Umbruch_1_2008:Sauerland Zeitschrift - Sauerländer Heimatbund ...
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ISSN 0177 - 8110 K 2767<br />
Nr. 2/Juni <strong>2008</strong> <strong>Zeitschrift</strong><br />
des <strong>Sauerländer</strong><br />
<strong>Heimatbund</strong>es<br />
SAUERLAND<br />
STÜTINGS MÜHLE IN BELECKE
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Impressionen<br />
entlang der Ruhr<br />
Von der Quelle bis zur Mündung<br />
Gerhard Becker<br />
Neu!
SAUERLAND NR. 2/<strong>2008</strong> 55<br />
SAUERLAND Nr. 2/Juni <strong>2008</strong><br />
<strong>Zeitschrift</strong> des<br />
<strong>Sauerländer</strong> <strong>Heimatbund</strong>es<br />
Mitgliederversammlung des <strong>Sauerländer</strong> <strong>Heimatbund</strong>es<br />
in Warstein-Belecke am 30. August <strong>2008</strong> ab 10 Uhr<br />
Liebe Heimatfreundinnen und Heimatfreunde,<br />
im großen Festsaal der Belecker Schützenhalle findet die diesjährige<br />
Mitgliederversammlung des <strong>Sauerländer</strong> <strong>Heimatbund</strong>es auf Einladung<br />
des Bürgermeisters Manfred Gödde, der Ortsvorsteherin Elke Bertling<br />
und des Vorsitzenden des Kultur- und Heimatvereins „Badulikum“ Joseph<br />
Friederizi statt.<br />
Wir können uns darauf freuen, unseren Heimattag in dieser traditionsbewussten,<br />
geschichtsträchtigen und zukunftsfähigen Stadt Warstein-Belecke,<br />
worüber der Innenteil der <strong>Zeitschrift</strong> hinreichend Auskunft gibt,<br />
durchzuführen. Unsere Gastgeber haben sich intensiv darauf vorbereitet<br />
und werden dafür sorgen, dass zur Zufriedenheit aller Heimatfreunde dieser<br />
Tag gestaltet wird. Wir alle können durch zahlreiche Teilnahme die<br />
kurkölnische Verbundenheit im Heimatgebiet des <strong>Sauerländer</strong> <strong>Heimatbund</strong>es<br />
dokumentieren.<br />
In diesem 1050-jährigen Ackerbürgerstädtchen Belecke mit benediktinischer<br />
Tradition liegt es nahe, dass der Festredner Prof. Pater Michael<br />
Hermes, OSB der Benediktinerabtei Königsmünster in Meschede, das<br />
Thema „Unser benediktinisches Erbe im kurkölnischen <strong>Sauerland</strong>“ näher<br />
beleuchtet und dadurch in unserer immer stärker säkularisierten Zeit in<br />
den Fokus rückt.<br />
Nach den notwendigen Regularien mit dem wichtigen Tages ord -<br />
nungspunkt „Beitragserhöhung“ kann dann das traditionelle Ein -<br />
topfgericht als Mittagsmahl genossen werden.<br />
Das reichhaltige und vielfältige Exkursionsprogramm für den Nachmittag<br />
ab 14.00 Uhr unter fachkundiger Führung wird hoffentlich den unterschiedlichen<br />
Wünschen gerecht. Im einzelnen sind vorgesehen:<br />
1. Das 1050-jährige Ackerbürgerstädtchen Belecke<br />
2. Technisches Baudenkmal „Stütings Mühle“<br />
3. Zwischen <strong>Sauerland</strong> und Münsterland<br />
4. Siepmann-Werke „Gesenkschmiede“<br />
5. Zauber der Unterwelt – Bilsteinhöhle<br />
Um 17.00 Uhr wird zum krönenden Abschluss in der Heilig-Kreuz-Kirche<br />
Erzbischof Hans-Josef Becker den plattdeutschen Gottesdienst zelebrieren.<br />
Beteiligt sind an der Messgestaltung der „Plattdeutsche Arbeitskreis“,<br />
die „Plattdeutsche Schule“ und der Organist Peter Huneke. Grußworte<br />
werden Pastor Markus Gudermann von der Katholischen Kirchengemeinde<br />
St. Pankratius und Pfarrer Günter Bergholz von der evangelischen<br />
Kirchengemeinde an uns richten.<br />
In Vorfreude auf einen gut besuchten und viel versprechenden Heimattag<br />
bei den Heimatfreunden in Belecke,<br />
mit heimatlichen Grüßen<br />
Dieter Wurm,1. Vorsitzender<br />
Aus dem Inhalt<br />
Geschichte<br />
Kirche in Belecke und<br />
ihr benediktinisches Erbe S. 58<br />
Eine typische<br />
kurkölnische Ackerbürgerstadt S. 61<br />
Ein Kreuzwegbild erfährt<br />
nach 400 Jahren, im Jahr <strong>2008</strong>,<br />
eine Aufwertung S. 70<br />
Ursachen und Folgen der Revolution<br />
von 1848 in Sundern S. 72<br />
Eversberger Schwesternstation S. 79<br />
Christine Koch –<br />
Versuch eines Lebensbildes S. 81<br />
200 Jahre Landesvermessung<br />
im Grenzgebiet zwischen kurkölnischem<br />
und märkischem <strong>Sauerland</strong> S. 86<br />
Vom Waldarbeiter<br />
zum Finanzprokurator S. 92<br />
Heimat Kultur<br />
Belecke – Tor zum <strong>Sauerland</strong><br />
Historische Wegemarken<br />
S. 56<br />
am nördlichen Ortsrand<br />
Bedeutender Industriestandort<br />
S. 63<br />
im Möhnetal S. 64<br />
Brauchtum in Belecke<br />
Lörmecke-Turm<br />
S. 66<br />
auf dem Arnsberger Wald S. 84<br />
Natur Landschaft Siedlung<br />
Hespecke – ein vergessener Adelssitz<br />
im Eckenbachtal bei Attendorn S. 68<br />
Sprache und Literatur<br />
PLATTDEUTSCH –<br />
Nach Katalanisch zweitgrößte<br />
europäische Mundartsprache S. 96<br />
Religion Glaube<br />
Morgenland im <strong>Sauerland</strong> S. 78<br />
Rezensionen Personalien<br />
BÜCHER SCHRIFTTUM S. 97<br />
PERSONALIEN S. 101<br />
Unser Titelbild fotografierte<br />
Wolfgang Heppekausen in Belecke<br />
Mitarbeiter dieses Heftes finden Sie auf S. 67
56 SAUERLAND NR. 2/<strong>2008</strong><br />
Belecke – Tor zum <strong>Sauerland</strong><br />
Belecke mit seinen über 6000 Einwohnern<br />
liegt in malerischer Grup -<br />
pierung um den Zusammenfluss von<br />
Wester und Möhne und bildet mit der<br />
B 55 eines der Tore zum <strong>Sauerland</strong>. Seit<br />
der kommunalen Neugliederung ist Belecke<br />
ein Ortsteil der Stadt Warstein.<br />
Schon 938 wurde eine Burg Belecke<br />
„Castellum Baduliki“ von drei namhaften<br />
Geschichtsschreiber(n/in) genannt:<br />
der Nonne Roswitha von Gandersheim,<br />
dem Mönch Widukind von Corvey und<br />
dem Erzbischof Adalbert von Magdeburg.<br />
Sie berichten, dass Thangmar, der<br />
Halb bruder Ottos des Großen, diese<br />
Burg überfiel und dessen jüngeren Bruder<br />
Heinrich gefangen nahm und ihn zur<br />
Eresburg (Marsberg) brachte. Um 980<br />
machte Kaiser Otto II. seiner Gemahlin<br />
Theophanou den „Locus Pateleke“ zum<br />
Geschenk. 1009 erwarb Kaiser Heinrich<br />
II. den Ort „Curtis Badelicka“ vom<br />
Kloster Gandersheim als Königsgut zurück.<br />
Nach ihm ist auch das Kaiser-<br />
Heinrich-Bad mit seiner Heilquelle benannt.<br />
Erzbischof Anno II. von Köln vermachte<br />
1064 dem Kloster Siegburg den<br />
Zehnten zu Belecke, der 1072 auf das<br />
ebenfalls von ihm gegründete Kloster<br />
Grafschaft übertragen wurde. Zur Ver -<br />
waltung des Klostergutes errichtete<br />
Graf schaft in Belecke eine Propstei, die<br />
mit einem Propst und mit 5-6 Mönchen<br />
besetzt war. Die enge Verbindung zu die-<br />
sem Kloster hielt bis zur Säkularisation<br />
im Jahre 1803 an. Noch heute zeugen<br />
zahlreiche Spuren (u. a. Propsteikirche,<br />
Stadtmuseum Schatzkammer Propstei)<br />
vom segensreichen Wirken Grafschafter<br />
Benediktiner.<br />
Die Gründung der Stadt Belecke mit<br />
60 Hausstätten erfolgte in der 2. Hälfte<br />
des 13. Jahrhunderts auf dem Prop s -<br />
teiberg, der zum Besitz des Klosters gehörte.<br />
Der Kölner Erzbischof und Kur -<br />
fürst Siegfried II. von Westerburg verlieh<br />
Blick zum Propsteiberg<br />
von Joseph Friederizi<br />
Foto: Michael Sprenger<br />
Belecke durch Urkunde vom 12. Dezember<br />
1296 das Stadtrecht. Im gleichen<br />
Jahr löste sich Belecke als eigenständige<br />
Pfarrei von der Mutterpfarrei<br />
Altenrüthen. Der Propst wurde gleichzeitig<br />
Pfarrer von Belecke.<br />
Während der „Soester Fehde“<br />
(1444-1449) wehrten die Belecker Bürger<br />
am Mittwoch vor Pfingsten 1448 einen<br />
Angriff der Soester erfolgreich ab;<br />
allerdings verloren sie dabei ihren Bür<br />
germeister. Zur Erinnerung an dieses Er-<br />
Luftaufnahme: Gerd Flaig
SAUERLAND NR. 2/<strong>2008</strong> 57<br />
BELECKE<br />
der Austragungsort unserer dies jäh -<br />
rigen Hauptversamm lung, informiert<br />
unsere Mitglieder und Leser in 7 Ar -<br />
tikeln von 6 Auto ren und 4 Foto -<br />
grafen umfassend von der frühzeitlichen<br />
Er wäh nung bis zum heutigen<br />
Industrie standort im Möhnetal. Red.<br />
eignis wird dieser Tag als „Sturmtag“ bis<br />
heute mit Gedenkfeier und Gottes dienst<br />
begangen.<br />
Beim letzten großen Stadtbrand<br />
1805 brannten 58 Häuser (2/3 der<br />
Stadt) ab. Für den Neuaufbau forderte<br />
die damalige hessische Regierung eine<br />
offene Bauweise mit breiten, sich rechtwinklig<br />
kreuzenden Straßen. Diese klassizistische<br />
Aufbaustruktur bestimmt<br />
noch heute das Bild der historischen Altstadt<br />
und ist städtebaulich über unsere<br />
Stadt grenzen hinaus bedeutsam.<br />
Bis weit in das vorige Jahrhundert<br />
war Belecke eine kleine Ackerbürgerstadt<br />
mit einem geringen Anteil an<br />
Handwerk und Handel, obwohl es Mitglied<br />
der Hanse war. Mit dem Bau fester<br />
Straßen – Meschede-Lippstadt (B 55)<br />
1823/26 und Brilon-Neheim (B 516)<br />
1849/50 – sowie der Eisenbahnlinien<br />
Lippstadt-Warstein 1883 und Soest-Brilon<br />
1898 war Belecke zu einem wichtigen<br />
Ver kehrsknotenpunkt geworden.<br />
Die industrielle Entwicklung konnte eingeleitet<br />
werden.<br />
Der eigentliche Industrialisie rungs -<br />
prozess setzte jedoch erst nach dem<br />
2. Weltkrieg ein (AEG, Erweiterung<br />
Blick auf das jüngere Belecke mit der Heilig-Kreuz-Kirche<br />
Foto: Michael Sprenger<br />
Siepmann-Werke, Stahl-Armaturen<br />
PERSTA). Der Ort erlebte eine rasante<br />
Entwicklung, die<br />
Einwohnerzahl<br />
verdreifachte sich,<br />
neue Wohngebiete<br />
wurden erschlossen,<br />
Handel,<br />
Hand werk, Gewerbe<br />
und Dienst -<br />
leistung prägen neben<br />
den großen Industrie<br />
wer ken das<br />
Leben in dieser<br />
Stadt. 1953 weihte<br />
die ev. Kirchen -<br />
ge mein de ihr Got-<br />
Liebe <strong>Sauerländer</strong>innen<br />
und <strong>Sauerländer</strong>,<br />
wir freuen uns sehr darüber, dass in diesem Jahr der <strong>Sauerländer</strong> <strong>Heimatbund</strong><br />
seine Mit glie derversammlung in Warstein-Belecke durchführt. Dies<br />
ist vor allen Dingen der Initiative der Belecker Heimatfreunde zu verdanken.<br />
Mit viel Engagement sind die Heimatfreunde dabei, die Versammlung<br />
sowie das Rahmenprogramm zu gestalten.<br />
Das große Engagement der unterschiedlichsten Warsteiner Vereine macht<br />
zu einem großen Teil unsere Heimatstadt mit ihren neun Ortsteilen aus.<br />
Man kann solche freiwilligen und uneigennützigen Arbeiten unserer Bürgerinnen<br />
und Bürger nicht hoch genug bewerten.<br />
In der Ihnen vorliegenden Ausgabe der <strong>Zeitschrift</strong> „<strong>Sauerland</strong>“ können Sie<br />
unter anderem Berichte über die Belecker Mühlen, den „Sturmtag“, das<br />
Brauchtum und über die Entwicklung Beleckes im Allgemeinen lesen. In<br />
Belecke und in ganz Warstein werden Brauchtum und Traditionen gepflegt.<br />
Das bedeutet aber nicht, dass wir in der Vergangenheit leben.<br />
Handwerks- und Industriebetriebe, die ihre Waren und Dienstleistungen<br />
überregional und teilweise sogar weltweit anbieten, prägen das moderne<br />
Gesicht unserer Stadt.<br />
Es ist uns gelungen, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft gekonnt miteinander<br />
zu verbinden. Warstein ist zwar nur ein kleines, aber dafür starkes<br />
Stück <strong>Sauerland</strong>, und darauf sind wir mit Recht stolz.<br />
Wir heißen die Mitglieder des <strong>Sauerländer</strong> <strong>Heimatbund</strong>es, alle Gäste und<br />
Besucher am 30. August in Belecke herzlich willkommen<br />
Mit „<strong>Sauerländer</strong>“ Grüßen<br />
Manfred Gödde Elke Bertling<br />
Bürgermeister Ortsvorsteherin<br />
teshaus, die Christus-Kirche,<br />
ein und<br />
auch für die kath. Kirchen ge mein de ergab<br />
sich die Notwendigkeit eines zweiten<br />
Got tes hauses – 1961 wurde die Hl.-<br />
Kreuz-Kirche eingeweiht. Neben Kindergärten<br />
und Grundschule runden die<br />
Haupt- und Realschule das schulische<br />
Angebot ab. Die Theateraula mit ihren<br />
Theater- und Konzertveranstaltungen ist<br />
zu einem kulturellen Mittelpunkt der<br />
Stadt Warstein geworden.<br />
Die Belecker Innenstadt wird zurzeit<br />
neu gestaltet. So gewinnt unsere Hei -<br />
mat stadt weiter an Attraktivität, Atmo -<br />
sphäre und Lebensqualität. Dazu tragen<br />
auch die zahlreichen, aktiven Vereine<br />
und Gemeinschaften mit ihren traditionellen<br />
Festen, sportlichen Akti vitäten<br />
und kulturellen Veran staltungen bei.
58 SAUERLAND NR. 2/<strong>2008</strong><br />
Kirche in Belecke und ihr benediktinisches Erbe<br />
„..daß die Probstei zu Belecke zugleich<br />
mit der Abtei Graf schaft im Jahre<br />
1072 unter Kaiser Heinrich IVten errichtet<br />
sei“, heißt es schon in einer 1824<br />
von dem damaligen Bürgermeister Bele -<br />
ck es, Caspar Anton Seißenschmidt, erstellten<br />
Chronik über die Entstehung der<br />
mittelalterlichen Kirche. Hier errichtete<br />
die Benediktinerabtei Grafschaft kurz<br />
nach eigener Gründung eine klösterliche<br />
Propstei als Nieder lassung und begründete<br />
somit benediktinisches Leben<br />
im nördlichen <strong>Sauerland</strong>. Die spätere<br />
An siedlung der Stadt und die Entstehung<br />
pfarrlicher Strukturen waren eng<br />
mit der benediktinischen Propstei verbunden,<br />
das kirchliche Leben gestaltete<br />
sich immer im Spannungsfeld klösterlicher<br />
und städtischer Strukturen.<br />
Beleckes Bürgerschaft spricht noch<br />
heute wie selbstverständlich von seiner<br />
Propsteikirche; 1992 wurde unter großer<br />
Teilnahme der Öffentlichkeit in den<br />
Räumlichkeiten des ehemaligen Wirt -<br />
schaftsgebäudes der Propstei das<br />
„Stadt museum Schatzkammer Propstei<br />
Be lecke“ eröffnet. Neben einer Reihe<br />
stadtgeschichtlicher Zeugnisse werden<br />
hier vor allem Exponate klösterlicher<br />
Pro venienz gezeigt, die seit Jahr -<br />
hunderten in Besitz der Propstei oder<br />
des Klosters Grafschaft waren und damit<br />
bis auf den heutigen Tag ein wichtiges<br />
Stück sauerländischer Kir chen- und<br />
Kloster ge schichte in Belecke dokumentieren.<br />
Wie war es dazu gekommen?<br />
Ein ursprünglich hier gelegenes<br />
Reichsgut kam im 11. Jahrhundert in<br />
den Besitz der Kölner Kirche und schon<br />
1064 überwies Erzbischof Anno von<br />
Köln dem Kloster Siegburg den Zehnten<br />
dieser Einkünfte. Dieser Zehnte gehörte<br />
dann zur Grundausstattung des 1072 errichteten<br />
Klosters Grafschaft, dessen<br />
Abt nur kurze Zeit später von einem gewissen<br />
„Iclen“ in Belecke Eigen gut erwarb.<br />
Die sich hier entwickelnde Propstei<br />
als Filialgründung Grafschafts kannte<br />
in dem Benediktiner Propst Heinrich<br />
1244 den ersten namentlich erwähnten<br />
Vor steher dieser klösterlichen Gründung,<br />
die mehrere Mön che umfasste.<br />
Die etwas abseits des mittelalterlichen<br />
Stadtzen trums mit Marktplatz und Rathaus<br />
gelegene Lage der Propstei verdeutlicht<br />
den benediktinischen Geist sei-<br />
Wappen der Benediktinerabtei Grafschaft<br />
ner Erbauer, die ihre Chorgebete in einer<br />
Hauskapelle verrichteten. Das heutige<br />
Aussehen des Gebäudeensembles<br />
ist im Wesentlichen durch den Wiederaufbau<br />
ab 1810 und durch einen Umbau<br />
in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts<br />
geprägt. An Sonn- und Feiertagen<br />
fanden das Chorgebet und die<br />
Gottesdienste in der nahe gelegenen<br />
Propsteikirche statt, deren Errichtung<br />
ebenso auf Kloster Grafschaft zurückgeht.<br />
Für die Bür gerschaft Be leckes<br />
übernahm seit mittelalterlicher Zeit der<br />
Propst die Seelsorge, die Propsteikirche<br />
galt als Pfarrkirche, die Propstei war<br />
Pfarrhaus Beleckes und in neuerer Zeit<br />
bürgerte sich gar der doppeldeutige Name<br />
„Pfarrpropst“ für den Seelsorger Beleckes<br />
ein.<br />
von Dietmar Lange<br />
Den Mittelpunkt dieser früh begründeten<br />
und Jahrhunderte währenden<br />
kirchlichen Strukturen bildete die Propstei<br />
kirche, deren spätromanischer Turm<br />
aus dem 12. Jahrhundert noch heute an<br />
die Wichtigkeit der städtischen Wehr -<br />
hoheit erinnert. Den mittelalterlichen<br />
Kirchbau ersetzte 1749/50 ein Neubau<br />
des Künstlers Dietrich Hermann Röper,<br />
der in elegant repräsentativer Anlage<br />
ein barockes Abbild himmlischer Herr -<br />
lich keit dokumentiert. Seine Ausstattung<br />
ist benediktinischer Herkunft und<br />
stammt überwiegend aus dem Mutterkloster<br />
Graf schaft. Als dort ein neuer<br />
Bau der Abteikirche entstand, gelangten<br />
Hoch altar und Seitenaltäre von 1665<br />
mit auswechselbaren Ge mälden und<br />
weiteren Inventarien nach Belecke. Die<br />
mit reichen Intarsien arbeiten versehene<br />
Kom mu nionbank von 1754 stellte man<br />
nach der Aufhe bung Grafschafts ebenfalls<br />
in der Belecker Kirche auf, deren<br />
Pfarr pröpste sich gerade in dieser <strong>Umbruch</strong><br />
zeit sehr nachhaltig dafür einsetzten,<br />
das geistige Erbe des Bene dik -<br />
tinerklosters wach zu halten und nach<br />
Kräften fortzuführen. Die Pfarrpröpste<br />
Florentinus Pape (1794-1802), Beda<br />
Behr (1802-1830) und Karl Böckler<br />
(1850-1868) bewahrten den Einklang<br />
von pfarrlicher und klösterlicher Identi-<br />
Ein Blick in das Stadtmuseum Schatzkammer Propstei<br />
Fotos: Wolfgang Heppekausen
SAUERLAND NR. 2/<strong>2008</strong> 59<br />
tätslinie, indem sie sich bemühten, Teile<br />
des kostbaren klösterlichen Nach lasses<br />
für Belecke zu retten. Dazu fügte sich<br />
der letzte Wille des letzten Grafschafter<br />
Abtes Edmun dus Rustige - nach seinen<br />
letzten Lebens jahren auf dem früher<br />
klösterlichen Zehnthof in Warstein und<br />
seinem Tod 1816 - in Belecke bestattet<br />
zu werden. Eine Reihe wichtiger im privaten<br />
Besitz des Abtes befindlichen klösterlichen<br />
Stücke machte damit seinen<br />
Weg nach Belecke. Und ein vielverehrtes<br />
Mutter gottesbild, die „Odacker-Ma -<br />
donna“, und einige Altar bilder benediktinischer<br />
Aus sage gelangten mit der Aufhebung<br />
des bei Hirsch berg gelegenen<br />
Benedik tinerinnen klosters Odacker<br />
durch dessen aus Belecke stammende<br />
letzte Äbtissin Maria Walburgis Köller<br />
nach Belecke.<br />
Einstiges klösterliches Inventar diente<br />
fortan als pfarrliches Gebrauchsstück.<br />
Die Pontifikalgewänder der Äbte wurden<br />
von den Belecker Pfarrern zu hohen<br />
Festtagen getragen und der berühmte<br />
Abtskelch von 1508 tat und tut seinen<br />
Dienst an den kirchlichen Feiertagen.<br />
Das vielfache Interesse an der reichen<br />
klösterlichen Vergangenheit Beleckes<br />
bewegten die Pfarrgemeinde St. Pan -<br />
kratius, die Stadt Warstein, das Erz -<br />
bistum Paderborn und den Land schafts -<br />
verband Westfalen-Lippe in der früheren<br />
landwirtschaftlich genutzten Deele<br />
der Propstei 1992 ein Museum einzurichten,<br />
das die klösterlich-kirchliche<br />
Ge schichte mit der Geschichte der Stadt<br />
Belecke und ihrer Bürger zu verbinden<br />
sucht. Dabei nehmen die geschichtlichen<br />
Zusammenhänge von Kloster-,<br />
Propstei und Stadtgründung im unteren<br />
Geschoss ihren Raum ein, während im<br />
oberen Geschoss die wertvollen liturgischen<br />
Geräte wie der Abtskelch oder<br />
Mon stranzen aus dem 15. – 19. Jahrhundert,<br />
die barocken Kaseln und Pontifi<br />
kal ge wänder mit der rekonstruierten<br />
Abts mitra beeindrucken. Die „Abtskapelle“<br />
im östlichen Ober geschoss weist<br />
bis heute auf das Chor ge bet seiner einstigen<br />
klösterlichen In sas sen zurück.<br />
Auch die benachbarte Propsteikirche<br />
dokumentiert in ihrer barocken Pracht<br />
das einstige Selbstverständnis klösterlichen<br />
Lebens. Wie seit Jahrhunderten<br />
künden Gemälde berühmter Künstler<br />
der Barockzeit wie Johann Georg Ru-<br />
Mühlenwesen – Ursprung und Bedeutung<br />
Seit altersher gehören Mühlen zum<br />
Landschaftsbild aller Regionen. Über<br />
Jahrhunderte wurden Mühlen einzig<br />
durch Wasserkraft angetrieben, bevor<br />
auch Windkraft genutzt wurde. Erst im<br />
19./20. Jh. konnten Dampfkraft und<br />
Strom das Wasser und den Wind ersetzen.<br />
Wenn wir in unserer Gegend von<br />
Mühlen sprechen, sind durchweg die<br />
Mahl- und Sägemühlen in den Tälern<br />
gemeint, bei denen Wasserräder mittels<br />
Wellbäumen, Zahnrädern usw. die<br />
Mühl steine bzw. das Vertikal- oder Horizontal<br />
sägegatter bewegten.<br />
In Belecke gab es auch eine Ölmühle,<br />
bei der das Wasserrad die verschiedenen<br />
Werkzeuge und eine Presse antrieb, um<br />
aus Bucheckern, Raps, Lein oder Rüb -<br />
samen Öl zu pressen, das als Speiseöl,<br />
Lam penöl oder Schmieröl diente. Doch<br />
Der Arbeitskreis Mühlrad pflegt und erhält seit 25 Jahren das Mühlrad,<br />
Sägegatter und Turbine an Stütings Mühle (siehe auch unsere Titelseite)<br />
dolphi in jahreszeitlichem Wechsel von<br />
der Aussage der hohen Feiertage des<br />
Kirchenjahres. Trotz alledem wollen sie<br />
mehr als historisches Erbe sein – und<br />
dessen ist sich die heutige Pfarr ge -<br />
meinde St. Pankratius bewusst – mit ihrer<br />
altehrwürdigen, den hl. Pankratius,<br />
Alexander und Anno geweihten Props-<br />
von Peter Wessel<br />
wurde im 19. Jh. die Ölmühle zur Loh -<br />
mühle umgebaut. Dabei diente die Kraft<br />
des Wasserrades zum Zerkleinern der<br />
Eichen rinde zu Lohe, einer Flüssig keit,<br />
die beim Gerben des Leders gebraucht<br />
wurde. Verwandt mit der Loh mühle ist<br />
die Walkmühle. Die Lohmühle gehört<br />
zum Lederhandwerk, die Walk mühle<br />
zum Textilhandwerk. In einer Walk -<br />
mühle werden mit Hilfe des Wasser -<br />
rades, der Wasserkraft, gewebte Tuche<br />
gewalkt, d. h. gestampft. Dadurch wird<br />
eine dichte Verfilzung der Stoffe bewirkt.<br />
In unserer Stadt hören wir schon im<br />
14. Jh. von zwei Mühlen unterhalb des<br />
Propsteiberges. Dieser Berg wird westlich<br />
von dem nie gefrierenden Wester -<br />
fluss begrenzt. Selbst im strengsten Winter<br />
bleibt die Wester eisfrei. Mit 14 Grad<br />
(Lesen Sie weiter auf Seite 60)<br />
Foto: Michael Sprenger<br />
teikirche, mit der in den 1960er Jahren<br />
im neuen Stadtteil Beleckes errichteten<br />
und an die jahrhundertelange Kreuz -<br />
verehrung in Belecke erinnernden Hl.-<br />
Kreuz-Kirche, mit der Kreuz kapelle am<br />
früheren Badehaus des Kaiser-Heinrich-<br />
Bades und mit der von weitem leuchtenden<br />
Kapelle auf der Külbe.
60 SAUERLAND NR. 2/<strong>2008</strong><br />
Celsius steigt das Westerwasser aus<br />
450 m Tiefe auf. Die Wärmekraft der in<br />
die Möhne mündenden Wester reicht<br />
aus, dass auch die Möhne noch ca. 1 km<br />
unterhalb der Wester-Einmündung im<br />
Winter nicht gefriert. Diese günstigen<br />
Bedingungen waren Grund, dass auch<br />
das Rittergut Welschenbeck an diesem<br />
Abschnitt schon vor Jahrhunderten eine<br />
Mahl- und Sägemühle erbaute.<br />
An der „warmen“ Wester wurden<br />
von der Oberen Mühle am Warsteiner<br />
Bullerteich, bekannt als Tacken-Mahl -<br />
mühle, bis zur Stiftfabrik und Drahtwalze<br />
in Belecke weitere Anlagen errichtet,<br />
die alle durch Wasserkraft angetrieben<br />
wurden. Es seien nur die bekanntesten<br />
genannt: Kupferhammer, Eisenhammer,<br />
Reckhammer und Puddelhammer.<br />
Im Jahre 1307 wird in einer Urkunde<br />
dokumentiert, dass der Erzbischof Hein -<br />
rich II. von Köln als hiesiger Landesherr<br />
dem Propst von Belecke (Propst als Vertreter<br />
des Abtes von Kloster Graf schaft)<br />
das alleinige Recht zuspricht, Mahl-, Säge-<br />
und Ölmühlen zu errichten. Jedoch<br />
verlangte der Erzbischof von den Einnahmen<br />
der Mahlmühlen jährlich 1 Malt<br />
Frucht (oder Mehl). Malt wurde damals<br />
nach Hohlmaß, nicht nach Gewicht gemessen.<br />
Ein Malt entsprach 660 Li tern,<br />
das wären ca. 600 kg Roggen oder<br />
Gerste gewesen. Weizen wurde damals<br />
noch nicht in unserer Gegend angebaut.<br />
Dazu traf der Erzbischof eine andere<br />
weittragende Entscheidung, nämlich<br />
den Mahlzwang. Das heißt konkret: Die<br />
Anwohner rund um Belecke, bis weit auf<br />
die Haar, mussten ihr Getreide in der<br />
Propsteimühle in Belecke mahlen lassen.<br />
So heißen noch heute zwei Feld -<br />
wege von Belecke auf die Haar „Uelder<br />
Mühlenweg“ bzw. „Effelner Mühlen -<br />
weg“. Selbst das Kloster Grafschaft<br />
musste eine Zeit lang sein Korn in Belecke<br />
mahlen lassen. Dank des „Multerns“<br />
– man bezahlte das Mahlen statt mit<br />
Geld mit einer genau festgelegten Menge<br />
Getreide – profitierte der Propst als<br />
Eigentümer der Mühle gewaltig.<br />
Die Säkularisation (ab 1803) hob auf<br />
Anordnung des französischen Kaisers<br />
Napoleon alle geistlich-kirchlichen Herr -<br />
schaftsansprüche in Deutschland auf<br />
und unterstellte alle politische Macht<br />
den weltlichen Herren. Die Propstei -<br />
güter blieben zwar im Besitz der Bele-<br />
cker Pfarrei – durch das geschickte Verhan<br />
deln der beiden Pfarrpröpste Florentinus<br />
Pape, gestorben 1802, und Beda<br />
Behr, gestorben 1830 –, aber die dazugehörigen<br />
Säge-, Mahl- und Lohmühlen<br />
wurden eingezogen und der Domänen-<br />
Kammer unterstellt. Als Entschädigung<br />
zahlte die damals zuständige Hessisch-<br />
Darmstädter Regierung nur 116 Thaler.<br />
Der reale Wert wurde auf wenigstens<br />
15000 Thaler geschätzt! Erst unter der<br />
Preußischen Regierung wurde im Jahre<br />
1829 dieser Wert anerkannt und teilweise<br />
ersetzt.<br />
Was geschah mit den Mühlen?<br />
Die beiden Propstei-Säge- und Mahl -<br />
mühlen wurden im Jahre 1813 von Familie<br />
Stüting gepachtet und im Jahre<br />
1845 käuflich erworben. (Die Lohmühle<br />
wurde noch lange Zeit von Familie<br />
Röper betrieben).<br />
Aus dem Jahre 1850 wissen wir, dass<br />
die Stüting´sche Mahlmühle von drei<br />
Wasserrädern angetrieben wurde und<br />
entsprechend drei parallele Mahlgänge<br />
hatte. Die Sägemühle und der neu dazu<br />
gekommene Lohndreschkasten erhielten<br />
ihren Antrieb von dem großen Wasserrad,<br />
das ein Gewicht von 2,5 t hatte,<br />
einen Durchmesser von 4,50 m und eine<br />
Radbreite von 1,50 m. Dieses mittelschlächtige<br />
Wasserrad hatte 36 Wasser-<br />
„Taschen“/-Schaufeln.<br />
1905 wurden die drei Wasserräder<br />
der Mahlmühle demontiert. Stattdessen<br />
wurde eine Francis-Schachtturbine eingebaut<br />
als „Ersatz“, die aber einen deutlich<br />
höheren Wirkungsgrad besaß als die<br />
drei Räder. Nun wurde Strom erzeugt<br />
mittels Turbine und Dynamo und zwar<br />
so viel, dass nicht nur die zwei verbliebenen<br />
Mahlgänge versorgt werden konnten,<br />
sondern ein Teil des Stromes in die<br />
Belecker Straßenbeleuchtung eingespeist<br />
wurde. 1958 wurde der Mahl -<br />
betrieb eingestellt und 1962 die Sägerei<br />
und das Lohndreschen. 1964 erfolgte<br />
der Abbruch der alten Mahlmühle, an<br />
deren Stelle ein neues Wohnhaus errichtet<br />
wurde. Aber der alte Antriebskeller<br />
mit der Turbine blieb verdeckt erhalten.<br />
Zum Bedauern der Belecker Bevölkerung<br />
ruhte der Mühlenbetrieb, kein<br />
Mühlrad drehte sich mehr, im Gegenteil,<br />
man beobachtete den fortschreitenden<br />
Zerfall des einst so prächtigen Wasserra-<br />
des und befürchtete seinen baldigen Abbruch.<br />
Da bildete sich aus einer Stamm -<br />
tischrunde des Belecker Männerchores<br />
der „Arbeitskreis Mühlrad“, bestehend<br />
aus zwölf Männern. Ihr Ziel: Rettung<br />
dieses alten Wahrzeichens.<br />
Wir schreiben das Jahr 1983. Mit<br />
körperlicher Schwerstarbeit und ausgezeichnetem<br />
handwerklichen Können<br />
wird das mehrere Tonnen schwere Wasserrad<br />
neu zusammengebaut. Am<br />
Sturmtag (6. Juni) 1984 wurde Richtfest<br />
gefeiert, der Bürgermeister konnte das<br />
große Rad per Knopfdruck wieder in Bewegung<br />
setzen.<br />
Das gesamte Anwesen des Mühlenge<br />
ländes ging 1986, nach dem Tode<br />
von Dr. med. Heinrich Stüting, als Erbgut<br />
in den Besitz der Stadt Warstein<br />
über. Der „Arbeitskreis Mühlrad“ arbeitete<br />
jedoch weiter. Das Gebäude der alten<br />
Säge mühle wurde von ihm restauriert<br />
– wie immer in Freizeitarbeit. Noch<br />
wichtiger und imponierender: Diese fleißigen<br />
Männer setzten das Horizontalgatter<br />
mit dem Antrieb durch das Wasserrad<br />
wieder instand. Es sägte zum ersten<br />
Mal am Sturmtag (3. Juni) 1987,<br />
und ist das zurzeit einzige mit Wasserkraft<br />
und Wasser rad betriebene Horizontalgatter<br />
in NRW. Es arbeitet zum<br />
Schausägen und beliefert den Bauhof<br />
der Stadt Warstein - wenn gewünscht -<br />
mit Balken und Bohlen.<br />
Nun blieb dem AK noch ein ehrgeiziges<br />
Ziel. Man wollte auch die Turbine im<br />
Keller neben der abgerissenen Mahl -<br />
müh le restaurieren. Und dieser Plan gelang.<br />
In Präzisionsarbeit wurde ab 1991<br />
die alte Turbine überholt und bis zum<br />
Jahre 1993 auf den neusten Stand gebracht,<br />
modernisiert und automatisiert<br />
für einen wärterlosen Betrieb. Der Erfolg:<br />
Je nach Wasserstand der Wester<br />
können nun jährlich ca. 140 000 kW<br />
Strom in das VEW-RWE-Netz eingespeist<br />
werden. Im Jahre 2007 waren es<br />
genau 184 784 kW Stunden, 28 000<br />
kW Stunden mehr als im Jahre 2006.<br />
Die Belecker wissen, was sie dem<br />
„Arbeitskreis Mühlenrad“ des Jahres<br />
1983 und inzwischen auch neuen Mitgliedern<br />
zu verdanken haben:<br />
Diese Männer haben ein Stück wertvoller<br />
Tradition unserer Heimat gerettet!
