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P.b.b. • 04Z035830 M • Verlagspostamt: 9300 St. Veit/Glan • 19. Jahrgang<br />

Clopidogrel-Generika<br />

verlagdermediziner


Anzeige Plus<br />

50<br />

COVERSTORY<br />

6<br />

FORTBILDUNG<br />

Clopidogrel-Generika<br />

Dr. Christoph Baumgärtel<br />

Therapie der chronischen Hepatitis C – aktueller Standard<br />

und Zukunftsperspektiven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10<br />

Prim. Univ.-Prof. Dr. Michael Gschwantler, Dr. Emina Dulic-Lakovic, Dr. Melisa Dulic<br />

Ganzheitlicher Therapieansatz in der Behandlung von Schizophrenie . . . . . . . . . 16<br />

Dr. Hans Peter Bilek<br />

Nichtmotorische Symptome bei Morbus Parkinson – ein Überblick . . . . . . . . . . . 20<br />

OA Dr. Volker Tomantschger<br />

Morbus Parkinson – Diagnose und Behandlungsstrategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24<br />

Dr. Martin Sawires, Prim. Univ.-Doz. Dr. Klaus Berek<br />

BPH – bunter Pool der Heilmethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28<br />

Dr. Karl F. Diehl<br />

Die individuelle Entzugsbehandlung von Alkoholabhängigen<br />

nach der Lesch-Typologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34<br />

Dr. Dagmar Kogoj, Univ.-Prof. Dr. Otto Michael Lesch<br />

Diagnostik und Therapie der Komplikationen der Leberzirrhose . . . . . . . . . . . . . . . 40<br />

Univ.-Doz. Dr. Peter Fickert, Univ.-Prof. Dr. Michael Trauner<br />

Reisemedizin <strong>2010</strong> . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44<br />

Dr. Eva Jeschko, Univ.-Prof. Dr. Herwig Kollaritsch<br />

FORUM MEDICUM<br />

Splitter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4<br />

Hansaplast: Raus ins Leben ohne lästige Insekten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18<br />

GlucoMen LX von A. Menarini:<br />

Höchste Sicherheit – mit GOD-Technologie falsche Ergebnisse ausschließen . 27<br />

Können Sie Ihren Harnteststreifen vertrauen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31<br />

Combur ® -Harnteststreifen zeigen keine falsch negativen Glucose- und Blutergebnisse nach<br />

Vitamin C-Einnahmen<br />

Alcover ® -Sirup in der Therapie Alkoholabhängiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39<br />

Statement von Univ.-Prof. Dr. Otto Lesch<br />

Fachkurzinformationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14, 28, 32, 48<br />

DOKTOR PRIVAT<br />

Innergemeinschaftliche Lieferungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49<br />

MMag. Hafner<br />

Sehr geehrte Leserinnen und Leser! Auf vielfachen Wunsch verzichten wir für eine bessere<br />

Lesbarkeit auf das Binnen-I und auf die gesonderte weibliche und männliche Form bei Begriffen<br />

wie Patient oder Arzt. Wir hoffen auf Ihr Verständnis und Ihre Zustimmung!<br />

5/<strong>2010</strong> DER MEDIZINER<br />

INHALT UND IMPRESSUM<br />

Impressum<br />

Verleger: Verlag der Mediziner gmbh. Herausgeber:<br />

Peter Hübler. Projektleitung: Peter Hübler.<br />

Redaktion: Dr. Csilla Putz-Bankuti, Jutta<br />

Gruber, Dr. Birgit Jeschek, Ewald Sternad.<br />

Anschrift von Verlag und Herausgeber: A-9375<br />

Hüttenberg, Steirer Straße 24, Telefon: 04263/<br />

200 34, Fax: 04263/200 74. Produktion: A-8020<br />

Graz, Payer-Weyprecht-Straße 33–35, Telefon:<br />

0316/26 29 88, Fax: 0316/26 29 93, Richard<br />

Schmidt. Druck: Druckzentrum St. Veit. E-Mail:<br />

office@mediziner.at. Homepage: www.mediziner.at.<br />

Einzelpreis: € 3,–. Erscheinungsweise:<br />

periodisch.<br />

Einladung in den<br />

Golden Club<br />

&<br />

und<br />

gratis für die<br />

Dauer des Abos<br />

Wer für ein<br />

Jahres-Abo € 39,–.<br />

investiert, wird mit<br />

„Goodies“ nahezu<br />

überschüttet.<br />

Siehe www.dinersclub.at<br />

Nähere Informationen auf<br />

Seite 50 und www.mediziner.at<br />

seite 3


FORUM MEDICUM<br />

Splitter<br />

Fake Drugs „Diyabet?“ Viel Fett . . .<br />

Medikamente sollen helfen – doch<br />

immer häufiger werden sie<br />

gefälscht. Im besten<br />

Fall sind sie dann<br />

unwirksam – im<br />

schlechtesten<br />

toxisch. Dabei<br />

sind ca. 10% der<br />

Medikamente<br />

Fälschungen. Den<br />

größten Anteil<br />

daran haben so<br />

genannte Lifestyle-Medikamente,<br />

also Potenzmittel, Schlankheitspräparate<br />

und Ähnliches. Aber<br />

auch im Doping-bereich finden sich<br />

viele Fälschungen. Dabei richten sich<br />

95% der Angebote gezielt an Hobbysportler.<br />

Umfragen haben gezeigt, dass<br />

gerade diese Zielgruppe sehr sorglos<br />

mit Medikamenten umgeht. Hier ist<br />

Aufklärung wichtig. Denn das Internet<br />

bietet die Möglichkeit einfach und ohne<br />

jede Kontrolle an Arzneimittel zu kommen.<br />

Vorsicht ist auch auf Reisen geboten.<br />

Gerade in Asien ist der Anteil an<br />

Fake-Drugs hoch. Arzneimittel sollten<br />

hier nicht gekauft werden.<br />

Liebe schützt auf Jahrzehnte<br />

Eltern haben einen weit höheren Einfluss<br />

auf die Gesundheit ihrer Kinder als<br />

bisher angenommen wurde, berichtet die<br />

Zeitschrift Molecular Psychiatry: Immer<br />

Migranten haben ein deutlich höheres<br />

Diabetesrisiko. Bei den über 55-Jährigen<br />

ist diese Gruppe doppelt so oft betroffen.<br />

Doch warum? Im Bereich der Prophylaxe<br />

hat sich in den letzten Jahren<br />

viel getan und es konnten beachtliche<br />

Erfolge erzielt werden. Dabei wird<br />

zumeist auf das Verstehen der Zusammenhänge<br />

gesetzt, um dann den Patienten<br />

zu erklären, wie ein gesunderer<br />

Lebensstil aussehen könnte.<br />

Zur Prävention werden die Menschen<br />

nicht nur durch ihre Tageszeitung, sondern<br />

vor allem durch ihre Ärzte animiert.<br />

Die unterschätzen jedoch nicht selten den<br />

passiven Wortschatz (in Deutsch) der<br />

Gastarbeiter und sparen sich die Zeit für<br />

ein ausführliches Gespräch. Dabei sind<br />

viele von ihnen einst deshalb nach Österreich<br />

gekommen, weil sie hier das beste<br />

Gesundheitssystem der Welt erwartet<br />

hatten. Solche Gespräche mögen umständlich<br />

sein, sie wirken aber in der Regel<br />

nachhaltig. Niemand hört seinem Hausarzt<br />

so aufmerksam, gebannt und gläubig<br />

zu wie das Gros der Immigranten.<br />

wieder zeigen Studien, dass die enge,<br />

sichere Bindung eines Kleinkindes zu<br />

einer fixen Bezugsperson der positiven<br />

Entwicklung dient. Sie kompensiert Probleme<br />

in der Schwangerschaft, schützt<br />

vor späteren Verhaltensauffälligkeiten<br />

und bestimmt die emotionelle Entwicklung.<br />

Belegt ist jetzt auch die Wirkung auf das<br />

Immunsystem. Während bei sozial<br />

schlechter gestellten Menschen exzessiver<br />

Stress häufiger zu chronischen Entzündungen<br />

und damit häufiger zu Herz-<br />

Kreislauferkrankungen, Diabetes, Depression<br />

und Krebs führt, ist das bei Personen<br />

mit einer im Kleinkindalter innigen<br />

Beziehung zur Mutter kaum der Fall. S.<br />

Cole resümiert: „Gute Elternschaft<br />

scheint durch schlechte soziale Umstände<br />

bedingte Gesundheitsrisiken oft außer<br />

Kraft zu setzen. Dieser Effekt dauert über<br />

Jahrzehnte an und zeigt sich sogar auf der<br />

Ebene der Gene.“ Zwar machen Gewalt<br />

in der Familie und Zurückweisungen nicht<br />

automatisch krank. Doch frühe Erfahrungen<br />

bestimmen in beträchtlichem Maße<br />

die Reaktion des Körpers auf Stress.<br />

Fette spielen eine wichtige Rolle bei<br />

der Entwicklung des Gehirns. Erstaunliches<br />

konnte bei ADS und Demenz festgestellt<br />

werden. So nehmen beide Erkrankungen<br />

einen positiveren Verlauf,<br />

wenn begleitend zur Therapie hochdosiert<br />

Omega-Fette gegeben werden. Sie<br />

fördern das Wachstum des Gehirns und<br />

haben eine antiinflammatorische Wirkung<br />

im Nervensystem. Dabei ist sowohl<br />

ein ausgewogenes Verhältnis zwischen<br />

Omega-3 und Omega-6 wichtig,<br />

als auch eine gute Verfügbarkeit der<br />

Fette. Auch mit anderen Erkrankungen<br />

besteht ein Zusammenhang. So können<br />

Störungen der frühkindlichen Sehentwicklung<br />

auftreten, Depressionen und<br />

andere psychische Erkrankungen können<br />

ausgelöst werden. Ein erhöhter Verbrauch<br />

durch Stress oder schlechte<br />

Ernährung und eine Verdrängung durch<br />

gesättigte Fette können zu einem Mangel<br />

führen. Natürlicherweise kommen<br />

diese Fette unter anderem in Fisch, Nüssen<br />

und Eiern vor. Allerdings ist die<br />

Konzentration hier viel zu gering um die<br />

Effekte zu beobachten. Und Kapseln<br />

schmecken auch nicht nach Lebertran…<br />

Pausen-loses<br />

Arbeiten<br />

Fast schon die Hälfte der Österreicher<br />

verzichtet auf die Mittagspause – zu<br />

diesem Ergebnis kam eine Umfrage<br />

des Karriereportals Monster. Damit<br />

liegt Österreich sogar knapp vor<br />

Deutschland und weit vor der Schweiz,<br />

wo aber immer noch 25% auf ihre<br />

Pause verzichten. Und das, obwohl<br />

Arbeitgeber verpflichtet sind auf die<br />

Einhaltung zu achten! Denn Pausen<br />

sind zur Regeneration wichtig.<br />

Und der Arbeitgeber hat selbst etwas<br />

davon. Denn Pausen erhöhen die Leistungsfähigkeit;<br />

durch die Gespräche<br />

mit den Kollegen wird das Arbeitsklima<br />

verbessert. So klagen viele<br />

Arbeitnehmer über eine zu große<br />

Arbeitsbelastung, schlechtes Betriebsklima<br />

und fehlende Wertschätzung.<br />

Wer einmal durcharbeitet, ist vielleicht<br />

noch nicht gefährdet. Kommt es jedoch<br />

häufiger vor, so kann es leicht (unbemerkt)<br />

zu einer chronischen Überlastung<br />

kommen und in Folge zum Burnout.<br />

DER MEDIZINER 5/<strong>2010</strong>


Schutz vor der Chagas-Krankheit<br />

Eine tropische parasitäre Krankheit<br />

wird immer häufiger zu einer Ursache<br />

für einen Schlaganfall. Chagas ist in<br />

Lateinamerika epidemisch. Durch die<br />

Immigration von Millionen Menschen<br />

nach Europa, Nordamerika, Japan und<br />

Australien ist diese Krankheit zu einem<br />

ernsten Gesundheitsproblem geworden.<br />

Vermutlich leben schon 300.000 kranke<br />

Immigranten in den USA; viele von<br />

ihnen dürften gar nicht wissen, dass sie<br />

betroffen sind.<br />

Weltweit leiden 18 Millionen Menschen<br />

an der Chagas-Krankheit, als Vektor<br />

dienen Raubwanzen in allen ihren<br />

Stadien. Schon die Larve saugt aus schlafenden<br />

Säugetieren unbemerkt Blut in<br />

Regionen mit dünnerer Haut wie am<br />

Auge oder an den Lippen. Währenddessen<br />

defäkiert das Insekt. Der Mensch<br />

kann den erregerhaltigen Kot in die frische<br />

Stichwunde selbst einreiben. Unbehandelt<br />

kann die Chagas-Krankheit in<br />

Schmerzen und kein Ende…<br />

Migräne oder Spannungskopfschmerz,<br />

Clusterkopfschmerz – es gibt viele Arten<br />

von Kopfschmerzen. Und meist greift der<br />

Patient und auch der Arzt in die Kiste mit<br />

den Schmerzmitteln. Acetylsalicylsäure,<br />

Paracetamol, Mefenaminsäure und wenn<br />

alles nicht mehr hilft gibt es noch Kombinationspräparate.<br />

Oft wird auf die<br />

Gefahr des medikamenteninduzierten<br />

Dauerkopfschmerzes vergessen. Denn<br />

Schmerzmittel sollten nicht öfter als 10mal<br />

im Monat und auch nicht länger, als<br />

maximal an grei aufeinander folgenden<br />

Tagen genommen werden. Sonst kann es<br />

zu ständigen Kopfschmerzen kommen,<br />

die nicht mehr mit Schmerzmitteln therapierbar<br />

sind.<br />

Häufig betroffen sind zum Beispiel<br />

Migränepatienten, die ihre Medikamente<br />

schon bei den ersten Anzeichen nehmen<br />

müssen. Aber auch viele andere Patien-<br />

5/<strong>2010</strong> DER MEDIZINER<br />

bis zu 10% der Fälle tödlich enden.<br />

Besonders gefährdet sind Säuglinge und<br />

Kleinkinder. Weil noch keine Impfung<br />

und keine gute Therapie zur Verfügung<br />

stehen, ist die Vorbeugung essentiell.<br />

Durchgehend geschlossene Moskitonetze<br />

mit dicht schließendem Reißverschluss<br />

bieten einen sehr guten Schutz.<br />

Die gefährdetsten Schlafplätze andererseits<br />

liegen in offenen einfachen Häusern,<br />

z.B. mit Wänden und Dächern aus<br />

Stroh und ähnlichem Flechtwerk. Unspezifische<br />

Insektizide sind gegen Raubwanzen<br />

meist unwirksam.<br />

Die Zahl der Neuinfektionen ist nach<br />

Daten der WHO durch die Bekämpfung<br />

der Raubwanzen zurückgegangen.<br />

Wegen unterschiedlicher Verbreitungskarten,<br />

die im Internet angeboten werden,<br />

sollte vorsichtshalber in allen Risikogebieten<br />

eine angemessene Prophylaxe<br />

getroffen werden, selbst in einigen Gebieten<br />

der USA.<br />

ten neigen zu einer zu regelmäßigen Einnahme…<br />

Hat sich ein Dauerkopfschmerz<br />

entwickelt, so hilft nur das<br />

Absetzen der Medikamente; nach ca.<br />

zwei Wochen ist die Nebenwirkung dann<br />

abgeklungen.<br />

Damit es gar nicht erst soweit kommt,<br />

gibt es einige alternative Behandlungsmethoden.<br />

So ist es wichtig, genug zu<br />

trinken und regelmäßig zu essen. Auch<br />

Ausdauersport hilft nachweislich bei<br />

Kopfschmerzen. Bei Clusterkopfschmerzen<br />

kann eine Sauerstofftherapie auch<br />

bei schweren Formen rasche Hilfe bringen.<br />

Und auch mit Akupunktur lassen<br />

sich gute Erfolge erzielen.<br />

Will der Arzt dem Patienten auf Dauer<br />

helfen, so muss er nach den Ursachen des<br />

Kopfschmerzes suchen. Häufig liegen sie<br />

in Belastungen und Stress. Verschiedene<br />

Techniken wie Progressive Muskelentspannung<br />

oder Biofeedback zeigen dem<br />

Patienten, mit Belastungen besser umzugehen<br />

und sich bewusst zu entspannen.<br />

Der Griff in den Arzneimittelschrank<br />

wird damit überflüssig.<br />

Ärzte und Zahnärzte<br />

haben häufig<br />

nicht viel miteinander<br />

zu tun.Vielleicht<br />

kennt man sich privat,<br />

aber eine beruflicheZusammenarbeit<br />

gibt es nur selten.<br />

Dabei wäre die für<br />

eine umfassende Beratung<br />

des Patienten<br />

oft unentbehrlich!<br />

FORUM MEDICUM<br />

Mut zur Reunion?<br />

Splitter<br />

Zwei Beispiele: Ein Drittel der Bevölkerung<br />

leidet unter Bruxismus. Nächtliches<br />

Zähneknirschen wird von den<br />

Betroffenen häufig nicht bemerkt. Das<br />

Problem wird nur erkannt, wenn der<br />

Partner von den Geräuschen geweckt<br />

wird, Schmerzen auftreten oder der<br />

Zahnarzt – sehr spät – die Folgen sieht.<br />

Die Ursachen sind nicht eindeutig<br />

geklärt, Stress dürfte jedoch eine entscheindende<br />

Rolle spielen. Hier wäre<br />

eine Zusammenarbeit zwischen Zahnarzt<br />

und Hausarzt sinnvoll. Denn neben<br />

den Schäden an Zähnen und Kiefer treten<br />

oft auch Kopf- oder Nackenschmerzen<br />

auf. Dieser Beschwerden wegen<br />

kommen Patienten zum Hausarzt. Medikamente<br />

bieten hier nur eine kurzzeitige<br />

Linderung. Dann könnte eine vom<br />

Zahnarzt angepasste Schiene helfen, die<br />

Muskulatur zu entspannen und das<br />

Knirschen zu verhindern. Der (unbewusste)<br />

chronische Stress verschwindet<br />

dadurch jedoch noch nicht. Als Ärzte<br />

können wir anregen, dass der knirschende<br />

Patient seine Lebenssituation<br />

hinterfrägt, um das pathogene Agens<br />

„Stressbelastung“ abzubauen. Stichwort:<br />

Stressbewältigungstraining!<br />

Ein anderes Beispiel sind Mundhöhlenkarzinome,<br />

bei Männern eine der<br />

häufigsten Krebserkrankungen. Diagnostiziert<br />

werden sie meist erst, wenn<br />

Schmerzen auftreten – und dann ist es<br />

häufig schon zu spät. Dabei könnte der<br />

Zahnarzt schon früh Veränderungen an<br />

der Schleimhaut erkennen und bei Verdacht<br />

den Patienten zur Abklärung an<br />

einen kompetenten Kollegen überweisen.<br />

Eine funktionierende Zusammenarbeit<br />

kann hier sogar Leben retten.<br />

Gemeinsam, statt einsam – das<br />

wünscht sich Ihr Zahnarzt Dr. Andreas<br />

Werner. www.drwerner.at<br />

seite 5


CLOPIDOGREL-GENERIKA<br />

Coverstory<br />

Clopidogrel-Generika<br />

AGES PharmMed<br />

Schnirchgasse 9, A-1030 Wien<br />

Seit einiger Zeit sind in Österreich<br />

und der EU mehrere Generika mit dem<br />

Wirkstoff Clopidogrel zugelassen. Aufgrund<br />

des Vorliegens unterschiedlicher<br />

Wirkstoff-Salze und unterschiedlicher<br />

Indikationen wurden Zweifel an der<br />

Gleichwertigkeit dieser Präparate geäußert.<br />

Das Bundesamt für Sicherheit im<br />

Gesundheitswesen/AGES PharmMed<br />

musste sich daher mit dieser Thematik<br />

beschäftigen. Es kann davon ausgegangen<br />

werden, dass Clopidogrel-Generika<br />

prinzipiell mit dem Originator hinsichtlich<br />

Sicherheit und Wirksamkeit vergleichbar<br />

sind.<br />

Arzneimittel mit dem Wirkstoff Clopidogrel<br />

haben in der Vorbeugung atherothrombotischer<br />

Ereignisse einen<br />

bedeutenden Stellenwert. Seit kurzer<br />

Zeit sind nun in Ergänzung zum Originalprodukt<br />

Plavix® auch in Österreich<br />

Generika mit diesem Wirkstoff erhältlich.<br />

Einzelne Stellen, unter anderem die<br />

Österreichische Kardiologische Gesellschaft<br />

(ÖKG) haben die Wirksamkeit<br />

und Sicherheit der neu auf den Markt<br />

gekommenen Generika angezweifelt 1 .<br />

Es handelt sich bei den generischen<br />

Präparaten um Produkte mit teilweise<br />

unterschiedlichen Clopidogrel-Salzen.<br />

Während der Originator, aber auch<br />

einige der Generika, Clopidogrelhydrogensulfat<br />

als Wirkstoff enthalten, sind<br />

auch weitere Generika mit den Salzen<br />

Clopidogrelhydrochlorid, Clopidogrelbesilat<br />

sowie mit freier Clopidogrelbase<br />

zugelassen. Aufgrund dieser unterschiedlichen<br />

Salze wurde mitunter die<br />

Vermutung angestellt, dass verschiedene<br />

Clopidogrel-Salze unterschiedlich<br />

an ihrem Zielrezeptor wirken.<br />

seite 6<br />

Dr. Christoph Baumgärtel<br />

Unterschiedliche Salzformen von Clopidogrel<br />

haben auf die pharmakodynamische<br />

Wirkung jedoch keinen Einfluss.<br />

Dies ist dadurch bedingt, dass die Salze<br />

bereits im Magen-Darm-Trakt, also noch<br />

vor der Resorption des Wirkstoffes in<br />

den Blutkreislauf, dissoziieren. Grundsätzlich<br />

werden manche Wirkstoffe bei<br />

ihrer Herstellung vor allem deswegen als<br />

Salze gebildet, um ihre Löslichkeit in<br />

wässrigen Lösungen und somit im<br />

Magen-Darm-Trakt zu erhöhen. Die<br />

unterschiedlichen Salze können dadurch<br />

zwar zu einer theoretischen Änderung<br />

der Pharmakokinetik führen, da die<br />

Wirkmoleküle nach Resorption jedoch<br />

in identer Form vorliegen gibt es keinen<br />

Unterschied hinsichtlich ihrer Pharmakodynamik.<br />

Um das Vorhandensein<br />

relevanter pharmakokinetischer Änderungen<br />

der unterschiedlichen Clopidogrel-Salze<br />

auszuschließen, wurden bei<br />

allen Produkten entsprechende Bioäquivalenzstudien<br />

durchgeführt. Hier wird<br />

jeweils die AUC (Fläche unter der<br />

Kurve,Area under the Curve) und Cmax<br />

(maximale Plasmakonzentration) des im<br />

Blut vorhandenen Wirkstoffmoleküls<br />

gemessen, das – unabhängig aus welcher<br />

Salzform es freigesetzt wurde – wohlgemerkt<br />

natürlich ein und dasselbe war.<br />

Aus pharmakologischer Sicht besteht,<br />

sofern eine vergleichbare Pharmakokinetik<br />

der einzelnen, unterschiedlichen<br />

Clopidogrel-Salze durch adäquate Bioäquivalenzstudien<br />

nachgewiesen wurde,<br />

eine idente Wirkung und Sicherheit dieser<br />

Salze.<br />

Die im Zusammenhang mit der oben<br />

erwähnten Diskussion mancherorts<br />

geforderten, zusätzlichen klinischen Studien<br />

als Beleg für die Wirksamkeit und<br />

© AGES PharmMed<br />

Bedingung für eine Zulassung von Clopidogrel-Generika<br />

machen somit wenig<br />

Sinn und werden international in keinem<br />

Land als Zulassungsbedingung<br />

gefordert. Dennoch lassen sich auch<br />

diese Studien, also Studien mit einem<br />

pharmakodynamischen Ansatz zur<br />

Untermauerung des Bioäquivalenzkonzeptes<br />

finden 2,3 . Die darin enthaltenen<br />

Ergebnisse hinsichtlich der Vergleichbarkeit<br />

der Thrombozytenhemmung<br />

durch unterschiedliche Clopidogrel-<br />

Salze zeigen ebenfalls, dass bei einer<br />

vergleichbaren Pharmakokinetik von<br />

unterschiedlichen Salzen eine vergleichbare<br />

Pharmakodynamik gegeben ist.<br />

Die europäische Expertengruppe für<br />

Pharmakokinetik (PK-expert group)<br />

der Efficacy Working Party der europäischen<br />

Arzneimittelagentur (European<br />

Medicines Agency, EMA) hat sich ihrerseits<br />

eingehend mit diesem Thema<br />

befasst und dabei die Testbedingungen<br />

für clopidogrelhaltige Generika mit<br />

unterschiedlichen Salzen festgelegt.<br />

Sind diese Bedingungen, wie in den vorliegenden<br />

Fällen, wo eine Zulassung<br />

erteilt wurde, erfüllt, ist es auch aus Sicht<br />

der EMA gerechtfertigt von gleicher<br />

Wirksamkeit und Sicherheit der zugelassenen<br />

Generika wie bei dem Originalprodukt<br />

auszugehen.<br />

Geringe Abweichungen der Plasmaspiegel<br />

von Clopidogrel, wie sie in Bioäquivalenzstudien<br />

gemessen und für eine<br />

Zulassung akzeptiert werden, sind auch<br />

im Falle von Clopidogrel akzeptabel und<br />

vernachlässigbar, zumal man sich die<br />

beträchtliche Plasmaspiegel-Schwankungsbreite<br />

von Clopidogrel im Zusammenhang<br />

mit Nahrungsaufnahme ansieht.<br />

DER MEDIZINER 5/<strong>2010</strong>


Clopidogrel das über eine recht komplexe<br />

Pharmakokinetik und einen bemerkenswerten<br />

Metabolismus verfügt ist ein Pro-<br />

Drug, das erst durch Metabolisierungsschritte<br />

im Körper zum eigentlich aktiven<br />

Thiol-Metaboliten umgewandelt wird.<br />

Bevor es dazu kommt, wird jedoch bereits<br />

ein Großteil des Pro-Drugs im Magen in<br />

seinen inaktiven Carboxy-Metaboliten<br />

umgewandelt. Dadurch steht nach Magenpassage<br />

nur eine begrenzte Menge der<br />

Parent-Substanz zur Bildung des aktiven<br />

Metaboliten zur Verfügung.<br />

Wird jedoch durch gleichzeitige Nahrungsaufnahme<br />

und dem verbundenen<br />

Anstieg des PH-Wertes im Magen die<br />

Freisetzung von Clopidogrel, das sich<br />

vor allem im sauren Milieu löst, verzögert,<br />

wird dadurch im Magen nun weniger<br />

des inaktiven Carboxy-Metabolit<br />

gebildet und es kommt im Gegenzug zu<br />

einer verstärkten Bildung des aktiven<br />

Thiol-Metaboliten. In diesbezüglichen<br />

Untersuchungen, die von der PK-Expert<br />

Group der EMA ausgewertet wurden,<br />

konnten dabei Schwankungen von 500<br />

bis 600% der AUC der Parent-Substanz<br />

nachgewiesen werden. Nachdem laut<br />

Fachinformation die Einnahme von Clopidogrel<br />

jedoch mit oder ohne Nahrungsaufnahme<br />

erfolgen darf, sind solche<br />

Schwankungen im klinischen Alltag<br />

Realität, trotzdem wurde in diesem<br />

Zusammenhang noch über keine Probleme<br />

berichtet.<br />

Auch ein weiterer Faktor für große<br />

Schwankungen ist bekannt, nämlich die<br />

genetischen Unterschiede der Enzy-<br />

5/<strong>2010</strong> DER MEDIZINER<br />

Idente Mengen an Wirkstoff<br />

werden aufgenommen.<br />

mausstattung von CYP2C19 die bei bis<br />

zu 20% der Patienten zu starken<br />

Schwankungen des aktiven Metaboliten<br />

führen können. Im Gegensatz dazu<br />

müssen Abweichung der AUC von nur<br />

einigen, wenigen Prozent, wie sie bei<br />

Generika vorkommen können, als<br />

untergeordnet und klinisch irrelevant<br />

bezeichnet werden.<br />

Auch im österreichischen Arzneimittelgesetz<br />

§10 Abs. 1 ist festgehalten, dass<br />

der Antragsteller nicht verpflichtet ist,<br />

die Ergebnisse von nichtklinischen Versuchen<br />

und klinischen Prüfungen vorzulegen,<br />

wenn er belegen kann, dass es sich<br />

bei dem Arzneimittel um ein Generikum<br />

handelt und wenn die Bioäquivalenz<br />

erfolgreich nachgewiesen wurde 4 .<br />

Weiters hält die europäische Richtlinie<br />

2001/83/EG sowie die EU- Guideline<br />

zur Untersuchung von Bioverfügbarkeit<br />

und Bioäquivalenz fest, dass unterschiedliche<br />

Salze als ein und derselbe<br />

Wirkstoff gelten 5,6 . Aus regulatorischer<br />

Sicht betrachtet heißt das, dass nur wenn<br />

die Bioäquivalenzuntersuchungen positiv<br />

abgeschlossen sind und dadurch ein<br />

unterschiedliches pharmakokinetisches<br />

Verhalten der einzelnen clopidogrelhaltigen<br />

Produkte bzw. deren Salze mit<br />

Sicherheit ausgeschlossen wurde, eine<br />

Zulassung im Hinblick auf gleiche Wirksamkeit<br />

und Sicherheit möglich ist 7 . Dies<br />

war bei allen in Österreich positiv zugelassenen<br />

Clopidogrel-Generika der Fall.<br />

Die mancherorts geäußerten Zweifel,<br />

ob unterschiedliche Clopidogrel-Salze<br />

eine unterschiedliche pharmakodynamische<br />

Wirkung hätten, halten daher<br />

CLOPIDOGREL-GENERIKA<br />

Coverstory<br />

weder einer pharmakologischen, noch<br />

einer regulatorischen Betrachtung<br />

Stand.<br />

Unterschiedliche Indikationen<br />

Einen weiteren Diskussionspunkt gab<br />

es mit Clopidogrel-Generika hinsichtlich<br />

der teilweise unterschiedlichen Indikationen<br />

zu klären: Aus patentrechtlichen<br />

Gründen ist in der EU die unglückliche<br />

Situation entstanden, dass es zwei offizielle<br />

Varianten der Fachinformation<br />

gibt. Es gibt eine Variante inklusive der<br />

Indikation akutes Koronarsyndrom und<br />

eine ohne. Aus Sicht des Bundesamtes<br />

für Sicherheit im Gesundheitswesen<br />

kann ein Off-Label Use der Generika<br />

natürlich nicht empfohlen werden. Die<br />

derzeit vorliegenden Textunterschiede<br />

sind jedoch nicht durch unterschiedliche<br />

Wirksamkeit oder Sicherheit bedingt 8 .<br />

Unterschiede in den Indikationen<br />

der Generika können auf<br />

zweierlei Weise auftreten<br />

Einerseits wie in der Mitteilung der<br />

Europäischen Kommission C98/2016<br />

erläutert, dadurch dass EU-Anträge auf<br />

gegenseitige generische Zulassung in<br />

Mitgliedstaaten durchgeführt werden, in<br />

denen die Indikationen des Originalarzneimittels<br />

nicht länderübergreifend harmonisiert<br />

sind. In diesem Fall müssen<br />

alle Indikationen des Generikums auch<br />

in der Fachinformation des Originalpräparates<br />

des zuständigen Referenzlandes<br />

enthalten sein, wobei die Fachinformation<br />

des Originalpräparates zumindest<br />

in einigen Mitgliedstaaten, also in Nicht-<br />

Referenzländern, auch weitere Indikationen<br />

enthalten kann.<br />

Andererseits müssen bzw. dürfen nach<br />

§15 Abs. 5 AMG jene Indikationen des<br />

Originators, die sich auf Anwendungsgebiete<br />

beziehen die zum Zeitpunkt des<br />

In-Verkehr-Bringens eines Generikums<br />

noch unter den Patentschutz fallen bei<br />

einem Generika nicht enthalten sein. Bei<br />

Clopidogrel Generika ist letzteres der<br />

Fall gewesen und erklärt die unterschiedlichen<br />

Indikationen.<br />

Dennoch kann im Umkehrschluss<br />

nicht automatisch von fehlender bzw.<br />

verminderter Sicherheit oder Wirksamkeit<br />

dieser besagten Indikation ausgegangen<br />

werden. Im Vergleich sehen die<br />

zwei Versionen der Fachinformation<br />

hinsichtlich ihrer Indikationen folgendermaßen<br />

aus:<br />

seite 7


CLOPIDOGREL-GENERIKA<br />

Coverstory<br />

Variante 1 (alle Indikationen eingeblendet):<br />

Clopidogrel ist bei Erwachsenen indiziert<br />

zur Prävention atherothrombotischer<br />

Ereignisse bei:<br />

• Patienten mit Herzinfarkt (wenige<br />

Tagen bis 35 Tage zurückliegend), mit<br />

ischämischem Schlaganfall (7 Tage bis<br />

6 Monate zurückliegend) oder mit<br />

nachgewiesener peripherer arterieller<br />

Verschlusskrankheit.<br />

• Patienten mit akutem Koronarsyndrom:<br />

– Akutes Koronarsyndrom ohne ST-<br />

Strecken-Hebung (instabile Angina<br />

pectoris oder<br />

– Non-Qwave Myokardinfarkt), einschließlich<br />

Patienten, denen bei einer<br />

perkutanen Koronarintervention ein<br />

Stent implantiert wurde, in Kombination<br />

mit Acetylsalicylsäure (ASS).<br />

– Myokardinfarkt mit ST-Strecken-<br />

Hebung, in Kombination mit ASS bei<br />

medizinisch behandelten Patienten,<br />

für die eine thrombolytische Therapie<br />

in Frage kommt.<br />

Variante 2 (Indikationen aus Patentschutzgründen<br />

teilweise ausgeblendet):<br />

Clopidogrel ist bei Erwachsenen indiziert<br />

zur Prävention atherothrombotischer<br />

Ereignisse bei:<br />

• Patienten mit Herzinfarkt (wenige<br />

Tage bis 35 Tage zurückliegend), mit<br />

ischämischem<br />

• Schlaganfall (7 Tage bis 6 Monate<br />

zurückliegend) oder mit nachgewiesener<br />

peripherer arterieller<br />

• Verschlusskrankheit<br />

Referenzen<br />

1. Stellungnahme der Österr. Kardiologischen Gesellschaft<br />

(ÖKG) zu Clopidogrel-Generika, http://kardiologie-gefaessmedizin.universimed.com/artikel/stellungnahme-der-%C3%B6sterrkardiologischen-gesellschaft-%C3%B6kg-zu-clo<br />

