht „ernsthaft“ krank zu sein. Das erleben sie als beson<strong>de</strong>rsverletzend <strong>und</strong> verweisen <strong>de</strong>shalb in ihren Schil<strong>de</strong>rungen <strong>im</strong>mer wie<strong>de</strong>r auf „harte“Indikatoren für die Schwere ihrer Erkrankungen.„...das ständige Rechtfertigen, man ist ja in einem Alter, wo man geht, - wenn eseinem schlecht geht - also ich bin so - <strong>und</strong> wenn ich mein Fieber schil<strong>de</strong>rn muss<strong>und</strong> wer<strong>de</strong> nur ausgelacht, das ist schrecklich. Dann schleppt man sich hin <strong>und</strong>n<strong>im</strong>mt Tabletten <strong>und</strong> Tabletten, das bringt nichts - das ist ein Kreislauf, <strong>de</strong>r nachhinten los geht.“Aber nicht nur das Vorbild <strong>de</strong>s Arztes (<strong>und</strong> Arbeitgebers) setzt eigene <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>smaßstäbeaußer Kraft, son<strong>de</strong>rn auch eine gera<strong>de</strong>zu ächten<strong>de</strong> Reaktion von Chefs,


<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> in <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sberufen 107Chefinnen <strong>und</strong> Kolleginnen können <strong>de</strong>r Anlass sein, Husten, Schnupfen, Fieber liebermit Praxisstress als mit Bettruhe zu kurieren.„...dann war ich krank - das hält sie mir noch heute vor, wie ich sie da hab alleinlassen können, das hat sie mich echt hart spüren lassen - hat sie mir echt ü-bel genommen.“Die Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n kämpfen mit zwei Normativen: <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sfachkräfte sindnicht krank <strong>und</strong> wer jung ist, ist ges<strong>und</strong> bzw. verfügt über ausreichen<strong>de</strong> - krankheitskompensieren<strong>de</strong>- Reserven. Aber Jugend mit <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> <strong>und</strong> Alter mit Krankheitzu i<strong>de</strong>ntifizieren, sind zwei gesellschaftliche Vorstellungen, von <strong>de</strong>nen die erstezumin<strong>de</strong>st empirisch ins Wanken gerät.7. ArbeitsmoralBeson<strong>de</strong>rs in Kleinbetrieben ist die Verzahnung von personalen <strong>und</strong> organisationalenBedingungen so eng, dass unvorgesehene Ausfälle von Mitarbeiterinnen zu fastunzumutbaren Belastungen <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Mitarbeiterinnen führen. Die Auswirkungenvon Fehlzeiten auf die an<strong>de</strong>ren Kolleginnen - wie doppelte Schicht, Überst<strong>und</strong>en,noch mehr Stress <strong>und</strong> Hektik - sind stark belastend <strong>und</strong> wer<strong>de</strong>n eigentlich als unzumutbarbef<strong>und</strong>en. Selbst in größeren Praxen kommt es zu spürbarer Arbeitsintensivierung- wenngleich sie in <strong>de</strong>n kleinen Praxen mit ein bis drei Beschäftigten anSchärfe gewinnt, weil hier die Grenzen schneller erreicht sind. Mit „man kann diean<strong>de</strong>ren nicht hängen lassen“ wird ein kollegiales Versprechen in <strong>de</strong>r Erwartunggegeben, dass es von allen Kolleginnen erfüllt wird.„...ich war so gut wie gar nicht krank - auch mit Schnupfen - bin <strong>im</strong>mer hingegangen,weil ich wusste, wir sind nur zwei Helferinnen <strong>und</strong> wenn eine in <strong>de</strong>rSchule ist, ist die Helferin allein. Ich weiß ja wie es ist - sie war auch mal einenTag krank - das war echt krass!“„...ich bin einmal drei Tage krank gewesen, die waren <strong>de</strong>rmaßen sauer, das ichmir geschworen habe, nie mehr krank zu wer<strong>de</strong>n . Ich meine, die machen allemehr, haben viele Überst<strong>und</strong>en, die können sie gar nicht loswer<strong>de</strong>n.“Neben diesen eher außengesteuerten Grün<strong>de</strong>n, warum man „lieber nicht krankwird“, gibt es <strong>im</strong> Selbstbild <strong>de</strong>r Helferin Aspekte, die einen „selbstlosen“ Umgangmit <strong>de</strong>r <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> gera<strong>de</strong>zu beför<strong>de</strong>rn.


108Karin Sötje8. BerufsstolzIn <strong>de</strong>n Schil<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>r Azubis, mit welcher Krankheit man noch arbeiten kommt,ist unschwer so etwas wie Stolz herauszuhören. Man arbeitet „bis zum Umfallen“,„bis man nur noch heulen kann“ - man kommt mit Rückenlei<strong>de</strong>n, mit 40 Grad Fieber,mit Angina <strong>und</strong> Blinddarmentzündungen - nichts scheint unmöglich. Das „Aushalten“von Krankheiten scheint in diesen Berufsgruppen - beson<strong>de</strong>rs bei <strong>de</strong>n Arzthelferinnen- auch symbolischer Ausdruck ihres „Berufsstolzes“ zu sein. Die Demonstrationvon ges<strong>und</strong>heitlicher Robustheit soll auch auf professionelle Kompetenzhinweisen. Darin verbin<strong>de</strong>t sich das Selbstbild <strong>de</strong>r Helferinnen mit <strong>de</strong>m ärztlichen<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>skonzept <strong>de</strong>s „<strong>im</strong>munen Heilers“. Aber das Selbstbild <strong>de</strong>r Helferinist zugleich ein weibliches, in <strong>de</strong>m auch <strong>de</strong>r Topos „weiblicher Lei<strong>de</strong>nsfähigkeit“(Frauen halten mehr aus, Frauen sind das eigentlich starke Geschlecht) verankert ist.So trägt stumme „Lei<strong>de</strong>nsfähigkeit“ zur professionellen Überhöhung eines I<strong>de</strong>alsvon „Leistungsfähigkeit“ in <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sberufen bei - in einer typisch weiblichenAusprägung.Welche Durchsetzungschancen hat nun ges<strong>und</strong>heitsbewusstes Verhalten in einemKonglomerat aus schlechter Arbeitsmarktlage, betrieblichen, kollegialen <strong>und</strong> persönlichenAnsprüchen an Arbeitsmoral <strong>und</strong> Berufsethos? Der <strong>de</strong>n Mädchen zugeschriebenestärkere Körperbezug, ihre sensiblere Körperwahrnehmung, ihre grössereAufmerksamkeit gegenüber Befindlichkeitsstörungen können die Azubis unter <strong>de</strong>nBedingungen ihrer Berufsarbeit anscheinend nicht für eigene <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sinteressennutzen. So ges<strong>und</strong>heitsbewusst <strong>und</strong> konfliktfähig sich die jungen Frauen auch in <strong>de</strong>nSeminaren darstellen, ihr Status als Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong> <strong>und</strong> ihre Abhängigkeit von gutenBeziehungen zu <strong>de</strong>n Kolleginnen, hat eher eine stille Unterordnung in <strong>de</strong>n häufigautoritär geprägten Strukturen zur Folge. Ihre nach innen gerichteten Strategien <strong>de</strong>rProblembewältigung - so ein Bef<strong>und</strong> <strong>de</strong>r Jugendges<strong>und</strong>heitsforschung - erweisensich in diesen Arbeitsverhältnissen <strong>und</strong> für ihre Berufsanfor<strong>de</strong>rungen fatalerweiseals funktional - wenngleich nicht unbedingt als ges<strong>und</strong>. Das von ihnen gefor<strong>de</strong>rtefre<strong>und</strong>liche Auftreten - sowohl <strong>im</strong> Praxisteam als auch <strong>im</strong> Umgang mit schwierigenPatienten - wird von vielen Azubis als Anfor<strong>de</strong>rung „alles schlucken zu müssen“übersetzt. Die in <strong>de</strong>n Seminaren so häufig genannten Magenprobleme sprechen eine<strong>de</strong>utliche Sprache. Die Entwicklung einer professionellen Distanz, die nicht zur Immunisierunggegenüber <strong>de</strong>r Situation <strong>und</strong> <strong>de</strong>m Leid <strong>de</strong>r Patienten führt, son<strong>de</strong>rn zurReflexion <strong>und</strong> zum Perspektivwechsel befähigt <strong>und</strong> davor schützt, alles persönlichzu nehmen, wird in <strong>de</strong>r <strong>Ausbildung</strong> kaum beför<strong>de</strong>rt. Die jungen Männer haben mitihren vorwiegend körperlichen Berufsanfor<strong>de</strong>rungen bessere Möglichkeiten, Frust<strong>und</strong> Ärger abzureagieren. Gleichwohl auch sie sich <strong>de</strong>n patriarchalen Verhältnissenihrer Kleinbetriebe eher stumm unterordnen. Die Strategie <strong>de</strong>s „Aushaltens“ zurBewältigung physischer <strong>und</strong> psychischer Belastungen wird von weiblichen wiemännlichen Azubis gleichermaßen eingesetzt. Dabei ist die soziale Anerkennung für


<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> in <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sberufen 109bei<strong>de</strong> Gruppen Begründung <strong>und</strong> wesentlicher Orientierungspunkt in ihrem Han<strong>de</strong>ln.Der Unterschied zwischen männlichen <strong>und</strong> weiblichen Azubis liegt vor allem in <strong>de</strong>msubjektiven Lei<strong>de</strong>n an unharmonischen Arbeitsbeziehungen, das die weiblichen A-zubis stärker ausdrücken. Aber die Bewertung ihrer Strategie <strong>de</strong>s „Aushaltens“ liegt<strong>im</strong> „müssen“ o<strong>de</strong>r „wollen“: Wer sich <strong>de</strong>m Druck von Chef o<strong>de</strong>r Kollegin beugt <strong>und</strong>die Ausgrenzung <strong>im</strong> Kollegenkreis mehr fürchtet als die Krankheit, setzt nicht nurdie <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>, son<strong>de</strong>rn auch die eigene Motivation aufs Spiel. Wer sich <strong>im</strong> Arbeitsteameingebettet <strong>und</strong> akzeptiert fühlt, schöpft persönliche Kraft aus diesem Zusammenhalt<strong>und</strong> wird die Entscheidung, trotz Krankheit zur Arbeit zu gehen, um dieKollegin nicht hängen zu lassen, durchaus mit subjektivem Wohlgefühl tragen. Ein„gutes Kl<strong>im</strong>a“ ermöglicht die persönliche <strong>und</strong> kollektive Balance zwischen Entlastung<strong>und</strong> Belastung. Die Erfahrungen <strong>de</strong>r Azubis unterstreichen die Ergebnisse <strong>de</strong>rbetrieblichen <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sforschung: ein gutes Arbeitskl<strong>im</strong>a hält ges<strong>und</strong>. Für bei<strong>de</strong>Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n-Gruppen ist das Arbeitskl<strong>im</strong>a die entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Größe für dasWohlbefin<strong>de</strong>n <strong>im</strong> Arbeitsalltag.9. ZusammenfassungIn <strong>de</strong>n Seminaren war die Schwerpunktsetzung unter <strong>de</strong>m „Schönen“ wie auch <strong>de</strong>m„Schweren“ <strong>de</strong>utlich geprägt von <strong>de</strong>r Beziehungsseite <strong>de</strong>s beruflichen Arbeitsalltags,auch wenn die Azubis uns gegenüber ihre bereits erworbenen Kenntnisse mit einerFlut von medizinischen Fachausdrücken <strong>und</strong> Abkürzungen <strong>de</strong>monstrierten. Neben<strong>de</strong>m Umgang mit Patienten, <strong>de</strong>r sowohl Kränkungen als auch Erfolge barg, spieltedas Arbeitskl<strong>im</strong>a unter <strong>de</strong>n Kolleginnen <strong>und</strong> das Verhältnis zum Chef/zur Chefin in<strong>de</strong>n Diskussionen eine beson<strong>de</strong>re Rolle. Das „gute“ o<strong>de</strong>r „schlechte“ Kl<strong>im</strong>a erleichterteo<strong>de</strong>r erschwerte ihren Statuswechsel, über das Kl<strong>im</strong>a <strong>de</strong>finierten sie Berufsmotivationen,<strong>und</strong> bei manchen Azubis färbte es das gesamte Lebensgefühl ein. DerUmgang mit Konflikten blieb für sie ein zentrales Thema, mit <strong>de</strong>m sie einerseitsihren Wunsch nach Wahrung <strong>de</strong>r eigenen Interessen, ohne Verlust sozialer Anerkennung<strong>und</strong> Eingeb<strong>und</strong>enheit, ausdrücken. An<strong>de</strong>rerseits verweist es darauf, dassdas vorausgesetzte weibliche Einfühlungsvermögen seine Grenzen hat.Soziale KompetenzenIm Beruf <strong>de</strong>r Arzt- <strong>und</strong> Zahnarzthelferin haben soziale Kompetenzen einen hohenStellenwert. Aber soziale Kompetenzen gehen nicht in „weiblichen Eigenschaften“auf, wenn auch das Umgekehrte st<strong>im</strong>men mag. Die Unsicherheiten <strong>de</strong>r Azubis <strong>im</strong>Umgang mit schwierigen Patienten, ihr Lei<strong>de</strong>n an schlechter St<strong>im</strong>mung <strong>und</strong> an unausgesprochenenKonflikten, ihre Hemmungen <strong>im</strong> Auftreten gegenüber Althelferin<strong>und</strong> Chef machen <strong>de</strong>utlich, dass die <strong>Ausbildung</strong> von sozialen Kompetenzen ein


110Karin Sötjewichtiges Qualifizierungsziel ist (Brater 1996, Hecker 1998, aber in <strong>de</strong>r <strong>Ausbildung</strong>kaum eine Rolle spielt. Die größere Sicherheit <strong>im</strong> professionellen Umgang mit Patientenwür<strong>de</strong> sich dabei nicht nur auf die Patientenbindung. auswirken, son<strong>de</strong>rnzugleich ein zentrales Belastungsmoment in diesen Berufen min<strong>de</strong>rn <strong>und</strong> eine wertvolleRessource für betriebliches <strong>und</strong> persönliches Konfliktmanagement sein. Teamfähigkeit,Kommunikationsfähigkeit, Konfliktfähigkeit bil<strong>de</strong>n <strong>de</strong>n Kern sozialerKompetenzen <strong>und</strong> sind damit wichtiger Bestandteil <strong>im</strong> schulischen Curriculum. A-ber auch für die Auseinan<strong>de</strong>rsetzung mit <strong>de</strong>m eigenen <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sverständnis <strong>und</strong>Verhalten muss neben <strong>de</strong>r Vermittlung von <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>s- <strong>und</strong> Arbeitsschutz Raumgegeben wer<strong>de</strong>n. Denn solange die <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sfachkräfte an sich selbst „vorbeisehen“,bleibt <strong>de</strong>r salutogenetische Blickwinkel notwendig verengt.Qualifizierte ArbeitsteilungMotivation <strong>und</strong> <strong>de</strong>r Spaß an <strong>de</strong>r Arbeit speisen sich aber nicht allein aus „sozialenKompetenzen“ <strong>und</strong> fre<strong>und</strong>licher St<strong>im</strong>mung. Ein angemessener Einsatz von Qualifikation,Lernmöglichkeiten <strong>und</strong> Aufstiegschancen, Anerkennung <strong>und</strong> Handlungs<strong>und</strong>Entscheidungsspielräume gehören ebenso dazu wie angemessene Bezahlung,kalkulierbare Arbeitszeiten, ges<strong>und</strong>heitsschützen<strong>de</strong> Arbeitsumgebung <strong>und</strong> Arbeitsmittel.Die Arbeitsaufgaben in <strong>de</strong>n Praxen bieten <strong>de</strong>n Helferinnen ein breites Spektrumfür selbständiges <strong>und</strong> eigenverantwortliches Han<strong>de</strong>ln. Eine qualifizierte Arbeitsteilung,in <strong>de</strong>r Verantwortung <strong>und</strong> Kompetenzbereiche sichtbar <strong>und</strong> für materielle<strong>und</strong> i<strong>de</strong>elle Anerkennung offen sind, muss ein zentrales Leitbild dieser Berufesein, das in Aus- <strong>und</strong> Weiterbildung zu realisieren ist. Die Azubis je<strong>de</strong>nfalls sehen<strong>im</strong> Helferinberuf durchaus mehr als die s<strong>im</strong>ple Anwendung typisch weiblicher Fähigkeiten.Ihre Kritik richtet sich nicht gegen <strong>de</strong>n geschlechtsspezifischen Charakterihres Berufs, son<strong>de</strong>rn gegen die geschlechtsspezifischen Mauern. Die Ansprüche <strong>de</strong>rAuszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n an Autonomie <strong>und</strong> Fachlichkeit, an beruflichen <strong>und</strong> finanziellenAufstiegsmöglichkeiten weisen aus <strong>de</strong>r Sackgasse „Helferin“ heraus <strong>und</strong> zeigen dieChancen für einen qualifizierten Frauenberuf. Aber erst wenn die Normen <strong>de</strong>rmännlichen Berufsansprüche auch hier wie selbstverständlich gelten, können dieweiblichen Seiten <strong>de</strong>s Berufs nicht mehr zur Beschränkung missbraucht wer<strong>de</strong>n. Die„weiblichen Fähigkeiten“ wer<strong>de</strong>n dann nicht mehr einen Nachteil, son<strong>de</strong>rn einenVorteil begrün<strong>de</strong>n.<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>skulturSolange sich Ärzte als Einzelarbeiter <strong>und</strong> alleinige Machthaber über medizinischesWissen <strong>und</strong> <strong>de</strong>ssen Anwendung betrachten, wer<strong>de</strong>n es die Helferinnen schwer haben.Der Betrieb Zahn/Arztpraxis ist <strong>de</strong>m Praxisinhaber selbst ein noch frem<strong>de</strong>s Gebil<strong>de</strong>.Die Reichweite ärztlicher Verantwortlichkeit erscheint auf <strong>de</strong>n (zahlen<strong>de</strong>n)


