Aon Holdings Austria - Kammer der Architekten und ...
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<strong>und</strong> Mentalitäten <strong>der</strong> Bevölkerungsmehrheit gegenüber;<br />
es gerät zu Unrecht aus dem Blickfeld <strong>der</strong><br />
Öffentlichkeit.<br />
Lebensphasen, Übergänge <strong>und</strong> Wohnbiografien in<br />
<strong>der</strong> Zusammenschau<br />
– Lebensbereiche,<br />
die sich gleichermaßen<br />
bedingen<br />
wie verstärken.<br />
In dieser dynamischenZusammenschau<br />
erst erschließen sie das Patchwork, welches<br />
Biografien ausmacht <strong>und</strong> statistische Daten erhellt.<br />
Beson<strong>der</strong>s deutlich zeigt sich dieser Zusammenhang<br />
in <strong>der</strong> Analyse von Lebensverläufen <strong>und</strong><br />
Wohnbiografien mehrerer Frauengenerationen im<br />
Vergleich. 3 Hinter je<strong>der</strong> Wohngeschichte steht eine Lebensgeschichte,<br />
geprägt durch die soziale <strong>und</strong><br />
geografische Herkunft, weitergestrickt in <strong>der</strong><br />
eigenen Familien-, Bildungs-, Erwerbs- <strong>und</strong> Wohngeschichte<br />
Fast immer ist die Kette sich folgen<strong>der</strong><br />
Lebensphasen klar gekennzeichnet durch gleichzeitige<br />
o<strong>der</strong> zeitlich nur leicht verschobene Verän<strong>der</strong>ungen<br />
in mehreren Lebensbereichen. Biografische<br />
Übergänge gehen mit räumlichen Verän<strong>der</strong>ungen<br />
einher – einem Wohnungswechsel, baulichen Maßnahmen<br />
o<strong>der</strong> verän<strong>der</strong>ten Nutzungsweisen verfügbarer<br />
Wohn flächen. Der wechselnde Stellenwert<br />
des Wohnens verstärkt zudem die Konturen aufeinan<strong>der</strong><br />
folgen<strong>der</strong> Lebensphasen.<br />
Die jungen Erwachsenen: Ausziehen o<strong>der</strong> bleiben?<br />
Bis weit in die zweite Hälfte des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />
lebten junge Erwachsene vor ihrer Heirat meist im<br />
elterlichen Haushalt, allenfalls erwerbs- o<strong>der</strong> studienbedingt<br />
zur Untermiete o<strong>der</strong> in einem Kollektivhaushalt.<br />
Danach zogen junge Erwachsene immer<br />
früher aus dem Elternhaus; männliche Jugendliche<br />
bleiben länger zu Hause als weibliche. Inzwischen<br />
hat sich dieser Trend des frühen Wegzugs aus dem<br />
Elternhaus allerdings gewendet: Junge Erwachsene,<br />
auch „Generation Praktikum“ genannt, verbleiben<br />
wie<strong>der</strong> länger im „Hotel Mama“, <strong>und</strong> manche kehren<br />
– nicht immer zur Freude ihrer Eltern – als „Baby-<br />
Boomerang-Generation“ zwischen wechselnden<br />
Studien- <strong>und</strong> Arbeitsorten, Wohnorten, Partnerschaften<br />
<strong>und</strong> Wohnungen wie<strong>der</strong>holt dorthin zurück,<br />
erlauben doch großzügigere Raumverhältnisse <strong>und</strong><br />
ein verän<strong>der</strong>tes Generationen verständnis heute<br />
autonome Wohnweisen für beide Generationen.<br />
Zunächst reicht die häufig gewechselte „Loge“<br />
als Unterkunft, denn Ausgehen <strong>und</strong> Dabeisein<br />
ist wichtiger als das Ausgestalten des häuslichen<br />
Bereichs, die Wohnkosten wollen tief gehalten<br />
werden. Erst mit <strong>der</strong> beruflichen Festigung gewinnt<br />
die Wohnsituation mehr Bedeutung. Sie muss nun<br />
funktionale wie repräsentative Anfor<strong>der</strong>ungen<br />
erfüllen, primär die Zugehörigkeit zur „richtigen“<br />
Lebensstilgruppe manifestieren <strong>und</strong> sich zunehmend<br />