2. Kim SD Kwang W, Lee HW, Park DJ et al., Bioequivalence<br />

and tolerability of two clopidogrel salt preparations, besylate<br />

and bisulfate: A randomized, open-label, crossover study in<br />

healthy Korean male subjects, Clin Ther 2009; 31(4), 798-803<br />

3. Neubauer H, Krüger JC, Lask S, Endres HG et al. Comparing<br />

the antiplatelet effect of clopidogrel hydrogensulfate and clopidogrel<br />

besylate: a crossover study. Clin Res Cardiol 2009;<br />

98(9):533-540.<br />

Qualität der Herstellung<br />

Auch hinsichtlich der Qualität der<br />

Herstellung von Clopidogrel Generika<br />

gelten dieselben strengen Regeln z.B.<br />

Gute Herstellungspraxis (Good Manufacturing<br />

Pratice, GMP) wie für alle<br />

anderen Arzneimittel. Dennoch kann es<br />

bei jedem Arzneimittel, egal ob Originalprodukt<br />

oder Generikum, vereinzelt<br />

zu Qualitätsmängeln einzelner Chargen<br />

kommen. Die Qualität aller am Markt<br />

befindlichen Arzneimittel wird vom<br />

Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen<br />

streng überwacht, wodurch<br />

sichergestellt ist, dass sich ausschließlich<br />

hochwertige Arzneimittel im Handel<br />

befinden.<br />

Die oft zitierte „Minderwertigkeit“<br />

von Generika gehört dabei sowohl aus<br />

Wirksamkeits- und Sicherheits- als auch<br />

Qualitätssicht zumeist in das Reich der<br />

nicht evidenz-basierten „Eminence<br />

Based Medicine“, die vorwiegend auf<br />

Einzelmeinungen und nicht überprüften<br />

Fallberichten beruht: Systematische<br />

Übersichtsarbeiten und Meta-Analysen<br />

finden hingegen keine Evidenz, dass<br />

Originatoren überlegen sind 9 . Auch die<br />

einzuhaltenden Grenzwerte im Rahmen<br />

der Bioäquivalenzstudie führen dazu,<br />

dass Plasmaspiegel von Generika und<br />

Originatoren um durchschnittlich lediglich<br />

ca zwei bis vier Prozent abweichen,<br />

was klinisch gesehen vernachlässigbar<br />

ist 10, 11 .<br />

Das Bundesamt für Sicherheit im<br />

Gesundheitswesen/AGES PharmMed<br />

hält fest, dass Bioäquivalenzstudien eine<br />

weltweit anerkannte und von allen<br />

4. Österreichisches Arzneimittelgesetz (AMG), §10;<br />

http://www.basg.at/uploads/media/Arzneimittelgesetz_04.pdf<br />

5. EU-Richtlinie, dir.2001/83/EC, http://ec.europa.eu/enterprise/sectors/pharmaceuticals/files/eudralex/vol-<br />

1/dir_2001_83_cons/dir2001_83_cons_20081230_de.pdf<br />

6. EMA: CPMP/EWP/QWP/1401/98, Note for Guidance on the<br />

Investigation on Bioavailibility and Bioequivalence,<br />

http://www.ema.europa.eu/pdfs/human/qwp/140198en.pdf<br />

7. Tschabitscher D, Platzer P, Baumgärtel C, Müllner M. Generika<br />

- Qualität, Wirksamkeit und Austauschbarkeit. Wien Klin<br />

Wochenschr 2008;120:63-69<br />

8. Stellungnahme des Bundesamtes für Sicherheit im Gesundheitswesen<br />

zu Clopidogrel Generika, 26.03.<strong>2010</strong>,<br />

Arzneimittel-Zulassungsbehörden wissenschaftlich<br />

akzeptierte Untersuchungsmethode<br />

zum Nachweis der<br />

Gleichwertigkeit zwischen Originatoren<br />

und Generika sind. Die wissenschaftlich-pharmakologische<br />

Grundannahme,<br />

dass im Wesentlichen gleichartige Verläufe<br />

der Blutplasmaspiegel gleiche<br />

Konzentrationen am Wirkort widerspiegeln<br />

und einen im Wesentlich gleichen<br />

Effekt von Wirksamkeit und Sicherheit<br />

gewährleisten, hat auch im Falle von<br />

Clopidogrel Generika – auch bei unterschiedlichen<br />

Salzen – Gültigkeit.<br />

Dr. Christoph Baumgärtel<br />

AGES PharmMed, Institut<br />

Zulassung & Lifecycle Management,<br />

Leiter Abteilung Medizinisch-Klinische<br />

Begutachtung. Experte in der<br />

Pharmacokinetic-Expert Group und<br />

Safety Working Party der EMEA.<br />

christoph.baumgaertel@ages.at<br />

Website: www.basg.at<br />

http://www.basg.at/uploads/media/100325_Stellungnahme__Clopidogrel_Generika_1.pdf,<br />

http://www.basg.at/<br />

uploads/media/100325_Stellungnahme_Clopidogrel_Generika__2.pdf<br />

9. Kesselheim AS, Misono AS, Lee JL, Stedman SR et al. Clinical<br />

Equivalence of Generic and Brand-Name Drugs Used in Cardiovascular<br />

Disease: A Systematic Review and Meta-analysis.<br />

JAMA 2008; 300;2514-2526<br />

10. American Medical Association, Featured Report: Generic<br />

Drugs (A-02), June 2002 AMA Annual Meeting,<br />

http://www.ama-assn.org/ama1/pub/upload/mm/443/ csaa-<br />

02.pdf<br />

11. Henney JE. Review of Generic Bioequivalence Studies From<br />

the Food and Drug Administration. JAMA 1999; 282:1995.<br />

seite 8 DER MEDIZINER 5/<strong>2010</strong><br />

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50


HEPATITIS C<br />

Fortbildung<br />

Therapie der chronischen Hepatitis C – aktueller<br />

Standard und Zukunftsperspektiven<br />

Prim. Univ.-Prof. Dr. Michael Gschwantler, Dr. Emina Dulic-Lakovic, Dr. Melisa Dulic<br />

Mit weltweit etwa 200 Millionen<br />

Betroffenen stellt die chronische Hepatitis<br />

C ein bedeutendes medizinisches und<br />

sozioökonomisches Problem dar. Die<br />

Prävalenz chronischer Infektionen mit<br />

dem Hepatitis-C-Virus (HCV) variiert<br />

beträchtlich zwischen verschiedenen Ländern.Für<br />

Österreich fehlen exakte Daten.<br />

Man nimmt jedoch an, dass ca. 90.000<br />

Menschen (etwa 1% der Bevölkerung)<br />

infiziert sind. Hepatitis-C-induzierte<br />

Lebererkrankungen stellen in Österreich<br />

derzeit die wichtigste Indikation für eine<br />

Lebertransplantation dar. Eine frühe<br />

Diagnosestellung und Therapie ist entscheidend,<br />

um Spätkomplikationen wie<br />

Leberzirrhose und hepatozelluläres Karzinom<br />

zu verhindern. Im vorliegenden<br />

Artikel wird zunächst die derzeitige Standardtherapie<br />

der chronischen Hepatitis C<br />

Tabelle 1<br />

Nebenwirkungen der antiviralen Therapie<br />

mit Peginterferon α und Ribavirin<br />

Nebenwirkungen von Interferon α<br />

• „grippeartige“ Symptome wie Fieber, Kopfschmerzen<br />

und Übelkeit<br />

• Müdigkeit, Schlafstörungen, Depressionen<br />

• Appetitlosigkeit, Gewichtsverlust<br />

• gastrointestinale Unverträglichkeit, Diarrhö<br />

• Laborveränderungen: Leukozytopenie,<br />

Thrombozytopenie,<br />

• Hypertriglyceridämie<br />

• Schilddrüsenfunktionsstörungen<br />

• Haarausfall<br />

• Exantheme<br />

• Induktion von Autoimmunerkrankungen<br />

• Nebenwirkungen von Ribavirin<br />

• Laborveränderungen: Hämolytische Anämie,<br />

Hyperuricämie<br />

• Teratogenität<br />

• Exantheme, Pruritus<br />

• Appetitlosigkeit<br />

• Husten<br />

• Schlafstörungen<br />

beschrieben. Anschließend wird über<br />

aktuelle Neuerungen berichtet.<br />

Was ist die aktuelle<br />

Standardtherapie der chronischen<br />

Hepatitis C?<br />

Der derzeitige Goldstandard in der<br />

Therapie der chronischen Hepatitis C ist<br />

die Kombination aus pegyliertem Interferon<br />

α plus Ribavirin. Moderne pegylierte<br />

Interferone haben im Vergleich zu den<br />

früher verwendeten Interferonen den<br />

Vorteil einer deutlich verlängerten<br />

Serumhalbwertszeit, sodass eine einzige<br />

subkutane Gabe pro Woche ausreichend<br />

ist. Derzeit stehen in Österreich zwei<br />

pegylierte Interferone zur Verfügung:<br />

Pegasys ® (pegyliertes Interferon α-2a)<br />

und PegIntron ® (pegyliertes Interferon α-<br />

2b). Die empfohlene Dosierung beträgt<br />

für Pegasys ® 180 mg s.c. einmal wöchentlich,<br />

PegIntron ® wird nach Körpergewicht<br />

dosiert (1,5 µg/kg KG/Woche).<br />

Die empfohlene Therapiedauer richtete<br />

sich bis vor kurzem ausschließlich<br />

nach dem Genotyp und betrug sechs<br />

Monate für die Genotypen 2 und 3 bzw.<br />

12 Monate für die Genotypen 1 und 4.<br />

Derzeit wird das Konzept der individualisierten<br />

Therapiedauer favorisiert<br />

(siehe unten). Der HCV-Genotyp<br />

beeinflusst auch die Dosierung von<br />

Ribavirin (Copegus ® , Rebetol ® ), welche<br />

bei Patienten, die mit einem Genotyp 1<br />

oder 4 infiziert sind, 1.000 mg täglich bei<br />

einem Körpergewicht unter 75 kg, bzw.<br />

1.200 mg täglich bei einem Körpergewicht<br />

über 75 kg beträgt. Bei den Genotypen<br />

2 und 3 ist eine Tagesdosis von 800<br />

mg Ribavirin ausreichend. Ribavirin<br />

wird in Form von 200 mg Tabletten oral<br />

verabreicht, wobei die Tagesdosis meist<br />

zur Hälfte in der Früh und zur Hälfte am<br />

Abend eingenommen wird.<br />

Wann sollte eine antivirale<br />

Therapie durchgeführt werden<br />

und welche Kontraindikationen<br />

sind zu beachten?<br />

Im Rahmen der derzeitigen Standardtherapie<br />

können eine Reihe von Nebenwirkungen<br />

auftreten (siehe Tabelle 1),<br />

aus welchen sich zahlreiche Kontraindikationen<br />

ableiten (siehe Tabelle 2). Aus<br />

diesem Grund muss für jeden Patienten<br />

die Indikation zur antiviralen Therapie<br />

nach sorgfältigem Abwägen des möglichen<br />

Benefits gegen das zu erwartende<br />

Risiko und nach genauester Aufklärung<br />

gestellt werden. Manchmal kann als<br />

Entscheidungshilfe – besonders bei<br />

Patienten, die mit einem Genotyp 1<br />

oder 4 infiziert sind – die Durchführung<br />

einer Leberbiopsie sinnvoll sein, um die<br />

Entzündungsaktivität und das Fibrosestadium<br />

zu bestimmen.<br />

Bei Patienten, die stabil auf eine Substitutionstherapie<br />

eingestellt sind, kann<br />

eine antivirale Therapie der chronischen<br />

Hepatitis C durchgeführt werden. In<br />

vielen Fällen ist jedoch eine intensive<br />

interdisziplinäre Zusammenarbeit (z.B.<br />

mit Psychiatern, Sozialarbeitern oder<br />

Drogentherapeuten) erforderlich.<br />

Was ist während der antiviralen<br />

Therapie zu beachten?<br />

Vor Therapiebeginn müssen mit dem<br />

Patienten mögliche Nebenwirkungen<br />

genau besprochen werden (siehe Tabelle<br />

1). Insbesondere muss der Patient darauf<br />

seite 10 DER MEDIZINER 5/<strong>2010</strong><br />

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50


Fachkurzinformation siehe Seite 14


HEPATITIS C<br />

Fortbildung<br />

aufmerksam gemacht werden, dass während<br />

der Therapie und innerhalb der ersten<br />

sechs Monate nach Therapieende auf<br />

eine strenge Kontrazeption zu achten ist,<br />

unabhängig davon, ob der Mann oder die<br />

Frau therapiert werden, da eine teratogene<br />

Wirkung von Ribavirin beim Menschen<br />

nicht ausgeschlossen werden kann.<br />

Prinzipiell sollten alle Patienten unter<br />

Therapie mit pegyliertem Interferon α<br />

und Ribavirin engmaschig (meist in<br />

vierwöchigen Intervallen) kontrolliert<br />

werden. Im Rahmen der Kontrollen<br />

sollte neben den Transaminasen auch<br />

das Blutbild bestimmt werden, um therapiebedingte<br />

Veränderungen (Anämie,<br />

Thrombozytopenie oder Leukozytopenie)<br />

zu erfassen und darauf reagieren zu<br />

können. Alle drei Monate sollten Kontrollen<br />

der Schilddrüsenhormone, der<br />

Triglyceride und der Harnsäure durchgeführt<br />

werden. Die zur Bestimmung<br />

des virologischen Ansprechens empfohlenen<br />

PCR-Kontrollen sind in den<br />

Abbildungen 1 und 2 zusammengefasst.<br />

Bei allen Genotypen sollte zu Woche 4<br />

eine qualitative PCR durchgeführt werden,<br />

da daraus – wie neueste Forschungsergebnisse<br />

zeigen konnten –<br />

eventuell eine Verkürzung der Therapiedauer<br />

resultieren kann (siehe unten).<br />

Welche Ansprechtypen auf<br />

die antivirale Therapie können<br />

unterschieden werden?<br />

Für die Beurteilung des Therapieerfolges<br />

ist es nötig, die unterschiedlichen<br />

Ansprechtypen auf die antivirale Therapie<br />

zu kennen:<br />

„Sustained response“: Das Erreichen<br />

einer „sustained response“ (SVR) stellt<br />

das Ziel der Therapie der chronischen<br />

Hepatitis C dar. In diesem Fall sinkt der<br />

Virustiter während der Therapie unter<br />

die Nachweisgrenze und auch nach Therapieende<br />

kann HCV-RNA nicht im<br />

Serum nachgewiesen werden. Von einer<br />

SVR spricht man per definitionem, wenn<br />

sechs Monate nach Therapieende keine<br />

HCV-RNA im Serum nachweisbar ist.<br />

Große Studien haben gezeigt, dass dies<br />

einer Heilung der Infektion entspricht<br />

und zu einem späteren Zeitpunkt mit<br />

keinen Rezidiven zu rechnen ist.<br />

„Relapse“: Leider kommt es bei<br />

einem Teil der Patienten, die primär gut<br />

auf die antivirale Therapie ansprechen<br />

und während der Therapie HCV-RNA<br />

negativ werden, innerhalb der ersten<br />

sechs Monate nach Therapieende zum<br />

Wiederauftreten von HCV-RNA im<br />

Serum.<br />

„Break-through“: Kommt es während<br />

der antiviralen Therapie zum Wiederauftreten<br />

des Virus im Serum, nachdem<br />

der Virustiter zuvor schon unter der<br />

Nachweisgrenze war, so spricht man von<br />

einem „break-through“. In diesem Fall<br />

sollte die Therapie abgebrochen werden,<br />

da eine Interferonresistenz des<br />

Virusstammes anzunehmen ist.<br />

„Non-response“: Eine „Non-response“<br />

liegt vor, wenn nach 12 Wochen Therapie<br />

die Viruskonzentration im Serum im Vergleich<br />

zum Ausgangswert nicht um mindestens<br />

zwei dekadische Logarithmen<br />

(d.h. > 99%) abgesunken ist oder wenn<br />

nach 24 Wochen Therapie immer noch<br />

HCV-RNA im Serum nachweisbar ist.<br />

Bei Vorliegen einer „Non-response“<br />

sollte die antivirale Therapie abgebrochen<br />

werden, da große Studien gezeigt<br />

haben, dass bei Fortführung der Therapie<br />

die Chance auf eine SVR so gering<br />

ist, dass die Erfolgsaussichten der Therapie<br />

in keinem vernünftigen Verhältnis<br />

zu Risiko und Kosten stehen.<br />

Was versteht man unter dem<br />

modernen Konzept der<br />

„individualisierten Therapiedauer“?<br />

Es hat sich gezeigt, dass der wichtigste<br />

Parameter zur Beurteilung der Chancen,<br />

eine SVR zu entwickeln, das virologische<br />

Ansprechen während der Frühphase der<br />

antiviralen Therapie ist: Je früher im<br />

Laufe der Therapie die HCV-RNA aus<br />

Individualisierte Therapiedauer bei Genotyp 1<br />

Abbildung 1<br />

dem Serum verschwindet, desto höher<br />

sind die Chancen, eine SVR zu erzielen<br />

und desto kürzer ist die Behandlungsdauer,<br />

die notwendig ist. Es wird deshalb<br />

empfohlen, die Therapiedauer individuell<br />

– abhängig vom virologischen Ansprechen<br />

des Patienten – zu wählen.<br />

Individualisierte Therapiedauer<br />

bei Genotyp 1<br />

Vier Wochen nach Therapiebeginn<br />

sollte erstmals eine PCR durchgeführt<br />

werden. Einige Studien zeigten, dass bei<br />

Patienten, die bereits zu Woche 4 PCRnegativ<br />

sind (man spricht in diesem<br />

Zusammenhang von einer „rapid virologic<br />

response“, RVR), auch bei einer Verkürzung<br />

der Therapiedauer auf 24<br />

Wochen sehr gute Heilungsraten (SVR<br />

77–90%) erzielt werden können. Dies gilt<br />

insbesondere für Patienten, die vor Therapiebeginn<br />

eine niedrige Viruslast aufweisen<br />

(je nach Studie < 600.000 IU/ml<br />

bzw. < 800.000 IU/ml). Trotz dieser<br />

Erfolge empfehlen wir speziell bei<br />

Patienten, die vor Therapiebeginn eine<br />

hohe Viruslast aufweisen, keine generelle<br />

Therapieverkürzung auf 24 Wochen, da<br />

es Hinweise gibt, dass auch bei Patienten<br />

mit RVR die SVR-Raten durch eine 48wöchige<br />

Therapie noch um einige Prozentpunkte<br />

gesteigert werden können.<br />

Besonders bei schlechter Verträglichkeit<br />

der antiviralen Therapie sollte jedoch die<br />

Möglichkeit einer Therapieverkürzung<br />

mit dem Patienten diskutiert werden.<br />

Nach 12 Wochen Therapie wird der<br />

Virustiter im Serum neuerlich bestimmt.<br />

Falls zu diesem Zeitpunkt die Viruskon-<br />

seite 12 DER MEDIZINER 5/<strong>2010</strong>


5/<strong>2010</strong> DER MEDIZINER<br />

Individualisierte Therapiedauer bei Genotyp 2/3<br />

zentration nicht um mindestens zwei<br />

dekadische Logarithmen (d.h. um mehr<br />

als 99%) im Vergleich zum Ausgangswert<br />

vor Therapiebeginn gesunken ist,<br />

sollte die Therapie abgebrochen werden,<br />

da eine Interferonresistenz anzunehmen<br />

ist.<br />

Bei Patienten, bei denen die Viruskonzentration<br />

zu Woche 12 um mehr als<br />

99% gesunken ist, wird die Therapie<br />

zunächst bis Woche 24 fortgesetzt (=<br />

Monat 6). Ist zu diesem Zeitpunkt das<br />

Virus im Serum mittels PCR noch nachweisbar,<br />

wird die Therapie abgebrochen.<br />

Tabelle 2<br />

Kontraindikationen gegen eine antivirale<br />

Therapie<br />

Kontraindikationen gegen Interferon α<br />

• Thrombozytopenie (< 50.000/μl), Leukozytopenie<br />

(< 2.000/μl)<br />

• schwere Allgemeinerkrankungen<br />

• Autoimmunerkrankungen<br />

• Schwangerschaft oder unzureichende<br />

Kontrazeption<br />

• endogene Depression, Schizophrenie,<br />

Epilepsie<br />

• aktiver Drogen- oder Alkoholabusus<br />

• Psoriasis und andere Hauterkrankungen<br />

• dekompensierte Leberzirrhose<br />

• hepatische Enzephalopathie, Aszites,<br />

Ösophagusvarizen<br />

Kontraindikationen gegen Ribavirin<br />

• Anämie<br />

• symptomatische koronare Herzkrankheit<br />

• Vorsicht bei Vorliegen von vaskulären Risikofaktoren<br />

(Diabetes mellitus, Hypertonie,<br />

Hyperlipidämie, Nikotinabusus, Adipositas)<br />

• Gicht<br />

• Alter über 65 Jahre (Indikation nur mit Vorsicht<br />

durch einen Spezialisten)<br />

Abbildung 2<br />

Bei negativer PCR zu Woche 24 wird<br />

die Therapie bis Woche 48 fortgesetzt,<br />

falls zu Woche 12 kein Virus mehr im<br />

Serum nachweisbar war. Falls der<br />

Patient zu Woche 12 noch PCR-positiv<br />

war, wird die Therapie bis Woche 72<br />

fortgesetzt. Den rationalen Hintergrund<br />

für diese Vorgangsweise lieferten mehrere<br />

Studien, die zeigten, dass bei<br />

Patienten, bei denen zu Woche 12 die<br />

Viruskonzentration zwar um mehr als<br />

99% gesunken ist, aber immer noch das<br />

Virus nachweisbar ist, die SVR-Raten<br />

durch eine Verlängerung der Therapie<br />

auf 72 Wochen (im Vergleich zu einer<br />

Therapie durch 48 Wochen) signifikant<br />

erhöht werden können. Die Wahl der<br />

Therapiedauer in Abhängigkeit von der<br />

Viruskinetik beim Genotyp 1 ist in<br />

Abbildung 1 zusammengefasst.<br />

Individualisierte Therapiedauer<br />

bei Genotyp 2 und 3<br />

Auch bei den Genotypen 2 und 3 sollte<br />

bereits nach vier Wochen Therapie die<br />

Virusmenge im Serum kontrolliert werden.<br />

Mehrere Studien zeigten, dass<br />

Patienten, die eine RVR aufweisen, d.h.<br />

bei denen bereits nach vier Wochen Therapie<br />

kein Virus mehr im Serum nachweisbar<br />

ist, auch im Falle einer Therapieverkürzung<br />

auf 12 bis 16 Wochen eine<br />

sehr hohe Chance auf eine SVR haben.<br />

Die größte bisher publizierte Studie<br />

ergab jedoch, dass bei Patienten mit<br />

RVR die SVR-Raten nach 24 Wochen<br />

Therapie signifikant höher sind als nach<br />

16 Wochen Therapie. Eine Verkürzung<br />

der Therapiedauer auf 12–16 Wochen ist<br />

daher auch bei Patienten mit RVR nur<br />

HEPATITIS C<br />

Fortbildung<br />

dann zu empfehlen, wenn die antivirale<br />

Therapie sehr schlecht vertragen wird<br />

oder der Patient dies ausdrücklich<br />

wünscht.<br />

Patienten, die zu Woche 4 noch PCR<br />

positiv sind, weisen in allen Studien nach<br />

einer 24-wöchigen Therapie relativ niedrige<br />

SVR-Raten auf. Es wird daher empfohlen,<br />

bei diesen Patienten die Therapiedauer<br />

auf 48 Wochen zu verlängern,<br />

obwohl es für diese Vorgangsweise bisher<br />

in der Literatur keine überzeugenden<br />

Belege gibt. Die Wahl der Therapiedauer<br />

in Abhängigkeit von der Viruskinetik bei<br />

den Genotypen 2 und 3 ist in Abbildung<br />

2 zusammengefasst.<br />

Wie hoch sind die<br />

Heilungschancen mit der<br />

derzeitigen Standardtherapie?<br />

Der wichtigste Faktor, der die Erfolgsaussichten<br />

einer antiviralen Therapie<br />

determiniert, ist der Genotyp: Die Heilungschancen<br />

bei Genotyp 1 betragen<br />

40–50%, bei den Genotypen 2 und 3<br />

hingegen trotz der kürzeren Therapiedauer<br />

und der niedrigeren Ribavirindosis<br />

80–90%. Weitere Faktoren, die in<br />

Studien als positive Prädiktoren hinsichtlich<br />

des Ansprechens auf die antivirale<br />

Therapie identifiziert wurden, sind:<br />

niedrige Viruslast vor Therapiebeginn,<br />

junges Alter, niedriger BMI, präzirrhotisches<br />

Stadium, Fehlen einer signifikanten<br />

Steatosis hepatis sowie Nichtvorhandensein<br />

eines Diabetes mellitus.<br />

Afroamerikaner hatten in klinischen<br />

Studien regelmäßig geringere SVR-<br />

Raten als Kaukasier.<br />

Was sind die wichtigsten<br />

Limitationen der derzeitigen<br />

Standardtherapie?<br />

Leider können mit der derzeitigen<br />

Standardtherapie nicht alle Patienten<br />

geheilt werden, sondern die Erfolgsaussichten<br />

sind „nur“ 40–50% für Infektionen<br />

mit dem Genotyp 1 und 80–90% für<br />

Infektionen mit den Genotypen 2 und 3.<br />

Es stellt sich daher die Frage, wie man<br />

jene Patienten behandeln soll, die auf die<br />

Standardtherapie nicht angesprochen<br />

haben. Dabei muss zwischen „Relapsern“<br />

und „Nonrespondern“ unterschieden<br />

werden: „Relapser“ haben eine<br />

akzeptable Heilungschance, wenn die<br />

Standardtherapie ein zweites Mal durchgeführt<br />

wird und die Therapiedauer<br />

dabei sechs Monate länger dauert als bei<br />

der Ersttherapie.<br />

seite 13


HEPATITIS C<br />

Fortbildung<br />

Patienten hingegen, die auf eine Ersttherapie<br />

mit pegyliertem Interferon plus<br />

Ribavirin eine „Nonresponse“ zeigten,<br />

haben auch im Falle einer Zweittherapie<br />

mit dem derzeitigen Standardregime<br />

sehr niedrige Erfolgsaussichten (etwa 6–<br />

10%).<br />

Ein weiteres großes Problem besteht<br />

darin, dass aufgrund von Kontraindikationen<br />

(siehe Tabelle 2) nur ein relativ<br />

geringer Anteil aller Patienten mit<br />

chronischer Hepatitis C für eine antivirale<br />

Therapie geeignet ist. Aus den<br />

genannten Gründen ist die Entwicklung<br />

effektiverer und nebenwirkungsärmerer<br />

Medikamente von größter Bedeutung.<br />

Welche aktuellen Neuerungen<br />

gibt es auf dem Gebiet<br />

der Therapie der<br />

chronischen Hepatitis C?<br />

In einer genomweiten Assoziationsstudie<br />

konnte vor kurzem gezeigt werden,<br />

dass ein Single-Nukleotid-Polymorphismus<br />

im Bereich rs12979860 am<br />

Chromosom 19 (19q13.13), nahe dem<br />

Gen für Interleukin 28B, hochsignifikant<br />

mit der Wahrscheinlichkeit, eine<br />

SVR zu erreichen, assoziiert ist. Der<br />

Genotyp mit günstiger Prognose ist bei<br />

Kaukasiern wesentlich häufiger zu finden<br />

als bei Afroamerikanern. Das unterschiedliche<br />

Ansprechen von Kaukasiern<br />

und Afroamerikanern auf die antivirale<br />

Therapie ist demnach zur Hälfte durch<br />

den genannten Polymorphismus erklärbar.<br />

Auch für einige andere Polymorphismen<br />

konnte ein Einfluss auf die<br />

Erfolgsaussichten der Therapie nachgewiesen<br />

werden. Es ist daher zu erwarten,<br />

dass die Bestimmung zumindest einiger<br />

dieser Polymorphismen in Zukunft klinischer<br />

Standard werden wird, um<br />

bereits vor Therapiebeginn die Erfolgsaussichten<br />

der Therapie genauer<br />

abschätzen zu können und vielleicht<br />

auch die genaue Therapiedauer auf individueller<br />

Basis besser planen zu können.<br />

Eine ganze Reihe von Substanzen, die<br />

spezifisch bestimmte Moleküle des<br />

HCV hemmen (darunter Protease-,<br />

Polymerase-, und Helicaseinhibitoren)<br />

oder das Immunsystem modulieren,<br />

befinden sich derzeit in klinischer Testung.<br />

Das Konzept, gezielt im Labor<br />

Substanzen zu synthetisieren, die<br />

bestimmte HCV-Enzyme hemmen, wird<br />

als STAT-C („specifically targeted antiviral<br />

therapy for HCV“) bezeichnet.<br />

Am weitesten fortgeschritten ist in<br />

diesem Zusammenhang die Entwicklung<br />

von sogenannten Proteasehemmern.<br />

Besonders zwei Proteasehemmer<br />

(Telaprevir und Boceprevir) zeigten in<br />

Phase-2-Studien sehr vielversprechende<br />

Ergebnisse und werden wohl in etwa<br />

zwei Jahren Marktreife erlangen. Diese<br />

Substanzen werden vorläufig nur in<br />

Kombination mit Interferon und Ribavirin<br />

angewandt. Die bisher vorliegenden<br />

Studienergebnisse lassen erwarten,<br />

dass mit Hilfe dieser Substanzen die<br />

SVR-Raten bei Genotyp 1 um etwa<br />

20% gehoben werden können (und das<br />

obwohl – zumindest bei Anwendung<br />

von Telaprevir – die Therapiedauer auf<br />

sechs Monate verkürzt werden kann).<br />

Auch für Genotyp-1-Patienten, die auf<br />

die Standardtherapie eine „Nonresponse“<br />

zeigten, bieten Proteasehemmer<br />

neue Chancen: In einer Phase-2<br />

Studie konnte durch die Gabe von<br />

Peginterferon plus Ribavirin plus Telaprevir<br />

durch 12 Wochen gefolgt von<br />

Peginterferon plus Ribavirin durch weitere<br />

12 Wochen bei 39% der Patienten<br />

eine SVR erzielt werden.<br />

Das Fernziel der Therapie der chronischen<br />

Hepatitis C besteht darin, durch<br />

eine Kombination aus Proteasehemmern<br />

und Polymerasehemmern (eventuell<br />

zusammen mit weiteren kleinen<br />

Molekülen, die gezielt die Replikation<br />

von HCV hemmen) eine SVR zu erreichen.<br />

In diesem Fall könnte man den<br />

Patienten die potentiellen Nebenwirkungen<br />

von Interferon und Ribavirin<br />

ersparen. Erste wissenschaftliche Studien<br />

vermitteln den Eindruck, dass dieses<br />

Ziel bereits in nicht allzu ferner<br />

Zukunft erreicht werden könnte und<br />

dass die Therapie der chronischen<br />

Hepatitis C daher vor einem Quantensprung<br />

steht.<br />

Prim. Univ.-Prof. Dr. Michael<br />

Gschwantler, Dr. Emina Dulic-Lakovic,<br />

Dr. Melisa Dulic<br />

Wilhelminenspital der Stadt Wien<br />

4. Medizinische Abteilung<br />

Montleartstraße 37, A-1160 Wien<br />

Tel.: +43/1/49 150-24 01, Fax-Dw: -24 09<br />

michael.gschwantler@wienkav.at<br />

Pegasys® 135 bzw. 180 Mikrogramm Injektionslösung in einer Fertigspritze. Qualitative und quantitative Zusammensetzung: Eine Fertigspritze enthält Peginterferon alfa-2a* 135 bzw. 180 Mikrogramm. Jede Fertigspritze mit<br />

0,5 ml Lösung enthält 135 bzw. 180 Mikrogramm Peginterferon alfa-2a*. Die Stärke bezieht sich auf die Menge des Interferon alfa-2a Anteils von Peginterferon alfa-2a ohne Berücksichtigung der Pegylierung. *Der arzneilich wirksame<br />

Bestandteil, Peginterferon alfa-2a, ist ein kovalentes Konjugat des Proteins Interferon alfa-2a, das mittels rekombinanter DNA-Technologie in Escherichia coli mit bis-[Monomethoxy-Polyethylenglykol] hergestellt wird. Die Wirksamkeit<br />

dieses Arzneimittels sollte nicht mit der Wirksamkeit anderer pegylierter oder nicht pegylierter Proteine derselben therapeutischen Klasse verglichen werden. Für weitere Informationen siehe veröffentlichte Fachinformation Abschnitt<br />

5.1 „Pharmakodynamische Eigenschaften“. Sonstiger Bestandteil: Benzylalkohol (10 mg/1 ml). Anwendungsgebiete: Chronische Hepatitis B: Pegasys ist indiziert zur Behandlung der HBeAg-positiven und HBeAg-negativen chronischen<br />

Hepatitis B bei erwachsenen Patienten mit kompensierter Lebererkrankung, mit Nachweis viraler Replikation, erhöhten GPT-Werten und histologisch verifizierter Leberentzündung und/oder -fibrose (siehe veröffentlichte Fachinformation<br />

Abschnitte 4.4 "Besondere Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung" und 5.1 "Pharmakodynamische Eigenschaften"). Chronische Hepatitis C: Pegasys ist indiziert zur Behandlung erwachsener Patienten mit chronischer<br />

Hepatitis C, deren Serum HCV-RNA-positiv ist, einschließlich Patienten mit kompensierter Zirrhose und/oder mit einer klinisch stabilen HIV-Begleitinfektion (siehe veröffentlichte Fachinformation Abschnitt 4.4 "Besondere Warnhinweise<br />

und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung"). Pegasys wird bei Patienten mit chronischer Hepatitis C am besten in Kombination mit Ribavirin angewendet. Die Kombination von Pegasys und Ribavirin ist indiziert bei<br />

unvorbehandelten Patienten und bei Patienten, bei denen eine vorhergehende Therapie mit Interferon alfa (pegyliert oder nicht pegyliert) alleine oder in der Kombinationstherapie mit Ribavirin versagt hat. Die Monotherapie ist hauptsächlich<br />

bei einer Intoleranz oder Kontraindikationen gegen Ribavirin indiziert. Gegenanzeigen: - Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff, alfa-Interferone oder einen der sonstigen Bestandteile. - Hepatitis als Autoimmunerkrankung.<br />

