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Block 20 1 Die psychischen Funktionen

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Daniela Zwick <strong>20</strong>11/<strong>20</strong>12<strong>Block</strong> <strong>20</strong>1 <strong>Die</strong> <strong>psychischen</strong> <strong>Funktionen</strong>1.1 Einleitung• <strong>Die</strong> Psyche kann rudimentär mit Neuroimaging sichtbar gemacht werden• Unterscheidung in basale und komplexe psychische <strong>Funktionen</strong>• Basale <strong>Funktionen</strong>: bei allen Menschen in gleicher Weise angelegtWahrnehmung mittels Sinnesorganen, Speicherung imGedächtnis – dafür benötigt man:Wachheit, Aufmerksamkeit, Motivation, Gedächtnis, Emotion,Kognition• Höhere <strong>Funktionen</strong>: Fähigkeit der Realitätsprüfung,Identität mir Fähigkeit zur Selbst- und Objektwahrnehmung,Reife Abwehrmechanismen,Fähigkeit, stabile zwischenmenschliche Beziehungeneinzugehen,Fähigkeit zu Impulssteuerung,Fähigkeit zu moralischem HandelnMERKE:Basale <strong>Funktionen</strong> benötigen keine psychosozialen Einflüsse, um sich zu entwickeln, obwohlsie durch diese sekundär beträchtlich beeinflusst werden können.= Basis für jedes psychische Funktionieren und damit Basis für komplexe <strong>Funktionen</strong>!MERKE:Komplexe <strong>Funktionen</strong> stehen stark unter dem Einfluss psychosozialer Vorgänge.Sie sind nicht in jedem Menschen gleichermaßen angelegt und setzen eine stabileEntwicklung mit zwischenmenschlichen Beziehungen voraus.Bei unzureichender Entwicklung => psychische Erkrankung(Bsp.: von Ältern misshandelt => Unfähigkeit zwischenmenschliche Beziehungen einzugehen=> Depression)Wichtige Störfaktren in der Entwicklung (Beeinträchtigung der basalen und daraus Folgendder komplexen <strong>Funktionen</strong>):• Frühkindliche Beziehungserfahrungen• Adoleszente Krisen• Stress• Genetische Veranlagung• Hirnorganische Schädigungen• IntoxikationenCAVE:Zwischen <strong>psychischen</strong> <strong>Funktionen</strong> und <strong>psychischen</strong> Erkrankungen besteht einunidirektionales Wirkungsverhältnis.Weiters können nicht nur <strong>Funktionen</strong> Störungen hervorrufen, sondern auch Störungen<strong>Funktionen</strong> verändern – Bsp.: Depression verschlechtert die Aufmerksamkeits- undGedächtnisleistung.1


Daniela Zwick <strong>20</strong>11/<strong>20</strong>121.2 Basale psychische <strong>Funktionen</strong>1.2.1 Grundlagen der Hirnfunktion<strong>Die</strong> quantitative Dimension:• 10^11 Nervennzellen im ZNS• Gesamtlänge von 700.000km• Mehr als 100 verschiedene Neurotransmitter – für jeden von ihnen 10 Rezeptoren• Es können 50% oder mehr der Nervenzellen oder Axone verloren gehen, bevorklinisch messbare neurologische Ausfälle auftreten.Topographisch- funktionelle Organisation des Gehirns:• Große Nervenzellzahl erklärt Funktion des Gehirns nicht – Darm hat 10^8Nervenzellen – jedoch ist hier die Verschaltung sehr einfach – Funktion ist nachAußen (Sensorik, Motorik) gerichtet.• ZNS: Nervenzellkommunikation vorwiegend intern• Gliederung des Hirns in funktionelle Domänen (Sehen, Hören, etc.)• Zwischen den funktionell genau definierten Regionen liegen Hirnbereiche, die für dieweitere Verarbeitung der Information verantwortlich sind = Assoziationsfelder• Vernetzung der Hirnbereiche untereinander: Beispiel Spiegelneurone:Bestimmte Neurone, die für die Planung von Bewegung verantwortlich sind, werdenauch erregt, wenn die Bewegung nur beobachtet wird. => das gleiche Neuron ist fürdie Planung einer Bewegung als auch für die sinnvolle Interpretation einer BewegungverantwortlichÄhnliche Spiegelneurone für erlebten und beobachteten Schmerz.Wichtig: Sie sind an emotionale Wahrnehmung gekoppelt =>Sie sind umso aktiver, he mehr eine Beobachtung eine emotionale Reaktion auslöst.CAVE: Bei autistischen Kindern scheint die Funktion der Spiegelneurone vermindertzu sein.Fokussierung der Reizantwort im Gehirn in Raum und Zeit durch inhibitorische Interneurone:• Funktion ist im Hippocampus am besten untersucht:• Einem einzigen Typ von exzitatorischen Neuronen stehen über <strong>20</strong> inhibitorischeInterneurone gegenüber.• <strong>Die</strong>se vermitteln räumlich und zeitlich versetzte Reizantworten.Reizspeicherung und Gedächtnis:• Explizites Gedächtnis = Erlernen von Fakten und Erlebnissen = Hippokampus• Implizites Gedächtnis = unbewusstes Gedächtnis• Motorisches Gedächtnis = Striatum, Kleinhirn• Assoziatives Lernen = Amygdala• Abspeicherung in molekularer Form ist überall ähnlich.• <strong>Die</strong> Speicherung erfolgt über eine Verbesserung der Effizienz der synaptischenÜbertragung.• Kurzzeitgedächtnis:repetitive Erregung => molekulare Veränderung prä- und postganglionärer Anteile =>Vermehrung der Transmitterausschüttung + Vermehrung der Transmitterrezeptoren<strong>Die</strong>se Veränderungen sind reversibel.2


Daniela Zwick <strong>20</strong>11/<strong>20</strong>12• Langzeitgedächtnis:Neubildung von synaptischen Verbindungen durch Gen- Translation in peripherenDendritenBestehende Gedächtnisinhalte werden häufig modifiziert oder auch wieder vergessen.Regelmäßige Aktivität ist notwendig, um gespeicherte Inhalte zu behalten.MERKE:Lernen und Gedächtnis in Form von Bahnung, wie beim epileptischen Anfall kann auch beischweren Schmerzreaktionen auftreten, sodass dies zu einem chronischen Schmerzsyndromführt.Modulatorische Systeme und ihre Rolle in der Steuerung von Aufmerksamkeit,Stimmungslage und Emotion:Kerngebiete sind eine Ansammlung von relativ wenigen Nervenzellen, die aber sehr langeFortsätze in Hirnrinde und Rückenmark entsenden:• Ncl. Basalis – Ach• Locus coeruleus – Noradrenalin• Medulla oblongata – Adrenalin• Subst. Nigra – Dopamin• Dorsaler Hypothalamus – Dopamin• Bulbus olfactorius – Dopamin• Raphe- Kerne – Serotonin• Hypothalamus – HistaminIhre Axone bilden in ihrem Verlauf Schwellungen, die aber nicht mit einer postsynaptischenMembran assoziiert sind =>MERKE:<strong>Die</strong> Erregung dieser Neurone führt zu einer diffusen Veränderung der Erregungsbereitschaftder Nervenzellen in großen Abschnitten der Hirnrinde und des Rückenmarks.<strong>Die</strong>se Neurone spielen eine wichtige Rolle in der Schmerzempfindung und der vegetativenFunktion des Körpers.Sie beeinflussen die Aufmerksamkeit (Ach, Noradrenalin, Histamin), die Stimmungslage(Dopamin, Serotonin)Genetische Polymorphismen dieser Rezeptoren können zu psychisch auffälligem Verhaltenoder psychiatrischen Erkrankungen führen – sind aber NICHT ALLEINE führ das Auftretendieser verantwortlich.1.2.2 Physiologische Grundlagen psychischer <strong>Funktionen</strong>3


Daniela Zwick <strong>20</strong>11/<strong>20</strong>121.3 Höhere psychische <strong>Funktionen</strong>1.3.1 Psychische EntwicklungVon weitaus größter Bedeutung für die psychische Entwicklung sind die frühenKindheitserfahrungen.Wesentliche Aufgabe der menschlichen Psyche = Herstellung und Erhalt eines <strong>psychischen</strong>Gleichgewichts: ist es stabil + Flexibilität = Faktor für psychische GesundheitWelche psychische Struktur hat die Aufgabe das Gleichgewicht zu halten?Das ICH = Vermittlerrolle zwischen ES (=Triebpol der Persönlichkeit) und ÜBERICH (=Gewissen + Idealvorstellungen) und der AUSSENWELTModelle der Psychoanalyse zur <strong>psychischen</strong> Entwicklung:1.) Triebentwicklung2.) Ich- und Überich- Entwicklung3.) Entwicklung von Objektbeziehungen4.) Entwicklung des Denkens5.) Container/ Contained und Reverie6.) Separation und Individuation1.) TriebentwicklungES: ist dem bewussten Erleben nicht zugänglich, kann nur erschlossen werdenist Triebpol der PersönlichkeitWas ist jetzt ein Trieb?Ein Trieb liegt einer Handlung zu Grunde, ist aber unbewusst =>Ein Trieb kann nur aus den verschiedenen bewussten Handlungen erschlossen werden, hältsich aber selbst im Verborgenen.MERKE:Ein Trieb kann NIE Objekt des Bewusstseins werden, nur die VORSTELLUNG, die ihnrepräsentiert = TRIEBREPRÄSENTANZ = TRIEBABKÖMMLINGEin Trieb wirkt wie eine konstante Kraft, man kann sich ihm nicht entziehen, wie es beimäußeren Reiz möglich ist.Wie erkenne ich den Trieb?<strong>Die</strong> kleinste psychologische Einheit, in der er sich repräsentiert und in der er auch bewusstwerden kann, ist der WUNSCH, der in Form einer UNBEWUSSTEN PHANTASIE gestaltetwird.Freud teilt in Sexualtrieb und Selbserhaltunstrieb (= Ichtriebe) – er behielt dies bei, die sich widersprechendenTriebe änderte er.Ab 19<strong>20</strong>: diese 2 Triebe werden in 2 Einheiten gefasst: Lebens- (Eros) und Todestrieb (Thanatos).Triebenergie der Sexualtriebe = Libido, Triebenergie der aggressiven Triebe = DestrudoMit dem Triebkonzept gelang es Freud die infantile Sexualität der Erwachsenensexualitätgegenüberzustellen.Für Verständnis der infantilen Sexualität: Konzept der erogenen Zonen4


Daniela Zwick <strong>20</strong>11/<strong>20</strong>12Sexuelle Partialtriebe:= einzelne Triebkomponenten der Libido, die sich entwicklungsgeschichtlich unterschiedenund unterschiedliche Betonungen haben (oral, anal, phallisch).Indem sie sich letztlich verbinden und organisieren machen sie den voll entwickelten Triebaus.„… jedem Individuu, (muss) eine Oral-, Anal-, Harnerotik usw. zugesprochen werden…dieKonstatierung der diesen entsprechenden seelischen Komplexe (bedeutet) kein Urteil aufAbnormalität oder Neurose. <strong>Die</strong> Unterschiede, die das Normale vom Abnormalen trennen,können nur in der relativen Stärke der einzelnen Komponenten des Sexualtriebes und in derVerwendung liegen, die sie im Laufe der Entwicklung erfahren.“ – FreudErogene Zonen:= Haut-, Schleimhautstelle an der bestimmte Reizungen eine Lustempfindung von gewisserQualität hervorrufen.Jede Körperstelle kann eine sein, es gibt allerdings prädestinierte:• Orale Zone: Saugen, Beißen• Anale Zone: Ausscheidung, Körperpflege• Genitale Zone: manuelle Manibulation, Zusammendrücken der Oberschenkel(Klitoris, Glans)2.) Ich- und ÜberichentwicklungICH = konstitutives Moment jeglicher <strong>psychischen</strong> Entwicklung,es besteht schon von Geburt an.<strong>Die</strong> Vermittlerrolle und seine Fähigkeiten lernt das ICH durch die Interaktion mitseiner primären Bezugsperson.Durch Introjektion (=Internalisierung) und Identifizierung werden diese tiefgreifendenVeränderungen in der Ich- Struktur erreicht.Was muss das ICH können, um die Vermittlerrolle zu übernehmen?Das ICH muss eine gewisse Frustrationstoleranz besitzen, d.h. die Fähigkeit Triebwünscheaufzuschieben!Dabei hilft die Sprache, da mit ihr die Fähigkeit zum Probehandeln einhergeht.ICH- <strong>Funktionen</strong>:Realitätsprüfung, Urteilsfunktion, Denken, Gedächtnis, Sprache, Bewusstsein,Sinneswahrnehmung, Beherrschung der Motorik, Wahrnehmung von Triebwünschen,Abwehr, Modifikation bzw. Hemmung der Triebansprüche sowie synthetische <strong>Funktionen</strong>.ÜBERICH (und seine Vorläufer) entsteht aus:a) Erfahrungen mit „gut“ und „schlecht“ ursprünglich aus Affektqualitäten in den frühenBeziehungserfahrungen mit der primären Bezugsperson (auch mehrere möglichb) Konsequenzen bei falscher Handlung (später)Erfahrungen, die zur ÜBERICHBILDUNG beitragen:Gefühle von Akzeptiertwerden, Antständigkeit und moralische Integrität bzw. Schuld, Buße,Reue, Selbstbestrafung, Sühne – daraus abgeleitet: Vergebung, Versöhnung, wiedererlangteZungeigung.Wie krieg ich jetzt mein ÜBERICH?Durch Identifizierung!5


Daniela Zwick <strong>20</strong>11/<strong>20</strong>12Kind wird im Laufe der Entwicklung von äußeren Faktoren unabhängig:Je früher ums unrealistischer und personifizierter ist das ÜBERICH. – d.h. dieGewissensansprüche haben oft wenig mit der moralischen Vorstellung der Eltern zu tun,sondern sind Ausdruck der jeweiligen Triebsituation des Kindes.Gewissensansprüche sind dann oft grotesk und ins grausame verzerrt – werden aber mit soeiner Härte eingefordert, dass sie das ICH überfordern.3.) Entwicklung von ObjektbeziehungenKonstituierung und Differenzierung äußerer und innerer Objektbeziehungen:Triebabkömmling repräsentiert die unbewusste Phantasie (siehe oben), die unbewusstePhantasie stellt eine affektive Verbindung her zwischen:a) einer Vorstellung eines (Beziehungs-)Objektes (kann ganz primitiv sein)b) einer Vorstellung von sich selbst (Selbstrepräsentanz)Wie entstehen diese Vorstellungen?Durch die frühesten Interaktionen mit der primären Bezugsperson.Eine angeborene Bereitschaft und Fähigkeit zur Objektbeziehung werden allerdingsvorausgesetzt.Wie nimmt man diese Vorstellungen in sich auf?Durch Interaktionen (=Introjektion)Was bringen mir diese Vorstellungen?Sie sind der erste Baustein für den Bau einer inneren Welt. – Es ist eine INNEREOBJEKTBEZIEHUNG entstanden:Woraus besteht die Innere Objektbeziehung?1.) einem Objektbild in Interaktion mit dem Selbst,2.) einem Selbstbild in Interaktion mit dem Objekt,3.) der affektiven Färbung sowohl des Objektbildes als auch des Selbstbildes unter demEinfluss des vorherrschenden Triebabkömmlings zum Zeitpunkt der InteraktionDas heißt, die Innere Welt des Kindes entsteht unter der emotionalen Färbung, die es derInteraktion zwischen sich und der Mutter gibt. – Voraussetzung dafür ist natürlich dieErkenntnis selbst jemand zu sein und, dass die Mutter ein Jemand ist.Wie kommt in diesem Gefühls- Tochuwawochu jetzt eine Ordnung zustande?Das Gefühlschaos organisiert sich zu:• einem guten inneren Objekt• einem schlechten inneren Objekt<strong>Die</strong> Vorstellungen werden mit zunehmendem Erleben immer differenzierter.Was bringt mir das?Differenzierung => Festlegung von Selbst- und Objektvorstellungen und Festigung der Ich-GrenzenDas ICH entwickelt sich aus diesen inneren Objekt- Erfahrungen als eine Instanz, die ANGSTzu VERMEIDEN sucht.Von einem ICH kann erst gesprochen werden, wenn dies ABWEHRFUNKTIONENfunktionerieren.6


Daniela Zwick <strong>20</strong>11/<strong>20</strong>12ICH Abwehrfunktion bei Säuglingen:a) hat die Chance sein Gleichgewicht zu halten, in dem es das gute und böseinnere Objekt durch Spaltung voneinander getrennt hält.b) Externalisierung in Form projektiver IdentifizierungWas passiert nun, wenn die Abwehrmechanismen zu stark eingesetzt werden?a) gegensätzliche Affektzustände BLEIBEN voneinander GETRENNT (Spaltung zustark)b) gegensätzliche Affektzustände sind nicht mehr zugänglichc) Objektbeziehungsmuster werden an der Synthese zu ganzheitlichenBeziehungsmustern gehindertd) ICH wird schwer geschädigt, gespalten, es entstehen 2 sich voneinander unabhängigentwickelnde ICH- Strukturen, die für jeweils voneinander unabhängige ICH-Zustände verantwortlich sindUnd wenn alles glatt geht?<strong>Die</strong> Spaltung wird überwunden – Vorstellungen werden integriertRein positive und rein negative Emotionen treten zurück, es bildet sich ein breitesGefühlsspektrum aus.Es differenziert sich die innere Welt und die realen Objektbeziehungen.Zwei basale Möglichkeiten die Welt der Objekte zu erlebe:Der Säugling kann mit den Reizen, die er empfindet nichts anfangen, erst dadurch, dass dieMutter ihn benennt, wird ihm klar, was er will.Bevor das Kind das gelernt hat, lebt es in einer „Verfolgungssituation“: Angst zu sterben,zerstückelt zu werden, etc.<strong>Die</strong>se Ängste können nur durch die Zuwendung der Mutter überwunden werden. <strong>Die</strong> Hilfeder Mutter wird belohnt – früher war die Mutter nur reine Funktion (Milch geben, etc.) jetztwird sie langsam geliebt, weil sie geholfen hat, die Ängste zu bewältigen.Wenn die Bezugsperson nun verschwindet entsteht fürchterliche Sehnsucht, kehrt die Personlänger nicht zurück, geht das innere gute Objekt verloren. <strong>Die</strong>s führt zu aggressivenTriebabkömmlingen, die aber Ursprung einer unbewussten Phantasie sind, nämlich selbst amVerlust der Mutter schuld zu sein!Wenn die Mutter wiederkommt und liebevoll ist, kann diese aggressive Situation überwundenwerden und das innere gute Objekt kehrt langsam wieder.=> Entstehung von Zyklen:Enttäuschung – Verlust des inneren Objekts – Wiedererrichtung eines guten inneren ObjektsSind normal, solange, bis sich eine Sicherheit entwickelt hat, das auch bei Abwesenheit dasgute innere Objekt bestehen bleibt.<strong>Die</strong> Arbeit die zum Erreichen dieses Zustandes nötig ist = TrauerarbeitWenn die Bedingungen weniger gut sind, geht das gute innere Objekt verloren => schwerenSchuldgefühlen, Hoffnungslosigkeit, VerzweiflungWas bringt mir das später?Aus diesen Entwicklungsschritten leiten sich zwei grundsätzliche Positionen ab:1.) die paranoid- schizoide Position2.) die depressive Position7


Daniela Zwick <strong>20</strong>11/<strong>20</strong>12Normale Entwicklung = Aufeinanderfolge von:Depressive Position – paranoid- schizoide Position – depressive Position – paranoidschizoidePosition1.) Paranoid schizoide Position<strong>Die</strong> bestehende Sicherheit und alles andere gute wird in Frage gestellt => Ängsten (sindähnlich der früheren Vernichtungsängste – können von innerem bösen Objekt oder vonäußerem feindlichen Objekt hervorgerufen werden)= Verfolgungssituation<strong>Die</strong> Bezugspersonen sind entweder bedrohliche Verfolger oder idealisierte Helfer.2.) Depressive Position= zunehmende Wiederherstellung der Intaktheit der inneren Welt.Verantwortungsgefühl der Bezugsperson tritt wieder in den Vordergrund (- im Gegensatz zurparanoiden Haltung, bei der es nur eine Selbst bezogene Haltung gibt)Schuldgefühle (weil man sich in der paranoiden Phase so deppat aufgeführt hat) =>WiedergutmachungSchmerz und Scham werden durchlebt und akzeptiert in dem Wissen, dass man sie bewältigenmuss, um seine Psyche stabil zu entwickeln.<strong>Die</strong> gesamte psychische Entwicklung des Menschen:• Narzissmus (nur aufs eigene Wohl bedacht)=> Wertschätzung des Objekts• Zwei Personen Beziehungen => Beziehungen leben und ausleben können (Prototyp =ödipale Beziehung)• Prägenitale, ödipale infantile Beziehungsmuster => erwachsenen Liebesbeziehungen4.) Entwicklung des Denkens3 Vorgänge:a) Entwicklung von Gedankenb) Entwicklung des Denkapparatsc) Fähigkeit Symbole als Ersatz für die symbolisierten Objekte zu verwenden (=fürSpracherwerb)Das eigentliche Denken beginnt mit der Fähigkeit sich etwas vorstellen zu können, das nichtals konkrete Anwesenheit erfahrbar ist.Was ist der erste Gedanke?<strong>Die</strong> Möglichkeit das abwesende Objekt zu denken.Was ist vor dem ersten Gedanken?Bis dahin gibt es nur konkrete Anwesenheiten (Mutter stillt, etc.)Störungen des Denkens => schizophrenen Psychosen (entstehen, weil die Frustration, die derDenkaufschub bedeutet, nicht ertragen werden kann)Störungen des Denkapparats => intellektuellen EinschränkungenStörung der Symbolisierungsfähigkeit (durch exzessiven Gebrauch projektiverIdentifizierung) => Getrenntheit von Symbol und Objekt, von Symbol und symbolisiertemObjekt geht verloren8


Daniela Zwick <strong>20</strong>11/<strong>20</strong>125.)Container/ Contained und ReverieContainer/ Contained und Reverie = Konzept, dass die Mutter die primitiven Affekte desKindes aufnimmt und in verdauter Form an das Kind zurückgibt => Fähigkeit zu denkenContainer: etwas von einem selbst an einen anderen <strong>psychischen</strong> Ort unterzubringenMutter verwertet das Psychische zu etwas, das für den Säugling erträglich ist.Reverie: = Fähigkeit der Mutter diese projektive Identifizierung des Säuglings in sichaufzunehmenBsp.: Kind schreit in fürchterlicher Angst, weil es glaubt, es müsse verhungern, Mutter stilltintuitiv.Das Kind lernt, dass dieser Zustand nicht Verhungern bedeutet, aber unangenehm ist.Wenn dies funktioniert kommt es zu der Entwicklung der NICHT- PSYCHOTISCHENANTEILE.Der psychotische und der nicht- psychotische Anteil der Persönlichkeit:Psychotisch:Es ist nicht möglich psychische Reize zu <strong>psychischen</strong> Repräsentanzen zu transformieren unddamit einen funktionsfähigen <strong>psychischen</strong> Apparat aufzubauen.<strong>Die</strong>se Problem ist zu finden:• Im Kern jeder psychotischen Störung• Borderline- Störungen• Psychosen (keine <strong>psychischen</strong> Strukturen mehr zu finden)Gründe fürs Entstehen:• Persönlichkeit des Kindes: keine oder niedrige Frustrationstoleranz*• Keine Bezugsperson als Container*ist für das Anerkennen der inneren und äußeren Realität notwendigÜbermaß primitiver Aggression und mangelnde FrustrationstoleranzMERKE – Psychotisch:<strong>Die</strong> innere und äußere Realität wird wegen ihres Frustrationspotenzials so geHASST, dassjeder Versuch sie zu repräsentieren ZERSTÖRT wird.(entspricht dem Realitätsprinzip)<strong>Die</strong>s führt zu einer Akkumulation von nicht verarbeiteten Reizen, die AUSGESCHIEDENwerden, damit man sie irgendwie loswerden kann.Primitivste Form der Ausscheidung = Projektion!!!Klinische Zeichen des psychotischen Anteils der Persönlichkeit:• Primitive Abwehrmechanismen (exzessive projektive Identifizierung, Spaltung)• Ausscheidung in Form von Halluzinationen• Rückzug von der unerträglichen Realität in eine Wahnwelt• Basale Störungen des Denkens und der Affektivität9


Daniela Zwick <strong>20</strong>11/<strong>20</strong>126.) Separation/ IndividuationFreud- TriebentwicklungMahler- ObjektbeziehungenMahler sieht die Separation und Individuation als ZENTRALE AUFGABE in der kindlichenEntwicklung, weg von der Mutter/Kind- Einheit.Grundthema: Polarität zwischen Nähe/ Einssein und Selbstständigkeit/ Getrenntheit.1.-6. Monat: Zustand der Undifferenziertheitlangsam Abgrenzung des eigenen Körpers = Körperschema => Entwicklungdes Identitätsgefühls6.- 30. Monat:Individuation = Ausbildung einer intra<strong>psychischen</strong> StrukturSeparation = Trennung und Loslösung von MutterIn 4 Subphasen unterteilbar:a) erst Subphase = Differenzierung = 6.-12. Monat:• Brutzeit, Ausschlüpfen• Kind beginnt sich für Umgebung zu interessieren• Ist aufgeweckter• Beginnt zu begreifen, dass es ein innneres Erleben gibt• Abgrenzung zwischen eigenem Körper und dem der Mutter• Fremdenangst – Nachprüfen, ist das die Mutter oder nicht?b) zweite Subphase = Übungsphase = 12.-15. Monat:• Kind hat Liebesaffäre mit der Welt und mit sich selbst• Bedingt durch Hochgefühl des aufrechten Ganges• Kind muss nur gelegentlich bei Mutter auftanken• Verbesserung der eigenen Fähigkeitenc) dritte Subphase = Wiederannäherung = 16.-24. Monat• Kind wird sich dem Getrenntsein zwischen sich und Mutter voll und ganzbewusst => gesteigerter Trennungsangst + aktives Wiederannäherungsverhalten• Annäherung ist ambivalent:Erstens: Angst vor Liebesobjekt verschlungen zu werdenZweitens: Wunsch nach Wiedervereinigung(z.B. Beschatten und Weglaufen)• Das Kind versucht das gute mütterliche Objekt gegen die Abkömmlinge seineraggressiven Tendenzen zu schützen• <strong>Die</strong>s geschieht durch Spaltung in gute und böse Objektrepräsentanzen• Höhepunkt dieser Krise der Wiederannäherung: 18.- 24. Lebensmonat:Depressive Verstimmungen, Wutanfälle, Schreikrämpfe, Schlafstörungen10


Daniela Zwick <strong>20</strong>11/<strong>20</strong>12d) vierte Subphase = Konsolidierung der Individualität und Anfänge der Objektkonstanz= 30.-36. Monat• => psychischer Strukturbildung: Selbst und Objekt können voneinandergetrennt gehalten werden.• Objektrepräsentanz bzw. Objektkonstanz = Verinnerlichung einer beständigenpositiv besetzten Mutterfigur über deren Anwesenheit hinausErmöglicht dem Kind auch Wohlbefinden über die Abwesenheit der Mutterhinaus zu empfinden.• Einheitliche Selbstrepräsentanz• Hilft dann in ödipaler Periode1.3.2 Psychische Struktur und höhere psychische <strong>Funktionen</strong>Psychische Struktur == Unter <strong>psychischen</strong> Strukturen versteht man die über längere Zeiträume hin stabilenKonfigurationen psychischer Prozesse.• Ist der bewussten Wahrnehmung nicht zugänglich• Kann nur funktionieren, wenn ein Mensch in der Kindheit genügend guteBeziehungserfahrungen gemacht hat.• Psychische Gesundheit setzt eine innere Struktur voraus• Manifestiert sich in den folgenden <strong>Funktionen</strong>:a) Stabile Identität (mich und andere differenziert wahrnehmen)b) Fähigkeit zur Realitätskontrollec) Fähigkeit, ein inneres seelisches Gleichgewicht aufrechtzuerhaltend) Fähigkeit stabile und befriedigende Beziehungen aufzubauene) Fähigkeit zur Impulssteuerungf) Fähigkeit zu moralischem Handeln• 2 Strukturkonzepte:• eines von Sigmund Freud:Kompromissbildung bei <strong>Funktionen</strong> Ich- Es- ÜberichErgebnis der Kompromissbildung ist entweder ein Charakterzug oder normalesVerhalten.Charakter= Stabile Lösungen der Suche nach Kompromiss zwischen Es und Überichdurch das IchIm Normalfall gelingen diese Kompromisse derart gut, dass die Einflüsse von Es undÜberich gar nicht differenziert werden können.• Eines von Kernberg:= Persönlichkeitsorganisationdefiniert 3 <strong>Funktionen</strong>: (1) Identitätsintegration(2) Fähigkeit zur Realitätsprüfung(3) Niveau der Abwehrmechanismen => 3Strukturniveaus:a) normale/ neurotische Persönlichkeitsorganisationb) Borderline- Persönlichkeitsorganisationc) psychotische Persönlichkeitsorganisation11


Daniela Zwick <strong>20</strong>11/<strong>20</strong>12Kernberg entwickelte ein objektbeziehungstheoretisches Modell – d.h. er ging davonaus, dass wichtige frühe Beziehungserfahrungen in der Kindheit verinnerlicht werdenund die Entwicklung der Struktur determinieren.Bei normaler Entwicklung hat das Kind mit ca. 3 Jahren eine integrierte Identität =kann sich selbst und andere gestalthaft wahrnehmen und integrierte innere Bilderentwerfen (=Repräsentanzen)Wenn dies nicht funktioniert oder Regression eintritt => Identitätsdiffusion =Repräsentanzen werden gespalten und fragmentiertIdentität= Entspricht dem subjektiven Erleben der eigenen Persönlichkeit auf Basis eines integriertenSelbskonzepts in Verbindung mit integrierten Konzepten (Repräsentanzen).= Antwort auf die Frage: Wer bin ich?Identitätsdiffusion= Entspricht je nach Schweregrad einer gespaltenen oder einer fragmentiertenSelbstrepräsentanz.Gespaltene Selbstrepräsentanz= Entspricht einem primitiven Ordnungszustand, indem die positiven Vorstellungen in einepositive Selbstrepräsentanz, die negativen Vorstellungen in eine negative Selbstrepräsentanzintegriert werden.Ein weiterer Integrationsschritt, der die beiden miteinander verbinden soll, bleibt aus.<strong>Die</strong>se Spaltung wird dann in der weiteren Entwicklung aktiv aufrechterhalten.= charakteristisch für Borderline- PersönlichkeitsstörungenFragmentierte Selbstrepräsentanz= völlig chaotische Unordnung von positiven und negativen Vorstellungen, wobei auch dieTrennung zwischen Selbst- und Objektbeziehung verloren geht.= charakteristisch für psychotische PersönlichkeitsstörungenRealitätsprüfung= Stimmigkeit der Wahrnehmung der <strong>psychischen</strong> inneren Realität und der äußeren RealitätFähigkeit zur Realitätsprüfung wird gemessen an:a) Fähigkeit zwischen inneren und äußeren Stimuli zu unterscheiden (zw. Wunsch undFakten, zw. Traum und Wach- Sein)b) Genauigkeit der Wahrnehmung äußerer Vorgänge mit Bezug auf örtliche und zeitlicheOrientierungc) Genauigkeit der Wahrnehmung äußerer Vorgänge, Selbsterkenntnis, Gewahrwerdenvon Wahrnehmungsverzerrungen infolge heftiger Gefühlsbewegungend) Fähigkeit, die eigenen Affekte, das eigene Verhalten im Rahmen üblicher sozialerNormen einzuschätzen.= Komplexer psychischer ProzessDas Ergebnis einer Realitätsprüfung kann (z.B. durch Einwirkung starker Affekte) mangelhaftsein, obwohl die Fähigkeit der Realitätsprüfung intakt ist!!! (Verliebtheit)MERKE:Für Borderlinepatienten ist es typisch, dass die Ergebnisse ihrer Realitätsprüfung sich vondenen von psychotischen Patienten nicht unterscheiden lassen.<strong>Die</strong> Realitätsprüfung der Borderliner ist allerdings intakt, im Gegensatz zu der vonPsychotikern!!!12


Daniela Zwick <strong>20</strong>11/<strong>20</strong>12Abwehrmechanismen= dienen der Aufrechterhaltung eines <strong>psychischen</strong> Gleichgewichts.Sollen unerträgliche Konflikte oder Erlebenszustände dem Bewusstsein entziehen, dieWahrnehmung verzerren und dadurch erträglicher machen (= intrapsychische Abwehr) odereigene Anteile in das Gegenüber zu verlagern (= inerpersonelle Abwehr)Mit 3 Niveaus <strong>psychischen</strong> Funktionierens ( neurotisch/ normal, Borderline, psychotisch)gehen 3 verschiedene Abwehrniveaus einher:Neurotisch/ normales Funktionsniveau:Unterscheidet sich nicht von neurotischer in Hinblick aufs FunktionsniveauGrundlage = Fähigkeit zur VerdrängungVerdrängung= die mit einem Trieb zusammenhängenden Vorstellungen werden ins Unbewusstezurückgestoßen.<strong>Die</strong>s wird gemacht, weil die Unlust, die mit der Lust einhergeht größer ist.Alle weiteren neurotisch/ normalen Abwehrmechanismen bauen auf dieser Fähigkeit zurVerdrängung auf.MERKE: Prinzipiell kann jede psychische Aktivität zu Abwehrzwecken eingesetzt werden.Sublimierung= Triebimpuls kann auf neues nicht- sexuelles Ziel abgelenkt werden:Chirurg = Sadist, Schauspielerin = ExhibitionistReaktionsbildung= Ich- Leistung bei einem Gegensatzpaar eine Haltung zugunsten eines anderen derartübertont, dass von der anderen, anstößigen im Bewusstsein nichts mehr erscheint.Sadistisch- aggressive Einstellung wird durch übertonte Freundlichkeit ersetzt.Regression= Bereits erreichte Entwicklungsstufe wird verlassen und auf die vorherige zurückgekehrt, umdamit die Entstehung von Unlust zu vermeidenTrieb-Regression, Ich-Regression, Überich-Regression (Ersetzen von Erwachsenenmoraldurch kindliche Moralvorstellung)Zurückfallen auf Babyniveau bei einem älteren Kind bei Geburt von neuem Baby.Wendung gegen die eigene Person= Das eigentliche Objekt wird durch die eigene Person ersetzt.Patientin reagiert mit Selbstverletzung auf Untreue des Partners.=> ErleichterungIsolierung= Vorstellungen werden von den dazugehörigen Affekten getrennt und nur die Vorstellungerreicht das Bewusstsein. Der Affekt bleibt entweder unbewusst oder tritt in einem anderenZusammenhang, dann aber mit voller Intensität ins Ich.Patient war entrüstet, weil er sich den Pfarrer nackt vorstellte. Sein voyeuristisch sexuellerImpuls war zwar vom Inhalt ins Bewusstsein gedrungen, jedoch die sexuelle Erregung fehltevollkommen, stattdessen herrschten Abscheu und Entrüstung.13


