Strukturierter Dialog in der Herzchirurgie
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Kapitel 34<strong>Strukturierter</strong> <strong>Dialog</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Herzchirurgie</strong>:Verbesserung durch Zielvere<strong>in</strong>barungen189Der Strukturierte <strong>Dialog</strong> hat <strong>in</strong> den vergangenenJahren zu e<strong>in</strong>er deutlichen Verbesserung <strong>der</strong>Prozessqualität <strong>in</strong> <strong>der</strong> isolierten Koronarchirurgiebeigetragen (BQS 2006). Der Nachweis e<strong>in</strong>er Verbesserung<strong>der</strong> Behandlungsergebnisse ist dagegenaufwendiger, da hier E<strong>in</strong>flussgrößen wie dieErfahrung und fachliche Kompetenz aller an <strong>der</strong>Behandlung beteiligten Fachdiszipl<strong>in</strong>en und Berufsgruppenund auch „weiche“ Faktoren wie dieOrganisations- und Kommunikationskultur e<strong>in</strong>esKrankenhauses e<strong>in</strong>e Rolle spielen (Birkmeyer et al.2003). Dass aber auch hier durch e<strong>in</strong>e fundiertefachliche Analyse und Formulierung verb<strong>in</strong>dlicherZielvere<strong>in</strong>barungen deutliche Verbesserungen möglichs<strong>in</strong>d, lässt sich am Beispiel <strong>der</strong> risikoadjustiertenKrankenhaussterblichkeit <strong>in</strong> <strong>der</strong> isoliertenKoronarchirurgie zeigen.Voraussetzungen für e<strong>in</strong>en erfolgreichenStrukturierten <strong>Dialog</strong>Präzise Mess<strong>in</strong>strumenteDie Sterblichkeit nach koronarchirurgischenOperationen hängt sowohl von <strong>der</strong> Qualität <strong>der</strong>mediz<strong>in</strong>ischen und pflegerischen Behandlung alsauch von Begleiterkrankungen <strong>der</strong> Patienten und<strong>der</strong> Dr<strong>in</strong>glichkeit <strong>der</strong> Operation ab. Seit 2005 stehtmit dem logistischen KCH-SCORE e<strong>in</strong> statistischesModell zur Risikoadjustierung <strong>der</strong> Krankenhaussterblichkeitzur Verfügung, das diese E<strong>in</strong>flussgrößenangemessen berücksichtigt (BQS 2005). Qualitativauffällige Krankenhäuser können dadurch deutlichzielgenauer identifiziert werden.In den Jahren 2005 und 2006 lagen jeweils dreiKrankenhäuser mit ihren Ergebnissen außerhalbdes festgelegten Referenzbereichs. An<strong>der</strong>s als <strong>in</strong>den Jahren 2003 und 2004 waren die auffälligenSterblichkeitsraten nicht mehr ausschließlichschriftlich zu klären: Vertreter von drei Krankenhäusernwurden zu e<strong>in</strong>em Expertengespräche<strong>in</strong>geladen, <strong>in</strong> drei weiteren Krankenhäusern führtenVertreter <strong>der</strong> BQS-Fachgruppe <strong>Herzchirurgie</strong>e<strong>in</strong>e Begehung durch.Interdiszipl<strong>in</strong>ärer AnsatzAufgrund <strong>der</strong> vielfältigen möglichen E<strong>in</strong>flussgrößenfür auffällige Ergebnisqualität verfolgen dieExperten <strong>der</strong> BQS-Fachgruppe <strong>Herzchirurgie</strong> beiExpertengesprächen und Begehungen immer e<strong>in</strong>en<strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>ären Ansatz, wobei ggf. auch Vertreterdes Krankenhausträgers e<strong>in</strong>bezogen werden.Anhaltspunkte, welche Fachdiszipl<strong>in</strong>en und Berufsgruppenh<strong>in</strong>zugezogen werden müssen, ergebensich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel aus <strong>der</strong> schriftlichen Stellungnahmedes Krankenhauses, die im ersten Schrittdes Strukturierten <strong>Dialog</strong>es angefor<strong>der</strong>t wird.Strukturierte GesprächsführungDie Gespräche mit den Krankenhäusern werden <strong>in</strong>Form von strukturierten Interviews geführt. Die BQShat zu diesem Zweck geme<strong>in</strong>sam mit <strong>der</strong> BQS-Fachgruppe <strong>Herzchirurgie</strong> e<strong>in</strong>en Interviewleitfadenerarbeitet, <strong>der</strong> alle wesentlichen Aspekte mo<strong>der</strong>nerQualitätsmanagementsysteme