auch als Basis für flexibilisierte Arbeitsverhältnisse<br />
eignen. Es folgt häufig ein Umzug an eine<br />
zentrale, städtische Lage, denn die Nähe zu Arbeitsort<br />
<strong>und</strong> Auftraggebern, die Erreichbarkeit des kulturellen<br />
Angebots <strong>und</strong> die gute Verkehrsanbindung<br />
zählen, ist doch „Living apart together“ – ein Drittel<br />
aller „Singles“ lebt in fester Partnerschaft – aus laufbahnstrategischen<br />
<strong>und</strong> ökonomischen Gründen ein<br />
oft praktiziertes Muster des Zusammenlebens bis<br />
zum Moment <strong>der</strong> Familiengründung.<br />
Die Familienphase: Die „Hausfrau <strong>und</strong> Mutter“<br />
verabschiedet sich<br />
Fast immer folgt dem Eintritt in die Familienphase<br />
ein Umzug in eine größere Wohnung. Kleinräum -<br />
liche Standortqualitäten rücken in den Vor<strong>der</strong>gr<strong>und</strong>:<br />
ein kin<strong>der</strong>gerechtes Wohnumfeld, familienergänzende<br />
Kin<strong>der</strong>betreuungsangebote, Einkaufs- <strong>und</strong><br />
Naherholungsmöglichkeiten.<br />
Die Mehrzahl junger Frauen ist heute gut<br />
qualifiziert <strong>und</strong> nicht mehr bereit, sich<br />
zwischen Berufstätigkeit <strong>und</strong> Mutterschaft<br />
zu entscheiden.<br />
Für sie <strong>und</strong> eine Min<strong>der</strong>heit junger Männer steht<br />
zu Beginn <strong>der</strong> Familienphase auch eine Weichenstellung<br />
im Erwerbsleben an: Wer Berufs- <strong>und</strong><br />
Familienarbeit verbinden will, reduziert die Arbeitszeit,<br />
wechselt die Arbeitsstelle o<strong>der</strong> verkürzt die<br />
Distanz zwischen Wohn- <strong>und</strong> Arbeitsort. Attraktive<br />
Miet- <strong>und</strong> Eigentumswohnungen in städtischen<br />
Lagen werden dem Eigenheim im Grünen oft vorgezogen.<br />
Die Überwindung <strong>der</strong> räumlich getrennten<br />
Wohn- <strong>und</strong> Arbeitsbereiche gelingt trotz neuer<br />
Technologien <strong>und</strong> flexibilisierter Arbeitsverträge<br />
nur ansatzweise. Der Doppelspagat lässt sich nur<br />
dank sozialer Wohnumfeldqualitäten bewältigen<br />
wie institutionalisierte Betreuungsangebote,<br />
gegenseitige Unterstützung durch Fre<strong>und</strong>/innen,<br />
Nachbarn <strong>und</strong> – nach wie vor – Familienangehörige.<br />
Gemeinschaftsorientierte, familienfre<strong>und</strong>liche<br />
Siedlungen kommen den Bedürfnissen junger<br />
Familien am besten entgegen, liegt doch in dieser<br />
Phase <strong>der</strong> Lebensmittelpunkt klar im Wohn-<br />
bereich. Wer später mit schulpflichtigen Kin<strong>der</strong>n<br />
den Traum vom Einfamilienhaus im Grünen realisieren<br />
kann, wohnt wohl selbstbestimmter <strong>und</strong><br />
großzügiger, vermisst aber oft gerade die aufgegebenen<br />
kleinräumlichen <strong>und</strong> sozialen Standort-<br />
qualitäten.<br />
Häufiger als früher entscheiden sich des Herum-<br />
chauffierens ihrer Teenager müde gewordene<br />
Eltern für einen Umzug in eine zentraler gelegene,<br />
pflegeleichtere Wohnung <strong>und</strong> rücken wie<strong>der</strong><br />
näher an ein differenziertes Bildungs-, Arbeitsplatz-<br />
<strong>und</strong> Kulturangebot.<br />
Die Nachfamilienphase o<strong>der</strong>: Das Nest ist selten leer<br />
Nach dem Wegzug <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> leben Paare gemäß<br />
Statistik in vergleichsweise großzügigen Platzverhältnissen;<br />
<strong>der</strong> gelebte Alltag hingegen weist auf<br />
komplexere Realitäten: Wohl lässt sich <strong>der</strong> Beginn<br />