SAUERLAND NR. 2/<strong>2008</strong> 61<br />
Eine typische kurkölnische Ackerbürgerstadt<br />
Schon vor der ersten urkundlichen<br />
Erwähnung siedelten Menschen in der<br />
Umgebung Beleckes. Da das Möhnetal<br />
sehr sumpfig war, lagen die Felder und<br />
Äcker sicherlich auf der Haar, was auch<br />
durch die Namensgebung des kaiserlichen,<br />
später kurkölnischen Gutes Harkampe<br />
deutlich wird. Während der zweiten<br />
Hälfte des 13. Jahrhunderts (Inter -<br />
reg num 1254–1273) fühlten sich die<br />
Bauern in der Feldflur nicht mehr sicher<br />
und der Kölner Bischof erlaubte eine<br />
Besiedlung auf dem Berg. Siegfried II.<br />
verlieh 1296 Belecke die Stadtrechte.<br />
Aus einer Ergänzungsurkunde geht hervor,<br />
dass der Bischof das Gut Harkampe<br />
aufteilte und jeder Hausstatt jeweils 13<br />
„alte“ Morgen Acker- und Waldland<br />
übertrug.<br />
1. Entwicklung und Bedeutung<br />
der Landwirtschaft<br />
Mit der großzügigen Schenkung des<br />
Landesherrn bei der Stadtgründung Beleckes<br />
war für alle Bürger die Lebensgrundlage<br />
geschaffen worden und für<br />
Belecke begann somit die Entwicklung<br />
zu einer typischen Acker bürgerstadt im<br />
kurkölnischen <strong>Sauerland</strong>. Noch um<br />
1650 betrugen die bischöflichen Erbländer<br />
durchschnittlich 13 Morgen. Wiesen<br />
und Weiden hatten die Belecker Bauern<br />
kaum, da sie Anteile an der Allmende<br />
besaßen. Weiterhin hatten sie schon<br />
früh auch Pachtländer erworben, wobei<br />
vor allen Dingen die Stadt und die<br />
Propstei Verpächter waren. Aus diesen<br />
Gründen bewirtschafteten Bele cker<br />
Bauern schon vor Jahr hunderten 40-60<br />
Morgen Land. Da Grund und Boden<br />
wichtige Voraussetzungen für das tägliche<br />
Brot waren, konnte Landbesitz<br />
nicht hoch genug bewertet werden. Und<br />
Erschlei chung von Landeigentum wurde<br />
streng bestraft. So heißt es bereits in einem<br />
Ratsbeschluss von 1555: „Wer einem<br />
anderen Wiesen, Länder oder Gärten<br />
unerwinne (widerrechtlich wegnehmen),<br />
der habe der Stadt 5 Mark Strafe<br />
zu zahlen und sei für ehrlos, treulos und<br />
meineidig anzusehen.“ 1) Im Jahre 1678<br />
wurde dieser Beschluss noch dahingehend<br />
erweitert, dass bei Zuwiderhandlung<br />
der Ausschluss aus der Bürgerschaft<br />
zu erfolgen habe. In dieser Zeit<br />
war in unserem Land weitgehend die<br />
Dreifelderwirtschaft verbreitet. Nach<br />
zweijähriger Bearbeitung lag der Acker<br />
Belecker Altstadt mit Propsteikirche St. Pankratius<br />
im dritten Jahr brach. Die Bauern unserer<br />
Gegend betrieben aber schon sehr<br />
früh eine Fünffelderwirtschaft. Diese<br />
fortschrittliche Form des Ackerbaus ist<br />
sicherlich auf den Einfluss der Bene -<br />
diktiner (Kloster Grafschaft, Propstei<br />
Belecke) zurückzuführen. Um 1825 etwa<br />
wurde in dieser Gegend die Fünf -<br />
felderwirtschaft abgelöst und im Brache -<br />
jahr wurden Klee oder Kartoffeln angebaut.<br />
Ackerbau und Viehzucht bedingen<br />
einander und so entwickelte sich seit der<br />
Stadtgründung ein ansehnlicher Vieh -<br />
bestand und dieser war ein wichtiger<br />
Wirtschaftsfaktor der Ackerbürgerstadt<br />
Belecke. Bis in diese Zeit kannten die<br />
Bauern in Belecke fast keine Haus -<br />
fütterung. Heu und Grummet wurden<br />
kaum geerntet, da Wiesen und Weiden<br />
nicht im Privatbesitz waren (Allmende).<br />
Man schlachtete damals im Herbst und<br />
bei Einbruch des Winters so viel Vieh,<br />
wie eben möglich war. Wir können uns<br />
heute kaum noch vorstellen, welche<br />
Probleme der Nahrungsbeschaffung im<br />
Winter für Menschen und Tiere bestanden.<br />
In diesem Zusammenhang darf<br />
nicht unerwähnt bleiben, dass zwei weitere<br />
Ereignisse in der zweiten Hälfte des<br />
19. Jahrhunderts die landwirtschaftliche<br />
Situation in Belecke stark verändert ha-<br />
von Theo Büchter<br />
Foto: Michael Sprenger<br />
ben: 1. Mit Ratsbeschluss vom 11. 5.<br />
1861 wurden die im Besitz der Stadt<br />
sich befindenden Wiesen, Wälder und<br />
Wei den, die insgesamt 586 ha ausmachten,<br />
aufgeteilt. 2. Bereits zwischen<br />
1860 und 1880 versuchte man in Belecke<br />
die unwirtschaftliche Streulage der<br />
Felder durch Zusammenlegung von benachbarten<br />
Grundstücken durch eine<br />
Flurbereinigung/Separation zu verbessern.<br />
Für die Ackerbürgerstadt Belecke war<br />
der 13. April 1805 (Karsamstag) im<br />
Hinblick auf die städtebauliche Ent -<br />
wicklung, aber auch für die Land wirt -<br />
schaft ganz allgemein, von großer Bedeutung.<br />
Bei einem Großbrand sind von<br />
den 87 Häusern der Stadt 58 Häuser<br />
zerstört worden. Eine für uns unvorstellbare<br />
Katastrophe, die auch nur aus der<br />
damaligen Zeit zu verstehen ist. Im Jahre<br />
1805 gehörte Belecke nach der Säkularisation<br />
politisch zu Hessen-Darmstadt.<br />
Unmittelbar nach dieser Katastrophe<br />
beauftragte die Regierung den damaligen<br />
Landes baumeister Her mann<br />
Sandfort mit der Neuplanung Beleckes.<br />
Und das Ergebnis dieser Planung ist die<br />
historische Altstadt in Belecke, so wie<br />
wir sie in ihren Grund zügen heute noch
62 SAUERLAND NR. 2/<strong>2008</strong><br />
nach über 200 Jahren vorfinden. Außerdem<br />
entwickelte er den Haustyp des<br />
Ackerbürgerhauses. Küche und Wohnräume<br />
liegen nach vorn zur Straße, danach<br />
folgt die Querdeele und dahinter<br />
befinden sich die Stallungen für Kühe<br />
und Schweine. Es sind Fach werkhäuser.<br />
Die Gefache haben in der Regel eine<br />
Größe von 95 x 100 cm. Beim Einfahren<br />
in die Deele zum Abladen von Heu<br />
und Stroh gab es wegen der Enge besondere<br />
Schwierig keiten. Dieses Ackerbürgerhaus<br />
war über 150 Jahre Wohnund<br />
Wirt schafts haus für die Bauern und<br />
prägt heute noch das wunderschön erhaltene<br />
Ge samt bild der Altstadt.<br />
2. Strukturwandel, Flurbereinigung<br />
und Aussiedlung<br />
Der wohl größte Strukturwandel in<br />
der Landwirtschaft hat nach dem Zweiten<br />
Weltkrieg stattgefunden. Auch in<br />
Belecke war dieser Wandel an verschiedenen<br />
Aspekten deutlich spürbar: Veränderungen<br />
im Viehbestand, Mecha -<br />
nisierung und Einsatz von landwirtschaftlichen<br />
Großmaschinen, Spezialisierung<br />
in der Produktion (Milch- und<br />
Fleisch produktion) und die Zahl der Be -<br />
schäftigten in der Belecker Land -<br />
wirtschaft, die von 368 im Jahre 1938<br />
auf 38 im Jahre 1969 gesunken ist.<br />
Für die Wirtschaftlichkeit eines landwirtschaftlichen<br />
Betriebes sind neben<br />
der Größe auch die Flurlage und die<br />
Hoflage von Bedeutung. Seit der Stadtgründung<br />
im Jahre 1296 befanden sich<br />
die Höfe nicht auf der Haar, sondern im<br />
Schutze der Stadt und nach dem großen<br />
Stadtbrand von 1805 waren die Höfe<br />
großzügig und feuersicherer in der Altstadt<br />
neu errichtet worden. Sie entsprachen<br />
nach dem Zweiten Weltkrieg nicht<br />
mehr den Anforderungen eines modernen<br />
landwirtschaftlichen Betrie bes. So<br />
hatten die Höfe hier in Oberbelecke<br />
nicht die geringste Mög lichkeit der Erweiterung,<br />
die Hofräume waren sehr<br />
klein und boten den Maschinen und<br />
Ackergeräten kaum Platz. Schwierigkeiten<br />
gab es besonders in der Erntezeit.<br />
Auch die Wirt schaftsgebäude genügten<br />
nicht mehr den damaligen Anforderungen,<br />
die Stallungen waren zu klein. Die<br />
Flur- und Hoflage mit der schlechten<br />
Verkehrsan bindung wirkte sich durch<br />
hohe Kosten betriebswirtschaftlich sehr<br />
nachteilig auf die Belecker Bauern aus<br />
und bedrohte die Existenz mehrerer Betriebe.<br />
In dieser schwierigen Situation<br />
bot sich allein die Aussiedlung der Betriebe<br />
an.<br />
Anfang 1956 wurden die ersten Gespräche<br />
geführt, Beschlüsse gefasst und<br />
am 27. 2. bereits die Anträge auf Aussiedlung<br />
gestellt. Es war ein langer Weg<br />
mit vielen Schwierigkeiten, Ein wänden,<br />
finanziellen Einschrän kungen und nach<br />
fast vier Jahren kam endlich am 6. Oktober<br />
1959 die lang ersehnte Nachricht,<br />
dass alle mit dem Bau beginnen konnten.<br />
Im Jahre 1960 konnten sieben<br />
Bauern von der Altstadt in ihre Aussiedlerhöfe<br />
auf der Haar umziehen. Bis Oktober<br />
1965 folgten drei weitere Bauern.<br />
Die Aussiedlung war dringend notwendig,<br />
zeugte vom Weitblick der Verantwortlichen<br />
und brachte in den folgenden<br />
Jahren allen bessere Arbeits bedin -<br />
gungen und wirtschaftlichen Erfolg.<br />
Jedoch bedeutete die Aussiedlung für<br />
alle beteiligten Bauern auch große Veränderungen<br />
im sozialen und familiären<br />
Bereich. Die Altstadt in Belecke veränderte<br />
in einem Jahr ihre Wirt schaftsund<br />
Sozialstruktur. Zugleich schließt sich<br />
mit der Aussiedlung auf die Haar im Jah-<br />
Autorensitzung in Olpe<br />
Das geplante zweibändige Werk über<br />
das „Herzogtum Westfalen“ macht Fortschritte.<br />
Am 21. April <strong>2008</strong> trafen sich<br />
die Autoren von Band 1 und Band 2 auf<br />
Einladung des <strong>Sauerländer</strong> <strong>Heimatbund</strong>es<br />
im Kreishaus Olpe, wo sie von Landrat<br />
Frank Beckehoff herzlich begrüßt<br />
wurden, zu einer 2. Autorensitzung unter<br />
der Leitung von Prof. Dr. Dr. Harm<br />
Klueting Köln/Fri bourg und seinem Mitarbeiter<br />
Dr. Jens Foken. Nach einer kurzen<br />
Vorstellung der Anwesenden, inzwischen<br />
ergänzt durch drei weitere junge<br />
Wissen schaft lerinnen, folgte ein Rundgespräch<br />
über die einzelnen Kapitel des<br />
Gesamtwerkes.<br />
Im Anschluss an das Mittagessen im<br />
Kreishaus fuhren die Teilnehmer/innen<br />
re 1960 der Kreislauf unserer Betrachtungen.<br />
Angefangen war alles in der<br />
zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts, als<br />
die Bauern der Umgebung die Schutz<br />
bietende Stadt auf dem Berg gründeten.<br />
Über 650 Jahre blieben sie dort und<br />
prägten alle Bereiche des wirtschaftlichen,<br />
kulturellen, kirchlichen und sozialen<br />
Lebens in der Ackerbürgerstadt Belecke<br />
entscheidend mit.<br />
Wie lange werden sie auf der Haar<br />
bleiben? Sicherlich keine 650 Jahre!<br />
Knapp 50 Jahre nach der Aussiedlung<br />
ist die Situation für die Belecker Landwirte<br />
nicht einfacher geworden, denn<br />
Spezialisierung und Globalisierung bedingen<br />
immer neue Anforderungen und<br />
Herausforderungen. Heute sind in Belecke<br />
nur noch wenige in der Landwirtschaft<br />
tätig. Und auch für die verbliebenen<br />
Bauern stellt sich die Frage nach der<br />
Zukunft ständig neu. Wie lange gibt es in<br />
der „Ackerbürgerstadt“ Belecke noch<br />
landwirtschaftliche Betrie be? Wie<br />
schnelllebig ist doch unsere Zeit geworden!<br />
1) Dalhoff, Walter, Praesidium Baduliki, Belecke<br />
1970, Seite 187<br />
zur Wendener Hütte und lernten dort<br />
durch die fachkundige Leitung von Frau<br />
Monika Löcken die bisher meist unterschätzte<br />
Montangeschichte des kurkölnischen<br />
<strong>Sauerland</strong>es am Beispiel dieses<br />
inzwischen als Museum ausgestalteten<br />
Industriedenkmals kennen.<br />
Anschließend hörten sie einen Vortrag<br />
von Dr. Eberhard Fricke, Hilden<br />
über „Die Veme im südlichen West -<br />
falen“, worüber er auch in dem genannten<br />
Werk berichten wird. Weitere Au to -<br />
rensitzungen sind vorgesehen. Schon<br />
jetzt wurde auch auf das Aus stellungs -<br />
projekt im <strong>Sauerland</strong>-Museum Arnsberg<br />
im Jahr 2009 hingewiesen, das der Geschichte<br />
des Herzogtums Westfalen gilt.<br />
Darüber wird in der Folge noch mehr zu<br />
berichten sein.<br />
Erika Richter
SAUERLAND NR. 2/<strong>2008</strong> 63<br />
Historische Wegemarken am nördlichen Ortsrand<br />
Hat man – aus<br />
nördlicher Richtung<br />
kommend –<br />
auf der B 55 die<br />
Höhe des Haarstrangs<br />
bei Be -<br />
lecke erreicht,<br />
breitet sich nach<br />
Süden das unverwechselbare<br />
Pa -<br />
no rama des „Landes<br />
der tausend<br />
Berge“ aus. Im<br />
Vordergrund erkennt<br />
man am<br />
Ortseingang Bele -<br />
ckes schon aus der<br />
Ferne die Külben -<br />
kapelle. Der jüngste<br />
Orkan Kyrill hat<br />
sie ungewollt wieder<br />
„freigelegt“,<br />
denn eine Baumgruppe<br />
von Lärchen,<br />
Fich ten, Birken<br />
und Buchen<br />
hatte dieses Bauwerk,<br />
welches im Jahre 1866 Pfarr -<br />
propst Carl Böckler zu Ehren der<br />
Schmerzhaften Muttergottes erbauen<br />
ließ, den Blicken des Betrachters weitgehend<br />
entzogen. Ursprünglich sollte hier<br />
ein Eremit angesiedelt werden, der täglich<br />
dreimal das Ave Maria läuten sollte.<br />
Der Bischof erteilte allerdings dafür keine<br />
Erlaubnis.<br />
Die Belecker Katholiken feiern am<br />
2. Pfingsttag, falls es das Wetter zulässt,<br />
vor der Kapelle ihren festlichen Gottesdienst<br />
unter freiem Himmel. Die Umgebung<br />
der Kapelle bildet einen beliebten<br />
Treffpunkt für jedermann, zumal der Besucher<br />
von dieser Stelle einen besonders<br />
reizvollen Blick auf das alte Belecke genießen<br />
kann. Alljährlich wird an der Külbenkapelle<br />
auch das traditionelle Osterfeuer<br />
abgebrannt.<br />
Wendet man sich auf dem „Franz-<br />
Kesting-Weg“ weiter nach Westen, so<br />
türmen sich plötzlich zwei große Felsensteine<br />
am Wege auf, die Kül bensteine.<br />
Sie gelten als Natur denkmale, die man<br />
leider im 19. Jahrhundert geschleift hat,<br />
um Material für den Stra ßenbau zu gewinnen;<br />
sie waren ursprünglich also<br />
sehr viel höher. Walter Dalhoff 1) vermutet,<br />
dass diese Steine womöglich – wie<br />
An der Kreuzung von B 55 und B 516 steht die Kreuzkapelle<br />
etwa die Externsteine – als „Sachsenopferstätte“<br />
gedient haben könnten. Die<br />
Belecker Jugend erprobt und erprobte<br />
hier immer wieder ihre Kletterfertigkeiten.<br />
In besonderen Mondnächten gewinnen<br />
die Karne valisten an den Külbensteinen<br />
ihr Material für den Külbensteinorden,<br />
mit dem sie alljährlich verdienstvolle<br />
Helfer im Belecker Karneval<br />
auszeichnen.<br />
Unweit der Külbensteine, wo sich die<br />
Bundesstraßen 55 und 516 kreuzen,<br />
findet man inmitten des Verkehrsgewirrs<br />
die wohl älteste Kapelle Beleckes, die<br />
Kreuzkapelle. Schon um 1300 wird an<br />
dieser Stelle eine Kapelle in den Annalen<br />
erwähnt, die als „Spitalkapelle“ all<br />
denen für gottesdienstliche Zwecke<br />
diente, die an unheilbaren Krankheiten,<br />
vor allem an Seuchen wie Pest,<br />
Cholera, etc. litten. Sie waren aus der<br />
städt. Ge meinschaft ausgeschlossen und<br />
fristeten ihr Leben in einem Siechenhause<br />
vor den Toren der Stadt.<br />
Die derzeitige Kapelle wurde wohl<br />
nach 1724 erbaut. Sie wurde benannt<br />
nach einem wundertätigen Kruzifix<br />
(Pest kreuz aus dem Jahre 1350), das<br />
als Wallfahrtskreuz aus der Pfarrkirche<br />
dorthin überführt wurde. Heute kann<br />
von Bernhard Müller<br />
der Besucher dieses<br />
Kreuz wieder<br />
in der Belecker<br />
Propsteikirche bewundern.<br />
Im Siebenjährigen<br />
Krieg<br />
(1756 – 1763)<br />
diente die Kreuzkapelle<br />
sogar als<br />
„Pulvermagazin“.<br />
Sie wurde dann im<br />
19. Jahr hundert<br />
zeitweilig den Belecker<br />
evan ge -<br />
lischen Mitchri sten<br />
zur Be nut zung<br />
überlassen. Später<br />
(1922 – 1932)<br />
war sie Haus ka -<br />
pelle für das Studienheimspätberufener<br />
Pries ter -<br />
amts kan dida ten<br />
(Clemens heim),<br />
das dann nach<br />
Foto: Michael Sprenger<br />
Bad Driburg übersiedelte.<br />
An besonderen<br />
Ta gen feiert die Belecker katholische<br />
Kirchen ge meinde hier Got tes -<br />
dienste.<br />
In der Nach barschaft der Kreuzkapelle<br />
sprudelt seit alter Zeit eine kochsalzhaltige<br />
Quelle, die bis in jüngster Zeit<br />
den Menschen aus nah und fern Heilung<br />
und Gesundheit versprach. Beleckes<br />
„Kaiser-Heinrich-Bad“, dessen Name<br />
auf Kaiser Heinrich II. (1002 – 1024)<br />
zurückgeführt wird, hat eine bewegte<br />
Geschichte hinter sich. Ob Kaiser Heinrich<br />
mit seiner Gemahlin Kuni gunde auf<br />
seinen weiten Reisen durch Deutschland<br />
wirklich hier Heilung fand, lässt sich<br />
nicht belegen. Zweifellos kann sich das<br />
Quellwasser durchaus messen mit anderen<br />
Heil quellen der Umgebung. Bestrebungen<br />
nach dem 2. Weltkrieg, Belecke<br />
zu einem anerkannten Badeort umzugestalten,<br />
mussten scheitern, weil sich die<br />
damaligen Stadtväter Beleckes - der Not<br />
gehorchend - für den Ausbau Beleckes<br />
als Industriestandort entschieden. Immerhin<br />
zeigen viele Berichte von Ärzten,<br />
Dankesschreiben von Patienten<br />
und andere Belege, dass die ambulanten<br />
Kuren vielen Menschen geholfen haben.<br />
Durch den Einsatz des Belecker Küsters<br />
und Dirigenten Caspar Bracht mit seinen<br />
Musikern des Kolpingorchesters
64 SAUERLAND NR. 2/<strong>2008</strong><br />
Bedeutender Industriestandort im Möhnetal<br />
Landwirtschaft, Handwerk und Han -<br />
del prägten über 600 Jahre das Bild der<br />
Stadt Belecke. Seit Beginn des 19. Jahrhunderts<br />
jedoch gab es durch die Ansiedlung<br />
von Industriebetrieben für unsere<br />
Stadt größere Veränderungen, als in den<br />
vergangenen Jahrhunderten zusammen.<br />
In dieser Zeit hat Belecke die Entwicklung<br />
von einem Ackerbür ger städtchen zum<br />
wichtigsten Industrie stand ort im oberen<br />
Möhnetal erfahren. Angefangen hatte alles<br />
mit der Gründung der Firma Linnhoff,<br />
die im Jahre 1829 eine Konzession für<br />
eine Drahtwalze im Belecker Westertal<br />
erhielt. Eine wichtige Entscheidung für<br />
die Entwicklung der Stadt Belecke war<br />
aber die Verlegung der Siepmann-Werke<br />
wurde im Jahre 1932 die durch Straßen<br />
bauarbeiten im Jahre 1850 versiegte<br />
Quelle wieder entdeckt. Seit dem Jahr<br />
2007 bietet ein „Rückenfitness-Zentrum“<br />
in den Räumen des Bade hauses<br />
ein Gesundheitstraining im „rehabilitativen<br />
und präventiven“ Bereich an.<br />
Propst Carl Böckler berichtet in seinen<br />
Mittheilungen über Beleke und die<br />
dortige Propstei: „Über Welschenbeck<br />
(Schloss Welschenbeck) finden sich erst<br />
Nachrichten, als der am 7. November<br />
1225 gestorbene Erzbischof Engelbert<br />
der Heilige selbest nebst dem Sennhoff<br />
und Gütern in Uelde und Hevinghausen<br />
aus eigenen Mitteln angekauft und 1222<br />
seiner Nichte, der Gräfin W. de Kessel,<br />
Ehefrau des Edelherrn Bertold von Büren,<br />
geschenkt hat 2).“<br />
(Fortsetzung von Seite 63)<br />
Viel später gelangte<br />
das Haus Welschenbeck in den<br />
Besitz von Nagel-Doornick zu Vornholz.<br />
Der ganze Rittersitz Welschenbeck, so<br />
Böckler, gehöre in den Pfarrbezirk Belecke.<br />
In der Tat gilt das Haus heute, nachdem<br />
in den unteren Räumlichkeiten ein<br />
gemütliches Restaurant mit Café eingerichtet<br />
wurde, für die Bürger Beleckes<br />
und das angrenzende Möhnetal als lohnendes<br />
Ausflugsziel. Besonders im Früh -<br />
ling und Sommer bevölkern Radfahrer,<br />
die auf der Möhnetrasse Belecke passieren,<br />
oder Familien mit Kindern den<br />
großzügigen Biergarten. Von alters her<br />
verschönt ein idyllisches Teichambiente<br />
das geschichtsträchtige Gemäuer.<br />
1) W. Dalhoff, in „Praesidium Baduliki“, Belecke<br />
1970, p.71<br />
2) Carl Böckler, „Geschichtl. Mittheilungen“, 1866,<br />
Neuauflage 1988, Stadt Warstein, p. 4<br />
von Warstein nach Belecke im Jahre<br />
1911. Die bereits 1891 gegründete Firma,<br />
die sich auf das Schmieden von<br />
Schaufeln, Spaten und Gabeln spezialisiert<br />
hatte, erkannte damals schon, dass<br />
die Zukunft im Gesenkschmieden lag. So<br />
wurde die neue Fabrik in Belecke gebaut<br />
und bereits 1916 gehörte die Firma zur<br />
Spitze der deutschen Gesenkschmieden,<br />
aber durch Inflation und Weltwirtschaftskrise<br />
sanken Produktions- und Beschäfti -<br />
gungszahlen drastisch. Jedoch erlebte die<br />
Firma im Zuge der Rüstungsindustrie einen<br />
neuen Aufschwung und hatte 1945<br />
über 1700 Beschäftigte. Mit dem Ende<br />
des Zweiten Weltkrieges kam der Betrieb<br />
völlig zum Erliegen.<br />
Die größte Entwicklung vollzog sich jedoch<br />
in Belecke nach dem Zweiten Weltkrieg.<br />
Drei große Industriebetriebe siedelten<br />
im Möhnetal und der Zufall spielte dabei<br />
eine ungeheure Rolle. Die Siepmann-<br />
Werke erlebten einen Pro duk tionsboom,<br />
in der Gesenkschmiede wurden Teile für<br />
den Fahrzeug-, Motoren-, Maschinenund<br />
Arma tu renbau geschmiedet, so dass<br />
die Zahl der Mitarbeiter von 450 im Jahre<br />
1950 auf 1300 im Jahre 1960 angestiegen<br />
war. Bereits 1946 kam es zur<br />
Gründung der Tochtergesellschaft Stahl-<br />
Armaturen PERSTA. Aus den im Gesenk<br />
geschmiedeten Teilen wurden Armaturen<br />
für Chemie, Schiffsbau, Kraftwerke<br />
usw. hergestellt, so dass diese Firma eine<br />
gute Ergänzung zu den Siepmann-Werken<br />
war. Im Jahre 1961 konnte der neue<br />
Betrieb im Möhnetal eingeweiht werden<br />
und technisch hoch entwickelte Trans -<br />
ferstraßen wurden zur Produktion der Armaturen<br />
eingesetzt. Die Nachfrage war<br />
groß und so hatte die Firma 1970 bereits<br />
600 Mitarbeiter beschäftigt.<br />
Viele Firmen suchten nach dem Zweiten<br />
Weltkrieg neue Fertigungs stätten. So<br />
kamen auch 1945 Mitar beiter der AEG-<br />
Röhrenfabrik Berlin nach Belecke. Hier<br />
fanden sie bei den Siepmann-Werken<br />
durch Demontage leer stehende Hallen<br />
mit Strom- und Gasanschluss. Die Verhandlungen<br />
verliefen positiv und ab<br />
Herbst 1945 begann die AEG mit ein<br />
paar Mitarbeitern, Halbleiter zu entwickeln<br />
und zu produzieren. Niemand ahnte<br />
damals, welche Folgen diese Betriebsansiedlung<br />
für die Stadt Belecke haben<br />
könnte, denn aus den bescheidenen Anfängen<br />
entwickelte sich eine der größten<br />
von Theo Büchter<br />
Produktionsstätten der Welt für Leistungshalbleiter.<br />
Man begegnete AEG-<br />
Produkten überall dort, wo Gleichstrom<br />
benötigt wurde. Im Jahre 1970 hatte die<br />
AEG bereits 1700 Mitarbeiter.<br />
Die wirtschaftliche Expansion dieser<br />
drei Betriebe war so rasant, dass um<br />
1970 ca. 3500 Menschen im Möhnetal<br />
beschäftigt waren. Und diese Entwick -<br />
lung hatte nun endgültig den Charakter<br />
der ehemaligen Ackerbürgerstadt in jeder<br />
Hinsicht verändert. Die Einwoh -<br />
nerzahl hatte sich verdreifacht und war<br />
1970 auf 7150 gestiegen. Die gesamte<br />
Bevölkerungsstruktur hatte sich ebenso<br />
gewandelt, denn neben den 2500 alteingesessenen<br />
Beleckern wohnten nun ca.<br />
2000 Flüchtlinge und Umsiedler und<br />
ebenfalls ca. 2000 Industriesiedler, die<br />
vor allem aus dem Ruhrgebiet kamen, in<br />
unserer Stadt. Die Wirtschaftlichkeit einer<br />
Stadt ist in erster Linie von der Anzahl<br />
der angebotenen Arbeitsplätze abhängig.<br />
In Belecke überstieg diese bei<br />
weitem die Zahl der einheimischen Erwerbstätigen.<br />
So entwickelte sich Belecke<br />
mit ca. 2000 Pendlern zu einem Beschäftigungszentrum,<br />
was letztlich auch<br />
eine große Verkehrsdichte in den Stoßzeiten<br />
bedeutete.<br />
Für den Industriestandort Belecke waren<br />
die 80er Jahre von großer Be -<br />
deutung. Der AEG-Konzern hatte wirtschaftliche<br />
Probleme. Davon war auch<br />
das Belecker Werk betroffen. Aus der Belecker<br />
AEG sind drei neue Firmen hervorgegangen:<br />
Die AEG Elek tro fotografie<br />
GmbH (EFO), die in den Geschäftsbereichen<br />
Entwicklung, Pro duk tion und Vertrieb<br />
elektrofotografischer Bildträger tätig<br />
ist. Heute hat die Firma rund 230 Beschäftigte.<br />
Weiterhin wurde die Firma<br />
AEG SVS Power Supply Systems GmbH<br />
gegründet. Sie ist ein führender Anbieter<br />
von Strom versorgungs-Systemen für die<br />
unterschiedlichsten Branchen. Der weltweite<br />
Spezialist für Stromversorgung beschäftigt<br />
rund 360 Mitarbeiter. Als dritte<br />
Firma wurde zum 1. 1. 1990 die Eupec<br />
gegründet, die heute Infineon Techno -<br />
logies AG heißt. Schwerpunkt der Produktion<br />
sind Silicium-Leistungshalb leiter,<br />
die in vielen Bereichen der An triebs- und<br />
Transporttechnik benötigt werden. Im<br />
Bereich der erneuerbaren Energien werden<br />
Silicium-Halbleiter ebenfalls eingesetzt.<br />
