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Kritik von Wolfram Schütte Der Erlöser ruft oder ... - Filmportal.de

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Teile vorstellen, als nur eben "<strong>Der</strong> Gral", "Ein <strong>de</strong>utscher Traum", "Das En<strong>de</strong> einesWintermärchens" und "Wir, Kin<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Hölle".<strong>Der</strong> pathetische Tonfall dieser Titel, <strong>de</strong>ren nationales Tremolo in <strong>de</strong>r aufgesteiltenLarmoyanz <strong>de</strong>s Schlusses kulminiert, wo "die Schuld" (<strong>o<strong>de</strong>r</strong> ist es "die Demokratie"?),nämlich ein kleines Mädchen in Schwarz, mit <strong>de</strong>m Kopftuch <strong>de</strong>r Maria, am En<strong>de</strong> ihrerWan<strong>de</strong>rschaft durch die vier Teile in einer riesigen Träne sitzt und ihre Hän<strong>de</strong> zu einemGebet faltet, während Beethoven/Schillers "Überm Sternenzelt muß ein lieber Vaterwohnen" ertönt — solche Pathetik und Mystizismus bestimmen auch die Grundhaltung<strong>de</strong>s Films insgesamt.Syberberg geht es, wie schon in "Ludwig" und "Karl May", an keiner Stelle um einedokumentarische Rekonstruktion, son<strong>de</strong>rn um eine aus allen Ecken und En<strong>de</strong>nherbeigetragene Sammlung meist geistesgeschichtlichen Materials, ausgestreut im freienFall eines subjektiven Kaleidoskops. Wo sein Film reichlich Gebrauch macht <strong>von</strong> BildundTondokumenten aus <strong>de</strong>r Nazizeit – etwa <strong>von</strong> jener Weihnachtskonferenzschaltung,bei <strong>de</strong>r an allen (Kriegs-)Fronten "Stille Nacht, heilige Nacht" gesungen wird <strong>o<strong>de</strong>r</strong> <strong>von</strong> <strong>de</strong>rTotenehrung für "die Gefallenen <strong>de</strong>r Bewegung", die immer wie<strong>de</strong>rkehrt – dienen sie ihmals motivische Embleme, welche zusammen mit einem großen Arsenal an<strong>de</strong>rer formalerMittel <strong>de</strong>n Gegenstand – Hitler, <strong>de</strong>utsche Geschichte und Kultur – in die Hermetik einesmythologisch abgedichteten Kunstgegenstan<strong>de</strong>s überführen. Zu <strong>de</strong>r gewißfaszinieren<strong>de</strong>n Vielfalt <strong>de</strong>r Darbietungsmodi, die Syberberg zur Verfügung stehen,gehören neben einer Atelierlandschaft mit allerlei Prospekten, allegorischenGegenstän<strong>de</strong>n und symbolischen Tableaux, Puppen-und Bauchrednernummern,wabern<strong>de</strong> Nebelschwa<strong>de</strong>n und Kunstschneeflocken; weiterhin zwei monogolisieren<strong>de</strong>Erzähler (Harry Baer und André Heller), welche <strong>de</strong>n Kud<strong>de</strong>lmud<strong>de</strong>l angelesenerBildungsfrüchte zum Thema langatmig ausstreuen; zwei (<strong>von</strong> Peter Kern, <strong>de</strong>r auch malLorres Triebmör<strong>de</strong>r-Credo aus Fritz Langs "M" rezitiert, und Hellmut Lange) dargestellteKammerdiener Hitlers, die über <strong>de</strong>ssen Unterhosen, Zeitungslektüre undHun<strong>de</strong>liebhabereien sich auslassen; schließlich Heinz Schubert, <strong>de</strong>r im ersten Teil alsZirkusdirektor "die größte Schau <strong>de</strong>r Welt" aus<strong>ruft</strong> (um "Hitler eine Chance zu geben"),dann als <strong>de</strong>r leibhaftige Teufel, in <strong>de</strong>r Maske <strong>de</strong>s Führers aus <strong>de</strong>m Grab RichardWagners aufsteigt und über Hitlers insgeheimen Sieg überall auf <strong>de</strong>r Welt räsonniert -und Schubert als Himmler, <strong>de</strong>r unter <strong>de</strong>n kneten<strong>de</strong>n, streicheln<strong>de</strong>n Hän<strong>de</strong>n seinesMasseurs (Martin Sperr) sich über die "historische Aufgabe <strong>de</strong>r SS", über Buddhismusund die Astrologie äußert.Die Kammerdiener, <strong>de</strong>ren Schlüsselloch-Perspektiven auf Hitler Syberberg viel Raumund Zeit einräumt, bewegen sich (wie an<strong>de</strong>re Figuren auch), vor jenenRückprojektionsflächen, die für Syberbergs Ästhetik so wichtig sind. Mit ihnen hatten <strong>de</strong>rRegisseur und sein Kameramann Dietrich Lohmann schon in "Ludwig" und "Karl May"operiert, um reale (Schauspieler-)Personen in je<strong>de</strong>s nur gewünschte Dekor stellen zukönnen. Aus solchen Konfrontationen, welche die Personen in wechseln<strong>de</strong> Etuis stecken,zieht Syberbergs Kino einen großen Teil seiner überraschen<strong>de</strong>n Bizarrerien, beson<strong>de</strong>rsnun im "Hitler". Es ist Syberbergs Drapeurs- und Arrangeurskunst, die mit <strong>de</strong>m "MagicCircus" <strong>de</strong>r Pariser Unterhaltungsscene nicht nur formal, son<strong>de</strong>rn auch thematisch mehrzu tun hat, als mit <strong>de</strong>m <strong>von</strong> ihm epigonenhaft anvisierten Wagnerschen"Gesamtkunstwerk", welche hier ihre spektakulären Triumphe feiert inDoppelbelichtungen, Bild- & Ton-Parallelismen & -Kontrasten und <strong>de</strong>ren wie<strong>de</strong>rholterMotiv- <strong>o<strong>de</strong>r</strong> Emblemzitierung, <strong>von</strong> <strong>de</strong>r Syberberg in einer Einfalt, die über allewww.filmportal.<strong>de</strong> 3

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