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Download - juridikum, zeitschrift für kritik | recht | gesellschaft

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themanehmen, ohne aber unsere angestammten juristischen Kernkompetenzen,die in der Beherrschung anspruchsvoller juristischerMethodik, Systematisierung des Stoffes und theoretischerReflexion bestehen, zu vernachlässigen, oder gar überBord zu werfen.Ein sinnvoller Dialog erfordert, dass alle Teilnehmerinnenihren eigenen Standpunkt kennen und reflektieren. Auch fürdie jurisprudenz als Teil des <strong>gesellschaft</strong>lichen Diskurses hatdies zu gelten. Gefordert ist dabei die Gabe der Unterscheidung(zwischen längerfristigen Trends und kurzlebigen Moden)und die Gabe der Gelassenheit (um notwendige Veränderungenvorzunehmen, ohne aber Substantielles preiszugeben).Dabei muss aber die Freiheit der Wissenschaft alsgrundlegende Voraussetzung von Innovation und kritischerAnalyse gewahrt und geschützt bleiben.Mein zweiter Wunsch daher: Das sozio-ökonomische Umfeldder juristerei sorgfciltig zu beobachten, dabei aber dieAutonomie der jurisprudenz als Wissenschaft auf<strong>recht</strong>zuerhaltenund juristisches Selbstbewusstsein (wieder) zu entwickeln.Von der dignitas docendi et discendi (der Würde desLehrens und des Lernens)Mein dritter Wunsch ist vielleicht der unbescheidenste, er offenbartmich als Träumer und Utopisten: es ist der Wunsch,sich auch im Rechtsunterricht um die Würde des Lehrens undLernens zu bemühen.Die Geschichte des (Rechts-)Unterrichts ist eine lange undwechselvolle. Immer wieder gab es Zeiten und Kulturen, indenen Bildung und Wissenschaft kein hohes <strong>gesellschaft</strong>lichesAnsehen genossen. Umgekehrt war häufig Wissen undFachkenntnis ein Schlüssel für <strong>gesellschaft</strong>lichen Aufstiegund Macht. Auch für die nahe Zukunft sagen Expertinnenvoraus, dass Bildung und Forschung (auch im Bereich derRechtswissenschaften!) ein "Wachstumsfeld" und ein wichtigerParameter im Wettbewerb der Gesellschaften sein wird.Aber nicht um diese soziologische Perspektive geht es mirhier, oder zumindest nicht ausschließlich: der Status der Bildungin einer Gesellschaft wirkt sich natürlich auch im Statusder Lehrenden und Lernenden aus.Was ich mit der dignitas docendi et discendi ansprechenmöchte, betrifft mehr psychologisch~ Aspekte (den Umgangvon Lehrenden und Lernenden) sowie philosophische (dieNeugierde als Wesensmerkmal des Humanen).Im Nachrichtengeschäft der Medien wurde vor einigenjahren das Schlagwort "Infotainment" als Kreuzung von Informationsvermittlungund Unterhaltung geboren. Die Notwendigkeit,im Rahmen einer von permanenten optischenund akustischen Reizen geprägten Medien<strong>gesellschaft</strong> Informationenkürzelhaft einprägsam und dabei "unterhaltsam"zu transportieren, ist aber nicht nur im Fernsehstudio zu beobachtenoder bei zeitgeistigen Hochglanzmagazinen, sondernsie beeinflusst mittlerweile den Kommunikationsstil inallen Bereichen.Während viele ProfessorInnen noch davon ausgehen,dass die Studentinnen für ihre Motivation schon selbst aufkommenmüssten, sehen das die ZuhörerInnen im Hörsaalanders: Sie sind in einer Medien<strong>gesellschaft</strong> aufgewachsen,die durch Bilder, Videos, Computersimulationen usw geprägtist, in der die Aufmerksamkeitsschwelle auf dreißigsekündigeWerbespots ausgerichtet ist und in denen auch in Nachrichtensendungenkeine Angelegenheit (es sei denn Krönun-gen und Staatsbegräbnisse) länger als eine