Die Produktion findet weltweiten
SAUERLAND NR. 2/<strong>2008</strong> 65<br />
Absatz. Die Firma Infineon verfügt über<br />
60 Jahre Know-how und Erfahrung, ist<br />
führend auf dem Weltmarkt und hat zurzeit<br />
1300 Beschäftigte.<br />
Auch bei den Siepmann-Werken hat<br />
es in den vergangenen Jahren einen<br />
Strukturwandel gegeben. Heute produziert<br />
man nicht mehr für die Auto -<br />
industrie, sondern für Maschi nenbau,<br />
Nutzfahrzeuge und Windkraftanlagen<br />
und gleichzeitig hat sich die Firma auf die<br />
Produktion schwerer Gesenkschmiede -<br />
stücke spezialisiert. Es gab in letzter Zeit<br />
große Produktions- und Umsatzsteige -<br />
rungen, hohe Investitionen und Kapa -<br />
zitätserweiterungen, so dass die Siep -<br />
mann-Werke mit ihren Produkten auf<br />
dem gesamten Weltmarkt konkurrenzfähig<br />
sind. Das gleiche gilt für die Tochtergesellschaft<br />
Stahl-Armaturen PERSTA,<br />
deren Produkte zu mehr als 50% in den<br />
Export gehen. Industrie-Armaturen aus<br />
Belecke finden wir in Europa und der<br />
ganzen Welt. Attraktive Märkte sind un-<br />
(Lesen Sie weiter auf Seite 66)<br />
Infineon Bedampfen von Halbleitern<br />
im Infineon-Werk in Belecke<br />
Werksfoto: Infineon<br />
Siepmann Schmiederoboter vor einem Drehherdofen Werksfoto: Siepmann-Werke
66 SAUERLAND NR. 2/<strong>2008</strong><br />
Brauchtum in Belecke<br />
Bräuche sind jährlich wiederkehrende<br />
besondere Ereignisse oder Veranstaltun<br />
gen, die vor langer Zeit von den Vor -<br />
fahren ins Leben gerufen und durchgehend<br />
begangen worden sind und auch<br />
weiterhin gepflegt<br />
werden. Es gibt<br />
aber auch Brauchtum,<br />
das zwischenzeitlich<br />
in<br />
Vergessenheit geraten<br />
oder bewusst<br />
nicht gelebt<br />
worden ist. Auch<br />
in Belecke finden<br />
wir beide Arten<br />
von Brauchtum:<br />
Bräuche, die seit<br />
Jahrhun der ten<br />
jähr lich begangen<br />
werden, und solche,<br />
die in den<br />
letzten Jahr zehn -<br />
ten wieder belebt<br />
worden sind.<br />
Ein besonders<br />
hohes Maß an<br />
Kontinuität weisen<br />
die kirchlichen<br />
ter anderem Indien und China und langfristig<br />
soll der Export auf 70% erweitert<br />
werden.<br />
Außerdem haben sich in jüngster Zeit<br />
in Belecke zwei größere Industrie -<br />
standorte entwickelt: Zum einen das Gewerbe-<br />
und Industriegebiet Wiebusch mit<br />
einer Größe von 15 ha, 23 Firmen und<br />
ca. 200 Beschäftigten. Und im Haar -<br />
bereich nördlich von Belecke liegt der Industriepark<br />
Warstein-Belecke, deren Verkehrsanbindung<br />
(Autobahn) besonders<br />
optimal ist. Hier hatten sich bis April<br />
<strong>2008</strong> schon 32 Unternehmen mit ca.<br />
650 Arbeitsplätzen angesiedelt.<br />
So kann man sicherlich mit gutem<br />
Recht sagen, dass Belecke der bedeutendste<br />
Industriestandort im oberen<br />
Möhnetal ist und durch seine Produkte<br />
„Made in Belecke“ zur weltweiten Globa -<br />
lisierung beiträgt. Daneben bestimmen<br />
aber auch Handwerk, Gewerbe, Handel<br />
und Dienstleistungen das Wirtschafts -<br />
leben und machen Belecke zu einer lebens-<br />
und liebenswerten Stadt.<br />
Bräuche auf, hier besonders die traditionellen<br />
Prozes si onen: Die Him mel -<br />
fahrtspro zes sion führt durch die historische<br />
Alt stadt, im An schluss daran lädt<br />
die Musikvereinigung Belecke zu einem<br />
Jeden Mittwoch vor Pfingsten erinnern die Sturmtagskanoniere mit ihrer<br />
Kanone an den Sturmtag von 1448, dann wird ab fünf Uhr geböllert.<br />
(Fortsetzung von Seite 65)<br />
festlichen Konzert ins Jungendheim ein.<br />
Die Fronleichnamsprozession beginnt in<br />
der Pankratiuskirche und endet in der<br />
Hl.-Kreuz-Kirche, verbindet quasi beide<br />
bisherigen Pfarrgemeinden. Von der<br />
ehemaligen Feldprozession zu Pfingsten<br />
ist heute noch das feierliche Pfingst -<br />
hochamt unter freiem Himmel an der<br />
Külbenkapelle erhalten geblieben, bei<br />
dem im Wechsel herausragende geistliche<br />
Persönlichkeiten (Äbte, Bischöfe<br />
u. a.) jeweils mitzelebrieren und die Predigt<br />
halten.<br />
Seit 1971 findet im Einzugsbereich<br />
der Hl.-Kreuz-Kirche Anfang Mai anlässlich<br />
des Festes Kreuz-Auffindung die<br />
Kreuzprozession statt, anknüpfend an<br />
die früheren Prozessionen zur Kreuz -<br />
kapelle an der Külbe. Im Laufe der letzten<br />
Jahre sind weitere Bräuche wieder<br />
ins Leben gerufen worden: Der Gang<br />
zur Mutterkirche nach Altenrüthen,<br />
Palm binden vor Palmsonntag, Sternsinger,<br />
Agapefeier in der Osternacht und<br />
Kräu terweihe am 15. August.<br />
Das weltliche Brauchtum spielt im<br />
Belecker Leben eine große Rolle. All -<br />
von Hans-Jürgen Hense<br />
jährlich am Sonntag nach dem 15. Juli<br />
feiert die Bürgerschützengesellschaft<br />
von 1712, deren erste Erwähnung bis in<br />
das Jahr 1448 zurückgeht, das traditionelle<br />
Schützenfest. Der Belecker Karneval,<br />
organisiert<br />
von der Großen<br />
Belecker Karnevalsgesellschaft<br />
von 1905, gehört<br />
seit Jahrzehnten<br />
zu den Höhepunkten<br />
des sauerländischen<br />
Karnevals.<br />
Heraus ragende<br />
Veranstaltung ist<br />
hierbei der traditionelleRosenmontagszug,<br />
an<br />
dem sich neben<br />
Belecker Vereinen<br />
und Grup pen seit<br />
vielen Jahren Aktive<br />
und Vereine aus<br />
den umliegenden<br />
Dörfern des Möhnetals<br />
und der<br />
Haar beteiligen.<br />
Die Große Bele-<br />
Foto: Michael Sprenger<br />
ckerKarnevalsgesell schaft hat nach dem Zweiten Weltkrieg<br />
den alten Brauch der Verteilung<br />
des Döbberstutens wieder belebt. Am<br />
Lüttkefastnachtstag wird dieses bei den<br />
Kindern beliebte Gebäck in den Belecker<br />
Kindergärten und der Grundschule<br />
von den Karnevalisten verteilt. Dieser<br />
Brauch geht auf die Familie Döbber zurück,<br />
die im 15. Jahrhundert in Belecke<br />
lebte. Nach ihrem Tod vermachte sie der<br />
Belecker Kirche 16 Morgen Land. Dafür<br />
mussten zum Gedächtnis jährlich<br />
zwei Messen gelesen werden. Geistliche,<br />
Kirchendiener und Schulkinder erhielten<br />
nach dem Gottes dienst Semmeln<br />
aus Weizenmehl (Döb berstuten).<br />
Zentraler Brauchtumstag in Belecke<br />
und wohl einmalig im <strong>Sauerland</strong> ist der<br />
Belecker Sturmtag: Am Mittwoch vor<br />
Pfingsten gedenkt die Belecker Bevöl -<br />
kerung der Soester Fehde (1444-49),<br />
hier besonders des Tages, an dem die<br />
Männer und Frauen Beleckes den Angriff<br />
der Soester mit Mut und Klugheit<br />
abgewehrt haben. Der Tag wird früh -<br />
mor gens eröffnet durch die Böller -<br />
schüsse der Belecker Sturm tagskano -<br />
niere. Am Abend findet in der Pan -
SAUERLAND NR. 2/<strong>2008</strong> 67<br />
kratiuskirche ein Hochamt im Wech sel<br />
mit einem ökumenischen Gottes dienst<br />
statt. An schließend geht es im Festzug<br />
zum Heimatabend in die Belecker<br />
Schützen halle, an dem viele Gruppie -<br />
rungen und Vereine teilnehmen. Hier<br />
wird seit 1989 alljährlich in Erin ne rung<br />
an den Bürgermeister Wilke, der bei<br />
dem Kampf gegen die Soester sein Leben<br />
ließ, der „Bürgermeister Wilke<br />
Preis“ an Einzelpersonen, Gruppierun -<br />
gen und Vereine verliehen, die sich um<br />
Belecke besonders verdient gemacht haben.<br />
Anlässlich der 1050-Jahr-Feier Be -<br />
leckes gründete sich 1988 die Belecker<br />
Nachtwächterzunft, die die Tradition des<br />
mittelalterlichen Nachtwächterberufes<br />
wieder aufleben lässt: Am Vorabend des<br />
Sturmtags kündigen sie mit ihren Lie -<br />
dern in der Altstadt dieses besondere<br />
Fest an, am Heimatabend wirken sie aktiv<br />
mit. Am Tag vor Heiligabend stimmen<br />
sie gemeinsam mit einer Bläser -<br />
gruppe an verschiedenen Stationen im<br />
Ort mit Weihnachtsliedern die Bevöl -<br />
kerung auf das bevorstehende Weih -<br />
nachtsfest ein.<br />
Im Mittelalter kontrollierten Rat und<br />
Bürgerschaft alle 20–25 Jahre in einem<br />
feierlichen Schnadezug (Schnot = Gren -<br />
ze) die Grenzen der eigenen Gemarkung<br />
zu den Nachbargemeinden, da es zu dieser<br />
Zeit noch keine katastermäßigen<br />
Fluraufnahmen und Karten gab. In Belecke<br />
ist dieser alte Brauch Anfang der<br />
siebziger Jahre wieder ins Leben gerufen<br />
worden und somit überprüfen die<br />
Belecker Bürger im Abstand von drei<br />
Jahren im Schnadezug mit Musik und<br />
Fahnen die richtige Position der Grenzsteine<br />
zu den Nachbargemeinden.<br />
Auch das Osterfeuer an der Kül -<br />
benkapelle hat seinen festen Platz im<br />
Belecker Leben. Gab es vor Jahrzehnten<br />
noch etliche Osterfeuer an verschiedenen<br />
markanten Punkten Beleckes, so<br />
hat es sich im Laufe der letzten Jahre auf<br />
den weithin sichtbaren Platz an der Külbe<br />
zentriert, neuerdings entzündet nach<br />
einem Fackellauf mit dem Feuer der<br />
Osterkerze in der Pankratiuskirche.<br />
Erfreulich bleibt festzustellen, dass<br />
das Interesse an den Volksbräuchen, die<br />
uns Aufschluss geben über Leben, Denken<br />
und Sitten unserer Vorfahren, im<br />
Laufe der letzten Jahrzehnte in Belecke<br />
zugenommen hat und auch in den Kindern<br />
das Interesse an Traditionen geweckt<br />
werden kann.<br />
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Dietmar Lange, Warstein<br />
Peter Wessel, Warstein<br />
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Bernhard Müller, Warstein<br />
Dr. Erika Richter, Meschede<br />
Hans-Jürgen Hense, Warstein<br />
Werner F. Cordes, Attendorn<br />
Werner Ahrens, Balve<br />
Werner Neuhaus, Sundern<br />
Friedhelm Walter, Arnsberg<br />
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68 SAUERLAND NR. 2/<strong>2008</strong><br />
Hespecke –<br />
ein vergessener Adelssitz im Eckenbachtal bei Attendorn von Werner F. Cordes<br />
Auf weit verbreiteten gedruckten<br />
Landkarten des 18. Jahrhunderts findet<br />
man an der alten Straße von Leipzig<br />
nach Köln, die auch als „Heiden straße"<br />
bezeichnet wird, nahe der Stadt Atten -<br />
dorn und benachbart zum ehemaligen<br />
Augustiner-Chorherren-Kloster Ewig,<br />
die Ortsbezeichnung Hespecke1. Ab seits<br />
der heute ausgebauten Strecke von Attendorn<br />
nach Meinerzhagen durch das<br />
Ihnetal scheint dieser Ort untergegangen<br />
zu sein und wird in den offiziellen Karten<br />
nicht mehr genannt.<br />
Die alte Trasse der „Kölner Straße“<br />
knickte an der als Hespecke bezeichneten<br />
Stelle ab und führte über eine leichte<br />
Anhöhe hinunter in das Ihnetal nach<br />
Merklinghausen. An dem Knickpunkt ist<br />
ein verhältnismäßig großes einzelnes Gebäude<br />
zu sehen, das zuletzt in der zweiten<br />
Hälfte des vorigen Jahrhunderts als<br />
Stall und Scheune genutzt wurde und<br />
seitdem leer steht. Albert Hömberg<br />
nennt Hespecke „ein kölnisches Lehn -<br />
gut“, das bereits „im 13. Jahrhundert<br />
Sitz einer Dienstmannenfamilie von Hersebeke2“<br />
war. In den „Regesten des ehemaligen<br />
Klosters Ewig“ kommt es bereits<br />
in einem Kaufvertrag vom 1. Januar<br />
1376 als „Hersebeike“ vor. 3 Am 15. Januar<br />
1405 versetzen „Godert van Ewich<br />
und seine Frau Patze“ zur Absicherung<br />
einer Schuld „ihren Anteil Landes Volmershyed<br />
bei Herßebeke“. 4 Weitere Urkunden<br />
mit der Erwähnung des Namens<br />
finden sich zu den Jahren 1448 (Hof zu<br />
Herßbeke) 5, 1456 und 1457 (Hertzebeck)<br />
6, 1467 (an den Weg nach Herspyke<br />
stoßend) 7 und 1680 (Heßpecke) 8.<br />
Der Grund für<br />
die Nennung des<br />
Namens auf den alten<br />
Landkarten<br />
liegt also darin, dass<br />
er einen traditionsreichen<br />
und früher<br />
wohl auch repräsentativen<br />
Adels sitz<br />
kennzeichnet, der<br />
unmittelbar an der<br />
„Köl ner Straße“<br />
lag. Von der Fa -<br />
milie v. Hersebeke<br />
gelangte das Lehn -<br />
gut über die v. Steinen<br />
und v. Ostentrop gen. Bockemolle an<br />
den Bilsteiner Drosten Kaspar v. Fürsten -<br />
berg, dessen Tage bücher die ergiebigste<br />
Quelle für die Geschichte des ehemaligen<br />
Ritterguts sind. 9 So erfahren wir, wie<br />
Fürstenberg sich nach einem „freundschaftlichen<br />
Hinweis“ das durch ein Versäumnis<br />
der bisherigen Inhaber freigewordene<br />
Lehen von dem Kölner Erzbischof<br />
Gebhard Truchseß v. Wald burg<br />
übertragen lässt. 10 Er verwickelt sich dadurch<br />
in langjährige Auseinan der -<br />
setzungen mit der Familie seines Vor -<br />
gängers, setzt sich aber durch und<br />
schreibt zum Abschluss des Jahres 1607<br />
in den Kalender: „Ich hab mit 1500 und<br />
mehe talern friden... von wegen der hofe<br />
zu Herßbecke gemacht.“ 11<br />
Noch am 28. Januar dieses Jahres hatte<br />
er notiert: „Wilhelm vom Neuen hove<br />
zu Ahausen schreibt und warnet mich für<br />
Lodowigh Dresch zu hüten, dan er hab<br />
sich öffentlich verlauten laßen, mich odir<br />
Hespecke, Stall- und Scheunengebäude von SW (<strong>2008</strong>) (1)<br />
meinen son von wegen der furderung der<br />
höve zu Hesbecke zu erschießen.“ 12<br />
Bereits unter dem 29. März 1581 hatte<br />
Kaspar von Fürstenberg vermerkt:<br />
„Der gogreve schreibt an mich belan -<br />
gendt die Gelegenheit des guts zu Hesbecke<br />
ist ein ansehentlich stuck.“ 13 Aus dem<br />
Tagebuch geht auch hervor, dass es sich<br />
um zwei Höfe und einen Teich handelt.<br />
Vom 5. Oktober 1592 berichtet er: „Ich<br />
zihe uf meine hove zu Hesbeke mit dem<br />
gogreven und fische daselbst.“ 14 Vom 18.<br />
März 1599 findet sich die Notiz: „Laß den<br />
deich zu Hesbecke fischen.“ 15<br />
Mit den Pächtern und den Chor -<br />
herren des benachbarten Klosters Ewig<br />
hatte er schon früh Kontakt aufgenommen<br />
und „daselbst suppen geßen“ sowie<br />
im selben Jahr 1581 am 4. September<br />
„ein ansehentlich gelach mit den nachpurn<br />
gehalten. Des abents zusamen uf<br />
Ewigh geruckt.“ 16<br />
Hespecke von NO vor dem Umbau (um I960) (2) 1595 fertiggestelltes Haus der Familie von Stockhausen<br />
in Olpe (1974) (3)
SAUERLAND NR. 2/<strong>2008</strong> 69<br />
Alte Eiche oberhalb des Hauses Hespecke (<strong>2008</strong>) (4)<br />
Der Attendorner Pfarrer Johannes<br />
Zeppenfeld, der nach den Wirren der ers -<br />
ten Hälfte des 17. Jahrhunderts die<br />
„Renten“ der Pfarrei neu erfasst hat, registriert<br />
in der „Alveringhauser Bauer -<br />
schaft“ auch Hespecke und führt aus:<br />
„dis sein bey meiner zeith noch 2 follencommene<br />
guter gewesen ... nach dem<br />
aber das oberste haus ab gebrendt, hat<br />
sey lassen drost furstenberg, dem sie zu<br />
gehoeren, in ene coloney zihen.“ 17<br />
Zep penfeld muss damit das heute in<br />
Hespecke vorhandene Anwesen gemeint<br />
haben, denn in dem erwähnten<br />
unscheinbaren Funktionsgebäude, das in<br />
der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg<br />
noch bewohnt wurde, verbirgt sich der<br />
eindrucksvolle Kern eines herrschaftlichen<br />
Hauses aus der Barockzeit, von<br />
dem zwei volle Geschosse über massiven<br />
Gewölbekellern erhalten sind. Das Dach<br />
wurde offensichtlich durch Aufrichtung<br />
von Giebeln später geändert. Bei entsprechendem<br />
Tageslicht zeigen sich in<br />
den starken Bruchsteinmauern aus heimischer<br />
Grauwacke, in denen jetzt moderne<br />
Stahlluken und Ventilatoren zu sehen<br />
sind, die Umrisse von Segment -<br />
bögen vermauerter Fenster. Auffällig sind<br />
zwei Reihen geschmiedeter Anker auf<br />
der NO- und SW-Seite, welche auf zwei<br />
verschiedene Bauperioden hinweisen.<br />
Der südöstliche, talwärts gerichtete<br />
Teil mit drei Fensterachsen auf jeder Seite<br />
ist selbständig unterkellert und hat einen<br />
Außengrundriss von etwa 12 mal 12<br />
Metern. Der nordwestliche, größere Bereich<br />
wurde anscheinend später ange-<br />
baut und durch weitere, von außen nicht<br />
sichtbare Maueranker mit dem Ur -<br />
sprungsbau verklammert.<br />
Die Zugänge lagen jeweils auf den<br />
Giebelseiten. Talaufwärts öffnete sich der<br />
Bau in einem großen rundbogigen, heute<br />
durch Mauerwerk verschlossenen Tor,<br />
dessen Keilstein und Umriss sich deutlich<br />
im Putz abzeichnen, während auf der talabwärts<br />
gerichteten, früher das kleine Tal<br />
beherrschenden Schauseite sich ein repräsentatives<br />
Portal mit einer mehrstufigen<br />
Treppe befand.<br />
Vom Typ her ähnelt der Kernbau von<br />
Hespecke, welcher ein Walmdach gehabt<br />
hat, sehr stark dem 1595 für den<br />
Olper Richter Ludwig v. Stockhausen, einen<br />
Schwiegersohn Kaspars v. Für s -<br />
tenberg, fertiggestellten Haus. 18<br />
Man kann sich nach den Ausfüh rungen<br />
der Tagebücher gut eine Vor stellung vom<br />
Leben auf den ehemaligen Hespecker<br />
Höfen machen. Ältere Leute erinnern sich<br />
noch an den jetzt verschwundenen Vorgarten<br />
und den Teich mit der großen Insel,<br />
von deren Baum bestand nur noch eine alte<br />
Eiche übriggeblieben ist.<br />
Fotonachweis<br />
1 u. 4 Anka Cordes-Leick; 2 Archiv Prof. Dr. Erich<br />
Lehr; 3 Stadtarchiv Olpe<br />
Anmerkungen<br />
1 Vgl. dazu Johann Baptist Homann, Nova<br />
Ducatus Westfaliae Tabula, Nürnberg 1706.<br />
Ferner: A. u. H. Schmoranzer, H. L. Knau, E.<br />
Loch, Wandern und Pilgern auf der Heiden -<br />
straße, Paderborn 2007, S. 16, Karte von Christoph<br />
Max. Pronner, Nürnberg 1754 und S. 47.<br />
2 Albert K. Hömberg, Geschichte des Kreises Olpe<br />
bis 1800, in: Heimatchronik des Kreises Olpe,<br />
Köln 1958, S. 70.<br />
3 Norbert Scheele, Regesten des ehemaligen<br />
Klosters Ewig, Olpe 1963, S. 2, Nr. 5.<br />
4 N. Scheele (wie Anm. 3), S. 6, Nr. 21.<br />
5 N. Scheele (wie Anm. 3), S. 20, Nr. 73.<br />
6 N. Scheele (wie Anm. 3), S. 25, Nr. 95 u. S. 27,<br />
Nr. 100.<br />
7 N. Scheele (wie Anm. 3), S. 39, Nr. 147.<br />
8 N. Scheele (wie Anm. 3), S. 146, Nr. 554.<br />
9 Albert K. Hömberg, Geschichtliche Nachrichten<br />
über Adelssitze und Rittergüter im Herzogtum<br />
Westfalen, Heft 9, Münster 1975, S. 47-52.<br />
In einem Aufsatz des Autors zur „Heidenstraße“<br />
(<strong>Sauerland</strong> 1/<strong>2008</strong>, S. 16 f.) wurde versehentlich<br />
die Familie von Heygen als frühere Besitzerin des<br />
Gutes Hespecke genannt.<br />
10 Alfred Bruns (Bearb.), Die Tagebücher Kaspars<br />
v. Fürstenberg, Teil 1, Münster 1987, S. 124,<br />
25. u. 28. März.<br />
11 Alfred Bruns (Bearb.), Die Tagebücher Kaspars v.<br />
Fürstenberg, Teil 2, Münster 1987, S. 386.<br />
12 A. Bruns (wie Anm. 11), S. 348, 28. Januar.<br />
13 A. Bruns (wie Anm. 10), S. 124, 29. März.<br />
14 A. Bruns (wie Anm. 10), S. 492, 5. Oktober.<br />
15 A. Bruns (wie Anm. 10), S. 784, 18. März.<br />
16 A. Bruns (wie Anm. 10), S. 140, 4. September.<br />
17 Johannes Zeppenfeld, Pastorath Renthen Buch,<br />
Renovirt 1658, Handschrift im Pfarrarchiv<br />
Attendorn, B 45.<br />
Zu Einzelheiten der Besitzgeschichte siehe<br />
Wingolf Scherer, Gut Hespecke bei<br />
Ewig/Attendorn und seine Besitzer, in: HSO,<br />
167. Folge, Olpe 1992, S. 117-122.<br />
18 A. Bruns (wie Anm. 10), S. 624, 17. Oktober.<br />
Für freundliche Auskünfte und die Überlassung von<br />
Bildmaterial danke ich Herrn Horst Arens in Atten -<br />
dorn, Herrn Prof. Dr. Erich Lehr in Waldalgesheim und<br />
Herrn Stadtarchivar Josef Wermert in Olpe.<br />
EXCLUSIVE HERRENMODE<br />
SEIT 1928<br />
Lange Wende 94 – Mendener Straße 8<br />
Tel. 0 29 32/2 43 64 – Tel. 0 29 32/71 04<br />
59755 Arnsberg-Neheim
70 SAUERLAND NR. 2/<strong>2008</strong><br />
Ein Kreuzwegbild erfährt nach 400 Jahren, im Jahr <strong>2008</strong>,<br />
eine Aufwertung von Werner Ahrens<br />
Im Jahr 1498 schuf ALBRECHT<br />
DÜRER den Holzschnitt: »Kreuztragung<br />
Christi«, Größe 389 x 282 mm. Mit seinen<br />
Holzschnitten hatte Dürer einen lebhaften<br />
Handel in ganz Europa getrieben.<br />
Noch heute sind fast alle Holz schnitte<br />
von ihm verfügbar und sogar auch noch<br />
einige Druckstöcke. So ist es nicht verwunderlich,<br />
dass dem Maler Heinrich<br />
Strotmann aus Arns berg dieser Holzschnitt<br />
bekannt war oder sogar vorlag,<br />
als er von Johannes von Plettenberg den<br />
Auftrag zu einem Bild für einen Stif -<br />
tungs altar für seinen tödlich verunglückten,<br />
mächtigen Schwa ger, Land droste<br />
Hermann von Hatzfeld, bekam.<br />
Schon vor dem 30-jährigen Krieg wütete<br />
im Balver Land der Irrsinn der Hexenverfolgung.<br />
Auch Hermann von<br />
Hatzfeld war der Hexenverfolgung im<br />
Balver Land verfallen.<br />
Für alle Menschen war das<br />
damalige Leben ein Kreuzweg<br />
In der Kunstgeschichte kommt es oft<br />
vor, dass Maler von ihren Vorbildern Mo-<br />
tive übernommen haben, d. h. nicht, dass<br />
sie einfach alles nachgemalt haben, sie<br />
haben bildliche Darstellungen abgewandelt,<br />
neue Ausdrucksmittel und einen neuen<br />
Bezug zum Thema geschaffen. Diese<br />
Freiheit hat sich, ca. 100 Jahre nach Dürers<br />
Holzschnitt, auch der mutige Maler<br />
Heinrich Strotmann mit der »verdeckten«<br />
Abführung der Hexen, genommen. Der<br />
Landdroste Hermann von Hatzfeld wird<br />
als Simon von Cyrene dargestellt, der<br />
noch nicht richtig helfend zufasst.<br />
In diesem Zusammenhang gewinnt<br />
das Kreuzwegbild von Heinrich Strot -<br />
mann in der Balver romanischen Pfarr -<br />
kirche St. Blasius heute eine interessante<br />
Aufwertung.<br />
Der Maler Heinrich Strotmann übt<br />
mit diesem Bild Kritik am religiösen Leben,<br />
dem allgemeinen Zustand. Man will<br />
das Böse vernichten, die Menchen zum<br />
Guten führen, aber erreicht das Gegenteil.<br />
Die Menschen werden hilflos.<br />
Dürer zeigt den historischen Ablauf.<br />
Eine bildliche Beschreibung, wie Jesus<br />
auf dem Weg zur Richtstätte den weinenden<br />
Frauen begegnet. Links unten: Veronika<br />
reicht das Schweißtuch, Maria, Maria<br />
Magdalena, Johannes und ein Mann<br />
mit einer Leiter folgen dem kreuztragenden<br />
Christus. Simon hilft Jesus das Kreuz<br />
zu tragen. Gestalterisch bildet die Gruppe<br />
ein Dreieck. Schergen mit Lanzen<br />
und Spießen kommen von links aus dem<br />
Stadttor. Die Abbildung soll ehrliches<br />
Mitgefühl wecken für den schweren<br />
Weg, den Jesus gehen musste.<br />
Das Bild von Heinrich Strotmann<br />
zeigt eine zeitgenössische, politische<br />
Szene der Kreuztragung Jesu und gleichzeitig<br />
zurückhaltend den »Kreuz weg der<br />
Frauen«, die als Hexen zum Tod verurteilt<br />
sind. Die Kreuztragung, an sich ist<br />
ein bekanntes Motiv, steht optisch im<br />
Vordergrund und »verdeckt« so den Blick<br />
auf den zentralen Punkt der Szene, die<br />
Abführung der Hexen!<br />
Dieses Bild unterliegt einer anderen<br />
Absicht: Kein ergriffenes Volk, nur die<br />
Wut der Schergen wird gezeigt! Kein
SAUERLAND NR. 2/<strong>2008</strong> 71<br />
14. September <strong>2008</strong><br />
Tag des offenen Denkmals<br />
Der bundesweite Tag des offenen<br />
Denkmals findet jedes Jahr am 2. Sonntag<br />
im September statt. Ziel des Tages ist<br />
es, die Öffentlichkeit für die Bedeutung<br />
des kulturellen Erbes zu sensibilisieren<br />
und Interesse für die Belange der Denkmalpflege<br />
zu wecken. Der Denkmaltag<br />
bietet dabei auf sehr unterschiedliche<br />
Weise „Geschichte zum Anfassen“ und<br />
lädt Architektur- und Geschichtsliebhaber<br />
zu Streifzügen in die Vergangenheit ein.<br />
Der Tag des offenen Denkmals kommt<br />
nur dank vieler Institutionen, Kreise,<br />
Städte, Gemein den, Verbände, Vereine,<br />
privater Denk maleigentümer und Bürgerinitiativen<br />
zustande. Die lokale Presse<br />
berichtet darüber und unterstützt so die<br />
Idee des Denkmalschutzes. Merken Sie<br />
sich die Termine vor Ort vor. Ein bundesweite<br />
Veranstaltungsprogramm wird von<br />
der Deutschen Stiftung Denkmalschutz in<br />
gedruckter Version und im Internet unter<br />
http://tag-des-offenen-denkmals.de/programm<br />
verfügbar gemacht.<br />
leidtragendes Umfeld, nur Christus leidet.<br />
Hier wird eine absurde Tat angeklagt,<br />
ein Teufelskreis!<br />
Die Bildproportion und der Bildaufbau<br />
ist bei beiden Bildern gleich.<br />
Wenn wir zum näheren Vergleich noch<br />
ein Gestaltungsgitter darüber decken,<br />
erkennen wir, dass fünf Teile fast identisch<br />
sind und sich auch noch an der gleichen<br />
Stelle befinden.<br />
Redaktionsschluss<br />
für die<br />
nächste Ausgabe<br />
ist der<br />
15. August <strong>2008</strong>
