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Dynamik ultrakalter Neutronen im Gravitationsfeld der Erde

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Fakultät für Physik und AstronomieRuprecht-Karls-Universität HeidelbergDiplomarbeit<strong>im</strong> Studiengang Physikvorgelegt vonDavid Stadleraus Waiblingen2009


<strong>Dynamik</strong> <strong>ultrakalter</strong> <strong>Neutronen</strong> <strong>im</strong><strong>Gravitationsfeld</strong> <strong>der</strong> <strong>Erde</strong>Die Diplomarbeit wurde von David Stadler ausgeführt amPhysikalischen Institut<strong>der</strong> Universität Heidelbergunter <strong>der</strong> Betreuung vonHerrn Prof. Hartmut Abele


<strong>Dynamik</strong> <strong>ultrakalter</strong> <strong>Neutronen</strong> <strong>im</strong> <strong>Gravitationsfeld</strong> <strong>der</strong> <strong>Erde</strong>In <strong>der</strong> vorliegenden Arbeit wurde ein Exper<strong>im</strong>ent aufgebaut, mit dem die quantenmechanischeFallbewegung <strong>ultrakalter</strong> <strong>Neutronen</strong> <strong>im</strong> <strong>Gravitationsfeld</strong> <strong>der</strong> <strong>Erde</strong> realisiertwerden soll. Die Fallbewegung eines quantenmechanischen Teilchens ist in <strong>der</strong> Literaturauch unter dem Namen Quantum Bouncing Ball bekannt.Aufgrund <strong>der</strong> typischen Fallhöhen von einigen Mikrometern ist das Exper<strong>im</strong>ent in diesemBereich sensitiv auf etwaige Abweichungen vom Newtonschen Kraftgesetz und bietetsomit einen exper<strong>im</strong>entellen Zugang, die Existenz Nicht-Newtonscher Kräfte zu prüfen.Diese werden von Stringtheorien mit großen Extrad<strong>im</strong>ensionen vorhergesagt.In zwei Exper<strong>im</strong>entierzeiten <strong>im</strong> Sommer 2008 an <strong>der</strong> <strong>Neutronen</strong>quelle des Institut Laue-Langevin in Grenoble/ Frankreich war es Ziel, den exper<strong>im</strong>entellen Aufbau zu charakterisierenund erste Messungen zum Quantum Bouncing Ball durchzuführen.Weiterhin wurde ein Zählrohr für ultrakalte <strong>Neutronen</strong> entwickelt und opt<strong>im</strong>iert, das beieiner hohen Nachweiseffizienz gleichzeitig eine sehr geringe Untergrundrate von wenigen10 −2 s −1 aufweisen soll. So konnten mit dem hier vorgestellten Zählrohr verschiedene Kalibrationsmessungenam Gravitationsexper<strong>im</strong>ent durchgeführt werden.Dynamics of ultracold neutrons in the Earth’s gravitational fieldIn the framework of this diploma thesis an exper<strong>im</strong>ent was assembled, that measures thequantum-mechanical motion of ultracold neutrons in the Earth’s gravitational field.


Inhaltsverzeichnis1 Einführung 92 Ultrakalte <strong>Neutronen</strong> und Gravitation 112.1 Das Neutron . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112.1.1 Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112.1.2 Ultrakalte <strong>Neutronen</strong> <strong>im</strong> Labor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132.1.3 Wechselwirkung <strong>der</strong> ultrakalten <strong>Neutronen</strong> mit Oberflächen . . . . 152.2 Ultrakalte <strong>Neutronen</strong> und Galileis Fallgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . 162.2.1 klassische Physik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162.2.2 Quantenmechanik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172.3 Der Quantum Bouncing Ball . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 Das Gravitationsexper<strong>im</strong>ent 273.1 Das Exper<strong>im</strong>ent <strong>im</strong> Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273.2 Die Geschwindigkeitsselektion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293.2.1 Funktionsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293.2.2 Messung des Geschwindigkeitsspektrums . . . . . . . . . . . . . . . 303.3 Das Gravitationssetup . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313.4 Der hochauflösende Spurdetektor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353.4.1 Detektion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353.4.2 Testmessungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363.4.3 Ortsauflösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393.5 Die Neigungskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 403.5.1 Regelprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 403.5.2 Kalibrierung <strong>der</strong> Winkelmesser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 413.5.3 Das Labview Frontend . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 433.5.4 Die Neigungskontrolle <strong>im</strong> Betrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 463.6 Die Vibrationsdämpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 473.7 Messung des Magnetfeldes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 494 Entwicklung eines Zählrohrs für ultrakalte <strong>Neutronen</strong> 514.1 Das Detektionsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 514.2 Charakterisierung des Detektors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 524.2.1 Der Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 534.2.2 Eine dünne Borschicht als <strong>Neutronen</strong>konverter . . . . . . . . . . . 544.2.3 Nachweis <strong>der</strong> ionisierenden Teilchen . . . . . . . . . . . . . . . . . 584.2.4 Auslese <strong>der</strong> Pulse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 594.3 Drei verschiedene Designs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 604.4 Testmessungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 627


Inhaltsverzeichnis 84.4.1 Effizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 634.4.2 Untergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 664.5 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 685 Erste Analyse <strong>der</strong> Messungen 715.1 Analyse zum Quantum Bouncing Ball . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 715.1.1 Auslese des Spurdetektors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 725.1.2 Korrektur <strong>der</strong> Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 745.1.3 Theorie und Messung <strong>im</strong> Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . 775.2 Integralmessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 806 Zusammenfassung und Ausblick 836.1 Die aktuelle Messung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 836.2 Suche nach Abweichungen vom Newtonschen Gravitationsgesetz . . . . . . 84


Kapitel 1EinführungDie Erforschung <strong>der</strong> Gravitation durch Galileo Galilei <strong>im</strong> 17. Jahrhun<strong>der</strong>t markiert denBeginn <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen, empirischen Wissenschaft. Im selben Zeitraum studierten TychoBrahe und Johannes Kepler intensiv die Bahnen <strong>der</strong> Planeten um die Sonne. Keplerstellte daraufhin seine berühmten drei Keplerschen Gesetze auf.Doch erst mit <strong>der</strong> Formulierung des allgemeinen Gravitationsgesetzes fand Isaac Newtonkurze Zeit später eine mathematische Formulierung und führte den freien Fall und diePlanetenbewegung auf das gemeinsame Prinzip <strong>der</strong> Gravitation zurück.Schließlich gelang es Albert Einstein zu Beginn des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts, die Gravitationals geometrische Eigenschaft <strong>der</strong> vierd<strong>im</strong>ensionalen Raumzeit selbst zu beschreiben undschuf damit die Allgemeine Relativitätstheorie. Sie beschreibt die Beobachtungen <strong>im</strong> Bereichvon von Mill<strong>im</strong>etern bis hin zu kosmischen Längenskalen korrekt und enthält dieNewtonsche Formulierung <strong>der</strong> Gravitation als Grenzfall kleiner Massendichten und Geschwindigkeiten,wie wir es aus unserer Alltagswelt kennen.Bis heute n<strong>im</strong>mt die Gravitation jedoch eine Son<strong>der</strong>rolle ein gegenüber den an<strong>der</strong>en dreifundamentalen Wechselwirkungen. Während die elektromagnetische, starke und schwacheKraft <strong>im</strong> Rahmen des Standardmodells <strong>der</strong> Teilchenphysik als quantisierte Feldtheorienformuliert werden und mit extremer Genauigkeit exper<strong>im</strong>entell geprüft sind, wi<strong>der</strong>setztsich die allgemeine Relativitätstheorie trotz je<strong>der</strong> Anstrengung bisher erfolgreich, voneiner klassischen in eine quantisierte Theorie überführt zu werden. Die Gravitation istbislang nicht mit den Prinzipien <strong>der</strong> Quantenmechanik vereinbar.Einer <strong>der</strong> aussichtsreichsten Versuche, alle vier fundamentalen Kräfte zu einer vereinheitlichtenTheorie zu führen, sind Stringtheorien. Allerdings erfor<strong>der</strong>t dies die Einführungzusätzlicher Raumd<strong>im</strong>ensionen, die aber in unserer Alltagswelt nicht beobachtet werden.Wir leben in einer dreid<strong>im</strong>ensionalen Welt. Innerhalb einer best<strong>im</strong>mten Klasse vonStringtheorien ist es aber möglich, die zusätzlichen Raumd<strong>im</strong>ensionen zu sehr kleinenTori o<strong>der</strong> Zylin<strong>der</strong>n aufzurollen, sodass sie für uns nicht wahrnehmbar sind. Die Größe<strong>der</strong> auf diese Weise kompaktifizierten D<strong>im</strong>ensionen wurde bisher mit <strong>der</strong> Plancklängel P = 1.6 · 10 −35 m in Verbindung gebracht. Auf dieser Längenskala erreichen quantenmechanischeund gravitative Effekte eine ähnliche Stärke, was eine gemeinsame, vereinheitlichteTheorie erfor<strong>der</strong>t. Die klassische newtonsche Beschreibung <strong>der</strong> Gravitation verliertin diesem Bereich ihre Gültigkeit. Eine exper<strong>im</strong>entelle Prüfung <strong>der</strong> Abweichung vomNewtonschen Kraftgesetz F ∝ r −2 erscheint hoffnungslos, angesichts <strong>der</strong> extrem kleinenAusdehnung <strong>der</strong> zusätzlichen Raumd<strong>im</strong>ensionen.9


10Erst seit einigen Jahren sind von theoretischer Seite auch große Extrad<strong>im</strong>ensionen miteiner Ausdehnung überhalb <strong>der</strong> Plancklänge möglich, die <strong>im</strong> Breich von Mikro- bis Mill<strong>im</strong>eternliegen. Bahnbrechende Arbeiten hierzu wurden unter an<strong>der</strong>em von G. Dvali und??? veröffentlicht. In diesen Arbeiten wird auch ein möglicher Zusammenhang zwischen<strong>der</strong> Existenz <strong>der</strong> zusätzlichen Raumd<strong>im</strong>ensionen und <strong>der</strong> Kleinheit kosmologischen Konstantesowie dem Hierarchieproblem, weitere ungeklärte Rätsel <strong>der</strong> Physik, diskutiert.Vor diesem Hintergrund bekommen Tests auf Abweichungen des Gravitationsgesetztes<strong>im</strong> Mikro- bis Mill<strong>im</strong>eterbreich eine völlig neue Bedeutung.Seit 1999 werden bereits Exper<strong>im</strong>ente mit ultrakalten <strong>Neutronen</strong> durchgeführt, die dieBeziehung zwischen Quantenmechanik und Gravitation studieren. Die <strong>Neutronen</strong> bildendabei einen quantenmechanisch gebundenen Zustand aus, <strong>der</strong> zu einem diskreten Energiespektrumführt. Dies bedeutet, in Analogie zu den quantisierten Elektronenbahnen<strong>im</strong> Wasserstoffatom, dass sich die <strong>Neutronen</strong> nur auf best<strong>im</strong>mten, erlaubten Höhen <strong>im</strong>Gravitationspotential befinden. Diese rein quantenmechanische Eigenschaft konnte durchTransmissionsmessungen <strong>ultrakalter</strong> <strong>Neutronen</strong> durch einen schmalen Schlitz nachgewiesenwerden. Bei best<strong>im</strong>mten Schlitzbreiten n<strong>im</strong>mt die Transmission stärker zu, währendsie dazwischen einen geringeren Anstieg zeigt. Die so entstehende, stufenartige Form <strong>der</strong>Transmissionskurve ist ein klarer Hinweis auf die quantisierten Zustände <strong>der</strong> ultrakalten<strong>Neutronen</strong>. Es konnten außerdem erste Grenzen für die Stärke <strong>der</strong> Abweichung vomNewtonschen Kraftgesetz ermittelt werden.Auch das hier vorgestellte, neue Projekt Q-Bounce hat zum Ziel, den Zusammenhangzwischen Quantenmechanik und Gravitation zu untersuchen. Durch die direkte Messung<strong>der</strong> <strong>Dynamik</strong> <strong>ultrakalter</strong> <strong>Neutronen</strong> <strong>im</strong> <strong>Gravitationsfeld</strong> <strong>der</strong> <strong>Erde</strong> bekommt man einen exper<strong>im</strong>entellenZugang, das Newtonsche Kraftgesetz auf etwaige Abweichungen zu prüfen.Konkret soll mit diesem Exper<strong>im</strong>ent <strong>der</strong> sogenannte Quantum Bouncing Ball realisiertwerden, also die quantenmechanische Hüpfbewegung eines Teilchens unter dem Einfluss<strong>der</strong> Gravitation. Bislang gibt es hierfür keinen eindeutigen exper<strong>im</strong>entellen Beweis.In dieser Diplomarbeit wurde das Gravitationsexper<strong>im</strong>ent auf <strong>der</strong> Basis eines Vorgängerexper<strong>im</strong>entsvollständig neu aufgebaut und <strong>im</strong> Sommer 2008 <strong>im</strong> Rahmen zweier Exper<strong>im</strong>entierzeitenan <strong>der</strong> <strong>Neutronen</strong>quelle des Institut Laue-Langevin (ILL) in Grenoble/Frankreich erste Messungen durchgeführt. Hauptsächliche Aufgabe war es, das gesamteExper<strong>im</strong>ent systematisch zu charakterisieren, um die weiteren Messergebnisse auf einesolide physikalische Grundlage stellen zu können. In Kapitel 3 findet sich eine detaillierteBeschreibung des Exper<strong>im</strong>ents.Weiterhin wurde ein Detektor nach dem Prinzip eines Geiger - Müller - Zählrohrs entwickelt,das für die integrale Detektion <strong>ultrakalter</strong> <strong>Neutronen</strong> opt<strong>im</strong>iert ist. Der Detektorwird zu verschiedenen Kalibrationsmessungen <strong>im</strong> Exper<strong>im</strong>ent eingesetzt. Im Rahmen einervorbereitenden dreitägigen Exper<strong>im</strong>entierzeit am TEST-Strahlplatz des ILL wurdedieser Detektor getestet und charakterisiert. Kapitel 4 ist diesem Thema gewidmet.Es wurden auch erste Messungen zum Quantum Bouncing Ball durchgeführt. Die Analysedieser ersten Daten ist in Kapitel 5 dargestellt.


Kapitel 2Ultrakalte <strong>Neutronen</strong> und GravitationIn diesem Kapitel werden die physikalischen Eigenschaften des Neutrons beschrieben unddie Frage geklärt, warum gerade ultrakalte <strong>Neutronen</strong> so geeignet für Gravitationsexper<strong>im</strong>entesind. Weiterhin wird das Verhalten <strong>ultrakalter</strong> <strong>Neutronen</strong> <strong>im</strong> Gravitationspotential<strong>der</strong> <strong>Erde</strong> <strong>im</strong> Rahmen <strong>der</strong> klassischen Physik und <strong>der</strong> Quantenmechanik betrachtet.2.1 Das Neutron2.1.1 EigenschaftenDas Neutron und sein geladener Partner, das Proton, unterliegen wie alle Baryonen <strong>der</strong>schwachen, elektromagnetischen, starken und gravitativen Wechselwirkung.<strong>Neutronen</strong> und Protonen besitzen beide einen Spin vom Betrag s = /2 und sind dieGrundbausteine aller Atomkerne. In diesem gebundenen System können <strong>Neutronen</strong> undProtonen als entartetes Fermigas beschrieben werden. Die Wechselwirkung zwischen denNukleonen (n,p) ist dabei weitgehend unabhängig von den spezifischen Eigenschaftenvon Neutron und Proton. Als freie Teilchen ist ihr Verhalten jedoch sehr unterschiedlich.Das Proton ist das leichteste Baryon. Im Einklang mit <strong>der</strong> Baryonenzahlerhaltung wurdebisher kein Zerfall beobachtet, die aktuellen Grenzen für die Zerfallszeit überschreitendas Alter des Universums.Dagegen ist das Neutron <strong>im</strong> freien Zustand instabil und zerfällt über einen Prozess <strong>der</strong>schwachen Wechselwirkungn → p + e − + ¯ν e + 782keV (β − -Zerfall) (2.1)nach einer mittleren Lebenszeit von 885.7s [pdg].Während das Proton die Ladung +e = 1.602·10 −19 C, also eine Elementarladung, besitzt,ist das Neutron auf einem Niveau vonq = (−0.4 ± 1.1) · 10 −21 e (2.2)neutral [pdg]. Trotz seiner Neutralität besitzt das Neutron ein magnetisches Moment,das propotional zum Kernmagnetonist und den Wert|⃗µ K | = e2m p= 3.15 · 10 −8eV T(2.3)⃗µ n = −1.91 · ⃗µ K , |⃗µ n | = −6.02 · 10 −8eV T = −60.2neV T(2.4)11


2.1 Das Neutron 12besitzt. Im Erdmagnetfeld |B| ≈ 60µT hat das Neutron somit eine potentielle EnergievonV mag = −⃗µ n · ⃗B ≈ 3.6peV. (2.5)Im Gegensatz zur magnetischen ist die elektrostatische Wechselwirkung trotz ihrer enormenStärkeα emG N m 2 p≈ 10−210 −39 = 1037 (natürliche Einheiten) (2.6)gegenüber <strong>der</strong> Gravitation zu vernachlässigen, da die Ladung des Neutronse n = q ∝ −0.4 · 10 −21 · √αem ≈ 10 −21√ α em (2.7)beträgt. Setzt man 10 −42 α em anstatt α em in Gleichung (2.6) ein, ist die elektrische gegenüber<strong>der</strong> gravitativen Wechselwirkung für das Neutron um mindestens 5 Größenordnungenunterdrückt. Die potentielle Energie V grav eines Neutrons <strong>im</strong> linearen Gravitationspotential<strong>der</strong> <strong>Erde</strong> istV grav = mgz = 0.102 peVµm· z[µm] . (2.8)Zusätzlich weist das Neutron eine sehr kleine Polarisierbarkeit [ABW03] auf, die Energieän<strong>der</strong>ungenaufgrund elektromagnetischer Effekte in <strong>der</strong> Größenordnung∆E el. ≈ 10 −26 peV∆E mag. ≈ 10 −13 peV (2.9)erzeugen und somit vernachlässigbar sind. Im Gegensatz dazu führt die Polarisierbarkeitbei Atomen zu einem 100%-Effekt und macht die Messung gravitativer Effekte unmöglich.Das Neutron ist <strong>im</strong> Vergleich zu geladenen Teilchen o<strong>der</strong> Atomen ideal für Gravitationsexper<strong>im</strong>ente.Bei externen magnetischen Fel<strong>der</strong>n von unter 1µT, die durch magnetische Abschirmungerzielt werden können, ist die Gravitation die stärkste Kraft. Nur <strong>im</strong> Bereich von einigenFemtometern, also typischen Kernradien, ist es dann die starke Kraft mit α s = 1, die dieWechselwirkung <strong>der</strong> <strong>Neutronen</strong> dominiert.Die Wechselwirkung des Neutrons durch die starke Kraft kann man sich in verschiedenerWeise bei <strong>der</strong> Durchführung von <strong>Neutronen</strong>exper<strong>im</strong>enten zu Nutze machen. Beispielsweisebasiert die Detektion von <strong>Neutronen</strong> darauf, dass diese über Kernreaktionen inhochenergetische, ionisierende Teilchen konvertiert werden. Ferner können <strong>Neutronen</strong>unter best<strong>im</strong>mten Bedingungen von Oberflächen reflektieren, was es einem erlaubt, sieüber längere Strecken zu transportieren.In Abschnitt 2.1.3 wird auf die starke Wechselwirkung von ultrakalten <strong>Neutronen</strong> mitOberflächen etwas näher eingegangen, da dies für das Gravitationsexper<strong>im</strong>ent von großerBedeutung ist.


2.1 Das Neutron 13Tabelle 2.1: Eigenschaften des Neutrons [pdg].MasseNeutralitätm = 939.56536(8)MeVq = −0.4(1.1) · 10 −21 eSpin s = − 2magn. Moment µ n = −1.9130427(5)µ KLebensdauer τ = 885.7(8)sQuarkstruktur udd2.1.2 Ultrakalte <strong>Neutronen</strong> <strong>im</strong> LaborWie schon eingangs erwähnt, wurden die Messungen am Forschungsreaktor des InstitutsLaue-Langevin (ILL) durchgeführt. Abbildung 2.1 zeigt schematisch den inneren Aufbaudes Forschungsreaktors. Die Produktion <strong>der</strong> ultrakalten <strong>Neutronen</strong> findet auf folgendeWeise statt:• Ein Brennelement mit hochangereichertem Uran setzt durch Spaltung, zum Beispieln + 235 U −→ 89 Kr + 144 Ba + 3 nn + 235 U −→ 140 Cs + 94 Rb + 2 n (2.10)<strong>im</strong> Mittel 2.4 <strong>Neutronen</strong> mit einer typischen Energie von einigen MeV frei. EinTeil dieser <strong>Neutronen</strong> hält die Kernspaltung aufrecht, <strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Teil verlässt dasBrennelement und gelangt in den Mo<strong>der</strong>atortank, <strong>der</strong> mit flüssigem D 2 O gefülltist. Da die Deuteriumkerne eine Masse von ≈ 2m n haben, werden die <strong>Neutronen</strong>durch Stöße sehr effizient auf T ≈ 300K thermalisiert.• Ein Teil <strong>der</strong> thermischen <strong>Neutronen</strong> dringt nun in die sogenannte „kalte Quelle“ ausflüssigem D 2 ein, wo die <strong>Neutronen</strong> durch einen weiteren Thermalisierungsprozessauf T ≈ 25K gebracht werden. Man spricht hier von kalten <strong>Neutronen</strong> (E ≈ meV ).• Will man die Energie weiter verringern, muss man die nie<strong>der</strong>energetische Seite desthermischen Maxwell-Spektrums <strong>der</strong> kalten <strong>Neutronen</strong> selektieren.Aus Sicherheitsgründen befindet sich ein Fenster zwischen <strong>der</strong> kalten Quelle und den<strong>Neutronen</strong>leitern. Die ultrakalten <strong>Neutronen</strong> können diese Barriere nicht durchdringenund werden reflektiert. Für kalte <strong>Neutronen</strong> ist das Sicherheitsfenster jedochnahezu transparent. Einige dieser kalten <strong>Neutronen</strong> gelangen in den vertikalen <strong>Neutronen</strong>leiterund werden unter Totalreflexion an den Innenwänden 13m nach obentransportiert. Durch die Krümmung des <strong>Neutronen</strong>leiters werden <strong>Neutronen</strong> mitzu hoher Geschwindigkeit in den Wänden absorbiert.Am oberen Ende des Leiters erhält man nun sehr kalte <strong>Neutronen</strong> (engl. „very coldneutrons“, VCN) bei einer Energie von ≈ µeV .• Über ein Turbinenrad, das sich mit <strong>der</strong> Hälfte <strong>der</strong> typischen Geschwindigkeit <strong>der</strong> ankommenden<strong>Neutronen</strong> dreht, kann die Geschwindigkeitskomponente in eine Richtungweiter verringert werden. Allerdings wird dabei die Divergenz <strong>der</strong> <strong>Neutronen</strong>


2.1 Das Neutron 14erhöht (Liouville-Theorem). Man erhält dann ultrakalte <strong>Neutronen</strong>, die an vier Exper<strong>im</strong>entierplätzeüber ein Shutter-System verteilt werden und eine typische Energievon ≈ 200neV besitzen. Zusätzlich gibt es den TEST - Strahlplatz, <strong>der</strong> eineetwa 15 mal geringere Flussdichte als die an<strong>der</strong>en Exper<strong>im</strong>entierplätze aufweist undan dem die <strong>Neutronen</strong> <strong>im</strong> Mittel etwas schneller sind.Um Quantenzustände <strong>im</strong> Gravitationsexper<strong>im</strong>ent zu beobachten, werden Energien <strong>im</strong>peV -Bereich benötigt. Dies wird durch eine weitere Geschwindigkeitsselektion <strong>im</strong> Exper<strong>im</strong>enterreicht. Die Zählrate <strong>der</strong> ultrakalten <strong>Neutronen</strong> sinkt dabei enorm. TypischeWerte sind etwa 30 · 10 −3 s −1 , also nur rund 2 <strong>Neutronen</strong> pro Minute.Abbildung 2.1: Die <strong>Neutronen</strong> werden <strong>im</strong> Mo<strong>der</strong>atortank (1) gebremst,ein Teil gelangt in die kalte Quelle (2) und steigt durchden vertikalen Leiter (3) bis zur Turbine (4) auf.