<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> in <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sberufen 111Patienten begrenzt. Wie sonst ließe sich <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>n Seminaren zu Tage treten<strong>de</strong>Mangel an Hepatitis-B Impfungen erklären? Wie die Mühe <strong>de</strong>r Azubis, latexfreieHandschuhe <strong>und</strong> die Bezahlung von Arbeits- <strong>und</strong> Schutzkleidung einzuklagen? <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>skulturin Arzt- <strong>und</strong> Zahnarztpraxen beinhaltet mehr als nur die selbstverständlicheAnwendung von <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>s- <strong>und</strong> Arbeitsschutz. Dazu gehört eine Atmosphäre,in <strong>de</strong>r <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> beachtet <strong>und</strong> Krankheit nicht missachtet wird, in <strong>de</strong>r esRaum gibt für Anerkennung wie für Kritik, in <strong>de</strong>r eine gute Arbeitsorganisation allenBeschäftigten geregelte Arbeitszeiten <strong>und</strong> Pausen ermöglicht. Dies alles istmöglich. Wir kennen die positiven Beispiele aus <strong>de</strong>n Seminaren. Sie sind in <strong>de</strong>rMin<strong>de</strong>rheit - aber keine Einzelfälle.LiteraturBrater, M.: Beruf o<strong>de</strong>r Tätigkeit - zur gesellschaftlichen Bewertung von Beruflichkeit <strong>und</strong>Fachlichkeit personenbezogener Dienstleistungsarbeit. In: Berufliche Bildung - Kontinuität<strong>und</strong> Innovation. Dokumentation <strong>de</strong>s 3. BIBB-Fachkongresses, Berlin 1996.B<strong>und</strong>esministerium für Bildung <strong>und</strong> Forschung (Hrsg.): Berufsbildungsbericht 1999.Czock, H.: Männer über Arbeitsbelastungen. In: Czock, H., Göbel, E., Guthke, B. (Hrsg.), Lesebuchzu Arbeit <strong>und</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>. Man darf nicht wehleidig sein! Berlin 1990.Czock, H., Göbel, E., Guthke, B. (Hrsg.): Lesebuch zur Arbeitskultur. Arbeit ist das halbe Leben!Berlin 1995.Czock, H., Göbel, E., Guthke, B., Panke, M .(Hrsg.): <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sför<strong>de</strong>rung in <strong>de</strong>r Arbeitswelt.Dokumentation <strong>de</strong>s Fachseminars „Arbeit <strong>und</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> in <strong>de</strong>r Bildungsarbeit“. Berlin1992.Gellhardt, H., Kohlmeyer, K., Theisen, M.: Anatomie <strong>de</strong>s <strong>Ausbildung</strong>sabbruchs. Berlin 1995.Göttner-Abendroth, H.: Die Macht von Frauen. In: Noelle-Fischer, K.; Willkop, L.: Eigenmächtig.München 1990, Zitiert in: Schiek, Gudrun: Frauen <strong>und</strong> Konfliktfähigkeit. Hohengehren1994.Hecker, U.: Arzthelferinnen in <strong>de</strong>r <strong>Ausbildung</strong> - Erfahrungen <strong>und</strong> Einschätzungen. In: BWP 28 /1999/2.Hoffmann, U.: Alles eine Frage <strong>de</strong>s T<strong>im</strong>ings? Arbeitsteilung <strong>und</strong> Kooperation in <strong>de</strong>r ärztlichenPraxis. In: Zettel, O. (Hrsg.): <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sberufe: Studien zu ihrer Entstehung <strong>und</strong> Verän<strong>de</strong>rung.Frankfurt/M.; New York 1983.Holtgrewe, U.: Die Zuarbeiterinnen. Frauen in Assistenzberufen. In: Forum Wissenschaft4/1998.Kieper-Wellmer, M.: Wo Frauen unter sich sind - Überlegungen zu Struktur, Beziehung <strong>und</strong>Macht in frauendominierten sozialpädagogischen Einrichtungen. In: Derichs-Kunstmann,K.; Müthing, B. (Hrsg.): Frauen lernen an<strong>de</strong>rs. Bielefeld 1993.Krüger, H.: Doing Gen<strong>de</strong>r - Geschlecht als Statuszuweisung <strong>im</strong> Berufsbildungssystem. Vortragzur AUF-Jahrestagung. Dortm<strong>und</strong> 1989.Kuhn, J.: <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sför<strong>de</strong>rung <strong>und</strong> Subjektivität: Erfahrungen aus <strong>de</strong>r Bildungsarbeit mit Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>naus Bauberufen. In: Czock, Horst (Hrsg.): Betriebliche <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sför<strong>de</strong>rung


112Karin Sötje<strong>und</strong> Bildungsarbeit <strong>im</strong> gesellschaftlichen Umbruch: Bo<strong>de</strong>n unter die Füße bekommen. Berlin1997.Malleier, E.: Zur Frage <strong>de</strong>r Geschlechterdifferenz in <strong>de</strong>r Professionalisierungsgeschichte<strong>de</strong>rKrankenpflege. In: Mixa, E., Malleier, E., Springer-Kremser, M., Birkhan, I. (Hrsg.):Körper - Geschlecht - Geschichte. Historische <strong>und</strong> aktuelle Debatten in <strong>de</strong>r Medizin. Innsbruck1996.Marstedt, G., Müller, R.: <strong>Ausbildung</strong>sbeschwer<strong>de</strong>n. Eine Studie über Arbeitsbelastungen <strong>und</strong>ges<strong>und</strong>heitliche Beeinträchtigungen Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>r. Bremerhaven 1998.Maschewesky-Schnei<strong>de</strong>r, U., Sonntag, U., Klesse, R.: Das Frauenbild in <strong>de</strong>r Prävention - Psychologisierung<strong>de</strong>r weiblichen <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>. In: Brähler, E., Fel<strong>de</strong>r, H. (Hrsg.): Weiblichkeit,Männlichkeit <strong>und</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>. Opla<strong>de</strong>n 1992.Meifort, B.: <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>s- <strong>und</strong> Sozialberufe auf <strong>de</strong>m Prüfstand. In: Frackmann, Margit (Hrsg.):Ein Schritt vorwärts. Frauen in <strong>Ausbildung</strong> <strong>und</strong> Beruf. Hamburg 1990.Panke, M.: Seminare zum Thema „Arbeit <strong>und</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>“ mit jungen Männern. In: Czock, H.,Göbel, E., Guthke, B., Panke, M.. (Hrsg.): <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sför<strong>de</strong>rung in <strong>de</strong>r Arbeitswelt. Dokumentation<strong>de</strong>s Fachseminars „Arbeit <strong>und</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> in <strong>de</strong>r Bildungsarbeit“. Berlin 1992.Sötje, K.: Ges<strong>und</strong> in <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sberufen? Anfor<strong>de</strong>rungen <strong>und</strong> Belastungen in Arzt-<strong>und</strong> Zahnarztpraxen.In: Busch, R. (Hrsg.): Betriebliche <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sför<strong>de</strong>rung in Klein- <strong>und</strong> Mittelbetrieben.Berlin 1998.Wetterer, A. (Hrsg.): Die soziale Konstruktion von Geschlecht in Professionalisierungsprozessen.Frankfurt/M. 1995.


<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sför<strong>de</strong>rung <strong>im</strong> BerufsschulsportKarin Bin<strong>de</strong>r<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> ist kein selbstverständlicher biologischer Zustand,son<strong>de</strong>rn muss ständig neu erworben wer<strong>de</strong>n.(Zitat aus „Säftetheorie“ von Galen 2. Jahrh<strong>und</strong>ert n.Chr)Trotz erheblicher Anstrengungen in <strong>de</strong>n letzten Jahren konnten in <strong>de</strong>r B<strong>und</strong>esrepublikDeutschland nicht alle Bereiche <strong>de</strong>s Sports in ihren For<strong>de</strong>rungen zufrie<strong>de</strong>n gestelltwer<strong>de</strong>n. Als beson<strong>de</strong>rs för<strong>de</strong>rungs- <strong>und</strong> diskussionsbedürftig hat sich <strong>de</strong>r Sportmit erwerbstätigen Jugendlichen in Berufsschule, Betrieb <strong>und</strong> Verein herausgestellt.Für Berufsanfänger, die die Umstellung von allgemeinbil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Schulen in das Arbeitslebenbewältigen müssen <strong>und</strong> durch berufliche Sozialisationsprozesse in ihrerLebenssituation geprägt sind, stehen zwischen 0 <strong>und</strong> 1,1 Wochenst<strong>und</strong>en Sportunterrichtzur Verfügung.Unter Sozialisationsprozessen in diesem Sinne verstehen wir:- hohe physische <strong>und</strong>/o<strong>de</strong>r psychische Belastungen- monotone, repetitive Tätigkeiten- rigi<strong>de</strong> Autoritätsstrukturen- geringe Mitbest<strong>im</strong>mung- beschränkte Kommunikationsmöglichkeiten- starke Leistungsorientierung u. a.Zieht man zu<strong>de</strong>m in Betracht, dass künftig die Lebensarbeitszeit noch mehr reduziertwird - zum einen durch die Verkürzung <strong>de</strong>r täglichen Arbeitszeit <strong>und</strong> die damitverb<strong>und</strong>ene Verlängerung <strong>de</strong>r Freizeit, zum an<strong>de</strong>ren durch Perio<strong>de</strong>n erzwungenerArbeitslosigkeit -, dann stellt sich angesichts dieser Situation für die an gesellschaftlicherEntwicklung Mitverantwortung Tragen<strong>de</strong>n die Aufgabe, zur sinnhaften Arbeits-<strong>und</strong> Lebensgestaltung junger Erwerbstätiger beizutragen.In <strong>de</strong>r beruflichen Bildung sind erstmalig die Schüler in Berufsgruppen differenziertzusammengefasst <strong>und</strong> letztmalig haben wir die Chancen über <strong>de</strong>n obligatorischenUnterricht vielen Jugendlichen mit Beginn ihrer beruflichen Laufbahn ges<strong>und</strong>heitsför<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>Handlungskompetenzen zu vermitteln. Diese sollten sich sowohl auf diekommen<strong>de</strong>n beruflichen Belastungen als auch auf das ges<strong>und</strong>heitsbewusste Verhal-


114Karin Bin<strong>de</strong>rten <strong>im</strong> Freizeitbereich konzentrieren. Dabei stehen solche Fächer wie Sport, polit.Bildung, <strong>de</strong>r Fachunterricht <strong>und</strong> auch <strong>de</strong>r Theorieunterricht in <strong>de</strong>r praktischen <strong>Ausbildung</strong>in <strong>de</strong>r Verantwortung, integrativ alle Potenzen ihres Faches zur Entwicklungges<strong>und</strong>heitsför<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>r Handlungskompetenzen bei <strong>de</strong>n Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n nutzen.Die Luxemburger Deklaration zur betrieblichen <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sför<strong>de</strong>rung in <strong>de</strong>r EuropäischenUnion vom 27/28.11.1997 hält fest:„Betriebliche <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sför<strong>de</strong>rung umfasst alle gemeinsamen Maßnahmen vonArbeitgebern, Arbeitnehmern <strong>und</strong> Gesellschaft zur Verbesserung von <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong><strong>und</strong> Wohlbefin<strong>de</strong>n am Arbeitsplatz.Dies kann durch eine Verknüpfung folgen<strong>de</strong>r Ansätze erreicht wer<strong>de</strong>n:1. Verbesserung <strong>de</strong>r Arbeitsorganisation <strong>und</strong> <strong>de</strong>r Arbeitsbedingungen2. För<strong>de</strong>rung einer aktiven Mitarbeiterbeteiligung3. Stärkung persönlicher Kompetenzen.“Diesen Ansätzen sollte bereits in <strong>de</strong>r Berufsausbildung Rechnung getragen wer<strong>de</strong>n.Bamberg/Ducki/Metz 11 schreiben:„Je früher präventive <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>heitsför<strong>de</strong>rliche Interventionen einsetzen, umso eher wird das Krankheitsgeschehen zu beherrschen sein“.Es ist erfreulich, dass sich auch in Potsdam ein OSZ dieser Aufgabe stellt.Seit 1987 hat <strong>de</strong>r Arbeitsbereich Sportpädagogik/Sportdidaktik <strong>de</strong>s Sportinstitutes<strong>de</strong>r heutigen Universität Potsdam sich dieser Aufgabe gestellt <strong>und</strong> versucht, diesenAnsatz für die eigene Arbeit <strong>und</strong> <strong>Ausbildung</strong> <strong>de</strong>r Stu<strong>de</strong>nten an <strong>de</strong>r Universität sowiefür <strong>de</strong>n Sportunterricht in <strong>de</strong>n berufsbil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Einrichtungen didaktisch aufzubereiten.In <strong>de</strong>r Rahmenrichtlinie Sport 1990 vom Ministerium für Bildung <strong>und</strong> Wissenschaft<strong>de</strong>r ehemaligen DDR waren erstmals diese berufsbezogenen ges<strong>und</strong>heitsför<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>nMaßnahmen <strong>im</strong> Sportunterricht gesetzlich vorgegeben. Wir nannten sie tätigkeitsorientiertprophylaktisch wirken<strong>de</strong> Bewegungsangebote.Nach<strong>de</strong>m die Bildung in Län<strong>de</strong>rhoheit übergeben wur<strong>de</strong>, haben einige <strong>de</strong>r neuenB<strong>und</strong>eslän<strong>de</strong>r diesen Plan weiterhin als Gr<strong>und</strong>lage ihres Berufsschulsportunterrichtesgenommen bzw. in die Erarbeitung neuer Rahmenpläne/Unterrichtsvorgabenintegriert (Sachsen,Thüringen, <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong>). So sind in <strong>de</strong>n Unterrichtsvorgabenfür <strong>de</strong>n Sport in <strong>de</strong>r beruflichen Bildung <strong>im</strong> <strong>Land</strong> <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong> seit 1997 u. a. folgen<strong>de</strong>Festlegungen verankert:11 Bamberg, E., Ducki, A., Metz, A.-M. (Hrsg.): Handbuch betriebliche <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sför<strong>de</strong>rung,Göttingen 1998.


<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sför<strong>de</strong>rung <strong>im</strong> Berufsschulsport 1151. Der Sportunterricht in <strong>de</strong>r Berufsausbildung ist die letzte obligatorische Bildungsstufe,die die Jugendlichen befähigt, durch sportliche Betätigung- ihr Leben bewusster <strong>und</strong> aktiver zu gestalten sowie zu genießen,- ges<strong>und</strong>heitlichen Beeinträchtigungen bzw. Krankheiten entgegenzuwirken,- sich für die Erfüllung <strong>de</strong>r Lern- <strong>und</strong> <strong>de</strong>r künftigen Arbeitsanfor<strong>de</strong>rungenfit zu halten <strong>und</strong> leistungsfähiger zu machen.2. Dabei hat <strong>de</strong>r Sportunterricht folgen<strong>de</strong> Ziele <strong>und</strong> Aufgaben:- Motivieren zum lebenslangen Sporttreiben- Festigen <strong>und</strong> Erweitern <strong>de</strong>r sportlichen Handlungskompetenz- För<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r ges<strong>und</strong>heitlichen Handlungskompetenz- Vermitteln von Inhalten <strong>und</strong> Metho<strong>de</strong>n zur Prävention <strong>und</strong> Kompensationberufsspezifischer Belastungen.Es wer<strong>de</strong>n Übungen <strong>und</strong> Bewegungsprogramme aus <strong>de</strong>n Elementen <strong>de</strong>r Rückenschule,Funktionsgymnastik, Stretching <strong>und</strong> an<strong>de</strong>ren Fitnessangeboten zusammengestellt,die sich zur Prophylaxe <strong>de</strong>r physischen <strong>und</strong> psychischen Belastungen <strong>de</strong>reinzelnen Tätigkeitsgruppen eignen <strong>und</strong> zum- Abbau von Stress durch Entspannungs- <strong>und</strong> Atemübungen- Erarbeiten trainingsmethodischer Kenntnisse zur Zusammenstellung individuellerBewegungsprogramme sowie zum- Entwickeln individueller prophylaktischer Handlungskompetenz, die <strong>im</strong> Sportunterrichtberufsgruppenspezifisch erarbeitet <strong>und</strong> am Arbeitsplatz <strong>und</strong> in <strong>de</strong>rFreizeit angewen<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n kann.Damit sind die curricularen Voraussetzungen geschaffen, <strong>de</strong>n Sportunterricht in <strong>de</strong>rberuflichen Bildung als sinnbezogenen Sport zu entwickeln. Es kommt jetzt daraufan, dass die Sportlehrer diese Vorgaben verantwortungsbewusst umsetzen.Welche Möglichkeiten sehen wir?- Projekte initiieren- Fort- <strong>und</strong> Weiterbildungen nutzen- Verbindungen zwischen Berufsschule <strong>und</strong> <strong>de</strong>n Betrieben aktivieren.In einem Spitzengespräch Anfang diesen Jahres zwischen <strong>de</strong>m DSB Präsi<strong>de</strong>ntenManfred von Richthofen <strong>und</strong> <strong>de</strong>m DGB-Vorsitzen<strong>de</strong>n Schulte stand die Situation<strong>de</strong>s Berufsschulsports <strong>und</strong> <strong>de</strong>s berufsbezogenen <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>ssport <strong>im</strong> Mittelpunkt.