72 SAUERLAND NR. 2/<strong>2008</strong><br />
Von Rochuskapelle und Revolution:<br />
Ursachen und Folgen der Revolution von 1848 in Sundern<br />
Vor fast genau 160 Jahren ging, ausgehend<br />
von Paris, eine Welle von revolutionären<br />
Ereignissen auch über die Einzelstaaten<br />
des Deutschen Bundes hinweg.<br />
Zwar lagen die Zentren dort zu -<br />
nächst in Haupt- und Großstädten wie<br />
Berlin, Wien und Frankfurt, aber die Revolution<br />
strahlte von dort auch in eine<br />
Reihe der rasch wachsenden Industrie -<br />
städte sowie auf das noch weitgehend<br />
vorindustrielle „platte Land“ aus. 1 Auch<br />
das <strong>Sauerland</strong> erlebte, wenn auch zu unterschiedlichen<br />
Zeiten und in unterschiedlicher<br />
Intensität, die Ausläufer dieser<br />
Bewegungen. Im Folgenden sollen<br />
vor dem Hintergrund regionaler und lokaler<br />
sozialer und wirtschaftlicher Ent -<br />
wicklungen die Ereignisse der Revo -<br />
lutionszeit in Sundern näher ins Auge gefasst<br />
werden.<br />
Wie in vielen anderen Regionen, so<br />
waren die 1840er Jahre auch in dem<br />
Gebiet um Sundern von einer Reihe von<br />
krisenhaften Entwicklungen geprägt. So<br />
war die Bevölkerung im Zeitraum von<br />
1818 bis 1843 zwar von 620 auf 855<br />
gestiegen, 2 aber diesem in erster Linie<br />
auf die hohe Gebürtigkeit der einheimischen<br />
Bevölkerung sowie die Zu wan -<br />
derung aus umliegenden Dörfern zu -<br />
rückzuführenden Bevölkerungswachs -<br />
tum entsprach nicht eine angemessene<br />
Erweiterung der Verdienstmöglich kei -<br />
ten. Die mit Wasserkraft und Holzkohle<br />
betriebenen Eisenhämmer und Hütten<br />
dieses Raumes kämpften einen aussichtslosen<br />
Kampf gegen die übermächtige<br />
Konkurrenz des nahen Ruhr ge -<br />
bietes, so dass einige von ihnen in den<br />
1840er Jahren schließen mussten. 3 Da -<br />
gegen nahmen die teilweise auf dem Gelände<br />
dieser protoindustriellen An lagen<br />
gegründeten Papierfabriken häufig erst<br />
in den 50er und 60er Jahren des 19.<br />
Jahrhunderts ihren Betrieb auf. 4 Deshalb<br />
ist es auch kein Zufall, dass Auswan -<br />
derungswillige in den 1840er Jahren in<br />
Sundern häufig aus der Gruppe der Köhler,<br />
Hammerschmiede und Tagelöh ner<br />
kamen, 5 denn offensichtlich fühlten die<br />
Angehörigen dieser unteren Gesell -<br />
schaftsschicht die Auswirkungen der Krise<br />
am schärfsten. Eine gut entwickelte<br />
Heimindustrie, etwa in den Bereichen<br />
Spinnerei und Leineweberei, existierte in<br />
Sundern nicht, auch wenn einige Tagelöhner<br />
sich durch diese hausindustriellen<br />
Beschäftigungen ein Zubrot verdienten<br />
und ihre häufig kinderreichen Familien<br />
ernährten. Eine nennenswerte Eisen verarbeitende<br />
Industrie gab es nicht und<br />
auch das häufig überbesetzte Handwerk<br />
bot kaum Möglichkeiten, die zahlreichen,<br />
aber häufig nicht entsprechend<br />
ausgebildeten Arbeitssuchenden angemessen<br />
zu beschäftigen.<br />
Zu diesen Problemen im sekundären<br />
Sektor gesellten sich seit langer Zeit bestehende<br />
und sich teilweise verschärfende<br />
Konflikte im landwirtschaftlichen Bereich.<br />
Wirtschaftlich, gesellschaftlich und<br />
politisch führend war die Schicht der 62<br />
„markberechtigten“ Bauern. Ihnen standen<br />
die Gruppen der mit weniger Grundbesitz<br />
ausgestatteten „Anbauern“ sowie<br />
die häufig völlig landlosen „Bei lieger“<br />
oder „Beisassen“ gegenüber. Zwi schen<br />
diesen Gruppen gab es Ausein -<br />
andersetzungen um Mast- und Hude -<br />
rechte im Gemeindewald, die Berech -<br />
tigung zum Holzsammeln oder den Beitrag<br />
zur Gemeinde- und Schul steuer, um<br />
nur einige Konfliktherde der ländlichen<br />
Gesellschaft zu nennen.<br />
Zu diesen strukturellen Krisenherden<br />
in Industrie und Landwirtschaft traten in<br />
den 1840er Jahren kurzfristig auftretende<br />
Probleme. So kam es in Westfalen zu<br />
einer witterungsbedingten Agrarkrise, so<br />
dass es auch hier zu weit verbreiteter Armut<br />
und Hungersnöten kam. 6 Auch der<br />
Sunderner Gemeindevorstand sah sich<br />
angesichts der Tatsache, „dass die Noth<br />
unter den hiesigen Armen zur Zeit außerordentlich<br />
groß sei“, mehrfach gezwungen,<br />
das von der Arnsberger Regie rung<br />
angebotene verbilligte Getreide anzukaufen,<br />
um die hungernde Bevölke rung<br />
halbwegs angemessen ernähren zu können.<br />
7 Vor diesem Hintergrund sollen<br />
nun die Ereignisse in Sundern in der Revo<br />
lutionszeit dargestellt werden.<br />
Zwar waren Westfalen und insbesondere<br />
das <strong>Sauerland</strong> keine Zentren revolutionärer<br />
Betätigungen und Ereignisse,<br />
aber auch hier gab es eine Reihe von Aktivitäten,<br />
die sich gegen politische, wirtschaftliche<br />
und soziale Missstände in den<br />
jeweils betroffenen Regionen, Städten<br />
und Gemeinden richteten. Aus den Ämtern<br />
Balve, Hüsten, Grevenstein, Meschede,<br />
Brilon und Freienohl häuften<br />
sich in den Märztagen des Jahres 1848<br />
die für die Obrigkeit beängstigenden<br />
Nachrichten von Zusammenrottungen<br />
von Werner Neuhaus<br />
und Aufruhr auch auf dem „platten Lande“,<br />
wo man teilweise einen neuen<br />
„Bauernkrieg“ fürchtete. 8 Besonders<br />
richtete sich der offensichtlich lang aufgestaute<br />
Zorn der Landbevölkerung gegen<br />
die Schlösser und Landsitze des<br />
Adels sowie die dort residierenden Guts -<br />
verwalter und Förster. 9 Auch in der unmittelbaren<br />
Nachbarschaft von Sun dern,<br />
in der kleinen Titularstadt Allen dorf,<br />
machten sich eine Reihe aufgebrachter<br />
Bürger auf den Weg zum nahe gelegenen<br />
Schloss des Freiherrn von Wrede in<br />
Amecke, um ihre Jagdgewehre zurückzufordern.<br />
Nach Erfüllung ihrer For -<br />
derungen ließen sie sich ihren revolutionären<br />
Elan allerdings schnell mit<br />
Schnaps und Schinkenbroten abkaufen,<br />
wie eine folkloristisch angehauchte Lo -<br />
kal geschichtsschreibung noch heute<br />
stolz berichtet. 10 Immerhin hatte man<br />
aber auch in Sundern gehörigen Respekt<br />
vor revolutionären Ereignissen, denn der<br />
Gemeindevorstand befand am 27. März<br />
1848, „dass es nach den jetzigen Zeit -<br />
ver hältnissen dringend erforderlich sei,<br />
dass zum Schutze hiesiger Gemeinde,<br />
zum Schutze des Eigenthums und zur<br />
Aufrechterhaltung der Ordnung gegen<br />
jedwede Störung (…) die geeigneten Vorkehrungen<br />
zu treffen“ seien. 11 Ob der<br />
deshalb eingestellte Nachtwächter ein<br />
geeignetes Mittel gegen eine politische<br />
und soziale Revolution war, soll hier nicht<br />
näher diskutiert werden, aber offensichtlich<br />
gab es auch in Sundern eine gehörige<br />
Portion Sorgen vor revolutionären<br />
Umtrieben. Deshalb sah man offensichtlich<br />
auch nach dem Abflauen der ersten<br />
Welle und dem Wieder erstarken der konservativ-monarchischen<br />
Kräfte in Berlin<br />
in Sundern die Notwendigkeit, eine Bürgerwehr<br />
einzurichten, um zukünftigen<br />
Unruhen tatkräftig vorzubeugen. Zwar<br />
hatte Amt mann Riedel sofort nach dem<br />
Allen dorfer „Sturm“ auf das Amecker<br />
Schloss nach Arnsberg gemeldet, dass<br />
nichts Ernsthaftes vorgefallen sei, und<br />
auch gegenüber Landrat von Lilien betonte<br />
er „die gänzliche Ruhe, die in den<br />
hiesigen Gemeinden geherrscht hat“. 12<br />
Dennoch bleibt festzuhalten, dass den<br />
oberen Schichten in und um Sundern die<br />
Revo lutionsfurcht gehörig in die Knochen<br />
gefahren war.<br />
Diese Fakten gilt es im Auge zu behalten,<br />
wenn wir uns nun den konkreten Ereignissen<br />
in Sundern während und nach
SAUERLAND NR. 2/<strong>2008</strong> 73<br />
der Revolutionszeit zuwenden. Offen -<br />
sichtlich war es gegen Ende der 40er<br />
Jahre zu einem tiefgreifenden Zerwürfnis<br />
zwischen Pfarrer Kleff und dem Küster,<br />
Organisten und Lehrer Anton Hümmeler<br />
gekommen, der seit 1822 die Stelle<br />
des Sunderner Schul meisters innehatte.<br />
Ende Februar 1850 schickte der Pfarrer<br />
ein von ihm selbst und einem weiteren<br />
Kirchenvorstands mitglied unterzeichnetes<br />
16 Seiten langes Schreiben<br />
an das Paderborner Ge neralvikariat. 13<br />
Zunächst wurde darin Hümmelers mangelhafte<br />
Arbeit als Küster und Organist<br />
in scharfen Worten gerügt, denn er sei<br />
unzuverlässig, faul und inkompetent. Außerdem<br />
versuche er, „die Pfarreingesessenen<br />
gegen den unterzeichneten Pfarrer<br />
zu stimmen“. Dabei erfahre er<br />
„hauptsächlich Hülfe an seinem wegen<br />
seiner demokratischen Wühlereien hier<br />
weit bekannten Schwie gersohn, Kaufmann<br />
Schütte hierselbst“.<br />
Weiterhin sei er „durchaus unqualifiziert<br />
für das Amt eines Lehrers“, und so<br />
seien seine Schüler „in den nothwendigs -<br />
ten Unterrichtsgegenständen ungeheuer<br />
zurück“, da der Lehrer seine Auf ga ben<br />
„bei seinem beschränkten Ver stan de“<br />
nicht erfüllen könne.<br />
In seinem Antwortschreiben vom<br />
31. 5. 1850 wehrte sich der angegriffene<br />
Lehrer gegen seine beiden Wider -<br />
sacher, „die ihre Zwecke auf dem faulen<br />
Moor grunde grober Unwahrheiten und<br />
entstellter Thatsachen“ gegen ihn verfolgten.<br />
Um seinen Argumenten mehr<br />
Durchschlagskraft zu verleihen, legte er<br />
seinem Schreiben ein Gutachten des früheren<br />
Sunderner Pfarrers Flüter vom 20.<br />
4. 1850 bei, der Hümmeler tadellose Arbeit<br />
als Küster und Organist bestätigte.<br />
Außerdem fügte der Lehrer eine Liste<br />
mit 138 Unterschriften Sunderner Bür -<br />
ger hinzu, die ihre Zufriedenheit mit<br />
Hümmelers Arbeit als Küster, Organist<br />
und Lehrer zum Ausdruck brachten. Im<br />
April des gleichen Jahres hatte bereits<br />
der Allendorfer Amtmann Riedel die<br />
Meinung vertreten, Hümmeler habe<br />
„schon 28 Jahre als Lehrer fungiert und<br />
zur ziemlichen Zufriedenheit der Schule<br />
vorgestanden“, so dass der Antrag Kleffs<br />
auf Dienstentlassung des Lehrers nicht<br />
gerechtfertigt sei. 14<br />
Somit standen im Sommer 1850 die<br />
Chancen des altgedienten Schulmeisters<br />
Erste Seite der Unterschriftenliste für Lehrer Hümmeler<br />
nicht schlecht, zumindest sein Amt als<br />
Lehrer behalten zu können, aber Pfarrer<br />
Kleff gab sich natürlich nicht widerstandslos<br />
geschlagen.<br />
Gegenüber dem Allendorfer Amtmann<br />
klagte er, Hümmeler habe entgegen<br />
geltendem Recht ohne Erlaubnis<br />
kirchlicher oder kommunaler Gremien<br />
einen völlig ungeeigneten Ersatzlehrer<br />
eingestellt, als er längere Zeit erkrankt<br />
gewesen sei. Außerdem habe er an der<br />
Rochus kapelle eigenmächtig einen Opfer<br />
kasten anbringen lassen und die dort<br />
gestifteten Gelder ohne Zustim mung des<br />
Pfarrers ausgegeben. Später präzisierte<br />
er diesen Vorwurf dahingehend, dass „in<br />
den politisch aufgeregten Jahren“ der<br />
Revolutionzeit der demokratischer Umtriebe<br />
verdächtigte „Eleve an der Malerakademie<br />
Düssel dorf, namens Joseph<br />
Bergen thal, bei seinem Vor munde, dem<br />
Wirte und Kauf mann Schütte, Schwie-<br />
gersohn des Lehrers<br />
Hüm me ler,<br />
sein Domicil“ aufgeschlagen<br />
und in<br />
der Rochus kapelle<br />
gearbeitet habe. 15<br />
Aus Hümmelers<br />
Sicht stellte sich die<br />
Sachlage allerdings<br />
völlig anders dar.<br />
Ausgangspunkt<br />
seiner Argumentation<br />
ist die Tatsache,<br />
dass die Kapelle<br />
auf eine private<br />
Stif tung zurückging<br />
und folglich<br />
nicht als Eigentum<br />
der Kirchengemeinde<br />
betrachtet<br />
werden könne. Da<br />
die Kapelle nach<br />
seinen Worten „in<br />
einem ihrer Würde<br />
nicht entsprechenden<br />
Zustand dastand“,<br />
habe er einen<br />
Opferkasten<br />
anbringen lassen<br />
und die „milden<br />
Gaben“ zur „Beschaffung<br />
der nöthigen<br />
Materi alien<br />
zum Anstreichen<br />
und Vergolden“<br />
verwendet sowie den „Rest aus (seiner<br />
eigenen) Tasche zugeschossen“. Er habe<br />
außerdem den aus Sundern stammenden<br />
„Joseph Bergenthal, Maler der Academie<br />
zu Düsseldorf, der zur Zeit in<br />
(s)einem Hause wohnte, veranlasst, die<br />
Altarbildung“ zu malen. 16<br />
Auch in Paderborn ging der Streit zwischen<br />
Pfarrer und Lehrer weiter. Im Namen<br />
des Kirchenvorstandes versuchte<br />
Kleff am 26. 9. 1850 Hümmelers Argu -<br />
ment, dass seine Arbeit bei weiten Teilen<br />
der Bevölkerung akzeptiert würde, zu widerlegen,<br />
indem er Namen von Bürgern<br />
auflistete, die Hümmelers klägliche<br />
Amtsführung bestätigen könnten, darunter<br />
die Lehrerin Caroline Nottebohm<br />
und den Gemeindevorsteher Falke. Er<br />
wies ausdrücklich darauf hin, dass der<br />
Ortsvorsteher definitiv gegen ein Wei -<br />
terverbleiben Hümmelers im Amte sei,<br />
während – im Gegensatz zur Behaup -
74 SAUERLAND NR. 2/<strong>2008</strong><br />
tung des Lehrers – nur der stellvertretende<br />
Gemeindevorsteher für diesen sei.<br />
Damit wäre ein weiterer Problembereich<br />
für Hümmeler angesprochen. Ganz offensichtlich<br />
hatte er sich auch den langjährigen<br />
Schultheißen und Gemein -<br />
devorsteher Caspar Falke zum Gegner<br />
gemacht, als dieser beanspruchte, durch<br />
den Kauf des alten Rathauses der Frei -<br />
heit Sundern auch an der Nutzung der<br />
Gemeindewaldungen berechtigt zu sein.<br />
Diesem Anspruch war Hümmeler als<br />
langjähriges Gemeindevorstandsmitglied<br />
energisch entgegengetreten und hatte<br />
sich dadurch den Unwillen des Gemein -<br />
devorstehers zugezogen. Somit waren in<br />
dieser Angelegenheit Kirchen-, Schulund<br />
Gemeindevorstand gespalten, und<br />
in Anbetracht der von beiden Seiten ins<br />
Feld geführten Namenslisten ist es nicht<br />
übertrieben zu behaupten, dass der Riss<br />
durch das ganze Dorf ging.<br />
Gegen Ende seines 27 Seiten umfassenden<br />
Schreibens vom 26. 9. 1850<br />
führte Pfarrer Kleff dem Generalvikariat<br />
in Paderborn gegenüber einen weiteren<br />
Aspekt der Tätigkeit Hümmelers vor Augen,<br />
der jetzt immer mehr ins Zen trum<br />
der Auseinandersetzung rückte. Er informierte<br />
Paderborn, „dass, sicherer Nachricht<br />
zufolge, gegen den Hümmeler von<br />
der Königlichen Regierung wegen seines<br />
politischen Verhaltens, rechtlich eingeschritten<br />
und dass seine baldige Entlassung<br />
zu erwarten sein soll“. Diesen As-<br />
pekt hatte bereits der von Pfarrer Kleff<br />
genau informierte Arnsberger Landrat<br />
von Lilien in einem Schreiben vom 5. 9.<br />
1850 an die preußische „Königliche Regierung,<br />
Abtheilung des Inneren“ ausführlich<br />
behandelt. 17 Darin berichtet der<br />
Verwaltungsbeamte über den Sunderner<br />
Lehrer: „Der Hümmeler unterzog sich<br />
im Monate November 1848 der Samm -<br />
lung von Unterschriften für die ihm von<br />
hiesigen Demokraten zugesandte Zu -<br />
stim mungsadresse an diejenigen Mitglie -<br />
der der preußischen National-Versamm -<br />
lung, welche am 15. November 1848<br />
die Steuerverweigerung beschlossen und<br />
zur Ausführung zu bringen versucht haben.“<br />
Weiterhin habe er, als auf dem Höhepunkt<br />
der Revolution „im Mai 1848<br />
der Michael Blome gnt. Fricke zu Sundern<br />
behauptete, dass dem Lande eine<br />
wahre Wohltat geschehen sei, wenn der<br />
König erschossen worden sei“, gegen<br />
den Protest des Gemeindevertreters<br />
„Heinrich Scheffer gnt. Hoppenhöfers“<br />
der Aussage Blomes zugestimmt. Auch<br />
habe „Hümmeler die bekannten wühlerischen<br />
Paderborner Blätter, die West -<br />
phälische Zeitung und den Paderborner<br />
Volksboten, gehalten“, was namhafte<br />
Sunderner Bürger bezeugen könnten.<br />
Außerdem stünde „der Hümmeler im<br />
Verdachte, bei Gelegenheit des Iserloh -<br />
ner Aufstandes im Mai (1849) mit den<br />
Anführern der Aufständischen korrespondiert<br />
zu haben“ sowie aus Allendorf<br />
verdächtige Schreiben von Revolutions -<br />
sympathisanten bekommen zu haben.<br />
Der gleiche Vorwurf werde Hümmelers<br />
Schwiegersohn, dem Kaufmann und<br />
Wirt Schütte, gemacht. Zudem habe der<br />
Lehrer „in der politisch bewegten Zeit<br />
des Jahres 1848 in der Schule beim Unterrichten<br />
der Kinder geraucht und Zeitungen<br />
gelesen und den Kindern daraus<br />
politische Vorträge gehalten“. Diese Dinge<br />
seien „in Sundern allbekannt“ und<br />
könnten von der Lehrerin Nottebohm<br />
sowie einer Reihe von Schülern bezeugt<br />
werden. Zum Abschluss kam der Landrat<br />
noch auf die bereits erwähnten Strei -<br />
tigkeiten um die Renovierung der Rochus<br />
kapelle sowie eine private Ver -<br />
leumdungsklage Kleffs gegen Hüm meler<br />
vor dem Amtsgericht in Arnsberg zu<br />
sprechen.<br />
Daraufhin bat das Generalvikariat am<br />
16. 10. 1850 den Oberstaatsanwalt in<br />
Arnsberg um Auskunft, da Hümmeler<br />
„der Majestätsbeleidigung und der Con -<br />
spiration mit den Iserlohner Aufrüh rern<br />
beschuldigt“ würde. Einen Monat später<br />
bestätigte die Staatsanwaltschaft gegenüber<br />
dem Generalvikariat diesen Sach -<br />
verhalt 18 und teilte außerdem mit, dass<br />
Hümmeler wegen Beleidigung Kleffs zu<br />
einer Geldstrafe verurteilt worden sei.<br />
Als der Lehrer in die Berufung ging,<br />
bestätigte auch die zweite Instanz dieses<br />
Urteil, wie der Arnsberger Vertreter der<br />
Staatsanwaltschaft am 3. Februar 1851<br />
dem Amtmann in Allendorf mitteilte. 19<br />
Als das bischöfliche Generalvikariat mit<br />
Verfügung vom 26. März 1851 Hüm -<br />
meler als Organist und Küster entließ<br />
und diese Entscheidung am 20. Mai dem<br />
preußischen Innenministerium mitteilte,<br />
war offensichtlich auch dessen Position<br />
als Lehrer nicht mehr haltbar. Am 2. Juni<br />
1851 teilte die zuständige Abteilung<br />
des Inneren dem Landrat mit, dass dem<br />
Lehrer „auch die von uns bisher nur<br />
nach sichtlich gestattete bisherige Ver -<br />
waltung der Elementarlehrer-Stelle zu<br />
Sundern, wie hiermit geschieht, zu entziehen“<br />
sei. 20 Man nannte also keinen<br />
inhaltlichen Entlassungsgrund, sondern<br />
berief sich lediglich auf das formalrechtliche<br />
Argument, Hümmeler sei 1822 nur<br />
kommissarisch eingestellt worden, habe<br />
also fast 30 Jahre lang gar keine feste<br />
Anstellung gehabt und könne deshalb<br />
auch jederzeit wieder entlassen werden!<br />
21<br />
Ganz offensichtlich waren es die<br />
grundsätzlichen politischen Bedenken<br />
gegen die liberalen Überzeugungen und<br />
revolutionären Tätigkeiten Lehrer Hüm -<br />
melers und nicht die privaten Querelen<br />
mit Pfarrer und Bürgermeister, die die<br />
konservative preußische Bürokratie, für<br />
die in der Zeit der Reaktion „die Volks -<br />
schulpolitik ein Zentralstück im Kampf<br />
gegen die Revolution“ 22 war, dazu bewogen,<br />
den langjährigen Lehrer nicht weiter<br />
zu beschäftigen. So hatte schon im<br />
Jahre 1849 König Wilhelm IV. in einer<br />
berühmt-berüchtigten Rede gegen die in<br />
seinen Augen falsche Ausbildung der<br />
Elementarschullehrer durch die Semi nar -<br />
leiter vom Leder gezogen. „All das<br />
Elend, das im verflossenen Jahre über<br />
Preußen hereingebrochen, ist Ihre, einzig<br />
Ihre Schuld, die Schuld der After -<br />
bildung, der irreligiösen Menschen weis -<br />
heit, die Sie als echte Weisheit verbrei
SAUERLAND NR. 2/<strong>2008</strong> 75<br />
drücklich zu betonen, dass „Bürmann in<br />
politischer Beziehung auf sehr gutem<br />
Boden“ stehe. 26 Ebenso musste die Lehrerin<br />
Caroline Nottebohm bei ihrer „definitiven<br />
Anstellung“ im März 1851 unterschreiben,<br />
die Kinder nicht nur angemessen<br />
zu unterrichten, sondern auch<br />
„zu verständigen und gottesfürchtigen<br />
Menschen und zu getreuen und nützlichen<br />
Unterthanen zu bilden“. 27<br />
ten, mit der Sie den Glauben und die<br />
Treue in dem Gemüthe meiner Unter -<br />
thanen ausgerottet und deren Herzen<br />
von mir abgewandt haben.“ Er werde<br />
„solches Unwesen zu steuern wissen“,<br />
damit die angehenden Lehrer „den unheilvollen<br />
Einflüssen eines verpesteten<br />
Zeitgeistes entzogen“ würden. 23 Was<br />
Seine Majestät damit meinte, wurde sofort<br />
für jedermann klar: „Gerichts ver -<br />
fahren, Disziplinarstrafen, Entlassun gen<br />
– das war die Quittung, welche die siegreiche<br />
Gegenrevolution unverzüglich<br />
präsentierte. 1850 wurden die Lehrer<br />
vor den Landtagswahlen auf die „Pflicht<br />
der Treue“ gegenüber den regierungsnahen<br />
Kandidaten eingeschworen; jede<br />
Verletzung der „Dienstpflicht“ sei sofort<br />
„mit der Entfernung aus dem Amte“ zu<br />
ahnden. 24 Dabei spielten auch die Pfar -<br />
rer, die auf dem Lande traditionell als<br />
Schulinspektoren arbeiteten, eine ent -<br />
schei dende Rolle: „Die geistliche Schulaufsicht<br />
war 1848 nicht demontiert, sondern<br />
die Schulinspektoren waren sogar<br />
aufgefordert worden, gerade über das<br />
Verhalten ihrer Schutz be fohlenen während<br />
der Revolutionsereig nisse rückhaltlos<br />
zu berichten und mögliche Verfehlungen<br />
zur Anzeige zu bringen.“ 25<br />
Lehrer Anton Hümmeler tauchte<br />
nach seiner fristlosen Entlassung, die<br />
auch noch ohne Bewilligung einer Pen -<br />
sion durchgedrückt worden war, in den<br />
Akten im Stadt- bzw. Pfarrarchiv kaum<br />
noch auf. Da er keinerlei Altersbezüge<br />
bekam, musste er sich und seine Familie<br />
anderweitig ernähren. So wurde er im<br />
Jahre 1867 im Verzeichnis der Wähler<br />
für die Wahlen zum Abgeordnetenhaus<br />
des Norddeutschen Bundes als Bäcker<br />
in der dritten und damit untersten Wählergruppe<br />
aufgeführt.<br />
So konnte auch in Sundern Pfarrer<br />
Kleff, nachdem er maßgeblich an der<br />
Entlassung des bei ihm in Misskredit geratenen<br />
Schulmeisters mitgewirkt hatte,<br />
den Schulamtskandidaten Carl Bürmann<br />
als kommissarischen Vertreter Hümme -<br />
lers vorschlagen und durchsetzen, nicht<br />
ohne gegenüber den Behörden aus-<br />
28 Er hatte sich<br />
durch seine vielfältigen politischen, schulischen,<br />
kirchlichen und kommunalen<br />
Tätigkeiten offensichtlich zwischen alle<br />
Stühle gesetzt. Trotz seiner Ver dienste<br />
als Lehrer, Küster, Organist, Gemeindeverordneter<br />
und Schulvor standsmitglied<br />
war er der mächtigen Koalition seiner<br />
Gegner in der Reak tionszeit nicht gewachsen.<br />
Anders als seine „Achtundvierziger“<br />
Mitstreiter – der Student Theodor<br />
Canisius aus Allendorf oder der Kunstmaler<br />
Josef Bergenthal aus Sundern29 –<br />
war er auch nicht in der Lage oder Willens,<br />
nach Amerika auszuwandern und<br />
dort seinen Traum von politischer Freiheit<br />
zu verwirklichen. Er starb im Jahre<br />
1882 in Sundern im Alter von 84 Jahren.schen<br />
Bewegungen des Vormärz, das<br />
Besitz- und Bildungsbürgertum, war in<br />
Sundern nur in Spurenelementen vorhanden.<br />
Anders als in Nachbarstädten<br />
wie Arnsberg, Neheim oder Meschede<br />
gab es keine Akademiker, Ärzte, Apo -<br />
the ker, Juristen oder Journalisten, die<br />
durch ihre Studentenzeiten mit aufklärerischem<br />
Gedankengut, mit liberalen Ver -<br />
fassungsforderungen und nationalistischem<br />
Gedankengut in Kontakt gekommen<br />
waren und während der Revo -<br />
lutionszeit – zumindest zeitweilig – für eine<br />
Beschränkung des monarchischen<br />
Absolutismus und die Errichtung eines<br />
Nationalstaates eintraten.<br />
Einleitend haben wir auf einige Faktoren<br />
hingewiesen, die dem Aus bruch sozialer<br />
und politischer Unruhen in Sundern<br />
gegen Ende der 1840er Jahre förderlich<br />
waren. Versuchen wir abschließend<br />
eine knappe Würdigung der Gründe,<br />
die für das Scheitern aller liberalen<br />
Bemühungen in Sundern und Umgebung<br />
während und nach der Revolutionszeit<br />
verantwortlich gemacht werden können.<br />
Zunächst einmal fehlten fast alle sozialen<br />
Voraussetzungen für eine erfolgreiche<br />
liberale oder gar demokratische politische<br />
Betätigung. Die gesellschaftliche<br />
Trägerschicht der meisten emanzipatori-<br />
30 Es ist bezeichnend,<br />
dass die Handvoll Männer,<br />
die sich in jener Zeit im Raum Sundern<br />
als Anhänger einer liberalen Bewegung<br />
auch öffentlich positionierte, allesamt<br />
der dünnen Schicht der „dörflichen In -<br />
telligenz“ entstammte: Lehrer Canisius<br />
und sein studierender Sohn aus Allen -<br />