Daniela Zwick <strong>20</strong>11/<strong>20</strong>12Ungeschehenmachen= Subjekt will sich glauben machen, dass bestimmte Handlungen, Gedanken, Worte, niegeschehen sind. Dazu werden Handlungen, Gedanken, Worte mit gerade entgegengesetzterBedeutung genutzt.Ein junger Mann begann sich immer mehr Sorgen darüber zu machen, seine aggressivenGedanken könnten jemandem schaden. Als er eines Abends über eine Überführung einer starkfrequentierten Straße fuhr, sah er einen Ziegelstein auf der Straße liegen. Nach wenigen 100Metern quälte ihn der Gedanke, er könne den Ziegelstein auf die darunter vorbeifahrendenAutos geschleudert haben. Er musste zurückfahren und nachsehen, der Stein lag noch da.Verkehrung ins Gegenteil= Ziel eines Triebes verwandelt sich beim Übergang von Aktivität zur Passivität in seinGegenteil:Sadist => Masochist, Voyeur => ExhibitionistFür das aktive Ziel des Quälens wird das Passive des Gequältwerdens eingesetzt.Für das aktive Ziel des Beschauens wird das Passive des Beschautwerdens eingesetzt.Verleugnung= unangenehmes Stück der äußeren Realität wird mithilfe einer wunscherfüllenden Phantasieoder durch äußeres Verhalten unterdrückt.Bei missglücktem Selbstmordversuch wird die Tat verleugnet.Konversion= konflikthafte Phantasien werden durch körperliche Veränderungen ausgedrückt.Frau entwickelt Husten, der die unbewusste Identifizierung mit einer Rivalin, die ebenfallseinen Husten hat, entspricht:Durch dieses Symptom erfüllt sie sich den unbewussten Wunsch, die Stelle dieser Frau beidem Geliebten einzunehmen.Projektion= Psychischer Vorgang, bei dem Gefühle aus dem eigenen subjektiven <strong>psychischen</strong> Raumanderen Personen zugeschrieben werden.Mann glaub, alle denken er sei homosexuell, dabei zweifelt er selbst an seiner sexuellenIdentität.Intellektualisierung= Konflikte und Gefühle werden möglichst rational erklärbar dargestellt.Während der Pubertät bestehen oft philosophische und religiöse Interessen, die dieanstürmenden Gefühle auffangen sollen und die später wieder in den Hintergrund treten.Rationalisierung= es wird versucht einem Gefühl eine wirklich logische, kohärente, moralische Erklärung zugeben, obwohl der wahre Grund des Gefühls gar nicht erkannt werden kann.Ein impotenter Mann begründet seine Sexualstörung seiner Frau gegenüber mit denverschiedensten, logisch klingenden Argumenten, an die er selbst glaubte und die ihnhinderten, die zugrunde liegende Abneigung gegenüber seiner Frau wahrzunehmen.14


Daniela Zwick <strong>20</strong>11/<strong>20</strong>12Borderline- Funktionsniveau:Das Ich ist gespalten, das Überich hat nicht die Integration eines neurotisch/ normalenMenschen erreicht.Aus den frühen Beziehungserfahrungen mit der primären Bezugsperson konnten nichtgenügend positive Momente verinnerlicht werden.Das Gewissen ähnelt eher einer Mafia.Idealvorstellungen sind rigid und wenig realistisch, fordern bedingungslose Unterwerfung.<strong>Die</strong> Abwehrmechanismen entsprechen den primitiven Abwehrmechanismen des Kindes, mitdem Versuch die entsetzlichen Ängste zu mildern.MERKE: <strong>Die</strong> Basis dieser primitiven Abwehrmethoden stellt der Prozess der Spaltung da(d.h. Spaltung ist an allem schuld!)Spaltung= positive Selbst- und Objektvorstellungen werden von negativen Selbst- undObjektvorstellungen aktiv und strikt getrennt.Beziehungen werden so erlebt, als wären sie nur negativ oder nur positiv, Menschen sind nurgut oder böse.Spaltung allein genügt den Abwehrerfordernissen meist nicht, es müssen weitererAbwehrmaßnahmen her um die Situation aufrechterhalten zu können:Projektive Identifizierung= primitive Form der Projektion, ungewollter, unerträglicher Zustand wird einer anderenPerson zugeschrieben.Durch entsprechende Provokation soll die von der Projektion betroffene Person tatsächlich ineinen derartigen Zustand versetzt werden, nun kann der abgewehrte Zustand in dieser Personkontrolliert und bekämpft werden, die mit dem projizierten Zustand identifiziert wurde unddas eigene Selbst kann davor geschützt werden.Bei Borderline- Patienten werden Hassgfühle auf nahe Bezugspersonen projiziert, sodassdiese Menschen als hasserfüllt und bedrohlich erscheinen und dementsprechend kontrolliertbzw. mit Gegenhass angegriffen werden müssen.Primitive Idealisierung= Personen und deren Eigenschaften werden als übertrieben gut wahrgenommen.<strong>Die</strong> Idealisierung wird nur solange aufrechterhalten, solange die Vollkommenheitaufrechterhalten werden kann.Neuer Therapeut wird vergöttert, bei zu spät Kommen des Therapeuten beim nächsten Mal,beschimpft ihn der Patient, er hätte schon immer gewusst, dass er nicht gut genug sei.Entwertung= totale Entwertung des Objekts, oft als Folge einer nicht tolerierten Unvollkommenheit.Therapeut wird dann zu einer gefährlichen Person.Omnipotenz= Allmachtsphantasien, die der Angstminderung dienen sollen.Borderline- Patienten gehen nicht zum Arzt, weil ihnen nicht passieren könne.15


Daniela Zwick <strong>20</strong>11/<strong>20</strong>12Psychotisches FunktionsniveauJe manifest psychotischer der Mensch ist, umso fragmentierter ist seine innere Welt, das Ich,das Überich.<strong>Die</strong> Grenzen zwischen Subjekt und Objekt verschwinden, ein psychisches Gleichgewicht istkaum stabil.<strong>Die</strong> Abwehrmethoden haben das Ziel, den psychotischen Patienten vor dem zu schützen, waser oder sie als psychotischen Tod erlebt, die diversen psychotischen Ängste.Abwehrmechanismen:Spaltung, projektive Identifizierung – Psychische Einheiten werden aufgebrochen, zerstörtund dann projiziert.Ergebnis = Wahnbildungen, Halluzinationen<strong>Die</strong> Kriterien der Identitätsintegration, Realitätswahrnehmung, Abwehr werden von Kernbergals Grundlage für die Störung weiterer psychischer <strong>Funktionen</strong> angesehen:(1)Qualität der Objektbeziehungen,(2)Impulssteuerung,(3)Fähigkeit zu moralischem Handeln(1) Qualität der ObjektbeziehungenWird bestimmt durch die Fähigkeit freundschaftliche und intime Beziehungen einzugehenund aufrechtzuerhalten, sowie diese für beide Partner befriedigend zu gestalten.Identitätsdiffusion => können nicht erkennen, was in ihnen und anderen vorgehtEmpathiefähigkeit = eingeschränktImpulsivität = belastet BeziehungenEin sehr empfindlicher Indikator für die Reife intimer Beziehungen ist die Fähigkeit, Liebeund Sexualität zu verbinden.Strukturell gestörten Menschen fällt es schwer sich einem geliebten Menschen auch sexuellhinzugeben bzw. zu Sexualpartnern eine emotionale Abhängigkeit entstehen zu lassen.Hintergrund ist die Angst, sich in zu großer Hingabe zu verlieren, zu stark abhängig zuwerden und möglicherweise verletzt zu werden.Bei normaler/ neurotischer Persönlichkeitsorganisation ist dies möglich.Bei neurotischer Persönlichkeitsorganisation steht die Fähigkeit zur Verfügung, kann aberdurch ein neurotisches Konfliktgeschehen –z.B. ein überstarkes Kontrollbedürfniseingeschränktsein.Bei Borderline- Niveau ist eine reziproke Beziehungsgestaltung über einen längeren Zeitraumhinweg in der Regel nicht möglich. Eine Integration von emotionaler und sexueller Hingabeist kaum möglich. Entweder kommt es zu unreifen Verschmelzungswünschen oder zu starkenÄngsten vor Abhängigkeit, etc.Bei Psychotischem- Niveau ist eine reife Beziehungsgestaltung nicht mehr möglich. Selbstund Objekt verschmelzen, Bedürfnisse des anderen können nicht unabhängig von den eigenenwahrgenommen werden. Alternativ wird der andere als Bedrohung wahrgenommen, der manentkommen muss.16


Daniela Zwick <strong>20</strong>11/<strong>20</strong>12(2) Impulssteuerung= Fähigkeit, Gefühle und Impulse derart zu kontrollieren, dass sie einerseits nicht zuunüberlegten Handlungen oder einer Gefühlsüberflutung führen und andererseits nichtvollständig abgewehrt werden und damit nicht mehr bewusst zugänglich sind.Emotionen haben den biologischen Sinn, uns auf Zustandsänderungen aufmerksam zumachen (Wut, wenn Interessen bedroht, Ekel, wenn was giftig ist, etc.)Es ist daher eine Voraussetzung seelischer Gesundheit, dass ein Mensch seine Gefühlewahrnehmen und sich durch diese in seinem Handeln leiten lassen kann.Gefühle können verdrängt werden oder überstark werden.Bei normaler Persönlichkeitsorganisation können Gefühle wahrgenommen werden und dasHandeln gestalten.Bei neurotischem Strukturniveau herrscht meist eine Übersteuerung, bei der Gefühle undImpulse stark abgewehrt werden und nicht mehr wahrgenommen werden.Bei Borderline- Organisationsniveau findet sich eine Untersteuerung, Impulse brechen durchund führen zu destruktiven, selbst- oder fremdaggressiven Handlungen. Suchtmittelkonsum,Essanfälle, Selbstverletzung, tätliche Angriffe.Bei Psychotischem Funktionsniveau führt zu stärkerem destruktiven Handeln, bizarre Akteder Selbstschädigung.(3) Moralisches Handeln= wird durch ein reifes Überich ermöglicht. Moralische Werte sind verinnerlicht und wirverzichten aus echter Anteilnahme und Empathie für andere auf Handlungen, die dieseschädigen würden.Gesund: Fähigkeit moralisch zu handeln ist gegeben.Leicht pathologisch: rigides und straffes Überich, vergisst sich bei Opfern zu entschuldigen,weil noch mit eigener Schuld beschäftigtPathologisch: delinquentes, antisoziales, amoralisches HandelnExtremform: kennt kein GewissenWICHTIG: siehe Seite 67 – Strukturelle Kriterien zur Beurteilung der Persönlichkeit17


Daniela Zwick <strong>20</strong>11/<strong>20</strong>122 Störungen psychischer <strong>Funktionen</strong>2.1 Multifaktorielle Genese psychischer ErkrankungenWichtig: bio- psycho- soziales KrankheitsmodellGenetische Faktoren1.) Gen- Umwelt- Interaktion (G mal E, gene- envirnonment interplay):Reaktion des Organismus auf bestimmte Umwelteinflüsse in Abhängigkeit von seinergenetischen Vulnerabilität.Aus kontrollierten Studien zu Genpolymorphismen konnte der Einfluss der Umwelt aufpsychiatrische Symptome in Abhängigkeit von der Aktivität bestimmter Gene nachgewiesenwerden.2.) Gen- Umwelt- Korrelation (rGE):Eine bestimmte genetische Ausstattung führt zu einem Verhalten, welches dieWahrscheinlichkeit steigert, dass sich das Individuum bestimmten Umwelteinflüssen aussetzt.Weiters:Einfluss der Umwelt auf die Expression von Genen – äußere Einflüsse können dieGenexpression dauerhaft modulieren = epigenetische Mechanismen.Somit gibt es Belege, dass ein Genotyp nicht zwingend dem Phänotyp entsprechen muss.Psychische Faktoren1.) Sigmund Freud:• Psychosexuelle Entwicklung• Phasen (oral, anal, genital, Latenz, Pubertät, reife Sexualität)• Fixierung in den einzelnen Phasen führt zu <strong>psychischen</strong> Störungen.2.) Margaret Mahler:• Bindungsforschung• Psychoanalytische Objektbeziehungstheorie• Unterscheidung von Bindungsphasen (autistisch, symbiotisch, Individuation,Separation)• Strukturdefizite sind mit psychischer Vulnerabilität gleichzusetzen3.) Verhaltenstherapeutische Erklärungsmodelle• Beruhen auf Lerntheorien, wonach Verhalten bzw. psychische Erkrankungen durchLernerfahrungen (z.B. klassische und operante Konditionierung, Modelllernen, etc.)bedingt, aber auch beeinflussbar sind.Soziale Faktoren• <strong>Die</strong> Erwartungen und Normen eines Systems prägen ihre Mitglieder• Einerseits Fähigkeit sich Sozialisationsprozessen zu unterwerfen• Andererseits Fähigkeit sich autonom und kritisch mit den prägenden Sozialnormenauseinanderzusetzen• Primäre Sozialisation im Säuglings- und Kindesalter• Sekundäre Sozialisation im Beruf• Psychische Erkrankungen treten auf beia) Fehlgeleiteten Sozialisationsprozessenb) Situationen, die verstärkte Anpassungsfähigkeit erfordern• Mensch wird also bei Live- Events mit seiner Sozialisation konfrontiert und mussAnpassungsleistungen treffen18


Daniela Zwick <strong>20</strong>11/<strong>20</strong>122.2 Genetik und EpigenetikEinleitung:Eugenik = Lenkung der Forpflanzug innerhalb einer Bevölkerung in eine Richtung, die einerVerschlechterung vorbeugt, bzw. eine Verbesserung fördert. (NS: Rassenhygiene)Ist in JEDER FORM abzulehnen!<strong>Die</strong> Freiheit der Menschen auf verschiedenen Ebenen darf nicht eingeschränkt sein.Psychiatrische Erkrankungen sind multifaktoriell verursacht.Das menschliche Genom besteht aus 30.000 Genen.<strong>Die</strong> einzelnen Menschen unterscheiden sich in etwa 0,1% der DNA- Sequenz.Nicht nur die DNA- Sequenz sondern auch, ob ein Gen ein- oder ausgeschaltet ist bestimmenüber deren Expression.<strong>Die</strong> Funktionszustände von Genen sind anhand derer Sequenz nicht erkennbar, daher kommtes bei DNA- Untersuchungen von Polymorphismen oder Mutationen in Kopplungs- oderAssoziationsstudien zu sehr uneinheitlichen Ergebnissen.Der Funktionszustand wird durch molekulare Mechanismen, wie z.B. Methylierung bestimmt.Psychiatrische Erkrankungen und Genotyp- Umwelt- Interaktion:• Psychiatrische Erkrankungen sind häufig• Lebenslange Prävalenz für Angsterkrankungen = 30%• Lebenslange Prävalenz für affektive Störungen = <strong>20</strong>%• Erbkrankheiten haben aber generell sehr geringe Häufigkeiten!!• Interaktionen konnten nachgewiesen werden:Cannabis- Konsum in Verbindung mit einem bestimmten Polymorphismus im COMT-Gen ist häufiger mit dem Ausbruch schizophrener Erkrankungen assoziiert.Das Auftreten einer Depression nach schwerwiegenden, belastendenLebensereignissen ist bei Vorliegen eines bestimmten Polymorphismus im Serotonin-Transporter-Gen (5- HTT) häufiger zu beobachten.Eine Meta- Analyse hat dies allerdings nicht bestätigen können.• Es kann nie eine genaue Prognose abgegeben werden.• Kandidaten Gene = common variants with small effects:Genetische Varianten in diesen Kandidaten- Genen sind häufige Varianten, vieleMenschen tragen sie, aber nur wenige werden krank. – geringe Odds Ratio = geringePenetranz• Rare variants with large effects:Es gibt einige wenige sehr seltene Varianten, die einen größeren Effekt für eineErkrankung haben wie z.B.:Disrupted in schizophrenia 1 gene (DISC1)Deletion auf Chromosom 22q beim Velo- cardio- faszialen Syndrom = VCFS bei derSchizophrenieEs ist umstritten, ob es sich bei psychiatrischen Krankheiten um Krankheitseinheiten (nosos)oder Störbilder handelt – d.h. ähneln sich klinisch, haben aber eine unterschiedliche Ursache(Heterogenität) => ICD 10 Begriff psychische Störungen nicht psychiatrische Erkrankungen19


Daniela Zwick <strong>20</strong>11/<strong>20</strong>12Genetik psychiatrischer Erkrankungen:Einzelne psychische Störungen treten nicht/ selten alleine auf – Komorbidität vonDepressionen und AngststörungenSchizophrenie:• Kommt familiär gehäuft vor• Risiko der Allgemeinbevölkerung 1%• Inzidenz 1-2 auf 10.000 Erwachsene• Männer häufiger als Frauen• Risiko für monozygotische Zwillinge 48% (45-75%)• Risiko für dizygote Zwillinge 4- 15%• Risiko für Verwandte 1. Grades 10%• Wäre die Schizophrenie eine allein genetisch verursachte Erkrankung, müsste derzweite monozygote Zwilling zu 100% konkordant sein => epigenetischEs muss allerdings eine genetische Komponente vorhanden sein, der zweite eineiigeZwilling ein viel größeres Risiko hat, als der zweite zweieiige Zwilling.(= Wenn die Konkordanzrate bei monozygoten Zwillingen deutlich höher ist als beidizygoten Zwillingen, dann ist das ein Hinweis darauf, dass genetische Faktorenbedeutend für die familiäre Häufung sind.• In Familien von Patienten mit jüngerem Ersterkrankungsalter (< 25a) besteht einegrößere Wahrscheinlichkeit von weiteren Erkrankungsfällen in der Familie.• EhegattenInnen von Erkrankten haben ein höheres Risiko als dieAllgemeinbevölkerung nämlich von 2%a) Paarunssiebungb) Umweltbedingt durch jahrelanges Zusammenleben mit Erkranktem• Erblichkeit der Schizophrenie = 60%• Risiko bei diskordanten monozygoten Zwillingen 17% - d.h. es wurde auch durchden gesunden Zwilling eine gewisse biologische Anfälligkeit weitergegeben undzwar zur gleichen Stärke, wie beim erkrankten.• Bei diskordanten dizygoten Zwillingen erkranken die Kinder der Gesunden deutlichseltener als die der Kranken.• Risiko adoptierter Kinder in gesunder Familie von kranker Mutter = 5%• Risiko adoptierter Kinder in gesunder Familie von gesunder Mutter = 1%• In Familien von Schizophrenen treten auch vermehrt bipolare affektive Störungenund schizoaffektive Störungen auf.• Bipolar affektive Störung und Schizophrenie ähneln sich auch im Verlauf.• Vererbungsmodus ist nicht nach dem Mendelschen Gesetz (monogener Erbgang)sondern multifaktoriell und polygen.• Es müssen viele dieser Gene vorhanden sein + weitere Umwelteinflüsse vorhandensein, damit die Erkrankung ausbricht. (viele Gene allein reichen nicht)• Man spricht von Vulnerabilität, also Anfälligkeit für eine Störung.• Mögliche Vulnerabilitätsgene:COMT, d- Amino- Acid- Oxidase (DAO), Dopamin- Rezeptor- Gene (DRD1,DRD2, DRD4), Dysbindin (DTNBP1), Neuregulin 1, Disrupted in Schizophrenia 1(DISC1), etc.<strong>20</strong>


Daniela Zwick <strong>20</strong>11/<strong>20</strong>12• <strong>Die</strong> Kandidatengene verursachen aber nur ein geringes Risiko.• <strong>Die</strong> Odds- Ratio einzelner liegt zwischen 0,07 und 1,43 (Serotonin2A- Rezeptor Gen,5HT2AR, Dopamin-2-Rezeptor Gen, DRD2)Beispiel 1:DISC 1 = AusnahmeIn einer schottischen Familie herrschte eine Translokation eines Teils vom Chromosom 1 aufChromosom 11.Es kam dabei am Chromosom 1 zu der Zerstörung eines Gens = disrupted in schizophreniagene 1, somit war dieses Kandidaten- Gen gefunden.<strong>Die</strong> Translokation segregierte mit der psychiatrischen Erkrankung.= rare variants with large effectsBeispiel 2:Deletion auf Chromosom 22q11, wie sie beim Velo- cardio- fazialem Syndrom vorkommt,äußerlich sieht man eine dysmorphe Veränderung des Gesichtsbereichs + Herzfehler.In 30% auch psychiatrische Störungen.Offenbar liegt in dieser verlorengegangenen Region ein Gen, dass bei Fehlen fürpsychiatrische Erkrankungen verantwortlich ist.= rare variants with large effects• CNVs sind auch beteiligt• Jede chromosomale Aberration kann auch als großer CNV betrachtet werden.• CNV- Deletion bei 22q11 eine Odds Ratio von 30• CNV- Duplikation bei 16p11.2 eine Odds Ratio von 26• = äußerst hohe RisikozahlenBipolare affektive Störungen:• Prävalenz 1%• Kein Geschlechtsunterschied in der Prävalenz• Risiko für Verwandte 1. Grades 5-10% = relatives Risiko von 7• Risiko für monozygote Zwillinge findet sich eine Konkordanzrate von 73%• Risiko für dizygote Zwillinge 14% => genetischer Grund• Erblichkeit = 80%• Bei den biologischen Eltern bipolarer Adoptivkinder treten mehr Störungen auf, als inden Adoptiveltern und in den biologischen Eltern gesunder Adoptivkinder.• Gehäuftes Auftreten mit anderen <strong>psychischen</strong> Störungen u.a. unipolare depressive,schizoaffektive Störungen, auch mit Substanzabhängigkeit (40-60%)• Auch vermehrtes Auftreten von dissozialen Persönlichkeitsstörungen• Kandidaten Regionen = Genloci, an denen möglicheerweise Gene vonpathogenetischer Bedeutung liegen)• Kandidaten Gene: Serotonin- Rezeptor- Gene, Serotonin Transporter Gen• <strong>Die</strong> Odds Ratio der einzelnen Kandidaten ist sehr klein – 1,1521


Daniela Zwick <strong>20</strong>11/<strong>20</strong>12Unipolare depressive Störung:• Prävalenz ist bei Frauen doppelt so hoch• Datenlage ist etwas dünner, da erst ab 1966 die Trennung in unipolare und bipolaredepressive Störung vorgenommen wurde• Prävalenz ist höher = 6%• Zunahme des Risikos bei Verwandten ist nicht so stark – nur verdoppelt = 12%• Risikozunahme ist bei frühem Krankheitsbeginn und bei rezidivierenden depressivenStörungen stärker• Unterschied in den Konkordanzraten ist groß: 43% versus 12,3%• Umweltfaktoren spielen als Auslöser bei der Depression eine größere Rolle als bei derSchizophrenie und bipolaren Störungen• <strong>Die</strong> Erblichkeit wird geringer eingeschätzt = 33- 45%• Komorbidität von Panikstörungen und unipolarer depressiver Störung• Komorbidität von unipolaren depressiven Störungen mit Störungen durch psychotropeSubstanzen• Molekulargenetische Kopplung ist in Regionen 15q25.3- 26.2 signifikant• Kandidatengene: Serotonin Transporter GenZwangsstörung:• Prävalenz 2,5%• Familiäres Risiko für Verwandte ersten Grades steigt um den Faktor 5• Das Wiederholungsrisiko bei Familienmitgliedern ist bei frühem Erkrankungsbeginndeutlich größer als bei spätem.• Erblichkeit beträgt 30-40%• Komorbiditäten:TicstörungenUngefähr 5-7% der Zwangskranken haben ein Tourette- Syndrom und 35-50% vonPatienten mit Tourette- Syndrom haben eine Zwangsstörung.Verwandte von Tourette- Syndrom- Patienten haben zu 23% Zwangsstörungen,während nur 2,5% der Verwandten einer Kontrollgruppe eine Zwangsstörunge haben.Auch die Komorbidität mit unipolaren depressiven Störungen ist beträchtlich 50- 80%.Panikstörung:• Prävalenz 1,6-2,2%• Bei Frauen 2mal so häufig• Risiko bei Verwandtschaft 1. Grades = 8-fach• Wiederholungsrisiko ist bei jüngerem Ersterkrankungsalter 17fach• Zwillingsstudien: Konkordanz bei monozygoten von 24- 73% bei dizygoten 0-17%• Erblichkeit 30-40%• Patienten mit Panikstörung haben in 50-60% auch eine lebenslange Prävalenz vonunipolaren Depressionen (Komorbidität)• Zu 25% auch noch generalisierte AngststörungEssstörungen:• Lebenslange Prävalenz für Anorexia nervosa bei Frauen= 0,5- 3,7%• Lebenslange Prävalenz für Bulimia nervosa bei Frauen= 1,1- 4,2%• Mann : Frau = 1 : 6 – 1: 10• Verwandte 1. Grades haben ebenfalls höhere Raten• Konkordanzrate von monozygoten Zwillingen ist größer als die von dizygoten22


Daniela Zwick <strong>20</strong>11/<strong>20</strong>12• Höhere Raten an Störungen durch psychotrope Substanzen und affektive Störungenwerden in diesen Familien gefunden• Komorbidität: Persönlichkeitsstörungen (42- 75%):Bulimia nervosa und emotional instabile (Borderline- Typ) und ängstlichePersönlichkeitsstörungen bzw. Anorexia nervosa und ängstliche und anankastischePersönlichkeitsstörung• Kandidaten Gene (haben geringe Odds- Ratio – entspricht psychiatrischen KH)-Serotonin- Rezeptor- Gen 2A, 5- HT2AR• Epigenetisch: Stress in der SS, perinatal, Ernährungsverhalten in SSStörungen durch psychotrope Substanzen:• Erblichkeit 50- 60%• Beginn des Gebrauchs ist vor allem durch Umweltfaktoren abhängig• Genetische Faktoren beeinflussen hauptsächlich den Übergang, ob sich auszeitweiligem Gebrauch auch eine Abhängigkeit entwickelt• Tw. wird die familiäre Häufung auf das familiäre Auftreten von dissozialenPersönlichkeitsstörungen zurückgeführt, die Menschen dazu prädispositionieren eineSubstanzabhängigkeit zu entwickeln• Bei der Alkoholabhängigkeit spielen genetische Faktoren eine entscheidende Rolle• Besonders bei männlichen Verwandten von Patienten mit Alkoholabhängigkeit erhöhtsich das RisikoAutismus:• Prävalenz 3-6/ 1000• Frauen 3mal sooft wie Männer• Geschwister von Patienten erkranken in 2-8% der Fälle• Monozygote Zwillinge haben eine Konkordanz von 60%, dizygote von 0%• Erblichkeit 91-93%• Kopplungsstudien brachten positive Ergebnisse mit Chromosom 7q31- q33,zytogenetische Studien zeigten Aberration bei 15q11- q13Hyperkinetische Störungen:• Beginnen in Kindheit und Jugend• = ADHD• Prävalenz bei Kindern 5-6 %• Prävalenz bei Erwachsenen 1-4%• Knaben sind häufiger betroffen als Mädchen• Erblichkeit 76%• In Familien von Patienten treten häufig Erkrankungen mit Substanzmissbrauch auf• Unipolare, affektive Störungen, bipolare affektive Störungen, Autismus, dissozialePersönlichkeitsstörungen• Mehrere chromosomale Regionen 16q21- 16q24• Kandidaten- Gen- Studien: Dopamin Transporter Gen, DAT1, Dopamin- 4-Rezeptor-Gen, DRD 4• Odds Ratio ist gering23


Daniela Zwick <strong>20</strong>11/<strong>20</strong>12Pharmakogenetik:• Rasche und langsame MEtabolisierer• Varianten der Monoaminrezeptorgene führen zu unterschiedlichem Ansprechen aufPsychopharmaka• Ansprechen auf Therapie und NW sind genetisch beeinflusst• Innerhalb einer Familie oft ähnlich gutes oder schlechtes Ansprechen auf einPsychopharmakon (z.B. Lithium)• Eine individualisierte Therapie durch genetische Prädiktion ist eine Vision.Geschlechtsunterschiede:• Unterschiede in Verhalten und Fähigkeiten zwischen Mann und Frau• Unterschiede bei <strong>psychischen</strong> Störungen• Frauen leiden häufiger an:Depressionen, Phobien, Angstattacken, Schlafstörungen, Anorexia nervosa• Männer leiden häufiger an:Drogenmissbrauch, AlkoholismusBei der Schizophrenie erkranken Männer früher (Altersverteilung ist unterschiedlich• Es kann auch sein, dass es geschlechtsspezifische Dispositionen geben muss, damitdas Merkmal erscheint – z.B. Hüftluxation: größere genetische Disposition beiMännern, als bei Frauen.• Genomic imprinting: Unterschied ob Gen von Mutter oder von Vater vererbt.Epigenetik• Junge Wissenschaft seit 1942• Ist mit kausalen Wechselbeziehungen zwischen den Genen und ihren Genproduktenbeschäftigt, wobei diese Wechselbeziehungen erst die Phänotypen entstehen lassen.• Es geht darum ob Gene ein oder ausgeschaltet sind. Es ist also nicht möglich durchGen- Sequenzierung, Kopplungs-, Assoziationsanalysen, die alle die DNA Sequenzuntersuchen Krankheitsursachen zu finden.• gene silencing, gene activation = dynamischer Vorgang = Epigenetik• => Menschen mit identischem Genotyp können einen unterschiedlichen Phänotyphaben!• <strong>Die</strong> Epigenetik verändert Wirkungen von Genen mittels Modifikation derChromatinstruktur, Histon- Modifikation, Methylierung der DNA am Cytosin• <strong>Die</strong>se Veränderungen stehen unter dem Einfluss von Umweltfaktoren!• Mütterliches Verhalten ruft bei Labortieren epigenetische Veränderungen beiJungtieren hervor – Methylierung von Genen, die von Müttern getrennten Tierezeigten Ängstlichkeit• CAVE:Epigenetische Veränderungen werden vererbt! Möglicherweise werden alsoKeimzellen epigenetischen Veränderungen unterworfen.(d.h. Umweltfaktor in der Kindheit der Mutter, hat epigenetische Auswirkung auf dasLeben ihres Kindes)• Reduzierte Konkordanzraten können durch veränderte Aktivität der Gene verursachtsein, bzw. bedeuten, dass das identische Genom durch Umweltfaktoren so verändertwird, dass unterschiedliche Phänotypen resultieren.• Noch etwas wird erklärbar - MERKE:Der episodische, phasenhafte Verlauf psychiatrischer KH, mit Exazerbation undvölliger Remission in Phasen dazwischen, trotz immer gleicher DNA- Sequenz.24


Daniela Zwick <strong>20</strong>11/<strong>20</strong>12Entdeckung von DISC1• DISC1 (hier repräsentiert durch Translokation 1;11) ist ein starkes Kandidaten- Genfür Schizophrenie und bipolare affektive Störungen• Nicht alle Träger der Translokation sind psychiatrisch erkrankt• Das klinische Erscheinungsbild ist auch von Person zu Person verschieden• Es treten auch psychiatrische Erkrankungen bei Personen auf, die gar nicht Träger derTranslokation sind.2.3 Hirnorganische Schädigungen2.3.1 Postoperative und durch internistische Erkrankungen ausgelöstepsychiatrische StörungenIm Rahmen von somatischen Erkrankungen oder Traumen kann es zu psychiatrischenBegleiterkrankungen kommen.Typischer Verlauf = BewusstseinseintrübungAtypischer Verlauf = Durchgangssyndrome nach WieckBehandlung ist symptomatisch + Förderung der kognitiven Leistungsfähigkeit1 Akute exogene Reaktionstypen (AER)1 a) Typische Akute exogene Reaktionstypen (mit Bewusstseinseintrübung = Be.)Auftreten meis nach Traumen (Boxer geht k.o.)Verschieden Grade der Bewusstseinseintrübung:• Benommenheit• Somnolenz: alle Reflexe vorhanden, weckbar• Sopor: Reflexe vorhanden, nur durch starke Reize weckbar und kurz aufnahmefähig• Präkoma: Sehnenreflexe vorhanden, Pupillenreaktion noch vorhanden, keineWeckbarkeit• Koma: Reflexe erloschen, nicht weckbar1 b) Atypische Akute exogene Reaktionstypen (ohne Be.)= Durchgangssyndrome= stufenweiser Ausfall bestimmter <strong>Funktionen</strong> des Gehirn bei gleichzeitig abnehmenderkognitiver Leistung.• Stufe 1: hyperästhetisch- emotioneller Schwächezustand:Licht-, Lärmempfindlichkeit, Affektlabilität• Stufe 2: affektive Entgleisungen• Stufe 3: Halluzinationen oder paranoid halluzinatorische klinische BilderPraxis wird z.B. als Bühne und Ärzte als Schauspieler wahrgenommen => Gefahr fürPatienten• Stufe 4: delirantes DurchgangssyndromDesorientiertheit, schwerste Einschränkung der kognitiven LeistungenRückbildung ist auf jeder Stufe möglich, erfolgt aber in den gleichen Schritten wie dieEntwicklung.25