116Karin Bin<strong>de</strong>rDer DGB-Vorsitzen<strong>de</strong> unterstützt die For<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Sports nach Lösungsansätzenfür einen berufsbezogenen <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>ssport <strong>und</strong> unterstrich die große Rolle, diedabei <strong>de</strong>m Berufsschulsport zukomme. DSB <strong>und</strong> DGB vereinbarten, auf <strong>de</strong>r Gr<strong>und</strong>lageerfolgreicher Mo<strong>de</strong>lle weitere gemeinsame Überlegungen zur Sicherung <strong>de</strong>sBerufsschulsport anzustellen.<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sorientierung <strong>im</strong> Sportunterricht an beruflichen Schulen kann aber nichtheißen, dieses Fach als „Reparatur <strong>und</strong> Vorbeugungswerksstatt“ für eventuelle aktuelleo<strong>de</strong>r zukünftige Schädigungen <strong>de</strong>r Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n <strong>im</strong> physischen <strong>und</strong> psychischenBereich zu benutzen. Hier sind sowohl die vorbeugen<strong>de</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>serziehung<strong>im</strong> Elternhaus <strong>und</strong> allen vorangehen<strong>de</strong>n Schulstufen als auch das ges<strong>und</strong>heitsför<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>Betriebsmanagement <strong>de</strong>s Arbeitgebers gefragt. Der Sport in <strong>de</strong>r beruflichenBildung kann <strong>und</strong> will seinen Teil zur <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sför<strong>de</strong>rung beitragen, wenner für alle <strong>Ausbildung</strong>sformen <strong>und</strong> während <strong>de</strong>r gesamten <strong>Ausbildung</strong>szeit gesichert<strong>und</strong> festgeschrieben wird.


<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> <strong>und</strong> <strong>Ausbildung</strong> bei Da<strong>im</strong>lerChryslerLudwigsfel<strong>de</strong> GmbHEva Gummlich, Margrit StuhrMein Name ist Eva Gummlich. Ich bin als angestellte Werksärztin <strong>de</strong>r Da<strong>im</strong>lerChryslerLudwigsfel<strong>de</strong> GmbH tätig. Neben diesem Betrieb betreue ich noch einigekleine Firmen.Passend zur Thematik <strong>de</strong>r heutigen Projekttagung bin ich gemeinsam mit Frau Stuhr,meiner engsten Mitstreiterin, hier erschienen. Frau Stuhr ist in unserer Firma Leiterin<strong>de</strong>s Sicherheitswesens. Dieses umfasst Arbeitsschutz, Umweltschutz, Brandschutz<strong>und</strong> Werkschutz.Ich möchte Ihnen einleitend einige statistische Daten zum Thema „<strong>Ausbildung</strong>“ in<strong>de</strong>r Da<strong>im</strong>lerChrysler Ludwigsfel<strong>de</strong> GmbH sagen, Frau Stuhr wird dann wesentlicheinhaltliche Dinge ergänzen. Zunächst einige Zahlen:PersonalMitarbeiter Da<strong>im</strong>lerChrysler Ludwigsfel<strong>de</strong> GmbH(ohne Azubis)Mitarbeiter Da<strong>im</strong>lerChrysler Ludwigsfel<strong>de</strong> GmbH(mit Azubis)davon Mitarbeiter BildungszentrumAuszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>Da<strong>im</strong>lerChrysler Ludwigsfel<strong>de</strong> GmbHKooperationsauszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>1.1891.3361914748Wir haben also eine <strong>Ausbildung</strong>squote, auf die Zahl unserer Mitarbeiter bezogen,von 11 % (nur unsere eigenen Azubis gerechnet). Dies ist eine relativ hohe Quote.Folgen<strong>de</strong> <strong>Ausbildung</strong>sgänge sind in <strong>de</strong>r Da<strong>im</strong>lerChrysler Ludwigsfel<strong>de</strong> GmbHmöglich:


118Eva Gummlich, Margrit Stuhr<strong>Ausbildung</strong>sberufe:6 gewerblich-technische BerufeAutomobilmechaniker/inKfz-Elektriker/inLackierer/inWerkzeugmechaniker/in- Fachricht. Stanz- <strong>und</strong> UmformtechnikIndustriemechaniker/in- Fachricht. Produktionstechnik1 kaufmännischer BerufIndustriekaufmann/frau2 duale StudiengängeDiplom-Ingenieur/in(BA = Berufsaka<strong>de</strong>mie)Diplom-Betriebswirt/in(BA = Berufsaka<strong>de</strong>mie)Industrieelektroniker/in- Fachricht. ProduktionstechnikDiese <strong>Ausbildung</strong>sgänge sind z. Z. folgen<strong>de</strong>rmaßen belegt:Anzahl Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong> bei Da<strong>im</strong>lerChrysler Ludwigsfel<strong>de</strong><strong>Ausbildung</strong>sberuf 1. Aj. 2.Aj. 3. Aj. 4. Aj. Summe davonweibl.Automobilmechaniker/in 12 12 12 9 45 2Lackierer/in 6 6 6 0 18 5Werkzeugmechaniker/in 3 3 3 3 12 1Kfz-Elektriker/in 6 6 6 5 23 1Industriemechaniker/in 18 0 0 0 18 4Industrieelektroniker/in 2 0 0 0 2 0Dipl.-Ing. (BA) 4 4 3 0 11 3Summe Techn.Berufe (DCLU) 51 31 30 17 129 16Summe Techn. Berufefür Kooperationsbetriebe5 8 8 23 44 0Techn. Berufe gesamt 56 39 38 40 173 16Industrie kaufmann/frau 4 4 4 0 12 7Dipl.-Betriebswirt/in (BA) 2 2 2 0 6 3Summe Kaufm. Berufe (DCLU) 6 6 6 0 18 10Summe Kaufm.Berufefür Kooperationsbetriebe2 2 0 0 4 4Kaufm. Berufe gesamt 8 8 6 0 22 14Summe Azubi DCLU 57 37 36 17 147 26Azubi für Kooperationsbetriebegesamt7 10 8 23 48 4Azubi gesamt 64 47 44 40 195 30


<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> <strong>und</strong> <strong>Ausbildung</strong> bei Da<strong>im</strong>lerChrysler Ludwigsfel<strong>de</strong> 119Die Verteilung <strong>de</strong>r 1999 47 neu einzustellen<strong>de</strong>n Azubis auf die einzelnen Berufsgruppensehen Sie in <strong>de</strong>r folgen<strong>de</strong>n Übersicht:Einstellungen 1999<strong>Ausbildung</strong>sberufeAnzahlAutomobilmechaniker/in 6Kfz-Elektriker/in 6Lackierer/in 6Werkzeugmechaniker/in FR: Stanz- <strong>und</strong> UmformtechnikIndustrieelektroniker/in FR: ProduktionstechnikIndustriemechaniker/in FR: ProduktionstechnikIndustriekaufmann/frau 4Diplom-Betriebswirt/in (BA) 2Diplom-Ingenieur/in (BA) 4Gesamt 473412Wir bil<strong>de</strong>n in unserer Firma auch für Kooperationsbetriebe Azubis aus.Die Azubis, die in unserem Unternehmen einen <strong>Ausbildung</strong>splatz bekommen, wer<strong>de</strong>neinem Auswahlverfahren unterzogen. Dabei sind das Testergebnis <strong>und</strong> das persönlicheGespräch mit <strong>de</strong>m Bewerber für die Auswahl be<strong>de</strong>utend wichtiger als die in<strong>de</strong>r Schule erreichten Zensuren. Auf einen <strong>Ausbildung</strong>splatz <strong>im</strong> Bereich <strong>de</strong>r technischenBildung kommen 10 bis 15 Bewerber, auf einen <strong>Ausbildung</strong>splatz <strong>im</strong> kaufmännischenBereich bzw. auf einen BA-Studienplatz kommen 50 bis 100 Bewerber.Seit 1991 wur<strong>de</strong>n etwa 5 000 Bewerber diesem Auswahlverfahren unterzogen. Beikeinem <strong>de</strong>r angenommenen Bewerber wur<strong>de</strong> innerhalb <strong>de</strong>r Probezeit das <strong>Ausbildung</strong>sverhältnisvon Seiten <strong>de</strong>s Betriebes gelöst. Ich <strong>de</strong>nke, dies spricht für die Qualität<strong>de</strong>s Auswahlverfahrens. Die Kooperationsbetriebe nutzen unser Auswahlverfahrenz.T. als Dienstleistung.


120Eva Gummlich, Margrit Stuhr1. <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>liche Eignung <strong>de</strong>r BewerberFür Bewerber unter 18 Jahre wird das Ergebnis <strong>de</strong>r Untersuchung nach <strong>de</strong>m Jugendarbeitsschutzgesetzbei <strong>de</strong>r Bewerbung herangezogen. Bewerber über 18 Jahre wer<strong>de</strong>nnoch vor Abschluss <strong>de</strong>s <strong>Ausbildung</strong>svertrages einer Einstellungsuntersuchung inunserem Werksärztlichen Dienst (WD) unterzogen.Die Einstellungsuntersuchung vor Aufnahme <strong>de</strong>r Tätigkeit halte ich für sehr sinnvoll,um eventuelle Fehlentscheidungen aus medizinischer Sicht noch korrigieren zukönnen (z. B. bei vorliegen<strong>de</strong>n Hauterkrankungen bzw. <strong>de</strong>r Veranlagung dafür). Für<strong>de</strong>n Betriebs- bzw. Werksarzt ist es sicher leichter möglich, die ges<strong>und</strong>heitliche Eignungfür einen konkreten <strong>Ausbildung</strong>sgang festzustellen, als für <strong>de</strong>n Schularzt, <strong>de</strong>reine generelle Entscheidung quer durch alle Berufsgruppen treffen muss. Wir <strong>de</strong>nkendarüber nach, zukünftig bei allen Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n schon vor Beginn <strong>de</strong>r Lehredie Einstellungsuntersuchung bei uns durchzuführen.Am 1. <strong>Ausbildung</strong>stag fin<strong>de</strong>t bei uns in <strong>de</strong>r Firma für die neuen Azubis ein Informationstagstatt. Neben <strong>de</strong>r Begrüßung durch die Geschäftsführung <strong>und</strong> <strong>de</strong>r Klärungvieler organisatorischer Fragen stellen sich auch die Vertreter <strong>de</strong>s Sicherheitswesens,<strong>de</strong>r Betriebskrankenkasse <strong>und</strong> <strong>de</strong>s Werksärztlichen Dienstes vor. Wir berichten überunsere Aufgaben in <strong>de</strong>r Firma <strong>und</strong> stellen einen ersten Kontakt zu unseren neuenAuszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n her. Eine vertrauensvolle Atmosphäre zu <strong>de</strong>n Azubis ist mir vom1.Tag an sehr wichtig. Damit kann auch die Scheu vor <strong>de</strong>m medizinischen Arbeitsbereichetwas abgebaut wer<strong>de</strong>n. Das Sicherheitswesen n<strong>im</strong>mt außer<strong>de</strong>m eine Erstunterweisungzum Arbeitsschutz vor.In <strong>de</strong>n ersten <strong>Ausbildung</strong>stagen führen wir dann <strong>im</strong> Werksärztlichen Dienst die Einstellungsuntersuchungen<strong>de</strong>r Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n, die noch nicht bei uns waren, durch.Hier macht es sich bereits bezahlt, dass die jungen Leute mich am Einstellungstagkurz kennen gelernt haben; <strong>de</strong>r Gang zum WD wird erleichtert. Neben <strong>de</strong>r berufsbezogenenEinstellungsuntersuchung erfolgt dabei für die technisch-orientierten Berufsbil<strong>de</strong>reine Beratung zum Hautschutz. Je<strong>de</strong>r Azubi erhält einen Hautschutzplanin Form eines Kärtchens.Die Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>n <strong>Ausbildung</strong>splan zu Ersthelfern integriert. GroßeBe<strong>de</strong>utung messen wir <strong>de</strong>r Schulung <strong>de</strong>r Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n zu Arbeitsschutz-Themenbei. So fährt je<strong>de</strong>r Azubi einmal während seiner <strong>Ausbildung</strong> zu einem zweieinhalbtägigenArbeitsschutz-Seminar <strong>de</strong>r Nord<strong>de</strong>utschen Metall-BG ins Haus Arbeitssicherheitnach Bad Bevensen. Begleitet wer<strong>de</strong>n die Azubi dabei von Frau Stuhr, dieauch aktiv in das Seminargeschehen eingeb<strong>und</strong>en ist. Dazu hören Sie mehr in <strong>de</strong>nAusführungen von Frau Stuhr. Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong> sind auch als Sicherheitsbeauftragtetätig. Vom Bereich Sicherheitswesen wur<strong>de</strong> in unserem Werk <strong>de</strong>r Sicherheitspreisins Leben gerufen. Über <strong>de</strong>n Sinn <strong>und</strong> Inhalt wird Ihnen gleich Frau Stuhr etwassagen.


<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> <strong>und</strong> <strong>Ausbildung</strong> bei Da<strong>im</strong>lerChrysler Ludwigsfel<strong>de</strong> 121Einige Bemerkungen zum Krankenstand bei unseren Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n: Der Krankenstandlag in <strong>de</strong>n zurückliegen<strong>de</strong>n Jahren über <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Firma insgesamt.9%Krankenstand bei Da<strong>im</strong>lerChrysler Ludwigsfel<strong>de</strong> insgesamt<strong>und</strong> Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong> von 1996 bis 19988%7%6%5%199619974%3%2%19981%0%DBLU gesamtAuszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>Abbildung 41Vom <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>szustand her war das nicht erklärbar, das zeigten die Ergebnisse<strong>de</strong>r Einstellungs- <strong>und</strong> <strong>de</strong>r Vorsorgeuntersuchungen. Allerdings gab es einige schwereWegeunfälle (Verkehrsunfälle) von Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n mit langen Arbeitsunfähigkeitsdauern,was die Gesamtheit <strong>de</strong>r Arbeitsunfähigkeitsstatistik natürlich erheblichbeeinflusst hat. Im Laufe <strong>de</strong>s Jahres 1998 gab es eine entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Trendän<strong>de</strong>rung<strong>im</strong> Arbeitsunfähigkeitsverhalten <strong>de</strong>r Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n, diese Ten<strong>de</strong>nz setzt sich in1999 fort.Krankenstand Januar 97 bis Mai 999%8%7%DBLU gesamtAuszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>6%5%4%3%2%1%0%Abbildung 42


122Eva Gummlich, Margrit StuhrDer entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Faktor dieser Än<strong>de</strong>rung ist mit Sicherheit in <strong>de</strong>r Motivation <strong>de</strong>rAuszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n gegenüber <strong>Ausbildung</strong> <strong>und</strong> beruflicher Arbeit zu sehen. Die Motivationist natürlich um so höher, je größer die Chance auf Übernahme in ein unbefristetesArbeitsverhältnis ist. Der Anteil <strong>de</strong>r Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n mit 11 % <strong>de</strong>r Gesamtbelegschaftist sehr hoch. So viele Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong> wur<strong>de</strong>n bisher zum Erhalt <strong>de</strong>rBelegschaft <strong>de</strong>s Betriebes nicht gebraucht. Nur die besten Azubis hatten in <strong>de</strong>r Vergangenheitdie Chance, übernommen zu wer<strong>de</strong>n. Die Übernahmequoten <strong>de</strong>r letztenJahre zeigt die folgen<strong>de</strong> Übersicht:Übernahmen 1991 bis 1999Jahr199119921993199419951996199719981999Übernahmequotein Prozent564233213850295875Im Jahre 1994 war wegen Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Produktion ein Personalabbau vorgenommenwor<strong>de</strong>n. Dies drückt sich auch in <strong>de</strong>r niedrigen Übernahmerate für die Azubisaus. 1998 liegt die Übernahme bei 58 %, 1999 wer<strong>de</strong>n 75 % <strong>de</strong>r Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n inein unbefristetes Arbeitsverhältnis übernommen. Dies scheinen wesentliche Grün<strong>de</strong>für die verbesserte Motivation in <strong>de</strong>r <strong>Ausbildung</strong> zu sein. Jedoch möchte ich dabeiauch nicht das persönliche Engagement unserer <strong>Ausbildung</strong>smeister vergessen, diesich sehr um ein gutes <strong>Ausbildung</strong>sergebnis bemühen.Die jetzige Zukunftsplanung unseres Werkes (2001 kommt ein neues Fahrzeug ausLudwigsfel<strong>de</strong> auf <strong>de</strong>n Markt) hat die Situation verän<strong>de</strong>rt. Wir bil<strong>de</strong>n jetzt die <strong>im</strong>Jahre 2001 benötigten Fachleute aus. Bei gutem Abschluss <strong>de</strong>r <strong>Ausbildung</strong> bestehengegenwärtig für alle Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n gute Aussichten, übernommen zu wer<strong>de</strong>n.Die hohe <strong>Ausbildung</strong>srate in unserem Werk sehe ich generell als positiv an, da die<strong>Ausbildung</strong> in einem gut ausgestatteten Bildungswesen auf hohem Niveau erfolgt.Damit wer<strong>de</strong>n die Chancen <strong>de</strong>r jungen Leute auch auf <strong>de</strong>m freien Arbeitsmarkt verbessert.