- Schwere Dysfunktion der Leber oder dekompensierte Leberzirrhose. - Neugeborene und Kleinkinder bis zu 3 Jahren, da das Arzneimittel Benzylalkohol enthält (siehe veröffentlichte Fachinformation Abschnitt 4.4 „Besondere Warnhinweise<br />

und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung" zu Benzylalkohol). - Schwere vorbestehende Herzerkrankung in der Anamnese, einschließlich instabiler oder unkontrollierter Herzerkrankung in den vergangenen sechs Monaten<br />

(siehe veröffentlichte Fachinformation Abschnitt 4.4 "Besondere Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung") - Die Anwendung von Pegasys ist bei HIV-HCV-Patienten mit Zirrhose und einem Child-Pugh-Wert > 6 kontraindiziert.<br />

Wenn Pegasys in Kombination mit Ribavirin angewendet werden soll, beachten Sie bezüglich der Kontraindikationen zu Ribavirin auch die Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels (Fachinformation) von Ribavirin.<br />

Liste der sonstigen Bestandteile: Natriumchlorid, Polysorbat 80, Benzylalkohol (10 mg/1 ml), Natriumacetat, Essigsäure, Wasser für Injektionszwecke. Inhaber der Zulassung: Roche Registration Limited, 6 Falcon Way, Shire Park,<br />

Welwyn Garden City, AL7 1TW, Vereinigtes Königreich. Verschreibungspflicht/Apothekenpflicht: Rezept- und apothekenpflichtig, wiederholte Abgabe verboten. Pharmakotherapeutische Gruppe: Immunstimulanz/Cytokin, ATC-<br />

Code: L03A B11. Besondere Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung, Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln und sonstige Wechselwirkungen sowie Informationen zu Schwangerschaft<br />

und Stillzeit und zu Nebenwirkungen sind der veröffentlichten Fachinformation zu entnehmen.<br />

Seroquel XR 50 mg - Retardtabletten, Seroquel XR 200 mg - Retardtabletten, Seroquel XR 300 mg - Retardtabletten, Seroquel XR 400 mg - Retardtabletten. Pharmakotherapeutische Gruppe: Antipsychotika; Diazepine,<br />

Oxazepine und Thiazepine. ATC-Code: N05A H04. Qualitative und quantitative Zusammensetzung: Seroquel XR 50 mg enthält 50 mg Quetiapin (als Quetiapinfumarat). Sonstiger Bestandteil: 119 mg Lactose (Anhydrid) pro Retardtablette,<br />

Seroquel XR 200 mg enthält 200 mg Quetiapin (als Quetiapinfumarat). Sonstiger Bestandteil: 50 mg Lactose (Anhydrid) pro Retardtablette. Seroquel XR 300 mg enthält 300 mg Quetiapin (als Quetiapinfumarat). Sonstiger<br />

Bestandteil: 47 mg Lactose (Anhydrid) pro Retardtablette. Seroquel XR 400 mg enthält 400 mg Quetiapin (als Quetiapinfumarat). Sonstiger Bestandteil: 15 mg Lactose (Anhydrid) pro Retardtablette. Sonstige Bestandteile: Tablettenkern<br />

Mikrokristalline Cellulose. Natriumcitrat, Lactose-Monohydrat, Magnesiumstearat, Hypromellose. Tablettenüberzug Hypromellose, Macrogol, Titandioxid (E171), Eisenoxid, Gelb (E172) (50 mg, 200 mg und 300 mg Retardtabletten)<br />

Eisenoxid, Rot (E172) (50 mg Retardtabletten). Anwendungsgebiete: • Seroquel XR wird verwendet zur Behandlung von Schizophrenie, einschließlich der Rückfallprävention bei mit Seroquel XR stabil eingestellten Patienten. • Seroquel<br />

XR wird verwendet zur Behandlung der bipolaren Erkrankung: zur Behandlung von mittelgradigen bis schweren manischen Episoden innerhalb der bipolaren Erkrankung; zur Behandlung von Episoden der Major Depression innerhalb<br />

der bipolaren Erkrankung; zur Rückfallprävention bei bipolaren Patienten, die in der manischen oder depressiven Episode auf die Quetiapin-Behandlung angesprochen haben. Gegenanzeigen: Überempfindlichkeit gegenüber dem<br />

Wirkstoff oder einen der sonstigen Bestandteile des Arzneimittels. Die gleichzeitige Verabreichung von Cytochrom-P-450-3A4-Inhibitoren wie HIV-Proteasehemmern, Antimykotika vom Azoltyp, Erythromycin, Clarithromycin und Nefazodon<br />

ist kontraindiziert. Inhaber der Zulassung: AstraZeneca Österreich GmbH, Schwarzenbergplatz 7, A-1037 Wien. Verschreibungspflicht/Apothekenpflicht: Rezept- und apothekenpflichtig, wiederholte Abgabe verboten. STAND<br />

Oktober 2009. Informationen zu den Abschnitten „Besondere Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung, Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln und sonstige Wechselwirkungen, Schwangerschaft und Stillzeit,<br />

Nebenwirkungen sowie den Gewöhnungseffekten sind der veröffentlichten Fachinformation (z.B. Austria Codex) zu entnehmen.<br />