Daniela Zwick <strong>20</strong>11/<strong>20</strong>122 Chronische exogene Reaktionstypen (CER)• Nach langwierigen oder chronischen Erkrankungen• Eine chronische Beeinträchtigung des Gehirns kann sich durch kognitiveLeistungsschwäche äußern oder seltener durch rein affektive Symptome.• Meist Kombination aus kognitiver Leistungsschwäche und affektiven Symptomen.ZusammenfassungAkute exogene Reaktionstypen (AER)• Typische AER (mit Bewusstseinseintrübung)• Atypische AER (ohne Bewusstseinseintrübung)Chronische exogene Reaktionstypen (CER)• Nur kognitive Symptome• Nur affektive Symptome• Kombination aus kognitiven und affektiven SymptomenHier gilt die Noxenunspezifität nach Bonhoeffer:„<strong>Die</strong> Art der psychopathologischen Symptome/ Syndrome lässt nicht unverwechselbar dieUrsache diagnostizieren.“Das heißt, egal welche körperliche Krankheit die Ursache sein mag, die <strong>psychischen</strong>Folgesymptome sind einheitlich.Das Wort exogen soll auf die somatische – außerhalb des Hirns – Ursache hinweisen.Siehe Fallbeispiele S96f!!2.3.2 Theorien zur Entstehung süchtigen Verhaltens: Alkoholismus2.3.3 Abhängigkeit von anderen psychotropen Substanzen26


Daniela Zwick <strong>20</strong>11/<strong>20</strong>122.4 Dysfunktionale Beziehungserfahrungen in der KindheitSigmund Freud erkannte richtig, dass kindliche Beziehungserfahrungen Ursache für dasEntstehen psychische Störungen sein können.Kindliche Traumatisierung kann zu <strong>psychischen</strong> und physischen KH führen.<strong>Die</strong>s gilt auch für scheinbar weniger dramatische, nicht traumatisierende Ereignisse.Je mehr dieser Faktoren vorliegen, umso größer ist das Risiko später zu erkranken:RisikofaktorenSchutzfaktoren• Niedriger sozio- ökonomischer Status • Dauerhafte gute Beziehung zu mind.• Mütterliche Berufstätigkeit im 1. Lj. einer primären Bezugsperson• Schlechte Schulbildung der Eltern • Großfamilie/ kompensatorische• Große Familien und sehr wenigWohnraumElternbeziehung/ Entlastung derMutter• Kontakte mit Einrichtungen der• Insgesamt attraktives Mutterbild„sozialen Kontrolle“• Gutes Ersatzmilieu nach frühem• Kriminalität oder Dissozialität eines MutterverlustElternteils• Mindestens durchschnittliche• Chronische Disharmonie in derIntelligenzFamilie• Robustes, aktives und• Psychische Störungen eineskontaktfreudiges TemperamentElternteils• Soziale Förderung (z.B.• Schwere körperliche ErkrankungJugendgruppen, Schule, Kirche)eines Elternteils• Verlässliche unterstützende• UnerwünschtheitBezugspersonen im Erwachsenenalter• Alleinerziehende Mutter• Lebenszeitlich späteres Eingehen• Autoritäres väterliches Verhalten„schwer lösbarer Bindungen“• Verlust der Mutter• Häufig wechselnde früheBeziehungen• Altersabstand zum nächstenGeschwister < 1,5 Jahre• Uneheliche Geburt• Sexueller/ physischer Missbrauch,VernachlässigungKeine Spezifität für dies Faktoren – d.h. kein Zutreffen von bestimmten Risikofaktoren fürbestimmte Erkrankung.Für die Depression wurde dies nachgewiesen – es darf die multifaktorielle Ätiologie nichtaußer Acht gelassen werden.27


Daniela Zwick <strong>20</strong>11/<strong>20</strong>12Ätiologische Modelle der DepressionFreud• Werk „Trauer und Melancholie“ = Verständnis von normalem und pathologischemTrauerprozess• Warum reagieren manche Personen mit Trauer, die sie nach einer gewissen Zeitüberwinden, während andere in einen Zustand der Depression verfallen?• Ein Mensch stirbt.Das verbliebene Subjekt identifiziert sich mit dem verlorenen Objekt = Introjektiondes verlorenen Objekts => Ich- Spaltung:Aus dem Konflikt zwischen Ich und Objekt wird ein Konflikt zwischen verändertemIch und der vom Ich abgespaltenen kritischen Instanz.• Ein ICH => Ichkritik + verändertes Ich• Der Ichverlust führt zu einer Beeinträchtigung des Denkens, des Antriebs, derAufmerksamkeit und des Interesses.• Der depressive Stupor = ausgeschaltete Ichfunktionen• Selbstvorwürfe sind in Wirklichkeit Vorwürfe gegen das Objekt, kann bis zuhalluzinatorischen Erwartungen von Strafe werden.<strong>Die</strong> auf das Objekt gerichteten sadistischen Neigungen erfahren eine Wendung gegendie eigene Person => Selbstmordneigung des MelancholikersMelanie Klein• Innenwelt und Phantasien haben etwas mit Depression zu tun• Reale Trennungserlebnisse werden nie objektiv sondern immer subjektiv unterEinbeziehung des inneren Objekts gemacht.• Auch Erwartungen, Projektions- und Introjektionsmechanismen in realen Beziehungengestalten sich nach der Beziehung zum Inneren Objekt.• MERKE:Trennungs- und Verlustangst sind Phantasien über die Zerstörung des inneren Objekts.• Paranoid- schizoide Position: <strong>Die</strong> Angst vom bösen Objekt angegriffen zu werden.• Depressive Position: <strong>Die</strong> Angst, das gute Objekt zu verlieren.• Bei jedem Verlusterlebnis werden nun depressive Gefühle reaktiviert und in jederEntwicklungsstufe steht das Individuum vor der Wahl entweder den paranoidschizoidenFunktionsmodus zu erleben, um dem depressiven Schmerz zu entkommenoder aber die Depression durchzuarbeiten.• Kann die Depression nicht durchgearbeitet werden, ist die Integration der guteninneren Objekte nicht möglich => Depression, Manie, Psychose• Wichtige Verlustsituationen:Geburt, Beendigung des Stillens, Sauberkeitserziehung, Laufen, Sprechen, Aufgebender infantilen Abhängigkeit, Verlust der Eltern, Menopause, Ausstieg aus Berufleben,etc.28


Daniela Zwick <strong>20</strong>11/<strong>20</strong>12John Bowlby• = Begründer der Bindungstheorie• Bindung als ein primäres Motivationssyndrom• Das menschliche Dilemma beruht auf der zentralen Bedeutung einer Bindung, dienicht absolut zuverlässig sein kann, gezwungenermaßen geteilt werden muss undverloren gehen muss.• Trilogie: „ Attachment and Loss“• Frühzeitiger Verlust der Bezugsperson => Durchlaufen folgender PhasenProtest – Despair – Detachment (= Protest – Verzweiflung – Desinteresse) (little John)• Eine 9- tägige Trennung ist weitaus genügend.• Eine unsichere Bindung führt zu einer Vulnerabilität für Depression bei Kindern,Jugendlichen und Erwachsenen.• Unsichere Bindung wird mit einem schweren Verlauf der Depression assoziiert.• Traumatische Kindheitserfahrungen führen zu einer Sensibilisierung neuroendokrinerStressreaktionen, währen gute Bindungserfahrungen mit Resilienz verknüpft werden.Henry Rey• Zeitgenössischer psychoanalytischer Ansatz• „The psychodynamics of depression“• affektive Störung und körperlich/ vegetative Symptome der Depression sindpsychodynamisch zu verstehen:oral- sadistische Impulse => depressive Essstörung (Appetenzverlust,Gewichtsabnahme)=> bulimischen Attacken (umgekehrt = GierigeEinverleibung der Mutterbrust)aggressive, destruktive Phantasien über die exkretorische Funktion => Obstipation,und zwar darum, um diese destruktiven Impulse zu kontrollieren (auch sexuelleImpulse sinken)• „Reversibility, depression and the therapeutic“• Reversibilität der Depression• <strong>Die</strong> hoffnungslose Idee, dass die in der Phantasie durch destruktive Impulse imInneren angerichtete Zerstörung wiedergutzumachen ist.• Man muss Schuldgefühle durcharbeiten und die zerstörten inneren Objektewiederherstellen.• Man nimmt dem Patienten die Möglichkeit zur Aufarbeitung durch Gabe vonAntidepressiva.Freud:Man integriert den Verlorenen und wird dadurch gespalten = krank.Melanie Klein:Man muss die Depression durcharbeiten, sonst kommt es zur Erkrankung.John Bowlby:Unsicherheit in der Bindung zur Bezugsperson oder deren Abwesenheit => Depression.Henry Rey:Depression als selbstdestruktiver Prozess.29


Daniela Zwick <strong>20</strong>11/<strong>20</strong>12Therapie der Depression• Pharmakologische Behandlung der Depression• Psychotherapeutisches Vorgehen• Laut Konsensus- Statement der Österreichischen Gesellschaft fürNeuropsychopharmakologie und Biologische Psychiatrie ÖGPB ist bei allenSchweregraden der Depression eine psychotherapeutisch- medikamentöseKombinationstherapie indiziert.• Deutsche Versorgungsleitlinie Unipolare Depression:Akute leichte bis mittelschwere Depression – PsychotherapieAkute schwere Depression – Medikamente + PsychotherapieDysthymie (= double depression= Kombination von Dysthymie + depressive Episode)• Chronische Depression: Kombinationstherapie• Überlegenheit der Kombinationsbehandlung• Bei chronischer Depression bei Patienten mit adversen Kindheitserfahrungen nurmarginale Überlegenheit der Kombinationstherapie gegenüber der alleinigenPsychotherapie.• Psychotherapie = ProphylaxeKasuistik – siehe S 128ff2.5 Adoleszente Krisen und SuchtAdoleszente Krisen = akute Störungen der Anpassung im JugendalterHaben einen engen Zusammenhang mit den Enwicklungsaufgaben und sind durchRisikoverhalten gekennzeichnet.<strong>Die</strong> Entstehung von süchtigem Verhalten ab dem 12. Lj. ist nicht zufälligWichtig:1.) eigene Persönlichkeitsentwicklung mit dem Durchlaufen der Pubertätund Adoleszenz2.) Loslösung von den ElternBeide Prozesse sind Grundvoraussetzung für die Entwicklung einer reifen Persönlichkeit.Beide Prozesse sind von geprägt von grundlegenden Veränderungen und führen zurLabilisierung der gesamten inner<strong>psychischen</strong> Struktur.Durch innere und äußere Irritationen kann es zur krisenhaften Adoleszenzentwicklungkommen und es kann zu vorübergehender oder chronischer stofflicher oder nichtstofflicherSucht kommen.Zur Entwicklung der Adoleszenz• Pubertät = hormonell bedingte körperliche Entwicklung im Sinne der biologischenReifung• Adoleszenz = seelische Auseinandersetzung mit den körperlichen und psychosozialenVeränderungen an der Schwelle zum Erwachsenwerden.• Es kommt zur radikalen Neuorientierung des Jugendlichen hinsichtlich seiner selbstund seines sozialen Umfelds.• Auflösen von Entwicklungsaufgaben:Suche nach Identität, Intimität, Individualität, Selbstwert, Selbstbehauptung,Identifikation• <strong>Die</strong>se Aufgaben können nur unter Loslösung von der Bezugsperson stattfinden.30


Daniela Zwick <strong>20</strong>11/<strong>20</strong>12• Wichtig für das Gelingen dieser Phase:a) präpubertäre Stabilität der Persönlichkeitb) adoleszente Abwehrmechanismenc) Verhalten der Umwelt• Abwehrmechanismen:Regression, Askese, Intellektualisierung, Uniformierung= typisches Halbstarkenverhalten mit Probier- und Risikoverhaltendiese sind bestimmend für die Entwicklung von Jugendkulturen und diediesbezügliche individuelle Orientierung.Normale versus krisenhafte Adoleszenzentwicklung• Ungünstige Ausgangsbedingungen:Bestehende Persönlichkeitsstörungen = psychischer FaktorBestehende Erkrankungen = biologischer FaktorErbbedingte Faktoren = genetischer FaktorUngünstige psychosoziale Rahmenbedingungen = sozialer Faktor• All jene führen zur Entstehung von Adoleszenzkrisen• Weiters führt die Nichtbewältigung der Entwicklungsaufgaben zu den entsprechendenKrisen:EntwicklungsaufgabeKriseIdentitätIdentitätskrisen, DepersonalisationIdentifikationRollenkonfusionSelbstwertNarzisstische KriseIndividualitätAblösungskriseIntimitätBeziehungskriseSelbstbehauptungRivalitäts- / AutoritätskriseAdoleszenztypische Abwehrmechanismen werden dann pathologisch und tragen zumCharakter der jeweiligen Krise bei.Risikoverhaltensweisen:• Das Wissen von der Gefahr ist vorhanden.• Bedingt durch die aktuelle soziale Kompetenz• Bedingt durch Bewältigungsfähigkeit• = Delinquenz, Sucht, aggressive Interaktion• ist begleitet von Änderung des Lebensstils, Lebensrythums und vonpsychopathologischen Symptomen• adoleszenztypisches Risikoverhalten wird übersteigert• es kommt zur Selbstüberschätzung und Kontrollverlust• <strong>Die</strong> Gleichaltrigengruppe bildet die Brücke zwischen Familie und Gesellschaft• MERKE:Anhand der Beurteilung der notwendigen Beziehungsfähigkeit kann normale vonkrisenhafter Adoleszenzentwicklung unterschieden werden.31


Daniela Zwick <strong>20</strong>11/<strong>20</strong>12Krisenhafter VerlaufGebrauch von Drogen als primärerOrganisator von Identität, als Regulator vonWohlbefinden und SelbstachtungPromiskuöse sex. Beziehungen odermangelnde Beziehung zu GleichaltrigenSchulverweigerung oder Verlust vonInteresse an schulischen undaußerschulischen AktivitätenHass auf Eltern, Bekämpfen basalerfamiliärer Regeln und WerteVon Angst überwältigt, Unfähigkeit dasLeben zu genießen, gelähmt durchDepressionUngeordnetes Denken, Suizidgedanken,auffälliges bizarres Verhalten„normaler“ VerlaufGelegentliche Experimente mit Drogen inVerbindung mit GleichaltrigenSex. Experimente mit Gleichaltrigen,Gefühle von Schüchternheit undUnsicherheitDurchgehendes Interesse an strukturellenperspektivischen AufgabenAuseinandersetzung über Kleidung, Musik,etc.Unzufriedenheit, LangeweileGegenüber den Eltern provokantes,überzogenes VerhaltenAdoleszentes Risikoverhalten sollte ernst genommen werden, nicht aber dramatisiert werden,da es sonst zu Stigmatisierung, Kriminalisierung, Schulsuspension, etc. als negativeKettenreaktion kommt.Suchtentwicklung bei Jugendlichen• Spannungsfeld: Persönlichkeitsentwicklung, psychosoziales Umfeld, Suchtmittel• Abhängiges Verhalten = Ausdruck einer Adoleszenzkrise• Symptomatische Abhängigkeit = Folge einer bestehenden psychiatrischen KH• Süchtiges Verhalten = pathologische Form regressiver Abwehrstrategien = Abbau vonunerträglichen inneren Spannungen• Süchtiges Verhalten in Form von Risikoverhalten = Defizite inBewältigungsstrategien (Identitätsfindung, etc.) zu kompeniseren => Suchtidentität• Es gibt Prädispositionen zu süchtigem Verhalten.• Psychosoziales Umfeld = Elternhaus, Schule, Arbeitsplatz, Gleichaltrigengruppe,Freund/ in• Eltern = Bewahrer der pädagogischen Grenzen, die sie immer wieder anpassen müssenBeharren auf bestimmten Grenzen oder plötzliche Aufgabe aller Grenzen ist schlecht.<strong>Die</strong>s führt zu:a) oppositionelles Verhalten (z.B. Drogenabusus)b) passiv angepasstes Verhalten (Resignation)• Verhalten der Eltern = indirekter Faktor zu Entstehung der Abhängigkeit• Eltern als Initiatoren und Modelle = direkter Faktor (erster Kontakt mit Suchtmittelinnerhalb der Familie)• Sekundäre Bezugspersonen = Identifikationsobjekte – an ihnen orientiert sichabhängiges Verhalten + an der Gruppennorm• Psychosoziale Faktoren: Abhängigkeitsmuster der Eltern, innerfamiliäre Interaktion,Abhängigkeitsmuster der peer- group, gesellschaftliches Abhängigkeitsmuster• Stoffliche und nicht- stoffliche Suchtmittel• Hinsichtlich der schädigenden Wirkung ist Einstiegsalter, Dauer und Dosisentscheidend32


Daniela Zwick <strong>20</strong>11/<strong>20</strong>12FazitJugendliche Abhängigkeit müssen im Konnex mit der Adoleszenzentwicklung gesehenwerden. Jugendliches abhängiges Verhalten ist Ausdruck einer krisenhaftenAdoleszenzentwicklung und muss als solcher analysiert werden. Folgende Fragen müssengestellt werden:1.) Welcher Entwicklungskonflikt liegt vor?2.) Welche Bewältigungsformen und Risikoverhaltensweisen werden zum Ausdruckgebracht?3.) Welche psychopathologischen Phänomene sind involviert?4.) In welchem sozialen Rahmen findet die Krise statt?2.6 TraumatisierungTeil 1:Posttraumatische BelastungsstörungEinleitung:Ein Trauma ist ein plötzliches, intensives, gewalttätiges und schmerzhaftes Ereignis, das die<strong>psychischen</strong> Verarbeitungsmöglichkeiten eines Menschen überfordert, weil es die Psycheüberschwemmt.DefinitionAkute Belastungsreaktion:• = eine vorübergehende Störung von beträchtlichem Schweregrad.• Tritt bei einem normalen Menschen als Reaktion auf eine außergewöhnlichekörperliche oder seelische Belastung auf.• Beginnt unmittelbar und endet innerhalb von Stunden oder Tagen.• Erlebnis: ernsthafte Bedrohung für die Sicherheit des Patienten oder einerbeliebten Person oder eine plötzliche bedrohliche Veränderung der sozialenSituation (mehrere Todesfälle, ein Brand, etc.)• Beginn: Art von Betäubung, Unfähigkeit Reize zu verarbeiten,Desorientiertheit• Entweder folgt nun Rückzug oder Flucht mit Überaktivität• Vegetative Zeichen panischer Angst: Tachykardie, Schwitzen, ErrötenPosttraumatische Belastungsstörung:• = verzögerte oder protrahierte Reaktion auf ein belastendes Ereignis• Naturereignisse, Katastrophen, Kampfhandlungen, schwerer Unfall, Zeugegewaltsamen Todes, selbst Opfer von Folter, Terrorismus, Vergewaltigung,Verbrechen• Merkmale: Wiedererleben des Traumas, aufdrängende Erinnerungen oder Träume,Andauerndes Gefühl von Betäubtheit, emotionaler Stumpfheit• Gleichgültigkeit gegenüber anderen Menschen• Vermeidung von Aktivitäten und Situationen, die ans Trauma erinnern• Vegetative Übererregtheit, Vigilanzsteigerung• Übermäßige Schreckhaftigkeit, Schlaflosigkeit• Angst, Depression – Suizidgedanken• Dauer von Wochen bis Monaten33


Daniela Zwick <strong>20</strong>11/<strong>20</strong>12Psychogenes Schocksyndrom (bei Kindern)Von Walter Spiel:1. Phase: Panik, Fluchttendenz, Angst, Apathi2. Phase: Aktive Verdrängung, Bearbeitung in der Phantasie möglich3. Phase: Symptombildung, kann bis zu 0,5-1 a später auftreten: Leistungsabfall,Rückzug, Tics, Einnässen, Stottern, Kontaktproblematik4. Phase: Bearbeitung in der Realität möglichTraumatypenVon Leonore Terr:• Trauma Opfertyp 1 = einmaliges traumatisches Erlebnis:Detaillierte ErinnerungKinder suchen magische Erklärung für das Geschehen, machen Schuldzuschreibungen• Trauma Opfertyp 2 = wiederholte Traumatisierung:Verleugnung und emotionale AnästhesieDepersonalisation, Dissoziation, extreme Distanzierung, Ärger, WutWechsel von extremer Passivität und emotionaler AbstumpfungWendung der Wut gegen die eigene Person, häufig Selbstverstümmelung,Suizidgedanken, SuizidRichtet sich die Aggression nach außen werden Opfer zu Tätern• Kombination von Typ 1 und Typ 2:Anhaltende pathologische Trauer und Depression<strong>Die</strong> Integration ins Selbstbild fällt dann extrem schwer.Basales posttraumatisches Belastungssyndrom der KindheitBei aller Vielfalt an Äußerungsmöglichkeiten haben Kindheitstraumata 4 Merkmalegemeinsam:1.) Wiederkehrende, sich aufdrängende Erinnerung (visuell, akustisch, olfaktorisch)2.) Repetitive Verhaltensmuster, etwa traumatisches Spiel – Reinszenisierung inautomatisierten Verhaltensmustern – Kind kann Zusammenhang oft nicht erkennen.3.) Traumspezifische Ängste4.) Veränderte Einstellung zu Menschen, Leben, Zukunft, Verlust des Vertrauens in dieMenschen und negative Erwartungen an das zukünftige Leben (wichtigste Folgen!)Psychische Folgen für die kindliche Entwicklung• Traumatische Erfahrung führt zur Entwicklungsbeeinträchtigung auf jederEntwicklungsstufe• Ausbildung traumabezogener Erwartungen, wie Gedanken, Emotionen,Verhaltensweisen, Physiologie• Traumata verzerren die Erwartungen in Bezug auf die Welt, das Gefühl der Sicherheitund Geborgenheit• Ändern das persönliche Integritätsgefühl• Entwicklungsstörungen, Veränderungen im Lebenslauf, spätere körperlicheGesundheitsrisiken, erhöhte Anfälligkeit gegenüber zukünftigen Lebensbelastungen• <strong>Die</strong> Gesamtkonstellation und wie sie vom Kind gesehen wird ist wichtig.34


Daniela Zwick <strong>20</strong>11/<strong>20</strong>12• Kinder greifen oft angesichts der inneren Gefahren auf Mechanismen desSelbstschutzes zurück, darunter auch dissoziative Reaktionen, die es dem Kindermöglichen in seelischen Abstand vom Geschehen zu gehen, das Gefühl zu haben,dass das, was passierte, nicht ihm passierte, schmerzliche Empfindungenauszublenden, Angst zu kontrollieren, bestimmte Ich- <strong>Funktionen</strong> zu schützen und dasGefühl des aktiven Beteiligtseins zu verringern.• Daraus ergibt sich die Gefahr, dass die Umwelt denkt, das Kind hätte die Belastungverarbeitet. Wenn weiterhin unerkannt => psychische Störung• Sekundäre Belastungen:Umzug, Änderung familiärer Verhältnisse, Veränderungen im Rollenverhalten oder inden Schulleistungen aufgrund posttraumatischer Belastungsreaktionen, …• Sekundäre Belastungen vergrößern das Risiko für KomorbiditätenTherapeutische Intervention• Krisenintervention: authentisch und wahrheitsgetreu• Vielfältige Therapiemöglichkeiten:Psychodynamische Therapie, imaginative Verfahren, kognitiv- behaviorale Therapie,EMDR (Eye Movement Desensitization and Reprocessing), hypotherapeutischeTechniken, Gruppentherapie, Pharmaka- Therapie, Körpertherapie, künstlerischeTherapieTherapeutisches Vorgehen sollte hier ansetzen:• Stabilisierung• Trauma- Bearbeitung• Rehabilitation• ReintegrationStabilisierung ist das Ziel der traumatherapeutischen Bemühungen.MERKE:Ohne Stabilisierung keine Trauma- Bearbeitung.Stabilisierung = Wiederherstellen von Sicherheit und Autonomie, Beendigung mitTäterkontakt, Sekundärprävention traumatischer Folgestörungen, etc.• Psychotherapie vor Pharmaka- Therapie• Ziel aller traumabearbeitenden Therapien ist die TRAUMA- SYNTHESE durchTrauma-Exposition:Trauma- Synthese = Integration des traumatischen Erlebens in die individuelleBiographie als Erfahrung, das Trauma erlebt zu haben.• Durch Traumatisierung in der Kindheit werden Mechanismen der emotionalenSteuerung gestört.• Traumatische Erfahrungen können kritische Entwicklungsschritte verzögern, aberauch beschleunigen.• Verlust der Fähigkeit zur Selbstregulation35


Daniela Zwick <strong>20</strong>11/<strong>20</strong>12Van der Kolk:„Da sichere Bindungen die wichtigste Voraussetzungen dafür sind, dass Kinder ihre innerenZustandsänderungen regulieren lernen, muss der Schwerpunkt der Behandlung auf derEntwicklung von interpersonaler Sicherheit liegen. Da nach einem Kindheitstrauma besondersdas Erfassen und Einordnen von Gefühlszuständen gestört ist, muss in der Behandlung aucherlernt werden, wie man mit Worten Gefühle – insbesondere belastende Ereignisse- verstehenund interpretieren kann.“• Je jünger das Kind umso mehr ist die Erinnerung auf eine einzige Bildwahrnehmungbegrenzt.ZusammenfassungTraumen sind immer soziale Ereignisse und Ereignisse mit sozialen Folgen.<strong>Die</strong> Reaktion der Umwelt entscheidet über den Verlauf.Im therapeutischen Prozess geht es darum, die überwältigende traumatische Erfahrung soweitzu verarbeiten und zu integrieren, dass kein Entwicklungsrückstand fixiert wird, sondern diephasenspezifischen Entwicklungsaufgaben bewältigt werden können.Teil 2:Sexueller Missbrauch an Kindern und JugendlichenDefinition• Dramatischer Vertrauensbruch• Kind kann aufgrund seiner Unwissenheit die Tragweite des Geschehens nicht erfassen,d.h. es ist überhaupt nicht in der Lage, in freier Entscheidung seine Zustimmung oderAblehnung anzubringen.Epidemiologie• 25% aller Mädchen (jedes vierte!!) und 8% aller Buben, die das 16. Lj. noch nichtvollendet haben, sind Opfer sexuellen Missbrauchs• Täter sind in 95% Männer und in 5- 10% Frauen• 85 % der TäterInnen, welche Mädchen missbrauchen, stammen aus dem familiärenoder sehr nahen Umfeld.• Buben werden häufiger von Fremden missbraucht• In 60% der Fälle beginnen im Vor-, Volksschulalter.• Bei 80% dauert der Missbrauch 2 Jahre.• Sexueller Missbrauch entsteht nicht fließend aus einer zärtlichen oder liebevollenBerührung, sondern es handelt sich zumeist um eine sehr bewusste Handlung.• Täter planen das Missbrauchsgeschehen und schaffen die dafür notwendigenRahmenbedingungen.• Kinder spüren dabei instinktiv genau, wo eine Ausbeutung ihres Körpers beginnt undnehmen unangenehme Gefühle wahr.Diagnostik des sexuellen Missbrauchs• Im deutschsprachigen Raum noch sehr wenig vorhanden• Anatomische Puppen mit relevanten Körperöffnungen:Können auch im Rahmen der allgemeinen Sexualaufklärung verwendet werden =Präventionsmaßnahme für sexuellen Missbrauch36


Daniela Zwick <strong>20</strong>11/<strong>20</strong>12Folgen von sexuellen MissbrauchserlebnissenFolgen stehen in Abhängigkeit zu unterschiedlichen Faktoren: Intensität des Missbrauchs,Naheverhältnis, Art und Dauer der MissbrauchshandlungJedoch entwickeln nicht alle Kinder, die sexuell missbraucht wurden ein auffälliges Syndrom.Verletzungen im Genitalbereich zuerst, dann psychische Folgeerscheinungen in Form einerakuten oder posttraumatischen Belastungsstörung.Es gibt kein spezielles „Missbrauchssyndrom“.• Scham- und Schuldgefühle• Allgemeiner Vertrauensverlust• Ohnmachtsgefühle• Tatsächliche oder unbestimmte Ängste• Rückzug auf sich selbst• Zweifel an der eigenen Wahrnehmung• Sprachlosigkeit und Sprachstörungen, wie bsp. elektiver Mutismus• Zerstörung des Selbstwertgefühls• Plötzlich auftretende Verhaltensänderung, vor allem im Bereich desAktivitätsverhaltens des Kindes, wobei der Antrieb deutlich gesteigert oder vermindertsein kann und im deutlichen Gegensatz zu den bislang gewohnten Verhaltensweisendes Kindes steht.• Abspaltung, im Sinne einer Spaltung der Persönlichkeit durch totale Verunsicherung• Dissoziative Störung• Depression, auch mit Suizidhandlungen• Schlafstörungen• Auftreten neurotischer Symptome, wie Enuresis, Enkopresis (Einkoten), Stottern,Trichotillomanie (Haare ausreißen), Zwänge• Aggressionen gegen andere oder gegen sich selbst• Exzessives autoerotisches Verhalten und allgemein stark sexualisierteVerhaltensweisen im Kontakt zu anderen Personen• Störungen im Kontaktverhalten• Essstörungen• Psychosomatische Störungen, wie etwa Asthma, dermatologische Erkrankungen,Allergien• Flucht in Substanzabhängigkeiten• Dissoziales Verhalten, Verwahrlosungserscheinungen• Schulleistungsstörungen, vor allem in Form von Schwächen im Bereich derKonzentrationsfähigkeit, der Aufmerksamkeitsspanne, der Merkfähigkeit oder derWahrnehmungsfähigkeitInterventionen• Für Fachpersonen: man kann sexuellen Missbrauch nie alleine aufdecken.• Mit Kollegen besprechen und sich mit einschlägigen Institutionen in Verbindungsetzen (forensische Ambulanz, Jugendamt, Beratungsstellen, etc.)• Kind mit der Bitten, niemand anderem davon zu erzählen, muss man ehrlich sein:Offenheit und Transparenz – das Kind wurde schon einmal im Vertrauen missbraucht,ein zweites Mal wäre zuviel• Rasche erste Hilfe in Form von Kriseninterventino• Familiäres, soziales Umfeld miteinbeziehen• Psychotherapeutische Angeboten, tiefenpsychologische Spieltherapie, SystemischeFamilientherapie37


Daniela Zwick <strong>20</strong>11/<strong>20</strong>12• Gericht: Opfer hat den Status des Zeugen und müsste aussagen.Seit 1994 gibt es die Zeugenschutzbestimmung, die die kontradiktorische Befragung,eines Minderjährigen, psychisch Kranken oder geistig Behinderten ermöglicht.D.h. im Rahmen der Hauptverhandlung, nicht im Gerichtssaal sondern mittelsVideoaufzeichnung durch den Richter oder einen gerichtlichen Sachverständigen.2.7 StressEinleitung• = Anforderungen überfordern die Anpassungsfähigkeit eines Individuums wirdbeansprucht oder überstiegen.• Stress ist per se nicht schädlich.• Eustress (Herausforderung wird gemeistert)• Distress (Anpassungsmöglichkeiten des Individuum werden überstiegen)• Sensorische Informationen von Außen werden mit Gedächtnisinhalten abgeglichenund ihnen eine emotionale Bedeutung zugeschrieben.• Das Abrufen von Gedächtnisinhalten erleichtert die Bewältigung der Situation• MERKE:<strong>Die</strong> Beurteilung und Reaktion auf Belastung ist von früheren Erfahrungen geprägt.• Stressreaktionen beinhalten vegetative, verhaltensmäßige, kognitive, motivationaleund emotionale Veränderungen = Adaptation• Chronischer Stress => Vielzahl von Störungen und Erkrankungen• Traumata => Veränderungen in den am Stress beteiligten Strukturen• Stress aktiviert fast alle Systeme besonders aber die, die fürLernen, Gedächtnis, Emotion, Motivation und Aufmerksamkeit verantwortlich sind.• Verschaltung in KreisprozessenPhysiologische Grundlagen• Zentrale gemeinsame Endstrecke = paraventrikulärer Kern im Hypothalamus:CRH- Neurone, endokrine (HH-NNR- Achse), vegetative Reaktionen (LC-Autonomes NS)= primäre peripheren Äste des Stress- SystemsHaben unterschiedliche Zeitverläufe:• Sofortreaktion = verstärkte Ausschüttung von Catecholaminen• Cortisolspiegel steigt mit gewisser Latenz an• CRH- Neurone sind auch an der verhaltensmäßigen, kognitiven und emotionalenReaktionen beteiligt• CRH löst bei CRH 1 Rezeptoren zusätzlich zur autonomen Aktivierung eineangstähnliche Reaktion aus.• CRH hemmt die Nahrungsaufnahme und das Sexualverhalten.38