<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> <strong>und</strong> <strong>Ausbildung</strong> bei Da<strong>im</strong>lerChrysler Ludwigsfel<strong>de</strong> 123Über das Arbeits- <strong>und</strong> Wegeunfallgeschehen berichtet anschließend Frau Stuhr inihrem Beitrag.Nach<strong>de</strong>m Frau Gummlich eine Übersicht zum Krankenstand in unserem Unternehmengegeben hat, möchte ich nun einige Ausführungen zum präventiven <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sschutzmachen. Dabei gehe ich auf das Unfallgeschehen <strong>und</strong> die Präventionsarbeitmit Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n ein. Bevor ich jedoch damit beginne möchte ich hier nocherwähnen, dass wir uns <strong>im</strong> Verband Deutscher Sicherheitsingenieure sehr intensivmit <strong>de</strong>r Präventionsarbeit bei Jugendlichen beschäftigen. Aus diesem Gr<strong>und</strong> habenwir schon vor einigen Jahren eine Fachgruppe Stu<strong>de</strong>nten gebil<strong>de</strong>t, die sich diesemThema ann<strong>im</strong>mt.Wir haben es es geschafft, das Gesamtunfallgeschehen über die Jahre stets zu senken.Dies spiegelt auch die Entwicklung <strong>de</strong>s Unfallaufkommens <strong>de</strong>s Bereiches <strong>Ausbildung</strong>wi<strong>de</strong>r. Nur 6 % <strong>de</strong>s Standortunfallgeschehens sind <strong>de</strong>m Bereich <strong>Ausbildung</strong>zuzuschreiben. In absoluten Zahlen ausgedrückt, sind dies 3 Unfälle von 49 Gesamtunfällen.Dieses Ergebnis war vor einigen Jahren noch nicht selbstverständlich,son<strong>de</strong>rn es wur<strong>de</strong> durch kontinuierliches Arbeiten mit <strong>de</strong>n Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n erreicht.Im Bereich <strong>de</strong>r Wegeunfälle sieht es nicht ganz so erfreulich aus, hier haben wirvom Gesamtgeschehen 16 % Anteil in <strong>de</strong>r <strong>Ausbildung</strong>. Aber auch hier bemühen wiruns weiter um präventive Maßnahmen, auf die ich später noch eingehen wer<strong>de</strong>.Im September je<strong>de</strong>n Jahres erhalten alle neu eingestellten Azubis direkt durch dieSicherheitsfachkräfte eine Basisinformation zur innerbetrieblichen Organisation <strong>de</strong>sArbeits-, Umwelt- <strong>und</strong> Brandschutzes. Gleichzeitig erhalten sie in Form einer ErstunterweisungHinweise zum Verhalten <strong>im</strong> Betrieb. Bereits hier haben sie erste Kontaktemit diesen Themen. Nach einigen Tagen Einsatz in <strong>de</strong>r Berufsausbildung machensie einen Durchlauf durch die Werkfeuerwehr. Anhand von Erläuterungen <strong>und</strong>praktischen Beispielen erhalten sie u. a. Informationen zur Handhabung von Feuerlöscherno<strong>de</strong>r zum Mel<strong>de</strong>ablauf <strong>im</strong> Brandfall.Wir haben über alle Bereiche verteilt Sicherheitsbeauftragte, so auch in <strong>de</strong>r <strong>Ausbildung</strong>.Aus <strong>de</strong>n Reihen <strong>de</strong>r Azubis haben wir 2 Sicherheitsbeauftragte bestellt <strong>und</strong>auch zur Schulung in die <strong>Ausbildung</strong>sstätte <strong>de</strong>r Nord<strong>de</strong>utschen Metall Berufsgenossenschaftgesandt. Dort haben sie ihr Gr<strong>und</strong>wissen erhalten <strong>und</strong> auch Erfahrungenbei <strong>de</strong>n Teilnehmern aus an<strong>de</strong>ren Unternehmen sammeln können. An <strong>de</strong>n innerbetrieblichenSchulungen nehmen sie ebenso teil, wie die Sicherheitsbeauftragten an<strong>de</strong>rerBereiche.In unserem Unternehmen halten wir neben hauptamtlichen Kräften in <strong>de</strong>r Werkfeuerwehrauch nebenamtliche Feuerwehreinsatzkräfte vor. Auch hier sind die Azubisintegriert. Da einige Azubis in ihren He<strong>im</strong>atorten bereits in Freiwilligen Wehrentätig sind, verfügen sie bereits über einiges Gr<strong>und</strong>wissen. Dies wird bei uns durch


124Eva Gummlich, Margrit Stuhrbetriebliche Schulungen vertieft <strong>und</strong> so sind sie ein wichtiger Baustein zur Standortsicherung.Wir sind schon seit Jahren in <strong>de</strong>r glücklichen Lage Nutznießer <strong>de</strong>s von Herrn Töpfervorgestellten Konzeptes bei <strong>de</strong>r Nord<strong>de</strong>utschen Metall Berufsgenossenschaft zusein.Je<strong>de</strong>s Jahr fahren wir mit unseren Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n in die <strong>Ausbildung</strong>sstätte <strong>de</strong>r BG<strong>und</strong> führen Workshops durch. Dort wer<strong>de</strong>n u.a. solche Themen wie- Vorstellung <strong>de</strong>r Organisation <strong>de</strong>r Sicherheitsarbeit <strong>im</strong> Betrieb- Wahrnehmungstraining mit EVA (eigene Bil<strong>de</strong>r aus unserem Unternehmen bil<strong>de</strong>nhierbei die Gr<strong>und</strong>lage)- Verkehrssicherheit- Gruppenarbeiten z.B. zu Themen wie- Arbeiten an Werkzeugmaschinen- Persönliche Schutzausrüstung- Lärmarbeitsplätze- Büroarbeitsplätze- Hautschutz- Gefährdung durch elektrischen Strom- Exper<strong>im</strong>ente zum Brandschutz bearbeitet <strong>und</strong> vertieft.Unsere Azubis kennen vor <strong>de</strong>m Seminar die Themen <strong>und</strong> können sich so bereits daraufeinstellen. Ziel ist dabei die Wissensvertiefung, das Erkennen krankheitsbedingter<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sgefahren <strong>und</strong> Bezugnahme auf <strong>de</strong>n eigenen Arbeitsplatz. Die Ergebnissewer<strong>de</strong>n dabei dokumentiert <strong>und</strong> <strong>im</strong> Bereich <strong>de</strong>r <strong>Ausbildung</strong> für Unterweisungengenutzt. Dabei präsentieren die Azubis selber Ihre Ausarbeitungen vor <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>renAzubis. Diese Ergebnisse wer<strong>de</strong>n ebenfalls <strong>im</strong> Arbeitsschutzausschuss durchdie Azubis vorgestellt. Hier wer<strong>de</strong>n gemeinsam mit <strong>de</strong>n Vertretern <strong>de</strong>s Betriebsrates<strong>und</strong> <strong>de</strong>r Geschäftsführung die Gr<strong>und</strong>lagen zum Arbeits- <strong>und</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sschutz besprochen.Zu Beginn meiner Ausführungen erwähnte ich bereits das Wegeunfallgeschehen.Wir bieten <strong>im</strong> Unternehmen mit Unterstützung <strong>de</strong>r Nord<strong>de</strong>utschen Metall BG <strong>und</strong><strong>de</strong>m ACE Verkehrssicherheitstrainings an, die allerdings in <strong>de</strong>r Freizeit stattfin<strong>de</strong>n.Speziell von Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n wird diese Gelegenheit gern in Anspruch genommen,so können sie Theorie gleich <strong>im</strong> Anschluss <strong>im</strong> praktischen Fahrsicherheitstrainingerproben. Übrigens ist so etwas für je<strong>de</strong>rmann zu empfehlen, auch ich habe schonbe<strong>im</strong> Training mitgemacht.Im Jahr 1998 haben wir bei uns <strong>de</strong>n Sicherheitspreis eingeführt. Um noch weitereOpt<strong>im</strong>ierungen zu erreichen, haben wir gemeinsam mit Geschäftsführung <strong>und</strong> Betriebsratdieses Konzept entwickelt. Ziel ist nur dabei Anerkennung <strong>und</strong> Lob zu


<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> <strong>und</strong> <strong>Ausbildung</strong> bei Da<strong>im</strong>lerChrysler Ludwigsfel<strong>de</strong> 125verteilen, gute Ergebnisse mit i<strong>de</strong>ellem Stolz zu mischen. Gr<strong>und</strong>lage bil<strong>de</strong>n dabeisechs Kriterien, die mit verschie<strong>de</strong>nen Wichtungen in das Ergebnis einwirken. Inhalte<strong>de</strong>r Kriterien sind dabei natürlich die Anzahl <strong>de</strong>r Betriebsunfälle mit <strong>de</strong>n Ausfalltagen,verhaltensbedingte Abläufe zur Meldung von Unfällen, Teilnahme anSchulungen <strong>und</strong> vor allem Sicherheit, Ordnung <strong>und</strong> Sauberkeit am Arbeitsplatz.Nach <strong>de</strong>m ersten Jahr können wir bereits auf die ersten guten Ergebnisse verweisen.Kontinuierliche Verbesserung <strong>de</strong>r Arbeitssicherheit, <strong>de</strong>s Umweltschutzes <strong>und</strong>Brandschutzes sind ein Bestandteil <strong>de</strong>r Wettbewerbsfähigkeit unseres Unternehmens.Dabei bauen wir auf die aktive Mitwirkung <strong>und</strong> Gestaltung aller Mitarbeiter.Natürlich sind auch hier die Azubis dabei. Sie wetteifern genauso um die erstenPlätze, wie die Kollegen mit langjähriger Berufserfahrung. Als Auszeichnung gibt esfür die ersten Plätze eine i<strong>de</strong>elle <strong>und</strong> eine materielle Anerkennung. Zur Auswahl <strong>de</strong>ri<strong>de</strong>ellen Anerkennung haben wir gemeinsam mit <strong>de</strong>m I<strong>de</strong>enwettbewerb eine Verlosungdurchgeführt. Alle Mitarbeiter, ebenso die Azubis, konnten ihre Vorschlägeeinbringen. Die Herstellung dieser Wan<strong>de</strong>rtrophäe haben unsere Azubis vorgenommen.Gemeinsam zwischen einem Praktikanten <strong>und</strong> Azubis wur<strong>de</strong>n die Materialienbesorgt <strong>und</strong> die Umsetzung durchgeführt.Mit diesen Ausführungen möchte ich meinen Vortrag been<strong>de</strong>n. Ich hoffe Ihnen anhand<strong>de</strong>s Beispieles unseres Unternehmens einige Anhaltspunkte zur praktischenUmsetzung von Präventionsarbeit gegeben zu haben. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!


AnhangSuchtprävention <strong>im</strong> <strong>Ausbildung</strong>sbereich – Wege,Konzepte, ErfahrungenMartina Rummel, Ludwig Rainer, Reinhard Fuchs1. Weshalb Suchtprävention <strong>im</strong> <strong>Ausbildung</strong>sbereich?Zahlreiche Jugendliche haben heute Erfahrungen <strong>im</strong> Umgang mit legalen <strong>und</strong> illegalenDrogen. Unter Berliner Schülern <strong>de</strong>r siebten bis zehnten Klasse trinken nachErgebnissen <strong>de</strong>s Robert-Koch-Instituts knapp 6 % täglich Alkohol. Das Einstiegsalterwird mit elf bis zwölf Jahren beziffert, r<strong>und</strong> die Hälfte <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r trinkt bereits indiesem Alter bei Festlichkeiten. Ebenfalls r<strong>und</strong> die Hälfte raucht gelegentlich.5-10 % <strong>de</strong>r Jugendlichen zwischen 16 <strong>und</strong> 25 Jahren haben Erfahrungen mit Ecstasy(Tossmann 1998, S. 67). Von <strong>de</strong>n bis 20jährigen jungen Erwachsenen hat je<strong>de</strong>rvierte bis fünfte Erfahrung mit Cannabis, je<strong>de</strong>r dreizehnte mit Speed, je<strong>de</strong>r fünf<strong>und</strong>wanzigstemit Kokain o<strong>de</strong>r LSD <strong>und</strong> je<strong>de</strong>r fünfzigste mit Heroin (Herbst, Kraus u.Scherer 1996). Der Umgang mit Marihuana <strong>und</strong> Ecstasy ist für einen Großteil <strong>de</strong>rJugendlichen heute kulturspezifisch <strong>und</strong> relativ selbstverständlich. Insbeson<strong>de</strong>reMarihuana wird auch in <strong>de</strong>r Erwachsenenwelt zum Teil akzeptiert.Alkohol steht nach wie vor an erster Stelle <strong>de</strong>s Drogenkonsums. Bis zum zwanzigstenLebensjahr hat nahezu je<strong>de</strong>/r Jugendliche Erfahrungen damit. Es <strong>de</strong>utet einigesdarauf hin, dass Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong> <strong>im</strong> Umgang mit Alkohol größere Probleme zeigenals gleichaltrige Schüler. In einer Studie von Hoth (1994) mit 2345 Mag<strong>de</strong>burgerAuszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>utlich, dass 96 von 100 <strong>de</strong>r befragten Jugendlichen mehro<strong>de</strong>r min<strong>de</strong>r regelmäßig Alkohol tranken. 23% <strong>de</strong>r weiblichen <strong>und</strong> 47% <strong>de</strong>r männlichenJugendlichen zeigten ein ges<strong>und</strong>heitsgefähr<strong>de</strong>n<strong>de</strong>s Trinkverhalten, wobei sicham Wochenen<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Anteil noch erhöhte. Ein Viertel <strong>de</strong>r männlichen Jugendlichenkonsumierte mehr als 280 g Reinalkohol pro Woche.Hoth (1994) betont, dass die Nutzung alkoholischer Getränke zur Verbesserung <strong>de</strong>rSt<strong>im</strong>mung auf Feiern <strong>und</strong> in <strong>de</strong>r Gruppe für viele Jugendliche inzwischen zurSelbstverständlichkeit gewor<strong>de</strong>n ist. Alkohol wer<strong>de</strong> auch genutzt, um Probleme zulösen, zu vergessen o<strong>de</strong>r besser zu ertragen. Der wirtschaftlichen Situation <strong>und</strong> <strong>de</strong>rdamit einhergehen<strong>de</strong>n sozialen Unsicherheit wird dabei ein erheblicher Stellenwerteingeräumt, ebenso <strong>de</strong>n ersten Liebesbeziehungen mit all <strong>de</strong>n damit verb<strong>und</strong>enenFragen, Lei<strong>de</strong>n <strong>und</strong> Problemen.


128Martina Rummel, Ludwig Rainer, Reinhard FuchsSchwierigkeiten <strong>im</strong> Umgang mit Alkohol zeigen sich zunächst stärker <strong>im</strong> Freizeitbereichals am Arbeitsplatz. Der Konsum illegaler Drogen darf <strong>im</strong> betrieblichen Rahmennoch weniger auffällig wer<strong>de</strong>n als Alkoholkonsum.Meister <strong>und</strong> Ausbil<strong>de</strong>r nehmen regelmäßigen Alkoholkonsum bei Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>nals gegeben hin, reagieren auf das Thema illegale Drogen jedoch völlig an<strong>de</strong>rs. Insbeson<strong>de</strong>reälteren Ausbil<strong>de</strong>rn fehlen aufgr<strong>und</strong> <strong>de</strong>s geringen Kontakts zur Jugendkulturhäufig entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Wahrnehmungskriterien. Wird in Betrieben <strong>und</strong> Schulendas Bedürfnis nach Suchtprävention <strong>im</strong> Jugendbereich laut, so geht es <strong>de</strong>shalb meistum das Thema illegale Drogen. Die Problematik <strong>de</strong>s Alkoholkonsums mit seinenRisiken <strong>und</strong> Folgeproblemen wird dagegen für diese Zielgruppe weitgehend vernachlässigtbzw. sogar tabuisiert. So reduziert sich <strong>de</strong>r artikulierte Aufklärungsbedarfhäufig auf die Frage: „Wie kann ich Drogenkonsum bei Jugendlichen erkennen?“Die mangeln<strong>de</strong> Erfahrung führt zugleich nicht selten dazu, dass insbeson<strong>de</strong>reweiche illegale Drogen mystifiziert wer<strong>de</strong>n. Im Umgang mit konsumieren<strong>de</strong>n Jugendlichenentstehen dadurch Überreaktionen, die einer sachgerechten Handhabung<strong>de</strong>r Problematik eher abträglich sind. Es gibt jedoch auch das umgekehrte Phänomen:Wenn Ausbil<strong>de</strong>r über eigene Erfahrungen insbeson<strong>de</strong>re mit Cannabis verfügen,wird <strong>de</strong>r Konsum sog. weicher illegaler Drogen bei <strong>de</strong>n Jugendlichen, sofern ernicht betrieblich auffällig wird, manchmal auch eher augenzwinkernd betrachtet –ähnlich wie <strong>de</strong>r Konsum von Alkohol.Folgen<strong>de</strong> Grün<strong>de</strong> sprechen in dieser Situation für Präventionsaktivitäten:1. Der hohe Alkoholkonsum von Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n verweist trotz individueller <strong>und</strong>schicht- <strong>und</strong> bildungsspezifischer Unterschie<strong>de</strong> auf eine offensichtlich nach wievor brisante Gefährdungssituation. Das Tempo, mit <strong>de</strong>m Jugendliche in eine Abhängigkeithineingeraten können, erfor<strong>de</strong>rt erhöhte Aufmerksamkeit. Aufgr<strong>und</strong><strong>de</strong>r beson<strong>de</strong>ren Zugangsmöglichkeiten <strong>im</strong> betrieblichen Kontext bieten sich hierzu<strong>de</strong>m gute Ansatzpunkte für Sek<strong>und</strong>ärprävention bei betroffenen Jugendlichen.2. Durch die altersspezifische Nähe zu illegalen Drogen, verb<strong>und</strong>en mit jugendlichenLebensentwürfen <strong>und</strong> I<strong>de</strong>ntifikationsmustern, ist gleichzeitig von einer vorhan<strong>de</strong>nenGr<strong>und</strong>erfahrung Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>r mit illegalen Drogen <strong>und</strong> einem entsprechen<strong>de</strong>rhöhten Risikopotential auszugehen.3. Da Neulinge <strong>im</strong> Betrieb in hohem Maße bereit sind, sich Regeln <strong>und</strong> Gebräuchen<strong>de</strong>r Organisation anzupassen, besteht in <strong>de</strong>r Anfangsphase <strong>de</strong>r <strong>Ausbildung</strong> einegroße Chance, Weichen für ein langfristig positives <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sverhalten zustellen.4. Die Ausbil<strong>de</strong>r, die mit Jugendlichen in dieser Phase zu tun haben, sind wichtigeInteraktionspartner <strong>und</strong> insofern Träger präventiven Han<strong>de</strong>lns. Sie bedürfendringend <strong>de</strong>r Unterstützung.