2.1 Das Neutron 152.1.3 Wechselwirkung <strong>der</strong> ultrakalten <strong>Neutronen</strong> mit OberflächenEine Eigenschaft, die man aus pragmatischer Sicht oft als Definition für ultrakalte <strong>Neutronen</strong>heranzieht, ist die folgende:Ultrakalte <strong>Neutronen</strong> werden unter allen Einfallswinkeln von Oberflächen elastisch gestreutbzw. reflektiert 1 .Dies hat seine Ursache in <strong>der</strong> sehr geringen kinetischen Energie <strong>der</strong> ultrakalten <strong>Neutronen</strong>.Fermipotential Die Wechselwirkung mit <strong>der</strong> Oberfläche eines Festkörpers stellt sich ineinem mikroskopischen Bild als Wechselwirkung mit den einzelnen Kernrümpfen dar. DasPotential eines Kerns kann in sehr guter Näherung durch{ −40MeV : r ≤ R ≈ 10fmU K (r) =0 : r > R(2.11)beschrieben werden. Aufgrund <strong>der</strong> geringen kinetischen Energie des Neutrons kann einereine s-Wellenstreuung angenommen werden. Für den Wirkungsquerschnitt ergibt sichdann nach dem optischen Theoremσ tot = 4πa 2 , (2.12)wobei a die Streulänge des Potentials ist. Da aber nun die De-Broglie-Wellenlänge <strong>der</strong>ultrakalten <strong>Neutronen</strong>λ dB = h p =h√2mEkin≈ 60nm (2.13)rund 6 Größenordnungen über dem typischen Kernabstand d ≈ 20fm liegt, erfährt dasNeutron ein effektives, gemitteltes Potential über sehr viele Atomkerne, <strong>der</strong>en Ausdehnungvernachlässigt werden kann. Fermis Idee war es, für das KernpotentialU Fermi (⃗r) = 2π2 a · δ(⃗r) (2.14)manzusetzen, wobei nun über alle Atomkerne <strong>der</strong> Oberfläche summiert wird:U(⃗r) = 2π2mAls gemitteltes Potential ergibt sichU eff = 2π2m∑a i δ(⃗r − ⃗r i ) . (2.15)i· ān (2.16)dabei ist ā die mittlere, <strong>im</strong> allgemeinen komplexwertige Streulänge und n die Teilchenzahldichtedes Festkörpers. Meistens wird das effektive Potential U eff kurz als „Fermipotential“bezeichnet. Eine detailliertere Beschreibung hierzu findet sich in [GRL91].1 In dieser Arbeit wird eine solche Oberfläche kurz als „<strong>Neutronen</strong>spiegel“ bezeichnet


2.2 Ultrakalte <strong>Neutronen</strong> und Galileis Fallgesetz 16Die starke Wechselwirkung an Oberflächen ist nun auf eine makroskopische Beschreibungzurückgeführt, was die mathematische Behandlung stark vereinfacht. Das einlaufendeNeutron wird an einem Stufenpotential <strong>der</strong> Höhe U eff reflektiert, sofern E kin < U effgilt.In Tabelle 2.2 sind die wichtigsten Materialien, die auch in diesem Exper<strong>im</strong>ent eingesetztwerden, zusammengestellt. Die max<strong>im</strong>ale Geschwindigkeit bei senkrechtem Einfall, unter<strong>der</strong> ein Neutron noch von <strong>der</strong> Oberfläche reflektiert wird, ergibt sich aus <strong>der</strong> BedingungE kin = U eff .Tabelle 2.2: Fermipotentiale und Grenzgeschwindigkeiten verschiedenerMaterialien.R(U eff ) [neV ]v max [m/s]Al 54.2 3.2BK7 100 4.410 Bor 39 2.7BK7 ist ein optisches Glas, das mit hoher Präzision bearbeitet werden kann. Durch seinrelativ großes Fermipotential ist es ideal als <strong>Neutronen</strong>spiegel geeignet und kommt auchin dem hier beschriebenen Exper<strong>im</strong>ent zu Einsatz.2.2 Ultrakalte <strong>Neutronen</strong> und Galileis FallgesetzWie gezeigt wurde, sind ultrakalte <strong>Neutronen</strong> ideale Probeteilchen, um gravitative Effektezu messen. Für das hier beschriebene Exper<strong>im</strong>ent muss die kinetische Energie jedochum weitere 3 Größenordnungen von neV auf peV verringert werden. Denn wie in 2.2.2gezeigt wird, liegt die Energieskala des quantenmechanischen Systems <strong>im</strong> Bereich voneinigen peV .Dies wird durch Geschwindigkeitsselektion erreicht, sodass ultrakalte <strong>Neutronen</strong> mit einervertikalen Geschwindigkeit v z ≈ cm/s selektiert werden.Was ist nun die korrekte Beschreibung, wenn man das Verhalten <strong>der</strong> ultrakalten <strong>Neutronen</strong><strong>im</strong> <strong>Gravitationsfeld</strong> <strong>der</strong> <strong>Erde</strong> betrachtet?2.2.1 klassische PhysikZunächst sei angemerkt, dass das hier beschriebene Exper<strong>im</strong>ent das Newtonsche Gravitationsgesetzbei sehr kleinen Längenskalen nahe <strong>der</strong> Erdoberfläche überprüft. Die typischeFallhöhe z ist also sehr klein gegen den Erdradius R E , <strong>im</strong> Folgenden soll daher die genäherte,linearisierte Form des Gravitationspotentials verwendet werden. Die potentielleEnergie ist dannV grav (z) = mgz . (2.17)Dabei ist m die Masse des Objekts <strong>im</strong> Gravitationspotential, g = 9.81 m s 2 die Erdbeschleunigungbei r = R E und z die Fallhöhe. Klassisch betrachtet ist die <strong>Dynamik</strong> eines


2.2 Ultrakalte <strong>Neutronen</strong> und Galileis Fallgesetz 17massiven Objekts <strong>im</strong> <strong>Gravitationsfeld</strong> durch die Newtonsche Bewegungsgleichung⃗F = m ·⃗a = −m · ⃗g (2.18)best<strong>im</strong>mt.Die Ortskoordinaten des Objekts werden durch Randbedingungen eindeutig festgelegtund sind bei einer gleichförmigen Bewegung in x-Richtung durchz(t) = − 1 2 gt2 + v z0 t + z 0 (2.19)x(t) = v x0 t (2.20)gegeben. Klassisch würde ein Neutron, wenn es sich mit einer ursprünglichen Höhe z 0 undGeschwindigkeit ⃗v 0 über eine horizontale spiegelnde Fläche bewegt, eine Hüpfbewegungmit einer Periodendauer von√vz02 τ = 2 · τ Fall = 2 ·g 2 + 2z 0(2.21)gausführen.2.2.2 QuantenmechanikDie Schrödingergleichung ist die fundamentale Bewegungsgleichung <strong>der</strong> Quantenmechanik.Will man also die <strong>Dynamik</strong> eines quantenmechanischen Systems beschreiben, mussman die SchrödingergleichungH(x,y,z;t)Ψ(x,y,z;t) = i ∂ Ψ(x,y,z;t) (2.22)∂tlösen. Nach dem Korrespondenzprinzip lautet <strong>der</strong> Hamiltonoperator für ein massivesTeilchen <strong>im</strong> GravitationspotentialwobeiH = E kin + V grav = − 22m ∇2 + mgz . (2.23)p = −i∇ (2.24)<strong>der</strong> Impulsoperator in Ortsdarstellung ist. Folgende, wichtige Punkte sind festzuhalten:• Der Hamiltonoperator ist nicht explizit zeitabhängig, die Lösung <strong>der</strong> stationärenSchrödingergleichung liefert das Eigenwertspektrum <strong>der</strong> Energien.• Die Koordinaten (x,y) werden durch einen SeparationsansatzΨ(x,y,z;t) = ψ(z;t)χ(x)ξ(y) (2.25)in Gleichung (2.23) abgespalten und beschreiben die freie Lösung <strong>der</strong> Schrödingergleichungχ(x) = N x · e −ipxx/ (2.26)ξ(y) = N y · e −ipyy/ , (2.27)da das Gravitationspotential nur von <strong>der</strong> z-Koordinate abhängt.


2.2 Ultrakalte <strong>Neutronen</strong> und Galileis Fallgesetz 18• Die Zeitentwicklung eines Eigenzustandes ist durchψ(z;t) = ψ(z) · e −iE/ (t−t 0)(2.28)mit einer beliebigen aber festen Phase t 0 gegeben, da wie erwähnt <strong>der</strong> Hamiltonoperatornicht von <strong>der</strong> Zeit abhängt und diese ebenfalls absepariert werden kann.Für die eind<strong>im</strong>ensionale Schrödingergleichung in z-Richtung ergibt sich nun(− 2∂ 2 )2m ∂z 2 + mgz ψ = i ∂ ∂t ψ . (2.29)Wie sieht die Lösung <strong>der</strong> stationären Schrödingergleichung in z-Richtung aus?Zunächst können die charakteristischen Skalen des quantenmechanischen Systems mithilfe<strong>der</strong> Heisenbergschen Unschärferelation∆p z ∆z ≥ 2(2.30)abgeschätzt werden. Es ist insofern eine Abschätzung, als dass (2.30) eine Ungleichungist. Für die Gesamtenergie des Teilchens folgt dann durch Gleichsetzen <strong>der</strong> linken undrechten Seite von (2.30)Die BedingungE = E kin + V grav = (∆p z) 22m + mg∆z = (∆p z) 22m + mg 2∆p z. (2.31)∂E= ∆p z∂∆p z m − mg !2(∆p z ) 2 = 0 (2.32)liefert die min<strong>im</strong>al mögliche Energie, die <strong>im</strong> Rahmen <strong>der</strong> Unschärferelation erlaubt ist.Für ∆p z und ∆z gilt <strong>im</strong> Min<strong>im</strong>um∆p minz= 3 √m 2 g2, ∆z min = 3 √Für die kleinste Energie folgt mit Gleichung (2.31) 24m 2 g= 4.67µm . (2.33)E min = (∆pmin z ) 22m + mg∆zmin = 0.72peV , (2.34)wobei m die Masse des Neutrons und g die Erdbeschleunigung ist. Misst man nun Energien<strong>im</strong> peV - beziehungsweise Abstände <strong>im</strong> µm-Bereich, werden quantenmechanischeEffekte auftreten.


2.2 Ultrakalte <strong>Neutronen</strong> und Galileis Fallgesetz 19Lösung <strong>der</strong> stationären Schrödingergleichung Um die Gestalt <strong>der</strong> Schrödingergleichungzu vereinfachen, führt man zunächst einen Skalierungsfaktor <strong>der</strong> Länge√R := 2 3 2m 2 = 5.88µm (2.35)gein. R st<strong>im</strong>mt bis auf einen Faktor 1/ 3√ 2 mit ∆z min aus Gleichung (2.33) überein. Wie<strong>der</strong> Bohrsche Radius a 0 = 0.053nm <strong>im</strong> Wasserstoffatom ist auch R eng mit <strong>der</strong> kleinstmöglichenOrtsunschärfe des gebundenen Teilchens verbunden.Durch Definition <strong>der</strong> Größenζ := z R , ǫ := EmgR(2.36)erhält die stationäre Schrödingergleichung eine d<strong>im</strong>ensionslose Gestalt))(− ∂2∂ζ 2 + ζ ψ(ζ) = ǫψ(ζ) bzw.(− ∂2∂ζ 2 + (ζ − ǫ) ψ(ζ) = 0 . (2.37)Die beiden linear unabhängigen Lösungen <strong>der</strong> Eigenfunktionen ψ(ζ) sind bekannt; essind die Airy-Funktionen Ai(ζ − ǫ) und Bi(ζ − ǫ). Die vollständige Lösung ist also eineLinearkombinationψ(ζ) = a · Ai(ζ − ǫ) + b · Bi(ζ − ǫ) (2.38)mit noch zu best<strong>im</strong>menden Koeffizienten a und b.Wie in Abbildung 2.2 zu sehen ist, zeigen die Airy-Funktionen folgendes Verhalten:• Für ζ → ∞ divergiert Bi(ζ), während Ai(ζ) gegen 0 konvergiert.• Für ζ → −∞ zeigen Bi(ζ) und Ai(ζ) ein oszillierendes Verhalten.Durch Randbedingungen können die Koeffizienten a und b festgelegt werden. Für dieWahrscheinlichkeit, das Teilchen <strong>im</strong> gesamten Integrationsbereich zu finden, gilt∫ψ ∗ ψdζ = 1 ⇒ b = 0 . (2.39)DAußerdem ist durch den exper<strong>im</strong>entellen Aufbau die Aufenthaltswahrscheinlichkeit desNeutrons nach unten durch eine Potentialbarriere beschränkt. Dies wird durch einen<strong>Neutronen</strong>spiegel aus BK7-Glas realisiert, <strong>der</strong> <strong>im</strong> Vergleich zur Energie <strong>der</strong> ultrakalten<strong>Neutronen</strong> in z-Richtung (≈ peV ) ein hohes Fermipotential U Fermi ≈ 100neV besitzt. Alshinreichend gute Näherung kann das Potential an <strong>der</strong> Spiegeloberfläche auf U Fermi = ∞gesetzt werden.Die <strong>Neutronen</strong> sind in z-Richtung gewissermaßen zwischen dem linearen Gravitationspotentialund dem <strong>Neutronen</strong>spiegel eingeschlossen.Durch die damit vorgegebenen PotentialbereicheV (ζ) ={ mgζR : ζ > 0∞ : ζ ≤ 0(2.40)


2.2 Ultrakalte <strong>Neutronen</strong> und Galileis Fallgesetz 2010.8Ai(ζ)Bi(ζ)0.60.40.20−0.2−0.4−10 −8 −6 −4 −2 0 2ζAbbildung 2.2: Die Airy-Funktionenmussψ(ζ) | ζ=0 = 0 (2.41)gelten. Das durch (2.40) definierte Potential führt zur Quantisierung <strong>der</strong> Energieeigenwerteǫ → ǫ n . Diese können durch Lösung von Gleichung (2.41) berechnet werden.Zum Zwecke <strong>der</strong> Anschaulichkeit soll von nun an wie<strong>der</strong> in physikalischen Einheitengerechnet werden.Energieeigenwerte <strong>der</strong> Schrödingergleichung Um das System vollständig zu charakterisieren,muss nun noch das Eigenwertspektrum <strong>der</strong> Energien unter Benutzung vonGleichung (2.41) best<strong>im</strong>mt werden. Dies kann auf numerischem Wege o<strong>der</strong> mithilfe <strong>der</strong>WKB-Methode durchgeführt werden. Eine genauere Herleitung findet sich in [Wes01]. Inphysikalischen Einheiten lautet das Ergebnis <strong>der</strong> WKB-Methode( 3πE n = mgRǫ n = mgR2(n − 1 4)) 2/3, (2.42)die Energieeigenwerte steigen also proportional zu n 2/3 an.Tabelle 2.3 zeigt die exakten und die nach <strong>der</strong> WKB-Methode berechneten Energieeigenwerte.Dazu ist die entsprechende klassische Fallhöhe z n = Eexakt nmgdes quantenmechanischenTeilchens angegeben.Wir können nun unter Berücksichtigung <strong>der</strong> Randbedingungen die spezielle Lösung <strong>der</strong>


2.2 Ultrakalte <strong>Neutronen</strong> und Galileis Fallgesetz 21Tabelle 2.3: Vergleich <strong>der</strong> Eigenenergien <strong>der</strong> ersten fünf Zustände. Zusätzlichsind die klassischen Fallhöhen angegeben. Sie wurdenmithilfe von Enexakt berechnet.n En exakt [peV ] En WKB [peV ] z n [µm]1 1.41 1.41 13.772 2.47 2.46 24.123 3.33 3.32 32.524 4.09 4.08 39.955 4.79 4.78 46.78Schrödingergleichung angeben. In physikalischen Einheiten ergibt sichψ n (z) ={an · Ai( z R − EnmgR ) : z > 00 : z ≤ 0(2.43)wobei a n die Normierungskonstante des n-ten Zustandes ist und jeweils über die Bedingung∫ψn(z)ψ ∗ n (z)dz = ! 1 (2.44)best<strong>im</strong>mt wird.D5.55054.5404Höhe z [µm]30203.532.52Energie E n [peV]1.51010.500Abbildung 2.3: Die ersten fünf Zustände |ψ n (z)| 2 . Die gestrichelte Liniesymbolisiert das lineare Gravitationspotential. Bei z = 0befindet sich <strong>der</strong> <strong>Neutronen</strong>spiegel.


2.3 Der Quantum Bouncing Ball 22In Abbildung 2.3 ist die Aufenthaltswahrscheinlichkeit |ψ n (z)| 2 <strong>der</strong> ersten fünf Zuständein Abhängigkeit von <strong>der</strong> Höhe z über dem <strong>Neutronen</strong>spiegel dargestellt.Wir haben nun ein quantenmechanisches Modell, dass das Verhalten <strong>ultrakalter</strong> <strong>Neutronen</strong><strong>im</strong> linearisierten Gravitationspotential beschreibt.Vorangegangene Exper<strong>im</strong>ente wiesen bereits auf die Quantennatur eines solchen Systemshin [Nes02, Nes03, Nes05].Die stufenförmige Transmissionskurve <strong>ultrakalter</strong> <strong>Neutronen</strong>, die durch einen in <strong>der</strong> Höhevariablen Schlitz propagierten, konnte für Schlitzbreiten <strong>im</strong> Bereich von 10µm bis100µm gemessen werden [Nes02]. Das stufenartige Verhalten deutet auf die quantisiertenEnergieniveaus <strong>der</strong> ultrakalten <strong>Neutronen</strong> hin und steht <strong>im</strong> Wi<strong>der</strong>spruch zur klassischenErwartung. Dies wird als klarer Hinweis für quantenmechanische Effekte gewertet.2.3 Der Quantum Bouncing BallDas hier vorgestellte neue Projekt Q-Bounce hat zum Ziel, direkt die Zeitentwicklungeines Wellenpakets zu messen, das über eine Stufe propagiert und aufgrund <strong>der</strong> Gravitationskraftnach unten fällt.Diese quantenmechanische Fallbewegung ist in <strong>der</strong> Literatur auch unter dem Begriff„Quantum Bouncing Ball“ o<strong>der</strong> „Quantum Bouncer“ bekannt [GB99, Gib75]. Es ist dasZiel, den Quantum Bouncing Ball zum ersten Mal exper<strong>im</strong>entell nachzuweisen.In einer kompakten Darstellung soll nun von theoretischer Seite beschrieben werden, wie<strong>der</strong> Quantum Bouncing Ball <strong>im</strong> hier vorgestellten Exper<strong>im</strong>ent realisiert wird. Für eineausführliche Beschreibung wird an dieser Stelle auf [Jen08] verwiesen. Abbildung 2.4 sollhelfen, ein anschauliches Bild des Quantum Bouncing Ball zu bekommen.Bereich IBereich IIl1 = 40µmUCNsStreuerl2 = 30µmzxDetektorSpiegelSpiegelx1 = 10cmxAbbildung 2.4: Schematische Darstellung des Setups. Durch den Einsatzvon Spiegeln unterschiedlicher Länge können verschiedenex-Positionen detektiert werden.Der quantenmechanische Zustand <strong>der</strong> ultrakalten <strong>Neutronen</strong> wird in Bereich I präpariert.


2.3 Der Quantum Bouncing Ball 23Der Präparationsschlitz wird von unten durch einen <strong>Neutronen</strong>spiegel und von oben durcheine streuende Oberfläche (kurz: „Streuer“) beschränkt.In Bereich II propagiert das Wellenpaket weiter in x-Richtung, bis es auf den ortsauflösendenDetektor gelangt.Bereich I Abbildung 2.4 zeigt ein von links einlaufendes Wellenpaket <strong>im</strong> Bereich I,das am Ende über eine Stufe propagiert. Das Wellenpaket kurz vor <strong>der</strong> Stufe setzt sichaus <strong>der</strong> inkohärenten Summe <strong>der</strong> untersten gebundenen Zustände zusammen. Dies entsprichtin etwa <strong>der</strong> exper<strong>im</strong>entellen Situation, da die anfängliche Phaseninformation t 0<strong>der</strong> ankommenden ultrakalten <strong>Neutronen</strong> unbest<strong>im</strong>mt ist und die Anzahl <strong>der</strong> zugelassenenEigenzustände von oben durch den Streuer beschränkt wird. <strong>Neutronen</strong> mit einerzu hohen transversalen Energie erfahren diffuse Streuung an <strong>der</strong> rauen Oberfläche desStreuers und werden anschließend absorbiert.Der Streuer definiert eine zusätzliche Randbedingung V (z = l 1 ) = ∞. Insgesamt stelltsich das Potential in Bereich I also dar als{ mgz : 0 < z < l1V (z) =∞ : sonst(2.45)und die Eigenzustände ψ I n haben die allgemeine Formψ I n (z) = {))a I n · Ai(zR − EnmgR+ b I n · Bi(zR − EnmgR: 0 < z < l 10 : sonst .(2.46)Es muss betont werden, dass die Eigenzustände ψ I n in Bereich I nicht mit den freienLösungen aus Gleichung (2.43) übereinst<strong>im</strong>men. In Gleichung (2.46) sorgen die Bi-Funktionen dafür, dass auch bei z = l 1 die Wellenfunktion verschwindet.In Abbildung 2.5 sind die Aufenthaltswahrscheinlichkeiten <strong>der</strong> Zustände n = {1,2,3,4,5}für ein festes l 1 = 40µm dargestellt. Die zugehörigen numerisch berechneten Eigenenergiendieser Zustände in Abhängigkeit von l 1 zeigt Abbildung 2.6.Man erkennt, dass sich die freien Zustände aus Abbildung 2.3 und die Zustände <strong>im</strong>Bereich I aus Abbildung 2.5 für kleine n ähnlich sind. Diese Zustände spüren nur sehrwenig von <strong>der</strong> zusätzlichen Potentialbarriere des Streuers. Für größere n ist dies nichtmehr <strong>der</strong> Fall. Die Zustände <strong>im</strong> Bereich I erfahren durch den Streuer eine Stauchunggegenüber den freien Zuständen ψ n .Dieser Sachverhalt drückt sich auch in den Eigenenergien En I in Abbildung 2.6 aus. Fürgroße Schlitzbreiten gehen diese wie<strong>der</strong> in die Eigenenergien von Tabelle 2.3 über.Als Superposition mehrerer Eigenzustände ergibt sich für das präparierte Wellenpaket inBereich I


2.3 Der Quantum Bouncing Ball 24ϕ I (z,t) =|φ I (z)| 2 := |ϕ I (z,t)| 2 =N∑d n · P n (l 1 ,x 1 ,v x ) · ψn(z) I · e −iEn/(t−t 0)n=1N∑d 2 n · P n (l 1 ,x 1 ,v x ) 2 · |ψn(z)| I 2 . (2.47)n=1• Im letzten Schritt wurde die inkohärente Summe <strong>der</strong> ψ I n(z) gebildet, da über allemöglichen Anfangsphasen t 0 summiert wird. Die Interferenzterme mitteln sichdabei heraus.• Es wird angenommen, dass die Besetzungswahrscheinlichkeiten d n zu Beginn gleichverteiltsind. Somit ist d n = 1/ √ N die Besetzungswahrscheinlichkeit <strong>im</strong> n-ten Eigenzustand.• Außerhalb des Präparationsschlitzes ist aufgrund <strong>der</strong> Randbedingungen ψ I n(z) Null.• P n (l 1 ,x 1 ,v x ) 2 beschreibt den Streuer und ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Zustandden Präparationsbereich passieren wird. In Abschnitt 3.3 auf Seite 34 ist dasStreuermodell näher beschreiben.Bereich II Die Eigenzustände ψm II entsprechen hier den freien Zuständen aus Gleichung(2.43). Ein weiterer <strong>Neutronen</strong>spiegel, <strong>der</strong> um 30µm gegenüber dem ersten Spiegel nachunten versetzt ist, liefert die Randbedingung.Aufwand benötigt die Berechnung <strong>der</strong> Besetzungswahrscheinlichkeiten f m <strong>der</strong> Zuständeunmittelbar nach <strong>der</strong> Stufe. Das Wellenpaket erfährt eine plötzliche Än<strong>der</strong>ung <strong>der</strong>Randbedingungen. Die Zeitkonstante <strong>der</strong> Än<strong>der</strong>ung ist dabei wesentlich kürzer als diecharakteristische Zeitkonstante des freien Falls τ Fall = √ 2R/g ≈ 1.1ms. Damit könnendie Übergangsmatrixelemente mithilfe <strong>der</strong> Sudden Approx<strong>im</strong>ation numerisch berechnetwerden. Man erhältf m =N∑n=1d n · P n (l 1 ,x 1 ,v x ) · 〈ψ IIm |ψI n 〉 · e−iEn/(t 1−t 0 )mit t 1 = x 1v x. (2.48)Das Matrixelement 〈ψm II|ψIn 〉 kann als Wahrscheinlichkeit dafür gedeutet werden, dass ψI nin den Zustand ψm II übergeht.Das Wellenpaket <strong>im</strong> Bereich II ist unter Einbeziehung <strong>der</strong> Zeitentwicklung∫|φ II (z,t)| 2 :=ϕ II (z,t) =|ϕ II (z,t)| 2 dt 0 =M∑m=1M∑m=1+ ∑·f m · ψ IIm (z) · e −iEm/(t−t 1)|ψ IIm (z)| 2 ·〈ψm II |ψ IIm≠m ′N∑n=1N∑n=1d 2 n · P n (l 1 ,x 1 ,v x ) 2 · 〈ψ IIm |ψ I n〉 2( )1m ′〉 · cos (E m − E m ′)(t − t 1 )d 2 n · P n (l 1 ,x 1 ,v x ) 2 · 〈ψ IIm |ψ I n〉〈ψ IIm ′|ψI n〉 . (2.49)


2.3 Der Quantum Bouncing Ball 25Um die Wahrscheinlichkeitsdichte zu berechnen, muss wie<strong>der</strong> über alle möglichen t 0 summiertwerden. Trotzdem bleibt die Kohärenz <strong>der</strong> Zustände erhalten, da die Phase <strong>der</strong>ultrakalten <strong>Neutronen</strong> durch die Stufe festgelegt wird, also zum Zeitpunkt t 1 . Die quantenmechanischenInterferenzphänomene werden durch den cos-Term des zweiten Summandenin Gleichung (2.49) hervorgerufen. Dies sieht man in Abbildung 2.4, wo dasWellenpaket deutliche Oszillationseffekte nach <strong>der</strong> Stufe zeigt.Fazit Folgende Punkte sind festzuhalten:• Die Propagation in x-Richtung verläuft nach dem klassischen Bild, da die transversalenEnergien von ≈ 200neV nicht <strong>im</strong> Quantenreg<strong>im</strong>e liegen.• Die eigentliche Messgröße ist nicht die Zeit t, son<strong>der</strong>n die x-Position entlang des<strong>Neutronen</strong>spiegels. Es gilt aber stetst = x v x. (2.50)• Die x-Geschwindigkeit <strong>der</strong> <strong>Neutronen</strong> ist nicht scharf definiert, sie weist eine Verteilungauf und muss gemessen werden. Das bedeutet, dass die Wahrscheinlichkeitsdichtemit dieser Verteilung gewichtet werden muss. Es treten Faltungsintegraleauf.• Misst man nun |φ II (z,t)| 2 bei verschiedenen x-Positionen nach <strong>der</strong> Stufe, erhältman die Zeitentwicklung des Wellenpakets in vertikaler Richtung, also die <strong>Dynamik</strong>des Quantum Bouncing Balls.403530Höhe z [µm]2520151050Abbildung 2.5: Die Wahrscheinlichkeitsdichten <strong>der</strong> Zustände n ={1,2,3,4,5} <strong>im</strong> Bereich I für eine feste Schlitzbreite vonl 1 = 40µm.