seite 14 DER MEDIZINER 5/<strong>2010</strong><br />

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50


SCHIZOPHRENIE<br />

Fortbildung<br />

Ganzheitlicher Therapieansatz in der Behandlung<br />

von Schizophrenie<br />

Dr. Hans Peter Bilek<br />

Das Phänomen Wahnsinn hat Menschen<br />

natürlich schon immer auf das<br />

Heftigste beschäftigt. Sinngemäß bedeutet<br />

es sinnlose, unsteuerbare Zerstörung.<br />

„Das ist ein Wahnsinn.“ ist aus unserem<br />

Sprachgebrauch nicht wegzudenken und<br />

wird in allen Situationen des Alltags verwendet,<br />

in der der Betroffene sich überfordert<br />

fühlt und eben den Eindruck hat,<br />

dass etwas zerstört wird und er sich dagegen<br />

nicht wehren kann.<br />

Vom Wesen her ist der Wahnsinn im<br />

eigentlichen – dieser in einem psychiatrischen<br />

– Sinn das Gleiche: es kommt zu<br />

einer Entkoppelung von der Realität,<br />

die Kognition lässt aus, der Betroffene<br />

kommt in einen nicht mehr kontrollierbaren<br />

Zustand, weder von außen noch<br />

von innen. Moralische und ethische<br />

Grenzen, die uns z.B. davon abhalten,<br />

eine mörderische Wut, die wir auf jemanden<br />

haben, auch umzusetzen, gelten<br />

nicht mehr.<br />

Diese Entkoppelung gab auch der<br />

Krankheit ihren Namen „Schizophrenie“<br />

(wörtlich: abgespaltene Seele).<br />

Mitte des 19. Jahrhunderts hat sich die<br />

Medizin der Krankheit angenommen<br />

und sich gleichsam dafür zuständig erklärt.<br />

Dabei hat die (Schul-)Medizin aus<br />

ihrem naturwissenschaftlichen Ansatz<br />

heraus auch folgerichtig den Wahn als<br />

unkorrigierbar und unverstehbar gesehen<br />

(Bleuler; auch Freud war noch der<br />

Meinung, dass Erkrankungen aus dem<br />

psychotischen Formenkreis unbehandelbar<br />

sind).<br />

Es bedurfte einiger Entwicklung, um<br />

diese Aussage zu korrigieren. Die „Er-<br />

findung“ der Psychotherapie, die Psychoneuroimmunologie,<br />

die – wie in der<br />

Psychosomatik schon lange bekannt –<br />

nachwies, dass es anatomisch fassbare<br />

körperlich/seelische Verbindungen gibt<br />

und – als zur Zeit der letzte Entwicklungsschritt<br />

– die Neurobiologie, die unter<br />

anderem dem Unbewussten einen<br />

topographisch definierten Ort zuweisen<br />

konnte (die rechte Hemisphäre).<br />

Der verhängnisvolle Denkfehler, der<br />

aus dem cartesianischen Denken erwuchs,<br />

die Trennung von Körper und<br />

Seele, wurde (und wird) im Sinne des<br />

von Kuhn (T.S. Kuhn: The Structure of<br />

Scientific Revolutions, 1962) angekündigten<br />

Paradigmenwechsels schrittweise<br />

ausgemerzt.<br />

In der Psychotherapie selbst hat es<br />

ebenfalls bedeutsame Entwicklungen<br />

gegeben. Unter anderem wurde dem ursprünglich<br />

von der Pathologie hergeleiteten<br />

Ansatz (Freud) durch Maslow eine<br />

„Gesundheitspsychologie“ gegenübergestellt<br />

und damit auch ein Grundstein<br />

für ein salutogenetisches Denken gelegt.<br />

Im Feld der Psychiatrie gab es zwei<br />

wesentliche Entwicklungen, erstens die<br />

Einführung der Neuroleptikums Mitte<br />

der 50er-Jahre, das stärkste Angst dämpfende<br />

Medikament, das wir kennen, das<br />

das „Handling“ des Patienten wesentlich<br />

erleichterte und eine „Gegenströmung“<br />

zur vorherrschenden Meinung<br />

der biologischen Psychiatrie, die der<br />

„Antipsychiatrie“ rund um den Englischen<br />

Psychiater Ronald Laing († 1989),<br />

einleitete. Sie versuchte die Pathologisierung<br />

der Patienten und die damit verbundene<br />

Stigmatisierung aufzuheben<br />

und sprach von „Verrücktsein“ im Sinne<br />

von: Etwas ist von einem zum anderen<br />

Standort verschoben worden.<br />

Bedeutsam waren auch die Erkenntnisse<br />

der italienischen Familientherapeuten<br />

Selvini/Palazoli, die erstmals<br />

sichtbar machten, dass es einen systemischen<br />

Aspekt in der Entstehung einer<br />

Geisteskrankheit gibt, d.h. dass Familienstrukturen<br />

pathogen sein können.<br />

All diese Erkenntnisse und Entwicklungen<br />

waren die Voraussetzung dafür,<br />

dass die Ansicht der Wahn wäre unverstehbar,<br />

unkorrigierbar und damit unbehandelbar<br />

verändert werden konnte und<br />

musste.Vor allem auch die Erkenntnisse<br />

– insbesondere der Psychoanalyse – zum<br />

Thema Narzissmus und Frühstörung waren<br />

ein weiterer Meilenstein.<br />

Im Zuge einer intensiven Auseinandersetzung<br />

mit dem Thema unter dem<br />

Gesichtspunkt der Therapie stellt sich<br />

aber die Frage, was denn eine Psychose<br />

ist. Die Psychiatrie hat eine große Zahl<br />

beschreibender Aspekte (nosologische<br />

Einteilungen), der Frage aber, was denn<br />

das für ein Phänomen sei, eine psychotische<br />

Störung, wurde – so scheint es – bisher<br />

nicht nachgegangen.<br />

In zwei Publikationen (Bilek, Weidinger:<br />

Der gestalttherapeutische Ansatz in<br />

der Behandlung psychotischer Störungen;<br />

in Hutterer, Krisch: Psychotherapie<br />

mit psychotischen Menschen. 1994. Bilek:<br />

Die Psychose aus gestalttheoretischer<br />

Sicht; Psychotherapie Forum<br />

II/1995) habe ich zu dem Thema Arbeiten<br />

verfasst, die dieser Frage nachgegangen<br />

sind.<br />

seite 16 DER MEDIZINER 5/<strong>2010</strong>


In der ersten Arbeit wurde postuliert,<br />

dass es sich um eine Wahrnehmungsstörung<br />

handelt und der Betroffene nicht<br />

mehr „gestalthaft“ (also sinnhaft**)<br />

wahrnehmen kann. Wir führten den Begriff<br />

des „Gestaltzerfalls“ ein.<br />

In der zweiten Arbeit schlug ich vor,<br />

die Psychose als „Orientierungsdekompensation“<br />

zu sehen. Um den Begriff zu<br />

verstehen ist es notwendig, einen weiteren<br />

von mir eingeführten Begriff zu erläutern,<br />

den der IV. Nahrungsqualität.<br />

Der Ausgangspunkt dafür: die Schulmedizin<br />

(die naturwissenschaftlich orientierte<br />

Medizin) geht davon aus, dass wir<br />

Sauerstoff, Wasser und feste Nahrung<br />

zum Überleben brauchen. Es lässt sich<br />

aber leicht nachweisen, dass diese Annahme<br />

(dieses Postulat) nicht stimmt<br />

(insbesondere die Arbeiten von Reneè<br />

Spitz* zeigen das), sondern dass es auch<br />

einer vierten Qualität bedarf, nämlich<br />

der des Kontaktes.<br />

Der Mangel an Kontakt ist also ebenfalls<br />

tödlich, so wie der Mangel an den<br />

drei anderen Nahrungsqualitäten. Dabei<br />

ist hervorzuheben, dass der psychotische<br />

Zustand letztlich als ein physiologisches<br />

Phänomen einzuschätzen ist, das immer<br />

in einer extremen Notsituation auftritt,<br />

also auch als Notmaßnahme einzuordnen<br />

ist (das „kleinere Übel“). Man<br />

denke an die „Fata Morgana“ ein<br />

Wahnphänomen, das im Zuge des Verdurstens<br />

entsteht,an die Auslösung einer<br />

Psychose durch eine extreme Deprivation,<br />

etwa bei Dunkelhaft, etc. Reinhold<br />

Messner beschrieb Wahnphänomene<br />

unter dem Einfluss des Sauerstoffmangels<br />

und der großen Erschöpfung beim<br />

Gipfelanstieg. Auch in Märchen findet<br />

sich oft das Phänomen „Psychose“ unter<br />

dem Gesichtspunkt extremer Notlagen<br />

wie z.B. bei Hans Christian Andersen:<br />

Das Mädchen mit den Schwefelhölzern.<br />

Noch ein wesentlicher Fehler ist im<br />

naturwissenschaftlichen Ansatz enthalten,<br />

nämlich der Umstand, dass dieser<br />

auf der Aristotelischen Logik beruht<br />

und diese wiederum aus vier Urgründen<br />

zusammengesetzt ist – Causae. Der<br />

vierte, die causa finalis, die Wozu-Frage,<br />

ist aber verloren gegangen. Erst die Psychotherapie<br />

brachte sie uns wieder zurück.<br />

So fragte Alfred Adler, der Begründer<br />

der Individualtherapie nach<br />

dem „teleologischen Aspekt“ einer<br />

Krankheit, eines Symptoms. Dies war<br />

wegbereitend dafür, in der Krankheit<br />

auch eine Sinnhaftigkeit zu erkennen.<br />

5/<strong>2010</strong> DER MEDIZINER<br />

Durch das Durchbrechen der – falschen<br />

– Grundannahmen (siehe Paradigmawechsel),<br />

die in der Schulmedizin<br />

enthalten sind, entsteht ein klareres<br />

Bild, wie der Mechanismus – die Psychodynamik<br />

– abläuft, der eine Person in<br />

eine Krise bringen kann, die eine psychotische<br />

Dimension annimmt.<br />

Orientierungsdekompensation bedeutet,<br />

dass das Individuum sich im Suchen<br />

nach einer – psychischen – Nahrungsquelle<br />

nicht mehr zu Recht findet.<br />

Sehr einfach lässt sich das in der Situation<br />

eines sexuellen Kindesmissbrauchs<br />

verstehen: Die Eltern sind für das Kind<br />

einerseits (über-)lebensnotwendig, andererseits<br />

sind sie die Quelle von Entwürdigung<br />

und Zerstörung. Diese Unvereinbarkeit<br />

(„Catch 22“) versucht nun<br />

das Kind so lange wie möglich (aus<br />

Überlebensgründen) aufrecht zu erhalten.<br />

Wenn im späteren Leben eine weitere<br />

Belastung hinzukommt – in klassischer<br />

Weise das Eintreten der Pubertät –<br />

kommt es zur Dekompensation.<br />

Der Umstand, dass diese Dekompensation<br />

oft ein Leben lang anhält (der sog.<br />

„schizophrene Defekt“) ist darin zu suchen,<br />

dass das Leben des Betroffenen<br />

immer mehr zwischen seinen inhärenten<br />

Wünschen und seiner – trostlosen – Realsituation<br />

auseinanderklafft. Wie im<br />

Anhang beschrieben, hat der Patient F.S.<br />

im Rahmen des aktuellen katamnestischen<br />

Gespräches klar gemacht, dass<br />

seine Außenwelt für ihn deprimierend<br />

ist, während seine Innenwelt (oder der<br />

persistierende Primärprozess) all das<br />

enthält, was er sich wünscht.<br />

Ich gehe davon aus, dass psychische<br />

Gesundheit einer „narzisstischen Kongruenz“<br />

bedarf,d.h.,das was in einem Individuum<br />

angelegt ist (das Potential, die<br />

Talente) muss im Außen eine Entsprechung<br />

finden. Ich erinnere das Schicksal<br />

eines etwa 20-jährigen Mädchens aus<br />

meiner psychiatrischen Ausbildungszeit:<br />

Sie kam hochpsychotisch nach einem<br />

(über-)ehrgeizigen Schulversuch zu uns<br />

an die Abteilung. Im Rahmen der Reintegration<br />

in den Arbeitsprozess erhielt<br />

sie einen Job als Stubenmädchen in einem<br />

Altersheim.Dort stürzte sie sich aus<br />

dem vierten Stock.<br />

Zusammenfassung<br />

Das bio-psycho-soziale Modell, die Erweiterung<br />

des psychosomatischen Ansatzes,<br />

ist die unmittelbare Folge des Para-<br />

SCHIZOPHRENIE<br />

Fortbildung<br />

digmenwechsels. Das Verlassen einer eindimensionalen,<br />

will heißen symptomatischen,<br />

Betrachtungsweise von Krankheit<br />

hat mehrschichtige Veränderungen zur<br />

Folge. Eine Bedeutsame ist, dass das<br />

schier unüberwindliche Dogma der Unheilbarkeit<br />

– eine zäh verteidigte Position<br />

der Schulmedizin – ins Wanken geriet.<br />

Diese beiden Aufsätze zum Thema sollten<br />

an Hand eines konkreten Fallbeispiels<br />

zeigen,dass das alte Selbstverständnis<br />

von Wahn und Psychose überholt ist.<br />

Ich habe die einzelnen historischen Entwicklungsschritte<br />

aufgezeigt,die zu dieser<br />

Entwicklung geführt haben.<br />

Mein eigener Beitrag war es, der Frage<br />

nachzugehen, was eigentlich eine Psychose<br />

ist, denn ich kann mich einer<br />

Krankheit nicht effizient therapeutisch<br />

nähern,wenn ich nicht um das Phänomen<br />

und seine tiefere Bedeutung weiß.<br />

Einen weiteren Entwicklungsschritt<br />

sehe ich im Verlassen des „pathologischen“<br />

Denkens, d.h. dass der Arzt oder<br />

der Therapeut sich nur in pathologischen<br />

Denkansätzen bewegt; der Ansatz<br />

von Maslow, die Psyche des Gesunden<br />

zu untersuchen und die Gedanken der<br />

Antipsychiatrie, haben dazu geführt, ein<br />

Lösungs- und Ressourcen orientiertes<br />

Arbeiten einzuleiten. Die „Wiederentdeckung“<br />

der „causa finalis“ – in der<br />

„Wozu-Frage“ verpackt – führt dazu, die<br />

Sinnhaftigkeit einer Erkrankung – und<br />

sei sie auch noch so schwer – zu erfassen,<br />

zu akzeptieren.<br />

Als ganz wesentlich erscheint mir<br />

noch, dass der Kontakt – von mir die<br />

vierte Nahrungsqualität benannt – für<br />

Menschen ebenso überlebenswichtig ist<br />

wie Sauerstoff,Wasser und Nahrung.Die<br />

Nichtbeachtung dessen erscheint mir<br />

sehr zeittypisch zu sein.<br />

Alle diese Elemente zusammen ergeben<br />

den ganzheitlichen Ansatz, der, wie<br />

die Fallgeschichte zeigen soll, durchaus<br />

dazu angetan ist, eine Heilung herbeizuführen.<br />

Anhang<br />

Katamnestisches Gespräch mit dem<br />

Patienten F.S. zwei Jahre nach Beendigung<br />

der Gruppentherapie:<br />

Status: bewusstseinsklar, geordnet, ruhig,<br />

im Denken kohärent, mit adäquater<br />

emotionaler Reaktion.<br />

seite 17


SCHIZOPHRENIE<br />

Fortbildung<br />

F.S. berichtet, dass er nun seit einigen<br />

Monaten bei seinem Vater mitarbeitet,<br />

der ein Transportunternehmen hat. Im<br />

letzten halben Jahr habe er sich „auf die<br />

Psychose voll eingelassen“, d.h. er wollte<br />

sich besser kennen lernen und dem Phänomen<br />

auf den Grund gehen. Er höre<br />

seine Stimmen, „zucke aber nicht aus“; es<br />

sei ihm gelungen, mit sich selbst „den<br />

Kampf aufzunehmen“. In dieser Zeit<br />

habe er auch keine Medikamente genommen.<br />

Z.Z nimmt er wieder ein Neuroleptikum.<br />

Momentan lebt er alleine, habe<br />

vor kurzem eine Beziehung zu einer Frau<br />

beendet, die ihm aber sehr abgehe.<br />

Zum „Stimmenhören“ meint er, diese<br />

bilden seine „eigene Welt“ ab. Dort sei er<br />

der Held und habe all das erreicht, was<br />

ihm in seinem derzeitigen Leben verwehrt<br />

ist, er sich aber schon als Kind erträumt<br />

habe (So wäre er gern „Master of<br />

disaster…“ und fügt hinzu „…auch wenn<br />

dies humoristisch ist“).<br />

Kommentar: Wie klar erkennbar, ist<br />

F.S. einerseits in seinem Auftreten unauffällig,<br />

andererseits existiert noch diese<br />

„zweite Welt“, hauptsächlich repräsentiert<br />

durch das Stimmenhören (vermutlich<br />

der persistierende Primärprozess).<br />

Seine Ich-Stärke ist jedoch so angewachsen,<br />

dass er – und das erscheint mir das<br />

Wichtigste – die Wahnbilder für sich<br />

selbst korrigieren kann. Schon der oben<br />

zitierte R. Laing wies darauf hin, dass das<br />

Phänomen des Stimmenhörens sehr<br />

lange fortbesteht, aber in dem Augenblick<br />

keinen Krankheitswert hat, in dem<br />

der Betroffene dazu eine kritische Haltung<br />

einnehmen kann.<br />

*Von ihm stammt u.a. auch der Begriff<br />

des Hospitalismus.<br />

**Der Begriff der „Gestalt“ kommt in<br />

diesem Zusammenhang aus der Gestaltpsychologie.<br />

Gestaltwahrnehmung ist<br />

die Grundvoraussetzung für die Orientierung<br />

in der Welt. Sie bedeutet, dass<br />

wir aus den auf uns einströmenden<br />

Wahrnehmungen Bilder (= Gestalten)<br />

formen und diese in Bezug auf unsere<br />

Bedürfnisse deuten können.<br />

Literatur beim Verfasser<br />

Dr. Hans Peter Bilek<br />

FA für Psychiatrie/Neurologie,<br />

Psychotherapeut, Lehrtherapeut der<br />

Österr. Ärztekammer<br />

hpbilek@hp-bilek.at<br />

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Spielen auf den<br />

Wiesen, Gartenarbeit, Sonnenbäder,<br />

Grillfeste und Heurigenbesuche laden<br />

dazu ein, viel Zeit in der Natur zu verbringen.<br />

Dort warten aber häufig lästige<br />

Insekten, deren Stiche oder Bisse dem<br />

Menschen gefährlich werden können.<br />

Gegen Gelsen, Zecken und Co kann<br />

man sich jedoch ganz leicht mit dem Hansaplast<br />

Insekten-Sortiment, dem Hansaplast<br />

Anti-Insekten Spray, der Hansaplast<br />

Anti-Insekten Lotion und dem Hansaplast<br />

Insektenstich Gel schützen. Während<br />

der Hansaplast Anti-Insekten Spray<br />

und die Hansaplast Anti-Insekten Lotion<br />

zur Vorbeugung gegen Stiche entwickelt<br />

wurden, gibt es das Hansaplast Insektenstich<br />

Gel zur Behandlung der oft<br />

heftig juckenden Stichwunden.<br />

Vorbeugen ist besser:<br />

Hansaplast Anti-Insekten<br />

Spray und Anti-Insekten Lotion<br />

Die Stich- und Bisswunden heimischer<br />

Insekten sollten nicht unterschätzt<br />

werden, können diese Tierchen<br />

doch mit ihren Stichen und<br />

Bissen so manche Krankheit übertra-<br />

gen. Borreliose oder<br />

eine Infektion mit<br />

der Frühsommer-<br />

Meningoenzephalitis<br />

können langwierige<br />

Folgeschäden<br />

nach sich ziehen.<br />

Um unnötigen<br />

Komplikationen aus dem Weg zu gehen,<br />

empfiehlt es sich, die Tiere bereits im Vorfeld<br />

abzuwehren. Dies gelingt besonders<br />

einfach durch die Anwendung des Hansaplast<br />

Anti-Insekten Sprays oder der Hansaplast<br />

Anti-Insekten Lotion. Beide sind<br />

besonders leicht aufzutragen und auf ihre<br />

Hautverträglichkeit mehrfach erfolgreich<br />

getestet. Der Hansaplast Anti-Insekten<br />

Spray beziehungsweise die hautfreundliche,<br />

fettfreie Hansaplast Anti-Insekten<br />

Lotion schützen bis zu sechs Stunden vor<br />

Gelsen und bis zu vier Stunden vor<br />

Zecken. Einfach aufzutragen, wurden sie<br />

für die Anwendung am Körper und im<br />

Gesicht entwickelt. Sie ziehen rasch ein<br />

und sind auch für Kinder ab zwei Jahren<br />

hervorragend geeignet.<br />

Hansaplast: Soforthilfe<br />

bei Insektenstichen<br />

Ist das Malheur jedoch bereits geschehen<br />

und Insektenstiche vorhanden, kann<br />

man mit dem Hansaplast Insektenstich<br />

Gel rasch den quälenden Juckreiz lindern.<br />

Besonders Kinder leiden unter den Stichen<br />

und neigen dazu, sie aufzukratzen.<br />

Durch Erreger, die häufig auf den Fingern<br />

oder unter den Nägeln zu finden<br />

sind, kann das Aufkratzen der Stiche zu<br />

bösen Entzündungen führen.<br />

Das Hansaplast Insektenstich Gel<br />

kühlt die betroffenen Stellen und mindert<br />

dadurch den Juckreiz.<br />

Darüber hinaus<br />

beruhigen die natürlichen<br />

Wirkstoffe Hamamelis<br />

und Panthenol die<br />

irritierte Haut. Dank seiner<br />

fettfreien Formel<br />

zieht das Hansaplast<br />

Insektenstich Gel rasch<br />

ein und überzeugt damit<br />

durch den hohen Komfort<br />

in der Anwendung.<br />

FB<br />

seite 18 DER MEDIZINER 5/<strong>2010</strong><br />

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50


Fachkurzinformation siehe Seite 32


MORBUS PARKINSON<br />

Fortbildung<br />

Nichtmotorische Symptome bei<br />

Morbus Parkinson – ein Überblick<br />

OA Dr. Volker Tomantschger<br />

Beim idiopathischen Parkinson-Syndrom<br />

handelt es sich nicht nur um eine<br />

klassische motorische Bewegungskrankheit,<br />

sondern gemeinsam mit Akinese,<br />

Rigor und Tremor treten bereits in der<br />

prämotorischen Phase eine Reihe von<br />

nicht-motorischen Symptomen auf. Betroffene<br />

leiden oft schon Jahre bevor die<br />

Parkinson-Krankheit diagnostiziert wird<br />

unter den nicht-motorischen Symptomen,<br />

die von Riech-, Schlafstörungen,<br />

Schmerzen und Beeinträchtigungen des<br />

autonomen Nervensystems über<br />

Depressionen und neuropsychiatrischen<br />

Einschränkungen bis zu Störungen des<br />

Magen-Darm- und Urogenitaltraktes<br />

reichen können (Tabelle 1). Im fortgeschrittenen<br />

Stadium treten die nichtmotorischen<br />

Probleme immer häufiger<br />

auf und stehen für Betroffene und Angehörige<br />

schlussendlich im Vordergrund.<br />

Sensorische Dysfunktionen<br />

Riechstörungen<br />

Riechstörungen werden in der Literatur<br />

mit einer Häufigkeit von bis zu 95%<br />

angegeben. Das Vorkommen ist unabhängig<br />

von Alter und Geschlecht.<br />

Patienten mit einer Multisystematrophie<br />

(MSA) weisen im Krankheitsverlauf<br />

nur eine leichte Hyposmie oder ein<br />

weitgehend unauffälliges Riechvermögen<br />

auf.<br />

Tabelle 1<br />

Nicht-Motorische Symptome<br />

• Sensorische Störungen<br />

• Neuropsychiatrische Einschränkungen<br />

• Schlafstörungen<br />

• Störungen autonomen Nervensystems<br />

Sehbeeinträchtigung<br />

Ein retinales dopaminerges Defizit<br />

zeigt sich in Form von Sehunschärfe,<br />

gestörtem Farbsehen und Problemen<br />

der Farbdiskrimination, wobei diesbezüglich,<br />

neben der Optimierung der Einstellung,<br />

keine gut wirksame medikamentöse<br />

Hilfe angeboten werden kann.<br />

In diesem Zusammenhang muss aber<br />

die bekannte Akkomodationsschwäche<br />

unter Dopaminagonisten bedacht werden.<br />

Schmerz und Sensibilitätsstörungen<br />

Störungen der zentralen sensiblen<br />

Wahrnehmung wie Taubheit und Gefühllosigkeit<br />

werden zunehmend im<br />

Patientengespräch erfragt, wobei auch<br />

hier die Behandlungsmöglichkeiten begrenzt<br />

sind und kontrollierte Studien<br />

nicht vorliegen.<br />

Die Schmerzen bei Parkinson-Betroffenen<br />

können muskuloskeletalen, neuropathisch-radikulären,<br />

dystonen oder<br />

zentralen Ursprungs sein.<br />

Neuropsychiatrische<br />

Einschränkungen<br />

Depression<br />

Das Risiko einer späteren Parkinson’schen<br />

Erkrankung ist bei Patienten<br />

mit depressiven Erkrankungen im Vergleich<br />

zu der Normalbevölkerung um<br />

das Zwei- bis Dreifache erhöht (Schuurrman<br />

et al, 2002 1 ). Angst und Agoraphobie,<br />

Panikattacken und soziale<br />

Phobie werden bei 20–40% der Parkinson-Patienten<br />

beschrieben und treten<br />

häufig im Kontext mit Depressionen auf<br />

(Shulman et al, 2001 2 ). Depressive Episoden<br />

beeinflussen den Verlauf der Erkrankung<br />

negativ und reduzieren die<br />

Lebensqualität der Betroffenen. Das<br />

Bild einer Depression beim Parkinson<br />

ist nicht ident mit einer klassischen<br />

endogenen Depression.<br />

Bei Parkinson-Patienten sind vermehrt<br />

Dysphorie, Traurigkeit, Reizbarkeit<br />

und Pessimismus anzutreffen. Eine<br />

niedrigere Suizidrate ist bekannt.<br />

Patienten mit ausgeprägten motorischen<br />

Schwankungen beschreiben auch<br />

ausgeprägte Fluktuationen der Stimmungslage.<br />

In diesen Fällen ist eine Verbesserung<br />

mit der Optimierung der<br />

medikamentösen Therapie zu erzielen.<br />

Demenz<br />

Bei der Parkinson-Demenz stehen initial<br />

nicht die Gedächtnisstörungen im<br />

Vordergrund, sondern vielmehr die<br />

Beeinträchtigungen der Aufmerksamkeit,<br />

des Planens und Durchführens zielgerichteter<br />

Handlungen, der Wort-flüssigkeit<br />

und der visuell-räumlichen<br />

Funktionen. Bereits im Frühstadium<br />

zeigen sich Veränderungen im Bereich<br />

der exekutiven (z.B. Planen und Problem<br />

lösen) und emotional-sozialen<br />

Funktionen (z.B. Schwierigkeiten Wünsche,<br />

Emotionen mitzuteilen).<br />

Risikofaktoren für die Entwicklung<br />

einer Demenz sind ein spätes Manifestationsalter<br />

von über 65 Jahren, Vorkommen<br />

von Halluzinationen, familiäre<br />

Demenz, schwerer Verlauf und frühe<br />

Entwicklung von Verwirrtheitszuständen<br />

unter L-Dopa.<br />

seite 20 DER MEDIZINER 5/<strong>2010</strong>


Bei Parkinson-Patienten treten definitionsgemäß<br />

die motorischen Symptome<br />

ein Jahr vor den dementiellen Veränderungen<br />

auf, wobei bei der Demenz mit<br />

Lewy-Körperchen die Parkinson-Symptome<br />

sich gleichzeitig oder nach der<br />

Demenz entwickeln.<br />

Die Diagnostik umfasst die neuropsychologische<br />

Testung und Zusatzuntersuchungen<br />

mit SPECT/PET.<br />

Psychose und Halluzinationen<br />

Im Verlauf der Parkinson’schen Erkrankung<br />

wird der Prozentsatz der psychotischen<br />

Episoden zwischen 23% und<br />

40% angegeben. Psychotische Symptome<br />

treten meist erst zehn oder mehr<br />

Jahre nach Krankheitsbeginn auf.<br />

Neben den überwiegenden visuellen<br />

Halluzinationen kommen auch taktile,<br />

akustische, und olfaktorische/gustatorische<br />

Halluzinationen vor. Die Berichte<br />

über visuelle Halluzinationen schwanken<br />

zwischen 6% und 60% bei Parkinson<br />

Betroffenen. Sie beziehen sich häufig<br />

auf Tiere oder Objekte und sind von<br />

kurzer Dauer. Den endogenen Risikofaktor<br />

stellt das Vorliegen einer Demenz<br />

dar. Die wichtigsten äußeren Auslöser<br />

sind die Medikation, Infekte, Exsikkose,<br />

metabolische und endokrine Störungen,<br />

Schädel-Hirn-Traumen, akute zerebrale<br />

Erkrankungen.<br />

Verhaltensstörungen<br />

Verhaltensstörungen präsentieren<br />

sich als Impulskontrollstörung mit z.B.<br />

Hypersexualität, pathologischem Spielen,<br />

exzessivem Essen, zwanghaftem<br />

Einkaufen, als Dopamindysregulationssyndrom<br />

mit unkontrollierter eigenmächtiger<br />

dopaminerger Dosissteigerung<br />

und als Punding. Mit Punding wird<br />

ein stereotypes, nicht zielorientiertes<br />

Verhalten bezeichnet, wie z.B. stundenlanges<br />

Sortieren von Gegenständen,<br />

aber auch nächtliche Computerbeschäftigung<br />

verbunden mit einer subjektiv<br />

angenehmen, entspannenden Empfindung.<br />

Die Häufigkeit dieser drei Typen<br />

von Verhaltensstörungen wird mit 2–5%<br />

aller Parkinson-Betroffenen angegeben.<br />

Risikofaktoren für den Verlust der<br />

Impulskontrolle sind die Einnahme von<br />

Dopaminagonisten, möglicherweise auch<br />

hohe Dosen von L-Dopa. Prädisponierende<br />

Faktoren inkludieren weiters das<br />

jüngere Erkrankungsalter, Suchtverhalten<br />

und Persönlichkeitsmerkmale, z.B.<br />

5/<strong>2010</strong> DER MEDIZINER<br />

das Streben nach neuen Reizen und Risikobereitschaft.<br />

Schlafstörungen<br />

Bis zu 90% der Parkinson-Betroffenen<br />

leiden aus verschiedensten Gründen<br />

unter Schlafstörungen. Dabei dominieren<br />

nächtliche Hypo-/Akinesen und<br />

Schlafunterbrechungen, die zu einem<br />

fragmentierten Schlaf führen. Den<br />

nächtlichen Akinesen, Restless-legs-<br />

Symptomen und schmerzhaften frühmorgendlichen<br />

Dystonien wird mit<br />

einer Erhöhung der dopaminergen<br />

Medikation entgegen gewirkt.<br />

Die REM-Schlaf-Störung ist durch<br />

die fehlende völlige Entspannung der<br />

Muskulatur während der Traumphasen<br />

(überwiegend 2. Nachthälfte) gekennzeichnet,<br />

wodurch abrupte Bewegungen<br />

(z.B. Aufstehen) oft verbunden mit<br />

Rufen, Schreien oder auch Lachen die<br />

Schlafqualität des Bettnachbarn erheblich<br />

beeinträchtigen.<br />

Der Erholungseffekt der Betroffenen<br />

ist somit gestört und kann die von jedem<br />

zweiten Parkinson-Erkrankten berichtete<br />

Tagesmüdigkeit verstärken. Die<br />

Tagesmüdigkeit per se ist ein Teil des<br />

Krankheitsbildes, die aber auch durch<br />

Medikamente, besonders Dopaminagonisten,<br />

verstärkt werden kann. Die vielfältigen<br />

Ursachen der Insomnie schließen<br />

die Nykturie mit ein.<br />

Autonome Störungen<br />

Störungen des Verdauungstraktes<br />

Die Funktionsstörungen können den<br />

gesamten Gastrointestinaltrakt betreffen.<br />

Ursächlich für den vermehrten<br />

Speichel ist die Schluckstörung, die bei<br />

50–95% aller Parkinson Betroffenen<br />

gefunden werden kann.<br />

Die Schluckstörung nimmt ihren Ausgang<br />

bereits in einem unzureichenden<br />

Kauvorgang und verlangsamten Bolustransport.<br />

Der gesamte Schluckvorgang<br />

mit möglichen Komplikationen wie<br />

chronischer Laryngitis, Tracheobronchitis<br />

und Aspirationspneumonie ist<br />

betroffen. Eine gestörte Magenentleerung<br />

bis hin zur Gastroparese kann sich<br />

in subjektiven Beschwerden wie Sodbrennen,<br />

Übelkeit, Völlegefühl und<br />

Appetitlosigkeit zeigen und kommt in<br />

allen Stadien der Erkrankung vor.<br />

Dadurch kommt es zu einer gestörten<br />

MORBUS PARKINSON<br />

Fortbildung<br />

Resorption von Levodopa im Jejunum<br />

und zu Wirkungsfluktuationen.<br />

Eine rezente Studie aus Hawaii<br />

berichtet von einem erhöhten Risiko an<br />

idiopathischem Parkinson-Syndrom zu<br />

erkranken, falls der Stuhlgang weniger<br />

häufig als 1x/Tag im Vergleich zu Personen<br />

mit einer Stuhlgangfrequenz mehr<br />

als 1x/Tag vorkommt.<br />

Die Obstipation kann auf die verminderte<br />

körperliche Bewegung, den reduzierten<br />

Tonus von Zwerchfell und<br />

Bauchwandmuskulatur, die reduzierte<br />

Ballaststoff- und Wasserzufuhr und die<br />

Medikamenteneinnahme zurückgeführt<br />

werden. Degenerationsprodukte dopaminerger<br />

Neurone, die Lewy-Körperchen,<br />

sind auch im enterischen Nervenplexus<br />

vom Ösophagus bis zum<br />

Anorektum nachweisbar. Damit kommt<br />

es zu einer pathologisch verlängerten<br />

Kolontransitzeit, die weiters durch die<br />

gestörte Beckenbodenfunktion negativ<br />

beeinflusst werden kann.<br />

Störungen der Blasen und Sexualfunktion<br />

Die Prävalenz der Blasenstörungen<br />

schwankt zwischen 27% und 90%. Das<br />

Auftreten der symptomatischen Blasenfunktionsstörungen<br />

korreliert in erster<br />

Linie mit der Schwere der Erkrankung.<br />

Nicht nur zerebrale Ursachen inkl.<br />

Kognition, sondern auch andere lokale<br />

Ursachen (Harnwegsinfekte, infravesikale<br />

Obstruktionen durch Prostatavergrößerung,<br />

Östrogenmangel etc.) tragen<br />

zu einer Blasenschwäche bei.<br />

Bei MSA-Erkrankten sieht man häufig<br />

einen überaktiven, aber kontraktionsschwachen<br />

Detrusor in Verbindung<br />

mit einer Sphinkterschwäche, so dass<br />

Betroffene über eine überaktive Blase<br />

mit Inkontinenz, aber auch Restharn<br />

klagen. Die Diagnostik beinhaltet<br />

genaues Hinterfragen, Restharnbestimmung,<br />

Prostata- und urodynamische<br />

Untersuchung.<br />

Die Sexualfunktionsstörung ist wie die<br />

Blasenfunktionsstörung bei der MSA<br />

ein Frühsymptom. Beim idiopathischen<br />

Parkinson-Syndrom treten Libidoverlust<br />

und Impotentia coeundi sowie verringerte<br />

Lumbrifikation erst später auf.<br />

Probleme bereiten die erektile Dysfunktion,<br />

während gleichzeitig Dopaminagonisten<br />

oft die Libido steigern. So berichten<br />

in einer Studie von (Verbaan et al<br />

2007 3 ) 55% aller männlichen Patienten<br />

seite 21


MORBUS PARKINSON<br />

Fortbildung<br />

über Erektionsstörungen und 42% über<br />

Ejakulationsstörungen (im Vergleich zu<br />

27% bzw. 24% der altersentsprechenden<br />

Kontrollen). Weibliche Patienten berichteten<br />

über Anorgasmie (bis 75%) und<br />

Libidoverlust (47%). Die Indikation zur<br />

Therapie ergibt sich aus dem subjektiven<br />

symptombezogenen Leidensdruck der<br />

Betroffenen.<br />

Störung der Schweiß- und<br />

Thermoregulation<br />

Die Hyperhidrosis ist besonders mit<br />

OFF-Phasen gekoppelt, tritt aber auch<br />

an unbedeckten und bedeckten Stellen<br />

gleichermaßen unter Wärmebelastung<br />

auf. Ein episodenhaftes starkes Schwitzen<br />

ohne körperliche Belastung wird<br />

von bis zur Hälfte der Betroffenen<br />

beschrieben. Die Attacken treten vermehrt<br />

in den Nachtstunden auf. Gelegentlich<br />

kommt es auch zu Flush-Symptomatik<br />

mit profusem Schwitzen durch<br />

Weiterstellung der peripheren Gefäße.<br />

Erkrankte fühlen sich insbesondere<br />

bei hohen Temperaturen nicht wohl, da<br />

das thermoregulatorische Schwitzen<br />

vermutlich aufgrund einer hypothalamischen<br />

Störung vermindert ist.<br />

Verminderte Hitze- und Kältetoleranz,<br />

Hyperhidrosis bis zur Anhidrosis<br />

sind ursächlich vermutlich auf degenerative<br />

Veränderungen im Hypothalamus,Thalamus<br />

und Hirnstamm und Veränderungen<br />

im sympathischen System<br />

zurück zu führen.<br />

Photographer: Oliver Gast Digital Imaging:<br />

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Störung der kardiovaskulären Regulation<br />

(orthostatische Regulationsstörung)<br />

Im MIBG-SPECT zeigt sich ein Verlust<br />

der noradrenergen sympathischen<br />

Innervation des Herzens bereits in einer<br />

frühen Phase. Dieser Befund lässt sich<br />

konstant bei praktisch allen IPS-Patienten<br />

ab Höhn-und-Yahr Stadium-II<br />

nachweisen, unabhängig vom Vorliegen<br />

klinischer Zeichen für eine autonomen<br />

Funktionsstörung, von der Dauer der<br />

Erkrankung und von der jeweiligen<br />

Medikation.<br />

Anfangs imponiert das Beschwerdebild<br />

als ungerichteter Schwindel besonders<br />

bei raschem Lagewechsel, Benommenheit<br />

und Unscharfsehen. Aufgrund<br />

dieser Konstellation kann es nachfolgend<br />

zu rezidivierenden Stürzen und<br />

Synkopen kommen. Laut Untersuchung<br />

von (Martignoni et al. 2006 4 ) sind Stürze<br />

für mehr als 30% der Aufnahmen der<br />

Parkinson-Erkrankten an Notfallsambulanzen<br />

ursächlich verantwortlich.<br />

Die Medikamenteneinnahme z.B. von<br />

Dopaminagonisten und MAO-B-Hemmern,<br />

aber auch zu Beginn der L-Dopa-<br />

Therapie, kann das klinische Bild verstärken.<br />

Rein sympathisch kann die<br />

körperliche Reaktion etwa 30–50 Minuten<br />

postprandial mit den gleichen Symp<br />

nächtliche Blutdruckanstiege bei Parkinson-Patienten<br />

zu beobachten, die<br />

wiederum medikamentös behandelt<br />

werden und das Blutdruckverhalten<br />

tagsüber damit negativ beeinflussen.<br />

Typisch für die neurogene orthostatische<br />

Hypotonie ist der fehlende Pulsanstieg<br />

trotz Blutdruckabfalls beim Schellong-Test<br />

(einfachste Form des Nach<br />

weises) oder beim Kipptisch-Test.<br />

Für Betroffene und deren Betreuer<br />

haben die nicht-motorischen Symptome<br />

eine enorme Bedeutung für die Lebensqualität.<br />

Diese Symptome müssen von<br />

den betreuenden Ärzten mit Sorgfalt in<br />

Gesprächen erfragt und beobachtet<br />

sowie die möglichen Behandlungsoptionen<br />

diskutiert werden.<br />

In einer der nächsten Ausgaben wird<br />

auf Möglichkeiten der medikamentösen<br />

Therapie bei nicht-motorischen Symptomen<br />

der Parkinson-Erkrankung eingegangen.<br />

Literatur<br />

1. Schuurman AG et al Increased risk of Parkinson's<br />

disease after depression.A retrospective cohort<br />

study.Neurology 2002, AAN Enterprises<br />

2. Shulman LM et al Comorbidity of the nonmotor symptoms<br />

of Parkinson's disease. Mov Disord 2001, 16 (3),<br />

507-510<br />

3. Verbaan D et al Patient-reported autonomic symptoms<br />

in Parkinson disease. Neurology 2007; 69 (4); 329-330<br />

4. Martignoni E et al Cardiovascular dysautonomia as a<br />

cause of falls in Parkinson's disease.Parkinsonism &<br />

Related Disorder, 12 (4); 195-204<br />

OA Dr. Volker Tomantschger<br />

Gailtalklinik Hermagor<br />

Radniger Straße 12<br />

A-9620 Hermagor<br />

volker.tomantschger@gailtal-klinik.at<br />

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seite 22 DER MEDIZINER 5/<strong>2010</strong><br />

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50


MORBUS PARKINSON<br />

Fortbildung<br />

Morbus Parkinson – Diagnose und<br />

Behandlungsstrategien<br />

Dr. Martin Sawires, Prim. Univ.-Doz. Dr. Klaus Berek<br />

Das idiopathische Parkinsonsyndrom<br />

ist eine der häufigsten sporadischen,<br />

neurodegenerativen Erkrankungen mit<br />

einer altersabhängigen zunehmenden<br />

Prävalenz von 60–180/100.000 Einwohnern,<br />

bei den über 65-Jährigen sogar bei<br />

1.800/100.000. Der Erkrankungsbeginn<br />

liegt zwischen dem 50. und 60. Lebensjahr,<br />

bei ca. 10% sogar vor dem 40. Lebensjahr.<br />

Männer und Frauen sind etwa<br />

gleich häufig betroffen.<br />

Ätiologisch kommt es zu einer neuronalen<br />

Degeneration mit Auftreten von intraneuronalen,<br />

eosinophilen Einschlusskörpern<br />

(Lewy-Körperchen) vorwiegend<br />

in der Substantia nigra, mit Verlust melaninhaltiger<br />

Dopamin bildender Neurone<br />

und daraus resultierender Dopaminverarmung<br />

im Corpus striatum.<br />

Die Parkinson-Syndrome werden in<br />

vier Kategorien eingeordnet zu denen neben<br />

dem 1) idiopathischen Parkinson-Syndrom<br />

auch 2) familiäre Formen und 3)<br />

symptomatische bzw. sekundäre Parkinsonsyndrome<br />

gehören wie medikamenteninduzierte<br />

(Neuroleptika, Kalziumantagonisten,<br />

Antiemetika, VPA), vaskuläre<br />

(SAE), entzündliche (AIDS), metabolische<br />

(M. Wilson, M. Fahr), posttraumatische<br />

oder solche, die durch einen Normaldruckhydrocephalus<br />

bedingt sind. Eine<br />

weitaus seltenere Gruppe sind die sogenannten<br />

4) atypische Parkinsonsyndrome<br />

(Multisystematrophie (MSA), progressive<br />

supranukleäre Blickparese (PSP),<br />

kortikobasale Degeneration (CBD),<br />

Lewy-Körper Demenz). Sie sind unter<br />

anderem gekennzeichnet durch einen<br />

rasch progredienten Verlauf mit zumeist<br />

fehlendem oder nur geringem Ansprechen<br />

auch auf sehr hohe L-Dopa-Dosen<br />

(Levodopa) und Auftreten von Zusatzsymptomen<br />

wie eine vertikale Blickparese,<br />

rez. Stürze, Dysphagie, Dysarthrie,<br />

Apraxie, zerebelläre Zeichen, ausgeprägter<br />

Antecollis und schwere autonome<br />

Symptome (orthostatische Hypotension,<br />

Synkopen, Impotenz, Inkontinenz) bereits<br />

in der Frühphase der Erkrankung.<br />

Die Lebenserwartung ist deutlich verkürzt.<br />

Klinik des<br />

Morbus Parkinson<br />

Das Parkinson-Syndrom ist charakterisiert<br />

durch die Kardinalsymptome Bradykinese<br />

sowie eines der Symptome Ruhetremor<br />

(4–6 Hz), Rigor oder posturale Instabilität.<br />

Unterstützende Kriterien für<br />

die Diagnose eines idiopathischen Parkinson-Syndroms<br />

sind der einseitige Beginn,<br />

das gute Ansprechen auf dopaminerge<br />

Therapien (guter L-Dopa-Effekt über<br />

Tabelle 1<br />

Durchführung des L-Dopa-Test<br />

1. Domperidon 3 x 20 mg über 24 Stunden vorher<br />

2. lösliches L-Dopa + Decarboxylase-Hemmer 100–200 mg nüchtern<br />

3. UPDRS 1/2 Stunde vor und eine Stunde nach dem Test<br />

Bewertung<br />

Positiver Test (Besserung > 30% des UPDRS-III-Wertes) stützt die Diagnose eine Parkinson-Syndroms<br />

das Symptom Tremor muss nicht ansprechen<br />

auch bei negativem Test kann ein L-Dopa-Therapie sich als effektiv erweisen<br />

fünf Jahre) sowie eine langsame progrediente<br />

Krankheitsentwicklung bei anhaltender<br />

asymmetrischer Ausprägung.<br />

Nichtmotorische Phänomene umfassen<br />

in ca. 40% somatosensorische Phänome<br />

(Dysästhesien,Schmerzen),kognitive bzw.<br />

psychische Symptome (Demenz, Halluzinationen)<br />

und vegetative Störungen (orthostatische<br />

Dysregulation, Impotenz,<br />

Obstipation, Blasenfunktionsstörungen).<br />

Diagnostik<br />

Neben den klinischen Kriterien eines<br />

Parkinson-Syndroms ist ein positives Ansprechen<br />

auf pharmakologische Funktionstests,<br />

wie den L-Dopa- oder auch den<br />

seltener verwendeten Apomorphin-Test,<br />

wegweisend (Tab. 1). Eine Besserung des<br />

UPDRS-III-Wertes (Unified Parkinson<br />

Disease Rating Scale) um mehr als 30%<br />

eine Stunde nach Medikamentenapplikation<br />

spricht für ein L-Dopa-sensitives<br />

Symptom.<br />

Bildgebende Untersuchungen umfassen<br />

neben dem CT und MRT auch nuklearmedizinische<br />

Verfahren (SPECT<br />

und PET-Techniken) mit Untersuchungen<br />

der dopaminergen Neurotransmission,<br />

wodurch eine ätiologische Zuordnung<br />

eines Parkinson-Syndroms, insbesondere<br />

im Frühstadium, erleichtert<br />

werden kann. Zudem müssen symptomatische<br />

Formen ausgeschlossen werden<br />

(medikamentös induzierte Formen,<br />

metabolische Ursachen, NPH etc.).<br />

Pharmakotherapie<br />

Ziel der pharmakologischen Therapie<br />

ist eine gute Kontrolle der motorischen<br />

Symptome bei möglichst niedrigem Ri-<br />

seite 24 DER MEDIZINER 5/<strong>2010</strong>


siko vom Auftreten von Nebenwirkungen<br />

wie dopaminerg induzierten Halluzinationen<br />

oder auch L-Dopa-Langzeitsymptomen,<br />

wie Dyskinesien bzw. On/Off-Fluktuationen<br />

(Tab. 2). L-Dopa-Langzeitsymptome<br />

werden in Zusammenhang mit<br />

schwankenden Wirkspiegeln und dadurch<br />

bedingter pulsatiler Dopaminrezeptorstimulation,<br />

insbesondere unter steigender<br />

Dosierung, gebracht.<br />

Aktuelle Therapiestrategien sehen daher<br />

vor, einen kontinuierlichen Wirkspiegel<br />

aufrecht zu erhalten. Diesbezüglich<br />

muss man sich der Halbwertszeiten der<br />

entsprechenden Substanzen bewusst sein.<br />

Da das Auftreten entsprechender Nebenwirkungen<br />

mit Dauer der medikamentösen<br />

Therapie zunimmt, wird die Abwägung<br />

der initialen Therapie bei jüngeren<br />

berufstätigen Menschen erschwert. Hier<br />

sollte ein Kompromiss zwischen möglichst<br />

geringer Dosis und gerade noch tolerierbarer<br />

Symptomkontrolle getroffen werden.<br />

Entsprechenden Empfehlungen zufolge<br />

sollte ein Therapiebeginn mit L-<br />

Dopa erst nach dem 70. Lebensjahr<br />

erfolgen. Davor sind nach Möglichkeiten<br />

zuerst Dopaminagonisten alleine oder in<br />

Kombination mit L-Dopa einzusetzten<br />

bzw. kann bei gering ausgeprägter Symptomatik<br />

auch eine Monotherapie mit Amantadin<br />

oder einem MAO-B Hemmer begonnen<br />

werden.<br />

L-Dopa und Decarboxylasehemmer<br />

L-Dopa stellt nach wie vor einer der<br />

besten wirksamen Substanzen dar, da es<br />

den fehlenden Neurotransmitter direkt<br />

ersetzt. Es wird vor erreichen der Blut-<br />

Hirn-Schranke durch die periphere Aminosäuredecarboxylase<br />

(in Leber und GI-<br />

Trakt) in Dopamin umgewandelt, welches<br />

nicht liquorschrankengängig ist.<br />

5/<strong>2010</strong> DER MEDIZINER<br />

Daher ist die Gabe eines Hemmstoffes<br />

der peripher wirksamen Aminosäuredecarboxylase<br />

notwendig (Benserazid,<br />

Carbidopa). Die erhältlichen Präparate<br />

sind daher als entsprechende Kombinationen<br />

verfügbar (Madopar ® , Sinemet ® ).<br />

Die Dosierung hat einschleichend zu<br />

erfolgen unter Gabe eines Antiemetikums<br />

(z.B. Motilium ® 10 mg 3 x 1). Aufgrund<br />

der kurzen Halbwertszeit von zwei<br />

Stunden wird die Dosis initial auf drei<br />

Einnahmezeitpunkte verteilt (z.B. 3 x 100<br />

mg). Abhängig von Wirkung und Nebenwirkung<br />

können sich zum einem die Einnahmezeitpunkte<br />

verkürzen (dann 4–5<br />

tägliche Gaben wenn die L-Dopa-Wirkung<br />

vorzeitig nachlässt, wearing off),<br />

oder die Dosis muss erhöht werden, um<br />

eine bessere Symptomkontrolle zu erzielen.Es<br />

kann aber auch notwendig werden,<br />

die Einzeldosis zu verringern, wenn es<br />

zum Auftreten von störenden Peak-dose-<br />

Dyskinesien kommt.<br />

Retardiertes L-Dopa (Madopar CR ® )<br />

wird vor allem vor dem Schlafengehen zur<br />

Therapie der nächtlichen Akinese eingenommen.<br />

Daneben steht auch eine lösliche<br />

Form zur Verfügung (Madopar LT ® ),<br />

die zur Anwendung als „Rescue-Medikation“<br />

bei plötzlich eintretenden Off-Phasen<br />

aber auch zur Bewältigung der frühmorgendlichen<br />

Akinese dient.<br />

Um eine ausreichende intestinale Resorption<br />

zu gewährleisten, sollten die Einnahmezeitpunkte<br />

eine halbe Stunde vor<br />

bzw. eine Stunde nach dem Essen liegen.<br />

Zudem sind eiweißhältige Mahlzeiten<br />

(z.B. Milch, Joghurt) zu meiden.<br />

Als Nebenwirkungen einer L-Dopa-<br />

Therapie sind Übelkeit, Erbrechen,<br />

Schwindel und Hypotonie zu erwähnen.<br />

MORBUS PARKINSON<br />

Fortbildung<br />

Langzeitnebenwirkungen liegen wie bereits<br />

erwähnt im Auftreten vom sogenannten<br />

L-Dopa-Langzeitsyndrom, welches<br />

nach etwa fünf- bis sechsjähriger<br />

Monotherapie mehr als die Hälfte der<br />

Patienten betrifft. Neben L-Dopa-induzierten<br />

Dyskinesien, welche am häufigsten<br />

zu Zeiten des klinischen Wirkmaximums<br />

jeder Einzeldosis auftreten, entwickelt<br />

etwa ein Drittel der betroffenen<br />

Patienten schmerzhafte, dystone Verkrampfungen<br />

der distalen Extremitäten,<br />

insbesondere einseitige Zehen-, Fuß- und<br />

Wadenkrämpfe. Sie treten vor allem in<br />

der zweiten Nachthälfte bzw. in den frühen<br />

Morgenstunden nach dem einnahmefreien<br />

Intervall der Nacht auf. Eine<br />

nachlassende Wirkung der Einzeldosis<br />

wird als wearing off beschrieben und erfordert<br />

eine erneute Anpassung der dopaminergen<br />

Therapien (siehe Tab. 2).<br />

Eine innovative, hochpotente, jedoch<br />

invasive Behandlungsoption für das<br />

fortgeschrittene idiopathische Parkinsonsyndrom<br />

stellt die kontinuierliche<br />

intraduodenale Levodopa-Substitution<br />

über eine PEG-Sonde mittels Duodopa<br />

® -Pumpe dar. Indikationen für<br />

diese Therapieform sind belastende<br />

Wirkfluktuationen, die auf orale Medikation<br />

therapierefraktär sind oder auch<br />

Parkinsonpatienten mit Schluckstörungen.<br />

COMT-Hemmer<br />

Tabelle 2<br />

Wirkungsfluktuationen/ Manifestation Pathophysiologie medikamentöse Therapiestrategien<br />

Dyskinesien<br />

Wearing Off/ langsame Symptom- L-Dopa Halbwertszeit • zusätzlich Dopaminagonist<br />

End-of-Dose-Akinese Verschlechterung präsynapt. Speicherung • Erhöhung L-Dopa-Tagesdosen bei<br />

Reduktion der Einzeldosen oder Gabe von<br />

Retardpräperaten<br />

• zusätzl. Gabe eines COMT- oder MAO-B-Hemmers<br />

On-Off rascher Wirkungsverlust komplexe striatale Mechanismen • lösliches L-Dopa oder Apomorphin s.c.<br />

mit plötzlichem Off • Apomorphin-Pen<br />

Off-Dyskinesien schmerzhafte Dystonien niedrige dopaminerge Stimulation • lösliches L-Dopa oder Apomorphin s.c<br />

• retardiertes L-Dopa<br />

hpt. frühmorgendlich • Dopaminagonisten mit langer HWZ<br />

• COMT-Hemmer zum L-Dopa<br />

On Dyskinesien choreatische meist nicht diskontinuierliche • L-Dopa-Einzeldosis Reduktion und ggf.<br />