Dreiviertelstundeabgehandelt wird. Gemessen an der Harald-Schmidt-Showmuss sich ein Uni-Vortragender da ganz schön ins Zeug legen,um pointenmäßig nicht völlig abzustürzen. Der Auftrittvor dem akademischen Nachwuchs hat nicht nur sachkundig-informativund strukturiert zu sein, man hat vielmehr dasPublikum zu begeistern. Mit dem einen oder anderen Scherzzur Auflockerung ist es dabei nicht getan. Die Hörerschaft istanspruchsvoll: entweder eine High CI ass Performance oderzumindest der Prüfungsstoff in drei Stunden kompakt, ansonstenstraft einen das Auditorium mit Unaufmerksamkeitoder Abstinenz. Neben der Effizienz ("Wie viel von dem, waserörtert wird, kommt genauso auch zur Prüfung?") spielt alsoder Fun Factor ebenfalls eine nicht zu unterschätzendeRolle.Man mag all das normal finden ("Früher nannte man daseben Charisma.") oder es beklagen ("Es regiert die Oberflächlichkeitnun auch auf der Universität."), jedenfalls aber ist eswert, sich damit auseinander setzen. Dabei will ich keineswegsnur schwarzmalen. Was mich seit einigen jahren in diesemZusammenhang beschäftigt, ist die Positionierung derUni-Lehrer in diesen Gegebenheiten.Als Lehrender ist man zunächst einmal bemüht, all diesenAnforderungen gewachsen zu sein. Man versucht also, seineZuhörerinnen zu gewinnen und zu begeistern. Wer möchtenicht als glänzender Vortragender gelten, als animierenderDidaktiker? Dabei erweist es sich aber, dass Unterrichten einäußerst anspruchsvolles und anstrengendes Metier ist -kaum jemand wird bestreiten, dass man nach zwei Stundenim Hörsaal "geschafft" ist. Insbesondere diskursiv aufgebauteLehrveranstaltungen erfordern eine permanente Aufmerksamkeitund Konzentration: wie gelingt die Balance zwischenWissensvermittlung einerseits und der Anregung zukritischem Nachdenken, ja auch Infragestellen des Vorgetragenenandererseits. Wie schaffe ich es, den schwächeren Studierendeneine Orientierung zu geben und gleichzeitig diegut vorbereiteten und hochmotivierten StudentInnen nichtzu unterfordern. Wie gelingt es, innerhalb einer oft sehr heterogenenGruppe von Zuhörerinnen Spielregeln des gemeinsamenArbeitens zu entwickeln und durchzusetzen?All das ist schwierig. Aber es ist Teil, genuiner Teil derAufgaben von Professorinnen. Diesen Aufgaben nachzukommenerfordert allerdings - und das wurde in den letztenjahrenvielleicht zunehmend weniger ernst genommen - entsprechendeArbeitsbedingungen. Was meine ich damit? Nun,nicht bloß die Zurverfügungstellung entsprechender Sachmittel,von Dienstzimmern über die Bibliothek bis hin zurComputerinfrastruktur, sondern auch ein Klima der Kommunikationzwischen Studierenden, Lehrenden und den verschiedenenin der Bildungspolitik engagierten <strong>gesellschaft</strong>lichenKräften, das auf wechselseitigem Respekt aufgebaut istund dem wechselseitiges Vertrauen zugrunde liegt.Im Gegensatz dazu wurde in den letzten jahren aber bewussteine Antagonisierung der am Unterrichtsprozess Beteiligtenbetrieben: "Prüft die Prüfer, Schluss mit lustig, Wegmit der Pragmatisierung". Angebliche Privilegien der ProfessorInnenwurden an den Pranger gestellt, ohne dabei zu berücksichtigen,dass ebendiese zum Teil ihre guten Gründehaben: ob das die Abgeltung besonders hoher Prüfungsleistungenin Massenstudien sind oder die vorlesungsfreien Monate,die keineswegs einfach Urlaub darstellen, sondern fürPublikationstätigkeit, wissenschaftliche Veranstaltungen undSeite 150verla~steITeich <strong>juridikum</strong> 3/01

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