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Grammatikalisierungsprozesse in Pidgin- und Kreolsprachen

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Mit steigendem Gebrauch solcher Phrasen f<strong>in</strong>det e<strong>in</strong>e semantische Bleichung statt.<br />

Nicht mehr die Bewegung steht im Vordergr<strong>und</strong>, sondern vielmehr die Intention, zu deren<br />

Zwecke die Bewegung ausgeführt wird. GOING TO sche<strong>in</strong>t nunmehr völlig bedeutungsleer<br />

(bzw. bleached 'ausgeblichen') zu se<strong>in</strong>.<br />

E (hat Intention zu) Z2 He is go<strong>in</strong>g to (=plann<strong>in</strong>g to; ≠ travell<strong>in</strong>g to) help Paul.<br />

Voraussetzung für diesen Schritt ist jedoch, dass die ursprüngliche Äußerung e<strong>in</strong>e<br />

zweckmäßige direktionale Konstruktion (to = lokal) mit e<strong>in</strong>em <strong>in</strong>f<strong>in</strong>iten Komplement (help<br />

Paul) enthält. Äußerungen wie<br />

( 1 ) He is go<strong>in</strong>g to London.<br />

( 2 ) He is go<strong>in</strong>g to London to help Paul.<br />

<strong>in</strong> denen e<strong>in</strong> direktionale Ergänzung (to London) e<strong>in</strong>en Bewegungsvorgang voraussetzt, ist<br />

dieser Schritt nicht mehr möglich.<br />

Jedoch eignet sich nicht jedes lexikalische Element zur Grammatikalisierung. Die<br />

genannten Hilfsverben entstanden allesamt aus lexikalischen Elementen, die sehr frequent im<br />

Sprachgebrauch s<strong>in</strong>d (siehe Tabelle 1) <strong>und</strong> somit bereits e<strong>in</strong>e weniger spezifischere<br />

Bedeutung haben. Lexikalische Elemente wie Blumenkohl oder schw<strong>in</strong>gschleifen eignen sich<br />

aufgr<strong>und</strong> ihrer sehr konkreten Bedeutung <strong>und</strong> Verwendungsweise nicht für den Prozess der<br />

Grammatikalisierung.<br />

Der Begriff der Grammatikalisierung wird häufig <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Atemzug mit der<br />

Reanalyse genannt. Im Gegensatz zur Grammatikalisierung wird bei der Reanalyse die<br />

Oberflächenrepräsentation des entsprechenden Ausdrucks nicht verändert, die Funktion<br />

h<strong>in</strong>gegen wird e<strong>in</strong>e andere:<br />

"[Reanalysis is a] change <strong>in</strong> the structure of an expression or class of<br />

expressions that does not <strong>in</strong>volve any immediate or <strong>in</strong>tr<strong>in</strong>sic modification<br />

of its surface manifestation."<br />

(Langacker 1977: 59)<br />

E<strong>in</strong>en uns allgegenwärtigen Reanalyseprozess f<strong>in</strong>den wir im Fall des Hamburgers<br />

bzw. Cheeseburgers. Im Deutschen denotiert der Ausdruck Hamburg-er e<strong>in</strong>en männlichen<br />

Bewohner der Stadt Hamburg. Die Suffigierung dieses Namens mit –er sorgt dafür, dass der<br />

nun komplexe Ausdruck nicht mehr auf die Stadt, sondern auf e<strong>in</strong>en Bewohner dieser Stadt<br />

referiert. Sprecher des Englischen jedoch reanalysierten diesen Begriff Hamburger als Hamburger<br />

(ham 'Sch<strong>in</strong>ken'). Sie sahen das komplexe Wort als e<strong>in</strong>e Zusammensetzung aus den<br />

e<strong>in</strong>zelnen Morphemen ham <strong>und</strong> burger an. Wir werden im späteren Verlauf dieser Seiten<br />

noch e<strong>in</strong>ige Fälle von Reanalysen zu sehen bekommen.<br />

E<strong>in</strong> dritter Entwicklungsprozess, den wir oft neben Grammatikalisierung <strong>und</strong><br />

Reanalyse antreffen, ist der der Analogiebildung. Um beim Beispiel des Hamburgers <strong>und</strong><br />

Cheeseburgers zu bleiben: e<strong>in</strong> solcher Prozess würde e<strong>in</strong>treten, wenn nach der Reanalyse von<br />

Hamburger zu Ham-burger e<strong>in</strong>e Bildung von Cheese-burger auf der Basis von Ham-burger<br />

stattf<strong>in</strong>det. Auch für diesen Prozess werden wir später noch e<strong>in</strong>ige Beispiele <strong>in</strong> den Pidg<strong>in</strong>-<br />

<strong>und</strong> <strong>Kreolsprachen</strong> sehen.<br />

E<strong>in</strong> weiteres gr<strong>und</strong>legendes Pr<strong>in</strong>zip der Grammatikalisierung ist das der<br />

Unidirektionalität. Dies bedeutet, dass Grammatikalisierung stets e<strong>in</strong>e bestimmte Richtung<br />

e<strong>in</strong>schlägt: vom konkret Bedeutung tragenden Lexem zum grammatischen Element <strong>und</strong> nie<br />

umgekehrt. Die Schritte können jeweils kle<strong>in</strong> se<strong>in</strong>, aber bei jedem Schritt muss der Grad der<br />

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