schmerzhafte synaptische Dopamin- Gabe eines Dopaminagonisten<br />

Dyskinesien freisetzung • Amantadin bis 3 x 100 mg<br />

Dopamin und L-Dopa wird über das<br />

Enzym Catechol-O-Methyltransferase<br />

(COMT) abgebaut. Das in der Leber vorkommende<br />

COMT wandelt L-Dopa in 3-<br />

O-Methyl-Dopa um, welches eine Halbwertszeit<br />

von ca. zwölf Stunden hat und<br />

den Übertritt von L-Dopa durch die Blut-<br />

Hirn-Schranke hemmt. Dementspre-<br />

seite 25


MORBUS PARKINSON<br />

Fortbildung<br />

chend führt eine COMT-Inhibition zu einer<br />

Potenzierung und Verlängerung der L-<br />

Dopa-Wirkung. Hierdurch entsteht nicht<br />

nur ein L-Dopa sparender Effekt durch<br />

eine Einzeldosisreduktion, es zeigt sich<br />

auch eine signifikante Verlängerung der<br />

On-Zeiten von ca. ein bis zwei Stunden.<br />

COMT-Hemmer sind nur bei Auftreten<br />

von Wirkungsfluktuationen vom Wearing-Off-Typ<br />

unter L-Dopa-Therapie zugelassen.<br />

Sie werden gleichzeitig mit L-<br />

Dopa eingenommen. An Präparaten stehen<br />

neben Entacapon (Comtan ® ) auch<br />

Tolcapon (Tasmar ® ) zur Vefügung. Tolcapon<br />

verfügt zwar über eine potentere<br />

COMT-Hemmung, ist aber Medikament<br />

zweiter Wahl aufgrund seiner möglichen<br />

hepatotoxischen Wirkung (drei tödlich<br />

verlaufende Hepatopathien) und des dadurch<br />

notwendig gewordenen Lebermonitorings.<br />

COMT-Hemmer können L-<br />

Dopa bedingte Nebenwirkungen wie<br />

Dyskinesien verstärken und führen mitunter<br />

auch zu einer Dunkelfärbung des<br />

Urins als auch zu Diarrhoen.Eine COMT<br />

Hemmer Monotherapie ist nicht zulässig.<br />

Zur einfacheren Anwendung bei motorischen<br />

Wirkungsfluktuationen ist die<br />

fixe Kombination aus L-Dopa, Carbidiopa<br />

und Entacapon (Stalevo ® ) am<br />

Markt erhältlich. Einen präventiven Effekt<br />

bezüglich des Auftretens von Dyskinesien<br />

unter der Annahme eines kontinuierlicheren<br />

Wirkspiegels konnte bislang<br />

nicht nachgewiesen werden. Zu<br />

beachten ist, dass dieses Kombinationspräparat<br />

nicht geteilt werden darf.<br />

Orale Dopaminagonisten<br />

Dopaminagonisten wirken direkt an<br />

striatalen Dopaminrezeptoren. Bei den<br />

oralen Dopaminagonisten stehen die Ergotderivate<br />

Bromocriptin (Umprel ® ), Lisurid<br />

(Dopergin ® ), Pergolid (Permax ® ),<br />

Cabergolin (Cabaseril ® ) und die Non-Ergotderivate<br />

Pramipexol (Sifrol ® ), Ropinirol<br />

(Requip ® , Requip modutab ® ) sowie<br />

das transdermal applizierbare Rotigotin<br />

(Neupro ® ) zur Verfügung. Vorteile einer<br />

transdermalen Applikation sind die einmal<br />

tägliche Gabe, eine dadurch erhöhte<br />

Compliance, fehlende gastrointestinale<br />

Interaktionen mit Nahrungsmitteln oder<br />

oralen Pharmaka, Medikamentengabe<br />

bei Patienten mit Schluckstörungen bzw.<br />

perioperative Therapie sowie Umgehung<br />

des First-pass-Effekts der Leber.<br />

Studien zur initialen Monotherapie mit<br />

Dopaminagonisten belegen ihre Wirk-<br />

samkeit. Zudem zeigt sich eine verminderte<br />

Inzidenz von motorischen Spätkomplikationen<br />

gegenüber L-Dopa. Die<br />

frühe Kombinationstherapie von Dopaminagonisten<br />

mit L-Dopa bei gleichzeitig<br />

L-Dopa sparendem Effekt führt ebenfalls<br />

zu einer geringeren Inzidenz von L-<br />

Dopa-Langzeitsymptomen. Hier sind die<br />

entsprechend unterschiedlichen Halbwertszeiten<br />

der Substanzen zu beachten<br />

und die empfohlenen Dosierungsrichtlinien<br />

einzuhalten, um einen entsprechenden<br />

kontinuierlichen Wirkspiegel aufrecht<br />

zu erhalten.<br />

Die periphere Nebenwirkungspotenz<br />

der Dopaminagonisten ist in Folge ihrer<br />

direkten Wirkung auf Dopaminrezeptoren<br />

größer als die von L-Dopa,weshalb die<br />

Aufdosierung behutsam erfolgen muss.<br />

Die Dopaminagonisten führen relativ<br />

häufig zu Nebenwirkungen, wie orthostatischer<br />

Hypotension, Psychosen, vermehrter<br />

Tagesmüdigkeit, Übelkeit und Erbrechen.<br />

Diese peripheren Nebenwirkungen<br />

lassen sich u.a. durch die Gabe des peripher<br />

wirksamen Dopaminantagonisten<br />

Domperidon (Motilium ® ) mildern oder<br />

vermeiden. Gelegentlich kann es auch zu<br />

ausgeprägten Beinödemen kommen.<br />

Zudem führen Impulskontrollstörungen<br />

(in 5–10%) wie pathologische Spieloder<br />

Kaufsucht aber auch gestörtes Essverhalten<br />

und Hypersexualität, zu einer<br />

massiven Beeinträchtigung des beruflichen<br />

und sozialen Umfelds. In diesen Fällen<br />

sollte der Dopaminagonist reduziert<br />

oder abgesetzt werden.<br />

Bei den Ergotderivaten sind außerdem<br />

Herzklappenfibrosen beobachtet worden,<br />

sodass vor Therapiebeginn die Durchführung<br />

einer Echokardiographie mit weiteren<br />

halbjährlichen Kontrollen unbedingt<br />

anzuraten ist. Da das Risiko unter Pergolid-<br />

und Cabergolin-Therapie am größten<br />

ist, gelten sie als Dopaminagonisten der<br />

zweiten Wahl. Zusätzliche Nebenwirkungen<br />

der transdermalen Applikationsform<br />

stellen Hautrötungen dar. Ihre Lagerung<br />

muss im Kühlschrank erfolgen.<br />

MAO-B-Hemmer<br />

Selegelin (Jumex ® ) ist ein irreversibler<br />

und selektiver Hemmer der Monoaminooxydase<br />

vom B-Typ.Durch Hemmung<br />

der Monoaminooxydase-B wird der endogene<br />

zerebrale Dopaminabbau vermindert<br />

und die striatale Dopaminkonzentration<br />

erhöht. Die Monotherapie<br />

führt nur zu einer geringen symptomati-<br />

schen Kontrolle und wird daher im Frühstadium<br />

der Erkrankung bevorzugt eingesetzt.<br />

In der Kombinationsbehandlung<br />

mit L-Dopa wird der L-Dopa-Effekt potenziert.<br />

Rasagilin (Azilect ® ) ist ein neuer irreversibler<br />

MAO-B-Hemmer und ist in seiner<br />

Wirkung deutlich potenter als Selegelin<br />

(5–10-fach). Zugelassen ist es als Monotherapie<br />

und auch als Add-on-Therapie<br />

bei Auftreten von Wirkungsfluktuationen.<br />

Für beide Substanzen zeigten pharmakologische<br />

Studien erstmals Hinweise<br />

auf einen neuroprotektiven Effekt – sichere<br />

Hinweise auf eine Verlangsamung<br />

der Krankheitsprogression konnten bisher<br />

nicht nachgewiesen werden.<br />

Apomorphin – ein parenteraler<br />

Dopaminagonist<br />

Apomorphin (Apo-Go ® ) ist ein nichtergoliner,<br />

gemischter D1- und D2-Agonist.<br />

Von allen Dopaminagonisten kommt er in<br />

seiner klinischen Wirkung derjenigen von<br />

L-Dopa am nächsten. Aufgrund seines<br />

schnellen Wirkeintrittes ist es als „Rescue-<br />

Medikation“ bei Patienten mit rasch auftretenden<br />

Off-Phasen gut einsetzbar und<br />

wird bei ansonsten medikamentös nicht zu<br />

beeinflussenden Dyskinesien und Wirkungsfluktuationen<br />

angewendet. Neben<br />

der subcutanen Applikation mit Hilfe eines<br />

Pens ist auch eine kontinuierliche Verabreichung<br />

über eine Pumpe möglich. Die<br />

Indikationsstellung ist spezialisierten Zentren<br />

vorbehalten.<br />

Amantadine<br />

Die Wirksamkeit des NMDA-Antagonisten<br />

Amantadin (PK-Merz ® , Hofcomant<br />

® ) zeigt sich sowohl in der Monotherapie,<br />

insbesondere in der frühen<br />

Krankheitsphase, als auch in der Kombinationstherapie<br />

mit anderen dopaminergen<br />

Substanzen. Amantadin beeinflusst<br />

zudem störende Dyskinesien günstig.<br />

Da es auch als Infusionslösung zur<br />

Verfügung steht kann es zur Behandlung<br />

akinetischer Krisen oder in Situationen<br />

eingeschränkter enteraler Behandlungsmöglichkeiten<br />

z.B. perioperativ eingesetzt<br />

werden. Nebenwirkungen sind in<br />

erster Linie Übelkeit und Erbrechen, gelegentlich<br />

auch die Entwicklung einer<br />

Livedo reticularis. Zu den zentralen Nebenwirkungen<br />

zählen innere Unruhe,<br />

Verwirrtheit, Halluzinosen und Schlafstörungen<br />

– daher sollte keine Einnahme<br />

nach 16 Uhr erfolgen. Da Amantadin<br />

hauptsächlich über die Nieren eli-<br />

seite 26 DER MEDIZINER 5/<strong>2010</strong>


miniert wird, ist eine Anwendung bei<br />

Patienten mit klinisch relevanter Niereninsuffizienz<br />

kontraindiziert.<br />

Anticholinergika<br />

Historisch waren anticholinerg wirkende<br />

Stoffe die ersten effektiven Parkinsonmittel.<br />

Anticholinergika wirken an<br />

cholinergen striatalen Interneuronen, die<br />

physiologischerweise unter einem inhibitorischen<br />

Dopamineinfluss stehen.Die am<br />

häufigsten verwendeten Präparate sind<br />

Biperiden (Akineton ® ), Bornaprin (Sormodren<br />

® ) und Trihexyphenidyl (Artane ® ).<br />

Indiziert ist die Behandlung mit Anticholinergika<br />

nur beim Ruhetremor, wenn dieser<br />

durch dopaminerge Substanzen nicht<br />

ausreichend zu beeinflussen ist. Die Anwendung<br />

ist aber insbesondere beim älteren<br />

Patienten aufgrund der zentralen und<br />

peripheren anticholinergen Nebenwirkungen<br />

kritisch zu sehen.<br />

5/<strong>2010</strong> DER MEDIZINER<br />

Schlusswort<br />

Zielsetzung in der Therapie soll die<br />

Aufrechterhaltung der Selbständigkeit<br />

der Patienten und der damit verbunden<br />

sozialen Integration sowie die Vermeidung<br />

der Pflegebedürftigkeit sein. Neben<br />

den pharmakologischen Therapien zeigt<br />

sich bei fortgeschrittener Erkrankung die<br />

tiefe Hirnstimulation als sehr effektiv, da<br />

Komplikationen der medikamentösen<br />

Therapie wie das L-Dopa-Langzeitsyndrom<br />

gut behandelt werden können. Die<br />

Indikationsstellung ist allerdings durch<br />

strenge Auswahlkriterien stark limitiert.<br />

Physiotherapie, Ergotherapie und Logopädie<br />

stellen eine weitere unverzichtbare<br />

Stütze in der Therapie des Parkinson-Syndroms<br />

dar, insbesondere in fortgeschrittenen<br />

Krankheitsstadien, wenn<br />

Schluckstörungen zu einer Aspirationspneumonie<br />

führen können. Um eine optimale<br />

Therapie gewährleisten zu kön-<br />

GlucoMen LX von A. Menarini:<br />

Höchste Sicherheit – mit GOD-Technologie falsche<br />

Ergebnisse ausschließen<br />

Eine vor einigen Monaten veröffentlichte<br />

Sicherheitswarnung der amerikanischen<br />

Zulassungsbehörde FDA (Food<br />

and Drug Administration) verweist auf<br />

die hohen Risiken, die eine Blutzuckermessung<br />

mit bestimmten Messsystemen<br />

bergen kann. Laut FDA kam es dabei in<br />

den USA zu mehreren Fällen, in denen<br />

nachweislich der angezeigte falsch-hohe<br />

Blutglukosewert zu falscher Medikation<br />

und damit zu fatalen Folgen für die<br />

Patienten geführt hatte.<br />

Problematisch:<br />

Die GDH-PQQ-Technologie<br />

Arbeitet ein Blutzuckermesssystem<br />

mit der genannten Technologie, kann es<br />

zu falsch-erhöhten Glukosewerten kommen.<br />

Die Gefahr liegt in der enzymatischen<br />

Analyse, genauer gesagt in der<br />

Enzym-Co-Enzym-Kombination: Reagiert<br />

sie nicht nur auf Glukose, sondern<br />

auch auf verwandte Kohlenhydrate wie<br />

zum Beispiel Maltose, Xylose oder<br />

Galaktose, besteht die Gefahr falscher<br />

(in manchen Fällen bis zu 15 mal<br />

höherer!) Messwerte.<br />

Risiko nicht komplett<br />

einschätzbar<br />

Zwar verweisen die Hersteller der<br />

betroffenen Messgeräte darauf, dass nur<br />

eine bestimmte Patientengruppe ein<br />

erhöhtes Risiko für eine Falschmessung<br />

mit der GDH-PQQ-Technologie trägt.<br />

Dazu gehören beispielsweise Peritonealdialyse-Patienten<br />

oder Patienten, die<br />

Interferenz-Produkte mit Fremdzuckern<br />

oder Immunoglobuline erhalten. Tatsächlich<br />

aber kann z.B. auch ein erblich<br />

bedingter Mangel des Enzyms GALT<br />

(Galaktose-1-Phosphat-Uridyltransferase)<br />

dazu führen, dass es zu einer Anreicherung<br />

von Galaktose im Blut kommt.<br />

MORBUS PARKINSON<br />

Fortbildung<br />

nen, werden regelmäßige Kontrollen an<br />

spezialisierten Zentren empfohlen.<br />

Hierdurch konnte gezeigt werden, dass<br />

die Mortalität von Parkinson-Patienten<br />

in den ersten zehn Jahren der Erkrankung<br />

im Vergleich zu einer gesunden<br />

Kontrollpopulation nicht erhöht ist und<br />

danach auch nur diskret ansteigt.<br />

Dr. Martin Sawires<br />

Prim. Univ.-Doz. Dr. Klaus Berek<br />

A.ö. Bezirkskrankenhaus Kufstein<br />

Abteilung für Neurologie<br />

Endach 27, A-6330 Kufstein<br />

Tel.: +43/5372/69 66-44 05<br />

Fax-Dw: -19 40<br />

msawires@web.de<br />

klaus.berek@bkh-kufstein.at<br />

Komplett ausschließen lässt sich das<br />

Risiko eines falschen Blutzuckermessergebnisses<br />

mit der GDH-PQQ-Technologie<br />

also nie.<br />

Auf Nummer sicher mit<br />

GlucoMen LX<br />

Größtmögliche Sicherheit – nicht nur in<br />

der Risikogruppe, sondern bei jedem<br />

Patienten – bietet die Messung mit der<br />

Methode GOD (Glukose-Oxidase), die<br />

das Blutzuckermesssystem GlucoMen LX<br />

von A. Menarini für die Bestimmung des<br />

Blutzuckergehaltes nutzt. Damit ist ausgeschlossen,<br />

dass das Messergebnis durch<br />

Maltose,Xylose oder Galaktose verfälscht<br />

wird – nur einer von vielen unschätzbaren<br />

Vorteilen, den das modernste Blutzuckermessgerät<br />

im Markt bietet!<br />

FB<br />

Mehr Information unter:<br />

A. Menarini GmbH,<br />

Pottendorfer Str. 25–27/ 3/1, A-1120 Wien<br />

Service-Telefon 01/804 15 76<br />

diabetes@menarini-diagnostics.at<br />

seite 27


BPH<br />

Fortbildung<br />

BPH – bunter Pool der Heilmethoden<br />

Dr. Karl F. Diehl<br />

30 Millionen europäische Männer mit<br />

vergrößerter Prostata sind keine Kleinigkeit.<br />

Nehmen wir an, dass jeder zweite<br />

europäische Urologe zum EAU-Kongress<br />

fährt. Bei 15.000 Teilnehmern heißt<br />

das, dass auf jede/n von uns 1.000 Patienten<br />

mit dieser Entität kommen. Das ist<br />

natürlich nur eine Zahlenspielerei. Sie<br />

führt uns aber die enorme Relevanz der<br />

BPH vor Augen.<br />

Die BPH betrifft altersabhängig 60%<br />

der Männer in der sechsten Lebensdekade<br />

als histologisch nachweisbare Veränderung.<br />

Davon hat etwa die Hälfte<br />

eine vergrößerte Prostata (über 30 ml:<br />

BPE = benign prostatic enlargement)<br />

und von diesen wird wiederum etwa jeder<br />

Zweite mit LUTS (lower urinary<br />

tract symptoms) symptomatisch. Die<br />

urodynamische Evaluation kann dann<br />

eine BPO (benigne prostatische Obstruktion)<br />

ergeben.<br />

Wie so oft in unserem Beruf führen<br />

viele Wege nach Rom, wenn es um den<br />

Umgang mit der BPH geht. Vom watchful<br />

waiting über Phytotherapien bis zu<br />

verschiedenen semiinvasiven und operativen<br />

Behandlungsmethoden spannt sich<br />

ein breiter Bogen. Da die Frage, welche<br />

Methode wo zum Einsatz kommen soll,<br />

oft kontroversiell beurteilt werden kann,<br />

wird sicher auch die Sicht des Autors subjektiv<br />

beeinflusst sein. Dennoch soll versucht<br />

werden, einen kompakten Über-<br />

blick über die derzeitigen therapeutischen<br />

Werkzeuge zu geben.<br />

Ende der 80er-Jahre des vorigen Jahrhunderts<br />

war die Sachlage recht einfach:<br />

Phytotherapie oder Operation, das war<br />

es auch schon. Bei letzterer war immerhin<br />

noch die Entscheidung zwischen<br />

TUR/P und suprapubischer Adenomektomie<br />

zu treffen. Wen wundert es daher,<br />

dass in jenen Tagen oft sogar mehr transurethrale<br />

Prostataresektionen als Circumcisionen<br />

durchgeführt wurden.<br />

Zwanzig Jahre zuvor gab es noch namhafte<br />

Klinikchefs, welche die TUR für einen<br />

Irrweg hielten und meinten, diese sei<br />

etwas für Leute, welche die suprapubische<br />

Methode nicht beherrschen. Dennoch,<br />

der Siegeszug der TUR schien unaufhaltsam,<br />

und bis heute wird der Begriff<br />

„Goldstandard“ an dem sich alles<br />

andere zu messen hat, mit ihr in einem<br />

Atemzug genannt. Allerdings gibt es da<br />

durchaus einiges an Konkurrenz und das<br />

mag der Grund sein, warum zumindest<br />

im Patientenkollektiv des Autors die<br />

TUR heute schon einigermaßen in den<br />

Hintergrund getreten ist.<br />

Zunächst haben die Alphablocker und<br />

die 5-α-Reduktaseinhibitoren (5-ARI)<br />

die medikamentöse Therapie revolutioniert.<br />

Mit ihnen war es plötzlich möglich,<br />

sowohl symptomatisch als auch ursächlich<br />

nichtoperativ wirkungsvoll zu behandeln<br />

und die Effektivität auch noch<br />

durch valide Studienergebnisse zu untermauern.<br />

Obwohl durch die beiden verschiedenen<br />

therapeutischen Ansatzpunkte der<br />

Blasenhalsrelaxation durch den Alphablocker<br />

und die Prostataverkleinerung<br />

durch die 5-ARI eine Wirkungssynergie<br />

auf der Hand liegt, sollte nicht jeder Patient<br />

gleich mit einer Kombinationsbehandlung<br />

therapiert werden.<br />

Eine initiale alleinige (symptomatische)<br />

Alphablockertherapie empfiehlt<br />

sich beim Patienten mit niedrigem Progressionsrisiko<br />

– also jenem mit nicht<br />

allzu großer Prostata, niederem PSA,<br />

wenig Restharn und einem Uroflow von<br />

noch nicht nennenswert unter 10 ml/sec.<br />

Wie so oft ist die richtige Patientenauswahl<br />

der Schlüssel zum Erfolg. Bei korrekter<br />

Indikation sind jedoch Verbesserungen<br />

der objektiven und subjektiven<br />

Parameter um 50% absolut realistisch.<br />

Auch nach einer Harnverhaltung ist mittels<br />

Beginn einer Alphablockerbehandlung<br />

ein Katheterauslassversuch und das<br />

in Gang kommen einer suffizienten<br />

Spontanmiktion durchaus im Bereich<br />

des Möglichen – das Dogma einer unbedingten<br />

Operationsnotwendigkeit konnte<br />

in diesem Fall relativiert werden.<br />

Grundsätzlich kann man zum Wirkungs-<br />

und Nebenwirkungsprofil der Alphablocker<br />

sagen, dass sie einander stark<br />

Aglandin. Anwendungsgebiete: Behandlung von Symptomen des unteren Harntraktes (LUTS) bei der benignen Prostatahyperplasie (BPH). Zusammensetzung: 1 Kapsel enthält 0,4 mg Tamsulosin hydrochlorid. Sonstige Bestandteile:<br />

Kapselinhalt: Mikrokristalline Cellulose; Methacrylsäure-Ethylacrylat-Copolymer; Polysorbat 80; Natriumdodecylsulfat; Triethylcitrat; Talkum. Kapselhülle: Gelatine; Indigotin (E 132); Titandioxid (E 171); Gelbes Eisenoxid (E 172);<br />

Rotes Eisenoxid (E 172); Schwarzes Eisenoxid (E 172). Drucktinte: Schellack; Schwarzes Eisenoxid (E 172); Propylenglycol. Gegenanzeigen: Überempfindlichkeit gegen Tamsulosin, einschließlich Arzneimittel-induziertes Angioödem oder<br />

einen der sonstigen Bestandteile; Anamnestisch bekannte orthostatische Hypotonie; Schwere Leberinsuffizienz. Wirkstoffe: Pharmakotherapeutische Gruppe: Tamsulosin ist ein Alpha1A-Adrenorezeptorantagonist und wird nur zur<br />

Behandlung von Prostatabeschwerden angewendet. ATC-Code: G04CA02 Abgabe: Rezept- und apothekenpflichtig. Packungsgrößen: 10 und 30 Stück. Pharmazeutischer Unternehmer: LANNACHER HEILMITTEL Ges.m.b.H., 8502<br />

Lannach. Weitere Angaben zu Warnhinweisen und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung, Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln oder sonstige Wechselwirkungen, Schwangerschaft und Stillzeit, Nebenwirkungen sowie Angaben<br />

über Gewöhnungseffekte entnehmen Sie bitte der veröffentlichten Fachinformation!<br />

seite 28 DER MEDIZINER 5/<strong>2010</strong><br />

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50


Fachkurzinformation siehe Seite 28


BPH<br />

Fortbildung<br />

ähneln. Im Hinblick auf die Kreislaufverträglichkeit<br />

scheint die Retardformulierung<br />

des Tamsulosin voran zu liegen. Betreffend<br />

das Auftreten keiner retrograden<br />

Ejakulation gibt es vorteilhafte<br />

Berichte für Alfuzosin. Eine ernsthafte<br />

Problematik im Zusammenhang mit der<br />

parallelen Einnahme von PDE-5-Hemmern<br />

ist dem Autor noch nie bekannt geworden;<br />

es ist aber bestimmt nicht von<br />

Nachteil, wenn die Einnahme nicht ganz<br />

zeitgleich erfolgt.<br />

Interessanterweise gibt es neuerdings<br />

auch Beobachtungen, die bestätigen,<br />

dass LUTS-Patienten, die PDE-5-Hemmer<br />

einnehmen, damit ihre Miktionssymptomatik<br />

verbessern. Entsprechende<br />

Rezeptoren sind auch am Blasenhals zu<br />

finden und das macht diese Beobachtungen<br />

plausibel. Dennoch ist leider nicht<br />

anzunehmen, dass letztere Präparate<br />

demnächst als BPH-Therapeutika von<br />

der Krankenkasse bezahlt werden.<br />

Einen anderen Therapieansatz stellen<br />

die 5-α-Reduktaseinhibitoren dar. Unter<br />

Einnahme einer der beiden bei uns verfügbaren<br />

Substanzen Finasterid oder<br />

Dutasterid kommt es über mehrere Monate<br />

zu einer deutlichen Volumsverringerung<br />

der Prostata um bis zu 25%. Das<br />

Wirkungsmaximum erreicht man nach<br />

etwa einem Jahr. Diese Präparate eignen<br />

sich vor allem für größere, drüsige Adenome<br />

bei Patienten mit höherem Progressionsrisiko.<br />

Bei diesen macht dann<br />

auch eine Kombinationstherapie Sinn,<br />

wobei im Falle einer solchen natürlich<br />

auch die Frage berechtigt ist, ob der Patient<br />

nach einer 6- bis 12-monatigen<br />

Kombinationstherapie weiter beide Medikamente<br />

benötigt werden oder beispielsweise<br />

der Alphablocker einmal<br />

probeweise weggelassen werden kann.<br />

Da es immer klug ist, nur so viele Medikamente<br />

einzunehmen wie nötig, sollten<br />

wir immer wieder den „Speisezettel“ unserer<br />

Patienten durchforsten und nachsehen,<br />

ob nicht einmal auch wieder das<br />

eine oder andere weggelassen werden<br />

kann.<br />

Die Nebenwirkungen der 5-ARI sind<br />

meist tolerabel, aber vorhanden. Man<br />

muss den Patienten über die bekannte<br />

mögliche Libidoreduktion aufklären,<br />

sollte aber dabei auch erwähnen, dass<br />

diese in weniger als 10% der Fälle auftritt<br />

und gegebenenfalls reversibel ist. Naturgemäß<br />

wird es dann allerdings auch Patienten<br />

geben, die ihre ohnehin bestehende<br />

und mit der Zeit schlechter wer-<br />

dende erektile Dysfunktion auf den 5-<br />

ARI schieben, obwohl sie diese ohne<br />

Prostatatherapie genauso hätten. Diese<br />

Fragen muss man dann im individuellen<br />

Patientengespräch klären.<br />

Zwei nicht zu unterschätzende weitere<br />

Wirkungen der 5-ARI dürfen nicht unerwähnt<br />

bleiben: Zum einen die Reduktion<br />

der Vaskularisation am Blasenhals, welche<br />

die die Inzidenz von unliebsamen<br />

BPH-bedingten Hämaturieepisoden verringert.<br />

Das zweite große Thema ist die mögliche<br />

präventive Wirkung gegen ein eventuelles<br />

späteres Prostatakarzinom. Hier<br />

ist die Datenlage besonders für das Dutasterid<br />

aufgrund der REDUCE-Studie<br />

an 8.000 Männern besonders gut. Das<br />

mag mit der Tatsache zusammenhängen,<br />

dass mit Dutasterid beide Isoenzyme des<br />

Dihydrotestosteron gehemmt werden:<br />

Typ I, welches in stärkerem Maß von<br />

PCA-Gewebe exprimiert wird und Typ<br />

II, welches mehr der BPH zuzuordnen<br />

ist. Finasterid hemmt hauptsächlich das<br />

Isoenzym II.<br />

Da allerdings das Thema Chemoprävention<br />

des Prostatakarzinoms mit 5-<br />

ARI noch nicht vollständig ausdiskutiert<br />

ist, muss man hier noch vieles im Konjunktiv<br />

sagen. Der Autor selbst setzt das<br />

wesentlich teurere Dutasterid daher derzeit<br />

selektiv für Patienten bei Zustand<br />

nach negativer Biopsie mit höherem<br />

PSA ein. Die „unverdächtigen“ Patienten<br />

mit BPH und Indikation für einen 5-<br />

ARI erhalten weiterhin Finasterid. Vor<br />

einer schlüssigen Beurteilung sind hier<br />

sicher noch die Ergebnisse weiterer Untersuchungen<br />

abzuwarten. Insbesondere<br />

wissen wir noch nicht genau, ob mit einer<br />

„Chemoprävention“ dieser Art wirklich<br />

Karzinome verhindert oder nur klinisch<br />

inapparente Tumoren in Schach gehalten<br />

(oder gar behandelt?) werden.<br />

Ein interessanter Aspekt im Hinblick<br />

auf die Lebensqualität des Patienten ist<br />

auch der früher wegen des Risikos erhöhter<br />

Restharnmengen streng verpönte<br />

Einsatz von Anticholinergika bei der<br />

BPH. Bei starker OAB-Symptomatik<br />

(overactive bladder) ist unter sorgfältiger<br />

Überwachung des Patienten und häufiger<br />

sonografischer Restharnkontrolle ein<br />

wohldosierter Einsatz, meist in Kombination<br />

mit Alphablockern oft hilfreich.<br />

Phytotherapeutika sind im Allgemeinen<br />

auch heute noch Glaubenssache.<br />

Nach wie vor gibt es kaum valide Studien,<br />

dennoch haben sie weiter ihren<br />

Platz in der BPH-Therapie.Warum auch<br />

nicht? Wenn es dem Patienten subjektiv<br />

besser geht und sich seitens des Urologen<br />

keine objektive Notwendigkeit einer<br />

intensiveren Behandlung aufdrängt,<br />

dann ist es letztlich nicht so wichtig, wie<br />

viel Placeboeffekt am Behandlungserfolg<br />

beteiligt ist. Man darf auch die günstigen<br />

Therapiekosten nicht übersehen<br />

und deshalb sollten auch in Zukunft einige<br />

dieser Therapeutika weiter kassenfrei<br />

verschreibbar bleiben.<br />

Wenn allerdings klinische Symptomatik<br />

und/oder Restharnmengen das tolerable<br />

Maß überschreiten, dann ist die<br />

Zeit für eine chirurgische Intervention<br />

gekommen. Dabei ist auch immer eine<br />

gewisse Antizipationsfähigkeit des behandelnden<br />

Urologen gefragt, da unsere<br />

Patienten durch die Jahre nicht jünger<br />

werden. Das heißt: Bei einer eventuell<br />

trotz umfassender konservativer Therapie<br />

festzustellenden Progredienz einer<br />

symptomatischen BPH sollte ein „Aussitzen“<br />

nicht versucht werden. Das führt<br />

dazu, dass der Patient dann eines Tages<br />

weder urinieren kann noch eine Operationsfreigabe<br />

bekommt und schließlich<br />

seinen Lebensabend mit einer Harnableitung<br />

zubringen muss, weil seine mittlerweile<br />

eingetretene Multimorbidität<br />

jede invasivere Maßnahme verunmöglicht.<br />

Die transurethrale Prostataresektion<br />

(TUR/P) und, bei entsprechender<br />

Größe die suprapubische Adenomektomie<br />

(SPE) sind nach wie vor die Urmeter<br />

der operativen Therapie. Dennoch<br />

hat sich in den letzten Jahren sehr deutlich<br />

gezeigt, in welche Richtung der Zug<br />

innovativer Operationstechniken nun<br />

fährt.<br />

Nach vielen, teilweise sogar noch existierenden<br />

minimal invasiven Behandlungsformen<br />

wie der transurethralen Mikrowellentherapie<br />

der Prostata (TUMT)<br />

– vom Autor selbst seit 15 Jahren durchgeführt<br />

– haben manche Methoden, wie<br />

die genannte, als Nischenprodukt überlebt<br />

und können bei sorgfältiger Indikationsstellung<br />

auch gute Erfolge bringen.<br />

Für einen Patienten mit einem BPH-Stadium<br />

I oder II, der nicht gerne (noch<br />

mehr) Medikamente nimmt, ist die<br />

TUMT sicher eine sinnvolle Alternative.<br />

Von anderen, wie beispielsweise der Ballondilatation<br />

der Prostata, hört man gar<br />

nichts mehr.<br />

seite 30 DER MEDIZINER 5/<strong>2010</strong><br />

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50


Können Sie Ihren Harnteststreifen vertrauen?<br />

Combur ® -Harnteststreifen zeigen keine falsch negativen Glucose- und Blutergebnisse nach<br />

Vitamin C-Einnahmen<br />

Schnupfenzeit<br />

Schwankende Temperaturen, überfüllte<br />

öffentliche Verkehrsmittel und zunehmender<br />

Stress setzen unserem Immunsystem<br />

zu.Vorbeugend greifen wir in<br />

der kalten Jahreszeit zu Vitamin C, um<br />

nahenden Erkältungen keine Chance zu<br />

geben. Sei es der Frucht- oder Gemüsesaft,<br />

oder das lösliche Vitamin C-Pulver,<br />

das als Limonade getrunken wird. Zusätzlich<br />

findet man Ascorbinsäure in vielen<br />

Lebensmitteln, wo man sie nicht vermuten<br />

würde – z.B. Mehl, Wurst, Bier,<br />

Wein sowie Champagner haben Ascorbinsäure<br />

als Antioxidans oder Konservierungsmittel<br />

zugesetzt.<br />

Ascorbinsäure im Harn<br />

In einer Studie von Brigden et al. wurden<br />

die Ascorbinsäure-Konzentrationen<br />

im Harn von 557 Patienten gemessen.<br />

Ein hoher Prozentsatz der untersuchten<br />

Harne wies Konzentrationen auf, die bereits<br />

Störungen bei der Harndiagnostik<br />

verursachen können.<br />

Wieviel Vitamin C kann ein Mensch zu<br />

sich nehmen, ohne Interferenzen durch<br />

Ascorbinsäure im Harn zu bekommen? In<br />

der Studie von Nagel et al. wurden Harn-<br />

5/<strong>2010</strong> DER MEDIZINER<br />

proben mit Glukose,Hämoglobin und Ascorbinsäure<br />

versetzt und mit den gängigsten<br />

fünf Harnteststreifen getestet. Schon<br />

10 mg/dl Ascorbinsäure reichten aus, um<br />

falsch negative Ergebnisse bei Glukose<br />

und Hämoglobin anzuzeigen.<br />

Combur ® -Harnteststreifen<br />

zeigen keine<br />

Ascorbinsäure-Interferenzen<br />

Bei Konzentrationen von 50 mg/dl Glukose<br />

und 20 mg/dl Ascorbinsäure konnte<br />

nur noch der Combur ® -Harnteststreifen<br />

richtige Ergebnisse anzeigen,alle anderen<br />

Teststreifen zeigten falsch negative Resultate.<br />

Ebenso konnte bei Konzentrationen<br />

von 10 Ery/µl Glukose und 20 mg/dl Ascorbinsäure<br />

nur noch der Combur ® -Harnteststreifen<br />

richtige Ergebnisse wiedergeben.<br />

Wiederum zeigten alle anderen Teststreifen<br />

falsch negative Resultate. Man<br />

bedenke,dass durch die Konsumation von<br />

einem Glas Fruchtsaft schon 20 bis 40<br />

mg/dl Ascorbinsäure im Harn wiederzufinden<br />

sind.<br />

Die Vorteile der<br />

Combur ® -Harnteststreifen<br />

Die Combur ® -Harnteststreifen von<br />

Roche Diagnostics sind nach der einzig-<br />

FORUM MEDICUM<br />

Fortbildung<br />

artigen Netzeinsiegelungsmethode hergestellt.<br />

Diese Netzeinsiegelung ermöglicht<br />

• gleichmäßiges Eindringen des Urins<br />

und homogene Farbentwicklung,<br />

• schützt vor Verunreinigung (Schweiß,<br />

Hautcreme etc),<br />

• verhindert das Übertreten von Reagenzien<br />

aus benachbarten Testfeldern,<br />

• keine Beeinflussung von Ergebnissen<br />

durch Kleberkomponenten.<br />

Durch die Konfektionierung von mehreren<br />

Reagenzplättchen – wie ein zusätzliches<br />

Jodat-Reagenzpapier – zu einem<br />

Testfeld wurde es möglich, die Ascorbinsäure-Störung<br />

auszuschließen.<br />

Die standardisierte Auswertung der<br />

Harnteststreifen mit einem Harnanalysengerät<br />

wie Urisys 1100 ® oder cobas u 411<br />

bringt nicht nur mehr Qualitätssicherung<br />

in der Diagnostik, sondern kann<br />

auch durch einen direkten Datentransfer<br />

in die Labor-EDV die Harnanalyse<br />

in den Gesamtbefund integrieren. Dies<br />

spart jedenfalls Zeit und Arbeit.<br />

FB<br />

Literatur<br />

1. Brigden et al.; Clin. Chem. 38 (1992), 3, 426–31<br />

2. Nagel et al.; Clin. Lab. 52 (2006), 149–53<br />

seite 31


BPH<br />

Fortbildung<br />

Es sieht aber ganz sicher so aus, als<br />

würden die nächsten Jahre im Hinblick<br />

auf neue OP-Techniken der BPH in erster<br />

Linie den Lasermethoden gehören.<br />

Eine umfassende Darstellung der zur<br />

Zeit in Verwendung befindlichen Methoden<br />

gab es auf der heurigen bayrisch-österreichischen<br />

Urologentagung im Juni<br />

in Salzburg.<br />

Zu unterscheiden sind hier Methoden<br />

mit und ohne Gewebsgewinnung. Es<br />

wurde schon öfters kritisiert, dass im Gegensatz<br />

zur TUR/P bei der Laservaporisation<br />

, beispielsweise mit dem KTP-Laser<br />

(„Green Light“) kein Gewebe gewonnen<br />

wird. Nun, das geschieht auch<br />

bei der medikamentösen Behandlung<br />

oder der TUMT nicht. Und wenn man<br />

Grund hat, Verdacht in Richtung eines<br />

PCA zu schöpfen, muss ohnehin biopsiert<br />

werden.Augenscheinlich ist das also<br />

kein Grund,der Methode allzu reserviert<br />

gegenüber zu stehen.<br />

Des weiteren gibt es mehrere OP-Techniken,<br />

die mit einem Diodenlaser auch<br />

eine resezierende Vorgangsweise mit histologischem<br />

Befund zulassen, gleichzeitig<br />

aber von der beeindruckenden Blutungsarmut<br />

des Lasers profitieren, die vor allem<br />

dem älteren, multimorbiden Patienten<br />

zugute kommt.<br />

Eine interessante Option für größere<br />

Adenome stellt die HoLEP (Holmium-<br />

Laser-Enukleation der Prostata) dar. Bei<br />

dieser wird die Prostata ähnlich der SPE<br />

endoskopisch buchstäblich aus der chirurgischen<br />

Kapsel enukleiert und die<br />

Lappen dann in der Blase morcelliert und<br />

abgesaugt.<br />

Vieles ist hier von Kosten,Machbarkeit<br />

in der Infrastruktur und schließlich auch<br />

von persönlicher Erfahrung abhängig.<br />

Der Trend für die nächste Zukunft<br />

scheint jedoch klar:<br />

Viele Patienten, die früher operiert<br />

wurden, finden heute mit einer passenden<br />

medikamentösen Therapie das Auslangen.<br />

Manch einer, für den die alleinige<br />

Pharmakotherapie nicht den gewünschten<br />

Behandlungserfolg garantieren kann,<br />

hat die Möglichkeit der Wahl zwischen alten<br />

und neuen Operationsmethoden.<br />

Und last but not least werden vor allem<br />

minimalinvasive Lasermethoden zunehmend<br />

an Bedeutung gewinnen.<br />

Dr. Karl F. Diehl<br />

Staasdorfer Straße 15, A-3430 Tulln<br />

Tel.: +43/2272/65 1 44, Fax-Dw: -4<br />

diehl@aon.at<br />

Bonviva ® 3 mg Injektionslösung. Qualitative und quantitative Zusammensetzung: Eine Fertigspritze mit 3 ml Lösung enthält 3 mg Ibandronsäure (entsprechend 3,375 mg Mononatriumibandronat 1 H2O).Die Konzentration<br />

an Ibandronsäure in der Injektionslösung beträgt 1 mg pro ml. Anwendungsgebiete: Therapie der Osteoporose bei postmenopausalen Frauen mit erhöhtem Frakturrisiko (siehe veröffentlichte Fachinformation Abschnitt<br />

5.1 "Pharmakodynamische Eigenschaften"). Eine Reduktion des Risikos vertebraler Frakturen wurde gezeigt, eine Wirksamkeit hinsichtlich Oberschenkelhalsfrakturen ist nicht ermittelt worden. Gegenanzeigen: -<br />

Hypokalzämie (siehe veröffentlichte Fachinformation Abschnitt 4.4 "Besondere Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung"). • Überempfindlichkeit gegen Ibandronsäure oder einen der sonstigen Bestandteile.<br />

Liste der sonstigen Bestandteile: Natriumchlorid, Eisessig, Natriumacetat 3 H2O, Wasser für Injektionszwecke. Inhaber der Zulassung: Roche Registration Limited, 6 Falcon Way, Shire Park, Welwyn Garden<br />

City, AL7 1TW, Vereinigtes Königreich. Verschreibungspflicht/Apothekenpflicht: rezept- und apothekenpflichtig, wiederholte Abgabe verboten. Pharmakotherapeutische Gruppe: Bisphosphonate, ATC-Code:<br />

M05B A06. Besondere Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung, Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln und sonstige Wechselwirkungen sowie Informationen zu Schwangerschaft und Stillzeit<br />

und Nebenwirkungen sind der veröffentlichten Fachinformation zu entnehmen.<br />

Clopidogrel Genericon 75 mg Filmtabletten. Qualitative und quantitative Zusammensetzung: Jede Filmtablette enthält 75 mg Clopidogrel (als Clopidogrel-Besilat). Sonstiger Bestandteil: Jede Tablette enthält 2,80 mg Lactose-Monohydrat.<br />

Die vollständige Auflistung der sonstigen Bestandteile siehe Abschnitt 6.1. Anwendungsgebiete: Clopidogrel ist bei Erwachsenen indiziert zur Prävention atherothrombotischer Ereignisse bei: Patienten mit Herzinfarkt (wenige<br />

Tage bis 35 Tage zurückliegend), mit ischämischem Schlaganfall (7 Tage bis 6 Monate zurückliegend) oder mit nachgewiesener peripherer arterieller Verschlusskrankheit. Weitere Informationen sind im Abschnitt 5.1 enthalten. Gegenanzeigen:<br />

Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Bestandteile, schwere Leberfunktionsstörungen und akute pathologische Blutung, wie bei Magen-Darm-Geschwüren oder intrakraniellen Blutungen. Schwangerschaft<br />

und Stillzeit: Da keine klinischen Daten über die Einnahme von Clopidogrel während der Schwangerschaft vorliegen, ist es als Vorsichtsmaßnahme vorzuziehen, Clopidogrel während der Schwangerschaft nicht anzuwenden. Tierexperimentelle<br />

Studien lassen nicht auf direkte oder indirekte schädliche Auswirkungen auf Schwangerschaft, embryonale/fetale Entwicklung, Geburt oder postnatale Entwicklung schließen (siehe Abschnitt 5.3). Es ist nicht bekannt, ob Clopidogrel<br />

in die menschliche Muttermilch übergeht. Tierexperimentelle Studien haben einen Übergang von Clopidogrel in die Muttermilch gezeigt. Als Vorsichtsmaßnahme sollte während der Clopidogrel-Therapie abgestillt werden.<br />

Clopidogrel Genericon 75 mg Filmtabletten., OP zu 20, 30 und 90 Stück, Rezept- und apothekenpflichtig. Pharmazeutischer Unternehmer: Genericon Pharma Gesellschaft m.b.H., A-8054 Graz, genericon@genericon.at. Weitere<br />