2.3 Der Quantum Bouncing Ball 263025E 1E 2E 3E 4E 520Energie [peV]15105010 20 30 40 50 60 70 80 90 100Schlitzbreite l 1 [µm]Abbildung 2.6: Abhängigkeit <strong>der</strong> Eigenenergien von <strong>der</strong> Schlitzbreite l 1<strong>im</strong> Bereich I. Ein senkrechter Schnitt bei l 1 = 40µm ergibtdie Energien zu den oben dargestellten Zuständen.


Kapitel 3Das Gravitationsexper<strong>im</strong>entAuf <strong>der</strong> Basis eines Vorgängerexper<strong>im</strong>ents [Nes05] wurde in <strong>der</strong> ersten Hälfte des Jahres2008 ein völlig neues Exper<strong>im</strong>ent aufgebaut. Ziel des Exper<strong>im</strong>ents ist es, die <strong>Dynamik</strong> <strong>der</strong>ultrakalten <strong>Neutronen</strong> <strong>im</strong> Gravitationspotential <strong>der</strong> <strong>Erde</strong> zu studieren und den QuantumBouncing Ball ortsaufgelöst zu detektieren. Die Messungen wurden am Strahlplatz PF2/UCN des ILL während <strong>der</strong> Exper<strong>im</strong>entierzeiten 3-14-237 und 3-14-245 <strong>im</strong> Sommer 2008durchgeführt.Zum einen kann die Quantennatur <strong>der</strong> ultrakalten <strong>Neutronen</strong> weiter exper<strong>im</strong>entell geprüftwerden. Zum an<strong>der</strong>en ist das Exper<strong>im</strong>ent sensitiv auf sogenannte Fünfte Kräfte,<strong>der</strong>en Existenz Abweichungen vom bekannten Newtonschen 1/r-Kraftgesetz auf kurzenLängenskalen bedeuten würden.Die Anfor<strong>der</strong>ungen an die Präzision des Exper<strong>im</strong>ents sind enorm. Wenn mechanischeGenauigkeiten <strong>im</strong> Bereich von 1µm erreicht werden sollen, müssen externe Einflüssewie Vibrationen o<strong>der</strong> Verkippungen des gesamten Aufbaus auf ein Min<strong>im</strong>um reduziertwerden. Diese Kapitel widmet sich <strong>der</strong> detaillierten Beschreibung des Exper<strong>im</strong>ents und<strong>der</strong> einzelnen Komponenten.3.1 Das Exper<strong>im</strong>ent <strong>im</strong> ÜberblickZunächst soll das Exper<strong>im</strong>ent als ganzes beschrieben werden, bevor dann näher auf dieeinzelnen Details eingegangen wird. Abbildung 3.1 stellt den Aufbau schematisch <strong>im</strong> seitlichenQuerschnitt dar.Die Abmessungen <strong>der</strong> Grundfläche sind etwa (1.5 × 1)m 2 , also typisch für ein Tabletop-Exper<strong>im</strong>ent.Das gesamte Exper<strong>im</strong>ent wurde auf <strong>der</strong> etwa 3m erhöhten Plattformdes UCN-Strahlplatzes aufgebaut. Die ultrakalten <strong>Neutronen</strong> können so von <strong>der</strong> Turbine(Abbildung 2.1) über ein gewinkeltes Strahlrohr 1 (1) fast horizontal zum Exper<strong>im</strong>entgeführt werden. Das Ende des Rohres ist so geformt, dass es einem rechteckigen Strahlprofilvon ungefähr (12 × 1)cm 2 entspricht.Um Vibrationen zu vermeiden, die durch die Turbine auf das Exper<strong>im</strong>ent übertragen werdenkönnten, besteht keine mechanische Kopplung zwischen dem Exper<strong>im</strong>ent und demStrahlrohr. Die ultrakalten <strong>Neutronen</strong> passieren daher einen etwa 10mm breiten Luftspaltzwischen dem Strahlrohr und <strong>der</strong> Vakuumkammer. Als Ein- und Austrittsfenster1 Ein Strahlrohr besteht beispielsweise aus Edelstahl, wobei die Innenseite des Rohres mit Nickel o<strong>der</strong>einem an<strong>der</strong>en Material mit hohem Fermipotential beschichtet ist. So werden die ultrakalten <strong>Neutronen</strong>unter Totalreflexion durch das Rohr geleitet.27


3.1 Das Exper<strong>im</strong>ent <strong>im</strong> Überblick 28Abbildung 3.1: Schematische Seitenansicht des Exper<strong>im</strong>ents. Die Erklärungzu den einzelnen Punkten findet sich <strong>im</strong> Text.dienen dünne Aluminiumfolien, sie sind aufgrund des geringen Absorptionsquerschnittsfür ultrakalte <strong>Neutronen</strong> mit einer Geschwindigkeit > 3.2m/s (Tabelle 2.2) nahezu transparent.<strong>Neutronen</strong> mit einer kleineren Geschwindigkeit werden an <strong>der</strong> Folie reflektiert undgelangen nicht in das Exper<strong>im</strong>ent.Über eine in z-Richtung verstellbare Schlitzblende (2) gelangen nur noch ultrakalte <strong>Neutronen</strong>mit sehr geringer vertikaler Geschwindigkeit v z ≈ cm/s und einer horizontalenGeschwindigkeit v x von etwa 6.5m/s in den inneren Bereich des Exper<strong>im</strong>ents, dem Systemaus Streuer und <strong>Neutronen</strong>spiegeln. Ein zusätzliches Blendensystem (3) aus Kupferund B 4 C-Material 2 innerhalb <strong>der</strong> Vakuumkammer schränkt die mögliche Flugbahn <strong>der</strong>ultrakalten <strong>Neutronen</strong> weiter ein, diese werden am Kupfer gestreut und dann <strong>im</strong> B 4 Cabsorbiert.Das eigentliche Herzstück des Exper<strong>im</strong>ents ist <strong>der</strong> Bereich des Gravitationssetups (4), alsodem System aus Streuer und <strong>Neutronen</strong>spiegeln. Dort werden die ultrakalten <strong>Neutronen</strong>zunächst in einen quantenmechanischen Zustand präpariert und „fallen“ dann eine Stufevon 30µm hinunter auf einen weiteren <strong>Neutronen</strong>spiegel. Schließlich wird die Position <strong>der</strong><strong>Neutronen</strong> mit einem ortsauflösenden Detektor (5) registriert.Als Unterbau dient eine aktive sowie passive Vibrationsdämpfung (6), wie sie auch in Exper<strong>im</strong>enten<strong>der</strong> Laseroptik eingesetzt werden. Darauf befinden sich drei höhenverstellbarePiezoaktoren (7), die für die nötige Stabilität des Aufbaus gegen langsame Verkippungensorgen. Hochpräzise Winkelmesser (11) geben die momentane Neigung an einen Messrechneraus, <strong>der</strong> wie<strong>der</strong>um die Piezoaktoren auf die entsprechende Regelspannung setzt.So werden sehr geringe Winkelabweichungen von nur 0.67µRad erreicht. Eine etwa 300kgschwere, geschliffene Granitplatte (8) bildet die Auflagefläche für den inneren Teil des2 B 4C (Borcarbid) wird in eine Trägermatrix eingearbeitet und liegt in gummiartigen Matten vor. Eslässt sich gut bearbeiten und wird häufig als Abschirmung gegen <strong>Neutronen</strong> verwendet.


3.2 Die Geschwindigkeitsselektion 29Setups. Die Oberseite hat eine Ebenheit über die gesamte Länge von 1µm. Die Fläche<strong>der</strong> Granitplatte ist (100 × 60)cm 2 .Die Vakuumkammer (9) dient dazu, die Verluste durch Streuung und Absorption <strong>der</strong>ultrakalten <strong>Neutronen</strong> an Luft möglichst gering zu halten. Dazu genügt ein Vorvakuumvon ≈ 10 −2 mbar.Um die <strong>Neutronen</strong> gegen das Erdmagnetfeld von ≈ 60µT abzuschirmen, kommt einepassive Lösung zum Einsatz: Der gesamte Aufbau ist mit einem Gehäuse aus 1mm dickemµ-Metall umgeben (10), ein Metall, das eine sehr hohe magnetische Permeabilität besitztund somit effektiv gegen statische Fel<strong>der</strong> abschirmt. Messungen <strong>im</strong> Gehäuse ergabenFel<strong>der</strong> von ±1µT.3.2 Die GeschwindigkeitsselektionDurch eine in z-Richtung verstellbare Schlitzblende, die aus zwei gegeneinan<strong>der</strong> verschiebbarenAluminiumblechen besteht, können nur ultrakalte <strong>Neutronen</strong> mit einer sehrkleinen v z -Komponente von ≈ cm/s in den Präparationsbereich gelangen, während diev x -Komponente ≈ 6.5m/s beträgt. Abbildung 3.2 zeigt eine Detailansicht. Die beidengestrichelten Linien symbolisieren zwei mögliche Flugbahnen.Abbildung 3.2: Detailansicht des gesamten Blendensystems: Schlitzblende(a), Vakuumkammer (b), inneres Blendensystem (c),Bereich I des Gravitationssetups(d).3.2.1 FunktionsweiseZwei in z-Richtung verstellbare Schlitzblenden, die mit Bor beschichtet wurden, sind soeingestellt, dass nur ganz best<strong>im</strong>mte Parabelbahnen vom Strahlrohr bis zum Eintrittsspaltzugelassen sind. Das innere Blendensystem sorgt dafür, dass <strong>Neutronen</strong> mit zuhoher v z -Komponente absorbiert werden. Ist v z zu klein, erreichen die <strong>Neutronen</strong> nicht


3.2 Die Geschwindigkeitsselektion 30die nötige Mindesthöhe und werden nicht in den Schlitz zwischen Spiegel und Absorbereingekoppelt.Die z-Position <strong>der</strong> Schlitzblenden kann mit∆z = 1 2 g · τ2 ,τ = d v x⇒ v x = d ·√ g2∆z(3.1)opt<strong>im</strong>al eingestellt werden. Der Abstand d von <strong>der</strong> Schlitzblende bis zur Vor<strong>der</strong>kante des<strong>Neutronen</strong>spiegels betrug <strong>im</strong> Exper<strong>im</strong>ent 15cm. Mit ∆z wird die Höhendifferenz zwischenden Kanten <strong>der</strong> Schlitzblende und <strong>der</strong> Mitte des Präparationsschlitzes bezeichnet.Die <strong>Neutronen</strong> beschreiben eine parabolische Flugbahn und haben bei x = d eine verschwindendev z -Komponente mit einer kleinen Divergenz, da <strong>der</strong> Präparationsschlitz eineendliche Breite hat. Für das Exper<strong>im</strong>ent wurde das v x -Intervall (6.5 ± 0.7)m/s ausgewählt,in diesem Bereich ist <strong>der</strong> <strong>Neutronen</strong>fluss max<strong>im</strong>al. Dies ergibt∆z unten= 3.12mmfür die z-Position <strong>der</strong> oberen und unteren Kante <strong>der</strong> Blende.∆z oben = 2.10mm (3.2)3.2.2 Messung des GeschwindigkeitsspektrumsMithilfe <strong>der</strong> höhenverstellbaren Schlitzblenden hat man die Möglichkeit, das Spektrum<strong>der</strong> horizontalen Geschwindigkeit v x <strong>der</strong> ultrakalten <strong>Neutronen</strong> zu messen und die opt<strong>im</strong>alez-Position <strong>der</strong> Blenden damit zu prüfen.Zunächst wird die Blende vollständig geöffnet und dann in definierten Schritten die obereKante in den Strahl gefahren. Dieselbe Messung wird für die untere Kante wie<strong>der</strong>holt,sie wird von unten nach oben bewegt.Direkt hinter Bereich I ist ein Zählrohr für ultrakalte <strong>Neutronen</strong> positioniert, das denFluss <strong>der</strong> <strong>Neutronen</strong> durch den Schlitz misst. Dieser ist bei <strong>der</strong> Messung weit geöffnet(l 1 = 100µm). Außerdem ist auch <strong>der</strong> Streuer durch einen ebenfalls 10cm langen <strong>Neutronen</strong>spiegelersetzt. Man erhält also einen Schlitz, <strong>der</strong> von unten und oben durch zweiglatte Oberflächen begrenzt ist. Auf diese Weise ist eine ausreichende Rate an <strong>Neutronen</strong>gewährleistet.In Abhängigkeit <strong>der</strong> z-Position <strong>der</strong> Schlitzblenden ergibt sich dann ein integrales Geschwindigkeitsspektrum,wie es in Abbildung 3.3 zu sehen ist. Für beide Messungenergibt sich eine symmetrische Verteilung. Der Unterschied liegt lediglich darin, dass dieobere Kante <strong>der</strong> Blende zuerst die höheren Geschwindigkeiten abschneidet, bei <strong>der</strong> unterenKante ist es umgekehrt. Dies wird auch durch Gleichung (3.1) verdeutlicht.Extraktion des Geschwindigkeitsspektrums Für die Fit-Funktion des integralen Spektrumswurde folgen<strong>der</strong> Ansatz gewählt:F(z) = c · Erf[−a · z + k] + b (3.3)


3.3 Das Gravitationssetup 31Parameter Fit-Ergebnis obere Kante Fit-Ergebnis untere Kantea 0.593 0.546k 28.921 mm 15.741 mmb 3.500 s −1 3.749s −187Transmission [1/s]654321Messung untere KanteMessung obere KanteFitFit024 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34Blendenposition [mm]Abbildung 3.3: Integrale Messung des Geschwindigkeitsspektrums.Die durchgezogenen Linien in Abbildung 3.3 zeigen den Fit an die Messdaten für dieMessung mit <strong>der</strong> oberen und unteren Kante. Es muss beachtet werden, dass die z-Abhängigkeit <strong>der</strong> Transmission mithilfe von Gleichung (3.1) in eine v x -Abhängigkeitumgerechnet wird.Durch die negative Ableitung von F(z(v x )) erhält man das Geschwindigkeitsspektrum inx-Richtung mit−d∣ F(z(v x )) = −∂z ∣∣∣ ∂dv x∣ ·∂v x ∂z F(z(v x)) = − d2vx[3= d2vx3 · c √ 2a · exp −(k − a · g d2π· c 2(−a) √ · exp[− ( k − a z(v x ) ) ] 2π) 2]2v 2 x=: f(v x ) , (3.4)wie es in Abbildung 3.4 dargestellt ist. Die schwarze Markierung zeigt den gemittelten v x -Bereich, <strong>der</strong> durch die Position <strong>der</strong> Blenden aus dem Gesamtspektrum selektiert wurde.Die Kenntnis des so gewonnenen Geschwindigkeitsbereichs ist von entscheiden<strong>der</strong> Wichtigkeit.Die Propagation <strong>der</strong> Wellenfunktion in x-Richtung ist abhängig von v x , das Spektrumgeht also als Gewichtung in die theoretischen Rechnungen ein. Es treten dannFaltungsintegrale auf, was bei monochromatischen ultrakalten <strong>Neutronen</strong> nicht <strong>der</strong> Fallwäre.3.3 Das GravitationssetupDas Herzstück des Exper<strong>im</strong>ents ist das Gravitationssetup. Abbildung 3.5 zeigt nocheinmaleine Skizze.


3.3 Das Gravitationssetup 320.20.15untere Kanteobere Kanteselektierter, gemittelter Geschwindigkeitsbereichf(v x ) [a.u.]0.10.0503 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20v x [m/s]Abbildung 3.4: Extrahiertes Geschwindigkeitsspektrum f(v x ) aus beidenMessungen. Die Kurven sind auf 1 normiert.zyx4l1 = 40µmUCNs12l2=30µm3cm310cmx1=10cmAbbildung 3.5: Ansicht von vorn auf das Gravitationssetup. Die <strong>Neutronen</strong>befinden sich zwischen Streuer (1) und Spiegel (2) <strong>im</strong>Präparationsschlitz und propagieren über einen weiterenSpiegel (3), bis zum Detektor (4).Als Material für den Streuer sowie für den Spiegel wurde BK7 eingesetzt, ein optischesGlas mit hohem Fermipotential, das sehr präzise bearbeitet werden kann.• In Bereich I wird <strong>der</strong> quantenmechanische Zustand präpariert. Dabei ist es erfor<strong>der</strong>lich,dass Spiegel und Streuer äußerst parallel (±0.5µm) übereinan<strong>der</strong> angeordnetsind, um die Symmetrie des Systems in y-Richtung zu erhalten und eine konstanteSchlitzbreite zu garantieren. Eine wie bisher 1-d<strong>im</strong>ensionale Betrachtung desSystems unter Vernachlässigung <strong>der</strong> y-Komponente wäre sonst nicht mehr gültig.Eine hohe Parallelität wird durch sehr präzise Lehrenbän<strong>der</strong> aus gehärtetem Metallgewährleistet. Sie eignen sich gut als Abstandhalter zwischen den einzelnenBK7-Glasblöcken, <strong>der</strong>en Ober- und Unterseite ebenfalls eine sehr hohe Parallelitätaufweisen. Als Auflagefläche dient die Granitplatte, sie ist bis auf 1µm eben.• in Bereich II befindet sich ein zweiter <strong>Neutronen</strong>spiegel, <strong>der</strong> aber relativ zum ersten


3.3 Das Gravitationssetup 33um 30µm nach unten versetzt ist. Wie<strong>der</strong>um ist eine hohe Parallelität zwischendem ersten und dem zweiten Spiegel gefor<strong>der</strong>t, um systematische Effekte geringzu halten. An dieser Stelle besteht sicher noch Opt<strong>im</strong>ierungsbedarf, in Zukunftwerden beide Spiegel über parallel verschiebbare z-Verschiebetische gesteuert. Indiesem Exper<strong>im</strong>ent wurden wie<strong>der</strong>rum Lehrenbän<strong>der</strong> so kombiniert, dass sich eine30µm hohe Stufe ergab.Wichtig ist, dass die Glasblöcke eine sehr scharfe Kante aufweisen. Nur so ist eine klardefinierte Stufe gewährleistet. Be<strong>im</strong> Erhalt wiesen die Glasblöcke jedoch eine Fase auf,da diese für den Bearbeitungsprozess <strong>der</strong> Oberfläche <strong>der</strong> Blöcke notwendig ist. In Zusammenarbeitmit <strong>der</strong> Glasbläserei des Physikalischen Instituts wurden die Glasblöckein einem aufwändigen Schleifprozess nachträglich bearbeitet. Durch eine spezielle Haltevorrichtungkonnten von den Stirnseiten jeweils 200µm abgeschliffen werden, ohne diepolierte Ober- und und Unterseite <strong>der</strong> Glasblöcke zu beschädigen.Charakterisierung des Spiegels Es sind hohe Anfor<strong>der</strong>ungen an Rauheit und Welligkeit<strong>der</strong> spiegelnden Oberfläche gestellt. Eine zu hohe Rauheit hätte diffuse Streuung <strong>der</strong>ultrakalten <strong>Neutronen</strong> zur Folge, was zu weiteren Verlusten führt beziehungsweise die x-und z-Komponente <strong>der</strong> Geschwindigkeit mischen würde. Die klassische und die quantenmechanischeBewegung des Neutrons <strong>im</strong> Präparationsschlitz wären nicht mehr entkoppelt.Eine Strukturanalyse durch Röntgenbeugung <strong>der</strong> Firma S-DH gibt Aufschluss überdiese Parameter. Die Oberfläche wird unter unterschiedlichen Einfallswinkeln mit Röntgenlichtbestrahlt und <strong>der</strong> reflektierte Anteil detektiert. Bei größerem Winkel n<strong>im</strong>mt dieReflektivität ab, da die Röntgenstrahlen leichter in das Glas eindringen. Abbildung 3.6(links) zeigt das Ergebnis zweier Messungen. Aufgrund <strong>der</strong> geringen Statistik bei größerenWinkeln sind die Fehler in diesem Bereich relativ groß. Eine <strong>der</strong> beiden Oberflächenwurde mit einem herkömmlichen Mikrofaser-Tuch behandelt. Aus <strong>der</strong> Reflektivität inAbhängigkeit des Einfallswinkels wurden für die Rauheit die Werte¯σ vor= (1.5 ± 0.1)nm¯σ nach = (2.6 ± 0.1)nm (3.5)extrahiert [Sch]. Der Fit an die Daten wird, aufgrund <strong>der</strong> oben erwähnten geringen Statistikbei größeren Winkeln, bis etwa 0.6 ◦ durchgeführt. Die Rauheiten liegen rund 2 Größenordnungenunter <strong>der</strong> De-Broglie-Wellenlänge <strong>der</strong> ultrakalten <strong>Neutronen</strong>. Die <strong>Neutronen</strong>wechselwirken tatsächlich mit einer glatten Oberfläche. Jedoch hat sich die Rauheit<strong>der</strong> behandelten Oberfläche ¯σ nach etwas erhöht. Dies begründet den hohen Aufwand, diespiegelnden Flächen vor externen Einflüssen zu schützen.Das Welligkeitsprofil in Abbildung 3.6 (rechts) ist ein Maß dafür, wie gut die Oberflächedes Spiegels bei z = 0 definiert ist. Eine Variation in z-Richtung hätte eine Än<strong>der</strong>ung<strong>der</strong> Randbedingungen zur Folge. Auch hier sind die Ergebnisse innerhalb <strong>der</strong> gefor<strong>der</strong>tenToleranzen von ±0.5µm.Charakterisierung des Streuers Der Streuer besteht ebenfalls aus BK7-Glas, seineOberfläche hat allerdings eine höhere Rauheit von ¯σ > λ dB,UCN .


3.3 Das Gravitationssetup 3410.1BK7 vorherBK7 nachherFitFit10.80.6BK7 vorherBK7 nachherReflektivität [a.u.]0.010.0010.0001Profil [µm]0.40.20−0.2−0.41e−005−0.6−0.81e−0060.1 0.2 0.3 0.4 0.5 0.6 0.7 0.8 0.9 1Winkel [°]−10 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100x−Position [mm]Abbildung 3.6: Messungen zur Rauheit und Welligkeit des BK7-Spiegelsvor und nach <strong>der</strong> Behandlung mit dem Mikrofaser-Tuch.Um die Oberflächenstrukturen sichtbar zu machen eignet sich hier keine Röntgenstrahlung,da ihre Wellenlänge zu klein ist. Eine bereits erprobte Methode ist die Abtastung<strong>der</strong> Oberfläche mit einem Rasterkraftmikroskop o<strong>der</strong> einem mechanischen Tastkopf. EinHistogramm <strong>der</strong> Höhenverteilung <strong>der</strong> Spitzen und Vertiefungen eines Probestücks lieferte¯σ = (0.8 ± 0.1)µm (3.6)für die mittlere Rauheit. Sie wird definiert als die Standardabweichung <strong>der</strong> histogrammiertenDaten vom Mittelwert. Dieser Parameter ist entscheidend bei <strong>der</strong> physikalischenBeschreibung des Streuers. Die Streueffizienz ist direkt von ¯σ abhängig.Wirkung des Streuers Der Streuer oberhalb des <strong>Neutronen</strong>spiegels dient dazu, die Anzahl<strong>der</strong> möglichen Zustände einzuschränken. Ultrakalte <strong>Neutronen</strong> mit zu hoher Energieberühren die raue Oberfläche und erfahren dort keine Reflexion son<strong>der</strong>n diffuse Streuungda ¯σ größer als λ dB,UCN ist. So gelangen diese ultrakalten <strong>Neutronen</strong> nicht durchden Präparationsschlitz. Der Abstand l 1 von 40µm zwischen Spiegel und Streuer ist sogewählt, dass bei ausreichend hoher Zählrate von ≈ 30 ·10 −3 s −1 nur die untersten Quantenzuständeden Schlitz passieren können.Ein einfaches Modell für die Streuwahrscheinlichkeit [Wes07] kommt mit einem mikrophysikalischenParameter α(¯σ) aus, <strong>der</strong> ein Maß für die Streueffizienz darstellt und von¯σ abhängt.Die Verlustrate ist durch den Überlapp <strong>der</strong> Aufenthaltswahrscheinlichkeit des ultrakaltenNeutrons mit <strong>der</strong> rauen Oberfläche gegeben:Γ n (l 1 ) =∫ l1l 1 −2¯σα n · |ψ I n (z)|2 dz[ 1s]. (3.7)Es wird angenommen, dass α n unabhängig vom gestreuten Zustand ist, sodass α n = αgesetzt werden kann. Die Än<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Aufenthaltswahrscheinlichkeit pro Zeiteinheit ist


3.4 Der hochauflösende Spurdetektor 35in erster Ordnung proportional zur Aufenthaltswahrscheinlichkeit selbst und zur Verlustrate:was aufmitddt 〈ψI n |ψI n 〉 = −Γ n(l 1 ) 〈ψ I n |ψI n 〉 , (3.8)〈ψ I n |ψI n 〉 = |P n(l 1 ,x 1 ,v x )| 2 , P n (l 1 ,x 1 ,v x ) = e −1 2 Γn(l 1)x/v x(3.9)t = x v xführt, also eine exponentielle Dämpfung <strong>der</strong> Wahrscheinlichkeitsdichte. Der Parameterα ist ein Maß für die Streueffizienz <strong>der</strong> rauen Oberfläche und muss als freier Parameteraus einer Messung best<strong>im</strong>mt werden. In früheren Messungen ergab sich α = 3.4 · 10 4 1/s,jedoch war <strong>der</strong> Streuer aus einem an<strong>der</strong>en Material gefertigt und ist somit nicht direktvergleichbar.Wie in Kapitel 5 beschrieben wird, ist für die Messung des Quantum Bouncing Ball diegenaue Kenntnis von α erfreulicherweise nicht zwingend notwendig.3.4 Der hochauflösende SpurdetektorUm die charakteristische Interferenzstruktur <strong>der</strong> Aufenthaltswahrscheinlichkeit |φ II (z)| 2<strong>der</strong> ultrakalten <strong>Neutronen</strong> detektieren zu können, ist eine extrem hohe Ortsauflösungvon ≈ 2µm nötig. In <strong>der</strong> vergangenen Exper<strong>im</strong>entierzeit stand kein Online-Dektektormit diesen Anfor<strong>der</strong>ungen zur Verfügung. Die Methode, die auch schon in vorangegangenenExper<strong>im</strong>enten [Rue00, Nah04, Kra06] zum Einsatz kam, wird <strong>im</strong> Folgenden näherBeschrieben.12cmyzxUCNs1.5cmAbbildung 3.7: Ansicht von vorn auf den Spurdetektor. Der gelbe Streifensymbolisiert den durch ultrakalte <strong>Neutronen</strong> exponiertenBereich.3.4.1 DetektionAuf die Physik des <strong>Neutronen</strong>einfangs durch Bor wird in Abschnitt 4.2.2 näher eingegangen.Es genügt an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass Bor einen sehr hohen Wirkungsquerschnittfür den Einfang <strong>ultrakalter</strong> <strong>Neutronen</strong> aufweist und in einer anschließendenKernreaktion einen α- und Lithiumkern freisetzt.