<strong>der</strong> Familienphase präzise terminieren, seltener<br />
aber <strong>der</strong>en Abschluss. Erwachsene Kin<strong>der</strong> behalten<br />
ihr Zimmer oft weit über den Zeitpunkt ihres ersten<br />
Auszugs, sei es für Wochenendbesuche, die zahlrei-<br />
chen Übergangsphasen o<strong>der</strong> auch nur, um es als Ort<br />
<strong>der</strong> Kindheitserinnerungen aufrechtzuerhalten.<br />
Das gewachsene Autonomiebedürfnis <strong>der</strong><br />
Eltern zeigt sich oft in getrennten Schlaf- <strong>und</strong> eigenen<br />
Arbeitsräumen, einem Luxus, den man sich<br />
endlich leisten kann <strong>und</strong> will. Lebens- o<strong>der</strong> zumindest<br />
Wohnstilmetamorphosen sind nicht nur als<br />
Folge familienbiografischer Brüche – die Scheidungsrate<br />
steigt nochmals – zu beobachten, son<strong>der</strong>n<br />
auch als auseinan<strong>der</strong>driftende Perspektiven <strong>der</strong><br />
Lebenspartner: Die den Erziehungspflichten enthobene<br />
Ehefrau entwirft ihre nächste Lebensphase,<br />
orientiert sich beruflich neu, drückt ihr neues<br />
Selbstver ständnis auch mittels Neugestaltung des<br />
Wohnbereichs aus, während <strong>der</strong> meist etwas ältere<br />
Lebenspartner sich <strong>der</strong> letzten Phase seines Berufslebens<br />
nähert <strong>und</strong> zumindest im Wohnbereich<br />
am liebsten auf Gewohntem verharrt.<br />
Die vierte Lebensphase o<strong>der</strong>: Wie ich wohne,<br />
bestimm ich selber<br />
Steht die Pensionierung an, steigt die Umzugsbereitschaft<br />
erneut. Zentral gelegene, altersgerechte<br />
Wohnungen sind gefragt. Räumliche Nähe zu<br />
Kin<strong>der</strong>n <strong>und</strong> Enkeln ist erwünscht, die eigene<br />
Privatsphäre bleibt aber wichtig. Bereits erprobt<br />
die Acht<strong>und</strong>sechzigergeneration Modelle des<br />
autonomen <strong>und</strong> individuellen Wohnens in altershomogener<br />
o<strong>der</strong> -heterogener Umgebung, hält Ausschau<br />
nach Häusern, Projekten <strong>und</strong> Bauträgern. 4<br />
So viel sei vorweggenommen:<br />
Die Wohnweisen <strong>der</strong> „jungen Alten“ werden sich Altersdurchmischte<br />
weiterhin durch wachsende Vielfalt auszeichnen – Wohnsiedlungen<br />
individuell <strong>und</strong> in selbst gewählter, sich gegen-<br />
<strong>und</strong> Quartiere mit<br />
Serviceleistungen<br />
seitig unterstützen<strong>der</strong> Nachbarschaft.<br />
sind heute ebenso<br />
gefragt wie Alters- <strong>und</strong> Pflegeeinrichtungen, welche<br />
die individuellen Präferenzen <strong>und</strong> Fähigkeiten ihrer<br />
PensionärInnen respektieren.<br />
Innovative Ansätze o<strong>der</strong> Trends?<br />
Innovative Ansätze weisen zunächst auf Disfunk- Ob <strong>und</strong> unter weltionalitäten<br />
im Wohnungsmarkt <strong>und</strong> <strong>der</strong> konvenchen Bedingungen<br />
tionellen Wohnungsproduktion; sie verdienen<br />
sie sich zum „Trend“<br />
entwickeln, lässt<br />
Beachtung in ihrer Funktion als Frühindikatoren.<br />
sich erst rückblickend<br />
beurteilen. Erneut stellt sich heute die Frage:<br />
„Weiter bauen <strong>und</strong> wohnen wie gewohnt?“ Beäng stigende<br />
Staatsdefizite <strong>der</strong> öffentlichen Haushalte<br />
lassen erahnen, dass die mittels staatlicher Umverteilung<br />
finanzierte Wohnbauför<strong>der</strong>ung bald ein<br />
Ende nehmen könnte. Drohende Immobilienblasen,<br />
privatwirtschaftliche Überproduktion, Banken<strong>und</strong><br />