Daniela Zwick <strong>20</strong>11/<strong>20</strong>12Protein wirkt als Bremse für die StressreaktionAmygdala und Hippokampus• Amygdala und Hippokampus werden durch aufsteigende catecholaminerge Bahnenaus dem Hirnstamm oder durch aufsteigende Bahnen von den Assoziationscorticeserregt.• Amygdala:= emotionale Analyse der Situation + Abrufen und Abspeichern vonGedächtnisinhalten(Verbindungen zum Hippokampus, Ncl. Septalis, präfrontalen Cortex, Ncl.Mediodorsalis des Thalamus)basolateraler limbischer Kreisprozess: Amygdala – mediodorsaler Thalamus – basalesVorderhirn<strong>Die</strong> Amygdala kann, als Antwort auf Stressoren, die zentralen komponenten derStressachsen sowie das mesocorticolimbische dopaminerge System aktivieren.Affektive Tönung, Erkennen von Gefahr, Angstauslösung• Hippokampus:Papez- Kreis: Hippokampus, Mammillarkörper, anteriorer Thalamus ==Langzeitgedächtnis – in der Stresssituation Vergleich mit vergangenen Ereignissen,ist an Strategieauswahl beteiligt<strong>Die</strong> Hippokampusformation erhöht seine Feuerrate, wenn neue oder stressvolleStimuli auftreten.MERKE:Hippocampus hat die höchste Dichte an Glucocorticoid- Typ 2 und Mineralcorticoid-Typ 1- Rezeptoren des ZNS => an der negativen Feedback- Kontrolle der HH- NNR-Achse beteiligt.Typ-1- Rezeptoren dienen der tonischen Kontrolle, haben eine 10 mal höhere Affinität für Cortisol alsTyp-2- Rezeptoren und sind in der Regel zu 90% besetzt, Typ-2- Rezeptoren dienen der phasischenKontrolle und sind unter Basalbedingungen nur zu 50% besetzt.Wirkt hemmend auf den PVNLäsionen im Hippokampus potenzieren den stressbedingten Cortisolanstieg (neg.Feedback ist weg), während eine Stimulation des Hippokampus dämpfend wirkt.MERKE:Hippokampus hemmt die Aktivität von Amygdala und LC/NE.Hippokampus ist besonders für die Beendigung der Stressreaktion bedeutend!39


Daniela Zwick <strong>20</strong>11/<strong>20</strong>12Bed Ncl Stria terminalis• Noradrenerge, adrenerge, serotonerge Eingänge aus dem Hirnstamm zum PVN laufenüber direkt erregende Synapsen• <strong>Die</strong>se werden durch akute homöostatische Stressoren aktiviert.• <strong>Die</strong> meisten Eingänge aus höheren ZNS- Arealen enden an GABA- ergen Neuronenim Bed Ncl. Stria terminalis, die ihrerseits zum PVN ziehen.• BNST ist am Kreisprozess Amygdala, Hippokampus, Hypothalamus, Hirnstammbeteiligt.• Reguliert gemeinsam mit dorsomedialem Hypothalamus das Ausmaß der CRH-Freisetzung im PVN. => differenzierte, situationsangepasste Regulation• GC haben direktes neg. Feedback auf CRH- Freisetzung im PVN• Eingänge aus Hippokampus und Septum zum BNST bewirken eine Hemmung derCRH- Freisetzung.• GABA- erge Eingänge zum BNST wirken aktivierend auf den PVN über Disinhibition• PVN kann auch durch die Amygdala aktiviert werden durch emotional belastendeStressoren (besonders Angst und Unsicherheit)• Werden Motivationen durch die belastende Situation angesprochen erfolgt dieAktivierung des PVN durch den PFC (präfrontalen Cortex).Präfrontaler Cortex• Positives Verstärkungslernen, Genese und Ausdruck von Emotionen (durchVerbindung zu Amygdala und Thalamus), Erkennen potentiell schädigenderSituationen• Medialer präfrontaler Cortex: Arbeitsgedächtnis, Aufmerksamkeit – er inhibiertirrelevante Stimuli sowie unangebrachte Kognitionen und Emotionen• Hat also eine hemmende Funktion auf die Amygdala => Angst Extinktion.• Eine gestörte Funktion des PFC soll an der Entwicklung von „Intrusive Memory“(aufdringliche Erinnerung) im Rahmen der posttraumatischen Belastungsstörungbeteiligt sein.• Über aufsteigende noradrenerge Bahnen zum PFC erfolgt im akuten Stress eineAktivierung und Fokussierung der Aufmerksamkeit.Autonomes NS• Catecholaminerges System in Locus coeruleus erhält Inputs vom unteren Hirnstamm,Vagus, Glossopharyngeus (Barorezeptor- und Chemorezeptor- Informationen)• Wichtige Relais- Kerne sind der Ncl. Tractus solitarius = steht in reziprokerVerbindung mit Hypothalamus und limbischem System und der Ncl. Parabrachialis,mit reziproken Verbindungen zum Frontalhirn, limbischen System, Insularem Cortexund Thalamus.• D.h. die gleichen ZNS- Gebiete, die für den PVN besprochen wurden, haben reziprokeaktivierende Faserverbindungen mit den autonomen Neuronen im Hirnstamm.• Siehe S 147!!!Serotonerge Neurone und Dopaminerges System – siehe S 147 f!!REST – S 148ff!!40


Daniela Zwick <strong>20</strong>11/<strong>20</strong>122.8 Primäre und sekundäre SozialisationWie kann das Individuum zu einem Mitglied der Gesellschaft werden und wie kann durchLernprozesse soziales Handeln verinnterlicht werden?• Anthropologische Voraussetzungen = Körperlichkeit + Soziabilität• Körperlichkeit:jeder Mensch hat einen eigenen Körper, der Körper besitzt eine eigene Zeitstruktur,Körperlichkeit weißt immer auf die Grenze der Autonomie hin: GrundlegendeLebensbedürfnisse können nur mit Mitmenschen gestillt werden.Körperlichkeit und Vergesellschaftung sind also eng miteinander verknüpft.• Soziabilität:= Fähigkeit zu situationsflexiblem HandelnNur durch das Sprechen richtig erlernbar.Soziabilität ist eine lebenslängliche Erfahrung.• Körperlichkeit und Soziabilität stehen mit 2 anthropologischen Tatbeständen inBeziehung: menschlicher Plastizität (= Formbarkeit) und menschlichem Formzwang• Plastizität:Mensch kommt als unfertiges, unspezialisiertes Lebewesen zur WeltOrgane zu Geburt in ihrer Funktion noch flexibel.<strong>Die</strong> Spezialisierung und Konditionierung erfolgt im sozial gesteuerten Lernprozess.Der Bestand angeborener Verhaltensmuster ist begrenzt.• Formbarkeit, sekundäre:= Außenstabilisierung für den Säugling durch die soziale Ordnung in die erhineingeboren wurde.Soziale Regeln überformen vorgegebene Reaktionsmuster und zwar so stark, dass vonpostnataler Phase der Entwicklung gesprochen werden kann.Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Mensch als gesellschaftliches Wesen:1.) ein Lebewesen ist, das von seiner Ausstattung und Entwicklung vital auf andereArtgenossen angewiesen ist. = Körperlichkeit2.) ein Lebewesen ist, das aufgrund seiner Sprachfähigkeit zu flexiblem Sozialverhaltenin der Lage ist = Soziabilität3.) ein Lebewesen ist, das mit verschiedenen Anlagen geboren wird, deren Aktivierungund Konditionierung im sozialen Umfeld speziell in der Eltern- Kind- Beziehungerfolgt = Plastizität4.) infolge eines geringen Bestandes angeborener Reaktionsmuster auf sozialeFormungsprozesse im Sinne einer Außenstabilität angewiesen ist = FormungszwangSozialisation• Sozialisation:Das Normen- und Rollensystem einer Gesellschaft wird auf die neu hinzukommendenMitglieder übertragen.Ziel= Soziale Normen und Werte zu vermitteln<strong>Die</strong>nt vor allem der Funktionsfähigkeit und Stabilität eines sozialen Systems.Verinnerlichung sozialer Normen und WerteIndividuum formt die GesellschaftSozialisation ist ungleich Entwicklung und Erziehung.• Entwicklung:Anpassung an die Sozialwelt ist nur einer unter vielen Aspekten.• Erziehung:Bewusste, beabsichtigte Formung eines Menschen41


Daniela Zwick <strong>20</strong>11/<strong>20</strong>12• Fähigkeit der Rollendistanz ist von zentraler Bedeutung.Primäre Sozialisation• Sozialisation ist ein lebenslanger Prozess, der den Lebenslauf an seinenWendepunkten und Übergangsstadien beeinflusst.• Primäre Sozialisation:Lernprozesse, die dem Kind im Laufe der ersten Lebensjahre bist zum Schulalter dieFertigkeiten des sozialen Verhaltens beibringen.• 4 Aspekte des primären Sozialisationsprozesses stehen im Zentrum soziologischer undsozialpsychologischer Forschung:1.) <strong>Die</strong> Gestaltung sozialer Lernprozesse wie Imitation, Identifikation, Rollenlernen2.) Herausbildung innerer Kontrolle oder Gewissensbildung im Zusammenhang mit demErwerb sozialer Rollen.3.) <strong>Die</strong> Entwicklung verschiedener Verhaltensmuster (Abhängigkeit, Selbstständigkeit,Aggressivität, Soziabilität) und die Ausformung verschiedener Strategien derZielerreichung und Zielsicherung4.) <strong>Die</strong> Beziehung zwischen sozial strukturellen Gegebenheiten und den Prozessen.Ausgangspunkt für den Sozialisationsprozess ist der „Triebgehorsam“ des Säuglings:Das menschliche Kleinkind ist zunächst auf unmittelbare Befriedigung seiner Antriebe fixiert.Im Laufe der Entwicklung widersprechen allerdings diese Forderungen jenen von Seiten derUmwelt. Das Kind muss lernen auf eine unmittelbare Triebbefriedigung zu verzichten, imInteresse einer langfristigen Zielerreichung.<strong>Die</strong>ses Unterdrücken und Hinausschieben von Befriedigung stellt eine grundsätzlicheVoraussetzung für die sozialisierenden und kultivierenden Aktivitäten dar und damit vorallem für die höheren <strong>psychischen</strong> <strong>Funktionen</strong> des menschlichen Individuums.<strong>Die</strong> Instanzen der primären Sozialisation haben eine doppelte Aufgabe (Eltern):Erstens ein Klima zu schaffen, in dem die erwünschten Entwicklungen geübt werden können.Zweitens müssen die Eltern Vorbilder, Kontrollinstanz, Verstärker sein.Wenn alles halbwegs funktioniert kommt es zur Ausformung basaler motorischer,sensorischer, sprachlicher Fertigkeiten, Übermittlung sozialer Normen und Werte, dieschließlich zur affektiven kognitiven und motivationalen Strukturierung des Individuumsbeitragen.<strong>Die</strong>s geschieht durch operante Konditionierung und Modelllernen.Sprache => Planen und Ausführen eigener Handlungen => innere soziale KontrolleInnere soziale Kontrolle:Sich gut benehmen auch wenn man von niemandem kontrolliert wird.(man darf nicht stehlen, nur weil niemand zusieht)<strong>Die</strong> Art der Gewissensbildung ist dafür verantwortlich ob nachhaltige psychische Störungenentstehen.Man kann daran erkennen, wie weit der Mensch in seinen Handlungen, seinem Erleben,seinem Befinden von der Anleitung oder Bestätigung durch Bezugspersonen abhängig ist.<strong>Die</strong> Identität, das Selbstwertgefühl hat eine unverkennbar soziale Wurzel.42


Daniela Zwick <strong>20</strong>11/<strong>20</strong>12Modell:• Gesamtgesellschaftliches Schichtungssystem (= Aggregatebene)• Familie (= Gruppenebene)• Persönlichkeit des Kindes (= Individualebene)• Soziale Schichtung = Ungleichheit in Hinblick auf Besitz, Macht, Geld, Bildung,Prestige• Soziale Schichtung bewirkt tatsächlich erhebliche Unterschiede in der familiärenSozialisation.• Schichtspezifische Effekte:1.) Form der elterlichen Autoritätsausübung2.) Ausbildung der Leistungsmotivation3.) Form und Funktion der Sprache im SozialisationsprozessAd 1):Mittelschichteltern:• Kontrolltechniken bei der in toleranter Haltung in warmen Klima, dem KindLeistungen abverlangt werden, die aber indirekt und symbolisch überwacht werden.• Vermittlung von Werten und langfristige Zielverfolgung• Es geht nicht um die Kontrolle der unmittelbaren Handlung.• Es werden daher eher Handlungsabsichten negativ sanktioniert.• Dadurch wird dem Kind sukzessive eine Anwendung seines eigenenEntscheidungsspielraumes bei der Durchführung von Handlungen gegeben und auchein rigides, zwanghaftes Reaktionsverhalten verhindert.Unterschichtselter:• Kontrollverhalten ist machtorientiert• Sicherung der elterlichen Autorität und Wertorientierung wie Ordnung, Sauberkeit,Gehorsam von Bedeutung• Sanktionen werden weniger konsistent sonder sprunghaft angewandt, ohne verbalausdrücklich begründet zu sein.• Es handelt sich NICHT um langfristige Erziehungszielvorstellungen.• Aussprechen von Befehlen, Androhen physischer Gewalt• Präjudiziert die Chance auf flexibles Sozialverhalten beim Kind und erschweren auchdie Entwicklung von HandlungskompetenzAd 2):• Leistungsmotivation:Relativ stabiler, affektiv gesteuerter Antrieb, der im Prozess der primären Sozialisationentwickelt wird.Wunsch nach Erfolg oder Angst vor Misserfolg!Leistungsmotivation setzt die Fähigkeit voraus einen längeren Belohnungsaufschub zuertragen = Frustrationstoleranz. => Möglichkeit langfristig Ziele zu erreichenMERKE:<strong>Die</strong> Art der elterlichen Autoritätsausübung ist verantwortlich für Stärke und Qualitätder Ausbildung dieser Motive.43


Daniela Zwick <strong>20</strong>11/<strong>20</strong>12Ad 3):• Sprache hat 2 Aufgaben:a) Gesellschaftliche Wirklichkeit zu definierenb) Flexibles Sozialverhalten durch Reflexivität, Abstraktion und Verinnerlichung zudefinieren• Sprachinhalt und Sprachform wirken sich daher auf die Gestaltung vonSozialisationsprozessen wesentlich aus.SpracheBernstein: schichtspezifische Sprachstile:Restringierter Code – Angehörige der Grundschicht:• Kurze, verblose Sätze• Präsens dominiert• Konjunktiv selten verwendet• Nebensätze selten• Unterscheidung zwischen persönlichen und unpersönlichen Pronomina findet kaumstatt• Schränkt die Möglichkeit der kognitiven Abstraktion ein, legt eine Beschäftigung mitKonkretem nahe• Begrenzt damit den Erfahrungserwerb• Handlungsabsichten werden häufig durch Mimik und Gestik vermittelt• Gefühle etc. werden nur tw. verbal ausgedrücktElaborierter Code – Mittelschicht:• Komplexere vollständigere Sätze• Alle Zeitformen• Konjunktiv und Adverbien werden häufiger verwendet• Deutliche Unterscheidung zwischen persönlichen und unpersönlichen Pronomina• Fördert kognitive Abstraktionsleistungen, erwartet den Erfahrungshorizont über dasSituative hinaus• Begünstigt deskursives Denken• Verbalisierung von Handlungsabsichten und Situationsinterpretationen• Fähigkeit zu reflexivem Verhalten, zur Artikulation subjektiver Absichten besser• Differenzierte soziale Kontakterfahrung, Flexibilität des Verhaltens und Befähigungzur Rollendistanz ist unter diesen Bedingungen eher gegeben.Soziale Schichten• = analytische Kategorie der Soziologie, die den Zweck hat Verhaltens- undEinstellungsregelmäßigkeiten im gesellschaftlichen Leben zu identifizieren.• Schichten= Personengruppen in derselben sozialen Lage• <strong>Die</strong> Gleichheit sozialer Schichten ist ein politisches Postulat in demokratischenGesellschaften. Der Zugang zu gesellschaftlichen Positionen soll in demokratischenIndustriegesellschaften nicht von sozialen Vorgegebenheiten, sondern durch Aktivität,Leistungsbereitschaft und Leistungsfähigkeit des Einzelnen bestimmt werden.• <strong>Die</strong> Gleichheit sozialer Chancen wird aber durch ökonomische und soziokulturelleBarrieren begrenzt.• Soziale Statusdifferenzen müssen über verschiedene Indikatoren erschlossen werden:Beruf, Ausbildung, Einkommen• Statusinkonsistenz:Wenn Beruf und Ausbildung am gleichen Rang liegen, die Person jetzt aber Arbeitslos ist.44


Daniela Zwick <strong>20</strong>11/<strong>20</strong>12• <strong>Die</strong> Meinungsforschung arbeitet mit Statusindizes.• <strong>Die</strong> Soziologie geht von Statusgruppen aus, die sich in sozialem Verhaltenvoneinander unterscheiden.• Eine gemeinsame soziale Lage korreliert hochgradig mit Verhalten und Einstellung.• Das gilt auch für das Gesundheitsverhalten.• Krankheitsdispositionen resultieren auch aus unterschiedlichen Arbeits- undLebensverhältnissen.• MERKE:<strong>Die</strong> Säuglingssterblichkeit gilt als ein empfindlicher Indikator für denEntwicklungsgrad sozialer Verhältnisse.<strong>Die</strong> Säuglingssterblichkeit liegt nicht nur an der medizinischen Versorgung, sonderndaran, dass Präventionsprogramme mit ihrer Sprache eher die Mittel- und Oberschichtansprechen.• Ein weiterer Indikator ist die Lebensdauer.• Auch die psychische Gesundheit ist ein Indikator:Psychosen in Unterschichtfamilien!Ärztliche Sozialisation – S 158ff2.9 Psychiatrie und Gesellschaft• Psychiatrie ist der Bereich in dem sich besonders gesellschaftspolitische Bedingungenund kulturelle Werteordnungen widerspiegeln.• Psychiatrisierung von Dissidenten in kommunistischen Staaten, Beteiligung derNeuropsychiatrie an nationalsozialistischen Verbrechen• Krankheit = Abweichung von Normen.Als psychisch Krank gilt, wer den jeweiligen gesellschaftlichen, kulturellen,moralischen und juristischen Vorstellungen von akzeptiertem Verhalten und darausresultierenden Fähigkeiten nicht entspricht.• <strong>Die</strong> Psychiatrie etablierte sich im 19. Jahrhundert nach der Befreiung durch denFranzosen P. Pinel als eigene medizinische Wissenschaft.• Gründung gemeindefernen Großanstalten.• Ende des 19. Jhd. Nervöse Störung = Hysterie wird durch Hypnose behandelt =Wegbereiter für Freuds Psychoanalyse.• <strong>20</strong>. Jhd. Zwischenkriegszeit: Integration psychotherapeutischer Methoden in diePsychiatrie + experimente mit somatischen Therapien (epileptischen Anfall mitCardiazol- und Insulin- Schocktherapie induzieren, Elektrokrampftherapie,Psychochirurgie – präfrontale Lobotomie)• NS- Zeit: Zwangssterilisation Betroffener und erblich belasteter, Massenmord• 68- er Bewegung, Zweite Feministische Bewegung, Antipsychiatriebewegung:Eine Kritik der Antipsychiatriebewegung war, dass psychische Leiden durchgesellschaftliche Bedingungen und Erfahrungen wie Armut, Missbrauch, Deprivationverursacht wurden, die Opfer dann etikettiert wurden, anstatt die verursachendenBedingungen anzuerkennen.In der Psychiatrie würden die krankmachenden Machtstrukturen fortgesetzt.45


Daniela Zwick <strong>20</strong>11/<strong>20</strong>12<strong>Die</strong>s führte zu Reformen in der psychiatrischen Versorgung (Dezentralisierung, etc.)und zu einer besseren Rechtssituation.Feministische Kritik sah einen Ausdruck patriarchaler Machtverhältnissel, die sich zueiner Männerorientierten Wissenschaft legitimierte.Forschung auch an Frauen (oft ausgeschlossen, weil Studien mit Frauen – SS,Menstruationszyklus teurer), Zugang zur Wissenschaft für FrauenEinfach Männerergebnisse auf Frauen umzumünzen wurde vorgeschlagen, dasfunktioniert freilich nicht.Einfluss von Rollenstereotypen• männliche Stereotyp: Fachliche Kompetenz und Durchsetzungsfähigkeit• weiblicher Stereotyp: Wärme und Ausdrucksfähigkeit• Boverman zeigte auf, dass eine paternalistische Werteordnung in psychischeGesundheitskonzepte einfließt, da entwicklungspsychologische undpersönlichkeitstheoretische Konzepte Erfahrungen und Verhaltensmuster vonMännern normativ darstellen.• Als Kriterien für psychische Gesundheit werden Verhaltensmuster psychisch gesunderMänner genommen, die aber von denen psychisch gesunder Frauen abweichen. Darumsei es zu einem „Doppelstandard seelischer Gesundheit“ gekommen.• Gender Forschung:Frauen und Männer als soziales Konstrukt herrschender gesellschaftlicherBedingungen. Beschreibt Rollenzuschreibungen während die Epidemiologie eineaktuelle Situation beschreibt.• Geschlechtsspezifische Epidemiologie muss vor dem Hintergrund andererErwartungen an Mann und Frau gesehen werden.• Im klinischen Alltag wird die Einschätzung des Schweregrades der Erkrankung durchdie Konkordanz bzw. Dissonanz der Symptome und geschlechtsspezifischenRollenerwartungen beeinflusst, Patienten mit geschlechtsdiskordanter Symptomatikwerden für schwerer krank gehalten.• Eine Interpretation könnte sein, dass psychiatrische Diagnosen soziale Konstrukte derAbweichung von Verhaltensnormen sind.Epidemiologie• Geschlechtsspezifische Differenz in der Manifestation psychiatrischer Erkrankungen:• Frauen doppelt sooft Depression• Frauen höhere Morbidität bei Angsterkrankungen, Ess- und Somatisierungsstörungen• Männer doppelt sooft Alkoholismus und Drogenabhängigkeit• Männer sechsfache Inzidenzrate bei antisozialer PersönlichkeitsstörungPsychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen• In allen Untergruppen sind Männer mindestens 2- fach betroffen• Bei den Opiaten sogar 4-fach• Erklärung: Alkohol als Versuch der Selbstbehandlung einer Depression• Konsum illegaler Drogen durch Unterschied bei Persönlichkeitsstörungen46


Daniela Zwick <strong>20</strong>11/<strong>20</strong>12Schizophrenie, schizotype und wahnhafte Störung• Männer erkranken früher, schwerer, häufiger verbunden mit Alkohol- undDrogenkonsum, Aggressionshandlungen, im Alter Nachlassen der Positiv-Symptomatik• Frauen erkranken 4-5 Jahre später, besserer Verlauf, besseres Ansprechen aufNeuroleptika, höhere Compliance, mehr familiäre Unterstützung, geringereRezidivrate, late onset: nach Menopause zweiter Erstmanifestationsgipfel, im AlterVerschlechterung der Symptomatik – Östrogenschutz?Affektive Störungen ad Depression• Frauen 1,5 – 2- fach häufiger• Kein Unterschied zwischen Mädchen und Buben bis zur Pubertät• In der Reproduktionsphase erhöhte Komorbidität mit Angsterkrankungen• Artefakthypothese: Frauen suchen häufiger Hilfe, Männer trinken Alkohol• Soziale Faktoren: fehlende Berufstätigkeit, etc.• Vulnerabilität in der Reproduktionsphase: 3-8% Prämenstruelles Dysphoriesyndrom,10-15% schwere Postnatale Depression• Nach der Menopause gleicht sich die Prävalenzrate der Frauen jener der Männer an• Das höhere Risiko für Frauen an Depressionen zu erkranken ist Folgesozioökonomischer, biologischer, emotionaler Faktoren.Neurotische, Belastungs- und somatoforme Störung• Bis auf Zwangsstörungen sind in allen Untergruppen Frauen mindestens 2 mal sooftbetroffen.• Angststörungen = Konflikt zwischen Autonomie und Abhängigkeit• Panikstörungen: Frauen 2,5- 4- fach häufiger• Phobien: Frauen 4-6- fach häufiger• Komorbidität mit Major Depression bei Frauen doppelt so häufigKomorbidität• Männer und Frauen gleich häufigVerschreibung von Medikamenten• Ein Drittel aller erwachsenen Frauen in Ö konsumieren regelmäßig Medikamente, vorallem Analgetika, Blutdruckmittel, Psychopharmaka• In der Gruppe der 15-30 Jährigen werden Frauen 6-mal so häufig Psychopharmakaverschrieben, in der Gruppe der 30- 60 Jährigen 3 mal so häufig.• Medikamenten- Fachinformation ist meist geschlechtsneutral• Aber geschlechtsspezifische Unterschiede in Hinsicht auf Pharmakokinetik, etc.• NW von denen besonders Frauen betroffen sind: QT- Verlängerung, Torsades-depointes• Unter AP bei Frauen deutlich erhöhte Prolaktinspiegel, besonders prämenopausal• Gewichtszunahme bei Lithium, Valproinsäure, Clozapin, Olanzapin• Frauen sind von einem Gewichtsanstieg signifikant häufiger betroffen als Männer.• AP: erhöhtes Diabetes- Risiko besonders bei FrauenSoziale Risikofaktoren bei <strong>psychischen</strong> KHGesellschaftliche Individualisierung und Entsolidarisierung bewirken eine Tendenz zuerhöhter Belastung. Auch hier geschlechtsspezifische Unterschiede.47


Daniela Zwick <strong>20</strong>11/<strong>20</strong>12Familienstand• Heirat ist für Männer ein größerer Schutz vor psychiatrischen Erkrankung als fürFrauen,• verheiratete Frauen erkranken häufiger als verheiratete Männer,• die Anzahl der Kinder unter 15 Jahren ist ein negativer Prädiktor fürErkrankungsrisiko bei FrauenFolgen von Mehrfachbelastungen• geschlechtsspezifische Rollenaufteilung als krankmachende Lebensbedingung• Haushaltstätigkeit ist häufig mit Frustration verbunden• In Zeiten steigender Arbeitslosigkeit finden sich Frauen überproportional in prekärenArbeitsverhältnissen (schlechter bezahlt, untergeordnete Positionen, etc.)Ökonomische Ebene• Chronische schlechte Lebensumstände sind ein potenterer Stressor als akute Krisen.• Verlust des Arbeitsplatzes = erhöhtes Risiko für Männer für Depression,Alkoholabhängigkeit, Suizid• Frauen sind häufiger von Armut betroffen, zusätzlich mehr Diskriminierung, Gewalt,besonders wenn sie angehörige von Minderheiten auch noch sind.• Auch das soziale Netzwerk ist ein Stressor.• Armut führt zu einem höheren Risiko psychischer und physischer Erkrankungen.• Armut bedingt schlechteren Bildungszugang, eingeschränkten materiellen undgeistigen Spielraum.• Sozial ausgewogene Gesellschaften unterscheiden sich durch ein höheres BildungsundGesundheitsniveau und eine niedrigere Kriminalitätsrate ( Skandinavien, Japan)• In Österreich sind 1 Mio. von 7 Mio. Menschen von Armut bedroht.• 4,9% aller Frauen in Ö leben in akuter Armut. = <strong>20</strong>0 000 Frauen = fast doppelt sovielwie Männer (110 000)• Das Risiko für Frauen unter die Armutsgrenze zu fallen liegt bei 13% und ist damitum 35% höher als jenes von Männern mit 8,9%.• Gründe für die überproportional hohe Armuts- Betroffenheit sind erstensBenachteiligung von Frauen am Arbeitsmarkt, zweitens, dass Fürsorge- Arbeitenschlecht oder gar nicht bezahlt werden.• Frauen rund 25% weniger als Männer.• 17% aller Alleinerzieherinnen erhalten weder Kindesunterhalt nochUnterhaltsvorschuss.• 16% aller Frauen ab 60 Jahren haben weder eine eigene noch eine Witwenpension.Gewalterfahrung• Jede 5te Frau in einer Beziehung wird von ihrem Ehemann oder LAP misshandelt.• In Ö werden jährlich 150 000- 300 000 Frauen misshandelt.• 90% aller Gewalttaten werden in der Familie oder im sozialen Umfeld verübt.Lebensqualität = QoLFrauen:• bewerten (krank oder gesund) ihre Lebensqualität über alle Bereiche geringer• haben einen höhere Leidensdruck als Männer, insbesondere bezogen auf Kindheit undAdoleszenz48


Daniela Zwick <strong>20</strong>11/<strong>20</strong>12Männer:• Wohlbefinden wird neg. beeinflusst durch Arbeitslosigkeit, schlechtes Einkommen,einfache Phobien,• physisches Wohlbefinden ist weitgehend unabhängig von sozialen Faktoren und<strong>psychischen</strong> ErkrankungenWesentlich sind gesellschaftspolitisch- präventive Maßnahmen: Unterstützung undVerstärkung eines öffentlichen Bewusstseinsprozesses, dass Beruf und Familie Frauen- wieMännersache sind. – Schaffung von Kinderbetreuungsplätzen, etc.3 Diagnostik psychischer <strong>Funktionen</strong>3.1 Anamnese und InterviewtechnikEinleitung• nur in einem geschützten Raum• wichtig ist die Gesprächshaltung:sie erlaubt dem Patienten individuelle Muster der Beziehungsgestaltung zu entfaltenEine vollständige Diagnostik umfasst:• Phänomenologische Diagnostik und Klassifikation• Strukturdiagnose• Beziehungs- bzw. Übertragungsdiagnose• Biographische Anamnese• Psychodynamik bzw. LerngeschichtePhänomenologische Diagnostik:• Für Erfassung basaler psychischer <strong>Funktionen</strong>• Technik der psychopathologischen Befunderhebung: zur vertieften Exploration• Klassifikation nach ICD 10, DSM IV der Amerikanischen PsychiatrischenGesellschaft• Testpsychologische Untersuchungen ergänzen den diagnostischen ProzessStrukturdiagnostik:• Für die Einschätzung höherer psychischer <strong>Funktionen</strong>Beziehungs- und Übertragungsdiagnostik:• Wichtig= Beziehungsgestaltung: ist bei den meisten Menschen mit <strong>psychischen</strong>Störungen beeinträchtigt – in der Psychotherapie thematisiert• In der Verhaltenstherapie hierfür Verhaltensanalyse verwendet• In der Psychoanalyse wird die Übertragungsdiagnostik genutztBiographische Anamnese:• Da bei den meisten <strong>psychischen</strong> Störungen biographische Erfahrungen eine Rollespielen.• Unverzichtbar!49


Daniela Zwick <strong>20</strong>11/<strong>20</strong>12Psychodynamik bzw. Lerngeschichte:• Vor dem Hintergrund der Biographie werden schlussendlich alle Fädenzusammengeführt.• Verhaltenstherapeuten sprechen von Lerngeschichte• Psychoanalytiker sprechen von PsychodynamikGesprächshaltung• Offene, interessierte und unvoreingenommene Haltung• Sigmund Freud: freischwebende Aufmerksamkeit = jedem Detail, egal ob nonverbaloder verbal, auch wenn’s nur eine scheinbar unwichtige Bemerkung ist, dieselbewichtige Bedeutung zubilligen.• Keinesfalls den Patienten „auf eine Spur setzen“ durch Interventionen• Nach Vorstellung: „Was führt Sie zu mir?“ danach aktives Zuhören.• Technische Neutralität:= Äquivalenz gegenüber dem Patienten (nicht gleichgültige Kälte)sollte nicht vorschnell aufgegeben werden.Bsp.: Frau kann sich nicht entscheiden, ob sie sich scheiden lassen soll oder ob siewegen ihren Kindern verheiratet bleiben soll: Therapeut rät nicht zur Trennungsondern fragt welche Motivationen hinter diese Ambivalenz stehen.• Je weniger der Interviewer selbst aktiv wird, umso mehr Druck entsteht bei demPatienten selbst aktiv zu werden.• <strong>Die</strong> Zurückhaltung im Interview fördert die Übertragungsbereitschaft des Patienten.Je weniger wich Interviewende in ihrer spezifischen Persönlichkeit zu erkennen geben,umso mehr bietet sich eine Projektionsfläche.Daraus lassen sich später Rückschlüsse auf frühe Beziehungserfahrungen machen.• Respekt, Wertschätzung, Authentizität• Lehnt der Therapeut den Patienten innerlich ab, wird keine vertrauensvolle Beziehungentstehen und die Diagnostik wird unergiebig bleiben.Übertragung und Gegenübertragung• Jeder Mensch gestaltet seine Beziehung vor dem Hintergrund seiner früherenBeziehungserfahrungen.• Wer liebevolle Eltern hatte wird im späteren Leben eher Gutes von anderen erwartenals jemand, der vernachlässigt und gedemütigt wurde.Im ersten Fall wird ein junger Arbeitnehmer dem neuen Chef eher freundlichbegegnen, da er annimmt, der Chef ebenso ein netter Mensch wie sein Vater. Imzweiten Fall könnten Misstrauen, Trotz, Angst die Beziehungsgestaltung dominieren,da im Chef Eigenschaften des aggressiven, gleichgültigen Vaters wahrgenommenwerden.= Übertragung• Übertragung:= Erleben von Gefühlen, Phantasien, Abwehrmechanismen gegenüber demTherapeuten, wobei dieses Erleben aufgrund der unbewussten Aktualisierung einerfrüheren Beziehung zu einer verzerrten Fremdwahrnehmung führt und deshalb derGegenwart nicht angemessen ist.• Reaktion des Therapeuten = GegenübertragungChef reagiert z.B. freundlich, anerkennend oder verärgert auf die unterschiedlicheÜbertragung seiner Angestellten.50