Angaben zu Nebenwirkungen, Wechselwirkungen, Gewöhnungseffekten und zu den besonderen Warnhinweisen zur sicheren Anwendung sind der „Austria Codex-Fachinformation“ zu entnehmen.<br />

Inkontan Filmtabletten: Zulassungsinhaber: Pharm. Fabrik Montavit Ges.m.b.H., 6060 Absam/Tirol, Zusammensetzung: 1 Filmtablette enthält 15 mg Trospiumchlorid, (1 Filmtablette enthält 30 mg Trospiumchlorid). Hilfsstoffe:<br />

Titandioxid, mikrokristalline Zellulose, Methylhydroxypropylcellulose, Lactose, Maisstärke, Natrium-Stärkeglykolat, Polyvidon K25, hochdisperses Siliziumdioxid, Stearinsäure. Anwendungsgebiete: Zur Behandlung der Detrusorinstabilität<br />

oder Detrusorhyperreflexie mit den Symptomen häufiges Harnlassen, Harndrang und unfreiwilliger Harnabgang mit oder ohne Harndrang. Gegenanzeigen: Überempfindlichkeit gegen einen Bestandteil des Präparates, Harnverhaltung,<br />

Engwinkelglaukom, Tachyarrhythmien, Myasthenia gravis, schwere Colitis ulcerosa, toxisches Megacolon, dialysepflichtige Niereninsuffizienz (Kreatininclearance unter 10 ml/min/1,73 m 2 ), Kinder unter 12 Jahre Abgabe:<br />

Rezept- und apothekenpflichtig. ATC-Code: G04BD Weitere Angaben zu Warnhinweisen und Vorsichtsmaßnahmen, Wechselwirkungen und Nebenwirkungen sind der veröffentlichten Fachinformation zu entnehmen.<br />

Quetialan ® 25 mg Filmtabletten, Quetialan ® 100 mg Filmtabletten, Quetialan ® 200 mg Filmtabletten, Quetialan ® 300 mg Filmtabletten, Quetialan ® 4-Tage Startpackung. Wirkstoffgruppe: Pharmakotherapeutische Gruppe:<br />

Antipsychotika, Diazepine, Oxazepine und Thiazepine. ATC-Code: N05A H04. Qualitative und quantitative Zusammensetzung: Eine Quetialan ® Filmtablette enthält Quetiapinfumarat entsprechend 25/100/200/300 mg Quetiapin. Die Quetialan<br />

® 4-Tage Startpackung enthält 6 Quetialan ® 25mg Filmtabletten, 5 Quetialan ® 100mg Filmtabletten. Anwendungsgebiete: • Behandlung von Schizophrenie. • Behandlung moderater bis schwerer manischer Episoden. Es wurde<br />

nicht gezeigt, dass Quetialan ® das wiederholte Auftreten manischer oder depressiver Episoden verhindern kann. Gegenanzeigen: Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Bestandteile des Arzneimittels. Die<br />

gleichzeitige Anwendung von Cytochrom P450 3A4-Inhibitoren wie HIV-Proteaseinhibitoren, Azol-Antimykotika, Erythromycin, Clarithromycin und Nefazodon ist kontraindiziert. Sonstige Bestandteile: Tablettenkern 25/100/200/300<br />

mg/Startpackung: Calciumhydrogenphosphat wasser-frei, Lactose Monohydrat, mikrokristalline Cellulose, Carboxymethylstärke-Natrium (Typ A), Povidon, Magnesiumstearat. Tablettenüberzug: 25 mg: Hypromellose, Titandioxid (E171),<br />

Macrogol 400, Eisenoxid gelb (E172), Eisenoxid rot (E172). 100 mg: Hypromellose, Titandioxid (E171), Macrogol 400, Eisenoxid gelb (E172). 200 mg/300 mg: Hypromellose, Titandioxid (E171), Macrogol 400. Inhaber der Zulassung: Gerot<br />

Pharmazeutika, 1160 Wien. Abgabe: Rezept- und apothekenpflichtig, wiederholte Abgabe verboten. Weitere Angaben zu Warnhinweisen und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung, Wechselwirkungen mit anderen<br />

Arzneimitteln oder sonstige Wechselwirkungen, Schwangerschaft und Stillzeit, Nebenwirkungen sowie Angaben über Gewöhnungseffekte entnehmen Sie bitte den veröffentlichten Fachinformationen. Packungsgrößen:<br />

25 mg: 6, 60 Stück, 100 mg: 30, 60, 90 Stück, 200 mg: 30, 60 Stück, 300 mg: 30, 60 Stück, Startpackung: 6 x 25 mg, 5 x100 mg. 02/2009.<br />

Offenlegung nach § 25 Mediengesetz<br />

Medieninhaber: Verlag der Mediziner gmbh. Richtung der Zeitschrift: Medizinisch-pharmazeutisches Informationsjournal für österreichische Ärztinnen und<br />

Ärzte. Soweit in diesem Journal eine Dosierung oder eine Applikation erwähnt wird, darf der Leser zwar darauf vertrauen, dass Autoren, Herausgeber und Verlag<br />

große Sorgfalt darauf verwandt haben, dass diese Ausgabe dem Wissenstand bei Fertigstellung des Journals entspricht. Für Angaben über Dosierungsanweisungen<br />

und Applikationsformen kann vom Verlag jedoch keine Gewähr übernommen werden. Jeder Benutzer ist angehalten, durch sorgfältige Prüfung der<br />

Beipackzettel der verwendeten Präparate und gegebenenfalls nach Konsultation eines Spezialisten festzustellen, ob die dort gegebenen Empfehlungen für<br />

Dosierung oder die Beachtung von Kontraindikationen gegenüber der Angabe in diesem Heft abweicht. Eine solche Prüfung ist besonders wichtig bei selten<br />

verwendeten Präparaten oder solchen, die neu auf den Markt gebracht worden sind. Jede Dosierung oder Applikation erfolgt auf eigene Gefahr des Benutzers.<br />

Autoren und Verlag appellieren an jeden Benutzer, ihm etwa auffallende Ungenauigkeiten dem Verlag mitzuteilen. Geschützte Warennamen (Warenzeichen)<br />

werden nicht immer besonders kenntlich gemacht. Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann also nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien<br />

Warennamen handelt. Die mit FB (Firmenbeitrag) gekennzeichneten bzw. als Produktbeschreibung erkenntlichen Beiträge sind entgeltliche Einschaltungen und<br />

geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Es handelt sich somit um „entgeltliche Einschaltungen“ im Sinne § 26 Mediengesetz.<br />

seite 32 DER MEDIZINER 5/<strong>2010</strong><br />

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50


ALKOHOLENTZUG<br />

Fortbildung<br />

Die individuelle Entzugsbehandlung von<br />

Alkoholabhängigen nach der Lesch-Typologie<br />

Dr. Dagmar Kogoj, Univ.-Prof. Dr. Otto Michael Lesch<br />

Die Therapie alkoholabhängiger Menschen<br />

sollte der Tatsache, dass es sich<br />

hierbei um ein heterogenes Patientenkollektiv<br />

handelt, gerecht werden. Einen<br />

solchen individuellen Zugang ermöglicht<br />

die Typologisierung von alkoholabhängigen<br />

Patienten nach Lesch. Dabei<br />

werden Menschen mit vermehrtem<br />

regelmäßigem Alkoholkonsum in vier<br />

Typen untergliedert, die sich sowohl in<br />

ihrer Persönlichkeitsstruktur, ihren biologischen<br />

Vorschädigungen als auch in<br />

den vielfältigen unbewussten Mechanismen,<br />

welcher Wirkung wegen Alkohol<br />

konsumiert wird, unterscheiden.<br />

Alkoholabhängige Menschen werden<br />

nach wie vor zu mehr als 90% von Medizinern<br />

behandelt, die nicht aus dem<br />

Fachgebiet der Psychiatrie bzw. der<br />

Suchtmedizin stammen. Die Symptome,<br />

die die Patienten schließlich zu Ärzten<br />

führen, sind äußerst vielfältig und werden<br />

zumeist nicht in Zusammenhang mit<br />

Tabelle 1<br />

Häufige Einzelsymptome oder<br />

Symptomkonstellationen<br />

• Kreislaufregulationsstörungen, Hinweis auf<br />

alkoholische Kardiomyopathie;<br />

• Häufige und protrahierte Gastroenteritiden;<br />

• Fettstoffwechselstörungen;<br />

• Pathologische Leberbefunde;<br />

• Pankreaserkrankung;<br />

• Unklare stärkere Blutzuckerschwankungen;<br />

• Zunehmende vegetative Störungen;<br />

• Zunehmende Reizbarkeit, Dysphorie, Neurasthenie;<br />

• Ungeklärte Gewichtszunahme;<br />

• Potenzstörungen;<br />

• Erhöhtes Unfallrisiko;<br />

• Ungeklärte Verletzungen.<br />

Lesch etal., 1994<br />

einer bestehenden Alkoholabhängigkeit<br />

gebracht (Tab. 1).<br />

Der Tätigkeitsbereich von Medizinern<br />

– gleich, ob es sich dabei um Allgemeinmediziner,<br />

Internisten oder Ärzte anderer<br />

Fachbereiche handelt – sollte dabei<br />

das Erkennen einer eventuell vorliegenden<br />

Alkoholabhängigkeit und einer Entzugssymptomatik<br />

umfassen. Nach einer<br />

entsprechenden Diagnose sollte die spezifische<br />

Entzugstherapie nach der Typologie<br />

nach Lesch durchgeführt werden. Im<br />

ärztlichen Gespräch sollte vor allem der<br />

Zusammenhang zwischen der individuellen<br />

Wirkung von Alkohol und den gebotenen<br />

Beschwerden aufgedeckt werden.<br />

Ist dieser Zusammenhang zu erheben,<br />

kann der Alkoholmissbrauch objektiviert<br />

werden. Die Frage „Trinken Sie Alkohol?“<br />

sollte dabei vermieden werden, die<br />

Patienten sollten bereits durch die Fragestellung<br />

wahrnehmen, dass ein Zusammenhang<br />

zwischen ihrem Trinkverhalten<br />

und den Beschwerden bestehen könnte.<br />

Zielführende Fragen zur Erkennung<br />

der Alkoholabhängigkeit:<br />

• Schmeckt Ihnen Alkohol oder trinken<br />

Sie Alkohol, um eine Wirkung zu<br />

erzielen? Wenn ja, welche Wirkung<br />

des Alkohols wünschen Sie (betrunken<br />

werden, Stimmungsveränderung,<br />

Angstlösung, usw.)?<br />

• Treten Beschwerden auf, wenn Sie<br />

Alkohol trinken oder Sie eine Trinkpause<br />

einlegen?<br />

• Was hilft Ihnen gegen Ihre Beschwerden?<br />

• Hilft auch Alkohol? Wenn ja, welche<br />

Mengen benötigen Sie, um Ihre Beschwerden<br />

zu lindern?<br />

• Wenn Sie bei einem Fest etwas vermehrt<br />

Alkohol konsumieren, haben<br />

Sie am nächsten Tag Beschwerden<br />

(Kopfschmerzen, Kreislaufprobleme,<br />

Unruhe, Reizbarkeit)? Verwenden<br />

Sie dann Alkohol um diese Beschwerden<br />

zu lindern?<br />

• Wenn Sie Medikamente gegen Ihre<br />

Beschwerden verordnet bekamen,<br />

konnten Sie dann in dieser Zeit ihren<br />

Alkoholkonsum reduzieren oder ganz<br />

einstellen?<br />

Eine Objektivierung des Trinkverhaltens<br />

geschieht durch folgende biologische<br />

Marker (Tab. 2).<br />

Das Vorliegen einer chronischen<br />

Alkoholabhängigkeit wird also am<br />

sichersten mit den Cut-Off-Punkten<br />

objektiviert. Dennoch: 20% der erhöhten<br />

Werte, vor allem jene der Leber, sind<br />

nicht bedingt durch erhöhten Alkoholkonsum,<br />

sondern durch andere Lebererkrankungen<br />

wie zum Beispiel Hepatitis.<br />

Wird eine Medikation für somatische<br />

Beschwerden, die die Patienten ursprünglich<br />

ärztlichen Rat suchen ließen, notwendig,<br />

müssen sie darüber aufgeklärt werden,<br />

dass Alkohol die Wirkung von einem<br />

Großteil der Medikamente verändert und<br />

aus diesem Grund eine Abstinenzphase<br />

eingehalten werden sollte. Wird seitens<br />

der Patienten jedoch angeben, dass eine<br />

Abstinenz nur schwer oder nicht erreicht<br />

werden kann, ist die Behandlung der<br />

Alkoholabhängigkeit mit einem therapeutischen<br />

Gesamtkonzept zu beginnen.<br />

Das therapeutische Setting, ambulant<br />

oder stationär, wird entsprechend den<br />

seite 34 DER MEDIZINER 5/<strong>2010</strong>


vorherrschenden Symptomen und einer<br />

eventuell vorliegenden psychiatrischen<br />

Komorbidität angepasst. Die Behandlung<br />

kann in den meisten Fällen ambulant<br />

durchgeführt werden. Der Erstkontakt<br />

sollte hierbei den Kriterien der<br />

Krisenintervention folgen (Erstellung<br />

einer stabilen, verlässlichen Therapiekette).<br />

Ist der Patient bereits an einer<br />

somatischen Station aufgenommen,<br />

sollte die Therapie an dieser Station mittels<br />

eines Liaisonangebots durchgeführt<br />

werden. Eine stationäre Aufnahme ist<br />

nur in 15–20% der Fälle indiziert (wie<br />

z.B. schwere psychiatrische Komorbidität<br />

oder suizidale Einengung, schwere<br />

Folgeerkrankungen usw.).<br />

Die typologische Zuordnung kann<br />

mittels Entscheidungsbaum (siehe<br />

Tabelle 3), oder aber unter Zuhilfenahme<br />

eines Computerprogramms<br />

getroffen werden. Letzteres führt den<br />

Entscheidungsbaum autonom durch und<br />

empfiehlt sowohl die passende Entzugsmedikation<br />

als auch die geeignete Entwöhnungsbehandlung<br />

und Rückfallsprophylaxe.<br />

(Das Programm kann unter<br />

otto.lesch@meduniwien.ac.at. angefordert<br />

bzw. unter www.lat-online.at bestellt<br />

werden).<br />

Therapie des<br />

Alkoholentzugssyndroms nach<br />

der Typologie nach Lesch<br />

Typ I – „Allergiemodell“<br />

Symptome: Alkohol wird von dieser<br />

Gruppe als Mittel gegen Entzugssymptome<br />

eingesetzt, angenommen wird eine<br />

biologische Vulnerabilität (Acetaldehydspiegelerhöhung<br />

auch in der Abstinenz).<br />

Der Entzug ist folglich als eine<br />

Art Rebound-Phänomen (GABA-<br />

Überempfindlichkeit, GLUTAMAT-<br />

GABA-Ungleichgewicht) zu verstehen.<br />

Typ-I-Patienten entwickeln häufig<br />

bereits bei geringen Trinkmengenänderungen<br />

eine schwere Entzugssymptomatik,<br />

oft auch Entzugskrampfanfälle<br />

(Typ Grand Mal am ersten oder zweiten<br />

Tag nach Trinkmengenänderungen oder<br />

Abstinenz). Die Entzugssymptomatik<br />

entwickelt sich rasch (oft binnen Stunden)<br />

und klingt auch rasch wieder ab<br />

(innerhalb weniger Tage). Es bestehen<br />

ein grober, dreidimensionaler Tremor,<br />

starkes Schwitzen, Unruhe („nasser<br />

Entzug“), in vielen Fällen kommt es zu<br />

epileptischen Entzugsanfällen. In dieser<br />

Gruppe entwickelt sich der Entzug ohne<br />

5/<strong>2010</strong> DER MEDIZINER<br />

Biologische Marker zur Erkennung von Alkoholmissbrauch<br />

Therapie manchmal bis zum lebensbedrohlichen<br />

Delirium tremens.<br />

Therapie:<br />

1. Benzodiazepine, z.B. Lorazepam<br />

(vorrangig Benzodiazepine, die nicht<br />

in lang wirksame Metabolite abgebaut<br />

werden) Dosierung 150–600 mg<br />

(je nach der Alkoholmenge, die die<br />

Patienten als wirksam gegen die Entzugsbeschwerden<br />

angeben),<br />

ALKOHOLENTZUG<br />

Fortbildung<br />

Tabelle 2<br />

Sensitivität Spezifität Normalisierung<br />

in der Abstinenz<br />

Atem-Alkohol 100% 100% Stunden<br />

Ethylglucuronid 100% 100% Tage<br />

MCV und γ-GT 63% 80% 1–10 Wochen<br />

%CDT 65% 96% 2–4 Wochen<br />

Cut-Off Punkte:<br />

GOT > GPT : Schädigung durch Alkohol höchstwahrscheinlich<br />

GPT > GOT : Lebererkrankung unterschiedlicher Genese<br />

γ-GT: eine Erhöhung auf das 1,3-Fache des oberen Normwertes spricht ebenfalls<br />

für eine Schädigung der Leberzellen durch Alkohol<br />

MCV: > 95 fl: Verdacht auf Alkoholmissbrauch<br />

> 98 fl: Alkoholmissbrauch<br />

%CDT > 2,6 % (neuer Cut off; cave: ausgenommen: Trisialo-Transferrin)<br />

Entscheidungsbaum zur Typologie nach Lesch<br />

• nach dem Grad der Alkoholisierung,<br />

• nach dem jeweiligen Schweregrad des<br />

Entzugssyndroms,<br />

• nach dem Schweregrad von früheren<br />

Entzugssyndromen.<br />

2. Caroverin 20 mg Dragee 3 x 1 täglich;<br />

bei starker Alkoholgier 3 x 2 täglich.<br />

3. Acamprosat 3-0-3 Kapseln täglich bei<br />

Patienten über 60 kg und 2-0-2 bei<br />

Patienten unter 60 kg. Da die volle<br />

Wirkungsentfaltung von Acamprosat<br />

Symptome vor dem 14. Lebensjahr die zu einer Entwicklungsstörung führten<br />

• Perinatalschaden oder<br />

• Contusio cerebri oder<br />

• Andere schwere Hirnerkrankungen oder Typ IV<br />

• Schwere Polyneuropathie mit neurologischen Ausfällen oder<br />

• Epilepsie oder<br />

• Nägelbeißen und Stottern (beides über Monate):<br />

• Nächtliches Bettnässen nach dem 3. Lebensjahr: (Längere Zeit und sozial störend)<br />

Typ IV oder Typ III<br />

Wenn nächtliches Bettnässen ja:<br />

• Keine Periodik des Trinkverhaltens oder<br />

• Keine Durchschlafstörungen oder<br />

• Keine schwere depressive Episode (ICD-10) oder<br />

• Keine schweren SM Tendenzen ohne Alkoholeinfluß<br />

Wenn nächtliches Bettnässen nein:<br />

• Periodik des Trinkverhaltens oder<br />

• Durchschlafstörungen oder<br />

• Schwere depressive Episode (ICD-10) oder<br />

• Schwere SM-Tendenzen ohne Alkoholeinfluß<br />

Typ IV<br />

Typ III<br />

• Schweres körperliches Entzugssyndrom mit starker<br />

Typ I<br />

vegetativer Entzugssymtomatik und dreidimentsionalem Tremor oder<br />

• Entzugsanfällen (Grand Mal)<br />

Typ II<br />

Alkohol als Bewältigungsstrategie bzw. abhängige Persönlichkeitsstörung nach ICD-10<br />