umfasst und auf dieBehandlung herzchirurgischer Patienten abgestimmtist. Dieser Interviewleitfaden wird auch denKrankenhäusern vorab zur Verfügung gestellt, damitdiese sich optimal vorbereiten können.Zielvere<strong>in</strong>barungSchaffung e<strong>in</strong>er verlässlichenDatengrundlageBelastbare Daten s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>e essenzielle Voraussetzungfür e<strong>in</strong>e auf kont<strong>in</strong>uierliche Qualitätsverbesserungausgerichtete Steuerung von Krankenhäusern, danur mithilfe dieser Daten e<strong>in</strong>e objektive Bestandsaufnahmedes Ist-Zustandes möglich ist. Im <strong>Dialog</strong>mit e<strong>in</strong>em Krankenhaus wurde hier erheblicherVerbesserungsbedarf festgestellt. Daher vere<strong>in</strong>bartedie BQS-Fachgruppe <strong>Herzchirurgie</strong> mit demKrankenhaus die schriftliche Formulierung von verb<strong>in</strong>dlichenProzessstandards für die Dokumentation.Darüber h<strong>in</strong>aus führte die BQS e<strong>in</strong>eValidierung <strong>der</strong> an die BQS übermittelten Daten vorOrt durch, um das Krankenhaus bei <strong>der</strong> Suche nachsystematischen Fehlern zu unterstützen.Standardisierung <strong>der</strong> BehandlungsabläufeE<strong>in</strong> weiterer <strong>in</strong>tegraler Bestandteil von Qualitätsmanagementsystemenist die Formulierung von<strong>in</strong>ternen Standards für das diagnostische und therapeutischeVorgehen. Auch hier bestand Verbesserungsbedarf,da für wesentliche Teilaspekte<strong>der</strong> Behandlung herzchirurgischer Patienten ke<strong>in</strong>eschriftlichen Anweisungen vorlagen, bzw. die bestehendenProzessbeschreibungen aktualisierungsbedürftigwaren. Dies wurde im Rahmen e<strong>in</strong>erZielvere<strong>in</strong>barung <strong>in</strong>nerhalb von drei Monaten nachgeholt.Verbesserung <strong>der</strong> Qualifikation <strong>der</strong>Intensivmediz<strong>in</strong>erAlter und Begleitkrankungen herzchirurgischerPatienten nahmen <strong>in</strong> den letzten Jahren deutlich zu.Dies stellt zunehmend höhere Anfor<strong>der</strong>ungen andie Kompetenz des ärztlichen und pflegerischenTeams, damit diese Patienten mit gleichbleibendgutem Erfolg behandelt werden können. Ärztehaben die Möglichkeit, diesen Anfor<strong>der</strong>ungenRechnung zu tragen, <strong>in</strong>dem sie über die reguläreFacharztweiterbildung h<strong>in</strong>aus freiwillig weitereWeiterbildungen, etwa <strong>in</strong> <strong>der</strong> Intensivmediz<strong>in</strong>,durchführen. Dieser Aspekt war Gegenstand e<strong>in</strong>erZielvere<strong>in</strong>barung mit e<strong>in</strong>em weiteren Krankenhaus,
<strong>Strukturierter</strong> <strong>Dialog</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Herzchirurgie</strong>:Verbesserung durch Zielvere<strong>in</strong>barungen190das im Erfassungsjahr 2005 e<strong>in</strong>e auffällig hoherisikoadjustierte Sterblichkeitsrate <strong>in</strong> <strong>der</strong> isoliertenKoronarchirurgie verzeichnete. In diesem Krankenhauswurde auch die <strong>in</strong>tensivmediz<strong>in</strong>ische Behandlungnach e<strong>in</strong>er herzchirurgischen Operation vonHerzchirurgen durchgeführt. Das fachliche Können<strong>der</strong> auf <strong>der</strong> Intensivstation tätigen Oberärzte wurdedurch den Chefarzt <strong>der</strong> herzchirurgischen Abteilungsubjektiv als sehr gut empfunden. Allerd<strong>in</strong>gs verfügteke<strong>in</strong>er <strong>der</strong> Oberärzte über e<strong>in</strong>e formale <strong>in</strong>tensivmediz<strong>in</strong>ischeZusatzqualifikation. Daher wurdemit dem Krankenhaus vere<strong>in</strong>bart, dass die auf <strong>der</strong>Intensivstation tätigen Oberärzte <strong>in</strong>nerhalb vonsechs Monaten nach <strong>der</strong> Begehung des Krankenhausesdie freiwillige Zusatzbezeichnung „SpezielleHerzchirurgische Intensivmediz<strong>in</strong>“ erwerben. DieUmsetzung <strong>der</strong> Zielvere<strong>in</strong>barung wurde anhand <strong>der</strong>anonymisierten Zeugnisse überprüft.Erfolgsfaktor: Verantwortung <strong>der</strong>KrankenhausleitungE<strong>in</strong> wesentlicher Erfolgsfaktor e<strong>in</strong>er auf kont<strong>in</strong>uierlicheVerbesserung ausgelegten Philosophie e<strong>in</strong>esKrankenhauses ist die Unterstützung durch dieKrankenhausleitung. Dies zeigte sich beson<strong>der</strong>s imFalle e<strong>in</strong>es Krankenhauses mit auffällig hoherKrankenhaussterblichkeit im Erfassungsjahr 2005.Abbildung 1: Entwicklung <strong>der</strong> risikoadjustierten Krankenhaussterblichkeitvon drei Krankenhäusern mit auffällighohen Sterblichkeitsraten im Erfassungsjahr 2005Risikoadjustierte In-Hospital-Letalität12%10%8%6%4%2%0%2005JahrKrankenhaus AKrankenhaus BKrankenhaus C2006 2007Zum Zeitpunkt <strong>der</strong> Kontaktaufnahme im Strukturierten<strong>Dialog</strong> hatte <strong>der</strong> Chefarzt <strong>der</strong> herzchirurgischenAbteilung das Krankenhaus verlassen. DieKrankenhausleitung nahm als Reaktion auf denStrukturierten <strong>Dialog</strong> umfangreiche organisatorischeund personelle Umstrukturierungen vor. Dabei wurdenneben dem kommissarischen Leiter <strong>der</strong> herzchirurgischenAbteilung von Anfang an auch die an<strong>der</strong> Behandlung herzchirurgischer Patienten beteiligtenkardiologischen und anästhesiologischenAbteilungen e<strong>in</strong>bezogen.Die BQS-Fachgruppe <strong>Herzchirurgie</strong> hat diesenProzess begleitet: Das Krankenhaus lieferte regelmäßigeBerichte, auf <strong>der</strong>en Grundlage bei Bedarfgezielt Verbesserungsmaßnahmen vere<strong>in</strong>bart werdenkonnten. So wurde etwa e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>äreFallkonferenz etabliert, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Komplikationen nachherzchirurgischen Operationen strukturiert aufbereitetwerden. Die Entwicklung <strong>der</strong> Krankenhausergebnissewurde anhand e<strong>in</strong>er vierteljährlichenDatenübermittlung geprüft, wobei die Ergebnisse<strong>der</strong> Auswertungen auch an das Krankenhauszurückgemeldet wurden.Sechs Monate nach <strong>der</strong> Neubesetzung <strong>der</strong>Chefarztstelle <strong>der</strong> herzchirurgischen Abteilung führtenVertreter <strong>der</strong> BQS-Fachgruppe <strong>Herzchirurgie</strong>e<strong>in</strong>e Begehung des Krankenhauses durch, um sichvor Ort e<strong>in</strong>en Überblick über den Stand <strong>der</strong> Umstrukturierungsmaßnahmenzu verschaffen. DieExperten <strong>der</strong> BQS-Fachgruppe <strong>Herzchirurgie</strong> kamenübere<strong>in</strong>stimmend zu dem Schluss, dass <strong>in</strong> demKrankenhaus mittlerweile Strukturen und Prozesseetabliert s<strong>in</strong>d, die e<strong>in</strong>e qualitativ hochwertigeBehandlung herzchirurgischer Patienten ermöglichen.Entwicklung <strong>der</strong> Krankenhaussterblichkeitbei auffälligenKrankenhäusernDie Zielvere<strong>in</strong>barungen im Strukturierten <strong>Dialog</strong>fokussieren nicht explizit auf e<strong>in</strong>e Senkung <strong>der</strong> risikoadjustiertenKrankenhaussterblichkeit. Stattdessenwerden Wege zur Optimierung <strong>der</strong> <strong>in</strong>ternenProzesse und <strong>der</strong> <strong>in</strong>ternen Kommunikation aufgezeigt.Abbildung 1 zeigt jedoch, dass sich auch dieSterblichkeitsraten auffälliger Krankenhäuser imzeitlichen Verlauf deutlich verbessern.Aus methodischen Gründen s<strong>in</strong>d nur die Ergebnisse<strong>der</strong>jenigen Krankenhäuser dargestellt, die im Erfassungsjahr2005 auffällige Krankenhaussterblichkeitsratenverzeichneten. Auch die Krankenhäuser,die im Erfassungsjahr 2006 auffällig wurden, habensich 2007 verbessert. E<strong>in</strong>e Aussage über die Nachhaltigkeitdieser Verbesserung wird jedoch frühestensEnde 2008 möglich se<strong>in</strong>.