Daniela Zwick <strong>20</strong>11/<strong>20</strong>12• Übertragung ist allerdings mehr als die Reaktion auf die Übertragung, da derTherapeut oder Chef selbst überträgt und da auch die Realität der beiden dieBeziehung beeinflusst!!!!• Übertragungsprozesse sind also nicht per se neurotisch oder pathologisch, sondernkönnen der Realität auch angemessen sein und diese sogar positiv beeinflussen.• Ist ubiquitär.• Watzlawick: „ Man kann nicht nicht übertragen.“• MERKE:Das was ein Patient als Gegenübertragung in uns auslöst, passt in der Regel wie einSchlüssel zum Schloss seines eigenen inneren Erlebens.Wenn ein Patient den Arzt durch ihre ständige Unterwürfigkeit wütend macht, legtdies die Annahme nahe, dass eine frühe Bezugsperson den Patienten aggressivbehandelt hat, was deren Unterwürfigkeit bedingt hat.<strong>Die</strong> Kunst liegt nun darin, die Wut nicht direkt zu äußern, sondern für ein vertieftesVerständnis des Patienten zu nutzen.Biografische Anamnese• Kann u.U. mehrere Stunden in Anspruch nehmen• Man muss sehen unter welchen äußeren und inneren Bedingungen ein Menschaufgewachsen ist.• Fragen wie: „ Wie ging es Ihnen mit Eltern/ in der Schule/ mit Ihrer ersten Ehefrau?“• Über emotionale Bedeutung der Geschehnisse muss sich der Patient Gedankenmachen.• Eine umfassende biografische Anamnese erlaubt es am Ende des diagnostischenProzesses, die Symptomatik, die Beziehungsmuster und die Persönlichkeitsstruktureines Patienten vor dem Hintergrund seiner Biografie zu verstehen.= Psychodynamik = Lerngeschichte = Grundlage für Indikationsstellung undTherapieplanung51


Daniela Zwick <strong>20</strong>11/<strong>20</strong>123.2 PsychopathologieSIP- Buch – gut!3.3 Allgemeine klinisch- psychologische Diagnostik und die Messbarkeitpsychopathologischer Phänomene<strong>Die</strong> Klinische Psychologie beschäftigt sich mit der Anwendung von Erkenntnissen aus derPsychologie und ihrer Psychologie und ihrer Übertragung auf den Bereich psychischerStörungen sowie körperlicher Störungen, bei denen psychische Faktoren eine bedeutsameRolle spielen.Aufgaben der klinischen Psychologie:• Testdiagnostik• Beratung• Psychologische BehandlungAufgaben der klinisch- psychologischen Diagnostik• Erstellung einer psychiatrischen Diagnose (ICD, DSM)• Feststellung einzelner psychopathologischer Auffälligkeiten• Bei bestehender Diagnose: Feststellung der Intensität des Beeinträchtigungsgrades• Erstellung eines psychologischen Bedingungsmodells der Problematik/ Symptomatikinklusive Klärung vorhandener Ressourcen• Krankheitserleben, Auswirkungen und Folgen der Störung• Aussagen zur Behandlungsbedürftigkeit und tatsächlichen –voraussetzungen• Verlaufsdiagnostik und Therapieevaluation• Aussagen zur PräventionRahmenbedingungen psychologischer UntersuchungenKlinische Diagnostik als Interaktion in einem gesetzlich vorgegebenen Rahmen• Untersuchung erfolgt auf der Grundlage eines modernen Störungs- undVeränderungswissens.• Zuwendung, Empathie, Sanktionsfreiheit• Fragen so formulieren, dass die Selbstöffnung des Patienten erleichtert wird• Transparenz des Vorgehens des Therapeuten• Umfassende Aufklärung über den Zweck der Untersuchung:Beim Einsatz von testpsychologischen wird informiert, welche Funktion mit dem Testuntersucht wird.<strong>Die</strong>s ermöglicht dem Patienten den Rollenwechsel des Therapeuten vom empathischenZuhörer zum Testleiter, anzunehmen.• Verschwiegenheit:a) Schweigepflicht des Untersuchenden gegenüber Unbefugtenb) Welche Inhalte an die zuweisende Stelle weitergegeben werdenc) Wer, außer Patienten, Recht auf den Befund haben könnted) Wer mit dem Patienten den Befund bespricht.52


Daniela Zwick <strong>20</strong>11/<strong>20</strong>12Untersuchung von Kindern und Jugendlichen:• Es müssen Altersgrenzen der Selbstreflexion, Selbstbeobachtung, der sozialenWahrnehmung, verbalen Kompetenz berücksichtigt werden.• Manche Themen sind tabuisiert, z.B. Inhalte, die die Integrität wichtigerBezugspersonen in Fragen stellen könnten• Viele Jugendliche sind skeptisch gegenüber Erwachsenen.• Sanktionsfreiheit gegenüber einem Verhalten, das von den Eltern als abweichenderlebt wird• <strong>Die</strong> Befundbesprechung muss die kognitive und sprachliche Entwicklungberücksichtigen.Besondere Sensibilität bei Untersuchung von Menschen mit kognitiven, sensorischen undmotorischen Beeinträchtigungen und älteren Menschen.Hier ist entwicklungspsychologisches sowie spezifisches klinisches Wissen gefordert, ebensowie Geduld und Flexibilität.Beachtung intellektueller Aspekte bei Diagnoseerstellung!!!Qualitätssicherung• 1991: Österreichisches Psychologengesetz:Psychologen, die eigenständig im klinischen Bereich arbeiten müssen postgraduelleine Ausbildung zum Klinischen Psychologen machen.Bei Abschluss erfolgt die Eintragung in di Psychologenliste des BM für Gesundheit.Das Psychologengesetz verpflichtet berufsbegleitend zur Fortbildung.Klinisch- psychologische Diagnostik unter Berücksichtigung professioneller Vorgabenan UntersuchungsmethodenWichtige Testgütekriterien• Objektivität:Ein Verfahren ist objektiv, wenn unterschiedliche Untersuchende zum selbenEndergebnis kommen. <strong>Die</strong>s ist durch eine standardisierte Vorgabe (konstanteDurchführungsbedingungen) sowie klare Auswertungs- und Integrationskriterien zuerreichen.• Reliabilität:Sie betrifft Zuverlässigkeit und Messgenauigkeit eines Verfahrens (Wiederholunggleiches Ergebnis)• Validität:Das Instrument misst, was gemessen werden soll. (Angstskala – Angst, etc.)Ausgeschlossen davon sind nur gering strukturierte Interviews sowie projektive Verfahren.Weiteres Kriterium:• Normiertheit des Verfahrens:Für die Beurteilung der individuellen Testwerte eines Probanden ist deren Position imVergleich zu einer gewählten Population zu überprüfen. Der Bezug auf dieEichstichprobe bildet die Grundlage der Bewertung.53


Daniela Zwick <strong>20</strong>11/<strong>20</strong>12Wichtig sind auch Skalenwerte. – Kenntnis über die Merkmale einzelner Normskalen.Einige übliche NormskalenSkala Mittelwert Standard-BereichAbweichungz- Werte 0 1 -3 bis +3IQ 100 15 55 bis 145Z- Werte 100 10 70 bis 130T- Werte 50 10 <strong>20</strong> bis 80Centile 5 2 -1 bis 11Stanine 5 2 1 bis 9Prozentränge:%- Ränge geben an, wie groß die Anzahl der Personen aus der Normstichprobe ist, derenWerte unter oder über dem Wert des untersuchten Probanden liegen.z.B.: Ein %- Rang von 40 bedeutet: 40% der Normstichprobe erreichen einen gleichen odertieferen Wert als der Patient, 60% einen höheren.Untersuchungsmethoden der Klinischen Psychologie:• Geringstrukturierte, strukturierte und standardisierte Interviews• Leistung- Testverfahren, Fragebogen und projektive Methoden• Beobachtungsmethoden, Fremdbeurteilungsverfahren• Apparative MethodenDatenerhebung:• Gespräch• Fragebogen• Verhaltensbeobachtung• Materialien• Apparativ (Reaktionsmessungen, etc.)54


Daniela Zwick <strong>20</strong>11/<strong>20</strong>12Interviews• Standardisierte Interviews zur Erfassung psychischer Auffälligkeiten (in Klassifikationeinordnen):SKID- 1 und SKID- 2: Strukturiertes Klinisches Interview für DSM- IVAchse 1: Psychische StörungenAchse2: PersönlichkeitsstörungenDISYPS- KJ: Diagnostik- System für psychische Störungen im Kindes- undJugendalter nach ICD10/ DCM-IV• Standardisierte Interviews zur Erfassung der Psychopathologie:AMDP- System: halbstrukturiert für ErwachseneCAS- CAP-D: Clinical Assessment Scale for Child and Adolescent Psychopathology• Standardisierte Interviews zur genaueren Differenzierung von Auffälligkeiten imRahmen einer klassifizierten Störung:SKID-D: Strukturiertes Klinisches Interview für DSM- IV, Dissoziative StörungenSIAB: Strukturiertes Inventar für anorektische und bulimische EssstörungenHDI: Heidelberger Dissoziations- InventarAls qualitätssichernde Maßnahmen werden regelmäßige Trainings gefordert.TestverfahrenIndikation für Tests wenn:• in kurzer Zeit eine Diagnose gefunden werden soll• diagnostisch unklare Zustandsbilder herrschen• Verdacht auf kognitive Funktionsstörungen besteht• einzelne Erlebnisinhalte quantifiziert werden sollen• der Wunsch nach Verlaufsdiagnostik und Therapieevaluation bestehtUntersuchung intellektueller <strong>Funktionen</strong>• Kognitive Defizite sind prädispositionierende Faktoren für die Entwicklungpsychischer Störungen• Symptomauslösend oder aufrechterhaltendIntelligenz:• Keine einheitliche, allgemein anerkannte Definition des Begriffs Intelligenz• = Fähigkeit neue Anforderungen und Probleme zu lösen• Für den klinischen Bereich ist primär das Intelligenzprofil von Wichtigkeit – welche<strong>Funktionen</strong> sind durchschnittlich welche über- oder unterdurchschnittlich entwickelt• Sehr hohe Intelligenz: IQ über 129 (weit überdurchschnittlich)• Hohe Intelligenz: IQ 115- 129 (überdurschnittlich)• Normvariante: IQ 85- 114• Niedrige Intelligenz: IQ 70- 84• Leichte Intelligenzminderung: IQ 50- 69• Mittelgradige Intelligenzminderung: IQ 35- 49• Schwere Intelligenzminderung: IQ <strong>20</strong>- 39• Schwerste Intelligenzsminderung: IQ unter <strong>20</strong>55


Daniela Zwick <strong>20</strong>11/<strong>20</strong>12Intelligenztests• Darstellung verschiedener intellektueller <strong>Funktionen</strong>:Verfahren nach Wechsler: 11- 13 SubstestsAusführliche Untersuchungen besonders im Kindesalter: liegt an Verflechtungkognitiver und sozial- emotionaler Entwicklung im Kindesalter und an der hohenPrävalenz kindlicher Lern- und Verhaltensstörungen• Entwicklungstest für Kleinkind- und Volkschulalter:Zur Festlegung des Entwicklungsstandes relevanter kognitiver, sensorischer, sozialerund motorischer <strong>Funktionen</strong>• Ökonomische Kurzverfahren:Intellektuelle Möglichkeiten in einem oder wenigen Bereichen werden getestet, die alsrepräsentativ für die generelle Leistungsfähigkeit geltenMehrfach- Wortschatz- Intelligenztest- MWTZahlenbindungstestMatrizentestsNeuropsychologische Untersuchungsverfahren• Untersucht die Beziehung zwischen Gehirnfunktionen und Verhalten• Neuropsychologische Funktionsdiagnostik hat einen besonders hohen Stellenwert inder Neurologie• = Grundlage des Rehabilitationsprogramms• Feststellung diskreter neuropsychologischer Defizite, die schon seit Geburt bestehen• Feststellung von kognitiven Risikofaktoren, die die Entwicklung bis insErwachsenenalter beeinflussen• Können aber auch Folge psychischer Störung sein!! – Kognitive Funktionsdefizite desHungerns bei Anorexia nervosaExekutive Funktionsstörungen• = Störung der Planungs- und Kontrollfunktionen im präfrontalen Cortex• Planungs-, Handlungsabfolge, Selbstkontrolle ist gestört• Daraus resultieren:Schulische, berufliche Leistungsstörungen, Aspekte des Sozialverhaltens sindverändert, Distanzunsicherheit, Problemverhalten innerhalb der Behandlung(mangelnde Compliance, etc.)• Massive Auswirkungen auf ALLE LEBENSBEREICHE.• Diagnositk:Planungstests: Wisconsin Card Sorting Test, Turm von LondonWortflüssigkeitstestsBreitbandverfahrenAufmerksamkeit und Aufmerksamkeitsstörungen• = basale Voraussetzung für jegliche Form des Lernens!!• Störungen dieser Prozesse = Risikofaktoren• Hyperkinetische Kinder zeigen, dass die Aufmerksamkeitssymptomatik bei vielen imJugendlichen- und Erwachsenenalter noch besteht und massiv für eine schlechtereDiagnose mitverantwortlich ist.56


Daniela Zwick <strong>20</strong>11/<strong>20</strong>12• MERKE:Störungen der Aufmerksamkeit sind mitbedingende oder begleitende Phänomene beiverschiedenen <strong>psychischen</strong> Störungen:Psychosen, affektive Störungen, posttraumatische Störungen, Substanzabusus,Anorexia nervosa• Aufmerksamkeitsstörungen finden sich bei diffusen und lokalisiertenHirnschädigungen.Teilfunktionen der Aufmerksamkeit:• Selektive Aufmerksamkeit:Fokussieren auf relevante Simuli, Ausblenden irrelevanter• Daueraufmerksamkeit:Fokussieren über einen längeren Zeitraum hinweg• Geteilte Aufmerksamkeit:Gerichtetheit der Aufmerksamkeit auf mehrere voneinander getrennte Reize• Kognitive Verarbeitungsgeschwindigkeit:Geschwindigkeit der InformationsverarbeitungTeile der psychologischen Untersuchung:• Störungsspezifische Exploration• Verhaltensbeobachtung während der testpsychologischen Untersuchung• Vorgabe spezifischer VerfahrenFür ErwachsenePapier- Bleistift- Test:• Frankfurter Aufmerksamkeits- Inventar (selektive Aufmerksamkeit)• Zahlenverbindungstest (Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit)• Farbe- Wort- Interferenztest (Interferenzneigung)Computer:• Continous Performance Tests• Wiener Reaktions- und DeterminationsgerätGedächtnis und Gedächtnisstörungen• Unterscheidung in Kurz- und Langzeitgedächtnis• Unterscheidung in explizites (persönliches, Allgemeinwissen) und implizites(unbewusste Inhalte) Gedächtnis• DD: organisches Psychosyndrom• Tests:Beton- Test (kurz- und mittelfristiges Gedächtnis)Wechsler Gedächtnis- Test (Arbeitsgedächtnis, kurz- und mittelfristiges Gedächtnis)Lern- und Gedächtnistest (allgemeine Leistung, Lernfähigkeit)57


Daniela Zwick <strong>20</strong>11/<strong>20</strong>12Untersuchung der Persönlichkeit• Ziel: einzelne Persönlichkeitseigenschaften zu Merkmalsgruppen zusammenzufassen,die bestimmte Persönlichkeitstypen oder Persönlichkeitsstile verkörpern.• Persönlichket:= typische Eigenschaften eines Menschen: Wahrnehmungs-, Denkstile, Affektivität,Emotionalität, Beziehungsmuster, Ziele und Werte• Entwicklung der Persönlichkeit:Lebenslange Erfahrung + stabile biologische Verhaltensweisen (=Temperament)• Trait- Merkmale = stabile Persönlichkeitseigenschaften:Schützen oder gefährden die Entwicklung• State Merkmale = instabile Muster= Ist- Zustand der Veränderungen unterliegtMöglichkeiten der klinischen Persönlichkeitsdiagnostik:• Veränderungsmessung• Beurteilung spezifischer Bedingungen: soziales Netz und soziale RisikofaktorenVerfahren:• Fremdbeurteilungsverfahren• Selbstbeurteilungsverfahren• Projektive VerfahrenAllgemeine Persönlichkeitsdiagnostik:• Auf Basis elaborierter Persönlichkeitsmodelle• Auf wie viele Faktoren lassen sich die Persönlichkeitsmerkmale eines Menschenzusammenfassen?5- Faktoren- Persönlichkeitsmodell = Big- Five Komponenten:Neurotizismus, Extraversion, Offenheit für Erfahrung, Verträglichkeit,GewissenhaftigkeitMit NEO- Fünft- Faktoren- Inventar = Fragebogen geprüft.6- Faktoren- Persönlichkeitsmodell = Big- Six Komponenten:durch Spontaneität ergänzt• Ältere Verfahren:16- Persönlichkeitsfaktoren- Test von Cattell, Trierer IntegriertePersönlichkeitsinventar TIPI, Freiburger Persönlichkeitsinventar FPI-R• Das Wissen über die Persönlichkeit unterstützt bei der Diagnostik und beiEinschätzung von Häufigkeit und Intensität von Symptomen.Breitbandverfahren• Minnesota Mulitphasic Personality Inventory 2:Angst, Nervosität, Phobische Ängste, Zwanghaftigkeit, Depression, AntisozialesVerhalten• Symptom- Checkliste- 90 Items:Somatisierung, Zwanghaftigkeit, Unsicherheit im Sozialkontakt, Depressivität,Ängstlichkeit, Aggressivität/ Feindseligkeit, Paranoides Denken, Phobische Angst,Psychotizismus58


Daniela Zwick <strong>20</strong>11/<strong>20</strong>12• Temperament- und Charakter- Inventar von Cloninger:Unterscheidet 4 Temperamentfaktoren:Suche nach neuen Erfahrungen, Schadensvermeidung, Belohnungsabhängigkeit,Beharrlichkeit (alle wichtig für Prädispositionen)Demgegenüber stehen 3 im Verlauf der Entwicklung erworbeneCharakterdimensionen:Selbstlenkungsfähigkeit, Kooperativität, Selbsttranszendenz• Kinder:Child- Behavior Checklist:Beurteilung von Verhaltensauffälligkeiten des Kindes durch erwachsene BezugspersonYouth Self Report:Selbstbeurteilungsverfahren für Jugendliche,Skalen: Sozialer Rückzug, Körperliche Beschwerden, Angst, Depressivität, SozialeProbleme, Schizoid/ Zwanghaft, Aufmerksamkeitsprobleme, Delinquentes Verhalten,Aggressives VerhaltenStörungsbezogene Verfahren:Zur Feststellung spezifischer Symptome und deren Ausprägungsgrad:• Beck Depression Inventory:Selbstbeurteilung• Hamilton DepressinosskalaFremdbeurteilung• State- Trait- Angst- Inventar• Beck Anxiety Inventory• Yale- Brown Obsessive Compulsive ScaleZur Differenzierung von Zwangsstörungen• Heidelberger Dissoziations- Inventar• Frankfurter Beschwerdefragebogen für schizophrene Störungen• MMPI, Persönlichkeitsstil- und Störungsinventar, Narzissmus- Inventar, Borderline-Persönlichkeits- InventarProjektive Methoden= Verhaltensexperimente, bei denen der Patient aufgefordert ist auf vieldeutige Vorgaben zureagieren. Dabei projizieren sich seine eigenen Phantasien.Daraus wird dann auf die Verhaltensbereitschaft geschlossen.<strong>Die</strong>nen nicht dem Erstellen von Diagnosen!! – Ergänzen.Verbale Verfahren:• Satzergänzungstests:Begonnene Sätze sollen vervollständigt werden.Bildertests:• Thematischer Apperzeptionstest (TAT)• Thermatischer Gesaltungstest Salzburg:Vorgegebene Bildergeschichte erzählenZeichentests:• Verzauberte Familie:Familie wird von einem Zauberer verzaubert und soll gezeichnet werden59


Daniela Zwick <strong>20</strong>11/<strong>20</strong>12Spieltests:• Sceno- Test• Das freie Spiel:Gestaltung von Szenen mit Hilfe von Materialien (Puppe, etc.)Besondere Stellung hat der Rorschach- Formdeutungsversuch:Ursprünglich als projektiver Test entwickelt wird er heute als Wahrnehmungstest verwendet.Eine Reihe psychischer Störungen sind mit Auffälligkeiten der Wahrnehmungs- undDenkprozesse eng verbunden.Neue Form des Tests = Comprehensive System nach Exner:• Hat befriedigende Testgütekriterien,• <strong>Die</strong> gewonnenen Aussagen beziehen sich auf kognitive Prozesse, Affekt, Selbstbezug,Beziehung zu anderen• Gibt auch Beiträge zur Diagnosestellung!!!!3.4 Psychopathologische Beurteilung im Kindes- und JugendalterPsychopathologische Phänomene:• Sind nicht schlechthin krankhaft.• Müssen vor dem Hintergrund der <strong>psychischen</strong> Struktur, der Biografie und deraktuellen Situation interpretiert werden.• Unterscheidung in:Erlebnissymptome = Berichtete SymptomeAusdruckssymptome = Beobachtete Symptome• Sind noxenunspezifisch, d.h. sie können unterschiedliche Ursachen haben• <strong>Die</strong> Entstehung basiert gemäß dem Modell der Regression entweder aufhirnorganischen (infektiös/toxisch) oder funktionellen (durch Irritationsbedingungenhervorgerufenen) FaktorenÜbergeordnete zerebrale Funktionsmuster verlieren die Kontrolle über ältereStrukturen => Regression• Ausbildung von höheren Funktionsmustern ist alters- und entwicklungsabhängig =>Psychopathologische Symptome sind Erlebnis- und Verhaltensweisen, die nicht demaktuellen Entwicklungsniveau und den daraus folgenden Anpassungsmöglichkeiteneines Menschen entsprechen.• Kommt in Form komplexer Verhaltensmuster zu Tage.• Häufig erkennt man das Problem erst bei längerem stationärem Aufenthalt des Kindes,da es dann zu Änderungen kognitiver, vegetativ- somatischer Basisfunktionen bei demVersuch der Bewältigung und Anpassungsaufgaben kommt.Erhebung und Beurteilung der Psychopathologie beim Kind:1.) alters-/ entwicklungsspezifischer Zugang2.) biologisches Alter/ Entwicklungsalter3.) Einfluss des sozialen Umfelds4.) Alters- und entwicklungsbedingte Beurteilung der psychopathologischen PhänomeneSiehe Tabelle Seite <strong>20</strong>160


Daniela Zwick <strong>20</strong>11/<strong>20</strong>12Modell der Psychischen <strong>Funktionen</strong>:Es besteht aus 4 Stufen: 1: biologische Basis2: psychische Elementarfunktionen3: erste Komplexitätsstufe4: zweite KomplexitätsstufeAd 1: biologische Basis:• Orientierungsreaktion:= Reaktion des Organismus auf neue und bedeutsame Stimuli => Erhöhung derVigilität• Orientierungsreaktion =>Triebe => Triebdruck => Dynamik• Trieb:Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme, Überleben der Speziels = Sexualtrieb• Triebdruck:Von Trieb ausgelöst: Man will den Mangel beheben.• Dynamik:ist die innere Spannung, die sich in mehreren Bereichen zeigt (Stimmung, Affekt, etc.)• Antrieb:ist das quantitative Ausmaß der Dynamik.• Biorhythmus:=Tageszeitliche Schwankungenwird endogen (Hormone) und exogen (Licht) gesteuert• Temperament:= Komplexes Konstrukt, in Form von Antrieb zeigt es sichist genetisch determiniert,kann bei Säuglingen bestimmt werdenAd 2: psychische Elementarfunktionen:Sind einerseits vom Funktionieren der biologischen Basis abhängig, andererseits beeinflussensie sich gegenseitig.• Wahrnehmung:Wahrnehmungsprozess = psychophysischer Prozess, der aus der Aufnahme, Selektion,Verarbeitung, Gliederung und Strukturierung von sensorischen Informationen besteht.Beginnt mit Reizaufnahme, endet mit Sinneserlebnis.= Bindeglied zwischen Individuum und AußenweltWahrnehmungserlebnis findet unter dem Hintergrund von Erfahrung statt.= durchstrukturierte UmweltinformationHirnorganische Störungen: AgnosienZentralnervöse Wahrnehmungsstörungen: Störungen der intermodalen serialenIntegrationDurch Psych. Erkrankungen: Halluzinationen oder illusionäre Verkennungen• Bewusstsein:= Subjekt ist in Beziehung zur objektiven Realität und setzt sich mit der Umweltauseinander.Gegenstandsbewusstsein = ObjektIch- Bewusstsein = SubjektRealitätsbewusstseinBewusstwerden psychischer Erscheinungen61


Daniela Zwick <strong>20</strong>11/<strong>20</strong>12Funktionsbereiche des Bewusstseins:Bewusstseinshelligkeit = VigilanzBewusstseinsweiteStörungen der Bewusstseinshelligkeit = quantitative Bewusstseinsstörungen:Benommenheit, Somnolenz, Sopor, KomaBei organischen Störungen!!Charakteristische EEG- Kurven.Störungen der Bewusstseinsweite = qualitative Bewusstseinstörungen:Dämmerzustände, Verwirrtheit, Oneiroid, AmentiaBei organischen und <strong>psychischen</strong> Störungen!!• Stimmung, Affekt, Emotionalität= aktuelle, labile und stabile Persönlichkeitsmerkmalebeurteilt wird Veränderbarkeit, Abhängigkeit zu anderen psychopathologischenElementarfunktionenModulationsfähigkeit: spontane SchwankungSteuerfähigkeit: aktive Begrenzung der SchwankungVerlust der Modulationsfähigkeit => affektiver StarreVerlust der Steuerfähigkeit => AffektlabilitätVerlust von Konkordanz von Emotion und Denkinhalten => Affektdissoziation =ParathymieBeurteilung:Stimmung: depressiv, euthym, manisch, dysphorischEmotionen in Form der Befindlichkeit: positiv/ negativ/ ambivalent• Denken und Sprechen:Beurteilung des Denkens kann nur indirekt durch die Sprache erfolgen.Störung der Dynamik und Kontinuität des Denkens = formale DenkstörungStörungen der inneren Logik = inhaltliche DenkstörungeStörung des Tempos (häufig bei entsprechender Stimmungslage)Beurteilung der nonverbalen Kommunikation: Mimik, Motorik gibt Hinweise auf dieGrundstruktur des DenkensSpiel, kreatives SchaffenPrivatsymbolik, NeologismenParasyntax = Verlust der grammatikalischen StrukturEchophänomene: Echolalien (Sprache), Echopraxien (Handeln)Bradyphasie/ TachyphasieÄnderung der Art des Ausdrucks• Orientierung zur Person:Ich und Du: im Kleinkindalter möglichZeitliche, räumliche, situative Orientation = 7.-9. Lj. (komplexer)Störungen:Hirnorganisches PsychosyndromRetardation = Entwicklungsstörung62


Daniela Zwick <strong>20</strong>11/<strong>20</strong>12Bei Verlust der Orientierung schwindet primär situative, zeitliche und räumlicheOrientierung, während die Orientierung zur Person lange stabil bleibt.• Gedächtnis:Prüfung durch KommunikationStörung des Langzeitgedächtnisses: Amnesien, ZeitrasterstörungenStörung des KurzzeitgedächtnissesAd 3: erste Komplexitätsstufe:• Mimik und Motorik:Störungen:Quantitative: hyper-/ hypomotorischQualitative: dysmotorisch: Paresen, Apraxie, Stereotypien, Grimassieren, Tics• Aufmerksamkeit = Tenazität:Ist eine Funktion der Bewusstseinsweite, Bewusstseinshelligkeit, des Antriebs, derWahrnehmung, der Stimmung, der biologischen Triebe, der Sprache.• Schlaf:Verändert sind:Bewusstsein, Antrieb, Wahrnehmung, Denken, Sprache, biologische TriebeGleich bleibt:Stimmung, AffekteDer Schlaf- Wachrhythmus ist von Antrieb, Biorhythmus, Stimmung,Wahrnehmungsvorgängen, Denken und Sprechen beeinflusst.Schlaf kann nach subjektiven und objektiven Kriterien beurteilt werden.Ad 4: zweite Komplexitätsstufe:• Konkrete Verhaltensweise:= erste Schicht, die wir von einem Menschen wahrnehmenSie unterliegt einem epochalen Wandel und muss in Bezug auf kulturellen undsozialen Hintergrund beurteilt werden.= hochkomplexes Konglomerat der oben beschriebenen <strong>Funktionen</strong>Beurteilbar durch Beobachtung, Eigen- und Fremdanamnese• Kontaktverhalten:Beurteilbar durch räumliche und inhaltliche Distanz, Körper- und Blickkontakt• Sozialverhalten:Verhalten gegenüber Erwachsenen, Gleichaltrigen, KindernWird beeinflusst durch Dominanzbedürfnis, Unterordnung, DurchsetzungsfähigkeitMaßgeblich ist das Akzeptieren von sozialen Regeln.• Sexualverhalten:Unterliegt stärker als die anderen Verhaltensweisen historischen, kulturellen undsozialen Normen.Beurteilt werden:Triebstärke, individuelle Geschlechtsidentität, LibidoobjektTriebstärke wird beurteilt durch:sexuelles Interesse + sexuelle Aktivität + soziale Steuerungsfähigkeit• Aggressionsverhalten:Ist nicht nur destruktiv!Heftigkeit, Steuerbarkeit, GerichtetheitAggressionshemmungFremdaggression, Autoaggression (Suizidalität)63


Daniela Zwick <strong>20</strong>11/<strong>20</strong>12• Angstverhalten:Beurteilt nach Intensität und Dauer.PanikattackenPhobie: auf etwas Konkretes bezogen (Situation, Gegenstand, Person, etc.)3.5 StrukturdiagnostikJe nach Strukturniveau kommen unterschiedliche Psychotherapieverfahren zur Anwendung.In ICD- 11 und DSM- 5 (zukünftige Auflagen) wurde Strukturdiagnostik mit aufgenommen.DSM- 5 spricht von „levels of personality functioning“, dies korrespondieren mit denStrukturniveaus nach Kernberg, dem normal/neurotischen, Borderline- und psychotischenNiveau.<strong>Die</strong> Dimensionen der Struktur lassen sich nicht ganz so einfach explorieren wie dieSymptomatik.Identität• Hat der Patient ein integriertes Bild von sich selbst, den eigenen Eigenschaften,inneren Vorgängen, Wünschen und Zielen.Weiß jemand, wer er ist und bleibt dieses Wissen stabil?!• „Können Sie sich bitte beschreiben, sodass ich mir ein lebendiges Bild von Ihnenmachen kann?“• schwer möglich bei:Borderline- StrukturPsychotische Struktur(egal wie intelligent oder gebildet, oft nur einzelne Adjektive)Realitätsprüfung• Wahnerleben, Halluzinationen• Defizite fallen in der Regel schnell auf.• Bei manchen Patienten sind die Veränderungen diskreter.• Taktvolles konfrontatives Vorgehen:„Sind Sie sich sicher, dass sich Ihre Kollegen gegen Sie verschworen haben oderkönnte es theoretisch auch anders sein?“• Antwort des Psychotikers:„Selbstverständlich! Stecken sie auch mit denen unter einer Decke??“Abwehrmechanismen• Spaltung und Projektive Identifizierung sind die beiden Indikatoren für das Vorliegeneines Borderline- oder Psychotischen Niveaus.• Psychotiker:Versuchen im Rahmen der interpersonellen Abwehr den Therapeuten in ihre Realitätmit ein zu beziehen. Reaktionen auf den Therapeuten sind dann oft stark affektiv undnicht ganz realitätsangemessen.<strong>Die</strong>se Projektive Identifizierung entsteht auf Basis der Spaltung: es wird alsoidealisiert oder entwertet.64


Daniela Zwick <strong>20</strong>11/<strong>20</strong>12• Wenn nur Schwarz und Weiß und keine Graustufen existieren = Spaltung, wird demArzt z.B. entweder geschmeichelt oder er entwertet.• <strong>Die</strong>s ruft im Arzt eine intensive emotionale Gegenübertragung hervor. = <strong>Die</strong>s ist dererste Hinweis auf PRIMITIVE ABWEHRMECHANISMEN!• 1. Hinweis auf primitive Abwehrmechanismen: starke emotionale Gegenübertragung2. Hinweis auf primitive Abwehrmechanismen: unangemessen pos./neg. Bewertung3. Hinweis auf primitive Abwehrmechanismen: inadäquater Interaktionsstil, der eineBelastung für die Arzt Patientenbeziehung darstellt: Wut oder Verführung wird imArzt ausgelöst.Qualität der Objektbeziehung• Vorhandensein von Beziehungen und Partnerschaften wird meist spontan berichtet.• Differenzierte Überprüfung der Qualität der Beziehung, Dauer und Kontinuität derFreundschaft, Häufigkeit, Art des Kontaktes, was beide miteinander teilen, etc.• Sexualität ist wichtig:Fast jede psychische Störung wirkt sich in irgendeiner Weise auf die Sexualität aus.• Taktvoll und gründlich explorieren!!Impulssteuerung• Direkt und indirekt selbst- und fremdschädigende Verhaltensweisen• Direkte und indirekte Selbstschädigung:Borderline- Patienten, Psychotiker• Schwierigkeiten bei der Impulskontrolle - Unterregulation:Borderline- Patienten, Psychotiker• Übersteigerung mit gesteigerter Kontrolle, Unterdrückung von Impulsen:Normal/neurotische PatientenMoralisches Handeln• Reifes moralisches Handeln gründet sich auf einen verinnerlichten Wertecodex.• Hält lediglich die Angst vor Strafe von der Schandtat ab, gibt es ein Defizit.• „Wenn Sie sich sicher wären, nicht erwischt zu werden, würden Sie eine Geldtaschemit 1000€ darin behalten, wenn Sie sie auf der Straße fänden?“Strukturdiagnostik findet während des gesamten Erstinterviews statt.Zusätzlich können Testdiagnostische Instrumente helfen.Strukturierte Interviews zu Persönlichkeitsorganisation (STIPO-D), kann im Internet alsRoutineinterview heruntergeladen werden.65