dorf sowie Lehrer Hümmeler und der<br />
Kunststudent Bergenthal aus Sundern.<br />
Ebenso wichtig war, dass die amorphe<br />
Gruppe der Tagelöhner und Beisassen,<br />
Handwerker und Hammerschmiede,<br />
Köhler und Knechte selbst Jahrzehnte<br />
später noch keine Ansätze zur For -<br />
mierung einer tendenziell homogenen<br />
Arbeiterklasse zeigte. 31 Lehrer Anton Hümmeler Lehrer Carl Bürmann<br />
Zwar gab es Abhängigkeit<br />
und Entbehrung, Hunger und<br />
soziale Unzufriedenheit, aber die ländliche<br />
Gesellschaft bot, besser als die entstehenden<br />
Industriemetropolen, den unteren<br />
Gesellschaftsgruppen Möglich kei -<br />
ten einer wenn auch ärmlichen Existenz-
76 SAUERLAND NR. 2/<strong>2008</strong><br />
sicherung. Häufig bearbeiteten Tagelöhner,<br />
Handwerker und Beisassen noch einen<br />
eigenen Garten oder einen kleinen<br />
Acker, außerdem hielten viele von ihnen<br />
Geflügel, Ziegen, Schafe und Schweine.<br />
Letztlich boten in Zeiten wirtschaftlicher<br />
Krisen Hilfsarbeiten in den Steinbrüchen<br />
in der Nähe Sunderns, in Feld und Wald<br />
Möglichkeiten einer wenn auch prekären<br />
Existenzsicherung für diese sozialen<br />
Gruppen, was sie von einer gewalttätigen<br />
sozialen Eruption zurückschrecken<br />
ließ.<br />
Ebenso wichtig wie diese sozialen<br />
Strukturen waren die teilweise an sie geknüpften<br />
und durch sie bedingten Men -<br />
talitäten. Hier paarten sich der traditionelle<br />
Konservatismus der ländlichen Bevölkerung<br />
mit einem katholisch geprägten<br />
Weltbild, das sich durch die Jahrhunderte<br />
alte kurkölnische Herr schaft herausgebildet<br />
und tief eingeschliffen hatte.<br />
In beiden Sichtweisen herrschte für Liberalismus<br />
und Parla mentarismus, Demokratie<br />
und Parteien herrschaft wenig<br />
Sympathie. So kann es, wie wir am Beispiel<br />
der Behandlung Lehrer Hümmelers<br />
durch Pfarrer Kleff und Bürgermeister<br />
Falke gesehen haben, nicht überraschen,<br />
dass Gemein devorstand und Pastor als<br />
gleichsam unterste Ebene des antirevolutionären<br />
Bündnisses von „Thron und Altar“<br />
gemeinsam Front machten gegen<br />
das, was sie als Kräfte des Umsturzes ansahen.<br />
Allerdings hatten sich in der Zeit vor<br />
der Reichsgründung 1871 angesichts<br />
noch nicht bestehender Parteien im <strong>Sauerland</strong><br />
die politischen Lager noch nicht<br />
fest herauskristallisiert, und der politische<br />
Einfluss der katholischen Geist lich keit<br />
war noch relativ begrenzt. 32 So wurde in<br />
Sundern bei der Reichs tags wahl zum<br />
Norddeutschen Bund im Februar1868<br />
der liberaldemokratische Kandidat Elven<br />
mit großer Mehrheit vor den konservativen<br />
bzw. katholischen Kandidaten gewählt.<br />
33 Dieser Trend zeigte sich auch<br />
noch bei den Wahlen zum ersten Deutschen<br />
Reichstag nach der Reichsgründung.<br />
Hier machte Pfar rer Kleff den liberalen<br />
Kaufmann Theodor Schütte, den<br />
Schwiegersohn Lehrer Hümmelers, für<br />
das schlechte Abschneiden des katholischen<br />
Kandi daten Peter Reichensperger<br />
in Sundern verantwortlich: Schütte habe<br />
bei seinem Eintreten für den liberal-kon-<br />
servativen Kandidaten „den Leuten vorgeschwindelt“,<br />
„dass wir durch Sundern<br />
eine Eisen bahn bekämen“ und dass der<br />
katholische Klerus Deutschland zum<br />
Krieg gegen Italien treiben wolle, weil<br />
dort das Papsttum vom Staat bedroht<br />
sei. 34 Hier klangen bereits Töne an, die<br />
wenige Jahre später im Kulturkampf die<br />
Ge müter auch und gerade im katholischen<br />
<strong>Sauerland</strong> erhitzen sollten. Nicht<br />
die Revolutionszeit hat die entscheidenden<br />
politischen und mentalen Weichen<br />
für die Zukunft in Sundern gestellt, sondern<br />
die unmittelbare Zeit nach der<br />
Reichs gründung.<br />
Diesem katholisch untermauerten<br />
Antiliberalismus haben auch Industria -<br />
lisierung, Säkularisierung und demographischer<br />
Wandel in der zweiten Hälfte<br />
des 19. Jahrhunderts wenig anhaben<br />
können, und erst recht haben Sozial -<br />
demokratie und eine ihr nahe stehende<br />
Gewerkschaftsbewegung in Sundern<br />
und Umgebung bis heute nicht recht Fuß<br />
fassen können.<br />
Letztendlich ist es das Fortwirken dieser<br />
in einem zutiefst katholischen Milieu<br />
wurzelnden konservativen Mentalität,<br />
das über das Bismarckreich und die Weimarer<br />
Republik, den National sozia lismus<br />
und den Zweiten Weltkrieg hinaus bis in<br />
die heutige Zeit hinein zu den erstaunlichen<br />
Kontinuitäten im Raum Sundern<br />
gehört.<br />
1) Als Überblick zu den im Folgenden angedeuteten<br />
Zusammenhängen von sozialen Krisen der<br />
1840er Jahre und dem Ausbruch der Revolution<br />
vgl. Wolfram Siemann, Die deutsche Revolution<br />
von 1848/49, Frankfurt a. M. 1985; Hans-Ulrich<br />
Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. 2,<br />
München 1987, S. 641-779; Wilfried Reining -<br />
haus, Sozial- und wirtschaftsgeschichtliche Aspek -<br />
te des Vormärz in Westfalen und Lippe, in: ders.,<br />
Horst Conrad, Hg., Für Freiheit und Recht. Westfalen<br />
und Lippe in der Revolution 1848/49,<br />
Münster 1999, S. 14-21; Hans-Joachim Behr,<br />
Revolution auf dem Lande. Bauern und ländliche<br />
Unterschichten 1848/49, in: Westfälische <strong>Zeitschrift</strong><br />
150, 2000, S. 43-147.<br />
2) Die Angaben zur Bevölkerung stammen aus den<br />
Unterlagen im Pfarrarchiv St. Johannes, Sundern.<br />
3) Vgl. hierzu die Angaben zum Niedergang der Endorfer<br />
Hüttenindustrie bei Maria Rörig, Endorf.<br />
Geschichte einer Landgemeinde im <strong>Sauerland</strong>,<br />
Sundern 1981, S. 140; für Allendorf siehe Bern -<br />
hard Riering, Chronik der Stadt Allendorf, Dortmund<br />
1972, S. 84f.; zu wirtschaftlichen Problemen<br />
des Sunderner Eisenhammers vgl. Hubert<br />
Schmidt, Der Hammer „obig Sondern“ (oberhalb<br />
Sunderns), in: Stadt Sundern, Hg., Chronik des<br />
vorindustriellen Erzbergbaus und der Metallgewinnung<br />
im Raum Sundern, Sundern 1996, S. 156-<br />
198, S. 190f.<br />
4) Vgl. Hubert Schmidt, Bearb., Papiermühlen in<br />
Sundern, (Typoskript) Sundern 1996.<br />
5) Siehe hierzu die Unterlagen im Stadtarchiv Sundern<br />
(=StASu), B 769.<br />
6) Vgl. hierzu Hans-Heinrich Bass, Hungerkrisen in<br />
Preußen während der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts,<br />
St. Katharinen 1991; Clemens Wischermann,<br />
Hungerkrisen im vormärzlichen Westfalen,<br />
in: Kurt Düwell, Wolfgang Köllmann, Hg., Rheinland-Westfalen<br />
im Industriezeitalter, Bd. 1, Wuppertal<br />
1893, S. 126-147; für die hiesige Region:<br />
Günter Schulte, Es ist wohl Hunger unter den<br />
Menschen und dem Vieh vorauszusehen. Witterung,<br />
Ernte, Teuerung und Hunger in den Chroniken<br />
des Odilo Girsch, in: Westfälisches Schieferbergbau-<br />
und Heimatmuseum Schmallen berg-<br />
Holthausen e.V., Hg., Bauern im südwestfälischen<br />
Bergland, Bd. 1, Münster 2006, S. 120-137.<br />
7) Vgl. Protokollbuch der Gemeinde Sundern, StA-<br />
Su, Reihe grün, 4-2, Eintragungen vom 11. Mai<br />
1847; 28. Mai 1847; 6. Juli 1847.<br />
8) Vgl. Erika Richter, „Hier sind beinahe alle Demokraten“.<br />
Streiflichter aus der Revolution von 1848<br />
im oberen <strong>Sauerland</strong>, in: Jahrbuch Hoch -<br />
sauerlandkreis 1998, S. 77-84; Jens Hahnwald,<br />
Tagelöhner, Arbeiter und soziale Bewegungen in<br />
der katholischen Provinz. Das Beispiel des (kölnischen)<br />
<strong>Sauerland</strong>es 1830-1933, Phil. Diss. Bochum<br />
2002, Typoskript, bes. S. 67ff., 71ff.<br />
9) Für Beispiele aus dem <strong>Sauerland</strong> vgl. E. Richter,<br />
(wie Anm. 8), S. 79, allgemein: Hans-Ulrich Wehler,<br />
Deutsche Gesellschaftsgeschichte (wie Anm.<br />
1), S. 706ff.<br />
10) Fickeltünnes e.V. 600 Jahre Stadt Allendorf., Hg.,<br />
Allendorfer Lesebuch, Arnsberg 2007, S. 65-71.<br />
11) StASu, Protokollbuch der Gemeinde Sundern,<br />
Reihe grün, 4-2, Eintragung vom 27. 3. 1848.<br />
12) Vgl. das Material im StASu, B 295, hier die<br />
Schreiben vom 14. u. 19. 5. 1848.<br />
13) Erzbischöfliches Archiv Paderborn (=EAP), Pfarrei<br />
St. Johannes Sundern, Acta Specialia, Nr. 8,<br />
28. 2. 1850; im Folgenden wird bei allen in Paderborn<br />
befindlichen Schriftstücken aus dieser Akte<br />
zitiert.<br />
14) StASu, B 236, 11. 4. 1850.<br />
15) Pfarrarchiv St. Johannes, Sundern (=PASu), IV, 3,<br />
20. 1. 1851.<br />
16) PASu, IV, 3, 21. 8. 1850.<br />
17) EAP, Acta Specialia, Nr. 8, 5. 9. 1850. - Als erster<br />
hat Hubert Schmidt auf diese Zusammenhänge<br />
hingewiesen: Vgl. seine beiden Artikel im Sunderner<br />
Lokalteil der Westfalenpost vom 23. und<br />
29. 12. 1998. - Landrat von Lilien hatte von Pfarrer<br />
Kleff eine Kopie von dessen Beschwerden gegen<br />
Hümmeler erhalten: StASu B 236, 2. 5.<br />
1850 (von Lilien an Riedel); Die Aussage Scheffer-<br />
Hoppenhöfers über das Verhalten Michael Blomes<br />
und Anton Hümmelers findet sich im EAP,<br />
Acta Specialia, Nr. 8, Protokoll vom 2. 10. 1850<br />
– Zu den von von Lilien angesprochenen revolutionären<br />
Ereignissen in Berlin vgl. Rüdiger Hachtmann,<br />
Berlin 1848. Eine Politik- und Gesellschaftsgeschichte<br />
der Revolution, Bonn 1997, S.<br />
746-782, bes. S. 764ff.; zu den Ereignissen in<br />
Iserlohn vgl. Wilfried Reininghaus, Axel Eilts,<br />
Fünfzehn Revolutionsmonate: Die Provinz Westfalen<br />
vom März 1848 bis Mai 1849, in: Wilfried<br />
Reininghaus, Horst Conrad, Hg., Für Freiheit und<br />
Recht. Westfalen und Lippe in der Revolution<br />
1848/49, S. 32-73.<br />
18) EAP, Acta Specialia, Nr. 8, 14. 11. 1850.<br />
19) StASu, B 236, 3. 2. 1851.<br />
20) Ebd., 2. 6. 1851<br />
21) Bezeichnenderweise hatte Pfarrer Kleff schon diese<br />
Begründung in seinem Schreiben vom 28. 2.<br />
1850 auf diese Lösung verwiesen, während sich<br />
Hümmeler immer auf seine endgültige Anstellung
SAUERLAND NR. 2/<strong>2008</strong> 77<br />
25 Jahre Hochsauerlandmarsch<br />
Ein besonderes Jubiläum konnte in diesem Jahr die Re ser -<br />
vistenkame radschaft Hallenberg-Liesen begehen. Ge meinsam<br />
mit dem Landeskommando Nordrhein-West falen mit Sitz in<br />
Düsseldorf war der Hochsauer landmarsch zu planen und<br />
durchzuführen.<br />
Aus kleinen Anfängen beim Beginn 1982, damals noch unter<br />
Führung des Verteidigungsbezirkskommandos 34 in Arnsberg<br />
ist der größte militärische Vielseitigkeitswettbewerb in der<br />
Bundesrepublik Deutschland entstanden.<br />
In diesem Jahr gingen 107 Mannschaften an den Start, Reservistenkameradschaften<br />
aus Deutschland und aktive Bundes -<br />
wehrmannschaften, aber auch 12 Teams aus dem benachbarten<br />
Ausland waren im <strong>Sauerland</strong> zu Gast, rangen um den Wanderpokal<br />
des Minister präsidenten Nordrhein- West falen. Den<br />
weitesten Anmarschweg hatte eine Mann schaft aus Lettland.<br />
Auch ein russisches Beobachterteam hatte sich eingefunden.<br />
Sie ließen sich einfangen von der reizvollen Landschaft in<br />
der Umgebung von Hallenberg, das Wetter ließ in diesem Jahr<br />
keine Wünsche offen, obwohl sonst oft genug Schnee die<br />
Wettkämpfer stark forderte.<br />
Fünfzehn Kilometer Marschstrecke galt es in kürzester Zeit<br />
zu marschieren, 7,5 kg Gepäck ständig dabei, reichliche<br />
Höhenmeter nicht gerechnet.<br />
Physische Grundfertigkeiten, aber auch allgemeine militärische<br />
Fähigkeiten wie Schießen, Sanitätsausbildung und auch<br />
verteidigungs- und sicherheitspolitische Fragen waren unter<br />
Beweis zu stellen. Auch eine Frage mit lokalem Bezug war eingeflochten.<br />
Wussten sie, dass die Bobpilotin Sandra Kiriasis aktive<br />
Angehörige der Bundeswehr ist?<br />
Zur Siegerehrung war man sich schnell einig, wir kommen<br />
im nächsten Jahr wieder.<br />
berief. Vgl. dazu den ausführlichen Schriftverkehr<br />
im PASu, IV, 3.<br />
22) Thomas Nipperdey, Deutsche Geschichte 1800 -<br />
1866, München 1983, S. 467; weiterhin: ders.,<br />
Volksschule und Revolution im Vormärz, in: Kurt<br />
Kluxen, Wolfgang J. Mommsen, Hg., Politische<br />
Ideo logien und nationalstaatliche Ordnung. Festschrift<br />
für Theodor Schieder, München 1968, S.<br />
117-142.<br />
23) Zitiert nach Berthold Michael, Heinz-Hermann<br />
Schepp, Hg., Politik und Schule von der Franzö -<br />
sischen Revolution bis zur Gegenwart, Bd. 1,<br />
Frankfurt a. M. 1973, S. 313f.<br />
24) Hans-Ulrich Wehler, Deutsche Gesellschafts -<br />
geschichte, Bd. 3, München 1995, S. 397.<br />
25) Folkert Meyer, Schule der Untertanen. Lehrer und<br />
Politik in Preußen 1848-1900, Hamburg 1976,<br />
S. 33.<br />
26) StASu, B 223, 27. 8. 1851.<br />
27) PASu VIII,6, 6. 3. 1851.<br />
28) StASu, B 488, 10. 1. 1867.<br />
29) Zu Canisius vgl. Riering (wie Anm. 3), S. 138ff.;<br />
zu seinem Sohn siehe Friedrich Schütte, Theodor<br />
Canisius, Parteifreund von A. Lincoln, in Fickel -<br />
tünnes e.V., Hg. Allendorfer Lesebuch (wie Anm.<br />
10), S. 452f..; zu Bergenthal siehe Michael Senger,<br />
Josef Bergenthal, in: Schmallenberger Sauer-<br />
land. Almanach 2002, hrsg. v. West fä lischen<br />
Schiefer- und Heimatmuseum Schmallen berg-<br />
Holthausen e.V., S. 135-137.<br />
30) Zum auch im <strong>Sauerland</strong> bestehenden Zusammen -<br />
hang von Studenten und Bildungsbürgertum einerseits<br />
sowie Liberalismus und Nationalismus in<br />
Vormärz und Revolution andererseits vgl. die Beispiele<br />
bei Erika Richter, „Hier sind beinahe alle<br />
Demokraten“, (wie Anm. 8), S. 77f, S. 81ff.<br />
31) Vgl. hierzu Jürgen Kocka, Arbeitsverhältnisse und<br />
Arbeiterexistenzen. Grundlagen der Klassen -<br />
bildung im 19. Jahrhundert, Bonn 1990; Gerhard<br />
A. Ritter, Klaus Tenfelde, Arbeiter im Deutschen<br />
Kaiserreich 1871 bis 1914, Bonn 1992, bes.<br />
S. 113-139, 426-466, 783-838.<br />
32) Vgl. hierzu J. Hahnwald, Tagelöhner, (wie Anm.<br />
8), S. 78-85.<br />
33) StASu, B 488, 12. 2. 1867.<br />
34) Chronik der Pfarre Sundern, aufgestellt am 1. Mai<br />
1851 vom dortigen Pfarrer Joseph Kleff aus Brilon,<br />
§ 81, im PASu (ohne Aktenzeichen) - Sicherlich<br />
ist es kein Zufall, dass es sich bei dem liberalen<br />
„Rädelsführer“ um den gleichen Theodor<br />
Schütte, einen Schwiegersohn Lehrer Hümme -<br />
lers, handelte, der Pfarrer Kleff schon 1848/49<br />
politisch verdächtig vorgekommen war.<br />
Mannschaft beim Hindernislauf,<br />
Anstrengungsbereitschaft ist gefragt<br />
von Friedhelm Walter<br />
Pokalübergabe, im Bild Hubert Kleff (MdL), Eckhard Scholz,<br />
stv. Landrat und Mannschaftsführer RK Westmünsterland,<br />
Oberstleutnant d. R. Klaus Peters<br />
Bilderauswahl: LKdo NW<br />
Neue Mitglieder bzw.<br />
Abonnenten<br />
Drüggelter Kapelle: Forscher- &<br />
Förderkreis Möhnesee e. V.<br />
Peter Sukkau, Soest<br />
Gernot Blache, Arnsberg<br />
Christel Sobkowiak, Warstein<br />
Walter Mönig, Sankt Augustin<br />
Svenja Gierse, Bamberg<br />
Gerd Korbella, Sundern<br />
Paul Patt, Kirchhundem<br />
Josef Prass, Mönchengladbach<br />
Georg Schulte, Balve<br />
Hannelore Schmitz, Schmallenberg<br />
Ursula Hansknecht, Kirchhundem<br />
Peter Kretschmer, Warstein<br />
Karl-Friedrich Hillesheim, Münster<br />
Friedrich Nagel, Meschede<br />
Kai Oliver Nickel, Erwitte<br />
Bernd Dreisbusch, Unna<br />
Eberhard Borghoff, Meschede<br />
Martina Werth-Mühl, Koblenz
78 SAUERLAND NR. 2/<strong>2008</strong><br />
Morgenland im <strong>Sauerland</strong><br />
Vor knapp sieben Jahren<br />
wurde in Meschede der Türkisch-Islamische<br />
Ver ein gegründet.<br />
Seinen „langen und<br />
schmalen Weg" – so der Verein<br />
selbst – krönte nun am 10. Mai<br />
<strong>2008</strong> die offizielle Eröffnungsfeier<br />
der Moschee bei strahlend<br />
sommerlichem Wetter. Eine<br />
Bühne war neben der Moschee<br />
aufgebaut, so dass die zahlreichen<br />
Be sucher draußen, von<br />
Son nen schir men geschützt, die<br />
Ver an staltung auf angenehme<br />
Art verfolgen konnten. Durch<br />
das Programm führte Dr. Ahmet<br />
Arslan, der Dialog-Beauf -<br />
tragte. Eine farbenfrohe Einstimmung<br />
gab eine türkische<br />
Mäd chengruppe mit reizvollen<br />
Tänzen. Eine Ko ran rezitation,<br />
übersetzt von einer türkischen<br />
Schülerin, betonte den religiösen<br />
Cha rak ter der Feier, während<br />
das Singen der türkischen<br />
und deutschen National hymne auf den<br />
politischen Bezug verwies. Das Ziel, mit<br />
der Mo schee nicht nur einen Gebetsort<br />
zu schaffen, sondern eine „Friedensbrücke“<br />
zu errichten, die durch ihre Angebote<br />
die Christen und Muslime in einer interkulturellen<br />
Begegnung intensiv zusammenführen<br />
sollte, damit sie sich gegenseitig<br />
besser kennenlernten und Vorurteile<br />
ausräumten, kam in den anschließenden<br />
Gruß worten immer wieder zum Aus -<br />
druck. Zunächst begrüßte der Vor -<br />
sitzende des islamisch-türkischen Vereins<br />
Hüseyin Yavuz die Anwesenden.<br />
Hohe Gä ste waren<br />
zur Würdigung des Tages<br />
aus Essen angereist.<br />
Es sprachen der türkische<br />
Gene ralkonsul Hakan Akbulut,<br />
aber auch der Bot -<br />
schafts rat und der Religions-Attaché<br />
vom türkischen<br />
Gene ralkonsulat<br />
betonten, dass hier eine<br />
Chance für ein tieferes<br />
Verstehen und gegenseitiger<br />
Bildung von vorher<br />
Frem den geschaffen sei.<br />
Auch die Vertreter des<br />
Hochsauerlandkreises<br />
und der Stadt Meschede,<br />
stellv. Landrat Heine -<br />
mann und stellv. Bürger-<br />
meister Wrede sowie der Landtagsabgeordnete<br />
Dr. Rudolph richteten herzliche<br />
Gruß worte aus, in denen ein aufgeschlossenes,<br />
der Integra tion dienendes Mitein -<br />
ander von Mus limen und Christen, speziell<br />
von Türken und <strong>Sauerländer</strong>n, beschworen<br />
wurde. Im gleichen Sinne äußerten<br />
sich auch evangelische, katholische<br />
und muslimische Geistliche. Kinder,<br />
die mit ihren hellen Stimmen Sprüche<br />
aus der Bibel und dem Koran vortrugen<br />
und übersetzten, lockerten die Beiträge<br />
der Er wachsenen erfrischend auf.<br />
Eines der Ornamente aus dem Moschee-Innenraum<br />
von Dr. Erika Richter<br />
Fotos: Ahmet Arslan<br />
Nachdem durch das symbolische Zerschneiden<br />
eines Bandes die Moschee eröffnet<br />
war, konnten alle Besucher die<br />
prachtvolle Innenarchitektur des Ge -<br />
bäudes bewundern, dessen Besonder -<br />
heiten Dr. Arslan in seiner Führung erläuterte.<br />
Anschließend wurden alle Gäste<br />
durch ein türkisches Mittagessen kulinarisch<br />
verwöhnt. Der Abend des Feier -<br />
tages endete mit einem ungewöhnlichen<br />
Angebot. Ein Männer-Ensemble aus<br />
Köln brachte mystische Musik: religiöse<br />
Gesänge zu instrumentaler Begleitung.<br />
Die fremdartigen Rhythmen<br />
und Klänge, unterbrochen<br />
von Tänzen einer Gruppe in<br />
fantasievollen Kostü men,<br />
zauberten zwar morgenländische<br />
Atmosphäre in die<br />
Mescheder Welt, waren aber<br />
auch eine mahnende Erinnerung<br />
an die deutschen Zuhörer,<br />
die fremde Kultur mit der<br />
eigenen in Toleranz, Offenheit<br />
und mit Verständnis -<br />
bereitschaft zu verbinden. Es<br />
geht nicht darum, mit der<br />
Moschee das „Morgenland“<br />
als eine Art orientalischer Insel<br />
zu kultivieren, sondern<br />
den Muslimen ein Stück Heimat<br />
im Sauer land zu gewähren.
SAUERLAND NR. 2/<strong>2008</strong> 79<br />
Eversberger Schwesternstation<br />
Erste-Hilfe-Station in unserer Bergstadt Eversberg von 1939 bis 1983<br />
Zwei Garanten für die „Erste<br />
Hilfe“ in diesen Jahren waren<br />
die Caritas schwestern, die<br />
dem Orden „Zum Zeugnis der<br />
Liebe Christi“ in Hattingen-<br />
Bredenscheid angehörten,<br />
und Dr. Josef Mahal aus<br />
Wehrstapel.<br />
Unsere Schwesternstation<br />
war von 1939 bis 1983 in<br />
dem lang gestreckten, doppelgeschossigen<br />
Fachwerk trau -<br />
fenbau in der Mittelstraße 1<br />
untergebracht. Das mit Natur -<br />
schiefer gedeckte Satteldach<br />
mit seinen abgewalmten<br />
Dach häuschen sowie die<br />
durchfensterte Fassadenfront<br />
sind die Zeichen eines typischen<br />
Fachwerkhauses aus<br />
der Mitte des 19ten Jahrhunderts.<br />
Erste Erwäh nungen sprechen jedoch<br />
schon von 1480. Die Stadt erwarb<br />
dieses Gebäude 1912 für die städtischen<br />
Angestellten, Lehrer, Vikar usw. 1939<br />
zogen dann hier die Caritasschwestern<br />
aus Hattingen-Bredenscheid ein. Sie waren<br />
für uns Eversberger die erste Anlaufstelle<br />
in allen Notlagen. Auch Dr. Josef<br />
Mahal aus Wehrstapel hielt hier seine<br />
Sprech stunde ab. Deshalb gab der<br />
Volksmund diesem Haus den Namen<br />
„Schwes ternhaus“.<br />
Der Orden „Schwestern zum Zeugnis<br />
der Liebe Christi“ wurde von Theresia<br />
Albers, die am 5. August 1872 in Dornheim<br />
bei Kirchrarbach (Stadt Schmallenberg)<br />
geboren wurde, gegründet. Sie<br />
nannte ihn damals „Schwestern vom<br />
göttlichen Kinderfreund“, was wohl auf<br />
ihre Arbeit als Lehrerin mit Hilfsschülerinnen<br />
zurück zu führen ist. Erst 1962<br />
wurde die Schwestern gemeinschaft mit<br />
der Zustimmung des Bischofs von Essen,<br />
Franz Kardinal Hengsbach, der aus unserer<br />
Nach bargemeinde Velmede stammte,<br />
eine Kongregation bischöflichen<br />
Rechts und nahm den Namen „Schwes -<br />
tern zum Zeugnis der Liebe Christi“ an.<br />
In der Industriestadt Dortmund erkannte<br />
die Lehrerin Theresia Albers die<br />
Perspektivlosigkeit ihrer hilfebedürftigen<br />
Schülerinnen und fühlte sich angesprochen,<br />
ihnen eine Ausbildung zu ermöglichen.<br />
So kaufte sie 1920 einen abgebrannten<br />
Bauernhof in Bredenscheid<br />
und begann mit dem Aufbau einer Aus-<br />
Schwesternstation von 1939 bis 1983<br />
bildungsstätte. Am 14. September 1924<br />
weihte man das von ihr erbaute „Antoniusheim“<br />
ein, in dem dann die<br />
ers ten jungen Mädchen eine Unterkunft<br />
fanden. 1930 waren es dann schon vierzig<br />
Mädchen, die bei Theresia Albers eine<br />
neue Heimat fanden. Theresia Albers<br />
baute aber nicht nur das Mutterhaus in<br />
Bredenscheid weiter aus, nein sie begann<br />
auch Niederlassungen im ganzen<br />
Lande zu gründen. So wurde auch die<br />
Verbindung mit unserer Heimatstadt<br />
Eversberg aufgenommen. Unsere Kirchengemeinde<br />
„St. Johannes Evan -<br />
gelist“, die seinerzeit für das „Sozial -<br />
wesen“ in der Gemeinde verantwortlich<br />
war, schloss am 15. Nov. 1939 / 21. Januar<br />
1940 einen Vertrag mit den Schwestern<br />
in Bredenscheid. Sie sollten, so der<br />
Vertrag:<br />
„Sorge tragen für die lösenden Cari -<br />
tas aufgaben in der Gemeinde. Eine<br />
Schwester wurde für Kirchenwäsche und<br />
Kirchendienste, besonders die Rei ni -<br />
gung, verpflichtet. Die andere Schwester<br />
besorgt die Krankenpflege in der Gemeinde.“<br />
Im ersten Jahr ihrer Arbeit in Eversberg<br />
leisteten die Schwestern 1558<br />
Krankenbesuche, 1139 Hilfelei s tungen,<br />
428 Verbände, 175 Bera ungen, 99 Tagespflegen,<br />
66 Nachtwa chen und 11<br />
Krankenbegleitungen.<br />
Aus dem Jahr 1949 besagt eine Liste,<br />
die Schwester Maria Walburgis geschrie-<br />
von Hermann Kesting †<br />
ben hat, dass 3445-mal Pflege<br />
an Kranken vorgenommen<br />
wurde.<br />
In den Fünfziger Jahren<br />
begannen die Schwestern damit,<br />
eine Nähschule anzubieten,<br />
die von zahlreichen jungen<br />
Mädchen aus unserer<br />
Heimat angenommen wurde.<br />
Nachstehendes Bild zeigt<br />
die Mit glieder der Nähschule<br />
von 1957 mit Schwester Alwina<br />
unten links und Schwes -<br />
ter Irmina oben links.<br />
Dass die Schwesternge -<br />
mein schaft auf die jungen<br />
Mäd chen aus unserer Heimat<br />
große Anziehungskraft bewirkte,<br />
zeigt nicht nur das Bei-<br />
Nähschule 1957<br />
spiel der Nähschule, sondern auch, dass<br />
vier junge Mädchen aus Eversberg und<br />
Wehrstapel sich entschlossen, der<br />
Schwesterngemeinschaft beizutreten.<br />
Dies waren:<br />
Schwester Maria Gerhaldis<br />
Name: Elisabeth Gördes; Spuikers<br />
Titel: „Von der Sanftmut Jesu“<br />
Ordenseintritt: 2. Mai 1944<br />
* 17. Sept. 1921 † 7. Mai 1998<br />
Die zweite Generaloberin, Schwester<br />
M. Ursula, berief Schwester M. Gerhaldis<br />
1958 als Noviziatsbegleiterin in das<br />
Mutterhaus nach Bredenscheid zurück.<br />