<strong>Strukturierter</strong> <strong>Dialog</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Herzchirurgie</strong>:Verbesserung durch Zielvere<strong>in</strong>barungen191AusblickDie Zielvere<strong>in</strong>barungen im Strukturierten <strong>Dialog</strong> verstehensich als „Hilfe zur Selbsthilfe“ fürKrankenhäuser mit auffälliger Ergebnisqualität. Sieschaffen Rahmenbed<strong>in</strong>gungen für Verän<strong>der</strong>ungsprozesse,die ihrerseits Ausgangspunkt für weitereVerän<strong>der</strong>ungen <strong>in</strong> den Krankenhäusern se<strong>in</strong> könnenund sollen. Dies setzt Verb<strong>in</strong>dlichkeit <strong>in</strong> <strong>der</strong>Kommunikation mit den auffälligen Krankenhäusernund die Begleitung dieser Krankenhäuser übere<strong>in</strong>en längeren Zeitraum voraus. Die Rückmeldungenaus dem Strukturierten <strong>Dialog</strong> zeigen jedoch,dass dies von den Krankenhäusern nicht alsGängelung empfunden wird, son<strong>der</strong>n tatsächlich alsUnterstützung bei <strong>der</strong> Verbesserung <strong>der</strong> Qualität<strong>der</strong> mediz<strong>in</strong>isch-pflegerischen Behandlung.Auch für die Experten <strong>der</strong> BQS-Fachgruppe <strong>Herzchirurgie</strong>,die ihre Aufgabe neben ihrer regulärenberuflichen Tätigkeit ehrenamtlich wahrnehmen,bietet <strong>der</strong> Strukturierte <strong>Dialog</strong> die Möglichkeit,ihren Erfahrungsschatz zu erweitern.Für die nach dem logistischen KCH-SCORE risikoadjustierteKrankenhaussterblichkeit <strong>in</strong> <strong>der</strong> isoliertenKoronarchirurgie galt aufgrund <strong>der</strong> fehlenden wissenschaftlichenEvidenz <strong>in</strong> den Jahren 2005 und2006 das 95%-Perzentil als Grenze des Referenzbereichs.Dadurch wurden jeweils drei Krankenhäusermit den höchsten risikoadjustierten Sterblichkeitsratenauffällig. In allen Krankenhäusern wurden Verbesserungspotenzialeidentifiziert, die auf <strong>der</strong> Basisvon Zielvere<strong>in</strong>barungen ausgeschöpft werden konnten.Unklar ist, ob <strong>in</strong> Krankenhäusern mit deutlich überdurchschnittlichen,jedoch rechnerisch noch nichtauffälligen In-Hospital-Letalitätsraten nicht ebenfallsPotenziale für e<strong>in</strong>e Verbesserung <strong>der</strong> mediz<strong>in</strong>ischenund pflegerischen Versorgung bestandenhaben. Die BQS-Fachgruppe <strong>Herzchirurgie</strong> hat daherfür das Erfassungsjahr 2007 das 90%-Perzentil alsReferenzbereich für die risikoadjustierte Krankenhaussterblichkeitim Leistungsbereich IsolierteKoronarchirurgie festgelegt. Nach Abschluss desStrukturierten <strong>Dialog</strong>es Ende 2008 werden weitereInformationen vorliegen, die für e<strong>in</strong>e Diskussion zue<strong>in</strong>em zukünftigen Referenzbereich für auffälligeErgebnisqualität <strong>in</strong> <strong>der</strong> isolierten Koronarchirurgiegenutzt werden können.