Daniela Zwick <strong>20</strong>11/<strong>20</strong>123.6 Verhaltensanalyse – Entstehung und Diagnostik psychischer Problemeaus der Sicht der VerhaltenstherapieVerhaltensanalyseIst ein zentraler Schritt in der Diagnostik und für die Modellbildung der jeweiligen Störung.Makroebene: große LebensbereicheMikroebene: kleine VerhaltensfrequenzenSie hilft Problembereiche zu identifizieren und Handlungsanweisungen für denTherapieprozess abzuleiten.Horizontale Verhaltensanalyse: S-O-R-K= Ist- AufnahmeS = vorausgehende SituationenO = im Organismus wirkende FaktorenR = ReaktionsweisenK = kurze oder lange KonsequenzenMithilfe des SORK- Schemas kann der Ablauf der Verhaltenssequenz analysiert werden.Sind die kurzfristige und langfristige Konsequenz gleichsinnig, entsteht kein Problem,kurzfristig negative Konsequenten löschen Verhalten, kurzfristig angenehme erhöhen dieVerhaltensfrequenz.Unter Abwägung der langfristig günstigen Konsequenzen gegen die schädlich kurzfristigangenehmen Konsequenzen (neg. Verstärkung) bzw. Inkaufnehmen der kurzfristigunangenehmen Konsequenzen für langfristige positive Konsequenzen kann Selbstkontrolleerlangt werden.Vertikale VerhaltensanalyseAuch überdauernde innerpsychische Pläne werden betrachtet.• Konkrete Unterpläne: nah am Verhalten angesiedelt• Abstraktere Oberpläne• Dahinter stehende GrundbedürfnisseEntstehung psychischer Probleme aus der Sicht der Verhaltenstherapie:„Organismus – Variablen“Risikofaktoren und protektive Faktoren• Vulnerabilität:Risikofaktoren machen das Auftreten psychischer Störungen wahrscheinlicher.• Resilienz:Protektive Faktoren schützen• Durch das Zusammenwirken von Risikofaktoren und protektiven Faktoren entstehteine individuelle Prädisposition.• Risikofaktoren können in der individuellen Lerngeschichte identifiziert werden.• Risikofaktoren kann man auch auf biologischer Ebene entdecken.• Protektive Faktoren:Eigene Stärken, emotionale Bindungen zu anderen Personen, die in KrisenUnterstützung geben, Integration in soziale Netzwerke66


Daniela Zwick <strong>20</strong>11/<strong>20</strong>12• <strong>Die</strong> Erfahrungen der ersten Lebensjahre sind sehr wichtig für den Aufbau schützenderBedingungen.• CAVE:Von einer unglücklichen Kindheit kann allerdings keinesfalls auf eine spätere Neigungzu psychischer Symptombildung geschlossen werden. Andersherum betrachtet schütztauch eine glückliche Kindheit nicht zwingend vor <strong>psychischen</strong> Krisen.• Unterscheidung in auslösende Bedingungen und aufrechterhaltende Bedingungen.• Als aufrechterhaltende Bedingungen kann z.B. Vermeidungsverhalten oderritualisiertes Zwangsverhalten gelten, das eine Funktion im Leben der Betroffeneneingenommen hat = interpersonelle Funktionalität• Interpersonelle Funktionalität:In den Beziehungen zu anderen Menschen können die problematischenVerhaltensweisen eine regulative Funktion bekommen.• Intrapsychische Funktionalität:<strong>Die</strong> Symptombildung dient einer vermeintlichen Lösung von inner<strong>psychischen</strong>Problemen.Fehlende Kompetenzen = Coping Defizit<strong>Die</strong> naheliegendste Ursache für psychische Probleme ist, das jemand nicht gelernt hat, wieman mit den spezifischen Anforderungen einer Situation umgeht.Schwierigkeiten im Umgang mit Gefühlen, Emotionen• Emotion:Psychophysischer Prozess, der eine intrapsychische und interpersonelleVerhaltensbereitschaft herstellt.• Gefühl:Subjektiver Anteil der Emotion• Gray: 3 primäre physiologische Emotionssysteme:1.) Annäherungssystem = behavioral approach system2.) Stopp- oder Verhaltenshemmungs- System= behavioral inhibition s.3.) Kampf- Flucht- System• Paul Ekman: 7 Basisemotionen:1.) Fröhlichkeit2.) Überraschung3.) Ekel4.) Furcht5.) Wut6.) Verachtung7.) TraurigkeitSind kulturell übergreifend elementar.• Über die basalen Emotionen hinaus gibt es noch sekundäre Emotionen, die deutlicherkulturell geformt sind: Scham, etc.67


Daniela Zwick <strong>20</strong>11/<strong>20</strong>12Theorie der somatischen Marker:• Liefert das Verständnis für den Zusammenhang von Emotionen und Verhalten• Aller Erfahrungen werden in einem emotionalen Erfahrungsgedächtnisgespeichert.• Das Erfahrungsgedächtnis teilt sich über ein körperliches Signalsystem mit, dasbei der Entscheidungsfindung hilft = somatische Marker• Ist im präfrontalen Cortex lokalisiert• Bei Zerstörung des präfrontalen Cortex kommt es neben einer auffälligenPersönlichkeitsveränderung zu einer STÖRUNG DERENTSCHEIDUNGSFÄHIGKEIT (Störung von Planen und Organisieren)4 Arten von Emotionalen Prozessen:1.) Primär- adaptive emotionale Reaktionen:Emotion passt zur aktuellen Situation und verhilft der Person zur adäquaten ReaktionTherapie: Müssen erfasst und umfassender erschlossen werden.2.) Maladaptive emotionale Reaktion:sind Fehlkonstruktionen von auslösenden Situationen, die auf frühen traumatischenErfahrungen basieren.Patient Borderline- Störung hat z.B. erfahren, dass einem Angebot von Fürsorgesexueller Missbrauch folgt. Darum kann es sein, dass der Patient mit Wut auf dieFürsorge des Therapeuten reagiert.Therapie: Zugang zu diesen Emotionen muss ermöglicht werden und die zugrundeliegenden emotionalen Schemata müssen erkannt werden.3.) Sekundäre reaktive emotionale Reaktion:<strong>Die</strong> eigentliche Emotion wird durch eine andere überdeckt. So verschleiert Wut z.B.die Trauer bei einem Verlusterlebnis.Therapie: Empathische Exploration der darunter liegenden Gefühle.4.) Instrumentelle emotionale Reaktion:Emotion wird zugunsten eines Effekts eingesetzt, unabhängig von dem tatsächlichenemotionalen Zustand.Therapie: interpersonelle Bedeutung und motivationale Grundlage erschließen.3 Arten der emotionalen Dysfunktion:1.) Mangelnde Fähigkeit eigene Gefühle wahrzunehmen = Alexithymie:<strong>Die</strong> Gefühle werden nur auf der bewussten Ebene nicht wahrgenommen, sie werdenunbewusst allerdings wahrgenommen und beeinflussen Gefühle, Gedanken,Handungen.2.) Aktivierung maladaptiver Schemata:negative Erfahrungen können in der Entwicklung komplexer kognitiv- affektiverSchemata resultieren.<strong>Die</strong>se Schemata leiten die Wahrnehmung von affektiv relevanten Mustern in derUmgebung und beeinflussen die Wahrnehmung von sich selbst und der Umwelt.Werden ausgelöst durch Stimulus- Generalisierung und durch Fehlinterpretation.68


Daniela Zwick <strong>20</strong>11/<strong>20</strong>123.) Unfähigkeit, verschiedene Aspekte einer Erfahrung zu interpretieren (Dissoziation):Tritt auf, wenn schmerzhafte Gefühle nicht mehr integriert werden können.Emotionsorientierte Interventionen helfen dem Patienten, schmerzhafte Erfahrungen,die bisher vermieden wurden, wieder zu erleben.<strong>Die</strong> Gedanken und Gefühle können völlig dem Bewusstsein entzogen sein. <strong>Die</strong>seDissoziation dient der unmittelbaren Bewältigung der traumatischen Situation undwirkt anfangs adaptiv.Das Problem ist aber, dass die unverarbeitete Traumaerfahrung die Eigenschaft besitztsich ins Bewusstsein zurückzudrängen. (Erinnerung, Albtraum, Flashback)<strong>Die</strong>se Flashbacks werden von inneren oder äußeren Reizen ausgelöst.Durch Vermeidung werden hilfreiche emotionale Anpassungsprozesse blockiert unddie Sensibilität für auslösende Reize steigt => Verschlimmerung.Problematische Denkgewohnheiten und Schemata• Kognitive Prozesse strukturieren Wahrnehmung und Einschätzung der erlebenSituationen• Denken trägt dazu bei, welche Gefühle wir erleben und in welcher Stimmung wir sind.• Dort wo psychisches Leiden entstanden ist, sind auch kognitive Prozesse beteiligt.• Bestimmte Charakteristika des Denkens tragen zur Entstehung psychischerSchwierigkeiten bei:• Typische Ursachenzuschreibung = Attribution:Mensch schreibt alle positiven Erlebnisse der Umwelt und anderen zu, alle negativenErlebnisse sich selbst.• Kognitive Verzerrungen:Besonders bei Depressiven.Unangemessene Schlussfolgerungen – z.B. kann jemand überzeugt sein, in einersozialen Gruppe abgelehnt zu werden, obwohl die Gruppe ihm keinen Anlass dafürgibt.Selektive Verallgemeinerungen – einzelne Details werden aus dem Zusammenhanggerissen und zum Ausgangspunkt einer Einschätzung gemacht:Z.B. der Gesprächspartner ist kurz unaufmerksam, dies wird als generellesDesinteresse gedeutet.Übergeneralisierung – eine tatsächlich negative Erfahrung wird gemacht, derbetroffenen glaubt nun, dass das ab sofort in jeder Situation so sein wird.Z.B. „Wurde ich einmal abgelehnt, werde ich immer abgelehnt werden.“Maximierung – „Dass ich noch immer nicht aufgeräumt hab ist eine Katastrophe.“Minimierung – „Dass ich das Studium abgeschlossen hab ist doch selbstverständlich.“Dichotomien = Schwarz- Weiß- Malen: „Sie ist ein absolutes Genie, dagegen bin ichein Versager.“• Automatische Gedanken:Werden nicht bewusst wahrgenommen.Wie erleb ich mich in einer gewissen Situation?Systematische Verzerrungen und Selbstbekrittelung=> negativer StimmungDahinter stehen Grundannahmen z.B. der eigene Zweifel an der Leistungsfähigkeit.• Grundannahmen:„Ich muss mit jeder Person immer gut auskommen, sonst kann ich nicht glücklichsein.“69


Daniela Zwick <strong>20</strong>11/<strong>20</strong>12„Wenn ich mich jemandem anvertraue werde ich verletzt.“<strong>Die</strong>se Annahmen sind in Form von Schemata organisiert.• Schemata:<strong>Die</strong> Grundannahmen sind in Schemata organisiert. Es werden aktiv Hinweise gesucht,die diese Annahmen untermauern und alle anderen werden ausgeblendet.Early maladaptive schemas:sind in frühen Beziehungen entstanden.Wie die Beziehung zur ersten Bezugsperson war, so werden Verhältnisse geformt undgefestigt:gute Balance => keine Schemataüberkontrollierend,vernachlässigtMERKE: <strong>Die</strong>se Schemata beinhalten negative Annahmen über das zu erwartendeVerhalten der Bezugsperson und über sich selbst!!!„Andere wollten mich kontrollieren, lassen mich aber im entscheidenden Momentohnedies im Stich.“„An mir haftet ein Makel, deswegen muss ich kontrolliert werden.“Aufrechterhaltung der Schemata:Selektive Wahrnehmung, kognitive Verzerrung, schemageleitete VerhaltensweisenSchemageleitete Verhaltensweisen:z.B.: Massive Gewalt der Eltern kann nur überlebt werden, wenn das Kind die eigenenBedürfnisse zurückstellt. Das selbe Schema erlebt die Frau in der Ehe, stellt ihreBedürfnisse wieder zurück, hat sich aber auch einen dominanten Mann gesucht, dennVertrautes gibt Sicherheit.<strong>Die</strong> Vertrautheit problematischer Schemata ist ein Grund dafür, sie beizubehalten –frei nach dem Motto: Es ist besser darunter zu leiden, als sich dem Wagnis einer völligunbekannten Neupositionierung auszusetzen.Vermeidung:Durch willentliche oder automatische Prozesse Vermeidung von Triggern undgetriggerten Schemata.Kognitive Vermeidung:Zugang zu Gedanken und Bildern wird blockiert, die ein maladaptives Schemaauslösen. „Ich will darüber nicht reden.“ „Ich kann mich nicht erinnern.“Frühzeitige <strong>Block</strong>ierung emotionaler ProzesseBetroffene haben schon aufgrund ihrer Annahme bereits vor Eintritt der Situationderart negative Erwartungen, dass sie alles tun, um ihr auszuweichen. (Vergi gehtnicht zu Oma, weil sie dort reden muss.)Kompensation maladaptiver Schemata oder Überkompensation:Menschen vermitteln das Gegenteil dessen, was wir aus der Kenntnis ihrer frühenSchemata erwarten würden.zB.: Schwache Kinder versuchen als Erwachsene Stärke zu vermitteln (Dominanz,Muskeln)ABER: Es bleibt eine tückische Vulnerabilität zurück.Da ihnen die zugrunde liegende Verletzlichkeit nicht bewusst ist, sind sie anfällig diezugrunde liegenden Schemata erneut getriggert zu bekommen. Z.B: Führt zudominantes Verhalten zu sozialer Vereinsamung und damit wieder zu Schwäche.70


Daniela Zwick <strong>20</strong>11/<strong>20</strong>12Konflikte zwischen verschiedenen Plänen• <strong>Die</strong> Bedürfnisse, die den Plänen zugrunde liegen sind nicht das Problem, sondern diePläne selbst führen zu gegensätzlichen Verhaltensneigungen.• Es spricht nichts dagegen ein Bedürfnis nach Kontrolle und nach emotionaler Bindunggleichzeitig zu haben.• Aber sobald die Bedürfnisse durch unangemessene Pläne in ein und derselbenSituation befriedigt werden sollen, kommt es zu Problemen:z.B. Erleben jeder spontanen Äußerung des Partners als Kontrollverlust => Problemein de Beziehung.• Durch leichte Dominanz eines Planes lassen sich solcherart entstehende Konflikteauch wieder lösen.• Es etablieren sich dann Annäherungs- und Vermeidungsschemata• Stagnation und Unentschlossenheit in zentralen Lebensfragen sind oft nur äußereAnzeichen einer inneren Konflikthaftigkeit zwischen den beteiligten Plänen• Automatismen der Verarbeitung:Verhindern das Bewusstwerden des Konfliktes dadurch, dass sie diewidersprüchlichen Pläne auf unterschiedlichen Ebenen des Verhaltens voneinandertrennen:z.B. Körpersprache abweisend, was ich sage ist aber positiv.= Dissoziation psychischer Prozesseerfolgt im <strong>Die</strong>nste der SpannungsreduktionPsychosomatische Erkrankungen zeigen, dass Dissoziation und kognitive Vermeidungzwar kurzfristige Spannungsreduktion bewirken, langfristig aber deutlich negativeEffekte mit sich bringen.Einseitigkeit von Persönlichkeitsstilen - Persönlichkeitsstörungen• <strong>Die</strong> Quelle des Leidens kann in der Regel sich selbst zugeordnet werden: Gefühle,Selbstzweifel, innere Konflikte => Depressionen, Panikattacken, Zwangshandlungen• <strong>Die</strong> betroffenen wollen genau jene Aspekte loswerden. Sie definieren ihre eigeneGesundheit über Freisein von diesen Problemen.• <strong>Die</strong> Probleme werden also als nicht zur eigenen Persönlichkeit gehörig erleben = ichdyston• Gegenteilig:Eigenschaften einer Person können zunächst unproblematisch für sie selbst sein, aberim sozialen Umfeld Probleme auslösen.„So bin ich eben, ich bin halt ordentlich“ = ich- syntonAber niemand möchte etwas mit einem umständlichen, peniblen und sturen Menschenzu tun haben.<strong>Die</strong> Betroffenen merken nur indirekt durch die negativen Reaktionen derBezugspersonen, dass irgendetwas problematisch ist – wissen aber nicht was.• <strong>Die</strong> verschiedenen Persönlichkeitsstile können in Hinblick auf die jeweils zugrundeliegenden Bedürfnisse betrachtet werden:Zwangsstörung = Bedürfnis nach (Selbst-)Kontrolle – keine SpontaneitätEinzelgänger = Bedürfnis nach Autonomie - kaum in der Lage für nahe BeziehungenAbhängige Menschen = Bedürfnis nach Sicherheit – kein selbst- bestimmtes HandelnWiederholte Krisen in BeziehungenVerhaltensweisen eines Partners lösen oft maladaptive Schemata aus, der Ursprung istallerdings meist nicht ganz bewusst und wird daher mit dem Partner in Zusammenhanggebracht anstatt mit der eigenen Vergangenheit und den eigenen Grundannahmen.71


Daniela Zwick <strong>20</strong>11/<strong>20</strong>123.7 Klassifikationssysteme, OPD3.8 Gerichtsmedizin1 Beeinträchtigte psychische <strong>Funktionen</strong> durch Alkohol, Drogen, MedikamenteÄrztliche Untersuchung und chemisch- toxikologischer Nachweis• <strong>Die</strong> meisten Unfälle sind auf Alkoholkonsum zurückzuführen• Einfluss von Drogen/ Medikament wird immer größer• Viele Lenker sind Polytoxikomanen• In Österreich gibt es derzeit keine festgelegten Grenzwerte für das Fahren unterDrogeneinfluss• <strong>Die</strong> Wirkung ist auch nicht vorauszusehen anhand eine Blutprobe, da die Blutspiegeloft nicht mit den Wirkungen korrelieren.• Untersuchung der Lenker durch:a) Beobachtung der Exekutive,b) <strong>Die</strong> ärztliche Untersuchungc) Chemisch- toxikologische Analysen in einem gerichtsmedizinischen LaborGesetz:• Verdacht auf Suchtmitteleinnahme => Blutabnahme• Der Betroffene ist verpflichtet sich Blut abnehmen zu lassen!• Abgabe einer Urinprobe ist gesetzlich nicht vorgesehen• Ein Arzt in einem öffentlichen KH ist verpflichtet die Blutabnahme vorzunehmen,wenn eine Person zu diesem Zweck von der Polizei vorgeführt wird oder diese selbstverlangt.• CAVE:Wenn der Proband bewusstlos ist, darf kein Blut abgenommen werden, weil con demBetroffenen die Blutabnahme nicht verweigert werden kann.• Bei Toten darf nur im Auftrag des Gerichts Blut abgenommen werden.Erkennen einer <strong>psychischen</strong> und körperlichen Beeinträchtigung durch Alkohol• Rötung der Augenbindehäute, Störungen der Motorik, schwankender Gang, lallendeSprache, psychische Auffälligkeiten, Alkoholgeruch• MERKE: Alkoholisierte können zusätzlich durch Drogen und Medikamentebeeinflusst sein.Erkennen einer <strong>psychischen</strong> und körperlichen Beeinträchtigung durch Drogen und M.• Keine Drogenfahne• Schwierigkeiten bestehen darin, dass zum einen Angaben über Art und Menge nichtzur Verfügung stehen und zum anderen, dass die Dosiswirkung beimEinzelindividuum sehr verschieden ist.• Bei Symptomen, die nicht zu einem niedrigen Atem- Alkoholwert passen an Drogendenken!DD zu Drogen- und Medikamenteneinfluss• Übermüdung, Angst, Erregung, Aufgeregtheit durch Kontrolle, Schock nach Unfall,Fahrunerfahrenheit, Ablenkung, Psychosen, Diabetes, posttraumatische ZuständeDrogenschnelltests vor Ort• Vor Ort Urinprüfung von Verdächtigen auf Drogen und Medikamente72


Daniela Zwick <strong>20</strong>11/<strong>20</strong>12• Immunochemische Antigen- Antikörperreaktion• Ja/ Nein Antworten• Meist werden ganze Substanzgruppen getestet• Durchführungsdauer beträgt wenige MinutenGrenzen von Drogenschnelltests• Sind ein wichtiger Hinweis, aber kein Beweis.• Positiver Test kann auch bei Tage zurückliegendem Konsum auftreten.• Drogenschnelltest auf Opiate ist positiv bei: Husten- und Grippemitteln (Codein,Dihydrocodein), Antidiarrhoe- Präparaten, Genuss von Mohnprodukten• Fasch negativ: Konsum von 1mg Rohypnol beeinträchtigt die Fahrfähigkeitgravierend, wird aber nicht detektiert. (= Benzo)• Hohe falsch positive Fehlerquote bei Amphetaminen• Drogenschnelltests erfassen nur die geprüfte Stoffgruppe, negativ heißt also nicht,dass nicht eine andere Stoffgruppe eingenommen wurde.Darum sind für forensische Zwecke immer sogenannte Bestätigungsanalysen notwendig.Ärztliche Untersuchung und Blutabnahme• So rasch wie möglich, damit die charakteristischen Symptome noch feststellbar sind.• Am Ende soll der Arzt eine Gesamteinschätzung vornehmen:Beeinträchtigt und nicht fahrfähig oder nicht beeinträchtigt und fahrfähig2 Folgen tiefgreifender psychischer Störungen- SuizidSuizidarten• Man muss auch typische Auffindesituationen gut untersuchen, da auch sie durchfremde Hand entstanden sein könnten, manchmal werden Suizide auch alsUnglücksfälle vertuscht• Kombinierter Suizid:Mehrere Methoden werden gleichzeitig angewandt• Erweiterter Suizid:Tötet zuerst nahe stehende Person und dann sich selbst.• Suizidmethode ist durch die Persönlichkeit bestimmt.• Leichte Verfügbarkeit und Beschaffbarkeit der Tötungsmittel, Nutzung bestimmterKenntnisse, Nutzung berufstypischer WerkzeugeSuizid durch Erhängen oder Erdrosseln• Fundsituation ist typisch• Wichtig: Speichelabrinnspur aus dem Mund entsprechend der Hängelage• Erhängen durch fremde Hand ist selten außer bei Bewusstlosen und Kindern• Suizid durch Erdrosseln ist selten, wenn dann mit Strangwerkzeug, dass sich nichtmehr lockertSuizid durch Vergiftung• Hinweise und Tatumstände• Zugeführte Giftmengen sind beim Suizid meist hoch, sodass eine unbemerkteFremdbeibringung oder Verwechslung ausgeschlossen ist.• Heroin: Goldener Schuss• Unfälle durch Vergiftungen kommen hauptsächlich bei Kindern durch Verwechslungoder am Arbeitsplatz vor73


Daniela Zwick <strong>20</strong>11/<strong>20</strong>12Suizid durch Schnitt oder Stich• Verbluten• Meistens Hals, Innenseite der Handgelenke, Ellenbeugen, Unterarme• Multiple, seichte, parallel zueinander liegende Schnitte = Zauder-, ProbierschnitteSuizidtypische Befunde bei Stich• Gruppierung von dicht aneinander liegenden Verletzungen mit gleicherVerlaufsrichtung, oft Herzgegend. Bei Bruststichen meist horizontale Stellung derEinstiche häufig ohne Rippenläsion.• Entblößung der Verletzungsstellen• Keine Abwehrverletzungen• Werkzeuge vorhandenFür Fremdeinwirkung typische Befunde bei Stich• Wechselnde Ausrichtung der Schiche• Unterschiedliche Körperstellen betroffen• Schwer erreichbare Körperstellen betroffen• Häufig Stiche durch Bekleidung• Häufig Abwehrverletzungen, tiefe Abwehrverletzungen• Nachweis eines Heftabdruckes des Messers auf der HautSuizid durch Schuss• Bevorzugte Stellen: Schläfen, Mund, Herz, Stirn• Selten: Nasenloch, Hinterhaupts- Nackenbereich, Orbita, Retroaurikulargegend,Scheitelregion• Schusshand UND Haltehand auf Pulver- und Zündsatzspuren untersuchen• Feine Blutspritzer auf der Schusshand• Zwischen Daumen und Zeigefinger manchmal rötliche Streifen = Klemmverletzungdurch Einklemmung der Haut bei Zurückstreifen des Schlittens der WaffeFür Schuss durch eigene Hand spricht:• Vorhandensein der Waffe• Absoluter Nahschuss in typischer Lokalisation• Blutspritzer, Pulver. Zündsatzbestandteile an der Schuss- oder Haltehand• Verwendung von Bolzenschussapparaten• Besondere Vorrichtungen am Abzug (Schnüre an Gewehren, etc.)Sturz aus der Höhe• Alle Formen stumpfer Gewalteinwirkung bis zu großen Zerstörungen• Außen manchmal nur geringe Verletzungen• Leichenöffnung: multiple Frakturen, Rupturen innerer Organe• Grund des Sturzes kann nur durch Lokalaugenschein und Begleitumstände ermitteltwerden.Totenbeschau bei SelbstmordTotenbeschau und Vergiftung• Wichtig ist überhaupt an eine Vergiftung zu denken• Vergiftungen gehören zu den gewaltsamen Todesfällen• Unabsichtlich oder absichtich?? –Leichenöffnung + Toxikologie74


Daniela Zwick <strong>20</strong>11/<strong>20</strong>12Drogentod• Meist in Wohnungen aufgefunden• Auch an Fixerplätzen, Toiletten, Hotels• Manchmal irgendwo abgelegt, um sich Ärger mit der Polizei zu ersparen = Dumping• Es kann auch ein Tötungsdelikt als Drogentod inszeniert sein.• Hinweise für den Drogentod:Auffindesituation, Fixerutensilien, schlechter Allgemein- und Pflegezustand,Tätowierungen, Nadeleinstichstellen, enge Pupillen, Schaumpilz vorm Mund,LungenödemNachweismöglichkeiten – Arten der forensisch- toxikologischen AnalyseZielanalyse:Gezielte Suche nach bestimmter Substanz mit spezifischer Probenvorbereitung und AnalytikGeneral Unknown- Analyse:Zunächst geeignete Gruppenreaktion für Hinweise auf An- oder Abwesenheit bestimmterSubstanzklassenImmunologische Voruntersuchung:Im Urin.Bei jedem immunologischen Test sind falsch positive und falsch negative Resultate möglich.Immer spezifischer Bestätigungstest.Bestimmungsmethoden:Zur qualitativen und quantitativen Bestimmung der nach der Probenvorbereitung in denExtrakten der enthaltenen Substanzen werden die jeweils geeignetsten Methoden angewendet.75


Daniela Zwick <strong>20</strong>11/<strong>20</strong>124 Therapie gestörter psychischer <strong>Funktionen</strong>4.1 Psychotherapie4.1.1 Psychotherapien: Wirkfaktoren, Schulen/ MethodenGrunddimensionen therapeutischer Beeinflussung, die psychotherapeutischenVerhandlungsverfahren zu Grunde liegen:• Lernen:= relativ dauerhafte Veränderung des Verhaltens als Folge von Übung oder Erfahrung• Suggestion:= Beeinflussung auf affektivem Weg unter Umgehung der rationalenPersönlichkeitsanteile durch überlegene Haltung des Therapeuten, sein Wissen, seineMacht• Persuasion:= Überzeugung durch rationale Argumente und durch Ermahnung (wie in Schule)• Katharsis:=Befreiung von der Traumatisierung durch gezieltes emotionales Wiedererlebenlassentraumatisierender Erfahrungen• Einsicht:In die eigenen Wünsche. = Verstehen von Zusammenhängen zwischen bewusstenHandlungen und dahinter stehenden unbewussten Einflussfaktoren(Abwehrmechanismen, Triebe, etc.)• Konfrontation mit Paradoxa:= widersprüchliche Botschaften,Therapeut macht unerwartete Verschreibungen wie Verschreibung von Symptomen.• Gruppenwirkung:Führt zu rascherer Aktivierung von Konflikten. <strong>Die</strong> Isolation einer einzelnen Personwird aufgehoben, sodass viele Spiegelungen von Erfahrungen möglich werden.Siehe Abb.1 Seite 238Methodenspezifische Wirkfaktoren:• = Arten der Intervention unterschiedlicher therapeutischer Verfahren zur Behandlungpsychischer Störungen• Wie z.B. die GrunddimensionenUnspezifische Wirkfaktoren:• = zwischenmenschliche Aspekte der Therapeut- Klient- Beziehung• werden häufig als Erklärung für das Äquivalenzparadoxon herangezogenÄquivalenzparadoxon:= Unterschiedliche Therapieformen bringen annähernd gleiche Ergebnisse hervor.Wissenschaftliche Ansätze:• Zusammenhänge zwischen Input-, Prozess- und Outcomevariablen• Outcomeforschung versus Prozess- Ergebnis- Forschung• Prozess- Ergebnis- Forschung:=qualitative Prozessstudien, detaillierte qualitative und quantitative Analysenvollständiger Behandlungsabläufe von Einzelfällen76


Daniela Zwick <strong>20</strong>11/<strong>20</strong>12Methodenvielfalt in der Psychotherapie• Es gibt nicht „die Psychotherapie“• Psychotherapie fußt nicht auf einem einheitlichen theoretischen und methodischenGrundzügen, sondern besteht aus verschiedenen Paradigmen• Paradigma = Überzeugung, Werthaltung, Techniken, die die überwiegende Mehrheit der Mitgliedereines bestimmten Fachbereiches akzeptieren• Fragen der Passung zwischen dem Behandlungsmodell eines Therapeuten und derErkrankung des Patienten dürfen nicht nur auf Störungen reduziert werden.• Was bestimmt Frage der Indikation?Diagnose, Menschenbild, Krankheitserleben und die Übereinstimmung mit einerbestimmten dem Paradigma zugrunde liegenden Persönlichkeits- und Therapietheorie• Abstimmung der Persönlichkeiten von Therapeut und Patienten.<strong>Die</strong> einzelnen Paradigmen1.) Tiefenpsychologie• Ursprünglich Psychoanalyse• Alfed Adler und C.G. Jung: Gründer eigener Schulen• A. Adler: Individualpsychologie• C.G. Jung: Analytische Psychologie• Beide abgespalten von der Psychoanalyse S. Freuds• S. Freud: Trieb- und Strukturtheorie• Nach Weiterentwicklung der beiden Schulen kam es wieder zur Annäherung anFreuds Therapieform.• <strong>Die</strong> wichtigsten Theorien:a) Trieb- und Strukturtheorieb) Ich- psychologische Richtungc) Selbstpsychologische Richtungd) Objektbeziehungstheoretische Richtunge) Kleinianische Richtungf) Lacanianische Richtungg) Interpersonelle Richtung• Unterschiede zwischen ihnen betreffen v.a.a) das Ausmaß, in dem der Sozialisation des Kindes Einfluss auf seine psychischeEntwicklung zugeschrieben wird undb) welchen Stellenwert die bewussten Vorgänge haben.Tiefenpsychologie umfasst:c) analytisch orientierte Schulend) psychodynamisch orientierte Schulene) Suggestive und Trance- Methoden (im sehr erweiterten Rahmen)Gemeinsamkeit der Schulen:= Annahme eines dynamischen Unterbewussten als starke motivierende Kraft des Verhaltens.77


Daniela Zwick <strong>20</strong>11/<strong>20</strong>122.) Verhaltenstherapie• = Sammelbegriff für jene Gruppe therapeutischer Methoden, die sich unterBerücksichtigung lerntheoretischer Prinzipien entwickeln.• Orientierung an der Forschungsmethode des Behaviorismus• Grundkonzepte:All unser Verhalten –und damit auch psychische Störungen- sind angelernt. Siemüssen wieder verlernt werden.• <strong>Die</strong>ses Konzept ist inzwischen zu eng, darum gibt es jetzt auch die kognitiveVerhaltenstherapie.• Kognitive Verhaltenstherapie:Es wird auch den verhaltensbestimmenden inneren Prozessen, den mentalenVerarbeitungsmustern, den emotional wirksamen Kräften vermehrt Aufmerksamkeitgeschenkt.3.) Humanistische Psychologie• Umfasst Ansätze vonPhänomenologie,Existentialismusals gemeinsamen philosophischen Hintergrund• Auch der amerikanische Pragmatismus ist in die Grundidee eingeflossen.• <strong>Die</strong> vom Wiener Viktor Frankl gegründete Logotherapie und Existenzanalyse, dieals „ Dritte Wiener Schule der Psychotherapie“ bezeichnet wird, gehört nicht ganzdazu.• Grundprinzip:Tendenz zur Selbstaktualisierung:Menschenbild, das die Einzigartigkeit, Autonomie, Selbstverantwortlichkeit undGanzheit des Menschen als Schöpfer und Gestalter der Welt und seiner selbst betont.• <strong>Die</strong> Therapie ist auf die Entwicklung der eigenen schöpferischen Kraft ausgerichtet.4.) Systemische Modelle• Systemische Therapien basieren auf theoretischen Ansätzen, die Modelle fürkomplexe Systeme und sonst alles suchen• Z.B. Kybernetik, Konstruktivismus, Chaostheorie, Synergetik• Ursprünglich werden die Gedanken der Systemtheorien auf die konkreteninteraktionellen Kommunikationsmuster in Familien übertragen, aber auch auf soziale,individuelle Prozesse, etc.• <strong>Die</strong>se Therapien fokussieren WENIGER auf die pathologischen Vorgänge im System,sondern auf das Auffinden von Ressourcen und Lösungen.• Historisch hat sie sich aus der Familientherapie entwickelt.• System = BedeutungssystemSiehe Abb. 2 S 2414.1.2 Psychotherapieforschung78