Sie wurde für die ihr anvertrauten jungen<br />
Schwestern ein wegweisendes Vorbild.<br />
Nach dem Tode von Schwester M. Ursula<br />
berief sie die Gemeinschaft der Schwestern<br />
1973 zur 3. Generaloberin. Wegen<br />
Nach wuchsmangels war sie als Oberin
80 SAUERLAND NR. 2/<strong>2008</strong><br />
bald dazu gezwungen,<br />
Nie -<br />
der lassungen<br />
der Schwestern<br />
zu<br />
schließen. Die<br />
Schwestern -<br />
ge meinschaft<br />
wurde durch<br />
den Tod vieler<br />
Mitglieder immer<br />
kleiner.<br />
Auf dem Friedhof der Gemein schaft, der<br />
1936 von Theresia Albers am Paasbach<br />
nahe des Antoniusheimes eingeweiht<br />
wurde, befinden sich schon über 100<br />
Schwe sterngräber. Sie erkannte, dass ihre<br />
Schwesterngemeinschaft die bisherigen<br />
Aufgaben bald nicht mehr allein<br />
wahrnehmen konnte. So gründete Sie<br />
1996 die „THERESIA-ALBERS-STIF-<br />
TUNG“, in dessen Trägerschaft die ordenseigenen<br />
Häuser überführt wurden.<br />
Somit war von den Schwestern eine wesentliche<br />
Last genommen. Es blieb, und<br />
bleibt auch für ihre Nachfolgerinnen das<br />
große Problem des Nachwuchses.<br />
25 Jahre führte die gebürtige Eversbergerin<br />
mit liebevoller und fürsorglicher<br />
Hand den Orden. Wie viel sie in diesen<br />
Jahren bewegt hat, wie viel Kraft und<br />
Mühe ihr dieser Weg, geprägt durch ihre<br />
Menschlichkeit, Aufop ferungs bereit -<br />
schaft und Sorge über den Fortbestand<br />
ihrer Gemeinschaft gekostet hat, weiß allein<br />
der liebe Gott. Er wird ihr das im<br />
Himmelreich vergelten!<br />
Schwester Maria Xaveria<br />
Name: Franziska Rüth<br />
Titel: „Von der Verlassenheit<br />
des Gekreuzigten“<br />
Ordenseintritt: 5. Nov. 1940<br />
* 20. März 1915 † 16. Juli 1970<br />
Schwester Maria Hermana<br />
Name: Ernestine Rüth<br />
Titel: „Vom heiligen Haupt“<br />
* 1. Juni 1918 † 18. Okt. 1976<br />
Eintritt: 13. Januar 1944<br />
Schwester Maria Agnes<br />
Name: Hedwig Spork<br />
Geburtsort: Wehrstapel<br />
Titel: „Von der Hingabe an Gott“<br />
Ordenseintritt: 1. März 1960<br />
* 23. Mai 1938<br />
Termine Termine Termine Termine<br />
22. Juni Der Freundeskreís Oelinghausen e. V. feiert sein<br />
25-jähriges Jubiläum<br />
Maschinen - und Heimatmuseum Eslohe e.V. Eslohe<br />
Info unter: 0 29 73/24 55<br />
www.museum-eslohe.de<br />
27./28. Sept. Dampftage<br />
von 10 – 18 Uhr<br />
7. Dezember Der Nikolaus kommt mit der Dampfeisenbahn<br />
von 15 – 17 Uhr<br />
Termine der Christine-Koch-Gesellschaft<br />
17. August Die Christine-Koch-Gesellschaft führt eine Literaturfahrt auf den<br />
Spuren von Marion Gräfin Dönhoff nachSchloss Krottorf durch.<br />
Heidenstraße<br />
6. Sept. Winterberg-Altastenberg: Einweihung des 16. Pilgersteins an der<br />
Heidenstraße und des historischen Parks im Rahmen<br />
des Dorfgemeinschaftsfestes<br />
7. Sept. Marienheide gegenüber dem Kloster: Einweihung des 17. Pilgersteins<br />
an der Heidenstraße.<br />
Termine aus Allendorf<br />
2. – 7. Sept. Historische Wanderung „Auf den Spuren des Fuhrmann<br />
F. Clute-Simon im Jahr 1803“ von Allendorf nach Köln mit dem<br />
Fuhrmann Friedrich Clute-Simon, der den Drei-Könige-Schrein<br />
(Nachbildung in Originalgröße) mit seinem Pferdefuhrwerk von<br />
Wedinghausen nach Köln bringt.<br />
7. Sept. Einzug in den Dom zum Sonntagsgottesdienst um 17.00 Uhr<br />
Veranstalter: „Fickeltünnes e.V. – 600 Jahre Stadt Allendorf“<br />
und SGV Abt. Allendorf<br />
weitere Infos unter Tel.: 0 23 93/8 24 oder 0 23 75/92 94-6 10<br />
Die Redaktion bittet um Mitteilung weiterer Termine<br />
Bestens bekannt ist den Eversbergern<br />
aber noch<br />
Schwester Maria Bertoldis<br />
Name: Elisabeth Feldmann<br />
Titel: „Vom Leben in Gott“<br />
Ordenseintritt: 2. Mai 1937<br />
* 4. Febuar 1913 † 2. Aug. 2003<br />
die von 1964 bis 1983, Auf lösung der<br />
Schwestern station, bei uns in Evers berg<br />
segensreich<br />
gewirkt hat.<br />
Sie war uns<br />
Eversber gern<br />
sehr ans Herz<br />
gewachsen,<br />
denn ihre liebenswerte,bescheidene<br />
Art<br />
hat so manchen<br />
Kummer<br />
schon im Keim zerdrückt. Wir Eversberger<br />
werden sie, und alle anderen Schwestern<br />
aus Bre denscheid in bester, dankbarer<br />
Erin nerung behalten.<br />
Die Schwesterngemeinschaft in Hat -<br />
tingen-Bredenscheid im Bistum Essen<br />
unter der jetzigen Führung von Oberin<br />
M. Dorothea bemüht sich derzeit unter<br />
Mitwirkung des Prälat Dr. Martin Patzeck<br />
um die Seligsprechungen ihrer Grün -<br />
derin Theresia Albers<br />
Anmerkung: Einen ganz besonderen Dank gilt an dieser<br />
Stelle der Schwester Oberin M. Dorothea im Mutterhaus<br />
Bredenscheid, die wie selbstverständlich mir<br />
mit Materialien über ihre Schwesterngemeinschaft behilflich<br />
war.<br />
Auch Schwester Agnes, gebürtig aus Wehrstapel, trug<br />
viel zum Gelingen dieser Seiten bei.<br />
Quellen: Kirchenchronik „St. Johannes Ev.“ Evers -<br />
berg; Archiv / Museum im Mutterhaus der „Schwes -<br />
tern zum Zeugnis der Liebe Christi“ in Hattingen-Bredenscheid
SAUERLAND NR. 2/<strong>2008</strong> 81<br />
Christine Koch – Versuch eines Lebensbildes *)<br />
Christine Koch — wer war diese<br />
Frau, die einer Literaturgesellschaft den<br />
Na men gab, einer Gesellschaft, die es<br />
sich zum Ziel gesetzt hat, Literatur im<br />
<strong>Sauerland</strong> zu fördern und zu verbreiten.<br />
Wer war die Frau, bei deren Namens -<br />
nennung so manchem <strong>Sauerländer</strong><br />
spon tan ein paar Verse, eine Strophe<br />
oder auch der Titel eines ihrer Gedichte<br />
einfallen? Zwar wird der Name Christine<br />
Koch nicht selten mit dem Vorbehalt<br />
verbunden, dass die Stär ke ihrer Dichtung<br />
einzig auf dem Plattdeutschen beruhe<br />
und sich ihr Wirkungsbereich nur<br />
auf den heimatlichen Raum und eine<br />
verhältnismäßig kleine Gruppe von Interessenten<br />
beschrän ke. Aber wäre es<br />
nicht gerecht, im gleichen Atemzug ihre<br />
Verdienste um die plattdeutsche Dichtung<br />
herauszustellen? Zu sagen, dass sie<br />
es verstanden hat, der bäuerlichen Alltagsspra<br />
che, die im Dienste der Zweckmäßigkeit<br />
stand, poetische Töne abzulauschen<br />
und sie künst le risch umzusetzen?<br />
Ein paar Daten, die ihren Lebensweg<br />
belegen, sind schnell aneinander<br />
gereiht:<br />
1869 wurde die Dichterin als Chri s -<br />
tine Wüllner in Herhagen geboren, ihre<br />
Schulbildung er hielt sie in Reiste, die<br />
Weiterbildung erfolgte in einem Internat<br />
in Duderstadt. Das Lehrerin nenexamen<br />
legte sie in Hannover ab. In Padberg begann<br />
sie ihre Lehrerinnentätigkeit, von<br />
da ließ sie sich nach dreizehnjähriger Tätigkeit<br />
nach Vogelheim bei Essen-Borbeck<br />
versetzen. Dort leitete sie die<br />
Volksschule bis zum 1. Januar 1905. Im<br />
Mai des gleichen Jahres heiratete sie<br />
den Land- und Gastwirt Wilhelm Koch<br />
in Bracht. Sie verstarb dort im Jahr<br />
1951. Was aber steht hinter den äußeren<br />
Lebensdaten? Wer war diese Christine<br />
Wüllner, die mit 36 Jahren, zu einem<br />
Zeitpunkt also, an dem man normalerweise<br />
seinen Platz im Leben gefunden<br />
hat, ihren angesehenen Beruf<br />
aufgab, einen Land- und Gastwirt heiratete<br />
und zwischen Kü che, Keller und<br />
Schanktisch Gedichte schrieb?<br />
Da wäre zunächst ein kurzer Blick auf<br />
die Zeit in dem Pensionat in Duderstadt<br />
zu werfen, auf eine Zeit, in der sich die<br />
sechszehnjährige Bauerntochter vom<br />
Lande einen Platz zwischen den meist<br />
reichen Fabrikantentöchtern sichern<br />
musste.<br />
Christine als junge Lehrerin<br />
im Jahre 1896<br />
Es waren schwierige Verhältnisse, unter<br />
denen sie ihre Tätigkeit in Padberg<br />
aufnehmen und ausüben musste. Aus<br />
dieser Zeit existiert eine Fotographie,<br />
auf der sie schmal, schlank, die Geige<br />
vor den Körper haltend, an einer Brüstung<br />
lehnt. Das Bild wirkt gestellt, sie<br />
selbst zu geknöpft, wie sie, bis zum Hals<br />
in ein steifes Kleid gesteckt, an dem Betrachter<br />
vorbei sieht.<br />
So gut geschnitten und dabei fein und<br />
sensibel ihr Gesicht auch wirkt, ihm fehlt<br />
auf dem Foto die Unmittelbarkeit des<br />
Ausdrucks, der einmal so typisch für<br />
Christines Lyrik werden sollte. Die Klas -<br />
sen waren groß, die Bezahlung bescheiden,<br />
hinzu kam das Leben in einer primitiven<br />
Dienstwohnung, die aus zwei<br />
feuchten Zimmern bestand. Christine<br />
kam von einem wohlha benden Bauern -<br />
hof. Und nun eine Behausung, so karg<br />
und unwirtlich, dass sie sich darin eine<br />
Erkrankung der Luftwege holte, die sie<br />
ein Leben lang verfolgte. Wie manche<br />
Nacht mag es hustend aufrecht im Bett<br />
gesessen haben, das Fräulein Lehrerin,<br />
das noch schlechter bezahlt wurde, als<br />
das sprichwörtlich arme Dorfschulmeis -<br />
terlein. Ob Christine Heimweh hatte,<br />
Heimweh nach dem stattlichen Bau -<br />
ernhaus, in dem sie an langen Winter -<br />
abenden mit Mutter und Geschwistern<br />
musizierte? Ein Klavier war im Haus,<br />
Bücher und weitere Instrumente. Sie sei<br />
ein ausgesprochen pflichtbewusster<br />
von Christel Hoberg-Heese<br />
Mensch gewesen, verraten spätere Be -<br />
richte – also wird sich das Fräulein Wüllner<br />
sicherlich nach durchhusteter Nacht<br />
in ihr Klassenzimmer ge schleppt haben.<br />
Krankheit und Tod waren um die Jahrhundertwende<br />
unübersehbarer Teil des<br />
Lebens. Einmal musste Christine erleben,<br />
dass im Dorf in kürzester Zeit zweiunddreißig<br />
Kin der während einer Diphtherie-Epidemie<br />
starben, Kinder, die sie<br />
kannte, die zum Teil vor ihr auf der<br />
Schulbank gesessen hatten und nie wieder<br />
dort sitzen würden. Ob ein junger<br />
Mensch derartige Erfahrungen wie eine<br />
latente Krankheit mit durch sein Leben<br />
trägt? Ob sie die ersten Falten in das Gesicht<br />
gegraben haben, das wir von der<br />
Fotographie kennen? Nach dreizehnjähriger<br />
Tätigkeit ließ sich Christine nach<br />
Vogelheim bei Essen-Borbeck ver -<br />
setzen, weil sie sich von der milderen<br />
Luft eine Besserung ihrer angegriffenen<br />
Gesund heit versprach. Aber schon zum<br />
1. Ja nuar 1905 gab sie – so die spätere<br />
Begründung ihres Pensi onsanspruches<br />
– ihre Tätigkeit dort aus gesundheitlichen<br />
Gründen auf. Bereits im Mai heirate<br />
te sie den Land- und Gastwirt Wilhelm<br />
Koch aus Bracht, einem hochgelegenen,<br />
in den langen Wintern abgeschiedenen<br />
Dorf, und obschon sie vier Jahre<br />
zuvor dem ihrer Gesundheit nicht zuträglichen<br />
Klima entflohen war, kehrt sie<br />
ins <strong>Sauerland</strong> zurück. Waren es möglicherweise<br />
nicht nur gesundheitliche<br />
Gründe, die sie die angesehene Stellung<br />
einer Hauptlehrerin aufge ben ließ? In<br />
Essen-Borbeck wohnte auch ihre jüngere<br />
Schwester und führte mit einem<br />
Mann und sechs Kindern ein gelungenes<br />
Fami lienleben vor. Könnte das Beispiel<br />
nicht Wünsche nach einem eigenen<br />
Haus stand, einem ähnlichen Zuhause<br />
geweckt haben? Über das Alter einer romantischen<br />
Liebe war Christine hinaus.<br />
Ausgeschieden aus dem Schuldienst,<br />
hätte sie nach damaligen Vorstellungen<br />
als „spätes Mädchen“ gegolten, das mit<br />
einer spärlichen Pensi on wahrscheinlich<br />
eine Heimstatt auf dem elterlichen Hof<br />
gefunden hätte. Aber was wäre das für<br />
ein Leben gewesen? Auch Wilhelm<br />
Koch hatte das normale Heiratsalter<br />
weit hinter sich gelassen. Könnten die<br />
zukünftigen Eheleute in ihrer späten<br />
Verbindung nicht eine gute Lösung für<br />
beider Zukunft gesehen haben, zumal<br />
sich zwischen ihnen eine seelische und
82 SAUERLAND NR. 2/<strong>2008</strong><br />
geistige Verwandtschaft abzeichnete.<br />
Beider Müt ter waren Schwestern und<br />
stammten aus einem kulti vierten Lehrerhaus,<br />
in dem der Bücherschrank gefüllt<br />
war und die Musik gepflegt wurde.<br />
Land- und Gastwirt war Wilhelm Koch<br />
nur wegen des frühen Todes seines Vaters<br />
geworden.<br />
Erst fünfzehn Jahre alt, musste er, der<br />
gerne Musik studiert hätte, den elterlichen<br />
Besitz über nehmen und zusehen,<br />
wie seine jüngeren Geschwister das Dorf<br />
verlassen, studieren konnten und in angesehenen<br />
Berufen erfolgreich wurden.<br />
Allerdings bestanden in der Familie Beden<br />
ken wegen des nahen Ver wandt -<br />
schaftsgrades, für eine Heirat musste sogar<br />
ein Dispens des Bischofs eingeholt<br />
werden.<br />
Nun, er wurde erteilt. Im Mai 1905<br />
hielt Christine Einzug in Bracht, bereits<br />
ein Jahr später brachte sie ihr erstes Kind<br />
zur Welt. Siebenunddreißig Jahre alt war<br />
sie bereits. Ob das kleine Mäd chen die<br />
Erfüllung eines Wunsches war, dessen<br />
Realisierung in ihrem Alter nicht unbe -<br />
dingt selbstverständlich war? Ob sie als<br />
„Spätgebärende“ ihrer Entbindung mit<br />
Ängsten ent gegensah? Im frühen 20.<br />
Jahrhundert stand oft der Tod am Wochenbett.<br />
Auf die Frage, ob Christine ein<br />
Arzt, eine Hebamme, eine Nach barin bei<br />
der Geburt zur Seite gestanden haben,<br />
findet sich in Briefen und Le -<br />
bensbeschreibungen keine Antwort. Auf<br />
dem Lande liefen die Geburten oft fern<br />
vom nächsten Krankenhaus ab, und einer<br />
schnellen ärztlichen Hilfe standen<br />
schwerfällige Verkehrsmittel und schwierige<br />
Straßenverhältnisse im Wege. In nur<br />
sechs Jah ren brachte Christine vier Kinder<br />
zur Welt. Eine Fotographie aus eben<br />
dieser Zeit sagt einiges über sie, die mittlerweile<br />
eine Mittvierzigerin geworden<br />
ist, aus. Ihre Körpersprache vermittelt<br />
das Bild einer müden, aber gelösten, in<br />
sich gekehrten und in sich ruhenden<br />
Frau. Auf einem Gartenstuhl sitzt sie vor<br />
oder neben dem Haus. Das jüngste<br />
Töchterchen steht neben ihr, strahlt<br />
schelmisch in die Kamera, während die<br />
Mutter auf das Körbchen hinunterblickt,<br />
das die Kleine ihr zugetragen und auf den<br />
Schoß gestellt haben mag. Fünfund -<br />
vierzig Jahre ist Christine alt, mehr als die<br />
Hälfte des Lebens ist vorüber. Noch ahnte<br />
niemand, dass sie in aller Heim lichkeit<br />
Christine Koch<br />
mit ihrer jüngsten Tochter Maria (1915)<br />
Gedichte, auch Prosa schrieb – am Küchentisch,<br />
auf der Fensterbank schnell<br />
aufs Papier geworfen. Am Abend, wenn<br />
es still um sie herum geworden war, überarbeitete<br />
sie, was der Tag ihr eingab.<br />
Aber noch mussten die wilden Rosen im<br />
Verborgenen blühen. Nicht nur Wilhelm,<br />
auch sein Bruder Franz-Josef, Rektor in<br />
Essen, schrieb plattdeutsche Tex te, so<br />
dass sich bei seinen häufigen Besuchen<br />
anregende Gespräche ergaben. Hin und<br />
wieder erschienen in Zeitungen und <strong>Zeitschrift</strong>en<br />
heimatbezogene Texte sowohl<br />
in mundartlicher Sprache als auch in<br />
Hoch deutsch. Und musiziert wurde im<br />
Lin denhaus! Vornehmlich inner halb des<br />
Familienkreises, Christine und Wilhelm<br />
spielten beide Klavier und Geige, aber zu<br />
den wöchentlichen Musikstunden fand<br />
sich auch der Sohn des Lehrers ein. Das<br />
Lindenhaus erwies sich als gastfrei in diesen<br />
Jahren, denn nicht nur die Herhagener<br />
Verwandten waren gern gesehene<br />
Gäste, auch die Schwäger fanden sich zu<br />
Jagdzeiten gerne ein. Und noch eine<br />
ganz andere Art von Gästen klopfte an<br />
die Tür und wurde bewirtet. Zum fahrenden<br />
Volk ge hörten sie und baten um eine<br />
Mahlzeit, einen Platz zum Übernachten<br />
in der Scheune. Und mitten in diesem für<br />
die Hausfrau arbeitsreichen Leben<br />
schrieb Christine ihre Gedichte. Aber<br />
erst 1924, als sie bereits 55 Jahre alt<br />
war, erschien ihr erster Gedichtband<br />
„Wille Räusen“. Voraus gegangen war die<br />
Veröffentlichung von einigen Gedichten<br />
in der <strong>Zeitschrift</strong> „Trutz nachtigall“, auf<br />
die der Musik lehrer und Komponist<br />
Georg Nellius gestoßen war, der als der<br />
Entdecker der „<strong>Sauerländer</strong> Nachtigall“<br />
gilt, die in dem Bergdorf Bracht Gedichte<br />
schrieb, für die die Natur, das bäuerliche<br />
Leben, die Kinder, die sie umgaben,<br />
Motiv und Anstoß waren. Im Plattdeutschen<br />
fand sie die den Inhalten entsprechende<br />
sprachliche Ausdrucksform, den<br />
Boden für deren poetische Gestaltung.<br />
Dank ihrer Bildauswahl und dem harmonischen<br />
Zu sammenspiel von Reim und<br />
Rhyth mus fand sie wunderbar schlichte<br />
und dabei ausdrucksstar ke Töne.<br />
Es scheint zur Tragik der späteren Jahre<br />
zu gehören, dass die Freude über<br />
Christines Erfolge von Krankheit und<br />
Sorge verdunkelt wurden. Mitte der<br />
zwanziger Jahre legte sich der Schat ten<br />
der Verschuldung über Haus und Hof.<br />
Das Studium der Schwäger hatte gekostet.<br />
Das großzügig in Kriegsanleihen angelegte<br />
Geld war verloren. Die Inflation<br />
fraß die Holzerträge auf. Die vormals<br />
wohlhabenden Kochs verarmten. So tief<br />
trieb die Verschuldung sie in den Ruin,<br />
dass sie am Ende nur noch froh sein<br />
konnten, dass ihnen wenigstens das<br />
Wohnhaus er halten blieb. Spott und Häme<br />
der Dorfbewohner kamen hinzu, als<br />
Sorge und Armut einzogen. Christine<br />
hätte lieber Rüben hacken und Schweine<br />
füttern, als dichten sollen, tuschelten sie.<br />
Die Brachter hatten immer wenig Verständnis<br />
für die Bewohner des Lindenhauses<br />
aufge bracht, in dem „Studierte“<br />
ein- und ausgingen und ein gepflegtes<br />
Hochdeutsch gesprochen wurde. Zwar<br />
besang Christine ihre Kinder liebevoll<br />
„Platt“, gesprochen wurde es nicht mit -<br />
einander. Sei es, dass die ehemalige Lehrerin<br />
grundsätzlich auf die Pflege der<br />
deutschen Spra che Wert legte und ihren<br />
Kindern zusätzlich den Weg zur schulischen<br />
Weiterbildung erleich tern wollte;<br />
sei es, dass ihr ein gewisser Abstand zur<br />
Dorfbevölkerung ratsam erschien. Und<br />
war es nicht klug, als Gastwirtin eine gewisse<br />
Distanz am Schanktisch zu halten,<br />
zumal das Platt deutsch die Anrede „Sie“<br />
nicht kennt und aus dem „Du“ oder „Ihr“<br />
leicht eine unange messene Vertrau -<br />
lichkeit erwächst?<br />
In den dunklen Tagen der existenziellen<br />
Not suchte Josefa Berens-Totenohl,
SAUERLAND NR. 2/<strong>2008</strong> 83<br />
Malerin, Lehre rin und Schriftstellerin das<br />
Lindenhaus auf und fand, wie sie sagte,<br />
eine schüchterne, verhärmte Wirtsfrau<br />
vor, deren wunderbar anrührende Ge -<br />
dichte sie kannte. Aus der Begegnung<br />
wuchs eine tiefe, lebenslange Freund -<br />
schaft, obschon die beiden Frauen in religiösen<br />
und weltan schaulichen Fragen<br />
auf unterschiedlichen Wegen gingen. Als<br />
ein Glanzlicht ragte Christines sechzigster<br />
Geburtstag aus den sorgenvollen Zeiten<br />
heraus. Nach nur fünf Jahren des Erscheinens<br />
der „Wille Räusen” waren ihre<br />
Gedichte im westfälischen Raum bekannt<br />
geworden. Mit hundert Sängern<br />
aus Neheim und Minden erschien Georg<br />
Nellius. Verwandte und Freunde versammelten<br />
sich, die Erbsensuppe köchelte,<br />
die Fässer waren angestochen. Und<br />
Christine? Sie ahnte nichts von den Ehrungen,<br />
die sie erwarteten, als die Tochter<br />
sie aus dem Hause rief. Im Alltagskleid<br />
mit Schürze und Sandalen - nicht<br />
die Studierte, nicht die Dichterin - eine<br />
schlichte Landfrau blickte überrascht in<br />
die Menge und lauschte den von Freund<br />
Nellius vertonten Gedichten. Vor Ergriffenheit<br />
stumm nahm sie aus seinen Händen<br />
den soeben gedruckten neuen Gedichtband<br />
„Sunnenried“ entgegen. Ein<br />
Glückwunschschreiben des Oberpräsidenten<br />
wurde vorgelesen. Aus den umliegenden<br />
Dörfern strömten die Bewohner<br />
herbei. Christine wurde gefeiert. Ein Tag<br />
heller Freude war das. Dann wurde es<br />
wieder dunkel im Lindenhaus.<br />
Einer der dunkelsten Tage war der, an<br />
dem die Nachricht vom Tode des einzigen<br />
Sohnes ein traf. Vier Wochen hatte<br />
die Familie vergebens auf ein Lebens -<br />
zeichen von ihm gewartet, nachdem er<br />
das Haus überraschend verlassen hatte.<br />
Dann kam die Botschaft: Wilhelm ist tot.<br />
Selbstmord. In der Nähe Berlins hatte<br />
man ihn aufgefunden. Die Umstände des<br />
Todes ver schwieg man der Mutter. Der<br />
Schicksalsschlag traf Christine, als sie<br />
sechsundsechzig Jahre alt war. Die Zeit<br />
und die tiefe Gläubigkeit mögen ihren<br />
Schmerz gelindert haben, aber Chris tine<br />
verstummte; jedenfalls für die Öffentlichkeit.<br />
Was an Gedichten entstand, legte<br />
sie sorg fältig in eine Mappe, später verbrannte<br />
sie sie. Schienen ihr die späten<br />
Gedichte zu düster? Wollte sie niemanden<br />
in sich hineinsehen lassen? Waren<br />
sie nur noch Hilfe zur Überwindung des<br />
Leides im Selbstgespräch? Oder schie-<br />
Christine Koch<br />
Mitte der 30er Jahre<br />
nen ihr die Gedichte nicht mehr gut genug?<br />
War sie eine zu strenge Richterin?<br />
Niemand kann sagen, was uns möglicherweise<br />
verloren ging. Arme Chri s tine!<br />
Ob sie manchmal am Fenster gestanden<br />
hat und über die Berge hinweg in Richtung<br />
Herhagen sah? Ob die frühen Spaziergänge<br />
mit dem Vetter, ihre Gespräche<br />
dort an ihr vorüber gezogen sind?<br />
Wieviel sorgenfreier wäre ihr Leben als<br />
angesehene Hauptlehrerin verlaufen.<br />
Aber die Kinder, der Mann, die Vogelstimmen<br />
am Morgen, die Lin den am<br />
Haus, die wilden Rosen am Weg, der<br />
Duft von Heu und Holunder, im Hochsommer<br />
der Fingerhut ... Ob sie jemals<br />
gerechnet hat mit der Entscheidung für<br />
den Vetter in Bracht? Oder war es ihre<br />
tiefe Religiosität, die sie mit den Widrigkeiten<br />
ihres Lebens versöhnte? Es gibt so<br />
Im Alter von 75 Jahren<br />
viele offene Fragen, so viele Leerstellen<br />
in einem Leben, das vom 19. bis in die<br />
Hälfte des 20. Jahrhunderts hineinreichte.<br />
Ein Kaiserreich, zwei Welt kriege, zwei<br />
Inflationen, eine Diktatur und zwei Demokratien<br />
bildeten den politischen und<br />
sozialen Hinter grund für Christines langes<br />
Leben. Das Tempo des technischen<br />
Fortschritts erschwert es, sich in die Mühen<br />
des Alltags einer Land- und Hausfrau<br />
hineinzudenken, bevor die Waschmaschinen<br />
das Waschbrett und ein Druck<br />
auf den Knopf das Feuern des Herdes ersetzte.<br />
Von Personal ist nach dem Tode<br />
der alten Hilfe Therese Teitmorg nicht<br />
mehr die Rede. Dass sie nur noch in ihrer<br />
Behausung lebensfähig sei, sagte<br />
Chri stine in späteren Jahren, in denen<br />
sie sich durch die Hinfälligkeit oft auf<br />
dem schmalen Grat zwischen Leben und<br />
Tod bewegte. Ihr 70. Geburtstag brachte<br />
erneut Ehrungen. Ihre plattdeutsche Lyrik<br />
und der mund artliche Prosatext<br />
„Rund ümm’n Stimmstamm rümme“<br />
hatten über den westfälischen Raum hinaus<br />
im niederdeutschen Beachtung gefunden.<br />
Als Anerkennung erhielt sie den<br />
Klaus-Groth-Preis. In Hamburg entgegennehmen<br />
konnte sie ihn aus gesundheitlichen<br />
Gründen nicht. Ihr 75. Geburtstag<br />
bot Anlass zur Überreichung des<br />
Westf ä lischen Literaturpreises. Ein Jahr<br />
zuvor war ihr Mann, nach einem Schlaganfall<br />
pflegebedürftig, verstorben. Wieder<br />
ein Schat ten, der auf die Ehrung fiel?<br />
Oder war Christine den Eitelkeiten der<br />
Welt schon so weit ent rückt, dass Licht<br />
und Schatten ineinanderflossen?<br />
Als sich zu ihrem 80. Geburtstag zahlreiche<br />
Heimatfreunde einfanden, zeigte<br />
sie sich nur am Fenster. Sie wollte nur in<br />
Ruhe gelassen werden, überlieferte die<br />
älteste Tochter, die die Mut ter in den letzten<br />
Jahren liebevoll pflegte. Der Aus gang<br />
des Lebens sei eine gute Zeit gewe sen,<br />
versicherte sie. Die Enkelkinder hätten<br />
noch einmal Freude ins Lindenhaus gebracht.<br />
„Es ist schön, wenn die Sonne<br />
golden untergeht“, fand Christine ein<br />
versöhnliches Sinnbild für ihren Abschied<br />
vom Leben, sprach aus ihr noch einmal<br />
die Dichterin, die sich seit Jahren hin ter<br />
der schlichten Landfrau versteckte.<br />
*) Die dem Artikel zugrunde liegenden Informationen<br />
wurden zum großen Teil übernommen aus: Christine<br />
Koch: Liäwensbauk. Bearb. v. Peter Bürger. Fredeburg:<br />
Grobbel 1993.