Suchtprävention <strong>im</strong> <strong>Ausbildung</strong>sbereich 1292. Ansatzpunkte <strong>und</strong> ZielgruppenPräventionsziele <strong>im</strong> <strong>Ausbildung</strong>sbereich sind:- Vorbeugung, Senkung <strong>de</strong>s Konsumniveaus bzw. Verhin<strong>de</strong>rung von Konsum(Pr<strong>im</strong>ärprävention)- Frühe Ansprache von Problemen, Unterbrechen von Abhängigkeitsentwicklung,schnelle Hilfe (Sek<strong>und</strong>ärprävention)- Reintegration trockener/cleane Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong> <strong>und</strong> Rückfallprophylaxe- (Tertiärprävention).Dabei sind folgen<strong>de</strong> Zielgruppen zu beachten:- Jugendliche als Adressaten- Peers als Multiplikatoren (beson<strong>de</strong>rs die Jugendvertretungen)- Ausbil<strong>de</strong>r als entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Bezugsgruppe <strong>im</strong> betrieblichen Kontext- Eltern- Betriebliche <strong>und</strong> außerbetriebliche Helfer (Ärzte, Sozialberater)- Sonstige Bezugspersonen (Lehrer, Sporttrainer, Multiplikatoren <strong>im</strong>- Freizeitbereich).Die Bedürfnisse dieser Zielgruppen sind aufgr<strong>und</strong> ihrer völlig verschie<strong>de</strong>nen Motivationen<strong>und</strong> Möglichkeiten in <strong>de</strong>r Auseinan<strong>de</strong>rsetzung mit jugendlichen Alkohol<strong>und</strong>Drogenkonsumenten sehr unterschiedlich. Die jeweiligen Maßnahmen sind daherauf die konkrete Zielgruppe zuzuschnei<strong>de</strong>n.3. Einige gr<strong>und</strong>sätzliche Überlegungen zum ThemaPr<strong>im</strong>ärpräventionWenn Pr<strong>im</strong>ärprävention beansprucht, <strong>de</strong>n Umgang mit Suchtmitteln direkt zu verän<strong>de</strong>rn,zielt sie unmittelbar auf die Kultur <strong>und</strong> <strong>de</strong>n Lebensstil. Sie ist damit in weitenTeilen (drogen)unspezifisch <strong>und</strong> wenig „greifbar”. Drei „Problemzonen” pr<strong>im</strong>ärpräventiverArbeit können herausgestellt wer<strong>de</strong>n:3.1 Denk- <strong>und</strong> Zusammenhangsmo<strong>de</strong>lle zum Thema DrogenIn <strong>de</strong>r praktischen pr<strong>im</strong>ärpräventiven Arbeit fin<strong>de</strong>n wir häufig ein Denkmo<strong>de</strong>ll vor,das man mit „Coping by doping” umschreiben könnte: Ausgangspunkt <strong>de</strong>r Überlegungenist dabei die <strong>im</strong>plizite Hypothese, dass Alkohol- bzw. Drogenkonsum <strong>de</strong>rBewältigung problematischer Lebensumstän<strong>de</strong> diene o<strong>de</strong>r aber Selbstwertproblemenbzw. Schwierigkeiten <strong>im</strong> Umgang mit Gefühlen o<strong>de</strong>r sozialem Druck geschul<strong>de</strong>t sei.


130Martina Rummel, Ludwig Rainer, Reinhard FuchsFür Hochrisikogruppen wird mit dieser These sicherlich ein Großteil <strong>de</strong>r Problemeadäquat abgebil<strong>de</strong>t (vgl. Hurrelmann & Hesse 1991). Unterschätzt wird dabei, dassAlkohol- <strong>und</strong> Drogenkonsum zunächst einmal sehr viel Spaß machen <strong>und</strong> Jugendlichevon sich aus das Exper<strong>im</strong>entieren mit Alkohol <strong>und</strong> Drogen anstreben, weil <strong>de</strong>rKonsum symbolisch für Freiheit, Erwachsensein, neuartige Erfahrungen, Grenzerfahrungen<strong>und</strong> Erweiterung steht. Pr<strong>im</strong>ärprävention, die sich als „stützend” fürproblembehaftete Zielgruppen versteht, geht an diesen Motiven vorbei. Im Umgangmit <strong>de</strong>m „normalen Alltagskonsum” sind vielmehr auch Regeln <strong>und</strong> Grenzsetzungengefor<strong>de</strong>rt, die Konsequenzerwartungen erzeugen.3.2 Skepsis gegenüber RisikoinformationAufgr<strong>und</strong> von Fehlentwicklungen in <strong>de</strong>r Vergangenheit ist in <strong>de</strong>r Suchtpräventiondas Arbeiten mit Risikoinformation vielfach als Angstmacherei <strong>und</strong> Abschreckungsstrategieverpönt. Dahinter steht die Ansicht, dass Angst <strong>und</strong> Abschreckung keinegeeigneten Motivatoren seien bzw. man positiv mit Alternativen zum Konsum arbeitenmüsse (Schlömer 1996). Soweit dieses Argument auf unrealistische <strong>und</strong> unglaubwürdigeSchreckensbil<strong>de</strong>r bezogen ist, ist es unmittelbar einleuchtend. VieleErfahrungen in <strong>de</strong>r Jugendarbeit bestätigen die geringe Wirksamkeit von Risikoaufklärungu.E. jedoch nur <strong>de</strong>shalb, weil Zielgruppen von Jugenddrogenarbeit oft ganzbest<strong>im</strong>mte Gruppen von Jugendlichen sind, die aufgr<strong>und</strong> ihrer spezifischen Situationdurch Risikoinformation nicht mehr erreichbar sind: Wer latent suizidal ist, etwasein Leben be<strong>im</strong> S-Bahn-Surfen riskiert, sich selbst nur noch in Extremsituationenspürt, ist sicherlich nicht durch eine Information motivierbar, die ihm gewisse ges<strong>und</strong>heitlicheRisiken mit erheblicher Zeitverzögerung signalisiert. An<strong>de</strong>re Gruppenvon Jugendlichen lassen sich aber durch Risikoinformation sehr wohl beeinflussen:Dass jugendliches Risikoverhalten, sogar das Aufsspielsetzen <strong>de</strong>r körperlichen Unversehrtheit<strong>und</strong> Leistungsfähigkeit als Option <strong>de</strong>r Selbstverwirklichung (Franzkowiak1986) normal ist, be<strong>de</strong>utet keineswegs, dass keine Ansprechbarkeit für ges<strong>und</strong>heitlichprotektive Verhaltensweisen vorhan<strong>de</strong>n ist. Dies zeigt eindrucksvoll <strong>de</strong>r<strong>im</strong>mer größer wer<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Anteil ausgesprochen ges<strong>und</strong>heitsbewusster Jugendlicher.Bei Jugendlichen schließen sich ges<strong>und</strong>heitserhalten<strong>de</strong> <strong>und</strong> risikobetonte Verhaltensoptionennicht aus, son<strong>de</strong>rn existieren nebeneinan<strong>de</strong>r. Die Diskreditierung vonRisikoinformation mit <strong>de</strong>m Zerrgebil<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Abschreckungspädagogik greift <strong>de</strong>shalbzu kurz <strong>und</strong> schüttet das Kind mit <strong>de</strong>m Ba<strong>de</strong> aus. Sie unterschlägt, dass sowohlAngst als auch prohibitive Grenzsetzung Aspekte von Realität sind, die handlungsleitendwirken können. Zwischen <strong>de</strong>r Wahrnehmung persönlicher Gefährdung <strong>und</strong>ges<strong>und</strong>heitsbezogenem Han<strong>de</strong>ln besteht ein positiver Zusammenhang. SelbstFurchtappelle haben ihren berechtigten Stellenwert in <strong>de</strong>r Aufklärung <strong>und</strong> Prävention,vorausgesetzt sie sind differenziert <strong>und</strong> spezifiziert (Barth u.a. 1998). Angst ist


Suchtprävention <strong>im</strong> <strong>Ausbildung</strong>sbereich 131das wesentliche handlungsleiten<strong>de</strong> Motiv <strong>de</strong>s Menschen <strong>und</strong> kann insofern Vorsichtam richtigen Punkt erzeugen: Risikoinformation erreicht all diejenigen, die sich ges<strong>und</strong>heitsbewusstverhalten möchten bzw. dafür ansprechbar sind. Dabei scheint fürdie gr<strong>und</strong>sätzliche Einstellung gegenüber Drogenkonsum die Fähigkeit, negativeKonsumerwartungen <strong>und</strong> Konsumrisiken sprachlich erfassen <strong>und</strong> artikulieren zukönnen, nicht unwesentlich (Barsch 1994). Angesichts <strong>de</strong>s <strong>im</strong>mer noch erstaunlichgeringen Wissens etwa über die Wirkung von Alkohol <strong>und</strong> die Entstehung vonSuchtkrankheiten käme eine Unterlassung von Risikoinformation insofern <strong>de</strong>rFahrlässigkeit gleich.Allerdings ist die Art <strong>de</strong>r verfügbaren Information <strong>und</strong> ihre Verarbeitung von außeror<strong>de</strong>ntlicherRelevanz: Unter best<strong>im</strong>mten Bedingungen unterschätzen viele Menschenihr eigenes Risiko <strong>im</strong> Vergleich zu <strong>de</strong>m an<strong>de</strong>rer (sog. unrealistischer o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>fensiverOpt<strong>im</strong>ismus). Es kommt zur Über- o<strong>de</strong>r Unterschätzung von Wahrscheinlichkeiten<strong>und</strong> zur Ten<strong>de</strong>nz, freiwillig eingegangene Risiken für kontrollierbar zuhalten (vgl. Barth u.a. 1998, 27ff). Handlungsrelevante Information muss sich daherauf diese Aspekte beziehen. Damit soll nun aber nicht einem Rückfall in die verkürzteAbschreckungslogik <strong>de</strong>r Drogenprävention <strong>de</strong>r 70er <strong>und</strong> 80er Jahre das Wortgere<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n. Voraussetzung für die Akzeptanz ist vielmehr die Vermittlung vonGlaubwürdigkeit <strong>und</strong> Sinnhaftigkeit entsprechen<strong>de</strong>r Informationen <strong>und</strong> Regularien –sonst wird die kommunikative Basis schnell untergraben. Dazu gehört unter an<strong>de</strong>rem,zu akzeptieren, dass <strong>de</strong>r Konsum legaler <strong>und</strong> illegaler Drogen nicht unmittelbar<strong>und</strong> zwangsläufig in ein Suchtrisiko führt: „Ich könnte zuhause niemals zugeben,dass ich Hasch rauche, meine Eltern wür<strong>de</strong>n gleich meinen, ich wäre schwer drogensüchtig”.Möglicherweise ist die Relevanz von „Peer-to-peer”- Information beson<strong>de</strong>rs inGruppen, die sich hinsichtlich ihres Konsumverhaltens selbst für gut informiert halten<strong>und</strong> nach außen „Geschlossenheit” zeigen (vgl. Rakete u. Flüsmeier 1998, S. 65fzu Ecstasy-Konsumenten) auch als Kontrapunkt zur häufig nicht glaubwürdigenInformation aus <strong>de</strong>r „Erwachsenenwelt” zu werten (vgl. Nitschke 1998 zu <strong>de</strong>n Erfahrungenmit Mind Zone).Wer raucht, trinkt, hascht o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re Drogen n<strong>im</strong>mt, profitiert <strong>und</strong> geht gleichzeitigetliche Risiken ein - das Suchtrisiko ist nur eines davon. Entschei<strong>de</strong>nd für dieGlaubwürdigkeit sachgerechter Aufklärung ist, die individuelle „Kosten-Nutzen-Relation” be<strong>im</strong> Drogenkonsum adäquat abzubil<strong>de</strong>n <strong>und</strong> <strong>im</strong> Bereich „weicher“ Drogenstatt pauschal Totalabstinenz einzufor<strong>de</strong>rn das Verantwortungsbewusstsein, realistischeKonsequenzerwartungen <strong>und</strong> die „Konsumkompetenz” zu för<strong>de</strong>rn (vgl.dazu auch die Ausführungen Barth u.a. 1998, S.36ff zu Kompetenz- <strong>und</strong> Konsequenzerwartungen<strong>im</strong> Zusammenhang mit <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sverhalten). Damit dies gelingt,müssen für Jugendliche relevante Themen <strong>und</strong> Handlungssituationen aufgegriffen<strong>und</strong> bearbeitet wer<strong>de</strong>n. Risikoinformation für Mädchen <strong>und</strong> Jungen bei-


132Martina Rummel, Ludwig Rainer, Reinhard Fuchsspielsweise sollte inhaltlich unterschiedlich ausfallen: Nicht nur unterschei<strong>de</strong>t sichdie „Kosten-Nutzen-Relation“ von Alkohol-, Zigaretten- <strong>und</strong> Drogenkonsum geschlechtstypisch,auch die Handlungssituationen, in <strong>de</strong>nen riskantes Verhalten zumTragen kommt sowie die dort erfor<strong>de</strong>rlichen Bewältigungsstrategien sind für Jungen<strong>und</strong> Mädchen verschie<strong>de</strong>n (vgl. Schwarting 1998 <strong>und</strong> Weil 1998).Ausschlaggebend für <strong>de</strong>n Erfolg ist insgesamt die Verbindung von Risikoinformation<strong>und</strong> Aufbau von Handlungskompetenz durch Aufzeigen von Verhaltensoptionen,die geeignet sind, die Risiken zu vermin<strong>de</strong>rn (Barth u.a. 1998, 122ff).3.3 Überbewertung <strong>de</strong>s Worts gegenüber <strong>de</strong>r TatZum dritten wird in <strong>de</strong>r Pr<strong>im</strong>ärprävention nach wie vor zu sehr auf das gesprochenebzw. geschriebene Wort gesetzt, also auf Einstellungsän<strong>de</strong>rung. Unausgesprochenunterliegt diesem Vorgehen die Hypothese, dass mit einer Einstellungsän<strong>de</strong>rung automatischentsprechen<strong>de</strong> Verhaltensverän<strong>de</strong>rungen einhergehen. So wird etwa inSchulen <strong>de</strong>r Schulzahnarzt einbestellt, um Kin<strong>de</strong>rn die Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s Zähneputzensnach <strong>de</strong>m Frühstück zu erklären. Die Einrichtung einer Zahnputzzeile, die direkteAuffor<strong>de</strong>rung zum Zähneputzen nach <strong>de</strong>m Frühstück <strong>und</strong> die Verankerung diesesVorgangs durch positive Bestätigung <strong>und</strong> Gewohnheitsbildung wäre wahrscheinlichhandlungswirksamer – ist aber aufwendiger. Pr<strong>im</strong>ärprävention ist <strong>im</strong>mer auch Gestaltungvon Lebensbedingungen <strong>und</strong> sozialen Bezügen - <strong>und</strong> wird in dieser Hinsichtnotwendig <strong>im</strong>mer <strong>de</strong>fizitär bleiben. Diese Hür<strong>de</strong> führt in <strong>de</strong>r pr<strong>im</strong>ärpräventiven Arbeitdie Praktiker nicht selten zu einer „resignativen Vernachlässigung“ unmittelbarhandlungs- <strong>und</strong> entscheidungsregulieren<strong>de</strong>r Bedingungen (z.B. klare Spielregeln <strong>und</strong>Sanktionen, Gestaltung <strong>de</strong>s Getränkeverkaufs usw.. ) <strong>und</strong> direkter Ausgestaltung vonAlternativen (z.B. Möglichkeiten <strong>de</strong>r Freizeitgestaltung, Schaffung von Situationenmit Auffor<strong>de</strong>rungscharakter).Aus <strong>de</strong>n vorhergehen<strong>de</strong>n Ausführungen können einige Gr<strong>und</strong>strategien für Pr<strong>im</strong>ärprävention<strong>im</strong> <strong>Ausbildung</strong>sbereich abgeleitet wer<strong>de</strong>n:- Balance von stützen<strong>de</strong>n <strong>und</strong> grenzsetzen<strong>de</strong>n Aktivitäten- Kommunikation zentraler Botschaften, die für die Handlungssituation <strong>de</strong>r Empfängerbe<strong>de</strong>utsam sind, durch für sie relevante <strong>und</strong> glaubwürdige Bezugspersonen- Sachgerechte Beeinflussung <strong>de</strong>r Risikowahrnehmung durch Aufklärung, die dieJugendkultur zur Kenntnis n<strong>im</strong>mt, wichtige Unterschie<strong>de</strong> zwischen Jungen <strong>und</strong>Mädchen beachtet <strong>und</strong> Panikmache vermei<strong>de</strong>t- Direkte Verän<strong>de</strong>rung handlungs- <strong>und</strong> entscheidungsrelevanter Umgebungsbedingungen.Diese Strategien stehen in Übereinst<strong>im</strong>mung mit <strong>de</strong>n Leitlinien <strong>de</strong>r BZgA zurSuchtvorbeugung (vgl. BzGA1998, 23).