3.4 Der hochauflösende Spurdetektor 36Die Detektion <strong>der</strong> <strong>Neutronen</strong> ist <strong>im</strong> Wesentlichen ein dreistufiger Prozess.• Eine 200nm dicke Borschicht wirkt als <strong>Neutronen</strong>konverter, die auf ein Polymer-Träger (CR39-Plastik) 3 <strong>der</strong> Dicke 1.5mm aufgedampft wurde. Nach <strong>der</strong> Kernreaktiontritt eines <strong>der</strong> beiden Spaltprodukte (Li,α) in das Polymer ein und hinterlässtdort Defekte in <strong>der</strong> Molekülstruktur. Die Exposition eines Spurdetektors entsprichtdabei einer Messung bei fester x-Position.• Nach <strong>der</strong> Exposition des Spurdetektors können mithilfe von 25-prozentiger NatronlaugeNaOH aq die mikroskopischen Defekte durch einen Ätzprozess aufgeweitetwerden, sodass sie unter einem optischen Mikroskop als Spuren sichtbar werden.Der gesamte Prozess muss in einem sehr temperaturstabilen Heizbad (±0.1K) ablaufen,da die Ätzgeschwindigkeit, mit <strong>der</strong> das Polymer abgetragen wird, stark von<strong>der</strong> Temperatur T abhängt. In Tabelle 3.1 sind die Ätzgeschwindigkeiten v b für dreiverschiedene Temperaturen angegeben.• Die aufgeweiteten Spuren können nun mit einem optischen Mikroskop ausgelesenwerden. Über die gesamte Länge des exponierten Bereichs von rund 10cm wird ineinem automatisierten Verfahren eine Bil<strong>der</strong>serie in y-Richtung aufgenommen. Insgesamtwurden 393 Bil<strong>der</strong> aufgezeichnet, wobei ein Bildausschnitt (211 × 282)µm 2entspricht. Auf diese Weise erhält man den exponierten Bereich des Detektors alsschmales Band aus Spuren.Ein Detektionsalgorithmus erkennt die runden bis ovalförmigen Spuren und speichertanhand des Schwerpunkts <strong>der</strong> Grauwertverteilung <strong>der</strong>en (y,z)-Position. UmFehldetektionen auf ein Min<strong>im</strong>um zu reduzieren, war eine Sichtkontrolle jedes einzelnenBildes nötig. In Zukunft sollen aber verbesserte Auschlusskriterien für falscheSpuren die sehr mühsame manuelle Sichtkontrolle überflüssig machen.Tabelle 3.1: Ätzgeschwindigkeiten v b von CR39 [Nah04].Temperatur[ ◦ C]v b [µm/h]40 0.100 ± 0.00270 1.20 ± 0.0280 4.20 ± 0.213.4.2 TestmessungenUm die Ätzparameter zu opt<strong>im</strong>ieren wurden Testmessungen durchgeführt. Dabei sindfolgende Punkte zu beachten:• Die Ätztemperatur sollte nicht zu hoch sein, um Biegungen und thermische Ausdehnungdes Polymers zu vermeiden, denn dies beeinflusst die Ortsauflösung desDetektors. Es wurde eine Ätztemperatur von 42 ◦ C verwendet.3 CR39 ist ein Kunstoff, <strong>der</strong> auch zur Herstellung von Brillengläsern eingesetzt wird. In <strong>der</strong> Kernphysikdient er als Festkörperdetektor, um vor allem α-Strahlung nachzuweisen.


3.4 Der hochauflösende Spurdetektor 37• Die Aufweitung <strong>der</strong> Spuren durch die Einwirkung <strong>der</strong> Natronlauge sollte nicht zugering sein, um eine Trennung zwischen tatsächlichen Spuren und Defekten <strong>im</strong>Polymer für eine automatische Detektion mit dem Mikroskop zu ermöglichen. Alsguter Wert stellte sich eine Ätzzeit von 6h heraus. Mit Tabelle 3.1 ergibt sichd b = v b · 6h = 0.6µm (3.10)für die Dicke d b <strong>der</strong> abgeätzten Schicht von <strong>der</strong> Oberfläche. Gleichzeitig wurde <strong>der</strong>Durchmesser D <strong>der</strong> Spuren dabei auf ≈ 1.5µm geweitet. Die Ätzgeschwindigkeitfür die Oberfläche des Polymers v b und für die Spuren v tr ist also unterschiedlich.Genaueres zu diesem Thema findet sich auch in [Nah04].• Die tatsächlichen Spuren <strong>im</strong> Polymer sollten gut von an<strong>der</strong>en Defekten und Schmutzunterscheidbar sein, jedoch verringert eine zu starke Vergrößerung <strong>der</strong> Spuren dieOrtsauflösung des Detektors.In den Testmessungen wurde <strong>der</strong> Zusammenhang zwischen dem mittleren Durchmesser D<strong>der</strong> Spuren und <strong>der</strong> Ätzzeit t untersucht. Ein zumindest phenomänologischer Zusammenhangzwischen D und t kann für spätere Messungen die Wahl <strong>der</strong> Parameter erleichternund es kann <strong>im</strong> Vorfeld abgeschätzt werden, welche Spurdurchmesser nach einer gewissenÄtzzeit zu erwarten sind.Zu diesem Zweck wurden mehrere Detektoren am UCN-Strahlplatz des ILL mit <strong>Neutronen</strong>belichtet. Zwei dieser Detektoren („TM5“,“TI12“) wurden anschließend stufenweise in25-prozentiger Natronlauge behandelt und jeweils ein Bildausschnitt (5 × 5 Bil<strong>der</strong>) je<strong>der</strong>Ätzstufe aufgezeichnet.In Abbildung 3.8 sind exemplarisch vier Ätzstufen für den Detektor „TM5“ abgebildet.Es ist <strong>im</strong>mer <strong>der</strong> selbe Bildausschnitt zu sehen.Die Ergebnisse <strong>der</strong> Messungen zeigt Abbildung 3.9. Die Durchmesser mehrerer Spurenwurde nach den Ätzstufen {3,4,5,6,9,12}h unter dem Mikroskop vermessen undanschließend über die Einzelergebnisse gemittelt. In erster Näherung kann ein linearerZusammenhang Im untersuchten Bereich zwischen t = 3h und t = 12hD(t) = v tr · t[h] + b, (3.11)Parameterv trbFit-Ergebnis0.25 ± 0.01µm/h0.028 ± 0.008µmzwischen dem Durchmesser <strong>der</strong> Spuren und <strong>der</strong> Ätzzeit angenommen werden. Bei einerÄtzzeit von 6h ergibt sich somit ein Durchmesser vonD = 1.53µm (3.12)<strong>der</strong> zu detektierenden Spuren. Dies stellt einen sinnvollen Kompromiss zwischen Reduktion<strong>der</strong> Orstauflösung und <strong>der</strong> korrekten Identifikation <strong>der</strong> Spuren durch die automatischeAuslese des Mikroskops dar. Die Spuren haben dann eine Form, wie sie <strong>im</strong> rechten, oberenBildausschnitt <strong>der</strong> Abbildung 3.8 zu sehen ist.


3.4 Der hochauflösende Spurdetektor 38Abbildung 3.8: Bildausschnitt <strong>der</strong> stufenweise geätzten Spuren des Detektors„TM5“. Die Zunahme des mittleren Durchmessers<strong>der</strong> Spuren ist deutlich zu erkennen.


3.4 Der hochauflösende Spurdetektor 3943.5DatenFit32.5D [µm]21.510.500 2 4 6 8 10 12 14Ätzzeit t [h]Abbildung 3.9: Zusammenhang zwischen radialer Ausdehnung D <strong>der</strong>Spuren und <strong>der</strong> Ätzzeit t.3.4.3 OrtsauflösungEntscheidend für die Rekonstruktion <strong>der</strong> Aufenthaltswahrscheinlichkeit <strong>der</strong> <strong>Neutronen</strong>ist eine extrem hohe Ortsauflösung des Spurdetektors. Diese ist vor allem durch zweiEffekte best<strong>im</strong>mt:• Wie oben beschrieben haben die detektierten Spuren eine endliche Ausdehnung.Eine konservative Annahme für die Unsicherheit in <strong>der</strong> Positionsbest<strong>im</strong>mung ist<strong>der</strong> halbe Durchmesser σ trace = D/2 = 0.77µm <strong>der</strong> Spuren.• Einen weiteren Beitrag erhält man durch die Tatsache, dass die Kernreaktion unddie detektierte Spur nicht notwendigerweiße am selben Ort zu finden sind.Der zweite Punkt ist vor allem von <strong>der</strong> Dicke <strong>der</strong> abgeätzten Schicht abhängig. DerAktzeptanzwinkel θ c , unter dem Spuren <strong>im</strong> Polymer noch nachgewiesen werden können,beträgt für CR39 70 ◦ . Dies ist in Abbildung 3.10 illustriert.Die Auflösung ist durchσ = r tan θ = (d K + d b )tan θ (3.13)gegeben, wobei man d b = 0.6µm aus Gleichung (3.10) erhält und d K <strong>der</strong> Ort <strong>der</strong> Kernreaktionist. Bei einer 200nm dicken Borschicht ist <strong>der</strong> Erwartungswert für den Reaktionsort∫ 200nm0x · ǫ tot (x)dx¯d K = 0.2µm − ∫ 200nm= 0.2µm − 0.13µm = 0.07µm (3.14)0ǫ tot (x)dxDie Winkelabhängigkeit <strong>der</strong> Nachweiswahrscheinlichkeit aufgrund von Projektionsfehlernwird in erster Näherung vernachlässigt. So ergibt sich für die geometrische Ortsauflösungσ geo = ( ¯d K + d b )tan θ c = 1.84µm . (3.15)


3.5 Die Neigungskontrolle 40Abbildung 3.10: Zur Ortsauflösung des Detektors. Für eine bessere Übersichtsind die Abstände verzerrt dargestellt.Beide größen σ trace und σ geo werden als unabhängig angenommen. Für die gesamte Ortsauflösungerhält man schließlich√σ ges := σgeo 2 + σ2 trace = √ (1.84µm) 2 + (0.77µm) 2 = 2.0µm . (3.16)3.5 Die NeigungskontrolleEin weiteres Projekt dieser Diplomarbeit war es, eine Kontrollsteuerung weiterzuentwickeln,die als Steuerkreislauf dafür sorgt, dass über lange Messzeiten von mehreren Tagendas gesamte Exper<strong>im</strong>ent auf einer ebenen Position gehalten wird. Die gefor<strong>der</strong>te Präzisionvon höchstens 5µRad Winkelschwankungen über die Ausdehnung des gesamten Aufbauskonnte dabei erreicht und sogar deutlich unterschritten werden.3.5.1 RegelprinzipDie Neigung des gesamten Aufbaus wird über hochpräzise Winkelmesser registriert, dieeine Auflösung von 0.1µRad und eine Wie<strong>der</strong>holbarkeit von 1.0µRad aufweisen. DasMessprinzip ist dem einer Wasserwage ähnlich. Ein flüssiges Dielektrikum in einem Kondensatorän<strong>der</strong>t bei geringfügiger Neigung die Kapazität. Über ein hochfrequentes Signalwird diese Än<strong>der</strong>ung gemessen und als Gleichspannungssignal <strong>im</strong> Bereich von ±8V ausgegeben.Durch einen integrierten Temperatursensor wird auf etwaige Temperaturschwankungenintern korrigiert. Je<strong>der</strong> dieser Winkelmesser hat 2 Kanäle, die die orthogonalenAchsen in x- und y-Richtung repräsentieren.Eine schematische Skizze des gesamten Regelkreises ist in Abbildung 3.11 zu sehen.Über eine Logic Box, die in Zusammenarbeit mit <strong>der</strong> Elektronikwerkstatt des PhysikalischenInstituts entwickelt wurde, werden die Signale an den Messrechner weitergegeben


3.5 Die Neigungskontrolle 41Abbildung 3.11: Skizze des Regelkreises.beziehungsweise Signale ausgegeben.Das Gleichspannungssignal <strong>der</strong> Winkelmesser wird von einem ADC digitalisiert und vomSteuerprogramm weiter verarbeitet. Nach dem Prinzip einer PID-Regelung (P = proportional,I = integral, D = differentiell) wird die Abweichung von einem vorgegebenenSollwert ermittelt und ein Regelwert berechnet.Dieser Wert <strong>im</strong> Bereich von ±6V wird dann über einen DAC auf die Verstärkereinheit<strong>der</strong> Piezoaktoren geben und in ein Hochspannungssignal ±600V gewandelt.Die drei Piezoaktoren können den Neigungswinkel des gesamten Aufbaus entsprechenddem Regelwert verän<strong>der</strong>n, <strong>der</strong> dynamische Winkelbereich ist dabei ±100µRad. Alleindas vorsichtige Bewegen nahe dem Exper<strong>im</strong>ent bewirkte Schwankungen um 70µRad, dieExper<strong>im</strong>entierplattform durfte also während <strong>der</strong> Messzeit nicht betreten werden.Die typische Zeitskala des Regelkreises ist etwa 1s. Aufgrund <strong>der</strong> großen Masse des Systemsist eine Regelzeit weit unter 1s nicht sinnvoll. Bedingt durch den Aufbau kann esaußerdem zu einer Kopplung <strong>der</strong> Regelung mit <strong>der</strong> Vibrationsdämpfung kommen, <strong>der</strong>enZeitskala einige Millisekunden beträgt.3.5.2 Kalibrierung <strong>der</strong> WinkelmesserUm eine präzise Regelung <strong>im</strong> µRad-Bereich zu gewährleisten, ist eine genaue Kenntnis desAnsprechverhaltens <strong>der</strong> Winkelmesser nötig. Im Idealfall gehorcht das Ansprechverhalteneiner linearen Funktion des Neigungswinkels α[ ] mVU(α) = k · α . (3.17)µRad


3.5 Die Neigungskontrolle 42Insgesamt standen drei Winkelmesser zur Verfügung, wovon <strong>im</strong> Exper<strong>im</strong>ent einer eingesetztwurde.Spannung [mV]1000080006000400020000−2000−4000x−Kanal Winkelmesser Nr.2y−Kanal Winkelmesser Nr.2Spannung [mV]25002000150010005000−500−1000−1500x−KanalSinus−Fity−KanalSinus−Fitx offsety offset−6000−2000−8000−1000−800−600−400−200 0 200 400 600 8001000Neigung z [µm]−25000 1 2 3 4 5 6 7 8 9Drehwinkel [Rad]Abbildung 3.12: Messungen zur Linearität und Nulllage des WinkelmessersNr.2.Die Linearität wurde mit einem Verschiebetisch geprüft, <strong>der</strong> in vertikaler Richtung miteiner Mikrometerschraube gekippt werden konnte. Parallel wurden die Spannungswerte<strong>der</strong> Winkelmesser ausgelesen. Abbildung 3.12 (links) zeigt exemplarisch die Linearitäteines Winkelmessers, die Angaben <strong>der</strong> Herstellerfirma konnten bestätigt werden.Der Offset wurde als Mittelwert aus mehreren, unabhängigen Messungen best<strong>im</strong>mt. Wiein Abbildung 3.12 (rechts) zu sehen ist, wurde bei dieser Messung ein Winkelmesser auf<strong>der</strong> sehr ebenen Oberfläche <strong>der</strong> Granitplatte in 10 ◦ -Schritten um seinen eigene Achsegedreht. Der Drehwinkel sollte dabei mindestens 1 Periode, also 2π, überstreichen.Die Amplitude <strong>der</strong> Sinuskurve zeigt die Neigung des Winkelmessers während <strong>der</strong> Drehung.Die Verschiebung <strong>der</strong> Nullline <strong>der</strong> Kurve ergibt den Offset, also den gemessenenSpannungswert, <strong>der</strong> <strong>der</strong> absoluten Nulllage des Winkelmessers entspricht. Bei <strong>der</strong> Umrechnung<strong>der</strong> gemessenen Spannungen in µRad muss dieser Wert als Offset berücksichtigtwerden.Mit <strong>der</strong> Fit-Funktiong(γ) = c · sin(γ − q) + b (3.18)konnten die Parameter {c,q,b} best<strong>im</strong>mt werden. Von Bedeutung ist <strong>der</strong> Offset-Parameterb. Die Fit-Ergebnisse für b aller Winkelmesser sind in Tabelle 3.2 zusammengestellt.Die Best<strong>im</strong>mung des Parameters b gestaltete sich als schwierig, da bedingt durch den Unterbauund <strong>der</strong> Gebäudeschwankungen <strong>im</strong> Physikalischen Institut systematische Effekteauftraten. Unter diesen Bedingungen konnte eine Genauigkeit von ≈ 10µRad erreichtwerden.Für die Schwankungen um eine vorgegebene, relative Nulllage ist <strong>der</strong> Offset unerheblich.Bezogen auf die absolute Nulllage <strong>der</strong> Granitplatte tritt jedoch eine Verkippung <strong>im</strong>Rahmen <strong>der</strong> Genauigkeit des Offset-Wertes auf.


3.5 Die Neigungskontrolle 43Tabelle 3.2: Gemittelte Offset-Werte <strong>der</strong> Winkelmesser von mehreren unabhängigenMessungen.Winkelmesser 1 Winkelmesser 2 Winkelmesser 3x-Kanal [mV ] 136.03 685.88 137.59y-Kanal [mV ] -2424.63 -619.52 -648.23Um systematische Effekte des Exper<strong>im</strong>ents weiter zu verringern, sollten die Kalibrationsmessungenin einer stabileren Umgebung noch einmal durchgeführt werden.3.5.3 Das Labview FrontendEin Labview Frontend bietet die Möglichkeit, alle nötigen Einstellungen zur Steuerungvorzunehmen. Wichtige Parameter wie• Sampling-Rate• Anzahl <strong>der</strong> ausgelesenen Samples• Relative Anteile des P-, I- und D-Teils <strong>der</strong> Regelung• Kalibrationsdaten <strong>der</strong> Winkelmesserkönnen festgelegt werden.Die Sampling-Rate und die Anzahl <strong>der</strong> ausgelsenen Samples definieren <strong>im</strong> Wesentlichendie Zeitskala des Regelkreises. Eine hohe Anzahl an ausgelesenen Samples reduziert dabeidas elektronische Rauschen <strong>der</strong> Ausleseelektronik, <strong>im</strong> Gegenzug muss die Sampling-Rateerhöht werden. Für die Regelzeit gilt1Sampling-Rate[s −1 · Anzahl <strong>der</strong> ausgelesenen Samples , (3.19)]wobei Verzögerungen innerhalb <strong>der</strong> Elektronik und des Programms vernachlässigt werden.Das Produkt aus Gleichung (3.19) sollte etwa 1s ergeben. Als Kombination wurdeeine Sampling-Rate von 50Hz mit 50 ausgelesen Samples gewählt.Bezüglich <strong>der</strong> relativen Regelanteile hat sich in verschiedenen Tests gezeigt, dass Konfigurationenmit {P = 90..95%,I = 10..5%,D = 0%} ein guter Kompromiss zwischenStabilität und Trägheit des Systems darstellt. Selbst bei geringen Werten für den Differentialteilzeigte das System ein sehr instabiles Verhalten. Auch bei ruhiger Umgebunggerieten die Piezoaktoren nach wenigen Regelzyklen aus dem dynamischen Bereich.Die Masse und damit die Trägheit des Systems ist zu hoch, um auf die schnellen Än<strong>der</strong>ungen,die durch den Differentialteil auftreten, entsprechend reagieren zu können.Der geringe Integralteil gewährleistet, dass periodische Schwankungen, die über einen längerenZeitraum auftreten, herausgemittelt werden. Dies kann <strong>der</strong> Proportionalteil nichtleisten, er korrigiert lediglich die momentane Abweichungen zwischen Soll- und Istwert.


3.5 Die Neigungskontrolle 44Zusätzlich bietet das Programm die Möglichkeit, den Zustand des Systems <strong>im</strong> Betriebzu beobachten. Wichtig ist die Winkelabweichung in <strong>der</strong> x- und y-Richtung sowie diemomentane Höhenposition <strong>der</strong> Piezoaktoren. Diese dürfen nicht über den dynamischenBereich gelangen, da sonst keine Regelung mehr möglich ist.Um einen Eindruck von <strong>der</strong> Labview-Steuerung zu geben, zeigt die folgende Seite dasFrontend sowie einen Ausschnitt des Blockdiagramms.


3.5 Die Neigungskontrolle 45


3.5 Die Neigungskontrolle 46100x−Kanal100y−KanalWinkelabweichung [µRad]500−50500−50−100−10005/0900:0006/0900:0007/0900:0008/0900:0009/0900:0010/0900:0011/0900:0012/0900:0013/0900:0005/0900:0006/0900:0007/0900:0008/0900:0009/0900:0010/0900:0011/0900:00Winkelabweichung [µRad]12/0900:0013/0900:0030002500Daten−SampleGauss−Fit (σ = 0.45 µRad)30002500Daten−SampleGauss−Fit (σ = 0.50 µRad)20002000Anzahl1500Anzahl1500100010005005000−4 −3 −2 −1 0 1 2 3 4Winkelabweichung [µRad]0−4 −3 −2 −1 0 1 2 3 4Winkelabweichung [µRad]Abbildung 3.13: Winkelabweichungen in x- und y-Richtung über eineMesszeit von mehreren Tagen.3.5.4 Die Neigungskontrolle <strong>im</strong> BetriebAuf <strong>der</strong> Plattform des Strahlplatzes PF2/ UCN zeigte die Neigungskontrolle während denMesszeiten ein sehr stabiles Verhalten. Die Winkelabweichungen in x- und y-Richtungüber eine Zeitspanne von mehreren Tagen sind in Abbildung 3.13 zusammengestellt.Die Halbwertsbreite <strong>der</strong> gefitteten Gausskurven liegen bei beiden Achsen weit unterhalb<strong>der</strong> gefor<strong>der</strong>ten 5µRad Abweichung. Insgesamt ergibt sich eine mittlere Winkelabweichungvon¯σ =√σ 2 x + σ 2 y = √ 0.50 2 + 0.45 2 = 0.67µRad . (3.20)Auch größere externe Störungen, wie <strong>der</strong> Betrieb des Reaktorkrans, wurden nach einigenSekunden ausgeglichen und das System stabilisierte sich wie<strong>der</strong>. Diese kurzen Schwankungenentsprechen rund 0.01% <strong>der</strong> gesamten Messzeit und sind somit varnachlässigbar.