Tabelle 3<br />

Lesch etal. 1990<br />

seite 35


ALKOHOLENTZUG<br />

Fortbildung<br />

länger andauert, ist eine überlappende<br />

Therapie mit Caroverin für die<br />

ersten drei Wochen von Vorteil.<br />

4. Neuroleptika wie Delpral ® (Tiaprid)<br />

sind kontraindiziert (positiv chronotop,<br />

Senkung der Krampfschwelle,<br />

Förderung der Alkoholgier und<br />

damit Steigerung der Rückfälligkeit).<br />

5. Auf ausreichende Flüssigkeitszufuhr<br />

achten!<br />

6. Im Entzug ist der Kreislauf oft instabil,<br />

zumeist erfordert dies keine symptomatische<br />

medikamentöse Therapie.<br />

Typ II – „Konfliktlösungsmodell“<br />

Symptome: Typ-II-Patienten setzen<br />

Alkohol seiner anxiolytischen Wirkung<br />

wegen als Selbstmedikation und Konfliktlösungsstrategie<br />

ein. Patienten dieser<br />

Gruppe zeigen in abstinenten Phasen<br />

oft Merkmale einer „Ich-Schwäche“,<br />

einer passiv-vermeidenden Persönlichkeitsstrukur<br />

oder befinden sich in Beziehungen<br />

mit dominanten Partnern. Der<br />

Umstieg von einem Suchtmittel auf ein<br />

anderes (sog. Suchtverlagerung) ist in<br />

dieser Gruppe häufig.<br />

Typ-II-Patienten zeigen im Entzug<br />

einen zweidimensionalen, feinschlägigen<br />

Tremor, bieten oft ein leichtes<br />

Schwitzen und zeigen einen stabilen,<br />

angespannten Kreislauf (Blutdruckund<br />

Herzfrequenz erhöht). Epileptische<br />

Anfälle in der Vorgeschichte kommen<br />

nicht vor. Die Entzugssymptomatik<br />

kann zwei bis drei Wochen zu beobachten<br />

sein (Mischung aus Entzug und<br />

ängstlicher Basisstörung).<br />

Therapie: Zum Entzug eignen sich<br />

anxiolytische Substanzen, die nicht zur<br />

Gruppe der Benzodiazepine gehören.<br />

Wir empfehlen Tiaprid (Delpral ® ). Die<br />

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Zeit.<br />

Verbesserung des Klimas zwischen<br />

Arzt und Patient<br />

Dosis richtet sich nach dem Schweregrad<br />

der ängstlichen Symptomatik und der<br />

Einschlafstörung, zumeist ist eine Dosierung<br />

von 150–300 mg/die Tiaprid ausreichend.<br />

Eine antiepileptische Abschirmung<br />

ist für gewöhnlich nicht notwendig.<br />

Cave: Benzodiazepine oder GHB sind<br />

in dieser Gruppe kontraindiziert! Besteht<br />

bereits ein Abusus von Tranquilizern,<br />

richtet sich die Entzugsbehandlung<br />

jedoch in erster Linie nach der Einnahme<br />

und dem Missbrauch dieser<br />

Beruhigungsmedikamente.<br />

TYP III – „Alkohol als Antidepressivum“<br />

Symptome: Alkohol wird von dieser<br />

Gruppe aufgrund einer Stimmung aufhellenden<br />

und Schlaf anstoßenden Wirkung<br />

missbraucht. Alkohol wirkt zwar<br />

Schlaf fördernd, zerstört in weiterer<br />

Folge jedoch die Schlafarchitektur.<br />

Ähnlich wie Typ-II-Patienten zeigen<br />

Patienten dieser Gruppe im Entzug<br />

einen zweidimensionalen, feinschlägigen<br />

Tremor (oft nur im Vorhalteversuch<br />

erkennbar), leichtes Schwitzen (vorwiegend<br />

an den Händen, weniger am<br />

Stamm) und einen stabilen, angespannten<br />

Kreislauf (Blutdruck und Herzfrequenz<br />

erhöht). Epileptische Krampfanfälle<br />

in der Vorgeschichte kommen selten<br />

vor. Typ-III-Patienten zeigen im Entzug<br />

ein ängstlich-depressives Zustandsbild<br />

mit Schuldgefühlen, Versagensängsten<br />

sowie Suizidgedanken. Familiäre Häufungen<br />

von affektiven Störungen finden<br />

sich ebenfalls. Oft haben die Patienten zu<br />

Beginn ihrer Trinkkarriere den Eindruck,<br />

Alkohol wäre ihr „richtiges“ Medikament.<br />

Nach längerer Abstinenz bessert<br />

sich fast immer auch die chronobiologische<br />

Störung. Nachdem diese Basisstörungen<br />

jedoch typischerweise phasenhaft<br />

auftreten, kommt es ohne pharmakologische<br />

Hilfe immer wieder zu Rückfällen<br />

(episodischer Verlauf). Suizidgedanken<br />

und Suizidtendenzen sind in dieser Phase<br />

sehr häufig (Unterbrechungen der Therapiekette<br />

sind als Behandlungsfehler zu<br />

werten, ambulante – stationäre – ambulante<br />

Behandlungen sollten so miteinander<br />

vernetzt werden, dass die Kontinuität<br />

in der Therapie gewährleistet ist! – siehe<br />

Regeln der Krisenintervention nach G.<br />

Sonneck)<br />

Therapie: Typ-III-Patienten werden<br />

vorzugsweise mit Alcover ® (GHB) 4 x 7,5<br />

ml bis 4 x 10 ml entzogen. Bei ungenügender<br />

Wirkung ist keine Dosissteigerung<br />

angezeigt. Bereits nach der ersten<br />

Gabe kann meist beurteilt werden, ob<br />

diese Therapie ausreicht. Wird die gewünschte<br />

Wirkung nicht erreicht, ist zu<br />

hinterfragen, ob im Hintergrund eine<br />

regelmäßige Benzodiazepineinnahme<br />

vorliegt. In diesem Falle wäre eine Behandlung<br />

mit GHB gänzlich ungeeignet,<br />

die medikamentöse Therapie wird dementsprechend<br />

mit Benzodiazepinen<br />

weitergeführt. Die Dosis wird bis zur<br />

Symptomfreiheit des Entzugssyndroms<br />

gesteigert und anschließend über Wochen<br />

langsam reduziert. Gleichzeitig<br />

sollte die Umstellung auf eine suffiziente<br />

antidepressive Medikation erfolgen (Es<br />

empfehlen sich zusätzlich regelmäßige<br />

Harnkontrollen, um eine Reduktion der<br />

Benzodiazepineinnahme nachzuweisen).<br />

Auch in dieser Gruppe sind Neuroleptika<br />

gänzlich kontraindiziert, da sie die<br />

Rückfallsrate insgesamt erhöhen! Naltrexon<br />

sollte bereits während der Entzugsbehandlung<br />

als Rückfallsprophylaxe<br />

etabliert werden.<br />

In dieser Gruppe sind manchmal stationäre<br />

Aufnahmen notwendig, wobei<br />

sich diese Notwendigkeit aber vor allem<br />

nach dem Schweregrad des psychopathologischen<br />

Zustandsbildes richtet, z.B.<br />

suizidale Einengung oder schwere chronobiologische<br />

Störung.<br />

TYP-IV – „Alkohol als Gewöhnung“<br />

Symptome: Vor dem 14. Lebensjahr, in<br />

der Phase der Gehirnentwicklung, also<br />

lang vor Beginn der Trinkkarriere, bestehen<br />

bereits deutliche Auffälligkeiten.<br />

Zerebrale Vorschäden und sehr schwierige<br />

familiäre Verhältnisse führen zu<br />

kindlichen Verhaltensauffälligkeiten (wie<br />

z.B.: längerfristiges Stottern, Nägelbeißen<br />

und/oder nächtliches Einnässen nach<br />

dem 3. Lebensjahr, Entwicklung eines<br />

Cyclothymen Temperaments). Zwanghafte<br />

Verhaltensweisen und eine Kritiklosigkeit<br />

dem Trinken von Alkohol gegenüber<br />

bewirken, dass dem Trinkdruck<br />

der Gesellschaft oder dem „aktuellen<br />

Trinkdruck“ der jeweiligen Situation<br />

nicht Widerstand geleistet werden kann.<br />

Dieser chronische Alkoholmissbrauch<br />

mit der bereits bestehenden Vorschädigung,<br />

führt bei dieser Untergruppe zu<br />

schweren körperlichen Symptomen (z.B.<br />

Polyneuropathie, Epilepsie, usw.).<br />

Schwere kognitive Störungen mit entsprechenden<br />

Durchgangssyndromen stehen<br />

bei langen Verläufen oft im Vordergrund.<br />

In Spätstadien sind auch<br />

dementielle Bilder zu beobachten.<br />

seite 36 DER MEDIZINER 5/<strong>2010</strong><br />

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50


ALKOHOLENTZUG<br />

Fortbildung<br />

Im Entzug findet sich ein nur leichter,<br />

oft cerebellärer Tremor, ein stabiler<br />

Kreislauf, fast kein Schwitzen (sog. „trockener<br />

Entzug“. Oft sind bereits epileptische<br />

Anfälle unabhängig von der<br />

Alkoholwirkung oder vom Alkoholentzug<br />

aufgetreten. Häufig findet man auch<br />

schwere Gangstörungen (Polyneuropathien).<br />

Merklich sind deutliche Beeinträchtigungen<br />

der intellektuellen Leistung und<br />

des Gedächtnisses, in der Exploration<br />

wahrnehmbar als Konfabulationen und/<br />

oder Perseverationen. Oft interpretieren<br />

Typ-IV-Patienten normale Wahrnehmungen<br />

wahnhaft, manchmal finden sich<br />

auch illusionäre Verkennungen oder<br />

sogar Halluzinationen (paranoid halluzinatorische<br />

Durchgangssyndrome). Diese<br />

Symptome bestehen oft über Monate,<br />

wobei Tranquilizer die Symptomatik erfahrungsgemäß<br />

verschlechtern. Die Ursache<br />

der Symptomatik ist primär nicht<br />

der Toxizität des Alkohols zuzuschreiben,<br />

sondern der ursprünglich bestehenden<br />

hirnorganischen Veränderung, dem<br />

Alkohol fällt in diesem Fall eine Trigger-<br />

Wirkung zu und ist als komplizierender<br />

Faktor zu werten. Besonders wichtig ist<br />

bei Typ-IV-Patienten die genaue differentialdiagnostische<br />

Abklärung anderer<br />

Ursachen von organischen Psychosen<br />

(Insultgeschehen, Tumoren, Hypoglykämien,<br />

Entzündungen usw.).<br />

Therapie: Im Vordergrund der Entzugsbehandlung<br />

stehen die pflegerische<br />

Betreuung, eine geschützte Atmosphäre<br />

in einem abstinenten Milieu (Familie<br />

oder Spital) mit stützenden Maßnahmen<br />

und adäquater Aktivierung. Somatische<br />

Grunderkrankungen – auch Schmerzen!<br />

– müssen dabei entsprechend behandelt<br />

werden.<br />

Abbildung 4<br />

Zusammenfassung der medikamentösen Therapie nach der Typologie nach Lesch<br />

Entzugsbehandlung Rückfallsprophylaxe<br />

Typ I Benzodiazepine und Caroverin Acamprosat oder Disulfiram<br />

Thiamin 100–300 mg i.v.<br />

über 10 Tage<br />

kontraindiziert: D1-Antagonisten,<br />

Typ II Tiaprid Acamprosat<br />

cave: Benzodiazepine, GHB kontraindiziert: Benzodiazepine, GHB<br />

Typ III GHB Naltrexon, Antidepressiva (z.B.: Trazodon,<br />

Mirtazapin), Carbamazepin, Topiramat,<br />

Valpornisäure<br />

GHB im Rückfall<br />

Typ IV GHB, Carbamazepine, Neuroleptika GHB (als Substitution), Naltrexon<br />

bei produktiven Symptomen atypische Neuroleptika (z.B.: Olanzapin),<br />

Memantin oder Piracetam Nootropika<br />

Als Entzugsmedikation und als Anfallsprophylaxe<br />

haben sich Carbamazepin<br />

300–900 mg täglich und 3 x 7,5 ml Alcover<br />

® (GHB) bewährt.Nootropika,wie z.B.<br />

Memantine oder Piracetam, verbessern<br />

die kognitiven Leistungen und wirken<br />

auch als Anticraving-Substanz. Die pharmakologische<br />

Aktivierung durch eine<br />

Lichttherapie mit mindestens 10.000 Lux<br />

über eine Stunde zweimal täglich zeigt<br />

positive Wirkung. Dimmlicht zwischen<br />

500–800 Lux fördert die Symptomatik,aus<br />

diesem Grund soll pflegerischerseits versucht<br />

werden, Typ-IV-Patienten im Entzug<br />

nachts in einem völlig abgedunkelten<br />

Raum schlafen zu lassen. Eine 1:1-Betreuung<br />

spart darüber hinaus Medikation. Da<br />

diese Patientengruppe üblicherweise<br />

ebenfalls an chronobiologischen Störungen<br />

leiden, ist auf die Wiederherstellung<br />

eines physiologischen Wach-Schlaf-<br />

Rhythmus besonders zu achten.<br />

Bei produktiven Durchgangssyndromen<br />

sind atypische Neuroleptika indiziert<br />

(z.B. Quetiapin 50–200 mg). Tranquilizer<br />

verstärken die Symptomatik und<br />

sollten in dieser Gruppe nur in Notfällen<br />

verabreicht werden (z.B. bei gehäuften<br />

epileptischen Anfällen).<br />

• Die Entzugstherapie sollte auch<br />

nach dem Schweregrad der Alkoholisierung<br />

modifiziert werden. Bei Alkoholspiegel<br />

oft weit über 2,5 Promille sind zu<br />

Beginn der Therapie für sämtliche vier<br />

Gruppen Benzodiazepine nicht verzichtbar.<br />

Dennoch sollte so rasch wie<br />

möglich eine typenspezifische Medikation<br />

angestrebt werden.<br />

• Die medikamentöse Rückfallsprophylaxe<br />

sollte bereits am ersten Tag der<br />

Entzugsbehandlung geplant werden<br />

(siehe Tabelle 4).<br />

Typ-II- und Typ-III-Patienten nach<br />

Lesch sollten überdies einer suffizienten<br />

Psychotherapie zugeführt werden. Bei<br />

Typ-I- und Typ-IV-Patienten sind oft<br />

regelmäßige medizinische Kontrollen,<br />

die sich vor allem lerntheoritscher<br />

Aspekte bedienen, ausreichend, letztere<br />

profitieren dabei vor allem durch Schaffung<br />

eines sicheren sozialen Umfeldes<br />

bzw. Netzwerkes.<br />

Literatur<br />

Lesch, Otto Michael / Walter, Henriette / Wetschka,<br />

Christian: Alkohol und Tabak. Medizinische und soziologische<br />

Aspkete von Gebrauch, Missbrauch und Abhängigkeit.<br />

SpringerWienNewYork 2009.<br />

Dr. Dagmar Kogoj,<br />

Univ.-Prof. Dr. Otto Michael Lesch,<br />

Univ.-Klinik für Psychiatrie<br />

und Psychotherapie<br />

Währinger Gürtel 18–20, A-1090 Wien<br />

dagmar.kogoj@meduniwien.ac.at<br />

seite 38 DER MEDIZINER 5/<strong>2010</strong>


Alcover ® -Sirup in der Therapie Alkoholabhängiger<br />

Statement von Univ.-Prof. Dr. Otto Lesch<br />

Alcover ® -Sirup (Wirkstoff Gamma-<br />

Hydroxybuttersäure Natriumsalz, GHB)<br />

ist in Flaschen zu 140 ml erhältlich.<br />

Die Wirksubstanz wird seit mehr als<br />

45 Jahren in verschiedenen Ländern in<br />

der Anästhesie und zur Therapie von<br />

Alkoholabhängigen verwendet. 1963<br />

wurde diese Substanz als Somsanit in<br />

Deutschland eingeführt und seit vielen<br />

Jahren ist sie als Alcover ® zuerst in Italien<br />

und später auch in anderen Ländern<br />

wie auch Österreich zugelassen. In<br />

manchen Ländern aus Osteuropa wird<br />

der Wirkstoff bei allen Alkoholentzügen<br />

in parenteraler Form verwendet.<br />

Da vor etwa zehn Jahren in den USA<br />

nachgewiesen wurde, dass der Wirkstoff<br />

auch bei Kokain-Abhängigen im Entzug<br />

wirksam ist, haben Polytoxikomane (vor<br />

allem Anabolika- und Kokainmissbrauchende)<br />

begonnen, GHB zur Sedierung<br />

dazuzunehmen und haben es aber wie<br />

alle anderen Substanzen auch missbraucht.<br />

Dieser Missbrauch wurde dann<br />

auch in Europa beobachtet und im Narkotik-Board<br />

der UNO diskutiert. Es<br />

wurde im Bezug auf Missbrauch deutlich<br />

geringer eingeschätzt als Benzodiazepine<br />

und Hypnotika.<br />

Cochrane Review<br />

In einer Cochrane Analyse publizierten<br />

<strong>2010</strong> Leone M.A. et al. die Rolle von<br />

GHB in der Entzugsbehandlung wie<br />

auch in der Rückfallprophylaxe. 50 mg<br />

GHB/kg KG aufgeteilt auf drei Tagesdosen<br />

sind in der Entzugsbehandlung<br />

wirksam. GHB ist in der Rückfallprophylaxe<br />

besser wirksam als Naltrexon<br />

und Disulfiram, es gibt in dieser Dosierung<br />

keine wesentlichen Nebenwirkungen.<br />

Die Abgabe muss jedoch in einem<br />

strikten medizinischen Setting erfolgen,<br />

weil sonst die Entwicklung einer Abhängigkeit<br />

droht.<br />

Situation in Österreich<br />

2002 publizierte Nimmerrichter eine<br />

Studie zum Thema GHB im Entzug von<br />

Alkoholkranken, wobei diese Studie im<br />

Anton Proksch Institut durchgeführt<br />

wurde. GHB hat sich im Entzug gut<br />

bewährt und für die Leber aber auch für<br />

die kognitiven Leistungen als deutlich<br />

5/<strong>2010</strong> DER MEDIZINER<br />

besser als die normale Entzugsmedikation<br />

dargestellt. Korninger publizierte<br />

2003 eine Anwendungsstudie von GHB<br />

in einem Unfallspital und beschrieb<br />

deutlich bessere Verläufe des Entzuges.<br />

Erfahrungsbericht<br />

In unserer Ambulanz für Alkoholgefährdete<br />

verwenden wir seit 2002 an<br />

mehr als 1500 Alkoholabhängigen Alcover<br />

® sowohl zu Entzugsbehandlung als<br />

auch zur Rückfallprophylaxe.<br />

Im Typ-III- und -IV nach Lesch hat<br />

sich GHB bewährt.<br />

Bei Typ-I-Patienten nach Lesch ist<br />

Alcover ® zu wenig wirksam und deshalb<br />

setzen wir Benzodiazepine ein. Auch für<br />

die Rückfallprophylaxe ist es in dieser<br />

Gruppe nicht geeignet.<br />

Typ-II-Patienten nach Lesch missbrauchen<br />

alle Substanzen mit Suchtpotential<br />

wie auch Benzodiazepine, Hypnotika<br />

aber auch GHB. Diese Patienten<br />

glauben, dass ihnen ein Medikament<br />

mehr Selbstsicherheit geben kann, und<br />

dass es ihnen hilft, mit ihren psychosozialen<br />

Schwierigkeiten besser zu Rande<br />

zu kommen. Da dies natürlich nicht<br />

funktionieren kann, dürfen in dieser<br />

Gruppe keine Medikamente mit Suchtpotential<br />

verwendet werden.<br />

Typ-III- und Typ-IV-Patienten nach<br />

Lesch sollten mit GHB entzogen werden,<br />

wobei in Typ IV eine Kombination mit<br />

Carbamazepin zu empfehlen ist. Da diese<br />

Gruppen von Alkoholkranken auch oft<br />

Benzodiazepine missbrauchen, ist für den<br />

Benzodiazepinentzug GHB viel zu wenig<br />

wirksam. Wir haben gelernt, dass nach<br />

einer Dosierung von 10 ml Alcover ® der<br />

Patient bereits nach 20 Minuten eine<br />

wesentliche Besserung seines Alkoholentzuges<br />

beschreibt. Spürt er keine positive<br />

Wirkung, soll man GHB nicht in<br />

der Dosis erhöhen, sondern durch Benzodiazepine<br />

ersetzen. Mit großer Wahrscheinlichkeit<br />

liegt ein zusätzlicher Missbrauch<br />

von Benzodiazepinen vor.<br />

Im Typ III nach Lesch kann mit GHB<br />

der Schweregrad und die Dauer eines<br />

Rückfalles deutlich reduziert werden.<br />

Der Patient wird angewiesen, bei einem<br />

Rückfall drei Tage Alcover ® 4 mal täglich<br />

ALKOHOLENTZUG<br />

Fortbildung<br />

7,5 ml einzunehmen und es dann wieder<br />

abzusetzen.<br />

Bei Typ-IV-Patienten verwenden wir<br />

GHB als Substitution für Alkohol und<br />

unter kontrollierten Bedingungen kommt<br />

es ganz selten zu Dosissteigerungen. Die<br />

Nebenwirkungen von GHB sind deutlich<br />

geringer als die Nebenwirkungen von großen<br />

Dosen Alkohol.<br />

Zusammenfassung<br />

Wie in dem Cochrane Review ausgeführt<br />

und durch eigene Studien wie auch<br />

durch die Praxis belegt, ist Alcover ®<br />

(GHB) ein gut steuerbares Entzugsmedikament<br />

für die Typen III und IV nach<br />

Lesch und in diesen Untergruppen stellt<br />

Alcover ® auch eine deutliche Bereicherung<br />

in der Rückfallprophylaxe dar. Bei<br />

richtigem Einsatz und unter kontrollieren<br />

Bedingungen ist das Suchtpotential<br />

niederer einzuschätzen als das Suchtpotential<br />

von Benzodiazepinen.<br />

Eine slow-release Tablette mit GHB<br />

wird zurzeit in einem weltweiten Forschungsprogramm<br />

in den Indikationen<br />

Entzug und Rückfallprophylaxe untersucht.<br />

FB<br />

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Zeit.<br />

Verbesserung des Klimas zwischen<br />

Arzt und Patient<br />

Univ.-Prof. Dr. Otto Lesch<br />

Präsident der Österreichischen<br />

Gesellschaft für Suchtmedizin<br />

MedUni Wien<br />

Universitätsklinik für Psychiatrie und<br />

Psychotherapie<br />

Währingergürtel 18–20, 1090 Wien<br />

seite 39


LEBERZIRRHOSE<br />

Fortbildung<br />

Diagnostik und Therapie der Komplikationen<br />

der Leberzirrhose<br />

Univ.-Doz. Dr. Peter Fickert, Univ.-Prof. Dr. Michael Trauner<br />

Im Krankheitsverlauf der Leberzirrhose<br />

unterscheiden wir eine asymptomatische<br />

Phase (kompensierte Leberzirrhose)<br />

von einer dekompensierten<br />

Phase, die durch die klinischen Manifestationen<br />

des portalen Hypertonus (bei<br />

einem Lebervenendruckgradienten > 10<br />

mmHg) mit Aszites, Blutung, Enzephalopathie<br />

und Infektionen charakterisiert<br />

ist. Die jährliche Dekompensationsrate<br />

bei Leberzirrhose beträgt 5% pro Jahr.<br />

Während sich die Zweijahreslebenserwartung<br />

in der kompensierten Phase<br />

(90–95%) kaum von Lebergesunden<br />

unterscheidet, nimmt diese in der<br />

dekompensierten Phase auf 40% ab.<br />

Rechtzeitiges Erkennen und eine<br />

gezielte Therapie der Komplikationen<br />

der Leberzirrhose können das Überleben<br />

unserer Patienten signifikant verbessern.<br />

Akute Varizenblutung<br />

Trotz signifikanter Verbesserung und<br />

Weiterentwicklung der Therapiemöglichkeiten<br />

bei Varizenblutung stellt diese<br />

weiterhin eine lebensgefährliche Komplikation<br />

der Leberzirrhose dar (6-Wochen-<br />

Mortalität 15–20%). Die Therapieziele<br />

bei Varizenblutung setzten sich aus (1)<br />

Blutungskontrolle, (2) Vermeidung einer<br />

Reblutung und (3) Vermeidung sekundärer<br />

Komplikationen (z.B. spontanbakterielle<br />

Peritonitis (SBP), Nierenversagen)<br />

zusammen. Bei Verdacht auf Varizenblutung<br />

mit Hämatemisis oder Melaena bei<br />

Patienten mit entsprechenden klinischen<br />

Zeichen (Aszites, Spider naevi, Ikterus)<br />

sollte sofort nach Einhaltung allgemein<br />

gültiger notfallmedizinischer Regeln und<br />

Maßnahmen (z.B. Sicherung der Atemwege,<br />

Legen großlumiger venöser<br />

Abbildung 1<br />

Allgorithmus und Therapieplan bei Verdacht auf akute Varizenblutung<br />

Zugänge und Kreislauftherapie) Terlipressin<br />

(2 mg/4 Stunden über die ersten<br />

48–72 Stunden) als bevorzugte pharmakologische<br />

Therapie und ein Antibiotikum<br />

(vorzugsweise Ceftriaxon) zur Vermeidung<br />

häufig in der Folge auftretender<br />

Infekte verabreicht werden. Die Volumengabe<br />

sollte in dieser speziellen Situation<br />

vorsichtig erfolgen um ein „Überfüllen“<br />

des Patienten zu vermeiden. Überschießende<br />

Volumengabe würde das Reblutungsrisiko<br />

signifikant erhöhen. Der Patient<br />

sollte sofort an eine klinische<br />

Abteilung mit entsprechend geschultem<br />

intensivmedizinischem Personal transferiert<br />

werden.<br />

Idealerweise sollte das Management<br />

für Varzienblutung in Form eines schriftlichen<br />

Protokolls (standard operating<br />

procedure, SOP) vorliegen (siehe Abb.:<br />

Algorithmus und Therapieplan bei akuter<br />

Varizenblutung). Die Gabe von Erytrocytenkonzentraten<br />

sollte bei Fehlen<br />

von kardialen Begleiterkrankungen ab<br />

einem Hämoglobingehalt < 7 g/dl erfolgen.<br />

Die Ösophagogastroduodenoskopie<br />

zur Sicherung der Diagnose und<br />

weiteren endoskopischen Behandlung<br />

sollte innerhalb der ersten 12 Stunden<br />

nach stationärer Aufnahme erfolgen.<br />

Bei starker Hämatemisis sollte vor der<br />

Endoskopie, die meist unter sedierenden<br />

Medikamenten durchgeführt wird,<br />

eine Schutzintubation und Beatmung<br />

zur Vermeidung einer Aspiration erfolgen.<br />

Endoskopisch gesichert wird die Verdachtsdiagnose<br />

bei Vorliegen einer aktiven<br />

Blutung aus Varizen oder dem Vorliegen<br />

eines weißen Fibrinklots auf<br />

einem Varizenstrang („white nipple“)<br />

(Abb. 2). Nach vorheriger Gabe von Ter-<br />

seite 40 DER MEDIZINER 5/<strong>2010</strong>


lipressin steht die Blutung oft bereits<br />

zum Zeitpunkt der Endoskopie (80%),<br />

und die Größe der Varizen kann durch<br />

die starke vasokonstriktorische Wirkung<br />

dieser Substanz gelegentlich unterschätzt<br />

werden! Als endoskopische Therapie<br />

ist der Gummibandligatur aufgrund<br />

der geringeren Komplikationsrate und<br />

einfacheren Handhabung gegenüber der<br />

Sklerosierung der Vorzug zu geben. Die<br />

Gabe von Terlipression sollte über die<br />

nächsten zwei bis fünf Tage und die Antibiose<br />

über sieben Tage fortgesetzt werden,<br />

wobei diesbezüglich keine präzisen<br />

Empfehlungen der Fachschaften vorliegen.<br />

Die Gummibandligatur sollte bis<br />

zur Eradikation in zweiwöchigen Abständen<br />

durchgeführt werden, wobei<br />

dazu meist zwei bis vier Sitzungen nötig<br />

sind.<br />

Aufgrund einer Rezidivrate der Varizen<br />

bis zu 75% nach einem Jahr nach<br />

dem initialen Ereignis sollte unbedingt<br />

eine jährliche endoskopische Verlaufskontrolle<br />

durchgeführt werden und bei<br />

Rezidiv der Varizen neuerlich die Gummibandligatur<br />

zur Anwendung kommen.<br />

In bis zu 20% der Patienten kommt die<br />

initiale Blutung trotz vasokonstriktorischer<br />

und endoskopischer Therapie<br />

nicht zum Stillstand oder es kommt zur<br />

frühen Rezidivblutung. In diesem Fall<br />

hängt das weitere Management (z.B.<br />

transjugulärer intrahepatischer portosystemischer<br />

Shunt, chirurgischer Shunt,<br />

Ballontamponade, beschichteter Ösophagusstent)<br />

von der lokalen Expertise<br />

und Verfügbarkeit der Methoden ab.<br />

Sowohl TIPS als auch chirurgischer<br />

Shunt sind in der Blutungskontrolle<br />

sehr effektiv (95%) aber durch mögliche<br />

Verschlechterung der Leberfunktionsleistung<br />

und Enzephalopathie kompliziert<br />

(insbesondere bei Patienten mit<br />

Child`s-C-Zirrhose, Alter > 60 a und<br />

Serumbilirubin > 3 mg/dl).<br />

Eine Sondersituation besteht bei blutenden<br />

Magenvarizen, die nach ihrer<br />

Lokalisation (Abb. 3) in vier verschiedene<br />

Typen unterteilt werden. Das<br />

größte Blutungs- und Reblutungsrisko<br />

haben dabei Varizen, die zur großen<br />

Kurvatur führen oder isoliert im Magen<br />

vorliegen. Über die mögliche Wirksamkeit<br />

von Terlipressin zur Blutungskontrolle<br />

bei gastrischen Varizen liegen nur<br />

unzureichend Daten vor, die Substanz<br />

kommt aber aufgrund der positiven<br />

Erfahrungen bei Ösophagusvarizen<br />

regelmäßig zum Einsatz.<br />

5/<strong>2010</strong> DER MEDIZINER<br />

Aufgrund einer hohen Reblutungsfrequenz<br />

nach Banding bei Magenvarizenblutungen<br />

kann diese Methode nicht zur<br />

endoskopischen Therapie dieser Varizenformen<br />

empfohlen werden und es<br />

sollte der Injektion von Histoacryl hier<br />

der Vorzug gegeben werden. Bei unkontrollierbarer<br />

Blutung aus Magenvarizen<br />

kann auch hier wieder der TIPS erfolgreich<br />

eingesetzt werden.<br />

In seltenen Fällen kann eine portal<br />

hypertensive Gastropathie oder gastrische,<br />

antrale, vaskuläre Ektasien<br />

(GAVE, „Wassermelonenmagen“) als<br />

Ursache einer oberen GI-Blutung bei<br />

Zirrhotikern identifiziert werden (etwa<br />

3% der Blutungen bei Zirrhotikern).<br />

Neben der Gabe von nichtkardioselektiven<br />

Betablockern (Propranolol)<br />

gibt es hier anekdotische Berichte über<br />

erfolgreiche endoskopische Therapie<br />

mittels Banding oder Argonplasmakoagulation.<br />

Aufgrund der limitierten<br />

publizierten Evidenz kann hier keine<br />

allgemeine Empfehlung gegeben werden<br />

und das Vorgehen hängt wiederum<br />

nicht zuletzt von der Verfügbarkeit der<br />

Methoden und der lokalen Expertise ab.<br />

Endoskopische Bilder bei Varizenblutung<br />

LEBERZIRRHOSE<br />

Fortbildung<br />

Abbildung 2<br />

Endoskopische Bilder Varizenblutung. (A) Spritzende Varizenblutung, (B) Clot auf Varizenstrang<br />

(„white nipple“), (C) Sickerblutung bei Varizenblutung, (D) Zustand nach Gummibandligaturen bei<br />

akuter Varizenblutung.<br />

Aszites – spontan bakterielle<br />

Peritonitis – hepatorenales<br />

Syndrom<br />

Die Entwicklung von Aszites stellt ein<br />

Menetekel in der Krankengeschichte<br />

eines Patienten mit Leberzirrhose dar.<br />

Das mittlere Überleben nach Erstmanifestation<br />

von Aszites hat sich von zwei<br />

Jahren in den 80er-Jahren auf vier Jahre<br />

im neuen Jahrtausend verbessert, stellt<br />

aber immer noch die häufigste Todesursache<br />

aufgrund der assoziierten Probleme<br />

dar (Abb. 4: Allgemeine Therapierichtlinien<br />

bei Aszites). Bei 10% der<br />

Patienten liegt bei Einhaltung der diätetischen<br />

Kochsalzrestriktion und Ausschöpfung<br />

der diuretischen Therapie ein<br />

refraktärer Aszites vor.Vor Stellung dieser<br />

Diagnose sollte durch Bestimmung<br />

der Harnelektrolyte im Spontanharn<br />

zwei bis vier Stunden nach Einnahme<br />

der Diuretika die Differentialdiagnose<br />

gesichert, eventuelle Diätfehler ausgeschlossen<br />

und eine gegebenenfalls<br />

nötige Adaptation der Diuretikatherapie<br />

vorgenommen werden.<br />

Bei Patienten mit unzureichendem<br />

Therapieansprechen aber normaler<br />

seite 41


LEBERZIRRHOSE<br />

Fortbildung<br />

Lokalisation und Blutungsinzidenz bei Magenvarizen<br />

oder nur gering eingeschränkter Nierenfunktion<br />

liegen meist Diätfehler oder<br />

eine unzureichende Diuretikadosierung<br />

vor! Die Diuretika sollten aufgrund der<br />

besseren Bioverfügbarket bevorzugt zu<br />

den Mahlzeiten eingenommen werden.<br />

Bei unzureichendem Ansprechen sollte<br />

vor allem die morgendliche Furosemiddosis<br />

erhöht werden, da meist nicht die<br />

kritisch wirksame therapeutische Dosierung<br />

im Nierentubulus erreicht wurde.<br />

Durch dieses Vorgehen wird eine<br />

höhere Effektivität als durch die Aufteilung<br />

der Dosen über den Tag erreicht.<br />

Eine „Sonderform des Aszites“ stellt<br />

der hepatische Hydrothorax dar, wobei<br />

diese Patienten meist weniger ausgeprägten<br />

Aszites zeigen (geringerer<br />

Bauchumfang), da die Aszitesflüssigkeit<br />

durch präexistente Zwerchfelllücken in<br />

den Thorax (meist rechte Pleurahöhle)<br />

gelangt. Die Therapie des hepatischen<br />

Hydrothorax entspricht daher den Aszitesrichtlinien.<br />

Drainagen des Thorax<br />

sollten wenn möglich vermieden werden<br />

(hohes Infektions-, und Fistelrisiko!).<br />

Als Therapiealternative bei therapierefraktärem<br />

Aszites bzw. Hydrothorax<br />

steht auch hier der TIPS zur Verfügung,<br />

der das Überleben bei ausgewählten<br />

Patienten (Serumbilirubin < 3 mg/dl,<br />

Serumnatrium > 130 mmol/dl,Alter < 60<br />

Abbildung 3<br />

Lokalisation und Blutungsinzidenz bei Magenvarizen. Gastroösophageale Varizen (GOV), Intragastrale<br />

Varizen (IGV). Modifiziert nach Sarin SK, AASLD Postgraduiertenkurs 2009<br />

a) verbessern kann. Ansonsten stellt die<br />

Lebertransplantation die einzige Therapiealternative<br />

dar.<br />

Patienten mit niedrigem Aszitesproteingehalt<br />

(< 1,0 g/dl) neigen besonders<br />

stark zur SBP (absolute Neutrophilenzahl<br />

Therapiestrategie bei Aszites<br />

von > 250/mm 3 ). Diese Verdachtsdiagnose<br />

sollte bei jedem Patienten mit klinischer<br />

Verschlechterung (z.B. AZ-Minderung,<br />

Umkehr des Tag-Nacht-Rhythmus<br />

als Ausdruck der HE, sich verschlechternde<br />

Nierenfunktion, Fieber, Bauchschmerz)<br />

vermutet, diagnostiziert oder<br />

ausgeschlossen werden! In diesem Fall<br />

sollte unbedingt eine diagnostische Aszitespunktion<br />

durchgeführt werden. Als<br />

Schnelltest können Urinsticks zur Bestimmung<br />

der Leukozytenzahl im Aszites<br />

praktisch sein. Ein negativer „Schnelltest“<br />

schließt aber aufgrund der geringen<br />

Sensitivität im niedrigen Leukozytenbereich<br />

eine SBP nicht aus! Eine rezente<br />

Studie konnte eine hohe diagnostische<br />

Treffsicherheit durch die Bestimmung<br />

von Laktoferrin in der Aszitesflüssigkeit<br />

zeigen (Grenzwert 242 ng/ml, Sensitivität<br />

96%, Spezifität 97%). Die antibiotische<br />

Behandlung erfolgt bevorzugt mit<br />

Cephalosporinen höherer Generation<br />

(z.B. Ceftriaxon, Cefotaxim). Die überlebte<br />

SBP gilt als Indikation zur Lebertransplantation<br />

und diese Patienten sollten<br />

bis dahin eine Dauerprophylaxe<br />

mittels Norfloxacin erhalten.<br />

Bei erhöhten Nierenretentionsparametern<br />

bzw. einem akutem Nierenversagen<br />

im Rahmen einer Leberzirrhose ist<br />

an ein hepatorenales Syndrom (HRS) (<<br />

20% der akuten Nierenversagen bei<br />

Leberzirrhose) zu denken (Abb. 5: Diagnostische<br />

Kriterien und Therapie des<br />

hepatorenalen Syndroms), das differenti-<br />

Abbildung 4<br />

seite 42 DER MEDIZINER 5/<strong>2010</strong>


aldiagnostisch von anderen Formen des<br />

prärenalen Nierenversagens abgegrenzt<br />

werden muss (z.B. Hypovolämie durch<br />

gastrointestinalen Blutverlust, überdosierte<br />

Diuretikatherapie, Infektionen,<br />

medikamentös-toxische Tubulopathie).<br />

Zentraler Bedeutung kommt dabei der<br />

Harnanalyse zu (HRS: Harn Na < 20<br />

mmol/l, Osmo > 500 mOsm/l; akute Tubulusnekrose:<br />

Harn Na > 40 mmol/l, Osmo<br />

< 350 mOsm/l) Das HRS ist als praerenales<br />

Nierenveragen zu verstehen, das nicht<br />

auf Volumengabe anspricht. Das Vorliegen<br />

eines meist therapeirefraktären Aszites<br />

ist bei Patienten mit HRS quasi obligat.<br />

HRS-Patienten leiden meist an einer<br />

fortgeschrittenen Zirrhose (medianer<br />

Child`s-Score 11,2, medianes Serum-Na<br />

127 mmol/l). Bei Fehlen dieser klinischen<br />

Zeichen ist das Vorliegen eines HRS sehr<br />

unwahrscheinlich.<br />

Therapeutisch sollten beim HRS vor<br />

allem Terlipressin oder Norepinephrin<br />

zum Einsatz kommen und möglichst<br />

frühzeitig eine Lebertransplantation in<br />

Erwägung gezogen werden. Während<br />

die Mortalität des HRS vor Einführung<br />

der Terlipressintherapie bei 78% lag,<br />

konnte diese dadurch auf 57% reduziert<br />

werden. Neben der Gabe von Vasokonstriktoren<br />

kommt der Albuminsubstitution<br />

eine große Bedeutung zu, wobei<br />

derzeit eine Tagesdosis von 20–40 g bis<br />

zum Erreichen einer Serumalbuminkonzentration<br />

> 4,5 mg/dl empfohlen<br />

wird.<br />

Hepatozelluläres Karzinom (HCC)<br />

Das HCC ist der zweithäufigste<br />

Tumor weltweit und führende Todesursache<br />

bei Patienten mit Leberzirrhose,<br />

wobei mit einer Verdoppelung der Inzidenz<br />

des HCC in der entwickelten<br />

(westlichen) Welt innerhalb der nächsten<br />

20 Jahre gerechnet werden muss (in<br />

erster Linie durch Zunahme der chronischen<br />

Hepatitis C und des metabolischen<br />

Syndroms). Die Bestimmung des<br />

Serum-Alphafetoproteinspiegels in<br />

Kombination mit Lebersonographie<br />

wird zur Surveillanceuntersuchung bei<br />

Leberzirrhose empfohlen, wobei die<br />

Ergebnisse bezüglich Senkung der Mortalität<br />

(mit Ausnahme von Patienten mit<br />

CHB) ernüchternd sind.<br />

Aufgrund höherer Sensitivität und<br />

Spezifität scheint die jährliche Durchführung<br />

einer MR-Untersuchung der Leber<br />

bei Hochrisikopatienten Erfolg versprechend<br />

und aufgrund der fehlenden Strah-<br />

5/<strong>2010</strong> DER MEDIZINER<br />

LEBERZIRRHOSE<br />

Fortbildung<br />

Abbildung 5<br />

Diagnostische Kriterien und Therapie des hepatorenalen Syndroms<br />

lenbelastung gegenüber einer Mehrphasencomputertomographie<br />

zu bevorzugen.<br />

Diagnostik und Therapieplanung<br />

sollten nach den EASL-Kriterien sowie<br />

der Barcelona-Stadieneinteilung und<br />

Therapieklassifizierung durchgeführt<br />

werden und verlangen einen interdisziplinären<br />

Zugang (Tumorboard bestehend<br />

aus Hepatologen, Radiologen, Pathologen,<br />

Leber- und Transplanationschirurgen).<br />

Lebertransplantation<br />

Die Lebertransplantation stellt für<br />

Patienten mit fortgeschrittener/dekompensierter<br />

Leberzirrhose weiterhin das<br />

einzige Therapieverfahren mit zufriedenstellenden<br />

Langzeitergebnissen dar.<br />

Die Indikation zur Lebertransplantation<br />

sollte, wann immer der Patient von der<br />

kompensierten in die dekompensierte<br />

Phase seiner Erkrankung übertritt, überlegt<br />

werden. In diesem Fall ist eine frühe<br />

Kontaktaufnahme mit einem spezialisierten<br />

Zentrum indiziert. Letztendlich<br />

kann die Entscheidung zur Lebertransplantation<br />

nur in einem indisziplinär<br />

interagierenden Team (bestehend aus<br />

Transplantationschirurgen, Transplantationsinternisten,<br />

Anästhesisten) unter<br />

Einbeziehung wichtiger psychosozialer<br />

Aspekte getroffen werden.<br />

Patienten mit dekompensierter Leberzirrhose<br />

haben aufgrund der assoziierten<br />

Komplikationen eine schlechte Prognose<br />

und benötigen daher eine regelmäßige<br />

ärztliche Observanz und Betreuung<br />

die idealerweise in vielen Aspekten (z.B.<br />

Varizenblutung, SBP-Management) in<br />

standardisierter Form (SOP) durchgeführt<br />

werden sollte. Eine Verbesserung<br />

der Prognose kann nur über gesteigertes<br />

Bewusstsein der betreuenden Personen,<br />

interdisziplinäre Zusammenarbeit und<br />

verbesserte Interaktion zwischen stationären<br />

und ambulanten Gesundheitseinrichtungen<br />

erreicht werden. Aufgrund<br />

der steigenden Komplexität dieser Fragestellungen<br />

und Probleme sollten<br />

Management und Therapieentscheidungen<br />

bei HCC, LTX-Indikation und TIPS-<br />

Indikation in spezialisierten Zentren<br />

getroffen werden.<br />

Literatur bei den Verfassern<br />

Univ.-Doz. Dr. Peter Fickert,<br />

Univ.-Prof. Dr. Michael Trauner<br />

Univ.-Klinik für Innere Medizin<br />

Klinische Abteilung für<br />

Gastroenterolgie und Hepatologie<br />

Auenbruggerplatz 15, A-8010 Graz<br />

peter.fickert@klinikum-graz.at<br />

seite 43


REISEMEDIZIN<br />

Fortbildung<br />

Reisemedizin <strong>2010</strong><br />

Dr. Eva Jeschko, Univ.-Prof. Dr. Herwig Kollaritsch<br />

Jährlich reisen mehr als 100 Millionen<br />

Menschen aus industrialisierten Gegenden<br />

in Hochrisikogebiete der tropischen<br />

und subtropischen Welt, in denen die<br />

Gesundheitsrisiken größer sind. Die<br />

daraus resultierenden medizinischen<br />

Beeinträchtigungen können durchaus<br />

sehr schwerwiegend sein (Travel Medicine<br />

And Principles Of Safe Travel, Herbert<br />

L. Dupont, M.D. Transactions Of<br />

The American Clinical And Climatological<br />

Association, Vol. 119, 2008). Diese<br />

Zahlen unterstreichen die zunehmende<br />

Bedeutung der Reisemedizin, deren<br />

Aufgaben in einer individuellen Beratung<br />

des Reisenden zum Schutz vor<br />

unangenehmen, möglicherweise sogar<br />

Tabelle 1<br />

Kriterien zur Erstellung individueller<br />

Impf- und Prophylaxeempfehlungen<br />

Epidemiologie von Infektionskrankheiten<br />

im Zielland<br />

Reise- und Aufenthaltsbedingungen<br />

touristische Aufenthalte<br />

Individualreisen<br />

berufliche Tätigkeit<br />

VFR = visiting friends and relatives<br />

Aufenthaltsdauer<br />

Beurteilung individueller Risikosituationen<br />

Rad- und Motorradfahrer<br />

Extremsportler<br />

Entwicklungshelfer<br />

Baustellenarbeiter<br />

diplomatischer Dienst,…<br />

Kosten/Nutzen- und Nutzen/Risiko-Abwägung<br />

der vorgeschlagenen Maßnahmen<br />

Berücksichtigung individueller Gegebenheiten<br />

Alter<br />

Kontraindikationen<br />

Unverträglichkeiten, Allergien<br />

Grundkrankheiten<br />

Dauertherapien (Cave: Interaktionen)<br />

Gravidität,...<br />

Impfvorschriften<br />

bedrohlichen Gesundheitsstörungen im<br />

Zusammenhang mit der Reisetätigkeit<br />

zu sehen sind. Bei den Reisenden handelt<br />

es sich nicht um ein einheitliches<br />

Kollektiv, sondern es ist sehr wohl erforderlich,<br />

individuellen Gegebenheiten<br />

Rechnung zu tragen. Tabelle 1 soll wichtige<br />

Faktoren, die für die Erstellung<br />

individueller Impf- und Prophylaxeempfehlungen<br />

erforderlich sind,<br />

zusammenfassen:<br />

Impfungen stellen die wirksamsten<br />

und wichtigsten präventiven<br />

Maßnahmen dar, die<br />

in der Medizin zur Verfügung<br />

stehen. Durch moderne, ausgezeichnet<br />

verträgliche und<br />

immunogene Impfstoffe sind<br />

zahlreiche Infektionskrankheiten<br />

vermeidbar. Nur durch konsequente<br />

Durchimpfung konnte<br />

beispielsweise die Ausrottung<br />

der Pocken erzielt werden.<br />

Das Ziel der globalen Ausrottung<br />

der Polio ist noch nicht<br />

erreicht, allerdings sind weite<br />

Teile der Welt mittlerweile<br />

poliofrei. Als Polio-Risikogebiete<br />

zählen jedoch nach wie<br />

vor Teile Asiens und Afrikas<br />

(Abb. 1). Daraus ergibt sich<br />

auch die Begründung für die<br />

Änderung des österreichischen<br />

Impfplanes, der eine Fortführung<br />

der Auffrischung der<br />

Polioimpfung bei Erwachsenen<br />

nur mehr bei Reisen in gefährdete<br />

Gebiete empfiehlt.<br />

Die Maserneradikation<br />

(Masernerkrankungen weltweit<br />

siehe Abb. 2) ist nur durch<br />

Erreichen von Durchimpfungsraten von<br />

95% zu erzielen. Bisher haben jedoch<br />

nur 58% der Länder, in denen die<br />

Masernimpfung in nationale Impfprogramme<br />

implementiert ist, eine Durchimpfungsrate<br />

von ≥ 90% erreicht, die<br />

geschätze generelle Abdeckung mit der<br />

Masernimpfung liegt bei 83%. Auch in<br />

Österreich sind Anstrengungen erforderlich,<br />

um das Masernrisiko (vgl.<br />

Polio-Verbreitungskarte (WHO)<br />

Masernerkrankungen weltweit (WHO)<br />

Abbildung 1<br />

Abbildung 2<br />

seite 44 DER MEDIZINER 5/<strong>2010</strong>


Masernausbruch 2008 in Salzburg mit<br />

mehr als 400 Erkrankungsfällen) anzustreben.<br />

Jeder Reisende sollte daher<br />

unbedingt entweder zwei Masernimpfungen<br />

nachweisbar erhalten haben oder<br />

durch ein serologische Testung zweifelsfrei<br />

seiner Immunität gewiss sein.<br />

Vorrangiges Ziel der reisemedizinischen<br />

Beratung ist der Schutz vor Infektionskrankheiten,<br />

die ein veritables<br />

Gesundheitsrisiko für den Reisenden<br />

darstellen können. An erster Stelle sind<br />

selbstverständlich die impfpräventablen<br />

Erkrankungen zu nennen.<br />

Bei der Erstellung der individuellen<br />

Impfpläne ist auf die Aktualisierung der<br />

im österreichischen Impfplan empfohlenen<br />

(download www.bmgfj.gv.at) und<br />

die Reiseziel spezifischen Impfungen zu<br />

achten. Bezüglich der Gelbfieberimpfung<br />

sind allfällige Impfvorschriften<br />

jedoch auch die Kontraindikationen zu<br />

beachten. Tabelle 2 soll einen Überblick<br />

über die generell empfohlenen Impfungen<br />

und die Reiseimpfungen geben.<br />

Da jedoch nicht für alle reisemedizinisch<br />

relevanten Erkrankungen Impfstoffe<br />

verfügbar sind, kommt neben den<br />

Immunisierungen der Erklärung spezieller<br />

Verhaltensmuster und der Verschreibung<br />

entsprechender Medikamente<br />

ein hoher Stellenwert zu.<br />

Beispiele für wichtige Verhaltensmuster<br />

sind in der nachstehenden Tabelle dargestellt<br />

(Tab. 3).<br />

Reisediarrhö<br />

Ist mit Abstand die häufigste reiseassoziierte<br />

Erkrankung. Reisediarrhö ist<br />

erfahrungsgemäß fast immer harmlos<br />

und selbstlimitierend. Üblicherweise<br />

wird sie definiert als das Absetzen von<br />

drei oder mehr flüssigen Stühlen innerhalb<br />

eines Tages. Oftmals kommen<br />

Bauchkrämpfe, Übelkeit oder Erbrechen<br />

hinzu. Zumeist treten die Symptome<br />

innerhalb der ersten beiden Reisewochen<br />

auf und halten für rund vier<br />

Tage an. Von andauernden Diarrhöen<br />

sind weniger als 1% der Reisenden betroffen.<br />

Die Inzidenz ist stark von der Reisedestination<br />

und den persönlichen Reiseumständen<br />

abhängig; durchschnittlich leiden<br />

bis zu 55% aller Reisenden an Durchfall.<br />

Weltweit spricht man von unterschiedlichen<br />

Risikozonen für Durchfallerkrankungen.<br />

Im Europa, Australien und den<br />

5/<strong>2010</strong> DER MEDIZINER<br />

Generell empfohlene Impfungen Reiseimpfungen<br />

(unter Berücksichtigung<br />

alterspezifischenr Gegebenheiten)<br />

Rotavirus (Hepatitis A/B)<br />

Diphtherie-Tetanus-Pertussis*-Polio Typhus<br />

HIB Gelbfieber<br />

Hepatitis B Japan-Encepahlitis<br />

Hepatitis A Meningokokken (A, C, W135, Y)<br />

MMR* Tollwut<br />

Varicellen Cholera<br />

Meningokokken (C)<br />

Pneumokokken<br />

Influenza*<br />

FSME<br />

HPV<br />

Herpes zoster<br />

USA herrscht ein geringes Infektionsrisiko.<br />

Südafrika, Chile, Argentinien und<br />

die nördlichen Teile Asiens werden mit<br />

einem mittleren Risiko für Infektionen<br />

mit Durchfallerregern eingestuft. Ein<br />

sehr hohes Risiko an Reisediarrhö zu<br />

erkranken besteht in großen Teilen Afrikas,<br />

Süd- und Mittelamerikas sowie in<br />

einigen Teilen Südostasiens.<br />

Schätzungsweise werden bis zu 90%<br />

aller Fälle von Reisediarrhö durch Bakterien<br />

verursacht, rund 5% können auf<br />

Parasiten zurückgeführt und nur zirka<br />

5% sind viralen Ursprungs.<br />

Durch sorgfältige Hygiene und vernünftige<br />

Ernährung („cook it, peel it, or<br />

forget it!“) können demnach zahlreiche<br />

Infektionen vermieden werden. In vielen<br />

Ländern sollte kein Leitungswasser<br />

getrunken werden. Lebensmittel wie<br />

REISEMEDIZIN<br />

Fortbildung<br />

Tabelle 2<br />

* Eine Verbesserung der Durchimpfungsraten bei Masern, Pertussis und Influenza ist in Österreich<br />

dringend anzustreben.<br />

rohes Fleisch, Fisch und Eier, Eiscremes,<br />

Saucen und Salate sind der ideale Nährboden<br />

für Durchfallerreger. Die größte<br />

Rolle in der Pathogenese der Reisediarrhö<br />

spielen humanpathogene Eschericia<br />

coli, wobei hier die bedeutendsten Pathovare<br />

Enterotoxigene E. coli (ETEC) und<br />

Enteroaggregative E. coli (EAEC) sind.<br />

Weitere wichtige Durchfallserrreger sind<br />

Campylobacter, Acromobacter, Salmonellen,<br />

Shigellen und Bacteroides.<br />

Da die überwiegende Zahl (über<br />

90%) der Reisediarrhöen ausgeprägt<br />

wässrig und nicht fieberhaft ist, kommt<br />

symptomatischen Behandlungsmethoden<br />

(Rehydrierung) die größte Bedeutung<br />

zu, wobei insbesondere der angepasste<br />

Umgang mit Peristaltikhemmer<br />

aber eindrücklich angemahnt werden<br />

sollte. Nur in wenigen, durch fieberhafte<br />

Verläufe als möglicherweise invasiv<br />

Tabelle 3<br />

Expositionsprophylaxe<br />

• Tragen entsprechender Bekleidung • Minimierung des Infektionsrisikos von durch Stech-<br />