Suchtprävention <strong>im</strong> <strong>Ausbildung</strong>sbereich 1334. Aufklärung: Wer klärt wen worüber auf?Aufklärung ist Information <strong>und</strong> liefert handlungs- <strong>und</strong> entscheidungsrelevante Daten.Das macht Aufklärung unverzichtbar. Entsprechend <strong>de</strong>r o.g. formulierten Strategienist zunächst zu entschei<strong>de</strong>n, wer wen an welcher Stelle mit welchem Zielworüber aufklärt. Dies ist in <strong>de</strong>r Praxis keinesfalls <strong>im</strong>mer geklärt. So wur<strong>de</strong>n uns inInterviews mit betrieblichen Präventionsfachkräften typische Situationen wie dienachfolgen<strong>de</strong>n geschil<strong>de</strong>rt:Beispiel:Jugendliche fin<strong>de</strong>n sich zu einem Kennenlernworkshop <strong>im</strong> betrieblichen Kontextzusammen (Einführungswoche). Im Rahmen dieser Woche wird für zwei St<strong>und</strong>eneine Sozialarbeiterin eingela<strong>de</strong>n, die <strong>de</strong>n Jugendlichen Wissen über Suchtmittelvermittelt <strong>und</strong> Präventionsübungen macht (Nein sagen lernen, Vertrauensübungenetc.). Die Jugendlichen lassen sich nicht nur ausgesprochen zögerlich ein,son<strong>de</strong>rn machen <strong>im</strong> schlechtesten Fall die Veranstaltung lächerlich. Sie fühlensich in ihrer Erlebniswelt we<strong>de</strong>r verstan<strong>de</strong>n noch erreicht. Zugleich wer<strong>de</strong>n siemit <strong>de</strong>r Botschaft Jugend = Drogenkonsum überfallen, obschon sie sich bis datoin keiner Weise so verhalten haben, dass Anlass für Beschulung in dieser Fragebestün<strong>de</strong>.Beispiel:Auf <strong>de</strong>r Toilette in einem großen <strong>Ausbildung</strong>sbereich wer<strong>de</strong>n Reste einer Haschischzigarettegef<strong>und</strong>en. Innerhalb kürzester Zeit fin<strong>de</strong>t eine Krisensitzungzwischen <strong>Ausbildung</strong>sleitung, Personalabteilung <strong>und</strong> Betriebsarzt statt. In einerBlitzaktion wird eine dreistündige Informationsveranstaltung über die Risikenillegaler Drogen für die Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n angesetzt <strong>und</strong> durchgeführt. Der Betriebsarzt<strong>und</strong> eine von außen zugezogene Ärztin <strong>de</strong>s <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>samtes entwerfenanhand einiger Fallgeschichten von Heroinabhängigen ein Schreckensszenarioüber die Einstiegsdroge Haschisch. Auf lei<strong>de</strong>nschaftlich <strong>und</strong> engagiert vorgetrageneFallgeschichten verstummen die Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n <strong>im</strong>mer mehr, wasvon <strong>de</strong>n Vortragen<strong>de</strong>n als Zeichen von Betroffenheit gewertet wird. Ein <strong>Ausbildung</strong>svertreteraus <strong>de</strong>m Teilnehmerkreis berichtet später von <strong>de</strong>n Sprüchen, Witzen<strong>und</strong> lebhaften Anmerkungen, die die Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n machen, als sie wie<strong>de</strong>runter sich sind. Reges Diskussionsthema ist unter an<strong>de</strong>rem, dass <strong>im</strong> UnternehmenBierautomaten direkt in <strong>de</strong>r Produktion stehen <strong>und</strong> einzelne Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>etliche Geschichten über stark alkoholisierte Kollegen zum Besten geben können.Nach <strong>de</strong>n vorliegen<strong>de</strong>n Erfahrungen ist Aufklärung nur wirksam, wenn sie:


134Martina Rummel, Ludwig Rainer, Reinhard Fuchs- eine glaubwürdige, in sich konsistente Haltung <strong>de</strong>s Kommunikators wi<strong>de</strong>rspiegelt- durch die richtige, in <strong>de</strong>n Augen <strong>de</strong>r Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n legit<strong>im</strong>ierte Person erfolgt- zu einem passen<strong>de</strong>n Zeitpunkt <strong>und</strong> in einem st<strong>im</strong>migen Kontext erfolgt- Realitätsaspekte aufgreift statt sie zu tabuisieren <strong>und</strong> hierzu handlungs- <strong>und</strong> entscheidungsrelevanteInformation vermittelt.In <strong>de</strong>n geschil<strong>de</strong>rten Beispielen kommen diese Kriterien nicht zum Tragen. Denndiese wür<strong>de</strong>n eher nahelegen, durch einen Ausbil<strong>de</strong>r o<strong>de</strong>r eine Führungskraft betrieblicheRegeln zum Umgang mit Alkohol <strong>und</strong> an<strong>de</strong>ren Drogen bekanntzugeben<strong>und</strong> inhaltlich zu begrün<strong>de</strong>n (Punktnüchternheit, Arbeitssicherheit, Sanktionen), ggf.Ansprechpartner für etwaige eigene Probleme o<strong>de</strong>r Probleme mit nahestehen<strong>de</strong>nPersonen/<strong>Ausbildung</strong>skollegen zu benenne o<strong>de</strong>r vorzustellen - <strong>und</strong> sich an dieserStelle darauf zu beschränken!Ein solches Vorgehen ist nicht „abschließend”. Es eröffnet vielmehr die Chance,dass die Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n einen Bedarf nach weitergehen<strong>de</strong>r Information <strong>und</strong> Aufklärungaufbauen o<strong>de</strong>r ihn sogar von sich aus äußern. Das Bemühen um Aufklärung <strong>im</strong>Rahmen eines angemessenen, nicht „übergriffigen“ Kontakts kann als Ausdruckeiner Haltung sehr glaubwürdig erlebt wer<strong>de</strong>n, selbst dann, wenn diese Haltung noch<strong>im</strong> Wi<strong>de</strong>rspruch zum eigenen Verhalten steht. Ohne diese Gr<strong>und</strong>lage bleiben dieAngebote künstlich <strong>und</strong> es entsteht kaum authentischer Kontakt. Viele wohlmeinen<strong>de</strong><strong>und</strong> aus Sorge getragenen Aktionen verbleiben dann letztlich auf <strong>de</strong>r Ebene von„Wir tun so als ob”. Sie beruhigen das Bedürfnis, „etwas getan zu haben”, <strong>und</strong> dadas Thema in dieser Altersgruppe ja „sehr schwierig zu behan<strong>de</strong>ln ist”, wird vermie<strong>de</strong>n,sich ernsthaft mit <strong>de</strong>r tatsächlichen Wirksamkeit auseinan<strong>de</strong>r zusetzen. Es regiertdas Prinzip Hoffnung, „dass bei <strong>de</strong>m ein o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren schon etwas hängenbleibt”.5. Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong> als Adressaten von Prävention5.1 Wer ist gefor<strong>de</strong>rt?Die Erfahrungen aus <strong>de</strong>n bisherigen betrieblichen Ansätzen zeigen, dass für Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>zu unterschiedlichen Themen <strong>und</strong> Zielgruppen unterschiedliche Akteure<strong>und</strong> Orte gefor<strong>de</strong>rt sind. In sinnvoller Arbeitsteilung wären beispielsweise anzusprechen:Betrieblicher Bereich- Personalbereich, Ausbil<strong>de</strong>r, Betriebsrat,- Betriebs-/Werksarzt, Sozialarbeiter,


Suchtprävention <strong>im</strong> <strong>Ausbildung</strong>sbereich 135- Externe Trainer/Berater,- Jugendliche/Jugendvertretung.Außerbetrieblicher Bereich- Schule: Fachlehrer, Drogenkontaktlehrer, Klassenlehrer,- Außerschulisch: Präventionsfachkräfte, Ärzte, Fahrschulen.Die weiteren Ausführungen dieses Textes konzentrieren sich auf Möglichkeiten <strong>und</strong>Ansatzpunkte <strong>im</strong> betrieblichen Bereich.5.2 Die Be<strong>de</strong>utung <strong>und</strong> Vermittlung von RegelnBetriebliche Regeln sind für Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong> unmittelbar handlungs- <strong>und</strong> entscheidungsrelevant.Neulinge in <strong>de</strong>r Organisation sind beson<strong>de</strong>rs ansprechbar für dieVermittlung von Normen, Ge- <strong>und</strong> Verboten <strong>und</strong> in hohem Maße bereit, sich <strong>de</strong>nRegularien anzupassen. Dies gilt für die formellen ebenso wie die informellen Spielregeln.Die Information über Regeln kann nicht über externe Fachleute (Sozialarbeiterusw.) geleistet wer<strong>de</strong>n, son<strong>de</strong>rn muss direkt aus <strong>de</strong>r Organisation kommen.Sind die Regeln unklar, nicht vorhan<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r in sich inkonsistent <strong>und</strong> wi<strong>de</strong>rsprüchlich,fehlt die Basis, auf <strong>de</strong>r betriebliche Aufklärungsmaßnahmen ihre Wirkung entfaltenkönnen. Betriebliche Spielregeln, die relevant für Alkohol- <strong>und</strong> Drogenkonsumsind, sind beispielsweise:- Nüchternheitsgebot/Unfallverhütungsvorschriften (begrün<strong>de</strong>t über Leistung,Arbeits- <strong>und</strong> Wegesicherheit )- Regeln, die sich auf <strong>de</strong>n Umgang mit Alkohol <strong>und</strong> Zigaretten am Arbeitsplatz(Rauchverbote, Pausen, Feiern etc.) beziehen- Informationen über Sanktionen bei Übertretungen- Regeln für <strong>de</strong>n Umgang mit suchtmittelbedingten Auffälligkeiten- Regeln <strong>und</strong> Wege <strong>de</strong>r Inanspruchnahme betrieblicher Hilfeangebote.Es ist sinnvoll, diese Regeln be<strong>im</strong> Eintritt in die Organisation durch ein relevantesMitglied <strong>de</strong>r Organisation zu präsentieren <strong>und</strong> <strong>im</strong> unmittelbaren Kontakt mit <strong>de</strong>nAusbil<strong>de</strong>rn nochmals zu verankern. Verhaltenserwartungen, Normen <strong>und</strong> Regelnvermitteln - <strong>und</strong> sich in <strong>de</strong>r Eintrittsphase in die Organisation darauf zu beschränken- be<strong>de</strong>utet:- In sachlicher <strong>und</strong> unterstellungsfreier Form handlungsrelevante Informationvermitteln


136Martina Rummel, Ludwig Rainer, Reinhard Fuchs- die Entstehung <strong>de</strong>r kollektiven Trance Jugend=Drogenkonsum=Gefährdung=Sucht zugunsten einer orientieren<strong>de</strong>n Information über betrieblich relevanteThemen zu durchbrechen- damit selbstverständlich <strong>und</strong> lösungsbezogen von <strong>de</strong>m Sollzustand auszugehen,dass die Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n hochmotiviert sind, <strong>im</strong> Berufsleben zurechtzukommen,nüchtern zu arbeiten <strong>und</strong> sich <strong>und</strong> an<strong>de</strong>re nicht zu gefähr<strong>de</strong>n.Adressaten für entsprechen<strong>de</strong> Maßnahmen (Broschüren, Veranstaltungen usw.) sindsowohl die Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n als auch die Ausbil<strong>de</strong>r.5.3 Aufklärung über Drogen, Suchtmittel <strong>und</strong> SuchtAufklärung über Drogen, Suchtmittel <strong>und</strong> Sucht ist Wissensvermittlung, in ersterLinie Kultur- <strong>und</strong> Risikoinformation. Diese Information ist sinnvollerweise in <strong>de</strong>nschulischen Alltag einzubetten, z.B. in <strong>de</strong>n Biologie- , Sachk<strong>und</strong>e- <strong>und</strong> Sozialk<strong>und</strong>eunterricht.(Harten, Baalmann 1994).Innerbetrieblich kann die Information über Suchtmittel <strong>im</strong> Zusammenhang mitThemen wie Arbeitssicherheit <strong>und</strong> betrieblichen Präventionsprogrammen erfolgen.Dabei ist zu beachten, dass die Neugier <strong>im</strong> Hinblick auf legale Drogen gr<strong>und</strong>sätzlichgeringer ist als das Interesse an Information über illegale Drogen. In <strong>de</strong>r Aufklärungist entschei<strong>de</strong>nd, die wesentlich größere Relevanz <strong>de</strong>s legalen Bereichs zu beachten.Bei Aufklärung über Drogen, Suchtmittel <strong>und</strong> Sucht ist davon auszugehen,- dass Jugendliche sich häufig „informiert fühlen”- dass sie zum Teil „überfüttert” sind mit entsprechen<strong>de</strong>r Information- dass „lebensk<strong>und</strong>liche” Aspekte zu kurz kommen.„Die Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n äußerten sich gegenüber weiteren Veranstaltungen, dieeng mit <strong>de</strong>r Suchtthematik verknüpft sind, skeptisch. Sie versicherten, dass sievielfach in <strong>de</strong>r Schule mit <strong>de</strong>r Thematik konfrontiert wur<strong>de</strong>n, so dass das Informationsbedürfnis(ausgenommen Informationen über „neue” Drogen wie z.B.Ecstasy) gering ist. Für sie sind neben aktuellen Informationen vor allem Fragen,die sich mit lebensk<strong>und</strong>lichen Themen wie z.B. Lob <strong>und</strong> Anerkennung fürdie geleistete Arbeit, Rücksicht nehmen, Kompromisse fin<strong>de</strong>n <strong>und</strong> Konflikte lösen,Beziehungen gestalten <strong>und</strong> ertragen lernen, relevant.” (aus einem Konzeptionspapierfür einen Hamburger Betrieb).