3.6 Die Vibrationsdämpfung 47100am Rand <strong>der</strong> UCN−Plattforminnerer Bereich <strong>der</strong> UCN−Plattformauf <strong>der</strong> Treppe zur UCN−Plattformauf <strong>der</strong> Granitplatte, Vibrationsdämpfung anrms Beschleunigung [mm/s 2 ]1010.10.010 200 400 600 800 1000Frequenz [Hz]Abbildung 3.14: Vibrationen an verschiedenen Punkten gemessen.3.6 Die VibrationsdämpfungÄhnlich einem elektronischen Übergang <strong>im</strong> Atom, <strong>der</strong> durch Photonen induziert werdenkann, können Vibrationen Übergänge zwischen den quantisierten Niveaus <strong>im</strong> Gravitationspotenitalinduzieren. Durch Einwirkung äußerer Kräfte wird Energie in das Systemeingebracht. Wenn∆E = h(ν n − ν m ) = E V ib (3.21)erfüllt ist, kann ein ultrakaltes Neutron vom Zustand m in den Zustand n gelangen. Dadie Energieabstände <strong>der</strong> quantisierten Zustände (Tabelle 2.3) typischerweise einige peVbesitzen, führt dies auf∆E = h(ν n − ν m ) = h∆ν ≈ 1peV ⇒ ∆ν ≈ 240Hz . (3.22)Vibrationen in diesem Frequenzbereich müssen auf ein Min<strong>im</strong>um reduziert werden. Hierfürkam ein passives sowie aktives Dämpfungssystem zum Einsatz.Abbildung 3.14 zeigt die Ergebnisse verschiedener Vibrationsmessungen unter realistischenExper<strong>im</strong>entierbedingungen.Man erkennt, dass über einen weiten Bereich die Vibrationen um den Faktor ≈ 40 gedämpftwerden.Es stellt sich die Frage nach <strong>der</strong> kritischen Grenze, unter <strong>der</strong> die Vibrationen liegensollten. Ein mögliches Maß für die Vibrationen ist das quadratische Mittel (rms) <strong>der</strong> Beschleunigunga(ν) über den gemessenen Frequenzbereich. Aber auch v rms (ν) o<strong>der</strong> x rms (ν)sind geeignet. Unter <strong>der</strong> Annahme von harmonischen Schwingungen können die Größenmita rms = v rms · ω = x rms · ω 2ω = 2π ν (3.23)


3.6 Die Vibrationsdämpfung 48ineinan<strong>der</strong> umgerechnet werden. Für die mittlere mechanische Leistung, die durch dieVibrationen des unteren <strong>Neutronen</strong>spiegels auf ein Neutron wirken kann, gilt¯P = ¯F · ¯v = mā(ν) · ¯v(ν) , (3.24)ā(ν) und ¯v(ν) müssen aus den spektralen Größen∫ ν2ν∫ 1ν2ν 1da rmsdν = ā(ν)dνdv rmsdν dν = ∫ ν2ν 112πνda rmsdν = ¯v(ν) (3.25)dνgewonnen werden, also aus <strong>der</strong> Integration <strong>der</strong> gemessenen Spektren. Für eine Abschätzungsoll ein homogenes Spektrum vonda rmsdν= 0.0005 m s 2 s = 0.5mm s 2 s (3.26)angenommen werden. Der Frequenzbereich reicht von 50Hz bis 2000Hz. Die Integrationkann analytisch ausgeführt werden und ergibtā(ν) = 0.975 m s 2¯v(ν) = 0.0018 m s , (3.27)was zu einer mittleren Leistung von¯P = 1.67 · 10 −27 kg · 0.975 m s 2 · 0.0018m s = 1.88 · 10−11eV s(3.28)führt. Bei einer ungefähren Flugdauer <strong>der</strong> <strong>Neutronen</strong> durch das Gravitationssetup vonx/v x = 0.2m6.5m/s= 30ms ergibt sich eine EnergieE V ib = ¯P · 30ms = 0.56peV ∼ = ∆E . (3.29)Dieser Wert wäre also nicht mehr tolerierbar. Ein Vergleich mit Abbildung 3.14 zeigt,dass die Dämpfung rms-Beschleunigungen <strong>im</strong> Bereich von 0.04 mm s liefert. Die Energies 2E V ib hängt quadratisch von a rms ab, was zu einer Dämpfung <strong>der</strong> Energie von( 0.04mm )s 2s 20.5 mm · 0.56peV ≈ 1 · 0.56peV = 0.0037peV (3.30)s150s 2führt! Wenn die Vibrationsdämpfung in Betrieb ist, sind die systematischen Effekte durchVibrationen zu vernachlässigen. Für eine genauere Analyse muss zusätzlich eine quantenmechanischeBetrachtung herangezogen werden, da bei den Frequenzen (ν n − ν m )resonante Übergänge stattfinden können [FGR96, HFG + 98].


3.7 Messung des Magnetfeldes 493.7 Messung des MagnetfeldesUm das innere des Exper<strong>im</strong>ents gegen statische Fel<strong>der</strong> zu schützen, wurde eine µ-Metallabschirmungaus 1mm dicken Blechen in <strong>der</strong> mechanischen Werkstatt des PhysikalischenInstituts konstruiert. Anschließend wurden die Bleche in einem mit Stickstoff befülltenOfen 4 bei etwa 1000 ◦ C ausgeglüht, um Magnetisierungen durch den Bearbeitungsprozess<strong>der</strong> Bleche wie<strong>der</strong> rückgängig zu machen. Der Stickstoff verhin<strong>der</strong>t die Oxidation des µ-Metalls während des Ausglühens.Mithilfe von einigen Schraubklemmen wurden die Bleche zu einem 1.50m langen, rechteckigenGehäuse mit offenen Enden aufgebaut wurden. Wichtig ist, dass keine Spaltezwischen den einzelnen Blechen auftreten, da an diesen Stellen Feldlinien in das inneredes Gehäuses gelangen können. Die offenen Enden sind unkritisch, da <strong>der</strong> Einfallswinkeldes Erdmagnetfeldes etwa 40 ◦ beträgt.Magnetfeld [µT]1.5 20.5 1−0.5 0−1−1.5−2024y−Richtung [cm]6810 0x−Richtung [cm]24681012141618Abbildung 3.15: Magnetfeldstärke direkt über den <strong>Neutronen</strong>spiegelndes Gravitationssetups.Die Fel<strong>der</strong> <strong>im</strong> Bereich des Gravitationssetups wurden mit einer Förster-Sonde ausgemessen.Dazu wurde <strong>der</strong> Messkopf durch den Pumpstutzen <strong>der</strong> Vakuumkammer geführt undauf einem langen Stab befestigt. In Schritten von 0.5cm wurde entlang <strong>der</strong> x-Richtungdirekt über den <strong>Neutronen</strong>spiegeln das Magnetfeld gemessen. Dies wurde an drei verschiedeneny-Positionen wie<strong>der</strong>holt, um auch die Feldgradienten in dieser Richtung sichtbarzu machen. Das Ergebnis <strong>der</strong> Messung ist in Abbildung 3.15 dargestellt. Die Flugrichtung<strong>der</strong> ultrakalten <strong>Neutronen</strong> läuft in <strong>der</strong> Abbildung entlang <strong>der</strong> x-Richtung, von vornnach hinten. Die Abschirmung reduziert das Magnetfeld <strong>im</strong> inneren auf etwa 1µT, waseiner Energie von 0.06peV entspricht und gegenüber den Energien <strong>der</strong> Quantenzuständevernachlässigbar ist. Die Feldstärke wurde sowohl in horizontaler als auch in vertikalerRichtung gemessen. In beiden Fällen ergab sich <strong>im</strong> wesentlichen das gleiche Bild.4 Das magnetische Schlussglühen wurde von <strong>der</strong> Firma Bodycote Wärmebehandlung GmbH aus Esslingenausgeführt.


3.7 Messung des Magnetfeldes 50Im geöffneten Zustand, also ohne den Deckel <strong>der</strong> Abschirmung, stieg die Feldstärke in<strong>der</strong> Vakuumkammer auf 165µT an. Dieser Wert wäre nicht mehr tolerierbar.Die etwas stärkeren Feldgradienten <strong>im</strong> hinteren Bereich werden möglicherweise durcheine geringe Magnetisierung <strong>der</strong> Fühlerlehrenbän<strong>der</strong> und <strong>der</strong> Metallgewinde, die in dieGranitplatte eingelassen sind, verursacht. Fühlerlehrenbän<strong>der</strong> aus Messing sowie einebereits vorhandene neue Granitplatte ohne Gewindeeinsätze sollten an dieser Stelle zueiner weiteren Verringerung <strong>der</strong> Feldgradienten führen.


Kapitel 4Entwicklung eines Zählrohrs fürultrakalte <strong>Neutronen</strong>Im Rahmen dieser Arbeit wurden verschiedene Designs eines Detektors entwickelt undgetestet, <strong>der</strong> für den Nachweis von ultrakalten <strong>Neutronen</strong> mit einer Geschwindigkeitzwischen 5m/s und 7m/s opt<strong>im</strong>iert ist. Dieses Kapitel widmet sich <strong>der</strong> detailliertenBeschreibung des Aufbaus und <strong>der</strong> Charakterisierung. Testmessungen wurden auch in <strong>der</strong>Exper<strong>im</strong>entierzeit 1463 am TEST-Strahlplatz des ILL durchgeführt. Auch hier stehenultrakalte <strong>Neutronen</strong> zur Verfügung, diese haben aber <strong>im</strong> Vergleich zum UCN-Strahlplatzeine etwas höhere mittlere Geschwindigkeit von 11m/s.Aufgrund <strong>der</strong> <strong>im</strong> Gravitationsexper<strong>im</strong>ent zu erwartenenden niedrigen Zählraten von ≈30 ·10 −3 s −1 war es das Ziel, eine möglichst hohe Nachweiseffizienz bei möglichst geringerUntergrundrate zu erzielen.Im eigentlichen Exper<strong>im</strong>ent zur Messung des Quantum Bouncing Ball konnte <strong>der</strong> Detektorzu verschiedenen Kalibrationsmessungen eingesetzt werden, bei denen lediglich dieTransmission <strong>der</strong> ultrakalten <strong>Neutronen</strong> gemessen werden musste. Ein Beispiel hierfür istdie Messung des Geschwindigkeitspektrums, wie es in Abschnitt 3.2.2 beschrieben wurde.4.1 Das DetektionsprinzipTeilchendetektion basiert darauf, dass die nachzuweisenden Teilchen mit dem Nachweismediumin elektromagnetische Wechselwirkung treten. Aufgrund <strong>der</strong> Neutralität <strong>der</strong> <strong>Neutronen</strong>müssen diese also zunächst in geladene ionisierende Teilchen konvertiert werden.Hier dient isotopenreines 10 Bor als <strong>Neutronen</strong>konverter. In einer Kernreaktion entstehenein Lithium- und ein α-Kern, die elektromagnetisch wechselwirken und detektiert werdenkönnen.Der Wirkungsquerschnitt für den <strong>Neutronen</strong>einfang durch 10 Bor zeigt über einen weitenGeschwindigkeitsbereich ein ∝ 1/v-Verhalten,was anschaulich durch die Aufenthaltsdauert ∝ 1/v in <strong>der</strong> Nähe des Borkerns erklärt werden kann.Für thermische <strong>Neutronen</strong> mit v 0 = 2200 m sist <strong>der</strong> Wirkungsquerschnitt bekannt undbeträgt σ 0 = 3840b (1b = 1 · 10 −24 cm 2 ), allgemein giltσ(v) = σ 0 · v0v , (4.1)was für die ultrakalten <strong>Neutronen</strong> <strong>im</strong> Gravitationsexper<strong>im</strong>entmit einer Geschwindigkeitvon v ≈ 6.5m/s einem sehr großen Wirkungsquerschnitt vonσ(6.5m/s) = 1.30Mb (4.2)51


4.2 Charakterisierung des Detektors 52entspricht. Be<strong>im</strong> <strong>Neutronen</strong>einfang treten die beiden Reaktionszweige(I) n + 10 B → 7 Li ∗ + α → 7 Li + α + γ (0.48MeV ) + 2.31MeV 94%(II) n + 10 B → 7 Li + α + (2.79MeV ) 6% (4.3)auf. Die Lebensdauer des angeregten Lithiumkerns ist sehr kurz (τ ≈ 1 · 10 −13 s) und<strong>der</strong> Impuls des Photons ist gegenüber denen <strong>der</strong> Spaltprodukte vernachlässigbar, ebensowie die Anfangsgeschwindigkeit <strong>der</strong> Borkerne aufgrund ihrer thermischen Bewegung, <strong>der</strong>Bornkern zerfällt demnach in Ruhe. Der Lithium- und <strong>der</strong> α-Kern werden aufgrund <strong>der</strong>Impulserhaltung in entgegengesetzte Richtungen emittiert, die Emission erfolgt isotropin alle Raumrichtungen.Die Spaltprodukte dringen in das Nachweisvolumen ein und ionisieren dort das Zählgas.In dem hier vorgestellten Detektor wurde Argon und Kohlenstoffdioxid in einem Mischungsverhältnis90:10 verwendet. Die durch Ionisation des Argons freigesetzten Elektronenwerden über einen Zähldraht als Ladungspuls registriert.Abbildung 4.1 ist eine schematische Darstellung <strong>der</strong> Detektion <strong>der</strong> ultrakalten <strong>Neutronen</strong>.Insgesamt ist das Detektorkonzept dem eines Geiger-Müller-Zählrohrs sehr ähnlich.Abbildung 4.1: Schematische Ansicht <strong>der</strong> <strong>Neutronen</strong>detektion. Die Absorptionfindet in <strong>der</strong> substratverstärkten Borschichtstatt, eines <strong>der</strong> Reaktionsprodukte dringt anschließendin den Bereich des Nachweisvolumens ein und ionisiertdas Zählgas.4.2 Charakterisierung des DetektorsDer hier vorgestellte Detektor vereint das Prinzip eines Festkörperdetektors mit dem einesGaszählers. Dies hat, wie unter Abschnitt 4.2.2 beschrieben wird, den Vorteil, dass die


4.2 Charakterisierung des Detektors 53Abbildung 4.2: Frontansicht des Detektors. Das Eintrittsfenster in <strong>der</strong>Mitte <strong>der</strong> Frontplatte hat die Maße (11 × 0.4)cm 2 . DieB 4 C - Abschirmung <strong>der</strong> Vor<strong>der</strong>seite ist in diesem Bildabgenommen.Nachweiseffizienz opt<strong>im</strong>al auf den zu detektierenden Geschwindigkeitsbereich <strong>der</strong> <strong>Neutronen</strong>angepasst werden kann.Der bereits existierende Detektor, <strong>der</strong> von A. V. Strelkov et. al. entwickelt wurde und inden bisherigen Exper<strong>im</strong>enten zum Einsatz kam, bietet diesen Vorteil nicht. Dieser basiertauf einem reinen Gasdetektor, als Zählgas wird Helium eingesetzt. Helium hat ebenfallseinen großen Wirkungsquerschnitt für den Einfang für <strong>Neutronen</strong>, jedoch ist <strong>der</strong> Detektorfür jeden Geschwindigkeitsbereich in gleichem Maße sensitiv. Das Zählgas ist zugleich<strong>Neutronen</strong>konverter und Nachweismedium. Im folgenden wird dieses Detektorkonzept alsHe-Detektor bezeichnet, in Anlehnung an das verwendete Zählgas. So kann auf einfacheWeise zwischen dem hier beschriebenen Detektor unterschieden werden.4.2.1 Der AufbauDas gesamte Gehäuse ist vakuumdicht, da <strong>der</strong> Detektor auch <strong>im</strong> Vorvakuum des Gravitationsexper<strong>im</strong>entsbetrieben werden soll. Als Dichtungen kommen O-Ringe zum Einsatz.Die Höhe <strong>der</strong> Mitte des Eintrittsfensters ist 30mm, dies entspricht <strong>der</strong> Dicke eines <strong>Neutronen</strong>spiegels<strong>im</strong> Exper<strong>im</strong>ent, somit kann <strong>der</strong> Detektor ohne weiteres direkt hinter demGravitationssetup plaziert werden. Dies erweist sich zum Beispiel bei Transmissionsmessungendurch den Präparationsschlitz als hilfreich.Vorn befindet sich das Eintrittsfenster des Detektors, durch das die ultrakalten Neu-


4.2 Charakterisierung des Detektors 54tronen gelangen. Die Geometrie des Eintrittsfensters ist opt<strong>im</strong>al auf die Geometrie desExper<strong>im</strong>ents angepasst. Bei integralen Transmissionsmessungen erreichen die <strong>Neutronen</strong>den Detektor in einem schmalen Band, das ungefähr den Maßen des Eintrittsfensters von110 × 4mm 2 entspricht. Prinzipiell wäre es aber möglich, durch eine an<strong>der</strong>e Geometriedes Eintrittsfensters die aktive Fläche <strong>der</strong> jeweils gegebenen Situation anzupassen. DieFrontplatte mit dem Eintrittsfenster wird auf das Gehäuse aufgeschraubt. Dazwischenbefindet sich eine Aluminiumfolie, die als Träger <strong>der</strong> Borschicht dient. Die Folie wirddurch die Verschraubung fest an das Gehäuse angepresst.Da <strong>der</strong> Detektor unter Atmosphärendruck betrieben wird, aber auch vakuumtauglichsein soll, darf die Aluminiumfolie des Eintrittsfensters eine gewisse Mindestdicke nichtunterschreiten. Es wurde eine Foliendicke von 48µm gewählt. Diese ist für ultrakalte<strong>Neutronen</strong> ausreichend transparent und wie<strong>der</strong>steht dem Druck von 1bar.Auf <strong>der</strong> Rückseite ist <strong>der</strong> Zu- und Abfluss des Zählgases zu finden. Der Detektor wird sobetrieben, dass dieser permanet vom Zählgas selbst gespült wird. Dies hat den Vorteil,dass keine Befüllung des Detektors nötig ist und das Zählgas keine Alterungserscheinungenzeigt.Die Vakuumdurchführung <strong>der</strong> Hochspannung ist seitlich am Gehäuse angebracht undwird durch Keramik isoliert. Sie dient gleichzeitig als Halterung für den in axialer Richtungverlaufenden Zähldraht. Auf <strong>der</strong> gegenüberliegenden Seite ist <strong>der</strong> Zähldraht aufeinem Metallstift angelötet, <strong>der</strong> wie<strong>der</strong>um durch ein Stück PVC-Gewinde gehalten wird.Der Kunstoff ist gleichzeitig <strong>der</strong> Isolator zwischen geerdeter Gehäusewand und dem aufHochspannung liegenden Zähldraht.Entscheidend ist, dass die Lötstellen keinerlei Spitzen o<strong>der</strong> Kanten aufweisen. Dort werdenextrem hohe Feldliniendichten erreicht und es kommt bevorzugt zu Spannungsüberschlägen.Abbildung 4.3 zeigt den Innenraum des Detektors. Am oberen Bildrand ist die Rückwandmit den Gaszuführungen zu erkennen. Der Zähldraht verläuft axial von rechts nach links.4.2.2 Eine dünne Borschicht als <strong>Neutronen</strong>konverterTabelle 4.1: Konstanten, die häufig verwendet werden.Dichte von 10 Bor ρ B 2.34gcm −3Avogadrokonstante N A 6.02 · 10 23 mol −1Molmasse von 10 Bor A 10.00gmol −1Masse des Elektrons m e 9.12 · 10 −31 kgDielektrische Konstante ǫ 0 8.85 · 10 −12 Fm −1Elementarladung e 1.60 · 10 −19 CIsotopenreines 10 Bor wurde in Form einer dünnen Schicht auf die Aluminiumfolie desEintrittsfensters durch einen Bedampfungsprozess aufgebracht 1 .1 Der Bedampfungsprozess mit Bor ist technisch anspruchsvoll, da Bor keramische Eigenschaften besitzt.Der Bedampfungsprozess wurde in <strong>der</strong> ANP - Arbeitsgruppe des Physikalischen Instituts <strong>der</strong>Universität Heidelberg von M. Klein et. al. erforscht und opt<strong>im</strong>iert.


4.2 Charakterisierung des Detektors 55Abbildung 4.3: Innenraum des Detektors aus rückwärtiger Sicht. Das Gehäusebesteht aus Messing.Es stellt sich nun die Frage nach <strong>der</strong> opt<strong>im</strong>alen Dicke <strong>der</strong> Konverterschicht aus 10 Bor,um eine möglichst hohe Nachweiseffizienz zu erzielen. Drei wesentliche Effekte sind dabeizu berücksichtigen:• Die Absorption <strong>der</strong> <strong>Neutronen</strong> durch eine Borschicht <strong>der</strong> Dicke x kann durch dasLambert-Beersche GesetzN(x) = N 0(1 − e −α(v)x) (4.4)beschrieben werden, wobei α(v) mit Gleichung (4.1) durchα(v) = σ(v)ρ BN AAκ B = σ 0ρ B N AA= σ 0ρ B N A · v 0 /vA=: κ Bv 0v(4.5)= 5.41 · 10 −5 nm −1 (4.6)von <strong>der</strong> Geschwindigkeit <strong>der</strong> <strong>Neutronen</strong> abhängt. Die Größe κ B dient zur Vereinfachungund fasst die geschwindigkeitsunabhängigen Konstanten zusammen.• Am Ort <strong>der</strong> Kernraktion entstehen ein Lithium- und α-Kern. Eines <strong>der</strong> beidenReaktionsprodukte muss die Borschicht durchdringen und das Zählgas erreichen,um dann registriert werden zu können.Der Energieverlust und damit die max<strong>im</strong>ale Reichweite ist nach <strong>der</strong> Formel von


4.2 Charakterisierung des Detektors 56Bethe und Bloch gegeben durch− dEdx = 4πZρN Az 2 ( ) e2 2Am e v 2 · ·[ln 2m ev 2 ](4.7)4πǫ 0 I∫ Ecut( ) dE −1R max = −dE , (4.8)dxE 0wobei ρ die Dichte und Z,A die Ordnungs- und Atommassenzahl des Materials ist.Die Ordnungszahl des detektierten Teilchens ist z. Mit I wird das mittlere Ionisationspotentialbezeichnet, es kann durch I = 10eV · Z abgeschätzt werden. Alleweiteren Konstanten finden sich in Tabelle 4.1.Gleichung (4.7) gilt allerdings nur näherungsweise, da <strong>im</strong> nie<strong>der</strong>energetischen Bereichdie ∝ 1/v 2 -Abhängigkeit <strong>der</strong> Bethe-Bloch-Formel nicht mehr gültig ist. Bei<strong>der</strong> Berechnung von R max erstreckt sich die Integration deshalb nur bis zu einerAbschneideenergie E cut = 200keV . Das S<strong>im</strong>ulationsprogramm SRIM bietet dieMöglichkeit, Reichweiten und Energieverluste für ionisierende Teilchen in Materiegenauer zu berechnen [Zie].Tabelle 4.2 zeigt die Reichweiten R max <strong>der</strong> Lithium- und α-Teilchen in Bor, diebei <strong>der</strong> Reaktion (4.3) entstehen. Zum Vergleich sind sowohl die Reichweiten nachGleichung (4.7) als auch die Werte von SRIM angegeben, es ist ein deutlicher Unterschiedzu erkennen. Für weitere Betrachtungen werden stets die Ergebnisse vonSRIM verwendet.• Für eine noch genauere Beschreibung des <strong>Neutronen</strong>einfangs durch 10 Bor ist einequantenmechanische Korrektur <strong>der</strong> einfachen 1/v-Abhängigkeit des Wirkungsquerschnittesnötig. Darauf wurde aber an dieser Stelle verzichtet, denn <strong>der</strong> Effekt durchdie Quantenkorrektur liegt bei etwa 10% und ist innerhalb <strong>der</strong> hier gefor<strong>der</strong>ten Genauigkeitvenachlässigbar.Tabelle 4.2: Vergleich <strong>der</strong> Reichweiten R max von Li und α in Bor mit denzugehörigen kinetischen Energien. Die Reichweiten RmaxBBwurden mithilfe <strong>der</strong> Bethe - Bloch - Formel berechnet. Diegültigen Werte RmaxSRIM ergeben sich mit dem S<strong>im</strong>ulationsprogrammSRIM.Energie [MeV ] Rmax SRIM [µm] Rmax BB Zweig I: α 1.47 3.52 1.70Li 0.84 1.87 0.28Zweig II: α 1.78 4.35 2.32Li 1.01 2.06 0.36Unter Berücksichtigung <strong>der</strong> obigen Effekte ohne Quantenkorrekturen gilt für die Nachweiseffizienzǫ einer Borschicht <strong>der</strong> Dicke x ≤ R max1(v 0ǫ = v2 · κ 0· 1 + κ BB v · R max v · (R v ) 0max − x) − (1 + κ Bv · R max) · e −κ B v 0v x. (4.9)


4.2 Charakterisierung des Detektors 57Eine Herleitung dieser Formel findet sich in [Kle00]. Für die totale Effizienz <strong>der</strong> Borschichtǫ tot müssen die beiden Reaktionszweige jeweils mit ihren Wahrscheinlichkeiten gewichtetwerden. Dabei gehen die unterschiedlichen Reichweiten R max des Lithium- und des α-Kerns ein. Es ergibt sichǫ tot = 0.94[ǫ(α,Zweig I) + ǫ(Li,Zweig I)] +0.06[ǫ(α,Zweig II) + ǫ(Li,Zweig II)] . (4.10)Abbildung 4.4 zeigt die Effizienz ǫ tot in Abhängigkeit <strong>der</strong> Schichtdicke x für drei verschiedeneGeschwindigkeiten <strong>der</strong> <strong>Neutronen</strong>.10.90.86.5 m/s11 m/s600 m/s0.7Effizienz0.60.50.40.30.20.100 100 200 300 400 500 600 700 800 900 1000Schichtdicke x [nm]Abbildung 4.4: Nachweiseffizienz <strong>der</strong> Borschicht für verschiedene Geschwindigkeiten.Zunächst steigt ǫ tot an, bis ein Max<strong>im</strong>um <strong>der</strong> Effizienz erreicht ist. Dieser Bereich istdurch das Lambert-Beersche Gesetz dominiert. Für größere Dicken n<strong>im</strong>mt ǫ tot wie<strong>der</strong>ab, da die Reaktionsprodukte mit geringerer Wahrscheinlichkeit das Zählgas erreichenkönnen und zuvor <strong>im</strong> Bor gestoppt werden. Die opt<strong>im</strong>alen Schichtdicken d opt sowie diezugehörigen Nachweiseffizienzen, die sich <strong>im</strong> Max<strong>im</strong>um <strong>der</strong> Kurven ergeben, sind in Tabelle4.3 zusammengefasst.Tabelle 4.3: Die opt<strong>im</strong>alen Schichtdicken für vier verschiedene Geschwindigkeiten<strong>der</strong> detektierten <strong>Neutronen</strong>.Geschwindigkeit v [m/s] d opt [nm] Nachweiseffizienz ǫ totultrakalt 6.5 200 0.9011 291 0.86kalt 600 1741 0.16thermisch 2200 2022 0.05