Wirtschaftskrise verunsichern manchen<br />
Wohnbauträger, während Wohnungssuchende sich<br />
ernsthafter als auch schon früher fragen, wie viel<br />
kann, will, muss ich kurz <strong>und</strong> mittelfristig für das<br />
Wohnen bezahlen?<br />
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Weiter wohnen wie gewohnt? Weiter wohnen wie gewohnt?<br />
Die alleinige Verantwortung <strong>der</strong> gemeinnützigen<br />
Bauträger für eine angemessene Wohnraumversorgung<br />
aller Bevölkerungsschichten, die marginalisierten<br />
eingeschlossen, ist zu hinterfragen. Hierin<br />
lassen sich nebst Energie- <strong>und</strong> Kosteneffizienz die<br />
sozialen Aspekte einer nachhaltigen Wohnwirtschaft<br />
am deutlichsten messen. Soll sie mehr des<br />
Gewohnten auf immer mehr Fläche pro Wohnung<br />
o<strong>der</strong> mehr Diversität in <strong>der</strong> Struktur des Wohnungsangebots<br />
produzieren? Hat sie Antworten auf die<br />
soziodemografische Entwicklung, das unübersehbare<br />
Phänomen des freiwilligen o<strong>der</strong> erzwungenen<br />
multilokalen o<strong>der</strong> temporären Wohnens, 5 <strong>der</strong> verbreiteten<br />
innerhäuslichen Erwerbsarbeit, des Wunsches<br />
nach autonomem Wohnen in Gemeinschaft<br />
in allen Lebensphasen o<strong>der</strong> Serviceleistungen<br />
à la carte?<br />
Noch sind es, zumindest in <strong>der</strong> Schweiz mit<br />
ihrer tiefen Wohneigentumsquote von 35 %, vor<br />
allem die Wohnbaugenossenschaften, welche Neues<br />
wagen, nicht selten inspiriert durch Bottom-up-<br />
Initiativgruppen auf <strong>der</strong> Suche nach Bauträgern<br />
für ihre Anliegen. Seit Kurzem zeigen sich erfreulicherweise<br />
auch einzelne Privatinvestoren <strong>und</strong><br />
Anlagestiftungen offener für neue Lösungsansätze;<br />
ein Zeichen wachsen<strong>der</strong> Sensibilität, vielleicht<br />
auch wirtschaftlicher Verunsicherung.<br />
Wer sich auf Wohnexkursion begibt, wird<br />
Anschauungsunterricht <strong>und</strong> Erfahrungen sammeln<br />
können. Bereits erwähnt sind differenzierte Wohnformen<br />
für die zweite Lebenshälfte, generationenübergreifendes<br />
Wohnen eingeschlossen. Neue<br />
Lösungen lassen sich oft dem Titel „Less is more“<br />
zuordnen. Autofreie <strong>und</strong> autoarme Siedlungen<br />
werden im Kampf gegen behördliche Vorschriften<br />
erkämpft. Zwangskomfort bezüglich üblicher<br />
Wohnflächen <strong>und</strong> -ausstattungen wird hinterfragt:<br />
Braucht wirklich jede Dreizimmerwohnung 95 m 2<br />
Nettowohnfläche <strong>und</strong> zwei voll ausgestattete Nasszellen?<br />
Genügen den Kleinsthaushalten auch flächen-<br />
<strong>und</strong> kostensparende Clustergr<strong>und</strong>risse mit<br />
Individualräumen samt Kochnische <strong>und</strong> Nasszelle<br />
bei großzügigen Gemeinschaftsflächen? 6 Kommt<br />
das Einküchenhaus in Neuauflage zurück?<br />
Auch Planungsprozesse mit verän<strong>der</strong>tem Fokus<br />
lassen sich beobachten, weg von lebensphasenspezifischen<br />
Ansätzen wie Siedlungen für junge<br />
Familien <strong>und</strong> hin zu Mehrgenerationensiedlungen,<br />
weg von <strong>der</strong> intimen, exkludierenden zur quartierökonomischen,<br />
inkludierenden Betrachtungs-<br />
ebene: eine hoffnungsvolle Entwicklung, die es zu<br />
verfolgen gilt. Das gewohnte Angebot wird <strong>der</strong><br />
verän<strong>der</strong>ten Nachfrage mit überraschenden Lösungen<br />
Platz machen, gerade auch im Umgang mit dem<br />
Erbe des Baubooms. Man darf gespannt bleiben. �