84 SAUERLAND NR. 2/<strong>2008</strong><br />
Lörmecke-Turm auf dem Arnsberger Wald<br />
Überblick bringt Einsichten von Reinhard Köhne<br />
1. Der Lörmecke-Turm<br />
Der Lörmecke-Turm steht unweit der<br />
Lörmeckequelle auf dem höchsten Punkt<br />
des Arnsberger Waldes in 580 Metern<br />
Höhe am alten Plackweg zwischen Warstein<br />
und Eversberg. Der Wanderer erreicht<br />
den Turm vom Parkplatz des Naturparks<br />
Arnsberger Wald am Stimmstamm<br />
nach einer Stunde. Aus Richtung<br />
Eversberg bietet sich der Parkplatz<br />
„Buchsplitt“ an. Von Warstein aus können<br />
die Parkplätze „Herrlichkeit“ oder<br />
„Enkebruch“ empfohlen werden.<br />
Der neue Turm ermöglicht einen<br />
Pano ramablick auf die Großlandschaften<br />
des waldreichen sauerländischen Süder -<br />
gebirges und zur Westfälischen Bucht.<br />
Im Süden fällt der Blick über den Steilabfall<br />
zum Ruhrtal auf das Me scheder Berg -<br />
land mit dem lebhaften Wechsel von<br />
Höhenrücken und Längsmulden, die von<br />
den Nebenflüssen der Ruhr zertalt worden<br />
sind. Im Hintergrund zeichnet sich<br />
die gewellte Kammlinie des Rothaargebirges<br />
ab. Die vielfach gefalteten geologischen<br />
Schich ten sind im Erdaltertum<br />
vor 380 Millionen Jahren aus einem<br />
Meerestrog aufgewölbt worden.<br />
Nach Norden überwiegen die horizontalen<br />
Linien der sanft abfallenden<br />
Flächen der Warsteiner Hochfläche und<br />
weiter entfernt die waldarme Schicht -<br />
stufe der Hohen Haar am Rande der<br />
Westfälischen Bucht. Während die Mas -<br />
senkalke der Warsteiner Hochfläche<br />
noch von einem Korallenriff des alten<br />
Devonmeeres aufgebaut wurden, sind<br />
die am Rande des Münsterlandes leicht<br />
hochgestellten Kreideschichten wäh rend<br />
einer jüngeren Meeresüberflutung des<br />
Erdmittelalters vor 100 Millionen Jahren<br />
abgelagert worden.<br />
2. Der Plackweg -<br />
Wissenswertes am Wege<br />
Der Plackweg ist ein alter Grenz- und<br />
Fernweg, der vom ehemaligen Kloster<br />
Himmelpforten bei Niederense im Möhnetal<br />
über die Kammlinie des Arnsberger<br />
Waldes auf der Wasser scheide zwischen<br />
Ruhr und Möhne nach Brilon führte. Der<br />
Name kommt vom Kennzeichnen der<br />
Grenzbäume, dem „Anplag gen“, wobei<br />
mit der Axt ein Zeichen in die Rinde eingehauen<br />
wurde. Die Plack weghöhen haben<br />
im Unter grund harte Sandsteine des<br />
flözleeren Karbons, die zu nährstoffarmen,<br />
steinreichen Lehm böden verwittert<br />
sind. Daher überwiegt die Waldnutzung<br />
mit Rotfichten und Rotbuchen. Der Wald<br />
ist Lebens raum für Rot-, Sika-, Schwarzund<br />
Rehwild.<br />
3. Das Naturschutzgebiet<br />
Hamorsbruch<br />
In der Quellmulde des Bilsteinbaches<br />
liegt mit 64 Hektar eines der größten<br />
Moorgebiete Westfalens. Schon 1942<br />
wurde das Hamorsbruch mit seinen bis<br />
zu zwei Meter mächtigen Torfschichten<br />
und dem darauf stockenden Karpatenbirkenbruchwald<br />
unter Naturschutz gestellt.<br />
Nicht nur die seltene Waldgesellschaft<br />
ist schützenswert, die Torfschichten<br />
bewahren mit ihren Blütenpollen<br />
auch ein einzigartiges Vegetations- und<br />
Klimaarchiv, da die Hangvermoorungen<br />
bereits vor 9000 Jahren begonnen haben.<br />
Durch Sperr ung von Entwässerungsgräben,<br />
Vernet zung mit Erlenbruchwäldern<br />
und Um wandlung von<br />
Fichtenforsten soll das Feuchtgebiet optimiert<br />
werden.<br />
4. Der Stimmstamm<br />
Ein knorriger Stamm markierte einst<br />
den Grenzpunkt, an dem die Grenzlinien<br />
der Gemarkungen Warstein, Eversberg<br />
und Meschede zusammentreffen. Am so
SAUERLAND NR. 2/<strong>2008</strong> 85<br />
genannten Sassenstein oder Stimp -<br />
stampf war 1726 Treffpunkt der Schna -<br />
dezüge. 1828 ist auf der Urka tasterkarte<br />
oberhalb vom „Berkenbruch“ und „Hamorsbruch“<br />
der „Stimmstamp“ eingezeichnet,<br />
ein Flurname, der mit „stampfen“<br />
vielleicht vor dem anmoorigen Untergrund<br />
warnen sollte. Das Land-Gasthaus<br />
an der B 55 gleichen Namens ist eine<br />
ehemalige Zoll- und Poststation von<br />
1812. Etwa 500 Meter weiter östlich<br />
wurde 1899 der Her mannsturm für<br />
Wanderer errichtet, der wegen seiner<br />
Holzkonstruktion verfallen ist.<br />
5. Kapellenplatz<br />
Ein kleiner Pfad mit Jahresbäumen<br />
führt von der Plackweghöhe nach Nor -<br />
den zu einer 2004 errichteten Wege -<br />
kapelle, wo zur Zeit des Kölner Kur -<br />
fürsten Clemens August (1700 – 1761)<br />
in exponierter Höhenlage eine inzwischen<br />
verfallene Kapelle errichtet wur-<br />
de. Ein Vorgängerbau ist auf einer Jagdkarte<br />
des Arnsberger Waldes von 1630<br />
als „Ruin“ eingetragen. Die Kapelle<br />
könnte während der tagelangen Jagden<br />
der Kurfürsten im Arnsberger Wald für liturgische<br />
Zwecke genutzt worden sein.<br />
6. Judenkirchhof<br />
Die Entstehung des Flurnamens Judenkirchof<br />
auf der Hangfläche südlich des<br />
Lörmecketurms liegt im Dunkel. Der Ursprung<br />
ist vermutlich in der abgelegenen<br />
Lage, der Kreuzung vom Warstein-Eversberger<br />
Fußpfad mit dem alten Plackweg<br />
und den dort gefundenen Steinhaufen zu<br />
suchen. Steine erinnern nach jüdischem<br />
Brauch an die Ver stor benen oder sollen<br />
Bestattungen schüt zen. Auf der patrioti-<br />
schen Suche nach dem Ort der Varusschlacht<br />
ließ Professor Hülsenbeck bereits<br />
1878 einige vermeintliche Grabhügel öffnen.<br />
Er fand aber nur ungestörte Bodenprofile,<br />
Stein packungen und Holzkohle.<br />
Die nächste Grabungskampagne finanzierte<br />
der Sau erländische Gebirgsverein<br />
in den Jahren 1910/11. Unter der Leitung<br />
des Geheimen Baurats Biermann<br />
und der Professoren Koepp und Dragendorf<br />
wurden die hier und an anderen Stellen<br />
des Arnsberger Waldes entdeckten<br />
Steinhaufen angegraben. Allerdings wurden<br />
weder Leichenbrand noch Grabbeigaben<br />
gefunden. Offensichtlich handelt<br />
es sich um Lesesteinhaufen mittelalterlicher<br />
Rodungen.<br />
Etwa 230 Meter westlich des Turmes<br />
erinnert ein Gedenkstein „memento mori“<br />
am alten Plackweg an den plötzlichen<br />
Herztod eines Lippstädter Sommer -<br />
gastes am 24. September 1931 wäh -<br />
rend einer Wanderung.<br />
7. Markes Kreuz<br />
„Markens Kruize“ an der Kreuzung<br />
Warsteiner Fußpfad mit dem neuen<br />
...mit Sicherheit!<br />
Pflegerente<br />
+ Krankenzusatz-Versicherung<br />
+ Unfall-Versicherung<br />
+ Reise-Rücktrittskosten-Versicherung<br />
+ Bestattungsvorsorge<br />
nur 81,95 Euro monatlich*<br />
*Beispiel: 50 jähriger Mann<br />
www.sparkasse-hochsauerland.de<br />
Plackweg ist für den Jüngling Johann<br />
Friedrich Bongartz errichtet worden, der<br />
hier am 9. Januar 1739 von einem umstürzenden<br />
Baum erschlagen wurde. Das<br />
Gedenkkreuz verdeutlicht die Gefahr, die<br />
von umstürzenden Bäumen ausgehen<br />
kann und durch den Orkan „Kyrill“ erneut<br />
bestätigt wurde.<br />
Sparkasse<br />
Hochsauerland
86 SAUERLAND NR. 2/<strong>2008</strong><br />
200 Jahre Landesvermessung im Grenzgebiet<br />
zwischen kurkölnischem und märkischem <strong>Sauerland</strong> von Hans Fröhlich<br />
1. Einleitung<br />
Anfang des 19. Jahrhunderts waren<br />
der Wunsch des Militärs nach Land -<br />
karten und der Gesellschaft nach einer<br />
gerechten Grundbesteuerung Anlass<br />
und Triebfeder für intensive Landesvermes<br />
sungen, so auch im Grenzgebiet<br />
zwischen märkischem und kurkölnischem<br />
<strong>Sauerland</strong>. Da heutzutage Vermessun<br />
gen fast ausschließlich nur noch<br />
satellitengestützt durchgeführt werden,<br />
liegt es nahe, 200 Jahre klassische Landes<br />
vermessung Revue passieren zu lassen.<br />
Diesen Rückblick möchte der Autor1)<br />
am Beispiel des Gebietes zwischen<br />
Pletten berg und Wildewiese (zu Sundern<br />
ge hörig) nachvollziehen, da in diesem<br />
Gebiet im Laufe der beiden Jahrhun -<br />
derte mehrfach Landesvermessungen<br />
durchgeführt wurden.<br />
2. Grundzüge der Landesvermessung<br />
(Triangulation)<br />
Sollen von einem Gebiet Landkarten<br />
erstellt oder ein Grundstückskataster<br />
aufgebaut werden, so lassen sich eine<br />
Flä chendeckung, Aktualität und hohe<br />
Genauigkeit nur erzielen, wenn gleichzeitig<br />
viele Vermessungstrupps an verschiedenen<br />
Stellen mit der Gelände -<br />
aufnahme beginnen. Werden dann die<br />
Ergebnisse der einzelnen Vermessungen<br />
zu einem einheitlichen Ganzen zusammengefügt,<br />
dürfen an den Nahtstellen<br />
keine Spannungen auftreten. Dies gewährleistet<br />
ein Feld von Festpunkten,<br />
die sogenannten trigonometrischen<br />
Punkte, kurz: TP. Sie werden von eigens<br />
für dieses Handwerk ausgebildeten Vermes<br />
sungsingenieuren, den Trigonometern,<br />
so im Gelände ausgewählt, dass<br />
zwischen benachbarten Punkten Sichtver<br />
bindungen bestehen. Indem der Trigo<br />
nometer dann von jedem Standpunkt<br />
aus zu den benachbarten Punkten mit<br />
dem Theodolit (Winkelmessinstrument)<br />
die Winkel misst, spannt er sozusagen<br />
ein Dreiecksnetz über das Gelände, man<br />
spricht von einer Triangulation. Be -<br />
stimmt man zusätzlich noch die Länge<br />
einer Dreiecksseite, lassen sich mit den<br />
Formeln der Trigonometrie die Punkt -<br />
lagen (Koordinaten) aller Dreieckspunkte<br />
zueinander berechnen. Werden dann<br />
die vielen Detailvermessungen an diesen<br />
Festpunktrahmen angeschlossen, ist ein<br />
spannungsfreies Aneinanderpassen der<br />
einzelnen Vermessungen garantiert.<br />
Abb. 2: Geländerelief mit den TP; links TP(2) Hemberg, mittig TP(2) Heiligenstuhl, rechts<br />
TP (2) Wildewiese, im Hintergrund die Sorpetalsperre<br />
Dieses Festpunktfeld gliedert sich in verschiedene<br />
Stufen. Zunächst baut man<br />
ein weitmaschiges Netz 1. Ordnung auf<br />
mit Seitenlängen von 30 bis 70 km<br />
(z. B. TP (1) Homert bei Eslohe und TP<br />
(1) Nordhelle bei Herscheid), das man<br />
anschließend durch die TP 2. Ordnung<br />
mit Punktabständen von 6 bis 10 km<br />
verdichtet, bis man schließlich in der 4.<br />
Ordnung zu Punktabständen von 1 bis 2<br />
km gelangt – man arbeitet in der Fachsprache<br />
vom Großen ins Kleine.<br />
Die folgende Rückschau bezieht sich<br />
auf die TP (2):<br />
Sundern-Wildewiese, Schomberg<br />
648 m ü. M,<br />
Plettenberg-Eiringhausen, Hemberg<br />
535 m ü. M.<br />
und auf der anderen Seite des tief<br />
eingeschnittenen Lennetals<br />
Plettenberg, Heiligenstuhl<br />
584 m ü. M.<br />
Anhand der Topographie in diesem<br />
Gebiet lässt sich das Verständnis für eine<br />
Landesvermessung mit all seinen<br />
Schwierigkeiten am ehesten nacherleben<br />
und durch seine Bebilderung eindrucksvoll<br />
darstellen.<br />
3. Die großherzoglich-hessische<br />
Triangulation 1812/16<br />
In den Wirren der napoleonischen<br />
Zeit musste das Erzbistum Köln sein Herzogtum<br />
Westfalen mit dem kurkölnischen<br />
<strong>Sauerland</strong> an das Großherzogtum<br />
Hessen-Darmstadt als Entschädigung für<br />
dessen linksrheinische Gebietsverluste<br />
abtreten.<br />
Abb. 4: Christian Leonhard Philipp Eckardt<br />
[2]
SAUERLAND NR. 2/<strong>2008</strong> 87<br />
Als dann 1809 der Geograph und Astronom<br />
Christian Leonhard Philipp Eckardt<br />
(1784 – 1866) von der großherzoglich-hessischen<br />
Regierung mit der Leitung<br />
der Katasteraufnahme im Herzogtum<br />
Westfalen betraut wurde, gründete<br />
er noch im gleichen Jahr in Arnsberg ein<br />
Katasterbüro [1].<br />
Als Grundlage für die Stückver -<br />
messung plante er ein Dreiecksnetz, dessen<br />
Maßstab er über eine Dreieckskette<br />
von Darmstadt her abzuleiten gedachte.<br />
Diese Triangulation 1. Ordnung, die<br />
auch den TP (1) Homert bei Eslohe mit<br />
einbezog, erfolgte in den Jahren 1810<br />
bis 1812. Die Triangulation 2. Ordnung<br />
in dem zur Rede stehenden Gebiet erfolgte<br />
durch den inzwischen zum Regie -<br />
rungsrat aufgestiegenen Eckardt zwischen<br />
1812 und 1816. Eckardts Weit -<br />
sicht ist es zu verdanken, dass die Ver -<br />
messungspunkte auch dauerhaft (nicht<br />
nur durch verwesliche Holz pflöcke) vermarkt<br />
wurden. Die Dreieckspunkte wurden<br />
örtlich zunächst nur mit etwa 50 cm<br />
tiefen Gruben versehen, auf deren<br />
Grund sich eine künstliche Pflasterung<br />
befand, welche den Mittelpunktstein einschlossen.<br />
Um jedoch diesen vor Zerstörung<br />
zu sichern, sind alle Gruben zugeworfen<br />
worden.<br />
Um gute Dreieckskonfigurationen<br />
und eine Flächendeckung zu erlangen,<br />
musste Eckardt teilweise TP jenseits der<br />
Gebietsgrenze, also auf märkischem Ge -<br />
biet, aussuchen, so auch auf dem Heiligenstuhl<br />
bei Plettenberg. Diese TP wurden<br />
aber nur von außen angezielt, Messungen<br />
dortselbst fanden nicht statt.<br />
Mit dem Ende der napoleonischen<br />
Zeit und als Ergebnis des Wiener Kon -<br />
gresses kam auch das Herzogtum West -<br />
falen zum Preußischen Staat und die<br />
schon begonnenen Vermessungen für<br />
das Rheinisch-Westfälische Grundsteuer -<br />
kataster wurden Schritt für Schritt mit<br />
den inzwischen neu berechneten TP in<br />
Verbindung gebracht.<br />
4. Die Triangulation der Generalkommission<br />
Münster 1890/94<br />
Im Laufe der Jahrzehnte nach der Erstellung<br />
des preußischen Urkatasters<br />
stellte sich heraus, dass eine Aktualisie -<br />
rung und Qualitätsverbesserung des Katasterbestandes<br />
erforderlich sei. Hier mit<br />
einhergehend sah man auch eine Neuordnung<br />
des ländlichen Raumes als zwingend<br />
gegeben an. Dies veranlasste die<br />
schon 1820 für die Regelung der gutsherrlichen<br />
und bäuerlichen Verhält nis se<br />
geschaffene Generalkommission in<br />
Münster (Vorgängereinrichtung der oberen<br />
Flurbereinigungsbehörde) auch im<br />
Gebiet zwischen Plettenberg und Wildewiese<br />
triangulatorisch tätig zu werden. In<br />
den Kreisen Arnsberg und Meschede erfolgten<br />
diese Arbeiten in den Jahren<br />
1890/94 [1].<br />
Anders als bei Eckardt wurden die TP<br />
nicht nur unterirdisch (sicher) vermarkt<br />
sondern auch oberirdisch durch einen<br />
Sandsteinpfeiler sichtbar gemacht und<br />
um das Anzielen der Punkte zu vereinfachen,<br />
wurden über den Vermarkungen<br />
sogenannte hölzerne Pyramiden errichtet.<br />
Abb. 9: Katasterpyramide der General -<br />
kommission Münster [4]<br />
5. Die Triangulation der Königlich-Preußischen<br />
Landesauf -<br />
nahme 1897<br />
Schon im Jahre 1875 hatte die Königlich-Preußische<br />
Landesaufnahme (kurz:<br />
PrLA) beschlossen, die westlich der Elbe<br />
gelegenen Gebiete neu zu triangulieren,<br />
da die Einheitlichkeit und Qualität der TP-<br />
Netze nicht mehr dem Stand der Zeit entsprachen.<br />
Nachdem das TP-Netz 1. Ordnung<br />
ab 1886 im <strong>Sauerland</strong> durch Hauptmann<br />
Hans Bendemann [5] geschaffen<br />
Abb. 5: Eckardt‘sche Vermarkung des TP Wildewiese [3] Abb. 7: Ausschnitt TP-Netzbild 2. Ordnung der Generalkommission<br />
Münster [1]<br />
war, wurde Mitte der 1890er Jahre der<br />
Trigo nometer Lefèvre mit der Triangulation<br />
II. Ordnung beauftragt. Seinen Beobach<br />
tungsschriften (Feldbüchern) lassen<br />
sich eine Vielzahl von Details fachlicher<br />
und persönlicher Art entnehmen [4]:<br />
Die von ihm erkundeten TP und<br />
Sichtverbindungen stellt das nachste-
88 SAUERLAND NR. 2/<strong>2008</strong><br />
Abb. 10: TP-Netzbild 2. Ordnung<br />
der PrLA [4]<br />
Abb. 11: Katasterpyramide mit Hängepfeiler<br />
[6]<br />
Abb. 12: Preußische TP-Vermarkung [4]<br />
Abb. 14: Eiringhausen um 1885, Gasthof Ostermann im Vordergrund [7]<br />
hende Netzbild dar, mit den TP (1)<br />
Balverwald, Homert und Nordhelle<br />
als Anschlusspunkte<br />
Um für den Theodoliten einen festen<br />
Aufstellungspunkt zu garantieren,<br />
ließ er in die noch vorgefundenen Katasterpyramiden<br />
einen zweiten, sogenannten<br />
hölzernen Hängepfeiler einziehen.<br />
Alle TP wurden mit der in Preußen<br />
üblichen Standardvermarkung, bestehend<br />
aus (Granit-)Pfeiler und Platte,<br />
vermarkt bzw. vorgefundene ersetzt.<br />
Station II. Ordnung Hemberg 10.<br />
6. 1897<br />
Das Signal Hemberg liegt auf dem<br />
höchsten Punkte des Hembergs bei Eiringhausen.<br />
Das Signal ist eine hohe<br />
Katasterpyramide, in welche ein<br />
3,93 m hoher Hängepfeiler eingezogen<br />
wurde, damit man über den Hau -<br />
Abb. 13: Lefèvre´s Stationsbeschreibung vom 10. Juni 1897<br />
wald hinwegsehen kann. Die vorgefundene<br />
Festlegung der Gene ral -<br />
kommis sion Münster wurde unter Beibe<br />
haltung des Centrums durch die<br />
vorschriftsmäßige Festlegung ersetzt<br />
Be sitzer: Jos. Schulte, Büringsen bei<br />
Abb. 15: Wilhelm Ostermann (1843-1907) 2)<br />
[8]
SAUERLAND NR. 2/<strong>2008</strong> 89<br />
Affeln, Stummelstr. 70, Flurschaden<br />
nicht entstanden,<br />
Pacht wird seitens der General -<br />
kom mis sion bezahlt.<br />
Quartier: Eiringhausen, Gasthof<br />
Ostermann<br />
Station II. Ordnung: Heiligenstuhl<br />
11. Juni 1897<br />
Der Punkt Heiligenstuhl liegt auf<br />
dem höchsten Punkte des Berges<br />
Auf´m Kröpfchen 1 km südlich von<br />
Pasel, 3 km östlich von Plettenberg.<br />
Es ist kein Signal gebaut worden, sondern<br />
in der einen Ecke des Thurmes<br />
(Nord westecke) eine 6 m hohe Tafel<br />
angebracht worden. Für Beobachtung<br />
wurde das Meßinstrument auf den<br />
sehr festen Thurm aufgestellt. Für<br />
den Beobachter ein isolierter Stand<br />
geschaffen.<br />
Besitzer: Wilhelm Frommann,<br />
Landemert No. 143<br />
Flurschaden nicht entstanden,<br />
Pacht nicht zu zahlen.<br />
Die Benutzung des Thurmes 3) wurde<br />
Seitens des S.G.V. auf das Be reit -<br />
willigste zur Verfügung gestellt.<br />
Station II. Ordnung Wildewiese 12.<br />
Juni 1897<br />
Das Signal Wildewiese liegt auf<br />
dem höchsten Punkte des Schombergs<br />
nahe dem Dorfe Wildewiese.<br />
Das Signal ist eine hohe Katasterpyramide.<br />
Die vorgefundene Festlegung<br />
der General kommission Münster wurde<br />
unter Beibehalt des Centrums<br />
durch die vorschriftsmäßige Festlegung<br />
II. O. ersetzt.<br />
Besitzer: Kaspar Kaiser, Wildewiese<br />
Haus No. 2 ½<br />
Flurschaden nicht entstanden,<br />
Pacht wird noch gezahlt.<br />
6. Die Triangulation des Landesvermessungsamtes<br />
Nordrhein-<br />
Westfalen 1949<br />
Während in der Zeit zwischen den Arbeiten<br />
des Trigonometers Lefèvre und<br />
dem Ende des Zweiten Weltkrieges keine<br />
Triangulationen mehr stattfanden,<br />
nahm 1949 das nunmehr neu gegrün-<br />
Abb. 16: Schutzhütte mit Aussichtsplattform und nebenstehendem Vermessungsgerüst [9]<br />
Abb. 17: Baumtafel [10]<br />
dete Lan desvermessungsamt Nordrhein-Westfa<br />
len (LVermA) mit seiner<br />
Außenstelle in Münster die TP-Netzverdichtung<br />
bis zur untersten Stufe im<br />
Großraum Pletten berg in Angriff. Die<br />
Arbeiten wurden vom Diplomingenieur<br />
Thiel und dem Ingenieur für Vermessungstechnik<br />
Hu ster durchgeführt. Da<br />
die Bewaldung die Sichten zu den Nachbarpunkten<br />
teilweise stark behinderte,<br />
kam dem Signalbau eine besondere Rolle<br />
zu. Obwohl der S.G.V. schon 1936<br />
auf dem Heiligen stuhl eine Schutzhütte<br />
mit Aussichts platt form errichtet hatte,<br />
musste der Bautrupp des LVermA ein eigens<br />
für Winkelbeobachtungen stabiles<br />
Beobach tungsgerüst aus Holz erstellen.<br />
Auf dem Hemberg signalisierte man<br />
den Vermessungspunkt durch eine<br />
Baum tafel. Hierbei wurde ein Baum des<br />
umstehenden Bestandes auf einer Seite<br />
zunächst enttästet. Dann zog man eine<br />
lange Holzstange, an deren Spitze man<br />
ein Tafelkreuz angenagelt hatte, am<br />
Stamm soweit hoch, dass das Tafelkreuz<br />
den Baumbestand um ein Beträchtliches<br />
überragte. Zur Stabilisierung wurde die<br />
Tafelstange mit Drähten und Erdankern<br />
nach drei Seiten verspannt.<br />
Mit der Triangulationsarbeit von Thiel<br />
und Huster lagen nun für die städtische<br />
Entwicklung und die große Siedlungs -<br />
tätigkeit nach dem Krieg die vermessungstechnischen<br />
Grundlagen für den<br />
gesamten Raum Plettenberg vor.<br />
7. Die Trilateration des Landesvermessungsamtes<br />
Nordrhein-<br />
Westfalen 1984<br />
Mitte der 1960er Jahre revolutionierte<br />
eine technische Entwicklung die Lan -<br />
desvermessung derart, dass man sich<br />
entschloss, durch eine weitere TP-Netz -<br />
erneuerung die Qualität des vorhandenen<br />
Netzes zu verbessern. Die elektronische<br />
Distanzmessung hatte Einzug in die<br />
Landesvermessung gehalten. Mit einem<br />
Mal war man in der Lage, Distanzen von
90 SAUERLAND NR. 2/<strong>2008</strong><br />
zig Kilometern auf Knopfdruck und auf<br />
wenige Zentimeter genau zu bestimmen,<br />
ein Traum, den Eckardt, Lefèvre, Thiel<br />
und Huster nicht gewagt hätten zu träumen,<br />
mussten sie doch Strecken z. T.<br />
Abb. 18: Beobachtungsleiter von 20 m Höhe<br />
am TP Heiligenstuhl; eine ähnliche Konstruktion<br />
stand auf dem Hemberg [8]<br />
Abb. 19: Beobachtungsgerüst von ca. 15 m<br />
Höhe aus Mannesmann-Stahlrohren am TP<br />
Schomberg [8]<br />
durch Aneinanderlegen von Holzlatten<br />
mühsam ableiten. Im Jahre 1984 war es<br />
dann im Lennetal soweit. Mit einer neuen<br />
Art von stählernen, wiederverwendbaren,<br />
beobachtungsfähigen Gerüsten<br />
wurden die TP 2. Ordnung signalisiert<br />
und die Streckenlängen zwischen ihnen<br />
mit sogenannten Mikrowellen-Distanz -<br />
messgeräten bestimmt. Da die Schutz -<br />
hütte mit Aussichtsplattform auf dem<br />
Heiligenstuhl schon seit etwa 1960 nicht<br />
mehr existierte, musste auch dort eine<br />
Beobachtungsleiter errichtet werden.<br />
Dass das Gerüst auf der „Wilden -<br />
wiese“ einem schweren Herbststurm<br />
zum Opfer fiel, sei nur beiläufig erwähnt.<br />
Mit diesem neuen Streckenmess -<br />
verfahren (Trilateration) und noch nachfolgenden<br />
Netzverdichtungen schuf das<br />
Landesvermessungsamt, unterstützt<br />
durch die Vermessungstrupps der Be zirks -<br />
regierung Arnsberg, die Grundlage für ein<br />
modernes und genaues Karten werk und<br />
für das neue Liegenschafts kataster, das bis<br />
heute seine Gültigkeit hat.<br />
Für die eingesetzten Trigonometer<br />
waren diese Arbeiten oftmals mit großen<br />
Mühen, Plackereien und Widerständen<br />
verbunden; aber würde man sie heute alle<br />
fragen „Wie war´s“, ließe sich die Antwort<br />
wohl einheitlich mit der vierten<br />
Strophe aus Wolfgang von Goethes Türmerlied<br />
von 1831 zusammenfassen:<br />
Ihr glücklichen Augen,<br />
Was je ihr gesehn,<br />
Es sei, wie es wolle,<br />
Es war doch so schön!<br />
8. Ausblick<br />
Von diesen 200 Jahren klassischer<br />
Landesvermessung konnte der Autor<br />
selber sieben Jahre fruchtbar mitgestalten.<br />
Die weiten Fernsichten faszinieren<br />
Abb. 21: Vodafone-Richtfunkturm auf dem<br />
Schomberg [11]<br />
ihn noch heute und so ist es nur verständlich,<br />
dass er das Preisausschreiben<br />
für den neuen Stahlturm mit Aussichts -<br />
plattform auf dem Schomberg bei Wilde<br />
wiese auslobte, denn bisher gab es<br />
noch kein Foto von der (bei sehr klarem<br />
Wetter möglichen) Fernsicht bis zu den<br />
85 km entfernten Gipfeln des Sieben -<br />
gebirges.<br />
Seit etwa 1985 bedarf es keiner<br />
Sicht freiheit mehr zwischen den Vermes<br />
sungs punkten (TP), sondern nur<br />
noch freier Sicht zu den GPS-Satelliten<br />
Abb. 22: Fernsichtfoto mit dem Ölberg/Siebengebirge [12] 4)
SAUERLAND NR. 2/<strong>2008</strong> 91<br />
am Himmel. Für die Landesver -<br />
messungs verfahren Triangulation und<br />
Trilateration gilt: Es war einmal – Tempi<br />
passati!<br />
Literatur- und Abbildungsverzeichnis<br />
1] Schmidt, R. (1960): Die Triangulationen in<br />
Nordrhein-Westfalen, Druck:<br />
Landesvermessungsamt Nordrhein-Westfalen,<br />
Bonn - Bad Godesberg<br />
2] Geodätisches Institut, Bonn<br />
3] Spata, M. und H. Röcken (1990):<br />
Privatsammlung, Bonn und Herscheid<br />
4] Landesvermessungsamt Nordrhein-Westfalen,<br />
Bonn; seit 1. 1. <strong>2008</strong> zum Regierungspräsidenten<br />
Köln gehörig<br />
5] Fröhlich, H. und M. Spata (2004): Das<br />
Reisetagebuch des Hauptmanns Bendemann,<br />
Sankt Augustin<br />
6] Die Königlich-Preußische Landes-Triangulation<br />
– Hauptdreiecke Neunter Teil, Berlin 1897<br />
7] Pape, G. (2007): Privatsammlung historischer<br />
Fotographien, Plettenberg<br />
8] Fröhlich, H. (2007) Privatsammlung, Sankt<br />
Augustin<br />
9] Fröhlich, H. (1985) Aussichtstürme im Sauer -<br />
land und Siegerland, Münster<br />
10] Landesamt für Vermessung und Geoinformation<br />
München (2006): Sammlung historischer<br />
Fotographien, München<br />
11] Freiburg, F. (2006): Privatsammlung von<br />
Wildewiese-Fotographien, Finnentrop-Rönkhausen<br />
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12] Weisser F. (<strong>2008</strong>): Fabian Weisser, Teilnehmer<br />
am Schomberg-Turm-Preisausschreiben,<br />
11. Feb. <strong>2008</strong>, Sundern<br />
1) Professor für Landesvermessung an der Hochschule<br />
Bochum, der seine Kindheit von 1947 bis<br />
1965 im märkischen und kurkölnischen <strong>Sauerland</strong><br />
verbrachte - Plettenberg und Warstein<br />
2) Urgroßvater des Autors; hinter dem Gasthof verläuft<br />
die 1861 gebaute Bahnlinie Hagen-Siegen.<br />
Wir bieten alles, was mit Reisen zu tun hat!<br />
3) Von diesem ersten Aussichtsturm auf dem Heiligenstuhl<br />
konnte leider trotz aller Recherchen bis<br />
heute kein Bild gefunden werden.<br />
4) Am 20. Dezember 2007 hatten der Autor, Friedrich<br />
Freiburg, Rönkhausen und Manfred Spata,<br />
Bonn bei einer Inversionswetterlage sogar die<br />
Sicht bis zur 120 km entfernten Hohen Acht in<br />
der Eifel.<br />
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92 SAUERLAND NR. 2/<strong>2008</strong><br />
Vom Waldarbeiter zum Finanzprokurator<br />
Der Müscheder Br. Rudolph Hoffmann FMMA verstarb vor 70 Jahren von Albert H. Hoffmann<br />
Als Rentner hat man nun doch Zeit, in<br />
alten Familienunterlagen zu kramen.<br />
Meine Vorfahren haben wirklich Vieles<br />
geachtet, geschätzt und gehütet. Kürz -<br />
lich beschäftigte ich mich mit den Ge -<br />
schwistern meines Großvaters. Es waren<br />
insgesamt acht. Mein aus der Flamke bei<br />
Sundern stammender Urgroßvater Jo -<br />
hannes Josephus Hoffmann gen. Buiker<br />
heiratete Anna-Maria-Elisabeth Till -<br />
mann- Synn, sie starb 44-jährig. Aus dieser<br />
Ehe gingen zwei Kinder hervor. Der<br />
Sohn Anton fiel 1871 bei der Schlacht<br />
um Verdun. Einige Jahre später heiratete<br />
er dann die Schwester Maria-Mar ga -<br />
rethe Tillmann-Synn. Diese Ehe war mit<br />
sechs Kindern gesegnet. Der Älteste war<br />
mein Groß vater Johann Franz und der<br />
Viert geborene war Ferdinand – späterer<br />
Bruder Rudolph FMMA. Über ihn wird<br />
berichtet. Er wurde geboren am 23. Januar<br />
1864 in Müschede und am selben<br />
Tag in der Hüstener „St.-Petri“-Kirche<br />
getauft.<br />
(In der Müscheder „St.-Hubertus-<br />
Kirche“ wurde erst ab dem Jahre 1904<br />
getauft).<br />
In den Orden der Barmherzigen Brüder<br />
von Maria-Hilf trat er am 18. 12.<br />
1886 in Luxemburg ein. Eingekleidet<br />
wurde er am 10. 9. 1887, er erhielt den<br />
Klosternamen Bruder Rudolph. Die ewigen<br />
Gelübde legte er am 2. Februar<br />
1893 ab. Er verstarb am 22. Juli 1938<br />
im 75. Lebensjahr in Trier.<br />
„Es ist nicht mein Verdienst gläubiger<br />
Christ geworden zu sein. Mein<br />
Christ sein wurde mir geschenkt. In ers -<br />
ter Linie von meinen Eltern, aber auch<br />
durch die Gemeinde Müschede, in der<br />
ich meine Jugendzeit verbrachte“, so<br />
seine Aus sage.<br />
Zum 70. Mal jährt sich der Todestag<br />
des Br. Rudolph Hoffmann, er war mein<br />
Großonkel. Als Schulentlassener betätigte<br />
er sich bis zu seinem 18. Lebensjahr<br />
in der Landwirtschaft und später wurde<br />
er Waldarbeiter.<br />
Im Jahre 1883 war er und sein Bruder<br />
Franz Mitgründer des Müscheder<br />
Männer-Gesangvereins, der ihn schon<br />
bald zum 1. Vorsitzenden wählte. Zu dieser<br />
Zeit übte er sich im Orgel spiel in seiner<br />
Heimatkirche.<br />
Im Alter von 22 Jahren trat er – wie<br />
oben berichtet – in den Klosterorden ein.<br />
Er hoffte, „im Kloster seine Seele sicherer<br />
retten zu können, Gott wohl zugefallen<br />
und dem Nächsten zu dienen“.<br />
Bruder Rudolph war außer in Luxemburg<br />
auch in Trier, Koblenz, Pa derborn und<br />
Dortmund tätig. Zunächst erfuhr er „eine<br />
gediegene Ausbildung“ in der Krankenpflege.<br />
Im Januar 1916 erhielt der inzwischen<br />
zum „Bureau vorsteher“ beförderte<br />
Br. Rudolph eine besondere Auszeichnung.<br />
„Des Königs Majestät haben allergnädigst<br />
geruht, Ihnen die Rote-Kreuz-<br />
Medaille zu verleihen.“ Der Oberpräsident<br />