4.2 Charakterisierung des Detektors 58Um die Nachweiseffizienz ǫ tot opt<strong>im</strong>al auf den Geschwindigkeitsbereich <strong>der</strong> ultrakalten<strong>Neutronen</strong> <strong>im</strong> Gravitationsexper<strong>im</strong>ent (v ≈ 6.5m/s) anzupassen, wurde eine Schichtdickevon 200nm gewählt.4.2.3 Nachweis <strong>der</strong> ionisierenden TeilchenAls Zählgas wurde ein Gemisch aus Argon und Kohlenstoffdioxid <strong>im</strong> Verhältnis 90:10eingesetzt. Mit diesem Mischungsverhältnis wird auch <strong>der</strong> CASCADE-Detektor betrieben,ein großflächiger <strong>Neutronen</strong>detektor <strong>der</strong> von Martin Klein et. al. am PhysikalischenInstitut entwickelt wird.Der geringe Anteil CO 2 als Löschgas absorbiert die UV-Photonen, die bei <strong>der</strong> Sekundärionisation<strong>der</strong> freigesetzten Elektronen <strong>im</strong> Zählgas entstehen, und verhin<strong>der</strong>t so Gasentladungen.Wenn nun eines <strong>der</strong> beiden Reaktionsprodukte (Li o<strong>der</strong> α) in das Zählgas eindringt, wirddie kinetische Energie des Teilchens durch Ionisation abgegeben. Dies kann wie<strong>der</strong>um mitdem Programm SRIM s<strong>im</strong>uliert werden. Dabei werden Elektronen mit einer typischenEnergie <strong>im</strong> Bereich von 10eV freigesetzt, was <strong>der</strong> Größenordnung <strong>der</strong> Ionisierungsenergiedes Zählgases entspricht. Die Reichweiten des Lithium- und α-Kerns <strong>im</strong> Zählgas sind inTabelle 4.4 aufgeführt.Tabelle 4.4: Reichweiten <strong>der</strong> Reaktionsprodukte in ArCO 2 mit einemMischungsverhältnis 90:10.Energie [MeV ]R SRIMmaxZweig I: α 1.47 7.8Li 0.84 4.1Zweig II: α 1.78 9.5Li 1.01 4.6[mm]Die Trajektorien <strong>der</strong> Elektronen folgen den elektrischen Feldlinien <strong>im</strong> inneren des Detektorgehäusesund werden in <strong>der</strong> nahen Umgebung des Zähldrahtes aufgrund <strong>der</strong> hohenFeldliniendichte stark beschleunigt. Der Zugewinn an kinetischer Energie kann über∫ r2∫∆E kin = e ⃗eU r2 0 1E(⃗r)d⃗r = ·r 1ln r 0 /r i r 1r dr = eU 0· ln r 2≈ 0.8keV (4.11)ln r 0 /r i r 1berechnet werden. Hier bezeichnet r 0 = 12mm den Abstand zwischen Gehäusewandund Zähldraht und r i den Radius des Drahts. Das Teilchen bewegt sich vom Abstandr 1 = 3mm bis zu r 2 ≈ r i .Es muss beachtet werden, dass aufgrund <strong>der</strong> rechteckigen Geometrie des Gehäuses daszylin<strong>der</strong>symmetrische elektrische Feld E(r) ∝ 1 rnur eine Näherung darstellt, in <strong>der</strong>Umgebung des Zähldrahtes ist diese Annahme jedoch gut erfüllt.Durch die starke Zunahme <strong>der</strong> kinetischen Energie <strong>der</strong> Elektronen werden weitere Elektronenionisiert, was einen Kaskadeneffekt zur Folge hat und die ursprüngliche Zahl von


4.2 Charakterisierung des Detektors 59≈ 10 5 Elektronen auf ≈ 10 8 ..10 9 erhöht. Die so entstandene Elektronenwolke wird amZähldraht aufgesammelt.Der eingesetzte Zähldraht 2 besteht aus einer Wolfram-Gold-Mischung und hat die Dicked = 2r i = 25µm. Die Dicke des Drahtes legt den Bereich fest, in dem das Zählrohrproportional betrieben werden kann. Das bedeutet, dass die Amplitude <strong>der</strong> ausgelesenenLadungspulse proportional zur deponierten Energie <strong>der</strong> ionisierenden Teilchen <strong>im</strong> Zählgasist. Der Spannungsbereich liegt bei diesem Detektor typischerweise zwischen U 0 = 800Vund U 0 = 1200V .4.2.4 Auslese <strong>der</strong> PulseDie Elektronen fließen als Ladungspuls über den Zähldraht auf ein RC-Glied. Es definiertdurch RC = τ ≈ 1µs die Länge des Ladungspulses, <strong>der</strong> auf dem Kondensator gespeichertwird.Das RC-Glied wandelt den Ladungspuls in einen Spannungspuls um und entkoppelt dieNachweiselektronik von <strong>der</strong> Hochspannung, die am Zähldraht anliegt. Das Signal wirdunmittelbar nach dem RC-Glied von einem Vorverstärker auf ≈ 50..100mV verstärkt,um ein gutes Signal-zu-Rausch-Verhältnis zu gewährleisten.Über einen Hauptverstärker werden die Pulse auf den entsprechenden Eingangsbereich<strong>der</strong> MCA-Karte des Messrechners gebracht (≈ 5V), <strong>der</strong> die Amplitude <strong>der</strong> ankommendenPulse und damit das Energiespektrum <strong>der</strong> detektierten Teilchen aufzeichnet. Gleichzeitigwird über einen Gate - Generator das Startsignal für die Aufzeichnung gegeben. InAbbildung 4.5 ist <strong>der</strong> schematische Schaltplan dargestellt.Detektor+HV AbschirmelektrodeR=1MOhm+HV ZähldrahtC=1pFVorverstärker HauptverstärkerMCAPCDiskr<strong>im</strong>inatorGateAbbildung 4.5: Schematischer Schaltplan zur Ausleseelektronik.Ein typisches Pulshöhenspektrum ist in Abbildung 4.6 zu sehen. Deutlich sichtbar sinddie beiden markanten Peaks des Lithium- und α-Kerns aus dem Reaktionszweig (I).Durch den Energieverlust <strong>der</strong> ionisierenden Teilchen in <strong>der</strong> 200nm dicken Borschicht ist2 Der Zähldraht wurde freundlicherweise von <strong>der</strong> HE-Gruppe des Physikalischen Instituts zur Verfügunggestellt.


4.3 Drei verschiedene Designs 60die linke Flanke <strong>der</strong> Peaks etwas verbreitert. Das gezeigte Spektrum wurde am TEST -Strahlplatz gemessen.Die Hochspannung am Zähldraht von 1000V ist so gewählt, dass eine klare Trennungzwischen dem <strong>im</strong>mer vorhandenen elektronischen Untergrund in den vor<strong>der</strong>en Kanälenund dem eigentlichen Signal möglich ist.Die Einstellungen <strong>der</strong> Verstärkerelektronik fixiert den belegten Kanalbereich des MCA.Der Bereich sollte in etwa 700 bis 900 Kanäle umfassen.600Detektor 1, HV = 1000V500400Anzahl30020010000 100 200 300 400 500 600 700 800 900 1000KanäleAbbildung 4.6: Typisches Pulshöhenspektrum des Zählrohrs.4.3 Drei verschiedene DesignsEs stellt eine große Herausfor<strong>der</strong>ung dar, die Untergrundrate des Detektors auf einen Bereichvon wenigen 10 −2 s −1 zu reduzieren, ohne dabei die Nachweiseffizienz zu verringern.Um dies zu erreichen, wurden verschiedene Ansätze verfolgt und in unterschiedlichenDesigns umgesetzt. Die prinzipielle Funktionsweise, wie sie unter Abschnitt 4.2 beschriebenwurde, bleibt dabei erhalten. Die Detektoren wurden an <strong>der</strong> <strong>Neutronen</strong>quelle desPhysikalischen Instituts und am TEST-Strahlplatz des ILL charakterisiert. WesentlichesZiel war es, Unterschiede bezüglich <strong>der</strong> Untergrundrate und <strong>der</strong> Effizienz herauszufinden.Folgende Ideen wurden be<strong>im</strong> Design und Bau <strong>der</strong> Detektoren in Betracht gezogen:• Schnelle <strong>Neutronen</strong> treten als Hallenhintergrund <strong>im</strong> Reaktorgebäude auf. Unterrealistischen Exper<strong>im</strong>entierbedingungen muss <strong>der</strong> Hallenhintergrund berücksichtigtwerden. Eine äußere Schicht aus dicken Polyethylen-Blöcken mo<strong>der</strong>ieren dieschnellen <strong>Neutronen</strong>, sodass diese besser durch eine 5mm dicke B 4 C-Abschirmungabsorbiert werden können.• Jede Komponente des Detektors weist eine gewisse natürliche Eigenradioaktivitätauf. Innerhalb des Nachweisvolumens muss <strong>der</strong> Materialeinsatz daher auf ein ab-


4.3 Drei verschiedene Designs 61solutes Min<strong>im</strong>um reduziert werden. Jedoch soll die Hochspannungsfestigkeit bis1500V sichergestellt sein, da sonst Spannungsüberschläge auftreten.• Auch die Innenwände des Gehäuses tragen durch ihre Eigenradioaktivität zumUntergrund bei. Dabei können ionisierende Teilchen wie beispielsweise Elektronenemittiert werden, die ihrerseits wie<strong>der</strong> durch Ionisation <strong>im</strong> Zählgas gestoppt werden.Eine Abschirmelektrode zwischen Zähldraht und Gehäusewand soll das Nachweisvolumengegen die freigesetzten nie<strong>der</strong>energetischen Elektronen schützen. Die Abschirmelektrodewird hierzu auf ein geringes positives Potential von ≈ 50V gelegt.Alle Feldlinien laufen von <strong>der</strong> geerdeten Gehäusewand zunächst zur Abschirmelektrodeund von dort zum Zähldraht. Dieser liegt auf <strong>der</strong> positiven Betriebsspannungvon ungefähr 1000V . Zusätzlich kann die Innenfläche des Detektors durch ein kleineresGehäuse min<strong>im</strong>iert werden.• Messing hat eine geringere Eigenradioaktivität als Aluminium [Hav00]. Daher wurdedas Gehäuse eines Detektors vollständig aus Messing gefertigt. Auch hier bestehtdie Möglichkeit, eine Abschirmelektrode in das Gehäuse einzubauen.Insgesamt wurden drei verschiedene Detektoren aufgebaut.Detektor 1 Dieser erste Entwurf besteht aus einem relativ dickwandigen Aluminiumgehäuse.Die Abmessungen sind noch nicht auf eine möglichst kleine Innenfläche undein geringes Nachweisvolumen opt<strong>im</strong>iert. Eine 4π-Abschirmung aus etwa 5mm dickemB 4 C-Material soll vor <strong>Neutronen</strong> schützen, die aus einer falschen Richtung den Detektorerreichen und so zum Untergrundsignal beitragen.Nachträglich wurde die Rückwand des Gehäuses so modifiziert, dass eine Abschirmelektrodezum Schutz vor Eigenradioaktivität und ungewollten Entladungen <strong>im</strong> Zählgas eingebautwerden konnte. Diese Elektrode besteht aus einem 0.5mm dicken Draht und decktdie Rückwand sowie die Ober- und Unterseite des Innenraums ab. Abbildung 4.7 zeigteine Skizze.Abbildung 4.7: Skizze <strong>der</strong> Abschirmelektrode.


4.4 Testmessungen 62Detektor 2 Der Aufbau entspricht dem von Detektor 1, jedoch ist das gesamte Gehäuseaus Messing gefertigt. Auch hier ist <strong>der</strong> nachträgliche Einbau einer Abschirmelektrodevorgesehen.Detektor 3 Bei diesem Detektor wurde versucht, das bisher gewonnene Wissen zu vereinen.Das Gehäuse besteht aus Aluminium und weist möglichst geringe Abmessungensowie Wanddicken auf, um den Beitrag <strong>der</strong> Eigenradioaktivität weiter zu verringern. DieAbschirmung gegen schnellere <strong>Neutronen</strong> von außen sollte durch eine äußere Schicht ausKunstoff und B 4 C erfolgen. Eine erhöhte Spannungstauglichkeit wird erreicht, indem<strong>der</strong> gesamte Innenbereich des Nachweisvolumens poliert ist. Die Lötstellen, an denen<strong>der</strong> Zähldraht befestigt ist, wurden mit Stearin umschlossen. Auf diese Weise werdendie Kanten und Spitzen <strong>der</strong> Lötstelle versiegelt. Da Stearin ein besserer Leiter als dasZählgas ist, kann die gesammelte Ladung abfließen, bevor ein Überschlag entsteht.Lei<strong>der</strong> war es nicht möglich, diesen verbesserten Detektor systematisch zu charakterisieren,da er erst zu einem späteren Zeitpunkt einsatzfähig war.4.4 TestmessungenIn <strong>der</strong> Exper<strong>im</strong>entierzeit 1463 am TEST-Strahlplatz wurde <strong>der</strong> Zusammenhang zwischenEffizienz und <strong>der</strong> Wahl <strong>der</strong> Spannungen am Zähldraht und <strong>der</strong> Abschirmelektrode zustudieren. Zusätzlich wurden Untergrundmessungen <strong>im</strong> Reaktorgebäude durchgeführt,um unter realistischen Exper<strong>im</strong>entierbedingungen zu messen.Abbildung 4.8: Seitenansicht des Messaufbaus zur Charakterisierung desDetektors.In Abbildung 4.8 ist <strong>der</strong> Messaufbau dargestellt. Die Zuführung <strong>der</strong> <strong>Neutronen</strong> erfolgtedurch ein etwa 1m langes, gerades Strahlrohr. Das Strahlprofil <strong>der</strong> ultrakalten <strong>Neutronen</strong>wurde durch eine Blende mit definierter Größe beschränkt und direkt dahinter <strong>der</strong> Detektorplaziert. Der Aufbau befand sich nicht <strong>im</strong> Vakuum, aber die Verluste durch Streuungund Absorption an Luft sind hier vernachlässigbar. Mit einem höhenverstellbaren Tischkonnte die Position opt<strong>im</strong>al eingestellt werden.


4.4 Testmessungen 634.4.1 EffizienzGrundsätzlich sollte die Zählrate, und damit letztlich die Nachweiseffizienz, nur schwachvon <strong>der</strong> Hochspannung abhängen, da stets die gesamte freigesetzte Ladung auf demZähldraht gesammelt wird. Trotzdem muss die Hochspannung innerhalb eines gewissenBereichs gewählt werden, da bei kleiner Spannung <strong>der</strong> Verstärkungsfaktor <strong>im</strong> Zählgasabn<strong>im</strong>mt und das Signal-zu-Untergrund-Verhältnis sich stark verschlechtert. Zudem isteine Trennung des elektronischen Rauschens und dem eigentlichen Signal kaum mehrmöglich.Wählt man die Spannung zu hoch, entstehen häufig Überschläge und <strong>der</strong> Detektorwird nicht mehr <strong>im</strong> Proportionalmodus betrieben. Die Überschläge bilden sehr großeLadungspulse und überdecken das eigentliche Signal. Kleine Überschläge können Pulseerzeugen, die vom tatsächlichen Signal kaum zu unterscheiden sind. Sie tragen zum Untergrunddes Detektors bei, da sie <strong>im</strong> relevanten Energiebereich des Spektrums zu findensind.Zunächst wurden verschiedene Spannungskombinationen zwischen Zähldraht und Abschirmelektrodeeingestellt und jeweils die Zählrate gemessen. Diese Messungen wurdenmit Detekor 1 durchgeführt. Abbildung 4.9 bestätigt die oben diskutierte Vermutung, esist keine signifikante Abhängigkeit zwischen Spannungsdifferenz und Zählrate zu erkennen,sie liegt bei (80 ± 2)s −1 .Um eine gemessene Zählrate in eine absolute Nachweiseffizienz des Detektors umrechnenzu können, ist ein Referenzpunkt nötig, von dem sowohl die Zählrate als auch diezugehörige Effizienz bekannt ist.Zählrate [s −1 ]908580757010001100HV Zähldraht [V]1200 0100400300200HV Abschirmelektrode [V]Abbildung 4.9: gemessene Zählrate in Abhängigkeit <strong>der</strong> Spannungen amZähldraht und <strong>der</strong> Abschirmelektrode.Dies ist mit <strong>der</strong> Methode <strong>der</strong> Goldfolienaktivierung möglich. Dabei wird eine dünneGoldfolie <strong>der</strong> Dicke d = 12.5µm und einer bekannten Fläche dem <strong>Neutronen</strong>strahl aus-


4.4 Testmessungen 64gesetzt. Die Dauer <strong>der</strong> Bestrahlung ist bekannt, ebenso wie die Zeitspanne zwischen <strong>der</strong>Aktivierung durch die <strong>Neutronen</strong> und <strong>der</strong> Aktivitätsmessung <strong>der</strong> Goldfolie.Bei <strong>der</strong> Aktivitätsmessung wird die Intensität <strong>der</strong> durchn + 197 Au → 198 Au → 198 Hg + e − + ¯ν + 1.4MeV (4.12)entstehenden γ-Strahlung mit einem γ-Spektrometer best<strong>im</strong>mt.Über die bekannte Halbwertszeit τ 1/2 = 2.70d des aktivierten Goldes kann <strong>der</strong> absolute<strong>Neutronen</strong>fluss berechnet werden, <strong>der</strong> geherrscht haben muss, um die gemesseneγ-Aktivität zu erzeugen.Die nötige Flussdichte wird üblicherweise für monochromatische thermische <strong>Neutronen</strong>,also für v 0 = 2200m/s, angegeben. Typische Werte aus aktuellen Messungen <strong>der</strong> Flussdichteam TEST - Strahlplatz [Gel] liegen <strong>im</strong> Bereich vonF = (6.9 ± 1.4) · 10 4 ncm 2 s . (4.13)Die relativ große Unsicherheit ist darin begründet, dass je nach Strahlrohrlänge und eingesetztenStrahlrohren die Flussdichte variieren kann. Die <strong>Neutronen</strong> am TEST - Strahlplatzsind nicht monochromatisch und weisen eine Verteilung mit einem weit gringerenGeschwindigkeitsmax<strong>im</strong>um bei etwa 11m/s auf. Die Größe F muss also in eine entsprechendeFlussdichte <strong>der</strong> ultrakalten <strong>Neutronen</strong> am TEST - Strahlplatz F UCN umgerechnetwerden.Das Geschwindigkeitsspektrum und damit die Verteilung ist bekannt und wurde in <strong>der</strong>Vergangenheit bereits mehrmals mithilfe <strong>der</strong> T<strong>im</strong>e of Flight-Methode gemessen. Dabeiist es wichtig zu beachten, dass die Strahlrohrkonfiguration ungefähr <strong>der</strong> aus Abbildung4.8 entspricht, da dies die Form des gemessenen Flugzeitspektrums beeinflusst. Beispielsweiseverringert ein gewinkeltes Strahlrohr den Anteil <strong>der</strong> höheren Geschwindigkeiten <strong>im</strong>Spektrum, da die <strong>Neutronen</strong> unter einem steileren Winkel die Innenwände treffen. DieGrenzgeschwindigkeit, unter <strong>der</strong> die <strong>Neutronen</strong> reflektiert werden, wird dadurch herabgesetzt.Das Resultat einer solchen Flugzeitmessung [Jen08] ist in Abbildung 4.10 (links) dargestelltist. DurchdNdv = dN dt ·dt∣dv∣ = dN dt · t2 (4.14)skann aus <strong>der</strong> gemessenen Flugzeit und <strong>der</strong> bekannten Flugstrecke s das Geschwindigkeitsspektrum<strong>der</strong> <strong>Neutronen</strong> best<strong>im</strong>mt werden. Das Flugzeitspektrum dN/dt wird hierfürdurch eine analytische Funktion gefittet und anschließend die Rechnung aus Gleichung(4.14) durchgeführt.In Abbildung 4.10 (rechts) ist das auf 1 normierte Geschwindigkeitsspektrum des TEST- Strahlplatzes zu sehen. Es wurde nach <strong>der</strong> oben beschriebenen Methode extrahiert.Mithilfe des bekannten Geschwindigkeitsspektrums kann folgen<strong>der</strong> Zusammenhang zwischen<strong>der</strong> Flussdichte <strong>der</strong> ultrakalten <strong>Neutronen</strong> am TEST - Strahlplatz und <strong>der</strong> theoretischenFlussdichte F hergestellt werden:∫ dN( )F UCN ·dv · 1 − e −κ G v 0v ddv = F ·(1 ) ( )− e −κ G v 0 d v 0 = F · 1 − e −κ Gd. (4.15)


4.4 Testmessungen 65500000.2400000.1530000dN/dt20000dN/dv0.1100000.0500 0.05 0.1 0.15 0.2 0.25 0.3 0.35 0.4Flugzeit t [s]00 5 10 15 20 25 30Geschwindigkeit v [s]Abbildung 4.10: Flugzeitspektrum und das daraus gewonnene Geschwindigkeitsspektrumdes TEST - Strahlplatzes.Die Größe κ G = 5.83 · 10 −4 µm −1 ist analog zu κ B definiert, es sind lediglich die Materialkonstantenvon Bor durch die von Gold ersetzt.Das Integral auf <strong>der</strong> linken Seite von Gleichung (4.15) ist die Gewichtung <strong>der</strong> geschwindigkeitsabhängigenAbsorption in Gold mit dem Geschwindigkeisspektrum dN/dv <strong>der</strong><strong>Neutronen</strong> aus Abbildung 4.10. Dies ist auf er rechten Seite <strong>der</strong> Gleichung nicht nötig,da F einen monochromatischen Strahl <strong>der</strong> Geschwindigkeit v 0 = 2200m/s beschreibt.Anschaulich gesprochen wird auf <strong>der</strong> linken und rechten Seite <strong>der</strong> Gleichung die Zahl<strong>der</strong> <strong>Neutronen</strong> <strong>im</strong> jeweiligen Geschwindigkeitsbereich verglichen, die die gemessene γ-Aktivität <strong>im</strong> Gold erzeugen. Für F UCN ergibt sich nach Gleichung (4.15)nF UCN = (607 ± 120)cm 2 s . (4.16)Die Flussdichte F UCN kann auch dazu verwendet werden, das auf 1 normierte Geschwindigkeitsspektrumüber∫ dNN ·dv dv = F UCN} {{ }⇒ N = F UCN (4.17)=1entsprechend zu skalieren. Das Resultat ist eine absolute Flussdichte F pro Geschwindigkeitsintervall.Für einen Vergleich <strong>der</strong> theortischen und <strong>der</strong> gemessenen Effizienz des Detektors wäredieser letzte Schritt nicht nötig, da nur integrale Flüsse über das gesamte Geschwindigkeitsspektrumgemessen werden.Nun ist <strong>der</strong> oben erwähnte Referenzpunkt <strong>der</strong> Wert von F UCN mit einer Nachweiseffizienzvon 100%, wenn auf etwaige quantenmechanische Korrekturen bei <strong>der</strong> Absorptionvon ultrakalten <strong>Neutronen</strong> durch die Goldfolie verzichtet wird. Kennt man die gemesseneZählrate k und die aktive Fläche A des Detektors, kann über eine einfache Dreisatzrech-


4.4 Testmessungen 66nung die Detektoreffizienz best<strong>im</strong>mt werden:100%x% = 1 ǫ=607 n/scm2k [n/s]· A[cm 2 ] ⇒ ǫ =k607 · A . (4.18)Als Strahlbegrenzung kam eine Blende aus B 4 C zum Einsatz, die eine runde Öffnungmit dem Durchmesser 1cm aufwies. Das Eintrittsfenster des Detektors hat die Maße(11 × 0.4)cm 2 , was eine effektive Fläche von (1 × 0.4)cm 2 ergibt.Ein weiterer wichtiger Punkt ist bei <strong>der</strong> Berechnung <strong>der</strong> Effizienz zu beachten:Detektor 1 ist mit einer Borschicht <strong>der</strong> Dicke 200nm nicht auf das Geschwindigkeitsspektrumdes TEST-Strahlplatzes opt<strong>im</strong>iert, son<strong>der</strong>n auf den Geschwindigkeitsbereich <strong>der</strong><strong>Neutronen</strong> <strong>im</strong> Gravitationsexper<strong>im</strong>ent (v x ≈ 6.5m/s). Um die Effizienz des Detektor 1 amTEST-Strahlplatz theoretisch zu berechnen, ist eine Gewichtung von ǫ tot aus Gleichung(4.10) mit dem Spektrum aus Abbildung 4.10 nötig. Das Resultat ist eine Verringerung<strong>der</strong> Effizienz auf ǫ tot = 0.86 <strong>im</strong> Vergleich zu 0.90 bei einer Geschwindigkeit von 6.5m/s.Die gemessene Effizienz am TEST-Strahlplatz ist demnach entsprechend zu korrigieren!Als tatsächliche Effizienz des Detektor 1 ergibt sichǫ tot (6.5m/s)ǫ tot (TEST)0.90· gemessene Effizienz = · 0.33 = 0.35 ± 0.07 (4.19)0.86<strong>im</strong> opt<strong>im</strong>ierten Geschwindigkeitsbereich von 6.5m/s. Die tatsächliche Effizienz ist alsorund 40% geringer als <strong>der</strong> theoretisch berechnete Wert von 0.90. In Abschnitt 4.5 werdenmögliche Gründe hierfür diskutiert.4.4.2 UntergrundBei den Untergrundmessungen mit Detektor 1 wurden wie<strong>der</strong>um verschiedene Spannungskombinationenzwischen Zähldraht und Abschirmelektrode eingestellt und bei einerMesszeit von mehreren Stunden abseits vom <strong>Neutronen</strong>strahl die Untergrundratebest<strong>im</strong>mt. Der gesamte Detektor war während <strong>der</strong> Messung vollständig mit 5mm dickemB 4 C-Material ummantelt, so wie es auch unter realistischen Bedingungen <strong>im</strong> Exper<strong>im</strong>ent<strong>der</strong> Fall ist. Abbildung 4.11 zeigt ein typisches Untergrundspektrum, wie es sich nach 20hMesszeit innerhalb des Reaktorgebäudes ergibt. Das zugehörige Spektrum mit <strong>der</strong> selbenSpannungskonfiguration ist ebefalls dargestellt. Man erkennt, dass die Einträge desUntergrundspektrums sehr homogen über den gesamten Kanalbereich verteilt sind.Durch die homogene Verteilung des Untergrunds könnte dieser leicht durch eine engereWahl des relevanten Kanalbereichs verringert werden. Dabei sinkt aber gleichzeitig dieNachweiseffizienz des Detektors. Diese soll aber entsprechend hoch sein, daher wurdestets ein max<strong>im</strong>aler Kanalbereich von typischerweise 120 bis 850 gewählt.Folgende Ursachen tragen zum Untergrund des Detektors bei:• Der Hallenhintergrund <strong>der</strong> schnelleren <strong>Neutronen</strong>, die ebenfalls mit <strong>der</strong> Borschichtreagieren können.