Suchtprävention <strong>im</strong> <strong>Ausbildung</strong>sbereich 137TüröffnerIn Verbindung mit lebensk<strong>und</strong>lichen Fragen kann das Thema Suchtmittel gut aufgegriffenwer<strong>de</strong>n. Sucht begreiflich zu machen als Konsequenz einer Lebensgeschichteträgt dazu bei, die Einstellung zur Entstehung <strong>und</strong> Bewältigung von Suchtkrankheitenzu verän<strong>de</strong>rn <strong>und</strong> eigene Gefährdung/Ansprechbarkeit zu erkennen. Für die Präventionsarbeitbe<strong>de</strong>utet das:- in hohem Maße auf Selbstreflexion abzielen- handlungsrelevante Situationen thematisieren- lösungs- <strong>und</strong> alternativenorientiert arbeitenSuchtprävention in diesem Sinn „ist nur dann sinnvoll, wenn Schülerinnen <strong>und</strong>Schüler sich aktiv mit Sucht, ihren Ursachen <strong>und</strong> Folgen auseinan<strong>de</strong>rsetzen. Diesbe<strong>de</strong>utet nicht, dass auf schriftliche Info-Materialien verzichtet wer<strong>de</strong>n sollte, wohlaber, dass Aufmachung <strong>und</strong> Einsatzbereiche überdacht wer<strong>de</strong>n sollten. Gut bewährthaben sich etwa- Cards, die Information in Zusammenhang mit für Jugendliche relevanten Themenbringen (z.B. Ecstasy Project, Informationskarten <strong>de</strong>r Berliner Senatsverwaltungzum Thema Alkohol)- Materialien zum Einsatz in best<strong>im</strong>mten Situationen als GesprächsankerEin wesentlicher Aspekt <strong>de</strong>r Arbeit am Thema Sucht ist die Thematisierung vonSuchtmittelmissbrauch <strong>im</strong> Rahmen sozialer Bezüge. Gera<strong>de</strong> Jugendliche sind hochmotiviert,darüber zu sprechen, was getan wer<strong>de</strong>n kann, wenn <strong>de</strong>r Fre<strong>und</strong>/die Fre<strong>und</strong>intrinkt, Drogen n<strong>im</strong>mt o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>rweitig in psychosoziale Krisensituationen gerät.Diese Fragestellung kann ein entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>r Türöffner zu Themen sein, die <strong>im</strong> Hinblickauf die soziale D<strong>im</strong>ension von Suchtmittelmissbrauch <strong>und</strong> Sucht relevant sind,wie beispielsweise:- Beziehungsgestaltung- Umgang miteinan<strong>de</strong>r, Konfliktfähigkeit <strong>und</strong> Ehrlichkeit- Fre<strong>und</strong>schaft <strong>und</strong> Sexualität- Umgang mit Gefühlen, Hemmungen, Ängsten- Gruppendruck.Es erscheint sinnvoll, bei <strong>de</strong>r Information zu diesen Themen geschlechtsspezifischeBeson<strong>de</strong>rheiten zu berücksichtigen. Auch „spektakuläre” Erfahrung macht neugierig.Bewährt hat sich <strong>de</strong>r Einsatz von drogenerfahrenen Erwachsenen als Gesprächspartner(Trockene Alkoholiker, Ex-User). Dabei muss das Augenmerk auf <strong>de</strong>m Charakter<strong>de</strong>r Vermittlungsleistung liegen. Die Neigung, das eigene „Lebensabenteuer”


138Martina Rummel, Ludwig Rainer, Reinhard Fuchszu erzählen, kann negative Drogenerfahrungen <strong>im</strong> Nachhinein mystifizieren, <strong>de</strong>nAusstieg als zu einfach erscheinen lassen <strong>und</strong> sich somit auch kontraproduktiv auswirken.5.4 Die Balance von Beson<strong>de</strong>rem <strong>und</strong> Alltäglichem5.4.1 Die Anschub- <strong>und</strong> Motivationsfunktion von ProjektenProjekte eignen sich in beson<strong>de</strong>rem Maße, Themen mit einem hohen Attraktivitätsniveaueinzuführen <strong>und</strong> über diesen Weg eine Anschubfunktion zu erzielen. EineRecherche <strong>de</strong>s Instituts für Betriebliche Suchtprävention Berlin ergab, dass inzwischenviele attraktive Projekti<strong>de</strong>en zum Thema betriebliche Suchtarbeit mit Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>nvorliegen:- Erstellung von Vi<strong>de</strong>ofilmen- Ausstellungen mit Collagen, Graffitis, Comics, Mult<strong>im</strong>ediaparcours- Unternehmenstheater- Lernprojekte (z.B. zu Geld/Konsum)- Kunst <strong>und</strong> Kulturprojekte- Wettbewerbe (Fotos, Kunst)- Aktionstage mit <strong>de</strong>m Fahrs<strong>im</strong>ulator- Innerbetriebliche Interview- <strong>und</strong> Befragungsprojekte- „Seitenwechsel“: Kontakt zu Kliniken/Drogenprojekten- Erstellung von Broschüren- Erstellung von Intranetinfos zum Thema.Die wesentliche Funktion solcher Projekte liegt nicht in <strong>de</strong>r Vermittlung neuer Information,son<strong>de</strong>rn in einer punktuellen, situativen Öffnung für die Thematik - <strong>und</strong>damit in <strong>de</strong>r Stiftung einer verän<strong>de</strong>rten Gesprächskultur. Zugleich wer<strong>de</strong>n Erfahrungenbegrifflich auf <strong>de</strong>n Punkt gebracht <strong>und</strong> geankert (vgl. z.B. Huse 1992 zur Nachwirkung<strong>de</strong>s Mottos „Über alle Maßen” auf an<strong>de</strong>re Inhaltsbereiche <strong>de</strong>s Schulalltags).Um diesen Effekt wirklich zu nutzen, muss <strong>de</strong>r Prozess <strong>de</strong>r Erarbeitung Vorrang vor<strong>de</strong>r Ergebnispräsentation erhalten - gleichzeitig ist die Ergebnispräsentation jedochwichtig, um einen entsprechen<strong>de</strong>n Prozess zu erzeugen <strong>und</strong> wertzuschätzen. DieseBalance zu halten ist Hauptaufgabe <strong>de</strong>r Projektbegleiter.5.4.2 Entschei<strong>de</strong>nd: Die Verankerung <strong>im</strong> (Arbeits-)AlltagProjekte laufen leicht Gefahr, zum „Tropfen auf <strong>de</strong>n heißen Stein” o<strong>de</strong>r zum Alibi zugeraten, wenn die Haltungen, <strong>und</strong> Arbeitsansätze nicht <strong>im</strong> Alltag verankert wer<strong>de</strong>nkönnen. Positive Langzeiteffekte von Projekten können als „Weichenstellung” beschriebenwer<strong>de</strong>n, die eine sich selbst verstärken<strong>de</strong> positive Dynamik in Gang set-


Suchtprävention <strong>im</strong> <strong>Ausbildung</strong>sbereich 139zen. Dies erfor<strong>de</strong>rt von <strong>de</strong>n Beteiligten die Bereitschaft, nicht nur auf messbarenErfolg <strong>de</strong>s Projektes selbst hinzuarbeiten, son<strong>de</strong>rn die - häufig eher unsichtbare -Verankerung neuer Kooperationsbeziehungen <strong>und</strong> Kulturaspekte in <strong>de</strong>n Vor<strong>de</strong>rgr<strong>und</strong>zu stellen. Im <strong>Ausbildung</strong>sbereich kann dies forciert wer<strong>de</strong>n, wenn die ProjektprodukteEingang in die betriebliche Kultur fin<strong>de</strong>n (z.B.: Intranetprogramme, Broschürenusw.) <strong>und</strong> zu allseits akzeptierten - neuen - Spielregeln führen. Wird die Projektaktivitätin <strong>de</strong>r Betriebsöffentlichkeit zur Kenntnis genommen <strong>und</strong> honoriert, för<strong>de</strong>rtdies die I<strong>de</strong>ntifikation <strong>de</strong>r Jugendlichen mit <strong>de</strong>n Projektinhalten. Suchtprävention <strong>im</strong><strong>Ausbildung</strong>sbereich sollte jedoch nicht allein projektorientierten Charakter haben.Vielmehr erscheint es gera<strong>de</strong>zu geboten, best<strong>im</strong>mte Facetten <strong>de</strong>r Thematik als normale,alltägliche Selbstverständlichkeit zu vermitteln bzw. als eher handwerklichenAnspruch an <strong>Ausbildung</strong>s- <strong>und</strong> Führungsarbeit zu etablieren. Dazu gehören beson<strong>de</strong>rs:- die oben beschriebenen Regeln bezogen auf <strong>de</strong>n Umgang mit Suchtstoffen <strong>im</strong>betrieblichen Kontext- die Anfor<strong>de</strong>rungen an Ausbil<strong>de</strong>r hinsichtlich ihres Führungsverhaltens gegenüber<strong>de</strong>n Jugendlichen.Beson<strong>de</strong>rs <strong>de</strong>r letztgenannte Punkt verweist darauf, dass Ausbil<strong>de</strong>r generell darinunterstützt <strong>und</strong> qualifiziert wer<strong>de</strong>n müssen, ihre Kompetenzen <strong>im</strong> Umgang mit Jugendlichenauszubauen (Gespräche, För<strong>de</strong>rungs- <strong>und</strong> Führungsleistung). Diesschließt ein, mit Jugendlichen in Krisensituationen (mit <strong>und</strong> ohne Drogen!) kompetentumzugehen.Beispiele für alltagsrelevante Maßnahmen sind neben Seminaren <strong>und</strong> Workshops fürAusbil<strong>de</strong>r <strong>und</strong> Jugendliche vor allem regelmäßige Präsentationen <strong>de</strong>r innerbetrieblichenAnsprechpartner, insbeson<strong>de</strong>re <strong>de</strong>r betrieblichen Sozialberatungen <strong>und</strong> Suchtkrankenhelfer.Eine gute Alltagsverankerung ergibt sich durch die Erarbeitung vonGesamtkonzepten, die betriebliche Suchtprävention <strong>im</strong> Erwachsenenbereich mitAktivitäten <strong>im</strong> <strong>Ausbildung</strong>sbereich verbin<strong>de</strong>n. Für <strong>de</strong>n <strong>Ausbildung</strong>sbereich könnte –zugeschnitten auf die Kultur <strong>de</strong>s Betriebes - ein solches integriertes Konzept folgen<strong>de</strong>Gestalt annehmen:Beispiel:- Die Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n <strong>im</strong> Rahmen <strong>de</strong>r betriebsüblichen Einführungsveranstaltungenvon Vertretern <strong>de</strong>r Organisation mit relevanten betrieblichen Spielregeln,Interventionsvorgaben <strong>und</strong> Ansprechpartnern vertraut gemacht- Die Ansprechpartner <strong>de</strong>s betrieblichen Hilfesystems (Sozialberater, Suchtkrankenhelfer)erhalten in diesem Rahmen Gelegenheit zu einer Vorstellung <strong>und</strong> Präsentationihres Arbeitsbereichs (wenn gewünscht in Verbindung mit kurzen Ar-


140Martina Rummel, Ludwig Rainer, Reinhard Fuchsbeitseinheiten zu Themen, die die Jugendlichen interessieren – das muss nichtSucht sein!)- In <strong>de</strong>r Folge bieten die professionellen Sozialberater <strong>de</strong>s Unternehmens (o<strong>de</strong>raber kompetente externe Trainer) Arbeitseinheiten zu relevanten <strong>und</strong> von <strong>de</strong>nJugendlichen favorisierten Themen für die Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n an. Einla<strong>de</strong>n kanndazu sowohl <strong>de</strong>r <strong>Ausbildung</strong>sbereich als auch z.B. die Jugendversammlung/ Jugendvertretung.- In Zusammenarbeit mit <strong>de</strong>r Jugendvertretung können vom werksärztlichenDienst, von <strong>de</strong>r Sozialberatung o<strong>de</strong>r von <strong>de</strong>r <strong>Ausbildung</strong>sleitung Projekte angeregt,initiiert <strong>und</strong> begleitet wer<strong>de</strong>n. Seitenwechsel-Projekt beispielsweise, in <strong>de</strong>nensich die Jugendlichen phasenweise in einer sozialen Einrichtung aufhalten,können direkt <strong>und</strong> unmittelbar in Zusammenhang mit innerbetrieblichen Kommunikations-<strong>und</strong> Wertediskussionen gestellt wer<strong>de</strong>n.- Die <strong>Ausbildung</strong>smeister wer<strong>de</strong>n analog zu Führungskräften <strong>im</strong> Erwachsenenbereichregelmäßig darin geschult <strong>und</strong> unterstützt, mit schwierigen Führungssituationen<strong>und</strong> Krisen ihrer jungen Mitarbeiter umzugehen <strong>und</strong> innerbetrieblich angemessenzu kooperieren.- Zugleich können <strong>Ausbildung</strong>smeister als Teilnehmer in themenspezifisch relevanteFührungskräfteschulungen integriert wer<strong>de</strong>n.Ein solches Gesamtprogramm stellt sicher, dass die Aufklärungsmaßnahmen angemessenin <strong>de</strong>n betrieblichen Kontext integriert sind <strong>und</strong> <strong>de</strong>r Kontakt zu <strong>de</strong>n relevantenbetrieblichen Ansprechpartnern kontinuierlich wachgehalten wird.5.5 Der Umgang mit gefähr<strong>de</strong>ten <strong>und</strong> abhängigen JugendlichenEinen beson<strong>de</strong>ren Stellenwert n<strong>im</strong>mt bei <strong>de</strong>r Alltagsverankerung <strong>im</strong> Führungsverhalten<strong>de</strong>r Ausbil<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Zeitpunkt <strong>und</strong> die Art <strong>de</strong>r Reaktion auf bereits vorhan<strong>de</strong>nenAlkohol- <strong>und</strong> Drogenkonsum ein. Die in <strong>de</strong>r betrieblichen Auseinan<strong>de</strong>rsetzung umAlkohol- <strong>und</strong> Drogenkonsum <strong>im</strong> Erwachsenenbereich verbreitete Haltung <strong>de</strong>s Stillschweigensgilt auch für <strong>de</strong>n Umgang mit Jugendlichen.„Teilweise wird Drogenkonsum solange ignoriert bzw. gedul<strong>de</strong>t, bis die betreffen<strong>de</strong>nJugendlichen so auffällig wer<strong>de</strong>n, dass eine Konfrontation unvermeidbarwird. Manche beschränken sich auf Beobachtung auffällig gewor<strong>de</strong>ner Jugendlichersozusagen ‚aus <strong>de</strong>r Ferne‘, an<strong>de</strong>re kontrollieren offen, in<strong>de</strong>m sie <strong>de</strong>nBetreffen<strong>de</strong>n ‚regelmäßig in die Augen schauen‘ o<strong>de</strong>r sogar Urinkontrollen anordnen.Bei Verdacht wer<strong>de</strong>n die Jugendlichen schon mal gefilzt” (Senatsverwaltungfür Jugend <strong>und</strong> Familie 1994, AG zur Situation in <strong>Ausbildung</strong>seinrichtungen,S. 59).


Suchtprävention <strong>im</strong> <strong>Ausbildung</strong>sbereich 141Ähnlich wie <strong>im</strong> Erwachsenenbereich wird empfohlen, die Aufmerksamkeit weg von<strong>de</strong>n konsumierten Substanzen <strong>und</strong> hin zum Verhalten, <strong>de</strong>n sozialen Kompetenzen<strong>und</strong> <strong>de</strong>r Arbeits- <strong>und</strong> Leistungsfähigkeit zu lenken. Damit wird <strong>de</strong>r Respekt vor <strong>de</strong>rEntscheidung <strong>und</strong> Wahl <strong>de</strong>s Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n geför<strong>de</strong>rt <strong>und</strong> seine Selbstverantwortungeingefor<strong>de</strong>rt:„Das Kriterium, ob Drogenkonsum problematisch ist o<strong>de</strong>r nicht, wird nicht vonaußen herangetragen, son<strong>de</strong>rn ergibt sich aus <strong>de</strong>m Lern- <strong>und</strong> Arbeitsprozessselbst. Zugleich wird damit transparent, dass etwaige Sanktionen nicht auf einermoralischen Verurteilung <strong>de</strong>s Drogenkonsums basieren“ (ebd., 61).Das Gespräch <strong>de</strong>s Ausbil<strong>de</strong>rs mit <strong>de</strong>m auffälligen Jugendlichen setzt also unmittelbaran Arbeits- <strong>und</strong> Leistungsproblemen an. Hier wer<strong>de</strong>n Erwartungen formuliert,Zielvorgaben gemacht, Grenzen gesetzt. Es ist hilfreich, einen Kontakt zur betrieblichenSozialberatung <strong>und</strong>/o<strong>de</strong>r externen Fachberatungsstellen zu stiften, <strong>de</strong>nn dortkann <strong>de</strong>r Jugendliche sich öffnen, ohne Folgen befürchten zu müssen. Die Elternsollten nicht ohne Wissen <strong>de</strong>s Jugendlichen einbezogen wer<strong>de</strong>n. Oftmals ist die familiäreSituation Teil <strong>de</strong>s Problems. Gr<strong>und</strong>sätzlich gilt hier wie bei Erwachsenenauch: Nichts für, nichts gegen, alles mit <strong>de</strong>m Betreffen<strong>de</strong>n. Es liegt auf <strong>de</strong>r Hand,dass eine solche (Arbeits-)Haltung für Ausbil<strong>de</strong>r nicht nur <strong>im</strong> Zusammenhang mitSuchtmittelkonsum hilfreich ist. Ausbil<strong>de</strong>r bedürfen jedoch <strong>de</strong>r Unterstützung, umentsprechen<strong>de</strong> Gespräche zu führen <strong>und</strong> in ihrem eigenen Verhalten diese nicht <strong>im</strong>mereinfache Position auch tatsächlich durchzuhalten.5.6 Ausbil<strong>de</strong>r als Adressaten von Pr<strong>im</strong>ärpräventionDie Informationen, die <strong>de</strong>n Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n zukommen (Informationen über betrieblicheRegelungen sowie über die Wirkung von Alkohol <strong>und</strong> an<strong>de</strong>ren Drogen)sollten gr<strong>und</strong>sätzlich in gleichem Umfang die Ausbil<strong>de</strong>r erreichen. Im <strong>Ausbildung</strong>sbereichverliert je<strong>de</strong> Präventionsaktivität sofort ihre Glaubwürdigkeit, wenn diezentrale Erwachsenen-Droge, <strong>de</strong>r Alkohol, innerbetrieblich ignoriert o<strong>de</strong>r totgeschwiegenwird. Präventionsaktivitäten <strong>im</strong> <strong>Ausbildung</strong>sbereich sollten insofern allgemeinenbetrieblichen Präventions- <strong>und</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sför<strong>de</strong>rungsaktivitäten beigeordnetwer<strong>de</strong>n. Entsprechend sind die Ausbil<strong>de</strong>r zweifach anzusprechen:- als alkoholkonsumieren<strong>de</strong> Organisationsmitglie<strong>de</strong>r- in ihrer Führungs- <strong>und</strong> <strong>Ausbildung</strong>sfunktion.In <strong>de</strong>r Führungs- <strong>und</strong> <strong>Ausbildung</strong>sfunktion kommt es entschei<strong>de</strong>nd darauf an, dieUnabhängigkeit <strong>de</strong>r Interventionsstrategien von <strong>de</strong>n missbrauchten Suchtstoffenherauszuarbeiten. Ausbil<strong>de</strong>r mystifizieren vielfach illegale Drogen, reagieren darauf