• Verwendung von Repellentien mücken übertragenen Erkrankungen<br />

• Imprägnierung der Bekleidung • Dengue<br />

• Chikungunya<br />

• Tragen entsprechender Bekleidung Malaria (plus medikamentöse Maßnahmen)<br />

• Verwendung von Repellentien<br />

• Imprägnierung der Bekleidung<br />

• Aufenthalt in klimatisierten Räumen<br />

• Verwendung von imprägnierten<br />

Moskitonetzen<br />

Lebensmittelhygiene<br />

Vermeidung von Minimierung des Reisedurchfallsrisikos,<br />

• Leitungswasser einer der häufigsten reiseassoziierten<br />

• Eis, Eswürfeln Gesundheitsstörungen<br />

• Salaten<br />

• ungekochten Fleisch-, Fischund<br />

Gemüseprodukten<br />

seite 45


REISEMEDIZIN<br />

Fortbildung<br />

Tabelle 4<br />

Definitionen Erforderliche Patienteninformation<br />

Notfallselbstmedikation<br />

Notfall Symptomatik einer Malariaerkrankung<br />

Vermutung einer schweren, eventuell Fieber (jedoch kein bestimmter Fiebertyp),<br />

lebensgefährlichen Krankheit, die frühzeitiges unspezifische Symptome wie allgemeines<br />

Handeln erfordert Krankheitsgefühl, Übelkeit, evtl. Erbrechen,<br />

Kopf- und Gliederschmerzen, Durchfälle<br />

Selbst Gefahr eines verzögerten<br />

eigenständige Durchführung der therapeutischen Handelns<br />

erforderlichen Erstmaßnahmen durch<br />

den medizinischen Laien OHNE definitive<br />

Diagnose zur Verhinderung komplizierter<br />

oder lebensbedrohender Verläufe,<br />

wenn die Inanspruchnahme professioneller Hilfe<br />

nur mit größerer zeitlicher Verzögerung<br />

(Plasmodium-falciparum-Infektionen ≥ 48 Stunden!)<br />

anzunehmen ist.<br />

Medikation Dosierung des Notfallmedikamentes<br />

Einnahme von Medikamenten zum richtigen genauen Einnahmemodalitäten des<br />

Zeitpunkt, in der richtigen Dosierung, unter Notfallmedikamentes (z. B. mit fettreicher<br />

den richtigen Bedingungen und unter Nahrung)<br />

Berücksichtigung möglicher Nebenwirkungen Allfällige Nebenwirkungen<br />

Notwendigkeit auch nach erfolgter Selbstmedikation<br />

unbedingt ehebaldigst ärztliche<br />

Hilfe in Anspruch zu nehmen<br />

gekennzeichneten Fällen von akuten<br />

Diarrhoen sollte der Einsatz eines Breitspektrumanitbiotikum<br />

erwogen werden,<br />

hier in Abhängigkeit von der lokalen<br />

Resistenzlage am ehesten Ciprofloxacin,<br />

Azithomycin oder – als neueres Konzept<br />

– Rifaximin, ein nicht resorbierbarer<br />

Abkömmling des Rifampicin.Aktivkohle<br />

und Probiotika sind im Einsatz bei Reisediarrhö<br />

kaum bzw. nicht wirksam.<br />

Malaria<br />

Da Malaria zu den wichtigsten reiseassoziierten<br />

Infektionskrankheiten zählt,<br />

ist Priorität auf die Malariaberatung zu<br />

legen. Neben der bereits angesprochenen<br />

Expositionsprophylaxe sind auch<br />

medikamentöse Maßnahmen (permanente<br />

Prophylaxe oder Notfallselbstmedikation)<br />

erforderlich. Die genaue Wahl<br />

der Vorgangsweise ist von der regionalen<br />

Malariaepidemiologie und auch individuellen<br />

Gegebenheiten abhängig.<br />

Eine permanente Malariaprophylaxe<br />

(regelmäßige Einnahme eines blutschizontociden<br />

Medikamentes über einen<br />

medikamentenspezifischen Zeitraum vor,<br />

während und nach der Reise) ist in Regionen<br />

mit hohem Malariarisiko und überwiegendem<br />

Vorkommen von Plasmodium<br />

falciparum als Erreger der potentiell<br />

akut lebensbedrohlichen Malaria tropica<br />

indiziert, was für das tropische Afrika,<br />

Teile Südamerikas (regional Amazonien)<br />

und Südostasiens zu trifft. Die<br />

Wahl des Medikamentes ist von der<br />

Resistenzsituation von Pl. falciparum<br />

abhängig. Als Malariaprophylaktika stehen<br />

Mefloquin (Lariam ® ), Atovaquon-<br />

Proguanil (Malarone ® ) oder Doxycyclin<br />

(Vibramycin ® ) zur Verfügung.<br />

Als weitere Option ist die Notfallselbstmedikation<br />

(Stand-by-Medikation)<br />

anzusehen, die jedoch nur in Regionen<br />

mit niedrigem, z.T. regional und/oder saisonal<br />

unterschiedlichem Malariarisiko<br />

und Pf. falciparum als nicht dominierender<br />

Spezies zum Einsatz kommt.<br />

Unter Notfallselbstmedikation versteht<br />

man die therapeutische Einnahme<br />

eines Malariamedikamentes durch den<br />

Patienten bei Auftreten einer malariaverdächtigen<br />

Symptomatik und fehlender<br />

Möglichkeit einer sofortigen Diagnosestellung.<br />

Eine genaue Definition<br />

und Information des Reisenden<br />

(Tab. 4) über die Vorgangsweise<br />

ist eine unabdingbare Voraussetzung<br />

dafür, wird doch die<br />

Verantwortung in die Hand des<br />

Laien übergeben. Als Notfallmedikamente<br />

stehen Chloroquin<br />

(Resochin ® , wegen Resistenzsituation<br />

sehr limitierter<br />

Einsatz), Atovaquon/Proguanil<br />

(Malarone ® ) und mittlerweile<br />

auch Artemether/Lumefantrin<br />

(Riamet ® ), das in der Folge kurz<br />

charakterisiert werden soll, zur<br />

Verfügung.<br />

Bei Riamet ® handelt sich um eine<br />

fixe, synergistisch wirkende Kombination<br />

aus Artemether (wirksamer Metabolit:<br />

Dihydroartemisinin) und Lumefantrin.<br />

Das Präparat ist seit Jahren<br />

weltweit als Therapeutikum im Einsatz<br />

und wird auch in Deutschland und der<br />

Schweiz zur Notfallselbstmedikation<br />

empfohlen. Es entspricht auch den<br />

WHO-Empfehlungen der Artemisinin-<br />

Kombinationstherapie (ACT).<br />

Die Wirksamkeit (rasche Abfieberung<br />

und Parasitenclearance, Heilungsraten<br />

Tag 28 bis 98%) und Verträglichkeit des<br />

Sechs-Dosen-Schemas (Dosierung gewichtsabhängig<br />

Stunde 0–8–24–36–48–<br />

60) ist durch zahlreiche Studien in der<br />

Therapie der unkomplizierten Malaria<br />

tropica untersucht, zuletzt auch bei<br />

nichtimmunen Reisenden (Hatz C,Am.J<br />

Trop Med Hyg 2008). Das Medikament<br />

zeichnet sich durch ein gutes Nebenwirkungsprofil<br />

und durch fehlende Kardiotoxizität<br />

aus. Auch der Einsatz bei Kindern<br />

ist ausreichend dokumentiert. Da<br />

die Metabolisierung über das Cytochromsystem<br />

läuft, ist auf Arzneimittelinteraktionen<br />

zu achten. Bekannte Interaktionen<br />

betreffen Medikamente, die<br />

ebenfalls über CYP2D6 metabolisiert<br />

werden wie z.B. Flecainid, Metoprolol,<br />

Imipramin, Amitriptylin, Clomipramin<br />

sind zu beachten. Eine gleichzeitige<br />

Gabe mit Medikamenten, die das QTc-<br />

Intervall verlängern (Antiarrhythmika,<br />

Neuroleptika, Antidepressiva, Makrolide,<br />

Fluorochinolone etc.), ist nicht<br />

erlaubt. Artemether/Lumefantrin ist<br />

ausschließlich als Therapeutikum indiziert,<br />

eine prophylaktische Einnahme ist<br />

nicht möglich.<br />

Seit ca. einem Jahr ist ein neuer, EUregistrierter<br />

Japan-Encephalitis-Impfstoff<br />

(Ixiaro ® ) verfügbar, sodass es sinnvoll ist,<br />

einige Aspekte der Japan-Encephalitis zu<br />

Abbildung 3<br />

Japan-Encephalitis-Verbreitungskarte WHO-ITH <strong>2010</strong><br />

seite 46 DER MEDIZINER 5/<strong>2010</strong>


eleuchten und den Impfstoff kurz zu<br />

charakterisieren.<br />

Bei der Japan-Encephalitis (Verbreitungskarte<br />

Abb. 3) handelt es sich um<br />

eine durch Stechmücken der Gattung<br />

Culex übertragene Flavi-Virusinfektion.<br />

Sie stellt die führende Ursache der viralen<br />

Encephalitis in Asien und im Westpazifik<br />

dar.<br />

Beim Japan-Encephalitis-Virus (JEV)<br />

unterscheidet man mindestens vier<br />

Genotypen, wobei Genotyp III am weitesten<br />

verbreitet ist. Virusreservoir sind<br />

wild lebende Wasservögel, Schweine<br />

stellen den amplyfing host dar. Der<br />

Mensch ist das „tote Ende“ im Transmissionszyklus.<br />

Die Übertragung erfolgt überwiegend<br />

im ländlichen Raum mit Reisanbau, eine<br />

periurbane Übertragung ist jedoch möglich.<br />

In gemäßigten Zonen ist die Übertragung<br />

saisonal, in subtropisch/tropischen<br />

Regionen abhängig von der Monsunzeit,<br />

regional auch ganzjährig.<br />

Jährlich werden ca. 40.000 Fälle<br />

gemeldet, die Dunkelziffer ist jedoch<br />

hoch. Die Japan-Encephalitis birgt ein<br />

Potential für epidemische Ausbrüche,<br />

wie beispielsweise jährlich in Indien.<br />

Die Seroprävalenz bei Schulkindern<br />

beträgt bis über 20%. 1/25 bis 1/250 der<br />

Infizierten erkranken manifest. Symptomatische<br />

Erkrankungen sind im höheren<br />

Alter häufiger und verlaufen schwerer.<br />

Rund ein Drittel der klinischen<br />

Erkrankungen ist letal, bei einem Drittel<br />

bleiben permanente neurologische<br />

Folgeschäden, bei einem weiteren Drittel<br />

kommt es zur völligen Heilung.<br />

Das klinische Erscheinungsbild entspricht<br />

einer viralen Meninogoencephalitis<br />

oder Meningoencephalomyelitis, ist<br />

also unserer FSME vergleichbar. Eine<br />

kausale Therapie ist nicht verfügbar, die<br />

Behandlung ausschließlich symptomatisch.<br />

Bei dem nunmehr EU-registrierten<br />

Japan-Encephalitis-Impfstoff (Ixiaro)<br />

handelt es sich um einen adjuvierten<br />

Totimpfstoff mit verozellgezüchtetem<br />

SA14-14-2-Impfvirus. Tab. 5 bringt eine<br />

Gegenüberstellung des bisher verwendeten<br />

Impfstoffes (JE-VAX) mit Ixiaro.<br />

In verschiedenen Studien wurde die<br />

Verträglichkeit und Immunogenität des<br />

neuen Impfstoffes im Vergleich mit Je-<br />

Vax evaluiert. Nach zwei Impfungen<br />

5/<strong>2010</strong> DER MEDIZINER<br />

konnten bei bis zu 98% der Probanden<br />

schützende Antikörper (PRNT = Plaquereduktions-NeutralisationstestAntikörpertiter<br />

≥ 1:10) nachgewiesen werden,<br />

die Seroprotektion nach zwölf<br />

Monaten liegt bei 83%. Mittlerweile<br />

sind auch Langzeitdaten publiziert, die<br />

dokumentieren, dass bei weiter bestehendem<br />

Expositionsrisikos eine Auffrischungsimpfung<br />

nach 12–24 Monaten<br />

erfolgen sollte. Das lokale Verträglichkeitsprofil<br />

von Ixiaro war gegenüber<br />

dem von Je-Vax signifikant überlegen.<br />

Auch das Risiko systemischer Nebenwirkungen<br />

ist gering.<br />

Derzeit besteht keine Freigabe für<br />

Kinder und Jugendliche bis zum 18.<br />

Lebensjahr, entsprechende Studien laufen<br />

jedoch. Zusätzlich sind auch Studien<br />

zum Einsatz des Impfstoffes im höheren<br />

Lebensalter (60+) geplant. Der Impfstoff<br />

ist für den Einsatz in der Schwangerschaft<br />

nicht freigegeben.<br />

Daten zur Boosterfähigkeit einer<br />

Grundimmunisierung mit Je-Vax mit<br />

dem neuen Impfstoff sind nicht verfügbar.<br />

Die Impfindikation für die Japan-<br />

Encephalitis ist immer unter Berücksichtigung<br />

der genauen Reiseumstände<br />

und Risikosituationen zu treffen. Eine<br />

exakte individuelle Risikobeurteilung<br />

ist schwer möglich, zumal bei der Japan-<br />

Encephalitis regionale und saisonale<br />

Schwankungen bestehen. Es handelt<br />

sich prinzipiell um eine Erkrankung, die<br />

aufgrund der Verbreitung im asiatischen<br />

Raum ein hohes potentielles Risiko hat,<br />

das aktuelle Risiko ist jedoch klein.<br />

Erkrankungen bei Reisenden sind selten<br />

(Inzidenz 1/1,000.000, Risikovarianz<br />

zwischen 1/5.000 bis 1/20.000 in Reisfeldanbaugebieten).<br />

Zu berücksichtigen<br />

sind jedoch der schwere Erkrankungsverlauf<br />

und die fehlende kausale Therapie.<br />

Vergleich JE-Impfstoffe (beides Totimpfstoffe)<br />

Je-Vax ® Ixiaro ®<br />

Virussaat virulent attenuiert<br />

(Beijing, Nakajama) (SA14–14–2)<br />

Viruswachstum Maushirn Verozellen<br />

Stabilisator Schweinegelatine keiner<br />

Adjuvans keines Aluminiumhydroxid<br />

Konservierung Thiomersal kein<br />

Formulierung lyophilisiert flüssig<br />

Abgabe Fläschchen Fertigspritze<br />

Impfschema Drei Dosen: 0–7–28 Zwei Dosen: 0–28<br />

REISEMEDIZIN<br />

Fortbildung<br />

Ein aktueller Tollwutausbruch auf der<br />

Urlauberinsel Bali, der seit Beginn des<br />

Ausbruches im Jahr 2008 bereits 47<br />

Menschenleben gefordert hat, macht<br />

deutlich, dass auch eine exakte Beratung<br />

zur Tollwutproblematik unerlässlich<br />

ist.<br />

Tollwut<br />

Tabelle 5<br />

Tollwut (Verbreitung Abb. 4) stellt ein<br />

– annähernd – weltweites Problem dar.<br />

Jährlich sterben mindestens 55.000<br />

Menschen an Tollwut. Sind im europäischen<br />

Raum Füchse die klassischen<br />

Überträger, zählen im asiatischen, aber<br />

auch im afrikanischen Raum Hunde die<br />

Hauptüberträger dar. Der Tod einer 34jährigen<br />

holländischen Touristin, die in<br />

Kenia von einer herumfliegenden Fledermaus<br />

im Gesicht gekratzt wurde, an<br />

Tollwut (Tollwutvirus Duvenhage)<br />

unterstreicht die Problematik der Fledermaustollwut,<br />

einer sicher unterschätzten<br />

Erkrankung.<br />

Bei Tollwut (Rhabdovirus) handelt es<br />

sich um eine absolut unbehandelbare,<br />

tödliche verlaufende Erkrankung. Nach<br />

initialer Virusvermehrung an der Eintrittsstelle<br />

wird das Virus in die nichtmyelinisierten<br />

Nervenzellen aufgenommen<br />

und verbreitet sich dann zentripetal<br />

ins ZNS, um dann die klinische Symptomatik<br />

(Schlundkrämpfe, Schluckunfähigkeit,<br />

Hydrophobie, Aerophobie,<br />

Rastlosigkeit, Halluzinationen, Desorientiertheit,<br />

Koma,Tod nach ein b is zwei<br />

Wochen) auszulösen.<br />

Bei der Tollwutimpfung stehen zwei<br />

unterschiedliche Vorgangsweisen zur<br />

Verfügung: die präexpositionelle Impfung<br />

und die postexpositionelle Tollwutprophylaxe<br />

(PEP).<br />

Bei der präexpositionellen Tollwutimpfung<br />

erfolgen primär drei Impfungen<br />

(Tag 0–7–28 [21]). Für einen Lang-<br />

seite 47


REISEMEDIZIN<br />

Fortbildung<br />

zeitschutz ist eine weitere Impfung bei<br />

fortgesetztem Expositionsrisiko nach<br />

12–24 Monaten empfehlenswert. Auch<br />

nach präexpositioneller Impfung sollte<br />

im Kontaktfall aufgefrischt werden, die<br />

Hyperimmunglobulingabe ist jedoch<br />

nicht erforderlich.<br />

Die postexpositionelle Tollwutprophylaxe<br />

ist im Falle eines Tierkontaktes<br />

– abgesehen von einer adäquaten<br />

Wunddesinfektion und Tetanusprophylaxe<br />

– eine unbedingt erforderliche<br />

Maßnahme. Es handelt sich um eine<br />

aktiv/passive Immunisierung (Analogie<br />

zu Tetanus):<br />

• Gabe von humanem Tollwuthyperimmunglobulin<br />

(20 IE/kg KG, zur<br />

Tollwutverbreitungskarte WHO ITH <strong>2010</strong><br />

Hälfte um die Wunde, zur Hälfte<br />

intramuskulär);<br />

• gleichzeitiger Beginn der aktiven<br />

Immunisierung (Vodopija-Schema:<br />

Tag 0–7–21 mit zwei Dosen am Tag 0,<br />

Essen-Schema: 0–3–7–14–28).<br />

Eine exakte individuelle Risikobeurteilung,<br />

im Zuge einer Reise einen<br />

unliebsamen Tierkontakt zu erleben, der<br />

eine sofortige postexpositionelle Tollwutprophylaxe<br />

erforderlich macht, ist nicht<br />

möglich. Somit ist die Impfindikation<br />

immer in einem persönlichen Beratungsgespräch,<br />

vor allem unter Berücksichtigung<br />

spezieller Risikosituationen (pet<br />

addicts, Kinder, Outdoor-Aktivitäten,<br />

Rad- oder Motorradfahren, Entwicklungshilfeeinsätze<br />

etc.) zu stellen. Die<br />

Abbildung 4<br />

Verfügbarkeit einer<br />

vernünftigen PEP<br />

vor Ort kann nie<br />

sicher gestellt sein.<br />

Moderne Tollwutimpfstoffe<br />

sind<br />

ausgezeichnet verträglich<br />

und wirksam,<br />

leider jedoch<br />

teuer. Ängste<br />

bezüglich unerwünschterNebenwirkungen,<br />

wie sie<br />

von den vor Jahrzehntenverwende-<br />

ten Impfstoffen beschrieben sind, sind<br />

bei den im Handel befindlichen Tollwutimpfstoffen<br />

unbegründet.<br />

Die Verfügbarkeit neuer Impfstoffe<br />

und Medikamente, die Dynamik von<br />

Infektionskrankheiten sowie aktuelle epidemiologische<br />

Gegebenheiten machen<br />

regelmäßige Updates reisemedizinischer<br />

Empfehlungen erforderlich. Die wichtigsten<br />

Aktualitäten sind immer auf den einschlägigen<br />

webpages (z. B. www.who.int<br />

oder www.cdc.gov ) abrufbar.<br />

Dr. Eva Jeschko<br />

Univ.-Prof. Dr. Herwig Kollaritsch<br />

Institut für Spez. Prophylaxe und<br />

Tropenmedizin am Zentrum für<br />

Pathophysiologie, Infektiologie und<br />

Immunologie der Med Uni Wien<br />

Kinderspitalgasse 15, A-1090 Wien<br />

eva.jeschko@meduniwien.ac.at<br />

herwig.kollaritsch@meduniwien.ac.at<br />

Gruppenpraxis der FÄ f. spez.<br />

Prophylaxe und Tropenmedizin OEG<br />

em. o. Univ.-Prof. Dr. G. Wiedermann,<br />

ao. Univ.-Prof. Dr. H. Kollaritsch,<br />

Univ.-Prof. Dr. U. Wiedermann-Schmidt<br />

Zimmermanngasse 1A, A-1090 Wien<br />

eva.jeschko@reisemed.at<br />

herwig.kollaritsch@reisemed.at<br />

seite 48 DER MEDIZINER 5/<strong>2010</strong>


Innergemeinschaftliche Lieferungen<br />

Mit dem Beitritt Österreichs zur Europäischen<br />

Union sind sämtliche Zollgrenzen<br />

gegenüber den anderen Mitgliedstaaten<br />

weggefallen. Hat eine Ware den<br />

zollrechtlichen Status einer Gemeinschaftsware,<br />

kann sie ohne zollrechtliche<br />

Beschränkungen innerhalb der Gemeinschaft<br />

zirkulieren. Gemeinschaftswaren<br />

sind Waren, die in der Gemeinschaft<br />

vollständig gewonnen, hergestellt oder in<br />

die Gemeinschaft eingeführt und in den<br />

zollrechtlich freien Verkehr überführt<br />

wurden.<br />

Steuerfrei Verrechnung<br />

zwischen Unternehmen<br />

Ein innergemeinschaftlicher Erwerb<br />

liegt vor, wenn folgende Voraussetzungen<br />

erfüllt sind:<br />

• Die Ware gelangt von einem Mitgliedstaat<br />

in einen anderen.<br />

• Der Erwerber ist entweder ein Unternehmer,<br />

der den Gegenstand für sein<br />

Unternehmen erwirbt oder eine juristische<br />

Person.<br />

• Der Lieferant ist ebenfalls Unternehmer.<br />

Er liefert gegen Entgelt im<br />

Rahmen seines Unternehmens. Der<br />

Unternehmer darf jedoch kein Kleinunternehmer<br />

sein, da diese umsatzsteuerbefreit<br />

sind.<br />

Der Erwerber kann die Erwerbsteuer<br />

als Vorsteuer abziehen, wenn er den<br />

Gegenstand für sein Unternehmen<br />

erworben hat und die übrigen Voraussetzungen<br />

für den Vorsteuerabzug gegeben<br />

sind. Eine Rechnung ist für den Vorsteuerabzug<br />

nicht erforderlich. Das<br />

Recht zum Vorsteuerabzug ist bereits in<br />

dem Zeitpunkt gegeben, in dem die<br />

Erwerbsteuerschuld entsteht. Der<br />

Unternehmer kann somit den Vorsteuerabzug<br />

in derselben Umsatzsteuervoranmeldung<br />

geltend machen, in der er<br />

den innergemeinschaftlichen Erwerb<br />

besteuert.<br />

Kein innergemeinschaftlicher Erwerb<br />

liegt vor, wenn der Erwerb durch so<br />

genannte „Schwellenwerber“ erfolgt.<br />

Zu diesen „Schwellenwerbern“ zählen:<br />

• Unternehmer, die nur steuerfreie<br />

Umsätze ausführen, die zum Ausschluss<br />

vom Vorsteuerabzug führen<br />

(z.B. Ärzte, Kleinunternehmer, Banken).<br />

• pauschalierte Landwirte;<br />

5/<strong>2010</strong> DER MEDIZINER<br />

• juristische Personen, die Nichtunternehmer<br />

sind oder die den Gegenstand<br />

nicht für ihr Unternehmen erwerben<br />

(z.B. Vereine, Gemeinden, Kammern).<br />

Für diese Gruppe wurden Grenzwerte<br />

eingeführt. Erst wenn der Gesamtbetrag<br />

der Entgelte für Erwerbe die sie aus dem<br />

übrigen Gemeinschaftsgebiet im Kalenderjahr<br />

eingenommen haben, diese<br />

Grenzwerte überschreiten, gilt der<br />

Erwerb als innergemeinschaftlich.<br />

Nachweispflichten<br />

Des Weiteren sei hier noch erwähnt,<br />

dass wegen der in letzter Zeit gehäuft<br />

vorkommenden Umsatzsteuerbetrügereien<br />

das Finanzministerium die Nachweispflichten<br />

verschärft hat. Bei sogenannten<br />

„Abholfällen“ ist künftig eine<br />

Vollmacht erforderlich. Innergemeinschaftliche<br />

Lieferungen sind wie oben<br />

schon erwähnt umsatzsteuerfrei, wenn<br />

zwei Voraussetzungen erfüllt sind:<br />

Der Abnehmer ist ein Unternehmer<br />

aus einem anderen Mitgliedsstaat der<br />

EU und die Ware wird im Zuge der Lieferung<br />

von Österreich in den anderen<br />

EU-Mitgliedsstaat befördert oder versendet.<br />

Beide Voraussetzungen muss der<br />

Lieferant nun nachweisen können.<br />

Die verschärften Nachweispflichten<br />

gelten bei Abholfällen. Abholfälle sind<br />

solche, bei denen der Kunde selbst oder<br />

ein von ihm beauftragter unselbständiger<br />

Erfüllungsgehilfe (z.B. Familienangehöriger)<br />

die Ware abholt.<br />

Tipp<br />

Wird die Ware mit Bahn oder Post,<br />

mit einer Spedition, einem Frachtführer<br />

oder einem Paketdienst ins EU-<br />

Ausland befördert gilt diese Verschärfung<br />

nicht. Die entsprechenden<br />

Aufgabescheine sind jedoch als buchmäßiger<br />

Nachweis aufzubewahren.<br />

Als Ausfuhrnachweis bei Abholfällen<br />

gilt die Erklärung des Abholenden, die<br />

Ware in ein anderes EU-Land zu befördern.<br />

Diese Erklärung muss vom Abholenden<br />

unterschrieben sein, außerdem<br />

muss der Lieferant die Identität des<br />

Abholenden nachweisen (z.B. durch<br />

DOKTOR PRIVAT<br />

MMag. Dieter Hafner<br />

Kopie eines Führerscheines). Schickt<br />

der Abnehmer einen Mitarbeiter oder<br />

einen sonstigen unselbständigen Erfüllungsgehilfen,<br />

muss nun auch durch<br />

geeignete Unterlagen nachgewiesen<br />

werden, dass diese Person berechtigt ist,<br />

die Ware für den Abnehmer abzuholen.<br />

Dies kann etwa durch eine Spezialvollmacht<br />

erfolgen.<br />

Ist der Abnehmer eine Gesellschaft,<br />

genügt in der Regel ein Firmenbuchauszug,<br />

aus dem sich ergibt, dass die abholende<br />

Person zur Vertretung der Gesellschaft<br />

befugt ist.<br />

Die Abholbefugnis muss spätestens<br />

nachweislich bei Aushändigung der<br />

Ware vorliegen. Werden die Nachweispflichten<br />

nicht vollständig erfüllt, riskiert<br />

man Steuernachzahlungen.<br />

Für nähere Auskünfte stehe ich Ihnen<br />

gerne zur Verfügung.<br />

MMag. Dieter Hafner, Steuerberater<br />

Am Leonhardbach 10b, A-8010 Graz<br />

Telefon: 0316/32 51 37-0, Fax: 32 51 70<br />

hafner@dh-treuhand.at<br />

seite 49


FORUM MEDICUM<br />

Fortbildung<br />

ABONNEMENT<br />

❍ Ich bestelle den MEDIZINER zum<br />

1-Jahres-Abonnement-Preis von<br />

€ 39,– inkl. Porto.<br />

❍ Ich bestelle den MEDIZINER zum<br />

2-Jahres-Abonnement-Preis von<br />

€ 76,– inkl. Porto.<br />

Falls ich mein Abonnement nicht verlängern<br />

will, werde ich dies bis spätestens<br />

sechs Wochen vor Auslaufen des<br />

Abos per Einschreiben oder E-Mail<br />

mitteilen. Erhalten Sie keine Nachricht<br />

von mir, verlängert sich mein Abonnement<br />

automatisch um ein Jahr.<br />

Um die DINERS CLUB GOLD<br />

CARD zu erhalten, ist es erforderlich,<br />

dem MEDIZINER-Club (s.u.) beizutreten<br />

(Beitritt und Mitgliedschaft<br />

sind kostenlos).<br />

Titel, Name, Vorname<br />

Straße<br />

PLZ/Ort<br />

Datum<br />

Unterschrift und Stempel (falls vorhanden)<br />

❍ Ja, ich möchte dem MEDIZINER-<br />

Club beitreten. Es entstehen für<br />

mich dabei keine Kosten.<br />

Als Abonnent des MEDIZINERs erhalte<br />

ich nach Einsendung dieser Karte ein<br />

spezielles Antragsformular auf Ausstellung<br />

einer DINERS CLUB GOLD<br />

CARD von AIRPLUS, Rainerstraße 1,<br />

A-1040 Wien.<br />

❍ Ich möchte für die Dauer meines<br />

Abonnements kostenlos die Diners<br />

Club Gold Card beziehen.<br />

Mir ist klar, dass mein Antrag den<br />

üblichen Kriterien für Privatkarten<br />

entsprechen muss und gegebenenfalls<br />

auch abgelehnt werden kann.<br />

Datum<br />

Unterschrift<br />

A NFORDERUNGSFAX<br />

CLUB-<br />

ANMELDUNG<br />

5/<strong>2010</strong><br />

Durch Ankreuzen des gewünschten Produktes können Sie bequem Literatur<br />

bzw. ein Informationsgespräch bestellen. Das ausgefüllte und unterschriebene<br />

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unbedingt hier (Absender) signieren!<br />

Fax: 04263/200 74<br />

verlagdermediziner gmbh Steirer Straße 24, A-9375 Hüttenberg<br />

seite 50 DER MEDIZINER 5/<strong>2010</strong><br />

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50


Fachkurzinformation siehe Seite 48

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