Daniela Zwick <strong>20</strong>11/<strong>20</strong>124.1.3 Psychoanalytische Therapien• <strong>Die</strong> Psychoanalyse basiert auf Beobachtungen von Vorgängen, die unsere Gefühle undunser Verhalten bestimmen, oft nicht wahrgenommen werden und sonst kaumzugänglich sind.• Unbewusste Faktoren können den Menschen beeinträchtigen• Psychoanalytische Therapien zeigen, wie sehr uns diese unbewussten Kräfte in allenLebensbereichen beeinflussen• Sie verfolgt die unbewussten Muster in deren Entstehung und Entwicklung• Hilft dem Individuum besser mit den Realitätsanforderungen umzugehen.• Einzigartige therapeutische Beziehung:Patient lernt Probleme nicht nur intellektuell sondern auch emotional in der Beziehungzum Therapeuten kennen.• Psychoanalytische Psychotherapie:= Psychotherapeutische Methoden, die psychoanalytischen Behandlungsrichtlinienfolgen und von einem Psychoanalytiker durchgeführt werden.• Deutungsprozess:= Erkenntnisse über die unbewussten Vorgänge im Patienten werden gesammelt.Setzt sich aus unterschiedlichen therapeutischen Maßnahmen zusammen:Klärung, Konfrontation, Deutung, DurcharbeitenPsychoanalytische Therapien (Überblick):1. <strong>Die</strong> Psychoanalyse = Standardtherapie2. Psychoanalytisch orientierte Psychotherapie2.1 Expressive psychoanalytische Psychotherapie (explorativ)2.2 Interaktive psychoanalytische Psychotherapie (supportiv)3. Psychoanalytische Kurztherapie4. Psychoanalytische Gruppentherapie1. Psychoanalyse = Standardmethode:• Rahmenbedingungen:Standard 5 (4) Stunden pro Woche, a 45- 50 Minuten)Patient liegt auf der Couch, Therapeut sitzt dahinter• Aufgabe des Patienten:Muss alles aussprechen, was ihm in den Sinn kommt = Freie AssoziationPatient muss auch kontraktfähig sein, d.h. er muss Verantwortung für sich selbstübernehmen können und Vereinbarungen einhalten• Aufgabe des Therapeuten:Verstehen, formuliert seine Mitteilungen unter Verzicht auf direkte Ratschläge inForm von Deutungen = Therapeutischer Kontakt• <strong>Die</strong>ses Setting ermöglicht Auftauchen und Bearbeiten von <strong>psychischen</strong> Aspekten, diesonst nicht zugänglich wären.• <strong>Die</strong> Assoziationen des Patienten weisen auf die unbewusste Problematik hin.• Gleichschwebende Aufmerksamkeit:= Psychoanalytische Haltung mit dem Patienten spiegelbildlicher innerer Einstellung,die es ihm ermöglicht ohne Einschränkungen intellektueller oder emotionalerVorurteile den Einfällen des Patienten zuzuhören.• Abstinenzregel:= neutrale, wohlwollende Umgangsform79


Daniela Zwick <strong>20</strong>11/<strong>20</strong>12• Unbewusste Vorgänge werden mit dem Psychoanalytiker durchgearbeitet, der Patientringt mit den gewonnenen Einsichten (Widerstand), erlebt sie im Alltag, in Phantasien,Träumen und in der Übertragungsbeziehung zum Psychoanalytiker• Therapieziel:Deutungen des Psychoanalytikers => innerpsychisches Gleichgewicht zu verändern,damit Lösungen ermöglicht werden• Das Wesentliche:Ständiges Klären und Deuten des Verhaltens des Patienten als Ausdruck undAbkömmling unbewusster Wünsche mit der primären BezugspersonDas hilft dem Patienten zwischen Vergangenheit und Gegenwart, zwischen Realitätund Phantasie zu unterscheiden.Patient erhält Einsicht in seine Konfliktkonstellationen und wie er seine Bemühungen,die er in der Vergangenheit einsetzte, um diese Konflikte zu lösen, sich in derGegenwart wiederholen.• Letztendlich kann der Patient sein Leben, sein Verhalten, seine Beziehungen und seinSelbstverständnis auf eine tiefgreifende und anhaltende Art und Weise ändern.• Therapiedauer: 5-7 Jahre2. Psychoanalytisch orientierte Psychotherapie2.1 Expressive psychoanalytische Psychotherapie – ÜbertragungsfokussiertePsychotherapie – Transference- Focused- Psychotherapy – TFP (Kernberg)• Setting:Patient und Therapeut sitzen gegenüber• Frequenz:2 mal wöchentlich 45/50 min• Aufmerksamkeit des Analytikers ist besonders auf den dominierenden Affekt und diepathologische Abwehr gerichtet.• Bei den Übertragungsdeutungen stehen die im Vordergrund, die zu einem Verständnisder primitiven Objektbeziehung führen• Teilselbst- und Teilobjektbeziehungen können dadurch erkannt und integriert werden.• Dem Patienten wird permanent bewusst gemacht, dass das was er in der Interaktionmit dem Therapeuten erlebt, Widerspiegelungen seiner intra<strong>psychischen</strong>, unbewusstenPhantasien sind.• Therapieziel:Durch die ständige Deutung von Übertragung und Widerstand wird eine tiefgreifendeVeränderung der <strong>psychischen</strong> Struktur angestrebt.Ziel = Herstellung einer integrierten Identität und Objektkonstanz und einer Korrekturder interpersonellen Verzerrungen2.2 Interaktive psychoanalytische Psychotherapien – supportive/ stützendePsychotherapie• Im Gegensatz zur TFP werden hier spezifische interaktionelle Aspekte derPsychotherapie bewusst so eingesetzt, dass dadurch spezifische Behandlungszieleerreicht werden.• Übertragung wird für therapeutische Zwecke genutzt!!!• <strong>Die</strong> Deutungen des Psychoanalytikers wirken also wie Ratschläge oder suggestiveMaßnahmen.• Setting: Zeit, Frequenz, Dauer ist variabel80


Daniela Zwick <strong>20</strong>11/<strong>20</strong>12• Anforderungen an den Analytiker:Aufrechterhaltung der psychoanalytischen Haltung.Das Wissen kommt nicht in Form der Deutungsprozesse zum Einsatz, sondern wirdfür gezielte Behandlungsstrategien zur kognitiven und affektiven Unterstützungverwendet!!• Zusätzlich werden nichtanalytische Techniken eingesetzt• Therapieziel:Gleich wie immer + Erhaltungspsychotherapie = Verhinderung der Verschlechterungbei schwer psychisch Erkrankten3 Psychoanalytische Kurztherapie• Keine Liegehaltung• Sitzungsdichte ist weit: anfänglich ein- zweimal wöchentlich, dann alle 14 Tage• Gesamtdauer der Therapie: 10- 30 Sitzungen über 3 bis 6 Monate• Aktive Haltung des Arztes durch gezieltes Vorgehen und Deuten• Es werden vor allem aktuelle Schwierigkeiten angesprochen• Sonderform der Kurztherapie:Psychoanalytische Fokaltherapie• Dauer und Frequenz: 1 Stunde pro Woche für 10- 40 Wochen• Für Patienten mit begrenzbarem Konfliktbereich• Patienten müssen in der Lage sein eine Konfrontation mit ihrer Gefühlproblematikauszuhalten• Selektive Fokussierung auf einen bestimmten Konfliktbereich• Vollständiges Heranziehen von Übertragungsdeutungen sofern sie einen Fokalbereichbetreffen.• Therapieziel:= Bearbeitung eines lokalisierten Konfliktbereichs in der Hoffnung, bei dem PatientenRessourcen zur Besserung anderer Problembereiche freizusetzen!!4 Psychoanalytische Gruppenpsychotherapie• Setting und Frequenz:Kleingruppe von 6-8 Leuten, 1 Sitzung pro WocheDauer 90 min• Halboffene Gruppe, d.h. wenn jemand austritt, darf ein anderer eintreten.• Voraussetzung des Patienten:Fähigkeit zur Introspektion und zum Ertragen von KränkungenSymptomatologie, deren Äußerungen keine allzu großen sozialen Vorurteile auf denPlan rufen• Voraussetzung für den Therapeuten:Gruppenselbsterfahrung• Methodik:Gruppe = Einheit, es wird in Bezug auf gemeinsame Phantasien gearbeitet = Analyseder GruppeGruppe = Bezugsrahmen: Gruppe analysiert = Analyse in der Gruppe• Gruppenprozess = Interaktion der Teilnehmer, ist Gelegenheit, die Teilnehmenden inihrer individuellen Geschichte und deren Zusammenhang mit dem jeweiligenGruppenprozess besser zu verstehen.81


Daniela Zwick <strong>20</strong>11/<strong>20</strong>124.1.4 Kognitive VerhaltenstherapieEinleitung• Verhaltenstherapie ist eine psychotherapeutische Grundorientierung basierend auf derempirischen Psychologie.• Hat intensive Veränderung durchgemacht• Wurzeln: 50 Jahre des <strong>20</strong>. Jahrhunderts in England, Südafrika, USA• Der Behaviorismus beschränkte sich zunächst auf die Beobachtungen des reinäußerlichen Tuns von Tieren und Menschen.<strong>Die</strong> Inneren Vorgänge blieben unbeachtet = Black Box• Das Verhalten wurde bezüglich der beobachtbaren vorausgehenden Bedingungen(klassische Konditionierung) und der nachfolgenden Konsequenzen (operanteKonditionierung) untersucht. <strong>Die</strong> Ergebnisse bestanden aus einer Beschreibung vonPrinzipien, die beim Erlernen, aber auch bei der Veränderung menschlichenVerhaltens wirken = klassische Lerntheorien• Lerntheorie, Biologie, Biochemie, Medizin, Sozialwissenschaften alle empirischermittelt.• Kognitive Wende:Innere Prozesse werden beachtet.Sokratischer Dialog• Körperlich Physiologische Dimension:War von Anfang an Gegenstand der Verhaltensforschung und kann mittelsBiofeedback ermittelt werden• Man glaubte, dass die Gefühle ein Resultat der physiologischen Erregungen wären.<strong>Die</strong>s änderte sich mit der Emotionsforschung.• Emotionsforschung:Spricht den Gefühlsprozessen eine eigenständige Funktion zu.Es besteht zwar ein enger Zusammenhang zwischen Gefühl und Gedanken, allerdingskönnen sie auch alleine, direkt durch situative Reize aktiviert werden.• Affektive Wende:Verhaltensbegriff wurde um den emotionalen Aspekt erweitert.• Gedanken, Gefühle und Verhalten stehen im Wechselspiel mit den Bedingungen derUmwelt. <strong>Die</strong>s begründet auch den sozialen Charakter des Menschen.<strong>Die</strong> Bedeutung der Beziehung zu anderen Menschen spiegelt sich in unserenGedanken, Gefühlen und Verhalten wider.Lernvorgänge, Organisation von Erfahrung („Lerntheorie“)Nicht assoziative Lernvorgänge• Finden auf neuronaler Ebene statt = Adaptation, Bahnung, Unterdrückung• Adaptationsvorgänge von Membraneigenschaften von Synapsen bilden die Grundlagevon Lern- und Gedächtnisvorgängen.• Verwandt mit diesen plastischen Eigenschaften: Habituation (Gewöhnung),Sensibilisierung – im Bereich der ReflexbahnenAssoziative Lernvorgänge• Klassische Konditionierung• Operante Konditionierung• Aversives Lernen82


Daniela Zwick <strong>20</strong>11/<strong>20</strong>12Klassische Konditionierung (Konditionierung vom S- Typ, respondentes Lernen)• Klassisches Hundeexperiment von Pawlow• Eine an sich neutrale Reizquelle kann durch die zeitliche und räumliche Koppelung anbedeutungsvolle Ereignisse eine Signalfunktion bekommen und ein bestimmtesVerhalten auslösen.Operante Konditionierung• = Auftrittswahrscheinlichkeit von Verhalten in Abhängigkeit von den Konsequenzen• Lob => Wiederholung erhöht Verhaltensfrequenz, Strafe => Unterlassen senkt VF• Was allerdings als Verstärker erlebt wird und was nicht, ist stark von internenSchemata abhängig.• Durch Löschung (Nichtbeachten des Verhaltens) und Bestrafung kommt es zu einerAbnahme der Verhaltensfrequenz.Aversives Lernen• Wenn ein Geschmack mit einer Krankheitsepisode, wie Übelkeit, assoziiert wird, wirder nie wieder gegessen = Köderscheu.• = one trial lerning, d.h. es ist nur ein Versuch nötig, damit man das gelernt hat.• Bei der klassischen Konditionierung müssen viele Versuche unternommen werden,hier nur einer. Außerdem ist hier die zeitliche Nähe zwischen konditioniertem undunkonditioniertem Stimulus nicht von Bedeutung!!Das Lernen der Geschmacksaversion funktioniert auch nach einer Verzögerung vonmehreren Stunden.Modelllernen = stellvertretendes Lernen nach Bandura• Personen können ihr eigenes Verhalten aufgrund der Beobachtung und Imitation desVerhaltens einer anderen Person (Modell) ändern.• Schon mit 2 Jahren• Imitation stellt Nähe her und ermöglich Probehandeln.• Für das Modellernen sind Ähnlichkeit zwischen Modell und Beobachter, positiveBeziehung zwischen Beobachter und Modell, positive Konsequenz des Verhaltens,stellvertretende Verstärkung und höhere soziale Stellung des Modells notwendig.Lernen durch Einsicht• = Lernen durch Aha- Erlebnisse• = aktiver VorgangSchema• = innerpsychischer Prozess• menschliches Verhalten organisiert in Bezug auf eng umschriebeneUmweltbedingungen, dabei kommt es zum Aufbau innerpsychischer Strukturen, diediesen Bezug des Individuums zur Umwelt leiten.• MERKE:Ein Schema ist nicht direkt beobachtbar, sondern kann nur indirekt aus dem gezeigtenVerhalten und der Kommunikation über subjektives Erleben erschlossen werden.• Bsp:Frau mit sexuellem Missbrauch durch Vater in der Kindheit, hat gelernt, dass Nähegefährlich ist und zu Missbrauch führt.<strong>Die</strong>se Schema wird auch später, bei der erwachsenen Frau aktiviert, sobald sie dieNähe ihres Partners spürt. <strong>Die</strong> Frau wird den Partner abwehren.83


Daniela Zwick <strong>20</strong>11/<strong>20</strong>12Ganzheitlich- emotionale Art der Verarbeitung:• = früheste Form der Verarbeitung• steuert schon bei Säuglingen das Verhalten• MERKE:Unterstützt durch emotionales Erfahrungslernen das analytisch- rationaleVerarbeitungssystem• Orientiert sich primär an den emotionalen Grundqualitäten, welche grob in dieGruppen der Lust- und Unlustempfindungen unterteilt werden können.• <strong>Die</strong> Verarbeitung ist weniger differenziert• Größtenteils passiv erlebt, oder wenig bewusst• Erfolgt sehr rasch!!• Ist also auf unmittelbares Handeln ausgerichtet• Bsp:Spaziergang im Wald, Erblicken eines Gegenstandes, der Ast oder Schlange seinkönnte, sofortiges zur Seite springen, um sich so rasch wie möglich in Sicherheit zubringen.analytisch- rationale Verarbeitung:• funktioniert erst bei zunehmender Reife des ZNS und beim Ausbau kognitiverFertigkeiten• orientiert sich an dem was logisch und vernünftig erscheint• wird aktiv und bewusst erlebt• Verarbeitungsgeschwindigkeit ist viel langsamer• Vor wichtigen Entscheidungen, lange Phase analytisch- rationaler Bearbeitung• Teilweise schnell: Mit der Schnelligkeit eines Gedankens kann uns ein neuesArgument vom Gegenteil der vorherigen Ansicht überzeugen.• Bsp:Spaziergang im Wald, Erblicken eines Gegenstandes, der Ast oder Schlange sein könnte,genaueres Betrachten und Überlegen, was es nun sein könnte.MERKE:Beide Systeme laufen parallel zueinander ab, beide Systeme sind beteiligt.Gefühle, Emotionen• Gefühlserleben = wichtiges inneres Signal und wichtig zwischenmenschliches Signal• 4 Grundgefühle:Freude, Trauer, Angst, Wut• Freude führt zur Hinwendung und schafft neue Bindungen• Trauer löst Bindungen und kann die Suche nach Tröstung bewirken• Angst führt zur Distanzierung und kann Vermeidungs-, Fluchtverhalten bewirken• Wut setzt Grenzen oder weitet vorhandene Granzen aus• 10 grundlegende diskrete Emotionen• Gefühle stehen im Zusammenhang mit Gedanken, haben aber auch eigenständige<strong>Funktionen</strong>• Sie dienen dazu komplexe situative Information schnell und automatisch zuverarbeiten mit dem Ziel Handlungen zu vollziehen, die die wichtigsten Bedürfnissedes Organismus erfüllen• MERKE:Ohne Gefühle ist kein vernünftiges Handeln möglich!84


Daniela Zwick <strong>20</strong>11/<strong>20</strong>12• „Ich fühle und kann deshalb Gedanken interpretieren, die Folgen meines Handelnsabschätzen und Entscheidungen treffen.“- DamasioKognition• = verbales oder bildhaftes Ereignis• jede Art von Informationsverarbeitung, selbst wenn unbewusst• Teilaspekte der Informationsverarbeitung:Wahrnehmen, Denken (Verknüpfen von Kognitionen mit einer Logik), Entschiedenund Problemlösen, Erinnern• Informationsverarbeitung zielt meist darauf ab, Unterschiede zu erkennen undRegelmäßigkeiten herauszufiltern, um dann die unterschiedenen Einheitenmiteinander in Beziehung zu setzen.• Wahrnehmung orientiert sich an Konturen und Bewegungen, die sich vom Umfeldabgrenzen lassen.• Neurologisch: ebenso Kontrastverstärkung und Erhöhung der Wahrnehmung durchIsolation von Mustern• Welche Muster aber durch Isolation vom Umfeld herausgehoben werden, hängtdurchaus mit den aktuellen Bedürfnissen und Erwartungen zusammen.• Wir haben dieses Phänomen bereits bei der Vorstellung der Schemata kennen gelernt:In Abstimmung mit inneren Bedürfnissen und äußeren Reizangeboten werdenbisherige Erfahrungen aktiviert und dementsprechend die Sinnesorgane ausgerichtet!• Wahrnehmung erfolgt aktiv• <strong>Die</strong> selektiv herausgehobene Information kann sich stimmig in die Erfahrungeingliedern oder aber, sie widerspricht den persönlichen Erwartungen, dann müsstesich aber das eingelernte Schema verändern. Aus diesem Grund neigen wir dazu, dieWahrnehmungen die unsere Erwartungen nicht bestätigen zu ignorieren oder gar zuverändern.• MERKE:In der Beziehung zu den primären Bezugspersonen entstehen auf diesem WegStrukturen, die kontinuierlich die Selbst- und Fremdwahrnehmung leiten.Körper- und Selbstschemata, Schemata von den wichtigen anderen.Gedächtnis, Rückgriff auf Erfahrungen• Verhaltenstherapeutische Auffassung weist darauf hin, dass alle Erinnerungengegenwartsbetont sind.• Erinnerungen sind in statisch im Gedächtnis aufgehoben und bei Abruf könnten sieunverändert ins Bewusstsein eintreten. = FALSCH• Erinnern ist ein Vorgang, der in Abhängigkeit vom aktuellen Kontext desRückerinnerns steht. = RICHTIG• Erinnerung= frühere Erfahrung + emotionale, motivationale Randbedingung• Je nach dem Bedeutungskontext, in dem der Abruf stattfindet, werden einzelneAspekte der früheren Erfahrung zu einer Version der Erinnerung integriert, die denaktuellen Anforderungen entsprechen.• Das Alte, wird also nicht hervorgeholt, sondern auf Basis früher psychischer Vorgängewerden neue psychische Erlebnisse konstruiert, dies kann sogar zu false memory, einerfalschen Erinnerung führen.Explizite Gedächtnisvorgänge= deklarativ:• Gehen mit dem subjektiven Eindruck des Erinnerns einher, also persönlicheErfahrungen = episodisches Gedächtnis (was hab ich gestern gefrühstückt?)• Faktenwissen85


Daniela Zwick <strong>20</strong>11/<strong>20</strong>12Implizite Gedächtnis= non- deklarativ:• Nicht mit willentlichem Erinnern verbunden• Abruf hängt von augenblicklicher Stimmungslage, dem emotionalen undmotivationalen Zustand und von bestimmten, den Erinnerungsvorgang auslösendenSinneseindrücken ab.• Automatisierte Aufnahme komplexer Erfahrungen = implizites Lernen = unterhalb derBewusstseinsschwelle• Erlaubt schnelles Reagieren• Komplexe Motorische Abläufe z.B. Schifahren = prozedurale Fähigkeiten• Priming (perzeptuelles und semantisches)• Lernvorgänge (non- assoziativ, assoziativ)Pläne und Bedürfnisse• Planstruktur = Zeitlich überdauernde Pläne• Menschliches Handeln = sehr bewusstes vorgehen nach Plänen• Sonst können Pläne auch nur mittelbewusst sein.• Handlungen sind absichtsvoll und intentional – kognitiver Aspekt• Motivation – emotionaler Aspekt• Motivation kann auch unbewusst sein• Positive Gefühle verstärken das Wiederauftreten von zielführendem Verhalten,negative Gefühle erzwingen hingegen eine Umorientierung.• Konflikt = Pläne geraten in Widerspruch zueinander4 Grundbedürfnisse1.) Bedürfnis nach Lustgewinn und UnlustvermeidungBedürfnis nach Orientierung und KontrolleBedürfnis nach NäheBedürfnis nach SelbstwerterhöhungFähigkeit zur Selbstregulation• Selbstreflexion = Wahrnehmung innerer und äußerer Bedingungen• Selbstbeobachtung = innere Bedingungen wahrnehmen• Selbstbewertung = innere Bedingungen einschätzen• Antizipation = wahrnehmen von Konsequenzen bei Einsatz von Verhaltensalternativen• <strong>Die</strong> im Alltag üblicherweise hoch automatisierte Form der Informationsverarbeitungwird dabei unterbrochen und es setzt die Phase der kontrollierten Verarbeitung ein, diebewusst gelenkte Aufmerksamkeit erfordert.• Selbstregulation = Wirt treffen eine bewusste Entscheidung um unser Verhalten zuändernErst wenn die neuen Verhaltensweisen etabliert werden konnten und abermals zuselbstverständlichen Gewohnheiten wurden, tritt die bewusst auf diesen Lebensbereichgelenkte Aufmerksamkeit zurück• Selbstkontrolle: Wird erforderlich, wenn über besonders konfliktreicheVerhaltensalternativen entschieden werden soll. (= Spezialfall der Selbstregulation)• 2 Grundmuster der Selbstkontrolle:1.) Widerstehen der Versuchung = auf was Tolles verzichten, weilman durch den Verzicht ein tolleres Ziel erreicht (z.B. nicht Partymachen, wenn man am nächsten Tag lernen muss)2.) Ertragen einer aversiven Situation = Tolerieren kurzfristigunangenehmer Situationen, um positive Effekte zu erhalten (z.B.Schmerz beim Zahnarzt, damit danach die Zähne gesund sind)86


Daniela Zwick <strong>20</strong>11/<strong>20</strong>12Bindungen, die „wichtigen Anderen“• Kinder suchen in Momenten der Verunsicherung die Nähe einer Person, die sie alspotenziell hilfreich einschätzen.• Bereits zwischen dem 12. und 18. Lebensmonat werden bedeutende Unterschiede imBindungsverhalten beobachtet.• Sicher gebundene Kinder: 50- 60%• Unsicher vermeidende Kinder: 30- 40%• Unsicher ambivalente Kinder: 10- <strong>20</strong>%• Einmal etablierte Bindungsstile besitzen eine hohe Stabilität, sogar über Generationenhinweg!• Das Temperament, das genetisch beeinflusst wird, ist auch mitentscheidend.• Ein unruhiger Säugling mit Essproblemen, unstillbarem Schreien und ausgeprägtemSchreien bringt selbst eine feinfühlige Mutter an ihre Grenzen.Somit kann die Interaktion auch aufgrund der vom Kind eingebrachten Eigenschaftenentgleisen.Hauptindikation der VerhaltenstherapieAngststörungen, Zwangsstörungen, Depression, Essstörungen, Persönlichkeitsstörungen,Suchterkrankungen, psychosomatische Erkrankungen, zusätzliche Hilfe bei Schizophrenieoder hirnorganischer Störung und in Behandlung körperlicher ErkrankungenPrinzip und Durchführung der Verhaltenstherapie7 Phasen- Modell von Kanfer:Phase 1:Phase 2:Phase 3:Phase 4:Phase 5:Phase 6:Phase 7:Schaffung günstiger AusgangsbedingungenAufbau von Änderungsmotivation und Auswahl von ÄnderungsbereichenVerhaltensanalyse und funktionales BedingungsmodellVereinbaren therapeutischer ZielePlanung, Auswahl und Durchführung spezieller TherapiemethodenEvaluationErfolgsoptimierung und Abschluss der Therapie3 Gruppen von Verfahren:1.) Basisfertigkeiten (Gesprächsführung, Beziehungsgestaltung, Motivationsarbeit)2.) Störungsübergreifende verhaltenstherapeutische Techniken (Konfrontationsverfahren,Entspannungsverfahren, operante Methoden, kognitive Methoden, Problemlösestrategien,Kommunikationstraining, Training sozialer Kompetenz, Selbstkontrollverfahren)3.) Störungsspezifische Therapieprogramme87


Daniela Zwick <strong>20</strong>11/<strong>20</strong>12Verhaltenstherapeutische Techniken1 Verfahren zur Konditionierunga) Systematische Desensibilisierung• Basiert auf der Theorie der reziproken Hemmung: Angst und Entspannung sindunvereinbar• Zur Vorbereitung: progressive Muskelentspannung• Man stellt eine Angsthierarchie auf, von einer ein bisschen Angst auslösendenSituation bis zu der katastrophalsten Situation, die man ich vorstellen kann.• Der Patient muss sich nun die unterste Angstvorstellung so plastisch, wie möglichvorstellen, bis er Angst bekommt, danach wird die Vorstellung abgebrochen und zurMuskelentspannung übergegangen. Dann folgt die nächste Angsstufe in derVorstellung.• So wird in wenigen Wochen die gesamte Angsthierarchie durchgearbeitet, bis selbstdie schlimmste Vorstellung keine Angst mehr auslösen kann.b) Expositionsverfahren und Reaktionsverhinderung/ Reaktionsmanagement• Massive Darbietung von Angstreizen beschleunigt die Angst- Habituation• Konfrontation mit einem angstauslösenden Stimulus = Flooding = Reizüberflutung• Reaktionsverhinderung = Verbot von Vermeidungsreaktionen• Man soll sich nicht gegen die Angst wehren.• <strong>Die</strong> wichtigste Variable ist die Dauer der Exposition:Bei zu kurzer Zeit kommt es häufig zur AngststeigerungOptimal sind Expositionszeiten von mehreren Stunden, so lange, bis der Patient eineReduktion der Angst erlebt.• Z.B. Mit einer Frau mit Agoraphobie auf den Stephansplatz gehen.• Mit einer Person mit Zwangserkrankung, die Schmutz vermeiden will sich imSchweinestall wälzen.2 Selbstsicherheitstraining• = Aufbau sozialer Kompetenzen, Social Skills Training, Assertiveness Training• Selbstunsicheres Verhalten ist durch eine spezifische subjektive Einstellung zu sichselbst, soziale Ängste und Hemmungen und durch Mangel an sozialen Fertigkeitengekennzeichnet.• Therapeutische Interventionen setzen auf 3 Ebenen an:1.) übungsorientierte vollstandardisierte Programme2.) übungsorientierte halbstandardisierte Programme3.) interaktionsbezogene ProgrammeAd 1. und 2.Für Patienten mit einem großen Defizit an sozialen FertigkeitenAd 3.Für Patienten mit starken Störungen in den zwischenmenschlichen Beziehungen und in derEinstellung zu sich selbstTrainingsinhalte zu 4 Verhaltensbereichen:1.) Fähigkeit in angemessener Weise Forderungen zu stellen und Wünsche zu äußern2.) Fähigkeit Nein zu sagen und Kritik zu äußern3.) Fähigkeit zur Herstellung von Kontakten4.) Fähigkeit sich öffentlicher Beachtung auszusetzen und sich Fehler zu erlauben88


Daniela Zwick <strong>20</strong>11/<strong>20</strong>12Rollenspiel und Verhaltensübungen, Modell- Lernen, Feedback, Verhaltensweisungen(Coaching), kognitive MethodenBsp. zu sozialem Kompetenztraining:Gruppentraining sozialer Kompetenzen von Hinsch und Pfingsten:• Modell beschreit das Zusammenwirken von kognitivem, emotionalem und offenemVerhalten bei der Bewältigung einer sozialen Situation• Es werden auf allen 3 Ebenen Bewältigungsfertigkeiten vermittelt.• Das Prozessmodell ist auch Grundlage des Erklärungsmodells, welches am Beginn desTrainings vermittelt wird.• Es wird also eine Erklärung des Verhaltens, das zu den Problemen geführt hat geklärtund die Strukturierung des Trainings für den Patienten erklärbar.3 Situations- Bereiche:1.) Recht durchsetzen (Typ R):Situationen bei denen das Ziel des Verhaltens vorrangig in der Erfüllung eigenerForderungen liegt, die zudem durch gesellschaftliche Normen oder Konventionenlegitimiert sind.2.) Beziehungen (Typ B):Aussprechen eigener Gefühle und Bedürfnisse und Verständnis für die Gefühle desPartners.3.) Um Sympathie werben (Typ S):Kontaktaufnahme in Situationen, in denen kein Recht darauf besteht, dass uns dasGegenüber entgegenkommt. Flexibles Reagieren auf das Verhalten anderer steht imVordergrund.Durch Rollenspiel und Hausaufgaben werden alle 3 Bereiche erlernt.3 Kognitive Therapiekognitives Modell von Beck:Gefühle und Verhalten von Personen werden durch Wahrnehmung von Ereignissenbeeinflusst.Abhängig von der gedanklichen Interpretation einer Situation können ganz unterschiedlicheGefühle und daraus Verhalten entstehen.3 Ebenen von Gedanken:1.) Automatische Gedanken:Sind ganz an der Oberfläche auftauchende Gedanken, Worte, Erinnerungen,Vorstellungen.Im Gedankenprotokoll werden die Zusammenhänge zwischen äußeren Situationen undauftretenden Gefühlen und Gedanken aufgeschrieben. Danach kann Pro und Contradieser Gedanken bearbeitet werden und schließlich der realitätsgerechteKompromissgedanke gefunden werden.2.) Annahmen = assumptions:Sind Glaubenssätze, die in verschiedenen Situationen unser Leben lenken und leiten.„Sollte“- Behauptungen („Man sollte immer der beste sein.“)„Wenn- dann“- Glaubenssätze („Wenn mich die Leute kennen würden, würden siemich ablehnen)<strong>Die</strong> Annahmen werden also mit dem Gedankenprotokoll erfasst und mitVerhaltensexperimenten getestet.89


Daniela Zwick <strong>20</strong>11/<strong>20</strong>123.) Grundannahmen = Schema:Schema sind ABSOLUT. („Ich bin ein Totalversager.“)Schema sind DICHOTOM („Es gibt nur Totalversager und absolute Siegertypen)Schema sind von grundlegender Bedeutung bei Patienten mit Persönlichkeitsstörungen(charakteristisch für den Borderliner – Dichotomie, etc.)<strong>Die</strong> Veränderung eines Schema bedarf eines aufwändigen Therapieprozesses.Verfahren der kognitiven Umstrukturierung• Beabsichtigen eine möglichst direkte Veränderung derjenigen kognitivenKomponenten, die als verantwortlich für die Entstehung und Aufrechterhaltung derjeweiligen Probleme angesehen werden.• In der Therapie:zuerst Aufdecken von dysfunktionalen Gedanken und Grundeinstellungen imGedankenprotokolldann Analysieren• <strong>Die</strong> Gesprächstechnik ist die „sokratische Gesprächsführung“ (Sokrates verstand sichentwickelte die Hebammentechnik, stellte Menschen Fragen über Fragen, antworteteselbst auf keine und lies seine Gesprächspartner damit ihre eigenen Antwortengebären)• Entwicklung maladaptiver Schemata wird im schemaorientierten Ansatz von JeffreyYoung umfassend skizziert:= Weiterentwicklung der kognitiven Therapie nach BackYoung unterscheidet 5 Hauptkategorien von frühen fehlangepassten Schemata:1.) Trennung/ Ablehnung2.) Beeinträchtigte Autonomie3.) Abgrenzungsprobleme4.) Auf andere ausgerichtet sein5.) Übervorsichtigkeit und Hemmung• <strong>Die</strong> Veränderung diese Schemata ist auch hier ein langer Prozess und beinhaltet4 Arten von Interventionen:a) emotionale Interventionen (von Anfang an zum „Schema- Auflockern“)b) interpersonelle Interventionen (wenn Patienten ihr Schema auf den Therapeutenübertragen)c) kognitive Interventionen (um Prozess der Schema- Veränderung zu systematisieren)d) Verhaltensinterventionen (längste Phase, langfristig fixierte Muster werdenverändert)MERKE:Schemata werden immer dann am besten in Frage gestellt, wenn sie gerade ausgelöstwurden. Eine abstrakt- intellektuelle Diskussion von Schemata ist selten so wirksamwie eine Bearbeitung in Gegenwart der entsprechenden Affekte.90