4.4 Testmessungen 671000SpektrumUntergrundAnzahl1001010 100 200 300 400 500 600 700 800 900 1000KanäleAbbildung 4.11: Typischer Untergrund innerhalb <strong>der</strong> Reaktorhalle nach20h Messzeit sowie das zugehörige Spektrum.• Die Eigenradioaktivität <strong>der</strong> verwendeten Komponenten wie beispielsweise die Hochspannungsdurchführung,<strong>der</strong> Zähldraht, die Gasdurchführungen und die Gehäusewände.Näheres dazu findet sich in [Hav00].• Kleine Spannungsüberschläge, die ein Signal <strong>im</strong> relevanten Energiebereich erzeugenund nicht vom echten Signal zu unterscheiden sind. Diese Überschläge könnensowohl <strong>im</strong> Gehäuseinneren des Detektors als auch <strong>im</strong> Bereich <strong>der</strong> Hochspannungszuleitungauftreten. Die Durchführungen <strong>der</strong> Vakuumkammer sind hier eine möglicheSchwachstelle.Es wurde auch untersucht, inwieweit schnelle <strong>Neutronen</strong> in <strong>der</strong> Reaktorhalle zum Untergrundbeitragen. Dazu wurde die Abschirmung aus B 4 C-Material entfernt und festgestellt,ob es eine Häufung <strong>der</strong> Zählrate um die Energiemax<strong>im</strong>a <strong>der</strong> Nachweisteilchen(Li, α) gab. Außerdem wurden Untergrundmessungen durchgeführt, als <strong>der</strong> Reaktor abgeschaltetwar und kein Hallenhintergrund auftrat.So konnte <strong>der</strong> intrinsische Untergrund des Detektors unter idealen Bedingungen mit(5 ± 1) · 10 −3 s −1 (4.20)gemessen werden. Dieser Wert wird durch die vorangegangenen Untergrundmessungenam Physikalischen Institut, wo ebenfalls keine schnelleren <strong>Neutronen</strong> von außen zu findensind, bestätigt. Dort ergaben sich Werte <strong>im</strong> Bereich von (6 ±1) ·10 −3 s −1 . Die Messungenwurden sowohl mit Detektor 1 als auch mit Detektor 2 durchgeführt.Während des Reaktorbetriebs hingegen wurden stets erhöhte Zählraten von(7..12 ± 1) · 10 −3 s −1 (4.21)detektiert. Bildet man die Differenz zwischen dem gesamten und dem intrinsischen Beitrag,so erhält man einen Hallenhintergrund von(2..7 ± 1.4) · 10 −3 s −1 (4.22)


4.5 Fazit 68innerhalb des Reaktorgebäudes.Weiterhin hat sich gezeigt, dass die Abschirmelektrode einen Einfluss auf die Untergrundzählratehatte. Exemplarisch sind zwei Messungen sind in Tabelle 4.5 zusammengestellt.Es scheint möglich, durch geschickte Wahl <strong>der</strong> Spannungen am Zähldraht und <strong>der</strong> Abschirmelektrodeden Untergrund signifikant zu verringern.Tabelle 4.5: Einfluss <strong>der</strong> Abschirmelektrode auf die gesamte Untergrundzählratedes Detektors.HV Zähldraht [V ] HV Abschirmelektrode [V ] ∆U [V ] Untergrundrate [10 −3 s −1 ]1200 400 800 5.3 ± 0.51000 200 800 11.6 ± 1.04.5 FazitDie Testmessungen am ILL und an <strong>der</strong> <strong>Neutronen</strong>quelle des Physikalischen Instituts habeninsgesamt gezeigt, dass bezüglich <strong>der</strong> Nachweiseffizienz keine Unterschiede zwischenden verschiedenen Designs feststellbar sind. Dies ist durchaus ein sehr positives Ergebnis.Der Einbau einer Abschirmelektrode ist also unkritisch.Durch Vergleich mit <strong>der</strong> Goldfolienakivierung am TEST-Strahlplatz konnte die Effizienzvon Detektor 1 exper<strong>im</strong>entell best<strong>im</strong>mt werden. Die große Abweichung zum theoretischberechneten Wert kann verschiedene Ursachen haben.• Die Dicke <strong>der</strong> Borschicht auf dem Aluminiumträger ist weit geringer als die angestrebten200nm. Es bestand zu diesem Zeitpunkt keine Möglichkeit, die Dicke <strong>der</strong>Borschicht nachträglich zu prüfen und basierte auf einer Eichung des Schwingquarzesin <strong>der</strong> Beschichtungsanlage, mit <strong>der</strong> die Aluminiumfolien beschichtet wurden.Diese Aluminiumfolien waren in allen Detektoren <strong>im</strong> Einsatz, daher ergab sichzwischen den drei Designs kein sichtbarer Unterschied.• Die Trägerfolie aus Aluminium ist nicht rein und enthält weitere Stoffe wie Gadolinium,das einen sehr großen Absorptionsquerschnitt für ultrakalte <strong>Neutronen</strong>aufweist. Bei einer Foliendicke von 48µm kann dies eine nicht zu vernachlässigendeVerringerung <strong>der</strong> Transmission durch die Aluminiumfolie bedeuten. Eine Messungergab allerdings nur eine Verringerung von 10% aufgrund dieses Effekts.Für zukünftige Messungen wird es nötig sein, Trägerfolien aus reinem Aluminium miteiner gut definierten Borschicht herzustellen.Wie sich gezeigt hat, senkt die Abschirmelektrode die Untergrundzählrate des Detektors.Hier bedarf es jedoch weiterer Untersuchungen, denn es ist noch nicht geklärt, welcherBeitrag zum Untergrund durch den Einbau <strong>der</strong> Abschirmelektrode unterdrückt wird. Um


4.5 Fazit 69genauer herausfinden zu können, ob es sich bei <strong>der</strong> Eigenradioaktivität <strong>der</strong> verbautenMaterialien um α-,γ- o<strong>der</strong> β-Emission handelt, ist eine Analyse einzelner Pulse nötig.Mit einem Flash-ADC könnten die Pulse abgetastet und für eine spätere Untersuchunggespeichert werden.Der externe Beitrag durch schnelle <strong>Neutronen</strong> in <strong>der</strong> Reaktorhalle kann durch eine massivereAbschirmung möglicherweise weiter verringert werden. Eine äußere Schicht ausKunststoff mo<strong>der</strong>iert die schnellen <strong>Neutronen</strong>, die in einer dicken B 4 C-Ummantelungabsorbiert werden. Jedoch ist die Größe <strong>der</strong> Abschirmung durch den exper<strong>im</strong>entellenAufbau beschränkt.Die gemessene Effizienz von 0.35 liegt noch deutlich unter <strong>der</strong> Effizienz des He-Detektors,die selbst unter schlechten Bedingungen bei 0.5 liegt, eher jedoch <strong>im</strong> Bereich von 0.8.Jedoch wurde eine deutliche Steigerung gegenüber des ersten Entwurfs eines Detektorsfür ultrakalte <strong>Neutronen</strong> [Hav00] bezüglich <strong>der</strong> Untergrundrate erreicht. Diese lag bei15 · 10 −3 s −1 . Der <strong>der</strong>zeitige Wert von (5 ± 1) · 10 −3 s −1 stellt hier eine deutliche Verbesserungdar. So konnte <strong>der</strong> Detektor zu unterschiedlichen Transmissions- und Kalibrationsmessungen<strong>im</strong> Gravitationsexper<strong>im</strong>ent als Monitordetektor eingesetzt werden.Insgesamt ist aber die Leistungsfähigkeit des hier vorgestellten Detektorkonzepts nochnicht vollständig ausgeschöpft. Um die Untergrundzählrate weiter zu senken, kann beispielsweisedie Fläche <strong>der</strong> Borschicht, die auf die Aluminiumfolie aufgedampft wird, kleinergewählt werden. Dies geht direkt linear in die Untergrundzählrate ein.


Kapitel 5Erste Analyse <strong>der</strong> MessungenIn den Exper<strong>im</strong>entierzeiten 3-14-237 und 3-14-245 am Strahlplatz PF2/ UCN des ILLwar es das angestrebte Ziel, den exper<strong>im</strong>entellen Aufbau zu charakterisieren und ersteMessungen zur <strong>Dynamik</strong> <strong>ultrakalter</strong> <strong>Neutronen</strong> <strong>im</strong> Gravitationspotential durchzuführen,konkret den Quantum Bouncing Ball zu vermessen. Der Aufbau, mit dem die Messungendurchgeführt wurden, ist in Kapitel 3 ausführlich beschrieben.In diesem Kapitel soll eine vorläufige Analyse <strong>der</strong> Messdaten erfolgen. Bereits währenddes Aufenthaltes am ILL in Grenoble wurde begonnen, erste Daten auszuwerten. Währenddieser Analyse zeigte sich, dass bei einigen <strong>der</strong> Spurdetektoren unerwartete Effekteauftraten, die eine weitere Auslese unmöglich machten. Mittlerweile sind einige dieserProbleme verstanden und behoben, sodass eine erneute Messung des Quantum BouncingBall in <strong>der</strong> anstehenden Exper<strong>im</strong>entierzeit <strong>im</strong> Frühjahr 2009 verbesserte Ergebnisseliefern wird.5.1 Analyse zum Quantum Bouncing BallBereich IBereich IIl1 = 40µmUCNsStreuerl2 = 30µmzxDetektorSpiegelSpiegelx1 = 10cmxAbbildung 5.1: Der exper<strong>im</strong>entelle Aufbau zur Messung des QuantumBouncing Ball.Kapitel 2 widmete sich bereits den theoretischen Grundlagen des quantenmechanischenVerhaltens und <strong>der</strong> <strong>Dynamik</strong> <strong>ultrakalter</strong> <strong>Neutronen</strong> <strong>im</strong> linearisierten Gravitationspotential<strong>der</strong> <strong>Erde</strong>. Es hatte sich gezeigt, dass bei <strong>der</strong> Propagation des Wellenpakets in x-71


5.1 Analyse zum Quantum Bouncing Ball 72Richtung quantenmechanische Interferenzeffekte auftreten, die durch die Quantennatur<strong>der</strong> Fallbewegung <strong>ultrakalter</strong> <strong>Neutronen</strong> erklärt werden kann.Um den Quantum Bouncing Ball exper<strong>im</strong>entell nachzuweisen, wurde die Aufenthaltwahrscheinlichkeitin z-Richtung ortsaufgelöst mit dem in Abschnitt 3.4 erwähnten Spurdetektorgemessen. Dies wurde an vier verschiedenen x-Positionen {0,6,7,8cm} durchgeführt,indem <strong>Neutronen</strong>spiegel unterschiedlicher Länge nach <strong>der</strong> 30µm hohen Stufe eingebautund <strong>der</strong> Detektor direkt dahinter plaziert wurde. Eine feste Schlitzbreite von 40µm wurdedurch dünne Metallbän<strong>der</strong>, sogenannte Fühlerlehrenbän<strong>der</strong>, als Abstandhalter gewährleistet.Eine spätere Überprüfung <strong>der</strong> Dicke dieser Lehrenbän<strong>der</strong> ergab jedoch, dass diewahre Schlitzbreite 43µm entsprach. Abbildung 5.1 zeigt noch einmal den exper<strong>im</strong>entellenAufbau.Bei <strong>der</strong> geringen Transmission durch den Präparationsschlitz von etwa 30 · 10 −3 s −1 ergebensich lange Messzeiten, um eine ausreichende Statistik an gezählten <strong>Neutronen</strong> zugewährleisten. In Tabelle 5.1 sind die Messzeiten und die Gesamtzahl <strong>der</strong> detektierten<strong>Neutronen</strong> auf dem Spurdetektor aufgeführt.Tabelle 5.1: Die Messzeiten und zugehörige Anzahl an detektierten <strong>Neutronen</strong>bei den verschiedenen x-Positionen. Die Messungenbei x = 7cm und x = 8cm konnten bisher nicht ausgewertetwerden.x-Position [cm] Messzeit [h] Statistik0 70 35376 62 26987 47 -8 113 -5.1.1 Auslese des SpurdetektorsDurch eine 200nm dicke Borschicht werden die ankommenden <strong>Neutronen</strong> in einen Lithiumundeinen α-Kern umgewandelt. Eines <strong>der</strong> beiden Teilchen dringt in den Detektor einund hinterlässt dort Defekte in <strong>der</strong> Molekülstruktur. Diese Defekte werden durch Ätzenmit Natronlauge zu Spuren mit einem mittleren Durchmesser von 1.5µm aufgeweitet,sodass sie unter einem optischen Mikroskop sichtbar werden. Die (y,z)-Positionen <strong>der</strong>Spuren werden von <strong>der</strong> Detektionssoftware des Mikroskops best<strong>im</strong>mt und anschließendin Form einer Tabelle gespeichert. Abbildung 5.2 zeigt die Rohdaten an den Positionenx = 0cm und x = 6cm nach <strong>der</strong> Stufe.Der Bereich des Detektors, <strong>der</strong> von den ultrakalten <strong>Neutronen</strong> aus dem Präparationsschlitzgetroffen wurde, entspricht etwa <strong>der</strong> Ausdehnung des Präparationsschlitzes selbst.Es ergibt sich ein schmales Band vieler Spuren über eine Länge von 10cm und einer Breitevon etwa 40µm. Bei sorgfältiger Positionierung des Detektors auf dem Mikroskoptischliegt das gesamte Band in z-Richtung innerhalb des Sichtfeldes von (211 × 282)µm 2 des


5.1 Analyse zum Quantum Bouncing Ball 73150x = 0cm, Detektor TE 2100z−Richtung [µm]500−500 1 2 3 4 5 6 7 8 9y−Richtung [cm]150x = 6cm, Detektor TE 5100z−Richtung [µm]500−500 1 2 3 4 5 6 7 8 9y−Richtung [cm]Abbildung 5.2: blubbMikroskops. Dies ermöglicht eine eind<strong>im</strong>ensionale, automatische Abrasterung des gesamtenBereichs in 393 Bil<strong>der</strong>n. Der Mikroskoptisch hat eine sehr hohe mechanische Genauigkeitund kann eine Position mit einer Wie<strong>der</strong>holbarkeit von 1µm anfahren. Durch dieeind<strong>im</strong>ensionale Abrasterung wird während eines kompletten Scans nur die y-Koordinateverän<strong>der</strong>t, was die Genauigkeit weiter erhöht.Bis zum jetzigen Zeitpunkt ist es nicht gelungen, die Messungen bei x = 7cm undx = 8cm auszuwerten. Die eigentlichen Spuren konnten aufgrund einer großen Zahl vonweiteren „Spuren“, die über den gesamten Detektionsbereich nahezu homogen verteiltwaren, nicht ausgelesen werden.Die Ursache dieses Effekts konnte mittlerweile festgestellt werden. Während <strong>der</strong> Bedampfungdes Spurdetektors mit Bor in <strong>der</strong> Beschichtungsanlage treffen nicht nur einzelne Boratomeauf die zu beschichtende Oberfläche son<strong>der</strong>n auch Cluster aus Bor, die genügendkinetische Energie besitzen um ungewollte Defekte <strong>im</strong> Spurdetektor zu erzeugen.Zusätzlich traten größere Inselstrukturen auf, die mit dem Abkühlungsprozess innerhalb<strong>der</strong> Beschichtungsanlage nach <strong>der</strong> Bedampfung zusammenhängen. In <strong>der</strong> Borschicht tretenSpannungsrisse auf, die durch das spätere Ätzen des Spurdetektors ebenfalls aufge-


5.1 Analyse zum Quantum Bouncing Ball 74weitet werden.Durch Einbringen einer Schicht aus Kupfer zwischen dem Bor und <strong>der</strong> Oberfläche desSpurdetektors konnten beide Effekte weitestgehend beseitigt werden. Die hohe Wärmeleitfähigkeitdes Kupfers reduziert die Zahl <strong>der</strong> Risse in <strong>der</strong> Borschicht erheblich undbietet gleichzeitig Schutz gegen die Bor-Cluster während des Bedampfungsprozesses.In Abbildung (???) (links) ist ein Ausschnitt des exponierten Bereichs des Detektorsgezeigt, <strong>der</strong> bei x = 7cm eingesetzt wurde. Man erkennt eine große Zahl von Punkten,die eine Detektion des <strong>Neutronen</strong>bandes unmöglich machen. Dagegen ist auf <strong>der</strong> rechtenSeite ein Auschnitt <strong>der</strong> Messung bei x = 6cm gezeigt. Das horizontale Band <strong>der</strong> Spuren istdeutlich zu erkennen. Die weitere Analyse <strong>der</strong> Daten fokusiert sich also auf die Messungenbei x = 0cm und x = 6cm nach <strong>der</strong> Stufe.Gegenüberst. SpurenDie Messung an <strong>der</strong> Position x = 0cm ist die sogenannte Präparationsmessung, also dieForm des Wellenpakets direkt nach Bereich I, wo <strong>der</strong> quantenmechanische Zustand <strong>der</strong>ultrakalten <strong>Neutronen</strong> präpariert wurde. Diese Messung ist von entscheidenter Bedeutung,denn mit <strong>der</strong> Kenntnis des präparierten Wellenpakets ist eine genaues Verständnis<strong>der</strong> Physik des Steuers nicht unbedingt notwendig. Die Besetzungswahrscheinlichkeitenund die Anzahl <strong>der</strong> zugelassenen Eigenzustände können direkt aus einem Fit an die Präparationsmessungbest<strong>im</strong>mt werden. Ein Modell des Streuers wurde in Abschnitt 3.3vorgestellt, aber eine hinreichend genaue Beschreibung ist nicht trivial.Jedoch sollte eine Aussage über die Qualität, also die Streueffizienz, des Streuers getroffenwerden. Die Messung hierzu ist in Abschnitt 5.2 beschrieben.y8cmzAbbildung 5.3: Schematische Ansicht <strong>der</strong> Auslese des Spurdetektors mitdem Mikroskop. das eingezeichnete Sichtfeld enthält inz-Richtung den gesamten exponierten Bereich.5.1.2 Korrektur <strong>der</strong> DatenDie deutliche Biegung und Schrägstellung des Spurdetektors, wie sie in den Daten vonAbbildung 5.2 zu erkennen ist, erfor<strong>der</strong>t eine nachträgliche Korrektur. Die Biegung


5.1 Analyse zum Quantum Bouncing Ball 75des Detektors entsteht höchstwahrscheinlich durch Temperaturgradienten während desBeschichtungs- und Ätzprozesses. Die Schrägstellung hat seine Ursache in <strong>der</strong> Spannvorrichtungdes Detektors auf dem Mikroskoptisch. Der Detektor kann nicht absolut parallelzur Verschieberichtung des Tisches ausgrichtet werden.Neben dem deutlich zu erkennenden <strong>Neutronen</strong>band ist außerdem ein gewisser Signaluntergrundvorhanden. Dieser entsteht durch• äußere, schnellere <strong>Neutronen</strong> in <strong>der</strong> Reaktorhalle, die ebenfalls mit <strong>der</strong> Borschichtdes Spurdetektors reagieren und ein Signal erzeugen.• Schmutz und intrinsische Defekte des Detektors, die von <strong>der</strong> Detektionssoftwareebenfalls als Spuren registriert werden. Dieser Beitrag wurde durch eine manuelleSichtkontrolle aller Spuren deutlich gesenkt.Aufgrund <strong>der</strong> manuellen Sichtkontrolle kann bei <strong>der</strong> Messung x = 0cm <strong>der</strong> Signaluntergrundvernachlässigt werden, bei x = 6cm liegt er <strong>im</strong> Bereich von 3%.Die Deformation des Detektors führt zu einem Versatz <strong>der</strong> Spuren von ungefähr 30µmüber die gesamte Länge des detektierten Bereichs. Eine nachträgliche Korrektur <strong>der</strong> (y,z)-Position <strong>der</strong> Spuren ist also unbedingt erfor<strong>der</strong>lich, um eine hohe Ortsauflösung zu gewährleisten.In einem ersten Ansatz, <strong>der</strong> noch während <strong>der</strong> Exper<strong>im</strong>entierzeit am ILL angewendetwurde, kann die Biegung und Verkippung auf folgende Weise korrigiert werden:Die Anwendung einer zweid<strong>im</strong>ensionalen Drehmatrix auf jeden einzelnen Datenpunktsorgt dafür, dass die Biegung des <strong>Neutronen</strong>bandes symmetrisch bezüglich <strong>der</strong> Mitte,also etwa bei y = 4cm, ist. Anschließend wird ein Kreisbogen an die untere Kante des<strong>Neutronen</strong>bandes angepasst. Die untere, scharf definierte Kante ist eine Abbildung <strong>der</strong>Kante des hinteren <strong>Neutronen</strong>spiegels in Bereich II, wo <strong>der</strong> Detektor plaziert wurde. DieKante des <strong>Neutronen</strong>spiegels dient als gute Referenz aufgrund <strong>der</strong> hohen Ebenheit <strong>der</strong>Spiegel.Der Kreisbogen erlaubt nun eine Entzerrung <strong>der</strong> Daten durch eine Koordinatentransformationzwischen zweid<strong>im</strong>ensionalen Zylin<strong>der</strong>koordinaten und kartesischen Koordinaten:( ( r z−→(5.1)φ)y)mitz = ry = r · sin φ . (5.2)Nach dieser Methode wurden beide Datensätze korrigiert, das Resultat ist in Abbildung5.4 zu sehen.Nach <strong>der</strong> Transformation in kartesische Koordinaten können die Datenpunkte auf die z-Achse projiziert werden. Das Resultat ist die Höhenverteilung <strong>der</strong> <strong>Neutronen</strong>, die auf denSpurdetektor getroffen sind. Dies entspricht <strong>der</strong> Aufenthaltswahrscheinlichkeit <strong>der</strong> detektierten<strong>Neutronen</strong> in Abhängigkeit <strong>der</strong> z-Koordinate. Die histogrammierten Datenpunktezeigt Abbildung 5.5. Als Bin - Breite wurde die Ortsauflösung des Detektors gewählt und


5.1 Analyse zum Quantum Bouncing Ball 76150x = 0cm, Detektor TE 2100z−Richtung [µm]500−502 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12y−Richtung [cm]150x = 6cm, Detektor TE 5100z−Richtung [µm]500−503 4 5 6 7 8 9 10 11 12y−Richtung [cm]Abbildung 5.4: Die Rohdaten nach <strong>der</strong> Anwendung <strong>der</strong> Korrektur.beträgt 2.0µm. Die Fehlerbalken geben die absolute, statistische Unsicherheit wie<strong>der</strong>.Trotz <strong>der</strong> großen Sorgfalt, mit <strong>der</strong> die Entzerrung des Streifens durchgeführt wurde,ist die Genauigkeit dieser Methode nicht besser als auf 2µm. Die geringere Anzahl anPunkten bei x = 6cm machte es zusätzlich schwieriger, die Daten zu korrigieren. Umsystematische Effekte durch die Korrektur gering zu halten, konnten nur die inneren 30%<strong>der</strong> Messung bei x = 6cm verwendet werden. In diesem Bereich ist die Biegung geringerals an den Rän<strong>der</strong>n. Die verbleibende Anzahl an detektierte <strong>Neutronen</strong> betrug etwa 850.In einem weiterführenden, verbesserten Ansatz kann auf die explizite Form <strong>der</strong> Biegung,die a priori nicht bekannt ist, verzichtet werden. Hierfür wird <strong>der</strong> gesamte <strong>Neutronen</strong>streifensegmentiert und jeweils <strong>der</strong> Schwerpunkt jedes Segments best<strong>im</strong>mt. Anschließendkönnen mithilfe <strong>der</strong> Abweichung <strong>der</strong> Schwerpunkte die Daten korrigiert werden. DieseMethode stand bei <strong>der</strong> ersten Auswertung <strong>der</strong> Spurdetektoren noch nicht zur Verfügung.