142Martina Rummel, Ludwig Rainer, Reinhard Fuchsmit großer Unsicherheit <strong>und</strong> Hilflosigkeit. Der Schwerpunkt ihrer Qualifizierungsollte auf <strong>de</strong>r Befähigung zur Auseinan<strong>de</strong>rsetzung mit Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n in kritischenLebenssituationen liegen.Bewährt haben sich Seminarveranstaltungen für Ausbil<strong>de</strong>r, die analog verbreiteterFührungskräfte-Trainings bei<strong>de</strong> Aspekte, sowohl Information/Selbstreflexion bezogenauf Suchtstoffe, als auch konkrete Führungsanfor<strong>de</strong>rungen einschließlich <strong>de</strong>sGesprächs <strong>und</strong> etwaiger Rechtsfragen, thematisieren.Zielstellungen von Seminarveranstaltungen für Ausbil<strong>de</strong>r können sein:- Die Ausbil<strong>de</strong>r zur Reflexion ihres eigenen Umgangs mit Suchtmitteln anzuregen<strong>und</strong> für die Be<strong>de</strong>utung von Alkohol- <strong>und</strong> Drogenkonsum für <strong>de</strong>n Übergang zumErwachsenenalter zu ver<strong>de</strong>utlichen- Die Ausbil<strong>de</strong>r für Probleme <strong>de</strong>r Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n in Zusammenhang mit Alkohol-<strong>und</strong> Medikamentenmissbrauch zu sensibilisieren- Sie zu befähigen, konstruktiv zu intervenieren- Ihnen Sicherheit für die adäquate Reaktion <strong>im</strong> akuten Fall zu vermittelnMögliche Inhalte:- Vermittlung von Basisinformationen zu Alkohol, Medikamenten <strong>und</strong> Drogenkonsumin Zusammenhang mit <strong>de</strong>r Jugendkultur- Wahrnehmung <strong>und</strong> Bewertung von Alkoholisierung <strong>und</strong> Drogeneinfluss am Arbeitsplatz- Klärung <strong>de</strong>r Verantwortung, Aufzeigen betrieblicher <strong>und</strong> überbetrieblicher Hilfemöglichkeiten- Aufzeigen von Interventionsmöglichkeiten <strong>und</strong> Klärung <strong>de</strong>s Handlungsrahmens(eigene Rolle, rechtliche Fragen, Möglichkeiten <strong>und</strong> Grenzen, Ansprechpartner)- Handlungsorientierungen für konsequente <strong>und</strong> konstruktive Gespräche.Um innerbetriebliche Transparenz zu schaffen, können in diese VeranstaltungenJugendvertreter einbezogen wer<strong>de</strong>n. Es empfiehlt sich außer<strong>de</strong>m, Kontakt zu betrieblichenSozialberatern o<strong>de</strong>r externen Fachberatern, mit <strong>de</strong>nen die Organisationkooperiert, herzustellen. Dafür kann in <strong>de</strong>n Veranstaltungen eine Arbeitseinheit reserviertwer<strong>de</strong>n.6 Ergebnisse einer Recherche: Was wird konkret getan?Im Rahmen einer Recherche unter 26 Betrieben <strong>und</strong> Verwaltungen, die Aktivitätenzur betrieblichen Suchtprävention durchführen o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>rweitig mit uns in Kontaktstehen, haben wir die verantwortlichen Ansprechpartner zum Teil telefonisch, zum


Suchtprävention <strong>im</strong> <strong>Ausbildung</strong>sbereich 143Teil persönlich nach <strong>de</strong>n Aktivitäten <strong>de</strong>r Organisation <strong>im</strong> <strong>Ausbildung</strong>sbereich befragt.Im Ergebnis <strong>de</strong>r Befragung ist festzustellen, dass zwar von allen Gesprächspartnernein Handlungsbedarf zum Thema Alkohol- <strong>und</strong> Drogenprävention konzediertwur<strong>de</strong>, dass die Aktivitäten <strong>de</strong>mgegenüber jedoch weit zurückbleiben. Wo ü-berhaupt Aktivitäten <strong>im</strong> <strong>Ausbildung</strong>sbereich bestan<strong>de</strong>n, waren diese oft von sehrbegrenzter Reichweite - wie z.B. eine einmalige kurze Aufklärungsveranstaltung,das Aushängen von Plakaten o<strong>de</strong>r die Einladung einer Suchtberatungsstelle <strong>im</strong>Rahmen von Einführungsveranstaltungen. Einige wenige Betriebe <strong>und</strong> Verwaltungenführen in <strong>de</strong>r oben beschriebenen systematischen Form Seminare für Ausbil<strong>de</strong>ro<strong>de</strong>r Projekte durch bzw. integrieren die Thematik in Blockveranstaltungen mit <strong>de</strong>nAuszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n. Aufgr<strong>und</strong> <strong>de</strong>r großen Verschie<strong>de</strong>nheit sind die Aktivitäten kaummiteinan<strong>de</strong>r vergleichbar. Insgesamt konnten wir folgen<strong>de</strong> Trends feststellen:- Nur sehr wenige Betriebe mit Suchtpräventionsprogrammen führen gezielte,systematische, wie<strong>de</strong>rkehren<strong>de</strong> Aktivitäten <strong>im</strong> <strong>Ausbildung</strong>sbereich durch. Diesgilt auch für Betriebe <strong>und</strong> Verwaltungen mit sehr großen <strong>Ausbildung</strong>sbereichen.- In manchen Betrieben existieren Einzelaktivitäten zum Thema Drogenpräventionvor <strong>de</strong>r Implementierung von Suchtprogrammen <strong>im</strong> Erwachsenenbereich.- Wo Aktivitäten bestehen, sind diese stark auf illegale Drogen bezogen.- Die Adressaten <strong>de</strong>r Aktivitäten sind häufiger die Jugendlichen selbst als dieAusbil<strong>de</strong>r.- In <strong>de</strong>n letzten drei Jahren ist ein stärkerer Bedarf entstan<strong>de</strong>n, sich <strong>de</strong>r Thematikzuzuwen<strong>de</strong>n.- Alle Gesprächspartner hielten Aktivitäten für dringend geboten.- Fast überall bestan<strong>de</strong>n jedoch Finanzierungsprobleme bzw. wur<strong>de</strong>n antizipiert,bzw. es fehlte an I<strong>de</strong>en, auf welche Weise man an die Thematik herangehenkönnte.- Der Tenor war fast durchgängig: Wir müssten eigentlich ...Diese Situation mag Anlass geben, über eine strukturell wirksame Anschubfinanzierungdurch die Krankenkassen o<strong>de</strong>r die öffentliche Hand in diesem Bereich nachzu<strong>de</strong>nken.Der Arbeitsplatz ist aus verschie<strong>de</strong>nen Grün<strong>de</strong>n wie kaum ein an<strong>de</strong>rer Bereichgeeignet, nachhaltig wirksame präventive Arbeit <strong>im</strong> Suchtbereich zu leisten<strong>und</strong> dabei zugleich hohe Multiplikationswirkung zu erzielen. Der große Erfolg vergleichbarerAnschubfinanzierungen <strong>im</strong> Erwachsenenbereich <strong>und</strong> die damit erzieltenEigeninitiativen <strong>de</strong>r Betriebe ermutigen <strong>de</strong>utlich zu einem solchen Schritt.Literatur:Barsch, G.(1994): Die Entwicklung von Umgangsweisen mit <strong>und</strong> Einstellungsinhalten zum illegalenDrogenkonsum unter Jugendlichen Ostberlins. Sucht, 40.Jg.,H.4, 2/1994,4-11


144Martina Rummel, Ludwig Rainer, Reinhard FuchsBZgA (Hrsg.) (o.J.): Über Drogen re<strong>de</strong>n. Eine Broschüre <strong>de</strong>r B<strong>und</strong>eszentrale für ges<strong>und</strong>heitlicheAufklärung <strong>im</strong> Auftrag <strong>de</strong>s B<strong>und</strong>esministeriums für <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>. Bestellnr. 3371 3300Barth, J., Bengel, J. (1998): Prävention durch Angst? Stand <strong>de</strong>r Furchtappellforschung. BzGA(Hrsg.):Praxis <strong>de</strong>r <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sför<strong>de</strong>rung, Band 4.BZgA (Hrsg.) (1998): Prävention <strong>de</strong>s Ecstasykonsums. Empirische Forschungsergebnisse <strong>und</strong>Leitlinien. Forschung <strong>und</strong> Praxis <strong>de</strong>r <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sför<strong>de</strong>rung, Band 5.Franzkowiak, P. (1986): Stellen wert von Rauen <strong>und</strong> Alkoholkonsum <strong>im</strong> Alltag von 15-20jährigen. BzGA -StudieFuchs, R., Rainer, L., Rummel, M. (Hrsg.) (1999): Betriebliche Suchtprävention. VAP Hogrefe,Göttingen.Hamburgische <strong>Land</strong>esteile gegen die Suchtgefahren (Hrsg.) (1993): Vom Nachbarn lernen -Suchtprävention in Hamburg <strong>und</strong> Zürich. Dokumentation einer Tagung <strong>de</strong>r Hamburgischen<strong>Land</strong>esstelle gegen die Suchtgefahren <strong>und</strong> <strong>de</strong>r Beratungsstelle für Sucht- <strong>und</strong> Drogenprävention<strong>de</strong>s Instituts für Lehrerfortbildung <strong>im</strong> Juni 1993 in HamburgHarten,R., Baalmann,H. (1994): Suchtvorbeugung in Schleswig-Holsteinischen Suchlen.Sucht,Jg.40, H.2, 4/1994, 130-136.Herbst, K., Kraus, L., Scherer, K. (1996): Repräsentativerhebung zum Gebrauch psychoaktiverSubstanzen bei Erwachsenen in Deutschland. Schriftliche Erhebung 1995. B<strong>und</strong>esministeriumfür <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> München (IFT Institut für Therapieforschung).Hoth, A. (1994): Alkoholismus bei Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n in Mag<strong>de</strong>burg. Sucht, 40.Jg.,H.4, 2/1994,12-23.Hurrelmann, K., Hesse, S. (1991): Drogenkonsum als problematische Form <strong>de</strong>r Lebensbewältigung<strong>im</strong> Jugendalter. Sucht, H.37, 8/1991, 240-252.Nitschke, S.: (1998): Mind Zone - An<strong>de</strong>re Wege in <strong>de</strong>r Prävention. In: BzGA (Hrsg.): Prävention<strong>de</strong>s Ecstasykonsums. Empirische Forschungsergebnisse <strong>und</strong> Leitlinien. Forschung <strong>und</strong>Praxis <strong>de</strong>r <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sför<strong>de</strong>rung, Band 5, 144-148.Nöcker, G. (1998): Leitlinien zur Prävention - eine Einführung. In: BzGA (Hrsg.): Prävention<strong>de</strong>s Ecstasykonsums. Empirische Forschungsergebnisse <strong>und</strong> Leitlinien. Forschung <strong>und</strong> Praxis<strong>de</strong>r <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sför<strong>de</strong>rung, Band 5, 21-23.Rakete, G., Flüsmeier, U. (1998): Der Konsum von Ecstasy- eine empirische Studie zu Mustern<strong>und</strong> psychosozialen Effekten <strong>de</strong>s Ecstasy-Konsums. In: BzGA (Hrsg.): Prävention <strong>de</strong>sEcstasykonsums. Empirische Forschungsergebnisse <strong>und</strong> Leitlinien. Forschung <strong>und</strong> Praxis<strong>de</strong>r <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sför<strong>de</strong>rung, Band 5, 46-66.Runge, K.H. (1996): Suchtprävention für Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>. Präventionsmo<strong>de</strong>ll <strong>de</strong>r VolkswagenAG Wolfsburg. In: Suchtprävention als Herausfor<strong>de</strong>rung für die Unternehmensleitung <strong>und</strong>die Beschäftigten. Fachtagung zur Eröffnung <strong>de</strong>r Aktionswoche „Suchtprävention am Arbeitsplatz”1996.Schwarting, F. (1998): High-sein, hungern, an<strong>de</strong>rn helfen...Aspekte eines suchtpräventiven Arbeitsansatzesmit Mädchen. In:AKSJ/BLS (Hrsg.): <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong> Sucht Konzepte . WelcheDrogenhilfe brauchen wir? Potsdam, 33-43.Senatsverwaltung für Jugend <strong>und</strong> Familie. Die <strong>Land</strong>esdrogenbeauftragte (Hrsg.) (1994): DrogenkonsumJugendlicher- Akzeptieren o<strong>de</strong>r intervenieren? Dokumentation <strong>de</strong>r Fachtagung


Suchtprävention <strong>im</strong> <strong>Ausbildung</strong>sbereich 145vom 6./7.Dezember 1993. Beiträge zu Fragen <strong>de</strong>r Suchtproblematik Band 7. Konzeption,Redaktion, Textgestaltung P.Tossmann.Tossmann, P. (1998): Drogenaffinität Jugendlicher in <strong>de</strong>r Techno-Pary-Szene. In: BzGA (Hrsg.):Prävention <strong>de</strong>s Ecstasykonsums. Empirische Forschungsergebnisse <strong>und</strong> Leitlinien. Forschung<strong>und</strong> Praxis <strong>de</strong>r <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sför<strong>de</strong>rung, Band 5, 67-84.Schlömer, H. (1993) Aus Fehlern lernen - Suchtprävention statt Drogenprävention. In : Hamburgische<strong>Land</strong>esstelle gegen die Suchtgefahren (Hrsg.).(1993), 5-10Wake Up - Unternehmen Jugend <strong>und</strong> Prävention (Hrsg.): Berichte verschie<strong>de</strong>ner Präventionsprojektein Schweizer Han<strong>de</strong>lsschulen 1996-1998. Zürich..Weil, T. (1998): Praxis <strong>und</strong> Theorie jungen- <strong>und</strong> männerspezifischer Ansätze zur Suchtprävention.In:AKSJ/BLS (Hrsg.): <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong> Sucht Konzepte . Welche Drogenhilfe brauchenwir? Potsdam, 43-454.


Anhang


149Autorinnen <strong>und</strong> AutorenAnette BaumeisterAOK für das <strong>Land</strong> <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong>Potsdamer Straße 2014513 TeltowDr. Karin Bin<strong>de</strong>rUniversität PotsdamInstitut für SportwissenschaftAm Neuen Palais 1014469 PotsdamUta BuchmannIKK <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong> <strong>und</strong> BerlinMarketing, <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>smanagementZiolkowskistraße 614480 PotsdamHeike Die<strong>de</strong>richsOberstufenzentrum IIIAbt. Ernährung <strong>und</strong> HauswirtschaftSternstraße 6814480 PotsdamSilvia FrischAmt für Arbeitsschutz<strong>und</strong> Sicherheitstechnik NeuruppinAm Seeufer 116816 NeuruppinDr. Reinhard FuchsInstitut für betriebliche Suchtprävention e. V.<strong>und</strong> Kooperationsverb<strong>und</strong> DIALOGGierkezelle 3910585 Berlin


150Martina Rummel, Ludwig Rainer, Reinhard FuchsEva GummlichDa<strong>im</strong>lerChrysler Ludwigsfel<strong>de</strong> GmbHIndustriepark14974 Ludwigsfel<strong>de</strong>Detlef KuhnZAGG Zentrum für angewandte <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sför<strong>de</strong>rung<strong>und</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>swissenschaften GmbHSchopenhauer Straße 1014129 BerlinJoseph Kuhn<strong>Land</strong>esges<strong>und</strong>heitsamt <strong>Bran<strong>de</strong>nburg</strong><strong>im</strong> <strong>Land</strong>esamt für Soziales <strong>und</strong> VersorgungWünsdorfer Platz 315838 WünsdorfDr. Gerd MarstedtUniversität BremenZentrum für SozialpolitikParkallee 3928209 BremenProf. Dr. Anna-Marie MetzUniversität PotsdamInstitut für PsychologieKarl-Liebknecht-Straße 24 - 2514476 GolmProf. Dr. Rainer MüllerUniversität BremenZentrum für SozialpolitikParkallee 3928209 BremenErnst-Friedrich PernackMinisterium für Arbeit, Soziales, <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> <strong>und</strong> FrauenAbt. 3 - ArbeitHeinrich-Mann-Allee 10714473 Potsdam


151Michael RanftMinisterium für Arbeit, Soziales, <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> <strong>und</strong> FrauenAbt. 3 - ArbeitHeinrich-Mann-Allee 10714473 PotsdamDr. Martina RummelInstitut für betriebliche Suchtprävention e. V.<strong>und</strong> Kooperationsverb<strong>und</strong> DIALOGGierkezelle 3910585 BerlinKarin SötjeForum Arbeit e. V.Fennstraße 3112439 BerlinRainer LudwigInstitut für betriebliche Suchtprävention e. V.<strong>und</strong> Kooperationsverb<strong>und</strong> DIALOGGierkezelle 3910585 BerlinMargrit StuhrDa<strong>im</strong>lerChrysler Ludwigsfel<strong>de</strong> GmbHIndustriepark14974 Ludwigsfel<strong>de</strong>Klaus TöpferNord<strong>de</strong>utsche Metall-BerufsgenossenschaftBezirksverwaltung BerlinOranienburger Straße 6810117 Berlin

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