Daniela Zwick <strong>20</strong>11/<strong>20</strong>124 Emotionsorientierte Therapie= Neue Entwicklung in der VerhaltenstherapieGründet sich auf den prozess- erlebnisorientierten Ansatz, eine aktuelle Variante derhumanistischen Tradition in der Psychologie in der klientenzentrierte Elemente mit solchender Gestalttherapie verbunden werden.3 Hauptgruppen von therapeutischen Interventionen:1.) Erkennen der Emotionen des Patienten:Anleiten des Patienten, die Symptome, die im nicht bewusst sind, auf einer körperlichenEbene zu beachten: „Habe ich Verspannungen?“ „Spüre ich Schmerz?“ „Wenn ichmeine Gedanken auf die Motorik richte, zeigen sich dann bestimmte Gesten?“2.) Hervorrufen und Intensivieren von Emotionen:Maladaptive Strukturen werden besser zugänglich und behandelbar, wenn sie aktiviertwerden.Gegen einen Polster schlagen, etc.Zentrale Gedanken kommen ins Bewusstsein, Handlungstendenzen werden erfahrbar, esfolgt eine weitere Bearbeitung3.) Emotionale Restrukturierung:Sobald ein Schema aktiviert ist, muss neue Information, die inkompatibel mitexistierenden Strukturelementen ist, zur Verfügung gestellt werden.Beispiel:Emotional unerledigte Angelegenheiten führen zu unterdrückten, starken Gefühlen.Der Ausdruck dieser primären Affekte wirkt auf den Patienten bedrohlich.In der Arbeit mit dem leeren Sessel versucht der Therapeut die Person, die am Konfliktbeteiligt ist, als Imagination in den Raum zu holen.<strong>Die</strong>s führt beim Patienten zur Schaffung einer neuen Bedeutungsperspektive und einemstärkeren und anabhängigeren Selbsterleben.Veränderung kann auch direkt aus der therapeutischen Beziehung resultieren.Dafür nötig: empathische Bestätigung + BeziehungsdialogeErsteres wird eingesetzt wenn der Patient Verletzlichkeit zeigt.Zweiteres wenn der Patient z.B. seine Hausaufgaben nicht macht.5 Der Aufbau von Selbstkontrollfertigkeiten• Selbstkontrolle = Fähigkeit eines Menschen sein eigenes Verhalten durch andere,günstigere Verhaltensweisen zu ersetzen. = Spezialfall der Selbstregulation, dergekennzeichnet ist durch Vorliegen eines Konfliktes2 Grundtypen von Selbstkontrolle: Widerstehen einer Versuchung, heldenhaftesVerhalten (siehe oben Bsp. Zahnarzt)Entgegen der klassischen Lerntheorie besteht Selbstkontrolle darin, dass eine Personnicht diejenigen Verhaltensweisen setzt, die aufgrund deutlich gegebenerVerstärkungsbedingungen zu erwarten wäre.Selbstkontrolle ist nur mit einem bestimmten kognitiven und motivationalenGeschehen möglich.• Selbstregulation = Prozesse, die eine Person zum Unterbrechen einer Verhaltenskettevon sich aus in Gang setzt• Selbstbeobachtung = Aufmerksamkeit wird auf eigenes Verhalten gerichtet.91


Daniela Zwick <strong>20</strong>11/<strong>20</strong>12• Selbstbewertung = Vergleich der gegenwärtigen Aktivität mit den ursprünglichen Zielendes Verhaltens• Selbstverstärkung = motivationaler Prozess, Person ist zufrieden oder unzufrieden mitdem Ergebnis, unabhängig davon, in welchem Ausmaß das Verhalten demerwünschten Standard entspricht.6 Dialektische Behaviorale TherapieDialektische Behaviorale Therapie nach Linehan = spezifische Therapie der Borderline-Persönlichkeitsstörung• Zentrales Problem der Borderlinestörung ist eine Störung der Emotionsregulation• Biologische Disposition, spezifische Umweltbedingungen, Wechselwirkungen mit derkindlichen Entwicklung (invalidierendes Umfeld)• Erhöhte Empfindlichkeit gegenüber emotionalen Stimuli• Verlangsamte Rückkehr der Emotionen zum normalen Erregungsniveau• DBT versucht durch geeignete Übungen eine adäquatere Gefühlsregulierung zuentwickeln, ein Identitätsgefühl entstehen zu lassen, Alternativen für stereotypeReaktionen zu entwickeln, Fähigkeit selbstständig zwischenmenschliche Beziehungenaufzubauen und diese auch bei Frustration aufrecht zu erhalten.• Suizidales und Präsuizidales Verhalten muss primär angegangen werden.• Erst dann kann an der Verhaltensänderung und –verbesserung gearbeitet werden.4.1.5 Systemische SchulenMedicus curat, natura sanat.• Paracelsus erkannte bereiz dass der Arzt nur die Rahmenbedingungen zurUnterstützung der Heilung schafft, die Natur aber heilt.• Reparaturmetapher:Schließt die notwendig aktive Beteiligung des Organismus völlig aus und meint, nurder Arzt schaffe die Heilung.<strong>Die</strong>s ist natürlich nicht richtig: ein Gips ohne Eigenheilfähigkeit des Knochens, würdedazu führen, dass man für sein restliches Leben immer einen Gips tragen müsste umden Knochen stabil zu halten.• In Medien und Honorarnoten spiegelt sich das angebliche „Heldentum des Arztes“wider.• Psychotherapieforschung:Wirksamkeit der Therapiebeziehung mach etwa 30% der Ergebnisvarianz aus,gemeinsam mit den Klientenfaktoren (Ressourcen, etc.) bereits 70% desTherapieerfolgs erklärbar.Zieht man die 15% Erwartungs- und Placeboeffekte ab, bleiben nur mehr 15% dieModellen und spezifischen Therapietechniken zugeordnet werden können.92


Daniela Zwick <strong>20</strong>11/<strong>20</strong>12Historische Entwicklung systemischer Schulen• Hatten klassisch- naturwissenschaftliche, linear- kausale Wirkungsmodelle in ihrenTherapietheorien integriert• So wurden, trotz Hinweisen auf die soziale Bedingtheit von Symptomverhalten, diekomplexen Vorgänge sich gegenseitig bedingender Beziehungsstrukturen oft alsUrsache interpretiert, deren Veränderung durch eine Therapeutenintervention zurHeilung führen könnte.• „…dass man die pathologischen Verhaltensweisen rasch zum Verschwinden bringenkann, sobald es gelingt, eine grundlegende Regel zu entdecken und zu verändern.“-Selvini Palazzoli – nicht korrekt!• Trotz Therapieerfolgen* stellte sich das Modell als nicht haltbar heraus.• * Therapieerfolge waren allerdings auch durch die operative Entfernung des Uterus alspsychotherapeutischer Behandlungsansatz durch Sigmund Freud zu verzeichnen.• Kybernetik 1. Ordnung:Fokussierten großteils auf Interaktionen und veränderten damit nicht nur denBlickwinkel, indem sie Individuen hauptsächlich im Rahmen sozialer Beziehungenbetrachteten, sondern eröffneten damit auch neue Therapieansätze.• Es gibt hier nicht eine Gründerpersönlichkeit, sondern es entwickelten sich dieSchulen an mehreren Orten gleichzeitig.• Theorieanregungen aus Biologie, Physiologie, Kybernetik• Aus diesen Ansätzen entwickelten sich die unterschiedlichen Lehrgebäude:Familienhistorisches Modell:Wurzeln liegen in psychoanalytisch orientierten Ideen,pathologische Bindungen bestehen über Generationen und können jetzigeSymptomatik klärenBegegnungsmodell:Stellt emotionale Erfahrungen im Hier und Jetzt in den Mittelpunkt.Ausgehend von Ideen der humanistischen Psychologie und derexistenzialphilosophischen Tradition.Überzeugung in Entwicklungsmöglichkeit der Einzelperson, deren Potential durcheinfühlsam- emotionale Therapie freigesetzt werden kann.Strukturprozess- Modell:Dysfunktionale Kommunikationsprozesse und Strukturen der Familie werden zumFokus des therapeutischen Handelns.Es werden auch lerntheoretische Ansätze in dieses Modell eingegliedert.Aktive Therapeuten erfassen die Symptomentstehung im familiären Rahmen.Beispiel zur Idee des strukturellen Modells anhand der Anorexia nervosa:Im Gegensatz zu Modellen, die intrapsychische Prozesse zur Erklärung heranziehen, werdenPatienten in der strukturellen Therapie als Symptomträger gesehen, deren Symptomwahl inder Lage ist, familiäre Prozesse zu stabilisieren.Familiäre Regeln: Überfürsorglichkeit, Konfliktvermeidung, Verstrickung, StarrheitFamilienmitglieder stellen hier nicht ihre Eigeninteressen in den Vordergrund, sondern eherdie Sorgen um das Wohlbefinden der anderen.Es kommt zur Unmöglichkeit der Regelveränderung als Stabilisator der familiären Nähe.Nun sind aber die Entwicklungsaufgaben der Pubertät ohne Veränderungen im familiärenRegelsystem nicht realisierbar.<strong>Die</strong> Eigenständigkeit des Heranwachsenden wird vollkommen eingeschränkt.93


Daniela Zwick <strong>20</strong>11/<strong>20</strong>12Der Rückzug auf die Unmöglichkeit der Nahrungsaufnahme schafft nun einen Freiraum, derentwicklungsmäßig gefordert wird, es ist der einzige Weg der Selbstbestimmung. Gleichzeitigverhindert er aber wegen der Symptomatik das Verlassen des Systems.Therapeutische Ansätze müssen auf die Veränderung der Familienstruktur abzielen.Epistemiologische Wende- systemische Therapie• 1980er: Abkehr von den klassischen Strömungen und dem vorherrschenden Fokus auffamiliäre Systeme.• Es stellte sich als einfach nicht richtig heraus: manche Menschen mit Angststörungenzeigten gleiche Familienmuster, wie andere Menschen mit Anorexia nervosa.• Der alleinige Fokus auf Interaktionen, ohne individuelle oder organische Faktorenausreichend zu berücksichtigen und die Betonung dyfunktionaler Muster ohneFähigkeit oder Ressourcen zu beachten, waren Einschränkungen, die eine Anpassungder Modelle nach sich zogen.• Systemische Therapie ist prozessorientiert, systemwissenschaftlich, aufunterschiedliche Phänomenbereiche anwendbar, sowohl im biologischen Bereich, alsauch auf intrapsychische Mechanismen oder Prozesse sozialer Systeme.• Verschiedene Therapiesettings, verschiedener Therapieverlauf, verschiedeneTherapietechniken (z.B. zirkuläres Fragen)Anhand der Synergetik, deren Ansatz z.B. im Bereich von motorischer Koordination,visueller Gestaltwahrnehmung und epileptischer Anfälle erfolgreich angewandt und überprüftwerden konnte, soll Selbstorganisation beschrieben werden.<strong>Die</strong> Synergetik gestattet bei der Analyse von Systemen eine enorme Komplexitätsreduktion.Im mathematischen Modell lassen sich raumzeitliche und funktionale Strukturen inkomplexen Systemen nachweisen, die im folgenden Abschnitt ohne Rückgriff aufFormalismen erklärt werden soll.Ein einfacher Laser besteht aus einer mit Gas gefüllte Glasröhre, bei der durch eineSpiegelanordnung das von den Atomen abgegebene Licht wieder mit den Atomeninteragieren kann. Dabei wird zur Anregung der Lichtemission dem Gas Energie zugeführt =Kontrollparameter. <strong>Die</strong> Emission geschieht völlig unkoordiniert und zufällig, wasmakroskopisch als regelloses Schwanken, wie beim normalen Licht einer Glühbirne wirkt.Ab einer definierte Schwelle der Energiezufuhr kommt es zu einem flukturierendenAufschaukeln von Wellen unterschiedlicher Wellenlänge, an denen mehrere Atome beteiligtsind. Durch weitere Energiezufuhr schlägt das Systemverhalten mikroskopisch undmakroskopisch um und eine einzige Wellenlänge dominiert alle Atome und lässt sie ineinheitlichem Takt schwingen, wodurch eine gigantische gemeinsame Welle entsteht, die alsstabiler, dynamisch geordneter Bereich erhalten bleibt.<strong>Die</strong> Wechselwirkungen zwischen Elementen eines Systems lassen das neue, qualitativ andereMuster entstehen (Emergenz Bottom- up Prozess), dass als Top- down- Prozess die Atome inihren Verhaltensmöglichkeiten und Freiheitsgraden einschränkt.Daher werden solche makroskopischen Muster Ordnungsparameter genannt.Weitere Energiezufuhr kann dann zu einem Ordnungs- Ordnungs- Übergang führen, wiebeispielsweise pulsierende Laser.Siehe Grafik S 274 – 275Umgelegt auf die Magersucht kann das Symptomverhalten als Ordnungsvariablebeschrieben werden. <strong>Die</strong>ser Ordner bringt in Interaktion mit dem bio- psycho- sozialenSystem das dynamische Muster Anorexia nervosa hervor.Als Attraktor stellt er einen Zustand her, der Komplexität reduziert und Entscheidungenerleichtert. <strong>Die</strong> einfache Unterscheidung zwischen gut (=wenige Kalorien) und schlecht wird94


Daniela Zwick <strong>20</strong>11/<strong>20</strong>12im Gegensatz zur unüberblickbaren Welt einfach, stellt damit Ordnung her und wendetunangenehme Entscheidungen ab, da Essen der zentrale Lebensfokus wird. Gleichzeitigwerden aber persönliche Freiheitsgrade massiv eingeschränkt (wenn die Atome schwingen,schwingen sie nicht mehr in ihrer Eigenfrequenz), da Handlungen, Gedanken, Emotionen umdiesen neuen Lebensinhalt kreisen.Kontrollparameter können Veränderungen wie oben beschrieben nicht festlegen, aber zurVeränderung notwendige Energien liefern, die den Selbstorganisationsprozess in Gang setzen.Dabei wird klar, dass der Therapeut mit welcher Intervention auch immer keine Veränderungbewirken, sondern nur den Versuch unternehmen kann, passende Anstöße zur Verstörung desSystems zu liefern.Kenntnisse über die persönlichen Konstrukte von Patienten, die in der systemischen Therapieeinen hohen Stellenwert erhalten haben, erhöhen die Wahrscheinlichkeit, passendeVerstörungen liefern zu können.<strong>Die</strong>se Überlegungen haben auch spezielle Therapietechniken, wie Reflecting Teamhervorgebracht, das dem Therapiesystem eine Palette unterschiedlicher Ideen anbietet.Andere Verstörungen können Leidensdruck und Motivation erhöhen, Fokussierungverändern, Beziehungsmuster ändern, wodurch auch bei geringfügiger Energie- Änderungsprunghafte Veränderungen im Kognitions-, Emotions- und Verhaltensmuster stattfindenkönnen.CAVE:Vor dem Übergang zum neuen makroskopischen Muster sind Phasen kritischer Instabilitätbeobachtbar.<strong>Die</strong>s Fluktuationen (auch beim Laser sichtbar)lösen bei den Betroffenen Ängste hervor, die zuRückgriffen auf bewährte Muster führen können. Beim Übergang in neue Ordnungszuständesteigt die Sensibilität für minimale Anregungen, die nach Entscheidung für das neueVerhaltensmuster ebenso wie die Unsicherheit absinkt.5 Grundpositionen der systematischen Therapie:1.) Autonomie2.) Eigendynamik von Systemen3.) System- Umweltbeziehungen4.) Veränderungen interner Konstrukte und Wirklichkeiten5.) Koppelung von individuellen Problemen und interpersoneller KommunikationAnders als bei klassischen Ansätzen, die Ursachen für Symptome in dysfunktionalerKommunikation sehen, wird angenommen, dass sich um ein bestimmtes Verhalten einspezifisches Kommunikationsmuster bildet, das als Problemsystem chronifizieren kann.Therapeutenverhalten = partnerschaftlich, gemeinsames Finden von Lösungen, Veränderungvon LebenserzählungenNachzulesen im ethischen Imperativ nach Heinz von FoerstersSystemisches Denken:„Handle stets so, dass du die Anzahl der Möglichkeiten vergrößerst.“95


Daniela Zwick <strong>20</strong>11/<strong>20</strong>124.1.6 Humanistische Psychologie<strong>Die</strong> Entwicklung der Persönlichkeit und die Entfaltung des menschlichen Potenzials stehen imZentrum der Aufmerksamkeit.Prinzip der Selbstorganisation sowie die Fähigkeit des Individuums zu wählen sindbedeutsam.<strong>Die</strong> Einmaligkeit und Ganzheit der Person steht im Zentrum des therapeutischen Blicks.In Österreich anerkannt:Personzentrierte PsychotherapieGestalttherapiePsychodrama<strong>Die</strong> 3 Verfahren werden anhand der drei wesentlichen Aspekte dargestellt:Menschenbild, Erklärungsmodelle für Störungen, DiagnostikMenschenbildPersonzentrierte Psychotherapie:• Mensch in dialektischer Spannung zwischen Autonomie und Beziehungsorientierung• Es besteht die Annahme, dass jedem Menschen ein konstruktives Potenzial zugrundeliegt.• Das konstruktive Potential =motivierende Kraft = Streben nach Selbstverwirklichung• Aus dieser Vorstellung resultiert das Vertrauen in die Fähigkeit des Klienten, zurSelbstverwirklichung und –bestimmung zu gelangenGestalttherapie:• Der Mensch wird als Ganzheit gesehen = Einheit von seelischer, geistiger, sozialerAspekte = Gestalt• Geht (so wie die personenzentrierte Psychotherapie) vom Potenzial und derMotivation des Menschen zum Wachstum aus, Potenzial zu kreativen Lösungen, undzu geistig- seelischer Gesundheit.• In kreativer Auseinandersetzung mit sich selbst und der Umwelt gestaltet sich dieganze Person.Psychodrama:• Geht davon aus, dass der Mensch schon von Geburt an ein kreatives und sozialesWesen ist.• Wesentlich: Spontaneität!!• Spontaneität bedeutet autonom, gegenwärtig, angemessen und authentisch zu sein.• Begründer: Jacob Moreno• Mensch wird in seinem Beziehungsnetz gesehen.• Es geht um Rollen wie in einem Drama:Der Mensch wird durch seine Biographie, seine Normen, Traditionen, Einmaligkeitgekennzeichnet.Auf der psychodynamischen, gruppendynamischen, soziodynamischen Ebene:Der Mensch ist in Beziehungsnetze eingewoben, übernimmt Rollen und mithilfe der Spontaneitätentwickelt, hält oder verändert er seine Strukturen.96


Daniela Zwick <strong>20</strong>11/<strong>20</strong>12Erklärungsmodelle von StörungenPersonenzentrierte Psychotherapie:• WICHTIG: Inkongruenz und Selbstaktualisierungstendenz• Je mehr Erfahrungen ein Mensch zulassen und in sein Selbst integrieren kann, umsomehr ist er in der Lage, sein Selbst mit den gemachten Erfahrungen immer wieder inÜbereinstimmung = Kongruenz zu bringen.• Je rigider das Selbst ist, umso eher werden Erfahrungen abgewehrt, damit sie nicht insSelbst gelangen können. => Verzerrung, Verleugnung, Verneinung, Inkongruenz• Auch ein inkongruentes Selbst neigt dazu sich zu aktualisieren, aber hier wird dieSelbstaktualisierungstendenz dazu verwendet neue Erfahrungen abzuwehren.• Wenn Inkongruenzen wesentliche Teile der Person betreffen oder chronisch werden,kann dies zu <strong>psychischen</strong> Störungen führen.• MERKE:Neurotisches bzw. psychotisches Verhalten wird im personenzentrierten Ansatz alspermanenter Widerstreit zwischen Selbstaktualisierungstendenz undAktualisierungstendenz verstanden.• Gesundheit und Krankheit sind kontinuierlich• Am einen Ende Gesunde Person = fully functional person am anderen Ende einePerson mit Spaltung in der Aktualisierungstendenz und in der dieSelbstaktualisierungstendenz dem Wunsch nach Veränderung des Selbst durchIntegration neuer Erfahrungen unterläuft.Gestalttherapie:• Krankheit = Störung der Fähigkeit zu Wachstum= Störung der frei fließendenGestaltbildung:Person ist nicht in der Lage, ihre <strong>psychischen</strong>, geistigen, physischen und sozialenBedürfnisse wahrzunehmen und ohne Schaden für sich und die Umwelt zubefriedigen.• Eine Gestalt bleibt unverändert, wenn der Mensch nicht dazu in der Lage ist, Kontaktmit dem Objekt des Interesses aufzunehmen oder die Umwelt nicht in der Lage istangemessen zu antworten!• Je öfter eine Person eine Befriedigung eines Bedürfnisses unterbrechen muss, destoweniger ist sie in der Lage, Kontakte mit Objekten ihres Interesses aufzunehmen.• Es entsteht eine dauerhafte Störung der organismischen Selbstregulation.• Es kommt also zum Leugnen von Bedürfnissen, einer Einengung von Erlebnis- undVerhaltensmöglichkeiten und zur Vermeidung des Kontakts mit sich selbst.• <strong>Die</strong> Krankheitslehre beschäftigt sich mit den Formen der Kontaktvermeidung=Bewältigungsstrategie.• <strong>Die</strong> Neurose wäre daher eine Art Verteidigungsmanöver.• Abwehr unter dem Aspekt der Kontaktvermeidung, weil der Kontakt im Hier und Jetztverändert wird.• Kontaktstörungen:Introjektion, Projektion, Konfluenz, Retroflexion, Deflexion• Introjektion:Das Selbst für etwas verantwortlich machen, was in Wirklichkeit Sache der Umweltist (Projektion als Tendenz die Umwelt für das verantwortlich zu machen, was imSelbst begründet ist.)• Ein Mensch ist dann in Konfluenz mit der Umwelt, wenn er keine Grenzen zwischensich und der Umwelt fühlt. (Psychose)• Retroflexion ist die Wendung zu Impulsen gegen sich selbst• Deflexion Kontaktvermeidung bei der die Person nichts an sich ran lässt.97


Daniela Zwick <strong>20</strong>11/<strong>20</strong>12Psychodrama:• Rollen entstehen durch zwischenmenschliche Interaktionen, Beziehungsfähigkeitzwischenmenschliche Interaktionen, Beziehungsfähigkeit und Beziehungskompetenz.• <strong>Die</strong> Rollen entstehen nicht aus dem Selbst, sondern das Selbst konstituiert sich aus denRollen.• Moreno sieht die Person nicht als isoliertes Individuum, sondern betrachtet sie imRollenspiel.• <strong>Die</strong> Beziehung zwischen Säugling und Mutter wird bereits als wechselseitigesGeschehen betrachtet.• Das Kind übernimmt hier schon Rollen und veranlasst durch sein Verhalten dieBezugsperson wiederum dazu Rollen zu übernehmen.• Es geht nach Moreno nicht nur um den Aspekt der Lust/ Unlust, sondern auch um dasGestalten von Szenen.• Demnach induziert der Säugling in der Mutter zur Befriedigung seiner eigenenBedürfnisse komplementäre Rollen und handelt auch selbst in Rollen.• Das Kind erlernt mit Übergangsobjekten (Teddybär, etc.) versorgende Rollen.• Innerer Regisseur:Jene Rollen, die die Handlungen induzieren und das eigene Rollenrepertoire ordnen.• Für die Entwicklung ist es entscheidend, wie viel Liebe das Kind erfährt und wie vielAustausch dem inneren Regisseur mit der Bezugsperson erlaubt wird.• Wichtig ist also:a) der innerseelische Dialogb) der Dialog zwischen Bezugsperson und Kind• Wird das Kind als Regisseur vorwiegend frustriert, so entwickelt sichInduktionsimpotenz, das heißt das Gefühl, dass man nicht wert ist und auch nichtsbewirken kann.• Dadurch können weitere Rollen nicht entwickelt werden.• Nach der Theorie des Psychodramas sind jene Personen am gesündesten, die vieleRollen entwickeln und leben können.• Gesundheit impliziert in dieser Theorie auch, dass Spontaneität und Kreativitätvorhanden ist. Weiters muss die Fähigkeit zu Beziehungen gegeben sein.• Laut Moreno ist die Basis des gestörten Handelns, die Angst des Menschen vorkreativer Spontaneität.• Entwicklungsstörungen = Nichterlernen von Rollen oder Verhinderung derRollenentwicklung oder Regression auf eingeschränktes Rollenrepertoire.• Schizophrene Patienten hätten ihren inneren Regisseur verloren.=> Rollenchaos +Rollendiffusion• Borderliner: Tiefe Erschütterung des inneren Regisseurs• Mensch mit dependenter Persönlichkeit: = Mangel an Rollen• Depression: Innerer Regisseur ist vorhanden, aber frustriert und enttäuscht von denMöglichkeiten, die er hat98


Daniela Zwick <strong>20</strong>11/<strong>20</strong>12DiagnostikPersonzentrierte Psychotherapie:• Prozess- und Beziehungsdiagnostik(!)• Prozessdiagnostik:Beschreibt die Veränderung der Arzt- Patienten- Beziehung von einer anfänglicheinseitigen und asymmetrischen Beziehung zu einer symmetrischen wechselseitigenBegegnung.Bezeichnet auch den Prozess der Veränderung einer Person mit inkongruentemVerhalten zu einer Person mit Kongruenz durch die Beziehung.• Beziehungsdiagnostik:Inwieweit kann der Patient das Beziehungsangebot wahrnehmen.• <strong>Die</strong> Diagnose wird eher relativ betrachtet, da eine Kategorisierung grundsätzlichabgelehnt wird.• Es wird darauf hingewiesen, dass jede Person einzigartig ist.Gestalttherapie:• Lehnt ebenso die Kategorisierung ab und geht von einer Einmaligkeit des Individuumsaus.• Diagnosen werden nur als momentane Arbeitshypothesen aufgefasst.• <strong>Die</strong> Diagnose zu Beginn der Therapie birgt das Risiko, die Beziehung zum Klientenzu gefährden, weil sich der Therapeut dadurch emotional distanziert.• MERKE:Der zentrale diagnostische Begriff in der Gestalttherapie ist ein Kontaktbegriff.Kontaktvermeidung kann in einer gewissen Situation funktional oder dysfunktionalsein.• Man spricht von prozessualer Diagnostik, in der zwischen Therapeut und Patient einegemeinsame Bedeutungsfindung spezifischer Situationen erarbeitet wird. <strong>Die</strong>sesgemeinsame Erarbeiten der Diagnose hat heilsame Wirkung!• Sie spricht von Erlebens- oder Verhaltensstörungen narzistischer, hsyterischer,zwanghafter, schizophrener oder Borderline- Natur• Bei derartigen Diagnosen muss allerdings auf Gegenübertragungsphänomene geachtetwerden.Psychodrama:• Herkömmliche psychiatrische Diagnose wird abgelehnt, da die Situation einesMenschen jeweils einmalig und nicht wiederholbar ist.• Stigmatisierung wurde von Moreno kritisiert.• Er selbst hat allerdings diagnostische Fragen durchaus diskutiert, etwa in Form vonsoziometrischen Untersuchungen, Rollen- und Spontaneitätstests.• <strong>Die</strong> Psychopathologie tritt hinter Fragen der Bewältigung und den angemessenenUmgang mit Situationen.• Entwickelt den Beziehungsbegriff: intra- und interpsychisch• Nutzt das kreative Potenzial als Ressource und protektiven Faktor• Es wird eine gemeinsame Bedeutungsfindung angestrebt.• <strong>Die</strong> Diagnostik ist hypothesengeleitet und verläuft prozessural.• Diagnostische Techniken zur Evaluation der Therapieziele:Rollendiagramm, soziales Netzwerk, Inventar• Es wird versucht den Prozess der psychiatrischen Diagnose zu reflektieren99


Daniela Zwick <strong>20</strong>11/<strong>20</strong>124.2 Krisenintervention4.3 Psychosomatisch- psychotherapeutische Behandlung am Beispiel derFrauenheilkunde4.4 Soziotherapie4.5 Psychopharmakotherapie4.6 Compliance/ Adherence, Motivation und Placebo4.7 Andere biologische TherapieverfahrenSchon vor der Modernen Psychiatrie wurden biologische Therapieverfahren für psychischeStörungen angewendet: z.B. Hitzebäder, Kälteduschen, Ziehen der Zähne (heute noch inAlternativtherapie), Aderlässe, ReiztherapienAlle entstanden aus der Idee des Ungleichgewichts heraus, vor dem Hintergrund derverschiedenen Lehren (Säftelehre, Brownaianismus), die versuchten wieder einGleichgewicht herzustellen.Wagner- Jauregg entwickelte zu Beginn des <strong>20</strong>. Jahrhunderts die Malariatherapie derNeurosyphilis. Durch die Fieberschübe wurde die Progression der Neurosyphilis gebremst.Für die Entdeckung der Malaria- Impfung bei Progressiver Paralyse erhielt Wagner- Jauregg1927 den Nobelpreis für Medizin.Mit der Erfindung des Penicillins war diese Therapie jedoch obsolet.Chirurgische Verfahren:• Zahnextraktionen (heute noch in Alternativmedizin)• Darmextraktionen (damals)• Neurochirurgie (heute)• Der Nobelpreis für Medizin wurde 1949 an Egas Moniz für die Entdeckung dertherapeutischen Bedeutung der präfrontalen Leukotomie bzw. Lobotomie verliehen.• <strong>Die</strong> massive Anwendung der verstümmelnden und blind durchgeführten transorbitalenLobotomien durch den Psychiater Walter Freeman und den Neurochirurgen JamesWinston Watt führten zum Verruf der neurochirurgischen Methoden.• Neurochirurgie = Ultima ratio bei therapierefraktären Verläufen• Tiefe Hirnstimulation mittels Sonden, sendet elektrische Reize in Hirnareale:Erste Erfolge der Neurochirurgie finden sich bei Tic- Störungen, weiters bei Dystonienund Parkinsonspätsyndromen100


Daniela Zwick <strong>20</strong>11/<strong>20</strong>12Elektrische und magnetische Reizmethoden:• Erste Hälfte des 19. Jahrhunderts: elektrische Medizin, tierischer/animalischerMagnetismus, Meserismus• <strong>20</strong>. Jhd.: Insulinkomabehandlung, Krampfbehandlung mittels Cardiazol (=Penetrazol= Krampfinduktor, eigtl zur HF-, Atem- Stimulation)• Elektrokrampftherapie = EKT (Elektroschocktherapie in derAntipsychiatriebewegung)Konnte ihren Stellenwert halten, allerdings wird sie unter Kurznarkose durchgeführt.EKT löst einen sekundär generalisierten Anfall aus, der allerdings durch dieKurznarkose motorisch nicht umgesetzt wird.Zur Beurteilung der Krampfqualität wird gleichzeitig ein EEG abgeleitet.Stimulation mittels unilateraler Elektrodenplatzierung oder bitemporaler Elektroden.<strong>Die</strong> Behandlungsdauer umfasst 6- 12 AnwendungenDeutliche Besserung der Symptomatik nach 6-8 Anwendungen.In Einzelfällen ist eine Erhaltungs- EKT indiziert.Vagusnervenstimulation (VNS):• Wurde in der Therapie der therapierefraktären Epilepsie entwickelt.• Erste Erfolge wurden bei therapieresistenten Depressionen erreicht.• Seit <strong>20</strong>05 in den USA zur Behandlung der Depression zugelassen.• Wirkt wahrscheinlich über den Tractus Nucleus solitarius auf das hormonelle, dasautonome und das limbische System und kann so Wirkungen auf eine Depressionentfalten.Transkranielle Magnetstimulation:• Nicht invasiv und gut toleriert• Zur Veränderung kortikaler Prozesse• Könnte ein zusätzlicher Behandlungsansatz für Depressionen werden.• Wenn man sie mit funktionellen Neuroimaging- Methoden koppelt, könnte sieEinblicke in die Pathophysiologie der Depression bieten.Schlafentzugstherapie (Wachtherapie):• Stimmungsverbessernde Wirkung einer durchwachten Nacht• Innerhalb weniger Stunden sprechen 40-60% der depressiven Patienten aufSchlafentzug an.• In mehr als 80% der Schlafentzugsresponder kommt es jedoch nach erneutem Schlafzum Rückfall in die Depression.• <strong>Die</strong> kurze Wirkdauer hat sie eher zu einer Forschungsmethode gemacht.• Therapierefraktären depressiven Patienten kann gezeigt werden, dass es doch einenanderen affektiven Zustand gibt.• Biologische Parameter können vor und nach Schlafentzug untersucht werden und ihreBeziehung zur Affektlage aufgezeigt werden.Lichttherapie:• Sichere und weit verbreitete Therapie• Unter Aussparung des UV- Spektrums werden Tageslichtlampen zur Therapie„Saisonal Affektiver Störungen“ = Herbst- Winter- Depression eingesetzt.• Zur Tagesrhythmisierung und Schlafverbesserung bei dementen Patienten• Bei Post- Partum- Depression und PMDS (prämenstruelles dysthorisches Syndrom)• Bei Negativsymptomatik der Schizophrenie, Bulimia nervosa101


Daniela Zwick <strong>20</strong>11/<strong>20</strong>12• Der saisonalen Zwangsstörung• Jet- Lag- Syndrom• Schichtarbeitersyndrom = Schlafrythmusstörune• Beforscht wurde auch der unterstützte Einsatz bei Rückenschmerzen• Usus: Lichtlampen mit einer Helligkeit von 10. 000 Lux im Abstand von 60-80cmüber 30 Minuten am besten morgens mindestens 5 mal pro Woche• Bei geringerer Lichtdichte der Tageslichtlampen sind höhere Expositionszeitennotwendig (z.B. 2500 Lux, 2h)• <strong>Die</strong> Lichttherapie kann aber auch am späteren Nachmittag bzw. abends eingesetztwerden.• <strong>Die</strong> Wirklatenz beträgt 3-5 Tage.Biologische Therapieverfahren neben der Psychopharmakotherapie:LichttherapieSchlafentzugstherapieElektrokrampftherapie = EKTTranskranielle Magnetstimulation = TMSTiefe Hirnstimulation = DBSStereotaktische HirnoperationenVagusnervstimulation = VNS4.8 Selbsthilfe und Selbsthilfegruppen4.9 Prävention102

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