5.1 Analyse zum Quantum Bouncing Ball 77300Höhenverteilung bei x=0cm50Höhenverteilung bei x=6cm25040Anzahl200150Anzahl3020100501000 20 40 60 80 100Höhe z [µm]00 20 40 60 80 100Höhe z [µm]Abbildung 5.5: Histogramme <strong>der</strong> projizierten Daten. Für die Messungbei x = 6cm wurden nur die inneren 30% <strong>der</strong> Datenverwendet. Man erkennt die deutlich verringerte Statistikgegenüber <strong>der</strong> Messung bei x = 0cm.5.1.3 Theorie und Messung <strong>im</strong> VergleichEs soll nun versucht werden, die gemessenen Aufenthaltswahrscheinlichkeiten |φ II (z)| 2in Abbildung 5.5 mithilfe des quantenmechanischen Modells, wie es in Abschnitt 2.3vorgestellt wurde, zu beschreiben. Für die Aufenthaltswahrscheinlichkeit bei x = 0cmwird die inkohärente SummeN∑|φ(0cm)| 2 = N 1 · |c n | 2 |ψn| I 2 (5.3)<strong>der</strong> Eigenzustände von Bereich I angenommen. Das Modell des Absorbers, wie es inAbschnitt 3.3 vorgestellt wurde, steckt in den Besetzungswahrscheinlichkeiten c n <strong>der</strong> Zustände.Man vergleiche hierzu auch die obige Formel mit (2.47).Die Funktion bei x = 6cm hat eine kompliziertere Gestalt. Hier muss noch die Zeitentwicklungdes Wellenpakets berücksichtigt werden:2|φ(6cm)| 2 N∑= b 2 + N 2 ·˜f∣ m ψm II · e−iEn/(t−t 1)∣m∣ N∑∣∣∣∣2= b 2 + N 2 ·˜f∣ m ψm II · e −iEn/∆t (5.4)mit ˜fm =N∑n=1nmc n · 〈ψ IIm |ψ I n〉 .Mit <strong>der</strong> Notation ˜f m soll eine Unterscheidung zu f m aus Gleichung (2.48) getroffen werden.Dort ist die Zeitentwicklung in f m eingebunden. Folgende freie Parameter gehen indie Rechnungen ein:


5.1 Analyse zum Quantum Bouncing Ball 78• Die Besetzungswahrscheinlichkeiten c n <strong>der</strong> Eigenzustände, die zum gesamten Wellenpaketbeitragen. Diese werden durch die Präparationsmessung festgelegt. DieZeitabhängigkeit und damit die <strong>Dynamik</strong> steckt in• Die Normierung N 1 ,N 2 <strong>der</strong> beiden Wellenpakete.• Der Untergrund b 2 <strong>der</strong> Messung bei x = 6cm.e −iEn/(t−t 1) . (5.5)Zusätzlich muss beachtet werden, dass die x-Geschwindigkeit <strong>der</strong> ultrakalten <strong>Neutronen</strong>nicht monochromatisch istZudem propagieren die <strong>Neutronen</strong> nicht absolut parallel durch das Gravitationssetupund haben eine gewisse Divergenz. Die genaue S<strong>im</strong>ulation dieses Effekts ist schwierigund erfor<strong>der</strong>t möglicherweise eine Monte-Carlo-Analyse.Stattdessen wurde in einem vereinfachenden Ansatz eine mittlere Propagationszeit <strong>der</strong>ultrakalten <strong>Neutronen</strong> von 10.4ms für die Strecke zwischen <strong>der</strong> Stufe und x = 6cm angenommen.Weiterhin ist die endliche Ortsauflösung des Spurdetektors von σ ges = 2.0µm durcheine Faltung mit in die Rechnung einzubeziehen. Als Auflösungsfunktion wurde eineLorentzverteilungA(z) = 1 π · 1 σ ges2 (1/2 · σ ges ) 2 + z 2 (5.6)angenommen. Qualitativ werden dadurch die charakteristischen Interferenzstrukturengeringfügig verschmiert.S<strong>im</strong>ultaner Fit Die freien Parameter werden s<strong>im</strong>ultan an die beiden Datensätze beix = 0cm und x = 6cm gefittet. Auf diese Weise wird geprüft, ob mit denselben Fit-Parametern beide x-Positionen beschrieben werden können. Das Ergebnis des Fits mit 9Parametern ist in Abbildung 5.6 dargestellt.Zum jetzigen Zeitpunkt ist es so, dass die Daten ohne einen ad hoc eingeführten Streckungsparameters 1 = 0.90 bei x = 0cms 2 = 0.83 bei x = 6cm (5.7)(5.8)nicht beschrieben werden. Dieser Effekt war auch schon in früheren Messungen mit demSpurdetektor zu beobachten und gründet möglicherweise auf einer irreversiblen, thermischenAusdehnung des Detektors während des Ätzprozesses. Man bedenkte, dass schonsehr geringe Ausdehungen <strong>im</strong> Bereich von wenigen Mikrometern diesen Effekt erklärenkönnten.Mit den Streckungsparamtern ergibt sich für dieses Modell ein gemeinsames reduziertesχ 2 vonχ 2 red= 1.02 (5.9)


5.1 Analyse zum Quantum Bouncing Ball 79300DatenFit−BereichFit−Ergebnis250200Anzahl1501005000 20 40 60 80 100Höhe z [µm]5040DatenFit−BereichFit−Ergebnis30Anzahl201000 20 40 60 80 100Höhe z [µm]Abbildung 5.6: Die Ergebnisse des s<strong>im</strong>ultanen Fits. Oben ist die Positionx = 0cm abgebildet, unten die Position bei x = 6cm.bei 63 Freiheitsgraden und damit eine Wahrscheinlichkeit vonP(χ 2 ) = 0.47 . (5.10)Auf den ersten Blick scheint ein so gutes Ergebnis des Fits aufgrund <strong>der</strong> großen statistischenFehler bei x = 6cm nicht verwun<strong>der</strong>lich zu sein, man beachte jedoch, dassbeide Datensätze s<strong>im</strong>ultan gefittet wurden. In Tabelle 5.2 sind die Fit-Ergebnisse <strong>der</strong>freien Parameter zusammengestellt. Für N = 6 zugelassene Zustände ergaben sich diebesten Ergebnisse. Schon <strong>der</strong> siebte Zustandkonnte den Präparationsschlitz nicht mehrpassieren. Es fällt auf, dass <strong>der</strong> fünfte Zustand gegenüber den an<strong>der</strong>en Zuständen starkunterdrückt ist. Möglicherweise konvergiert <strong>der</strong> χ 2 -Fit noch nicht in seinem globalen Min<strong>im</strong>um.Für zukünftige Analysen ist eine genaue Untersuchung aller χ 2 -Umgebungen <strong>der</strong>9 Fit-Parameter nötig.


5.2 Integralmessung 80Tabelle 5.2: Fit-Ergebnisse <strong>der</strong> freien Parameter des „s<strong>im</strong>ultanen Fits“.Besetzungwahrscheinlichkeiten c n {17.2,35.3,26.5,8.9, 10 −16 ,12.1}%Normierungen N 1 ,N 2 ...,...Untergrund b 2 1.3n5.2 IntegralmessungMit <strong>der</strong> Integralmessung soll untersucht werden, ob <strong>der</strong> Streuer tatsächlich <strong>Neutronen</strong>,die die rauhe Oberfläche berühren, aus dem Exper<strong>im</strong>ent herausstreut. Dazu wurde dieTransmission durch den Präparationsschlitz in Abhängigkeit <strong>der</strong> Schlitzbreite l 1 gemessen.In Abbildung 5.7 ist <strong>der</strong> Versuchsaufbau zur Integralmessung skizziert, als Zählrohrkam Detektor 2 zum Einsatz.In <strong>der</strong> ersten Messung befand sich <strong>der</strong> Streuer oben, dies entspricht <strong>der</strong> normalen Geometrie.Bei <strong>der</strong> zweiten Messung wurde das System umgedreht, sodass sich <strong>der</strong> <strong>Neutronen</strong>spiegeloben befindet und <strong>der</strong> Streuer unten. Dieser Aufbau wird als inverse Geometriebezeichnet.Abbildung 5.7: Messaufbau <strong>der</strong> Integralmessung, hier bei normaler Geometrie.Die Größe des Detektors ist nicht maßstabsgetreudargestellt.Normale Geometrie In Abhängigkeit <strong>der</strong> Schlitzbreite l 1 wird die Transmission T(l 1 )<strong>der</strong> ultrakalten <strong>Neutronen</strong> durch den Präparationsschlitz gemessen. Klassisch erwartetman ein Verhalten T kl (l 1 ) ∝ l 3/2 , denn für den zugänglichen Phasenraum <strong>der</strong> <strong>Neutronen</strong><strong>im</strong> Gravitationspotential giltT kl (l 1 ) = blubber . (5.11)


5.2 Integralmessung 81Die gemessene Transmissionskurve unterscheidet sich davon deutlich. Wie in Abbildung5.8 zu sehen ist, steigt die Zählrate erst ab einer gewissen Schwelle bei 15 ± 2µm an, wasin etwa <strong>der</strong> semiklassisch berechneten Höhez 1 = 13.77µm (5.12)des ersten Eigenzustandes entspricht. Anschaulich gesprochen „passt“ ab dieser Schwelle<strong>der</strong> erste Eigenzustand in den Präparationsschlitz und die Transmission steigt daraufhinan. Außerdem erkennt man bei 20µm ein markantes Knie, das möglicherweise als weitereStufe aufgrund des quantenmechanischen Transmissionsverhaltens <strong>der</strong> <strong>Neutronen</strong>gedeutet werden kann. Erst wenn <strong>der</strong> nächste Eigenzustand in den Präparationsschlitzeingekoppelt werden kann, steigt die Kurve erneut an.Die Untergrundzählrate bei dieser Messung lag bei 10.6 ± 0.9 · 10 −3 s −1 und ist in <strong>der</strong>Abbildung durch die orangene Linie angedeutet.1Daten normale GeometrieDaten invertierte Geometrieklassische ErwartungUntergrundzählrateZählrate [s −1 ]0.10.010 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 110 120 130 140 150 160 170 180 190 200 210Schlitzbreite l 1 [µm]Abbildung 5.8: Ergebnisse <strong>der</strong> Transmissionsmessung bei normaler undinverser Geometrie. Die schwarze Kurve entspricht <strong>der</strong>klassischen Erwartung.Inverse Geometrie Eine π-Rotation des Spiegel-Streuer-Systems ist gleichbedeutendmit <strong>der</strong> Ersetzung von −g durch g. Hätte die Gravitation keinen Einfluss auf die quantenmechanischenZustände <strong>im</strong> Präparationsschlitz, wäre kein Unterschied <strong>im</strong> Transmissionsverhalten<strong>der</strong> ultrakalten <strong>Neutronen</strong> unter einer π-Rotation zu erwarten. Es gäbekeine Vorzugsrichtung und die Transmission wäre invariant unter <strong>der</strong> Invertierung desSystems aus Streuer und <strong>Neutronen</strong>spiegel.Wenn <strong>der</strong> Streuer als solcher fungiert, muss die Transmission bei inverser Geometriequalitativ wesentlich geringer sein als bei normaler Geometrie. Jedes ultrakalte Neutron,das in den Präparationsschlitz gelangt, erfährt mehrmals eine Wechselwirkung mit <strong>der</strong>rauen Oberfläche des Streuers, da in einer semiklassischen Betrachtungsweise die typischeHüpfweite eines ultrakalten Neutrons <strong>im</strong> Schlitz etwa 3cm beträgt und <strong>der</strong> Streuer eine


5.2 Integralmessung 82Länge x 1 von 10cm hat. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Neutron durch den Schlitzgelangen kann, ist daher aufgrund <strong>der</strong> diffusen Streuung gering. In Abbildung 5.8 istneben <strong>der</strong> Transmission bei normaler Geometrie die gemessene Transmission <strong>der</strong> inversenGeometrie dargestellt.Man erkennt, dass die Zählrate <strong>der</strong> inversen Geometrie deutlich unterhalb <strong>der</strong> Datenpunktebei normaler Geometrie verläuft.Der markante Unterschied in <strong>der</strong> Transmission zwischen normaler und inverser Geometriezeigt deutlich, dass eine korrekte Beschreibung des Systems die Einbeziehung <strong>der</strong>Gravitation erfor<strong>der</strong>t.


Kapitel 6Zusammenfassung und Ausblick6.1 Die aktuelle MessungIm Rahmen dieser Arbeit wurde ein Exper<strong>im</strong>ent aufgebaut, das die quantemechanischeFallbewegung <strong>ultrakalter</strong> <strong>Neutronen</strong> <strong>im</strong> <strong>Gravitationsfeld</strong> <strong>der</strong> <strong>Erde</strong> untersucht. Dazu werdendie <strong>Neutronen</strong> in einen quantenmechanischen Zustand präpariert, um sie anschließendüber eine 30µm hohe Stufe propagieren zu lassen.Im Sommer 2008 wurden erste Messungen dazu durchgeführt und die Höhenverteilung <strong>der</strong>ultrakalten <strong>Neutronen</strong> nach <strong>der</strong> Stufe über einer horizontalen, spiegelnden Fläche orstaufgelöstdetektiert. Dies repräsentiert die Aufenthaltswahrscheinlichkeit |φ(z)| 2 . Durch dieMessung <strong>der</strong> Aufenthaltswahrscheinlichkeit an verschiedenen x-Position nach <strong>der</strong> Stufekann die <strong>Dynamik</strong> <strong>der</strong> Fallbewegung <strong>der</strong> ultrakalten <strong>Neutronen</strong> sichtbar gemacht werden.Dabei treten charakteristische Interferenzstrukturen aufgrund <strong>der</strong> linearen Superposition<strong>der</strong> einzelnen Eigenzustände auf. Um diese Interferenzstrukturen sichtbar zu machen,kam ein Spurdetektor mit einer sehr hohen Ortsauflösung von 2µm zum Einsatz.Weiterhin wurden Messungen am Exper<strong>im</strong>ent selbst durchgeführt, um äußere Einflüssewie die Neigung des gesamten Aufbaus, Vibrationen und externe Magnetfel<strong>der</strong> abschätzenzu können. Dies ist entscheidend für zukünftige Messungen mit diesem Exper<strong>im</strong>ent,um systematische Effekte präziser angeben zu können. Es hat sich gezeigt, dass die obenerwähnten Effekte ausreichend kompensiert werden können und <strong>im</strong> Rahmen <strong>der</strong> gefor<strong>der</strong>tenGenauigkeit zu vernachlässigen sind. Dies ist durchaus als Erfolg zu werten.Es wurde ein Steuerung weiterentwickelt, mit dem die Neigung des gesamten Aufbauskontolliert und nachgeregelt wird. Dabei konnte eine hohe Langzeitstabilität erreicht werdenbei gleichzeitig sehr geringen Winkelabweichungen von nur 0.67µRad. Es war anfangsnicht abzusehen, ob diese hohe Winkelgenauigkeit unter den Exper<strong>im</strong>entierbedingungenauf <strong>der</strong> Plattform des UCN-Strahlplatzes des ILL realisiert werden kann.Um verschiedene Kalibrationsmessungen am Exper<strong>im</strong>ent durchführen zu können, wurdeparallel ein Zählrohr entwickelt, das für den Nachweis <strong>ultrakalter</strong> <strong>Neutronen</strong> opt<strong>im</strong>iertist. Es konnte eine Nachweiseffizienz <strong>im</strong> relevanten Geschwindigkeitsbereich von 32% beieiner intrinsischen Untergrundzählrate <strong>im</strong> Bereich von 5 · 10 −3 s −1 erreicht werden.Die erste Analyse des Quantum Bouncing Ball zeigt, dass für die beiden Messungen anden Positionen x = 0cm und x = 6cm eine quantenmechanische Beschreibung sinnvollerscheint. Die Zeitentwicklung nach <strong>der</strong> Stufe zeigt eine gute Übereinst<strong>im</strong>mung mit demquantenmechanischen Modell, jedoch sind weitere Analysen an weiteren x-Positionen83


6.2 Suche nach Abweichungen vom Newtonschen Gravitationsgesetz 84nötig, um die <strong>Dynamik</strong> des Wellenpakets weiter zu prüfen. Die ad hoc eingeführten Streckungsfaktoren,ohne die sich die Daten nicht beschreiben ließen, sind aus physikalischerSicht sicher noch etwas unbefriedingend. Momentan wird geprüft, ob dies ein intrinsischer,systematischer Effekt des Spurdetektors ist.Im Frühjahr 2009 wird bereits eine weitere Messung mit dem bestehenden Gravitationsexper<strong>im</strong>entam UCN-Strahlplatz des ILL durchgeführt. In den letzten Monaten konntenweitere Verbesserungen am Aufbau vorgenommen werden, sodass es in <strong>der</strong> anstehendenExper<strong>im</strong>entierzeit möglich erscheint, den Quantum Bouncing Ball zu vermessen. Eine opt<strong>im</strong>aleNutzung <strong>der</strong> verfügbaren <strong>Neutronen</strong> wird zusätzlich die statistische Unsicherheitweiter senken.6.2 Suche nach Abweichungen vom NewtonschenGravitationsgesetzIn den letzten 30 Jahren gab es von theoretischer Seite große Anstrengungen, eine gemeinsameTheorie <strong>der</strong> Quantenmechanik und <strong>der</strong> Gravitation zu finden. Spätestens <strong>im</strong>Bereich <strong>der</strong> Planckskala√cm P =G ≈ 1019 GeVl P = 1m Pc ≈ 10−35 mt P = l Pc ≈ 10−43 s (6.1)ist eine Quantemechanik <strong>der</strong> Gravitation unumgänglich, da hier die de-Broglie-Wellenlängeeines Teilchens seinem eigenen Schwarzschildradius entspricht.Aus historischen Gründen wird für die Abweichungen vom Newtonschen Gravitationsgesetz,die von einer ganzen Reihe von Theorien vorhergesagt werden, <strong>der</strong> Begriff FünfteKräfte verwendet. Sie werden auf einfache Weise durch einen Yukawa-artigen PotentialverlaufV 5 (r) = α · e −r/λ (6.2)parametrisiert. Die Größe α gibt die Stärke in Einheiten <strong>der</strong> Gravitationskonstanen Gan, während λ die charakteristische Reichweite des Potentials ist. Das gesamte Potentialunter Einbeziehung <strong>der</strong> Fünften Kräfte stellt sich also dar alsV ges (r) = −G Mmr(1 + α · e −r/λ) . (6.3)Zu Beginn dieser Arbeit wurde erwähnt, dass Stringtheorien eine aussichtsreiche Möglichkeitdarstellen, alle vier fundamentalen Wechselwirungen in einer vereinheitlichtenTheorie zu beschreiben. Innerhalb dieses Szenarios existiert eine Klasse von Theorien,in <strong>der</strong> mindestens zwei <strong>der</strong> sechs o<strong>der</strong> mehr zusätzlich erfor<strong>der</strong>lichen Raumd<strong>im</strong>ensionenzu großen Extrad<strong>im</strong>ensionen mit einer Ausdehnung R c <strong>im</strong> sub-Mill<strong>im</strong>eter-Bereichkompaktifiziert werden. Das erfor<strong>der</strong>t jedoch die Annahme, dass die Planckmasse keine


6.2 Suche nach Abweichungen vom Newtonschen Gravitationsgesetz 85fundamentale son<strong>der</strong>n eine effektive Größe darstellt. Unter Benutzung des GaußschenIntegralsatzes in (4+n) D<strong>im</strong>ensionen kann <strong>der</strong> Zusammenhang [Arkani]m 2 P = mn+2 P(4+n) · Rn c ⇒ R c =( )12/n mP·(6.4)m P(4+n) m P(4+n)zwischen <strong>der</strong> effektiven, 4-d<strong>im</strong>ensionalen und <strong>der</strong> (4+n)-d<strong>im</strong>ensionalen Planckmasse hergestelltwerden. Bringt man nun die (4+n)-d<strong>im</strong>ensionale Planckmasse auf die Skala <strong>der</strong>schwachen Wechselwirkung m W = 1TeV und setzt für m P die Planckmasse 10 19 GeVin 4 D<strong>im</strong>ensionen ein, ist die Größe <strong>der</strong> kompaktifizierten Extrad<strong>im</strong>ension nur noch vonn, also ihrer Anzahl, abhängig. Für n = 1 ergibt sich für die Ausdehnung <strong>der</strong> Extrad<strong>im</strong>ensionenR c ≈ 10 11 m, was durch Präzisionsmessungen <strong>der</strong> Planetenbahnen unseresSonnensystems ausgeschlossen ist. Bei n ≥ 2 erreicht man den sub-Mill<strong>im</strong>eter-Bereich,<strong>der</strong> exper<strong>im</strong>entell nur wenig erschlossen ist und <strong>im</strong> Bereich <strong>der</strong> Fallhöhen liegt, die demhier beschriebenen Gravitationsexperiement entsprechen.Die großen Extrad<strong>im</strong>ensionen sind vom ästhetischen Standpunkt äußerst interessant.Statt den beiden weit voneinan<strong>der</strong> getrennten Skalen <strong>der</strong> schwachen und gravitativenWechselwirkung m W und m P bleibt als einzige fundamentale Skala die <strong>der</strong> schwachenWechselwirkung, die mit sehr hoher Genauigkeit an Beschleunigerexper<strong>im</strong>enten wie beispielsweisedem LEP 1 überprüft wurde. Die „Energiewüste“ von 16 Größenordnungenzwischen m W und m P tritt nichtmehr auf.Die Teilchen des Standardmodells sowie <strong>der</strong>en Austauschfel<strong>der</strong> können nicht in die Extrad<strong>im</strong>ensioneneindringen und bleiben auf unserer 4-d<strong>im</strong>ensionalen Brane lokalisiert. Dieexper<strong>im</strong>entelle Evidenz liefern die oben erwähnten Beschleunigerexper<strong>im</strong>ente, die dasStandardmodell bis in den Bereich <strong>der</strong> Quarks und Gluonen geprüft haben und keineEffekte durch Extrad<strong>im</strong>ensionen messen konnten. Nur die Gravitation und zusätzliche,eventuell supersymmetrische Eichfel<strong>der</strong> propagieren in die Extrad<strong>im</strong>ensionen.Angenommen, die massiven Eichfel<strong>der</strong> koppeln wie die Gravitation ebenfalls an die Massedes Protons und Neutrons, kann die kurzreichweitige Wechselwirkung unabhängig von<strong>der</strong> Zahl <strong>der</strong> Extrad<strong>im</strong>ensionen durchF gaugeF G=g 2 4Gm proton≈ 10 6 g 2 4(m W /m P ) 2 ≈ 106 ( g 410 −16 ) 2(6.5)abgeschätzt werden [Arkani]. Selbst bei einer sehr kleinen effektiven, 4-d<strong>im</strong>ensionalenKopplungsstärke g 4 von 10 −16 würde dies eine zusätzliche Kraft <strong>im</strong> Bereich <strong>der</strong> Ausdehnung<strong>der</strong> Extrad<strong>im</strong>ensionen R c bedeuten, die um den Faktor 10 6 stärker ist als dieGravitation.In dieser Arbeit wurde ein Exper<strong>im</strong>ent aufgebaut, dass die quantenmechanische Fallbwegung<strong>ultrakalter</strong> <strong>Neutronen</strong> bei Fallhöhen <strong>im</strong> Bereich von mehreren Mikrometern untersucht.Wenn die Masse des Eichfeldes m gauge = λ −1 klein genug ist, um typische1 Der „Large Electron Positron Colli<strong>der</strong>“ des CERN bei Genf in <strong>der</strong> Schweiz war ein Ringbeschleuniger,in dem Elektronen und Positronen bei einer Schwerpunktsenergie von 120GeV zur Kollision gebrachtwurden.


6.2 Suche nach Abweichungen vom Newtonschen Gravitationsgesetz 86Reichweiten in diesem Bereich zu erzeugen, eröffnet dies die Möglichkeit Abweichungendes Newtonschen Gravitationsgesetzes bei diesen Längenskalen zu messen. Die oberenGrenzen für die Stärke α = g 4 , die bei <strong>der</strong> Messung des Quantum Bouncing Ball erreichtwerden können, liegen <strong>im</strong> Bereich von|α| ≈ 10 7 (90% CL) , (6.6)wobei nur <strong>der</strong> statistische Fehler durch die l<strong>im</strong>itierte <strong>Neutronen</strong>zählrate berücksichtigtist. In vorigen Exper<strong>im</strong>enten konnte bereits eine obere Grenze von|α| ≈ 10 12 (90% CL) (6.7)für die Existenz Fünfter Kräfte <strong>im</strong> Bereich zwischen 1µm und 10µm best<strong>im</strong>mt werden[Nahr,Krantz,Abe].Die Steigerung <strong>der</strong> Sensitivität gegenüber früheren Exper<strong>im</strong>enten gründet auf folgendenPunkten:• Durch die Än<strong>der</strong>ung des Potentials bei kleinen Abständen ≈ λ än<strong>der</strong>t sich auch dieForm <strong>der</strong> Eigenzustände, da diese durch den zusätzlichen, Yukawa-artigen Potentialtermin <strong>der</strong> Schrödingergleichung beeinflusst werden. Aufgrund seiner kurzenReichweite kann <strong>der</strong> zusätzliche Potentialterm <strong>im</strong> Rahmen <strong>der</strong> zeitunabhängigenStörungstheorie behandelt werden.• Die Energiedifferenz <strong>der</strong> quantisierten Eigenenergien geht direkt in den Interferenzterm<strong>der</strong> Zeitentwicklung des Wellenpakets nach <strong>der</strong> Stufe ein. Werden dieseEnergien durch das Störpotential <strong>der</strong> Fünften Kräfte geringfügig geän<strong>der</strong>t, verän<strong>der</strong>tdies die Phasenbeziehung <strong>der</strong> Eigenzustände und damit die Interferenzstruktur<strong>der</strong> Zeitentwicklung.In <strong>der</strong> Summe ergeben diese beiden Effekte eine höhere Sensitivität gegenüber den vorangegangenenExper<strong>im</strong>enten. Zusätzlich kann die Oberfläche <strong>der</strong> <strong>Neutronen</strong>spiegel miteiner dünnen Schicht <strong>im</strong> Bereich von µm aus Gold o<strong>der</strong> Wolfram beschichtet werden.Die Effekte durch die Fünften Kräfte werden zusätzlich verstärkt, da Beide Stoffe einehöhere Massendichte als das BK7-Glas aufweisen.In Abbildung 6.1 ist <strong>der</strong> aktuelle Ausschließungsplot <strong>der</strong> Stärke α <strong>der</strong> Fünften Kräftezwischen λ = 1µm und λ = 10 4 m dargestellt. Das Bild entstammt [MDF + 08]. DieKurven 1-5 entstammen aus verschiedenen Gravitationsexper<strong>im</strong>enten, Kurve 6 kommtaus einer Messung <strong>der</strong> Cas<strong>im</strong>ir-Kraft. Eine genauere Beschreibung sowie <strong>der</strong> Verweis aufdie zugehörigen Exper<strong>im</strong>ente findet sich in [MDF + 08].


6.2 Suche nach Abweichungen vom Newtonschen Gravitationsgesetz 87Abbildung 6.1: Aktuelle obere Grenzen für die Stärke α <strong>der</strong> FünftenKräfte gegen die Reichweite λ aufgetragen. Die genauereErklärung zu den Kurven ist in [MDF + 08] zu finden.


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ErklärungIch versichere, dass ich diese Arbeit selbständig verfasst und keine an<strong>der</strong>en als die angegebenenQuellen und Hilfsmittel benutzt habe.Heidelberg, den

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