überreichte sie im Namen des Kaiserlichen<br />
Kommissars und Militärinspekteurs<br />
der freiwilligen Krankenpflege auf<br />
Vorschlag des „Terri torial-Delegierten“.<br />
Schon 1897 wurde er zum Assi s -<br />
tenten seines Ordens gewählt und versah<br />
gleichzeitig das Amt des Vorstehers des<br />
Mutterhauses. Damals war er 33 Jahre<br />
alt. Im Jahre 1915 wurde er Vorsteher<br />
des Koblenzer Hauses. Als Kaiser Wilhelm<br />
II. zu Anfang des 1. Weltkrieges die<br />
verwundeten Soldaten im Koblenzer<br />
Haus besuchte, hatte Br. Rudolph die<br />
Ehre, den Kaiser durch das Krankenhaus<br />
zu führen. Vom Jahre 1927 bis zu seinem<br />
Tode bekleidete er das Amt des Generalschaffners<br />
(Finanz prokurator) der<br />
Genossenschaft und wurde in dieser Position<br />
mit weitreichenden Vollmach ten<br />
ausgestattet. In allen Stel lun gen entfaltete<br />
er eine rege Tätigkeit. In den letzten<br />
Jahren dieser Aufgabe hat er sich zuviel<br />
Arbeit zugemutet, was ihm Kreuz und<br />
Leid eingebracht hat. Aber auch im tiefsten<br />
Leid leuchteten sein Gottver trauen<br />
und seine Frömmigkeit, die ihm über alle<br />
Schwierigkeiten hinweg halfen. Seine<br />
Liebe zum allerheiligsten Sakra ment des<br />
Altares war sehr groß. Seine Aufzeichnungen<br />
– aber auch die des Ordens – geben<br />
ein Bild von seiner lauteren Seele.<br />
Am 22. Juli 1938 starb er im 75. Le
SAUERLAND NR. 2/<strong>2008</strong> 93<br />
bensjahr und im 52. Jahr seines gottgesegneten<br />
Ordenslebens, so berichtet die<br />
Ordensgemeinschaft im August 1938 in<br />
einem fünfseitigen Be richt nach seinem<br />
Tode. Einbezogen wird in diesen Bericht<br />
auch ein Schrei ben seines Schulfreundes<br />
Josef Dahme, der Aufschluss über viele<br />
Jugendak tivitäten gibt. „Mit Christus<br />
werde ich dereinst auferstehen und verherrlicht<br />
werden, das ist doch die große<br />
christliche Hoffnung und Zuversicht“,<br />
das war seine Auffassung.<br />
Der Konflikt<br />
mit dem Nazi-Regime.<br />
In seiner Position als Finanzpro -<br />
kurator bereiste Br. Rudolph häufig die<br />
europäischen Nachbarländer. Der noch<br />
im Original erhaltene Reisepass gibt Aufschluss<br />
darüber, dass er in den Jah ren<br />
1932 – 1934 insgesamt etwa 30 – 40<br />
Reisen in die Schweiz, nach Frank reich,<br />
ins Saarland, nach Belgien und Rom und<br />
in die Niederlande unternehmen musste.<br />
Er wurde am 23. April 1927 mit weitreichenden<br />
Vollmachten ausgestattet, die<br />
vom Trierer Notar Block beurkundet<br />
wurden. So konnte er die Ordensgemeinschaft<br />
vor allen öffentlichen Stellen,<br />
Behörden und Gerichten alleine vertreten,<br />
ferner alle Grund stücks angelegen -<br />
rechts: Haus Buiker-Hoffmann (Geburtshaus Bruder Rudolph)<br />
links: Haus Tillmann-Synn; mitte: Haus Gierse u. Kriegerdenkmal<br />
heiten regeln. Durch diese herausragende<br />
Stellung und die damit verbundenen<br />
Aktivitäten, die auch die finanzielle Betreuung<br />
von Häusern des Ordens in den<br />
Nachbarländern einschloss, geriet er in<br />
Schwierigkeiten mit den Rechtsvorstellungen<br />
des Nazi-Re gimes. Am 17. April<br />
1935 wurde er verhaftet und am 6. Dezember<br />
des Jahres zu fünf Jahren Zuchthaus<br />
verurteilt. Während seiner Haft erlitt<br />
er am 2. Mai 1937 einen Schlaganfall<br />
und wurde am 12. Mai wegen Haftun<br />
fähigkeit entlassen. Die<br />
Haftzeit verbrachte er mit<br />
einer großen Anzahl weiterer<br />
Ordensbrüder in den<br />
Zuchthäusern Rheinbach<br />
und Ber lin-Brandenburg,<br />
was dem (so das Mut terhaus<br />
des Klosters) sehr geachteten,<br />
von großer und hagerer<br />
Gestalt, dabei vornehm und<br />
gebildet, nicht ängstlichem<br />
Br. Rudolph viel Kreuz und<br />
Leid einbrachte. Wieder hol -<br />
te Gna den versuche der Or -<br />
dens gemeinschaft und seiner<br />
Angehörigen, insbesondere<br />
seiner Nich te Johanna<br />
Telgenbüscher geb. Hoff -<br />
mann an die höchsten Stellen<br />
der Naziherrschaft<br />
(Reichsminister Dr. Göbbels,<br />
Führer und Reichskanzler<br />
Adolf Hitler) blieben<br />
ohne Erfolg. Der umfangreiche<br />
Schrift wechsel aus<br />
dieser Zeit wird bis heute im<br />
Hause Hoff mann aufbe-<br />
wahrt. Im Jahre 1937 wurde – ebenfalls<br />
durch seine vorgenannte Nichte – während<br />
der am ersten Mai sonntag stattfindenden<br />
Neheimer Wie den bergpro -<br />
zession für seine Entlassung besonders<br />
gebetet. Am 12. Mai 1937 konnte er<br />
dann die Haftanstalt verlassen und kehrte<br />
schwer krank in das Trierer Kloster zurück.<br />
Die Gefangenschaft hatte seine tiefe<br />
Frömmigkeit nicht erschüttert. Denn<br />
nach Aussagen des Ordens hatte er im<br />
Grunde nichts Unrechtes getan. Die kurze<br />
Zeit vor seinem Tod lebte er zurückgezogen,<br />
schrieb seine von Fröm migkeit<br />
geprägten Gedanken und zahlreiche Gebete<br />
nieder, die später von seinem Orden<br />
in den Mitteilungsblättern der Barmherzigen<br />
Brüder veröffentlicht wurden. In<br />
dieser letzten, besinnlichen Phase seines<br />
bewegten Lebens erlitt er einen zweiten<br />
Schlaganfall, an diesen Folgen starb er<br />
am 22. Juli 1938. Am Montag, dem 25.<br />
Juli 1938, wurde er auf dem Hauptfriedhof<br />
in Trier beigesetzt. Seine Angehörigen<br />
stellten anlässlich seines 50. Todestages<br />
im Juli 1988 auf der Müscheder<br />
Familiengruft einen Gedenkstein auf.<br />
Friedhof der Ordensleute in Trier
94 SAUERLAND NR. 2/<strong>2008</strong><br />
Aus dem Vorstand<br />
Beliebter Tagungsort unseres Vorstandes ist nach wie vor der traditionsreiche<br />
Landgasthof Wüllner im Golddorf Oberhennebom. In der Sitzung am 29.<br />
Februar <strong>2008</strong> waren unter der Leitung unseres Vorsitzenden Dieter Wurm wieder<br />
einige interessante Tagesordnungspunkte „abzuwickeln“, wie man heutzutage<br />
gerne sagt.<br />
Wichtigster Punkt war die Vorbereitung der Mitgliederversammlung am<br />
30. August in Warstein-Belecke. Welche Bedeutung man in Belecke dieser Tagung<br />
beimisst, zeigte sich schon daran, das der gastgebende Verein mit mehreren<br />
Personen vertreten war, darunter die Ortsvorsteherin Elke Bertling. Zunächst<br />
wiederholte der Warsteiner Bürgermeister Manfred Gödde in sehr herzlicher<br />
Form die Einladung der Stadt und versprach seine aktive Mitarbeit an<br />
den Vorbereitungen. Für den Kultur- und Heimatverein „Badulikum“ gab der<br />
Heimatfreund Joseph Friederizi sachkundig und eloquent einen Überblick über<br />
die bisherigen Planungen. Für das Nachmittagsprogramm sind immerhin sechs<br />
Exkursionen vorgesehen, die selbstverständlich „seniorengerecht“ durchgeführt<br />
werden sollen.<br />
Zum Mundartarchiv in Cobbenrode trug Dr. Beckmann den neuesten Stand<br />
der Archivarbeiten vor. Besondere Anerkennung fand die Fertigstellung von<br />
Unterrichtsmaterial für die Primarstufe unserer Schulen. In Zusammenarbeit<br />
mit Georg Scheuerlein, dem Leiter der HSK-Musikschule, sind einige plattdeutsche<br />
Texte sogar kindgerecht vertont worden. Diese Arbeiten sollen sowohl in<br />
unserer <strong>Zeitschrift</strong> als auch im Internet vorgestellt werden.<br />
Schwieriger als erwartet stellt sich nach dem Bericht von Wilma Ohly die<br />
Durchführung des geplanten Seminartages zur Zusammenarbeit mit dem SGV<br />
und der <strong>Sauerland</strong>-Touristik dar. Die Tagung soll jetzt im Herbst stattfinden, und<br />
zwar nicht am Biggesee, wie zunächst geplant, sondern in Arnsberg.<br />
Hans Wevering gab in gewohnt gestraffter und überzeugender Weise einen<br />
Überblick über die Redaktionsarbeit. Es ist nicht von ungefähr, dass seinen Ausführungen<br />
spontaner Beifall der Vorstandsmitglieder folgte.<br />
Die Finanzlage unseres <strong>Heimatbund</strong>es ist zwar zurzeit noch nicht angespannt.<br />
Mit Rücksicht auf die steigenden Kosten unserer <strong>Zeitschrift</strong> beschließt<br />
der Vorstand jedoch, der Mitgliederversammlung eine maßvolle Erhöhung des<br />
Jahresbeitrages vorzuschlagen.<br />
Der letzte Punkt der Tagesordnung galt dem geplanten Register für alle Hefte<br />
seit Gründung des SHB im Jahre 1921. Unter dem Vorsitz unseres Heimatfreundes<br />
Bernd Follmann und mit sachkundiger Hilfe von Karin Kraft und Wolfgang<br />
Meier vom Kulturbüro <strong>Sauerland</strong> sind schon wichtige Erfassungsarbeiten<br />
geleistet worden. Immerhin sind rund 14 000 Seiten einzuscannen.<br />
Erfreulicherweise konnte unser Vorsitzender zu Beginn der Sitzung den neuen<br />
Kreisheimatpfleger des Kreises Soest, Peter Sukkau, begrüßen, der sich in<br />
Zukunft verstärkt der Zusammenarbeit mit dem kurkölnischen <strong>Sauerland</strong> annehmen<br />
wird.<br />
Dr. Adalbert Müllmann<br />
Berg-, Hütten- und Ham -<br />
merwerke im Herzogtum<br />
Westfalen<br />
Das kölnische <strong>Sauerland</strong>, Land der<br />
tausend Berge, war ein wichtiges Mon -<br />
tanrevier in vorindustrieller Zeit. Bereits<br />
seit dem frühen Mittelalter haben hier<br />
Bergleute in Gruben und Schächten<br />
kostbare Erze gefördert. Eisen wurde für<br />
Metallwerkzeuge aller Art benötigt,<br />
Kupfer für Kanonen und Waffen, Blei<br />
für die Salinenproduktionen am Hellweg.<br />
In Rennfeueröfen und später in<br />
Hütten- und Hammerwerken an den<br />
Bächen und Flüssen verarbeiteten<br />
Schmiede die Erze für die Weiter -<br />
verarbeitung. Im 16. und 17. Jahrhundert<br />
war der Montansektor im Herzogtum<br />
Westfalen europaweit bekannt. Auf<br />
der Grundlage der Boden befunde sowie<br />
der Akten und Urkunden aus 40 Archiven<br />
wird die Geschichte des Bergbaus in<br />
29 Städten und Gemeinden des ehemaligen<br />
Herzogtums Westfalen dargestellt.<br />
Die Zusammen fassung der Ortsgeschichten<br />
behandelt die Kon junkturen<br />
und strukturellen Verände rungen seit<br />
800, die Auswirkungen des Bergbaus<br />
auf Siedlung und Gesellschaft, die Montan<br />
politik der Kölner Kurfürsten, die Geschichte<br />
der Bergbauunternehmer aus<br />
Adel und Bürgertum wie die Ge schichte<br />
der Berg- und Hüttenleute. 41 Abbildungen<br />
und acht Karten illustrieren den<br />
Band, den eine ausführliche Bib lio -<br />
graphie und ein Personen- und Orts re -<br />
gister erschließt.<br />
Wilfried Reininghaus/Reinhard Köhne: Berg-, Hütten-<br />
und Hammerwerke im Herzogtum Westfalen.<br />
Aschendorff Verlag
SAUERLAND NR. 2/<strong>2008</strong> 95<br />
Peter Sukkau ist<br />
neuer Kreisheimatpfleger<br />
in Soest<br />
Zum neuen<br />
Kreis heimat pfle -<br />
ger für den Kreis<br />
Soest wählten die<br />
Vertre ter der Heimatverei<br />
ne und<br />
die Orts heimat -<br />
pfleger am 25. Januar<br />
<strong>2008</strong> den<br />
68jährigen Pe ter<br />
Sukkau aus Soest.<br />
Er ist damit Nachfolger von Dr. Wolfgang<br />
Maron, der sein Amt zum Ende letzten<br />
Jahres aus beruflichen Gründen niedergelegt<br />
hat.<br />
Der in Soest geborene Vermes -<br />
sungsingenieur entdeckte sein Interesse<br />
für die regionale Geschichte während<br />
seiner Dienstzeit beim Hochsauer -<br />
landkreis, wo er bis 2000 beim Ver -<br />
messungs- und Katasteramt beschäftigt<br />
war. In dieser Zeit hat er auch die Herren<br />
Dr. Phillip Hömberg und Dr. Uwe<br />
Lobbedey vom Amt für Boden denk -<br />
malpflege kennen gelernt. Mit diesen<br />
hat er im <strong>Sauerland</strong> etliche Wallburgen<br />
und Burgruinen aufgemessen.<br />
Nach seiner Pensionierung hat Peter<br />
Sukkau sich zunächst auf die Suche<br />
nach alten Vermessungspunkten aus der<br />
Napoleonischen Zeit gemacht. Mit rechnerischem<br />
Geschick und dem Glück des<br />
Tüchtigen hat er solch einen Haupt -<br />
punkt in 90 cm Tiefe, mitten im Ge -<br />
werbegebiet Möhnesse-Süd, wieder aufdecken<br />
können. Der trigonometrische<br />
Punkt wurde zwischenzeitlich als technisch-historisches<br />
Denkmal unter<br />
Schutz gestellt. Über diese Arbeit kam<br />
Peter Sukkau zur Heimatforschung.<br />
Sein Ziel war es, herauszufinden, wo in<br />
der Soester Börde der historische Hellweg<br />
verlaufen ist. Über das Ergebnis seiner<br />
Forschung hat er Lichtbildervorträge<br />
bei Vereinen, Gruppen und auch bei<br />
der Volkshochschule gehalten und mehrere<br />
geschichtliche Fahrradtouren dazu<br />
angeboten. Bei seinen Recherchen<br />
konnte Peter Sukkau auch den legendären<br />
Nasenstein an der Lohner Warte bei<br />
Schmerleke wiederfinden. Dieser große<br />
Findling wurde wieder an seinen ursprünglichen<br />
Platz gebracht.<br />
Qualität und Umfang unserer <strong>Zeitschrift</strong><br />
„SAUERLAND“ erhalten<br />
Liebe Heimatfreundinnen und -freunde,<br />
wenn sich der Kassenführer des <strong>Sauerländer</strong> <strong>Heimatbund</strong>es einmal<br />
persönlich zu Wort meldet, geht es meistens um das liebe Geld, so auch<br />
diesmal.<br />
Der Jahresbeitrag für den <strong>Sauerländer</strong> <strong>Heimatbund</strong>, der ja auch die<br />
Bezugsgebühren für die viermal jährlich erscheinende hervorragende<br />
<strong>Zeitschrift</strong> „SAUERLAND“ beinhaltet, ist seit 2002 unverändert geblieben.<br />
In der Zwischenzeit haben sich die Druckkosten spürbar erhöht,<br />
während die Einnahmen aus Werbeanzeigen trotz aller Bemühungen<br />
mehr oder weniger stagnierten oder sogar verringerten. Auch sonstige<br />
Aus gaben, die zur Erfüllung unserer vielfältigen Aufgaben erforderlich<br />
sind, stiegen an, während andererseits die Einnahmen aus den Mitglieds -<br />
beiträgen leicht rückläufig waren. Diese verschiedenen Entwicklungen<br />
haben dazu geführt, dass der <strong>Sauerländer</strong> <strong>Heimatbund</strong> im vergangenen<br />
Jahr erstmals seit langem ein leichtes Defizit als Ergebnis ausweisen<br />
musste.<br />
Vor diesem Hintergrund hat der Vorstand in seiner letzten Sitzung in<br />
Oberhenneborn beschlossen, der nächsten Mitgliederversammlung im<br />
August vorzuschlagen, ab 2009 den Jahresbeitrag von bisher 12,– €auf<br />
15,– € zu erhöhen, also um 3,– € pro Jahr oder 25 Cent pro Monat.<br />
Der Vorstand ist sich bewusst, dass auch eine solche moderate Beitragserhöhung<br />
für viele Mitglieder schmerzlich ist, zumal die Lebenshaltungskosten<br />
in fast allen Bereichen – besonders für Energie und Lebensmittel<br />
– in jüngster Zeit stark gestiegen sind. Andererseits sehen wir aber<br />
keine andere Möglichkeit als diese Beitragsanhebung, wenn wir die Qualität,<br />
den Umfang und den Erscheinungsrhythmus unserer <strong>Zeitschrift</strong> erhalten<br />
wollen und um auch in Zukunft etwas Spielraum für die Erreichung<br />
der vielen Ziele des Sauerlände <strong>Heimatbund</strong>es zu behalten.<br />
Wir hoffen, dass alle Heimatfreunde hierfür Verständnis haben und<br />
bitten schon jetzt um Zustimmung in der nächsten Mitgliederver -<br />
sammlung.<br />
Hans-Dieter Löffler<br />
(Kassenführer)<br />
Seit mehr als zwei Jahren beschäftigt<br />
sich Peter Sukkau mit der Registrierung<br />
und Beschreibung aller vorhandenen<br />
Karten und Pläne im Stadtarchiv Soest.<br />
Dies macht er nach eigenen Aussagen<br />
zwar ehrenamtlich, aber nicht ganz uneigennützig,<br />
denn alte Landkarten sind<br />
sein Hobby. Ein weiteres Hobby von<br />
Herrn Sukkau ist das Tennisspielen. In<br />
den 70er und 80er Jahren hat er sich bei<br />
Lehrgängen und Seminaren des Lan -<br />
dessportbundes organisatorische Fähig -<br />
keiten angeeignet. Im Soester Turn-Verein<br />
übernahm er im Hauptvorstand die<br />
Funktion des Jugendwartes. Über die<br />
Verbindung zum Landesportbund hat er<br />
einen modellhaften Jugendaustausch mit<br />
der südfranz. Stadt Montpellier aufgebaut<br />
und auch eine Skifreizeit in die Pyrenäen<br />
organisiert.<br />
Herr Peter Sukkau möchte bei seiner<br />
zukünftigen Arbeit als Kreisheimat -<br />
pfleger die Zusammenarbeit der westlichen<br />
und östlichen Heimatvereine stärken.<br />
Schwerpunkte seiner zukünftigen<br />
Arbeit sollen durch einen zu bildenden<br />
Beirat herausgearbeitet werden. „Wege<br />
sind dazu da, Orte mit einander zu verbinden“<br />
so Peter Sukkau in seiner Antrittsrede,<br />
dies will er durch seine Arbeit<br />
erreichen.<br />
Der Vorstand des <strong>Sauerländer</strong> <strong>Heimatbund</strong>es<br />
gratuliert Herrn Peter Sukkau<br />
herzlich zur Wahl in dieses für die<br />
Heimatpflege verantwortungsvolle Amt<br />
und freut sich auf die fruchtbare Zusammenarbeit!<br />
Karin Kraft
96 SAUERLAND NR. 2/<strong>2008</strong><br />
PLATTDEUTSCH<br />
Nach Katalanisch zweitgrößte europäische Mundartsprache<br />
Der Beitritt Deutschlands zur Euro -<br />
päischen Charta der Regional- oder<br />
Mundartensprachen 1999 hat den Be -<br />
mühungen um die Erhaltung und Förderung<br />
des Plattdeutschen praktische und<br />
bildungspolitische Möglichkeiten eröffnet.<br />
Nach einem dpa-Bericht vom Oktober<br />
2007 hat der vor 5 Jahren gegründete<br />
„Bundesrat für Niederdeutsch“ ers -<br />
te Initiativen in dieser Richtung ergriffen.<br />
Er versteht sich als sprach-politische Vertretung<br />
der Plattdeutschen, deren Mundart<br />
„flächendeckend“ in Schleswig-Holstein,<br />
Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachen,<br />
Bremen und Hamburg sowie<br />
– in geringem Umfang – in Sachsen-Anhalt,<br />
Brandenburg und Nordrhein-Westfalen<br />
lebendig ist.<br />
Eine Niederdeutsch-Ausbildung an<br />
den Hochschulen (derzeit 100 Studen ten<br />
in Mecklenburg-Vorpommern) sowie der<br />
Kindertagesstätten-Erzieherinnen (200<br />
ebendort) entspricht der Überzeugung<br />
des Rates, dass „ohne Förderung im Bildungswesen,<br />
ohne Schriftsprache und<br />
Bücher ... heute in Europa eine Sprache<br />
nicht zu erhalten“ sei. So hat auch Schles -<br />
wig-Holstein dem Platt deutschen in der<br />
Lehrerbildung einen gebührenden Platz<br />
eingeräumt und Ham burg die Beschäftigung<br />
mit der Mundart in den Schulen verpflichtend<br />
gemacht. Dem „Bundesrat“<br />
zufolge sprechen in Nord deutschland 3,5<br />
bis 4 Millionen Men schen gut oder sehr<br />
gut Platt, in Meck lenburg-Vorpommern<br />
rund 50% der jungen Leute, mehr als<br />
noch vor 30 Jahren. Soweit dpa.<br />
Das Plattdeutsche gehört zur origi -<br />
nären und lange Zeit identitätsstiftenden<br />
Kultur unserer Region, in der aufwändige,<br />
denkmalschützende Maßnahmen vielerorts<br />
sichtbar und spürbar sind. Es wäre<br />
wünschenswert, wenn auch der Erhalt<br />
unserer Mundart den Status denkmalpflegerischer<br />
Bemühungen erhalten<br />
wür de. Ihn der Privatinitiative von Ver -<br />
einen, Arbeitskreisen und engagierten<br />
Einzelpersonen zu überlassen, reicht<br />
nicht aus und deutet auf das stille Einverständnis<br />
mit ihrem Aussterben. Daß wir<br />
politisch mit Nordrhein an einen z. T. anderen<br />
Sprachraum gebunden sind (und<br />
daher wohl kaum wie die Bür gerschaft<br />
Bremen vor ein paar Jahren unsere Landesverfassung<br />
ins Platt deut sche übersetzen<br />
können), sollte für unsere Volksvertreter<br />
kein Grund zur Resig nation sein,<br />
sondern sie doppelt zur Rettung der<br />
westfälischen und vor allem auch der<br />
sauerländischen Mundart anspornen.<br />
Von der jedenfalls 2004 ausschließlich<br />
mit Münsterländern besetzten „Fachstelle<br />
Niederdeutsche Sprachpfle ge“ haben<br />
uns m. E. bisher keine Impu l se erreicht.<br />
Vielleicht könnte die anstehende „Regionale“<br />
eine Chance eröffnen. Unabhängig<br />
davon aber sollten wir mit allen Mitteln<br />
den „Trägerverein Mundartarchiv<br />
<strong>Sauerland</strong>“ unterstützen, dessen gerade<br />
erschienenes Projekt „Unterrichtsmaterialien<br />
für die Primar stufe“, erstellt von<br />
Dr. Werner Beck mann und Herbert<br />
Grunwald, erste Schritte zur Einbeziehung<br />
des Platt deutschen in regional orientierte<br />
Bil dungsmöglichkeiten aufzeigt.<br />
Unver zicht bar in diesem Zusammenhang<br />
erscheinen mir die Anregungen,<br />
die Willy Knoppe in seiner an der Westfälischen<br />
Wilhelms-Universität Münster<br />
vorgelegten Dissertation zu Christine<br />
Koch erarbeitet hat („Un bey allem is<br />
wuat“. Orien tierungssuche in einer regionalen<br />
Sprach form. Eine literaturpädagogische<br />
Untersuchung zu den<br />
Werthaltungen in der niederdeutschen<br />
Lyrik von Christine Koch), Hrsg. Schie-<br />
von Manfred Raffenberg<br />
ferbergbau- und Hei matmuseum<br />
Schmallenberg-Holt hau sen, Cullivier-<br />
Verlag Göttingen 2005. Besprechung in<br />
„<strong>Sauerland</strong>“ Nr. 11 Juni 2006, S. 100-<br />
101. Wenn man weiter bedenkt, dass<br />
nach Erscheinen des Plattdeutschen<br />
Wörterbuchs für das Kurkölnische <strong>Sauerland</strong><br />
(1988) in den vergangenen 10 bis<br />
15 Jahren etliche regionalbestimmte<br />
plattdeutsche Wör ter bücher entstanden<br />
sind (u. a. für Bri lon, Rüthen, Belecke,<br />
Störmede, Gar feln Kreis Lippstadt,<br />
Schmallenberg-Grafschaft, Menden) und<br />
Peter Bürger gerade eine Geschichte der<br />
sauerländischen Mundart und ihrer „klassischen“<br />
Autoren erarbeitet hat (Strunzerdal,<br />
Die sauerländische Mundartliteratur<br />
des 19. Jahrhunderts und ihre Klassiker<br />
Friedrich Wilhelm Grimme und Joseph<br />
Pape, Maschinen- und Heimatmuseum<br />
Eslohe 2007), so darf man mit aller<br />
Vorsicht behaupten, dass die materiellen<br />
Voraussetzungen für die Förderung<br />
- und den Erhalt – der <strong>Sauerländer</strong> Mund -<br />
art durch Unterrichts- und Bildungs -<br />
programme nie günstiger gewesen sein<br />
dürften. Wo aber finden sich die bildungspolitischen<br />
und behördlichen Institutionen,<br />
die diese Chance ergreifen?<br />
Ausstellung mit<br />
Fotografien von<br />
Friedhelm Ackermann<br />
Einen kleinen Einblick in die über<br />
Jahrzehnte dauernde professionale Arbeit<br />
unseres vor drei Jahren verstor -<br />
bebenen Vorstandsmitgliedes gibt eine<br />
ständige Ausstellung mit wechselnden<br />
Motiven unter dem Titel „<strong>Sauerland</strong>-Impressionen“<br />
im Foyer des <strong>Sauerland</strong> -<br />
theaters in Arnsberg.<br />
Die Ausstellung kann an den jeweiligen<br />
Veranstaltungstagen ab eine Stunde<br />
vor Einlass besucht werden. Die Ausstellung<br />
wurde ermöglicht durch die Unterstützung<br />
des Arnsberger Heima t bundes,<br />
des Stadt- und Landstände archivs und<br />
der Familie Ackermann. Red.
SAUERLAND NR. 2/<strong>2008</strong> 97<br />
Plattdeutsch im <strong>Sauerland</strong><br />
Einsendungen zum Nachschlage -<br />
werk sind noch bis Ende Juli<br />
<strong>2008</strong> möglich<br />
Ende <strong>2008</strong> soll das Nachschlagewerk<br />
„Im reypen Koren“ zur sauerländischen<br />
Mundartliteratur erscheinen. Mit diesem<br />
Titel wird die seit 2006 im Druck vorgelegte<br />
dreiteilige Mundartliteratur-Reihe<br />
des Esloher Museums abgeschlossen.<br />
Das Werk konzentriert sich vor allem auf<br />
plattdeutsche Autoren/innen im „kölnischen“<br />
<strong>Sauerland</strong> (Kreis Olpe, Hoch -<br />
sauerlandkreis, Menden und Balve,<br />
Kreis Soest „südlich des Haarstrangs“).<br />
Im Rahmen eines Aufrufes von 1996 erreichten<br />
viele Einsendungen das Chr.-<br />
Koch-Mundartarchiv des Esloher Maschinen-<br />
und Heimatmuseums. Sie werden<br />
in dem Buchprojekt berücksichtigt.<br />
Bis Ende Juli <strong>2008</strong> sind jetzt auch<br />
noch letzte Nachträge möglich. Be -<br />
rücksichtigt werden:<br />
1. Örtliche Bibliografien bzw. Zu -<br />
sammenstellungen zu plattdeutschen<br />
Zeugnissen eines Ortes/Gemeinde -<br />
gebietes (aus Ortschroniken, Festschrif -<br />
ten, Dorfzeitungen, Gottesdienstheften,<br />
lokalen Archiven etc.). Von Interesse<br />
sind auch Hinweise auf veröffentlichte<br />
Tonträger.<br />
2. Ergänzungen zu schon bekannten<br />
Namen oder ganz neue Beiträge zu<br />
Mundartautoren (Lebensdaten, Bio -<br />
graphisches, Liste der Werke & Ver -<br />
öffentlichungen, Textproben, Por trät -<br />
foto). Erwünscht ist bei noch lebenden<br />
Autoren besonders auch eine Be -<br />
schreibung des eigenen Hinter grundes<br />
zum „Plattdeutsch-schreiben“ (dazu<br />
kann ein Fragebogen angefordert werden).<br />
3. Mitteilungen zum Sprachstand vor<br />
Ort: Wer spricht im jeweiligen Dorf<br />
noch Platt? Welche Initiativen/Gruppen<br />
kümmern sich um „Plattdeutsches“?<br />
Kontaktadressen für Einsendungen zum „Nachschlagewerk<br />
Plattdeutsch“: Chr.-Koch-Mundartarchiv am<br />
Museum Eslohe – oder direkt an: Peter Bürger, Kiefernstraße<br />
33, 40233 Düsseldorf, Email peter@friedensbilder.de<br />
Pressekontakt : Christine-Koch-Mundartarchiv am<br />
Maschinen- und Heimatmuseum Eslohe<br />
c./o. Peter Bürger, Kiefernstr. 33, 40233 Düsseldorf<br />
Tel. 02 11-67 84 59 – Mailkontakt peter@friedens -<br />
bilder.de<br />
BÜCHER SCHRIFTTUM<br />
An Ruhr, Valme und Elpe<br />
Heimatkundliche Beiträge aus den<br />
Dörfern der Gemeinde Bestwig<br />
2. Ausgabe Dezember 2007. Schwester<br />
T. Lehmeier / Dr. U. Bock: 200 Jahre<br />
Schwestern der hl. Mag dalena Postel /<br />
30 Jahre Bergkloster Bestwig. F. Schroeder:<br />
Von Giersdorf in Schlesien nach<br />
Ramsbeck in Westfalen. S. Haas: Die Kapelle<br />
St. Peter und Paul in Berlar. Dr. W.<br />
Kuhne: „Kärreken“ versteigerte den<br />
Hahn. H. Assmann: 100 Jahre katholischer<br />
Kindergarten in Velmede. D. Finke:<br />
Titan – Aluminium – Feinguß GmbH,<br />
Bestwig. F. Schroeder: „Duarp-Schützenfest“<br />
in Ramsbeck. W. Hohmann / A.<br />
Wegener: Nuttlar – Industriegeschichte im<br />
oberen Ruhrtal. S. Haas: Rätselhafte<br />
Mauerreste an der Plästerlegge. W. Gödde:<br />
Die Dreifal tigkeitskapelle in Velmede.<br />
R. Schmidt mann: Prof. Dr. Dr. Gottfried<br />
Hoberg. Dr. D. Hegemann: Som -<br />
mergedicht. F. Schroeder: Kaiser Wil helm<br />
I. – Ein Denkmal für Ramsbeck. P. Mengelers:<br />
„Kyrill“ und seine nachhaltigen<br />
Aus wir kungen innerhalb der Ge meinde<br />
Best wig. S. Haas: Rekul tivierung des<br />
Schlamm teiches bei Andreasberg. F.-E.<br />
Prein: Ramsbecker und Bestwiger Apo -<br />
thekengeschichte. E. Dünschede: Wahl -<br />
fieber bei Velmede-Bestwigs Kickern. R.<br />
Römer: Zigar renherstellung in Velmede.<br />
Herausgeber: <strong>Heimatbund</strong> der Gemeinde Bestwig e. V.<br />
De Fitterkiste<br />
Geschichtliches aus Winterberg<br />
und seinen Dörfern<br />
Band 16 Ausgabe 2007. Msgr. Dr. W.<br />
Kuhne: 725 Jahre Silbach Unsere Heimat<br />
– unser Reichtum. P. Aust: Traditionen<br />
reichen bis ins 18. Jahrhundert – Fahnengesellschaften<br />
sind die ältesten Vereine<br />
im Stadtgebiet Winterbergs. G. Bartz:<br />
Feldkreuze und Bildstöcke in der Winterberger<br />
Flur (Teil 2). R. Ahlers: Eisenzeitliche<br />
Funde aus Siedlinghausen-Altenfeld.<br />
J. Schmidt: Der „Erdmannsche Graben“<br />
Geschichte eines Grenzgrabens. Dr. W.<br />
Herold: Wüstung „Neuer Hagen“ als geschützte<br />
Bodendenkmale – Vorstellung<br />
der Do kumentationstafel am 20. 5.<br />
2007. Dr. F. Opes: Auf geschichtlicher<br />
Spu rensuche in Nordwaldeck – Bericht<br />
über die Tagesfahrt des HGV. E. Stahl -<br />
schmidt: Das Grönebacher Steinzeitbeil.<br />
U. Lange: Von Steinhelle nach Medeach<br />
– Ein Fuß- und Radwanderweg auf den<br />
Spuren der ehemaligen Kleinbahn Steinhelle-Medebach.<br />
C. Caspari: Die richtige<br />
Quelle der Namenlose. D. Huhne, Dr. F.<br />
Opes: Ein Kaufvertrag von 1767 oder:<br />
Wie Johannes Lauber der jüngere Mitbesitzer<br />
von „Bürgers“ in Hoheleye wurde.<br />
A. Hitzegrad: Weih nachtsgeschichten aus<br />
schwerer Zeit – Feldpostbriefe aus dem<br />
Zweiten Welt krieg. A. Kießler: Alte Grönebacher<br />
Hausnamen. R. Braun: Sprechen<br />
Sie „Denglisch“? ... oder der zeitgemäße<br />
Umgang mit der deutschen Sprache.<br />
H. Dinklage: Das Wetter 2006.<br />
Herausgeber: Heimat- und Geschichtsverein Winterberg<br />
e. V.
98 SAUERLAND NR. 2/<strong>2008</strong><br />
Der Schwammklöpper<br />
Fredeburger Heimatblätter<br />
19/<strong>2008</strong> H. Gierse: Zum Geleit. U.<br />
Mertens: Geomatie in Bad Fredeburg.<br />
G. Schulte: Antoniusdienstage in Fre -<br />
deburg – eine vergessene fromme Stiftung.<br />
H. Gierse: Kurze Winter freuden in<br />
den sechziger Jahren – Sprungschanze<br />
im Januar 1967 eingeweiht. E. Hölscher:<br />
Weichnachten im Schnee? Ein<br />
alljährlich diskutiertes Thema. E. Hölscher:<br />
Der Orkan Kyrill – Auswirkungen<br />
auf Wald und Wan derwege. M. Hagedorn:<br />
Die Frede burger Schriftenreihe. J.<br />
Amelunxen: Meyn Görken. H. Gierse:<br />
Ein Hauch von Poesie aus alter Zeit. H.<br />
Gierse: 200 Jahre Zeitreise. Es geschah<br />
vor ....G. Schulte: Ausgegraben. H.<br />
Gierse: Über Ziegenzucht und mehr -<br />
Mescheder Zeitung vom 12. Juli 1901.<br />
H. Gierse: Architekt Joseph Lehmenkühler<br />
– Arbeiten von 1910-1930<br />
in Fredeburg. H. Gierse: Abbruch der alten<br />
Pfarrkirche 1932. Kirchenvorstand:<br />
Außenre novierung der St.-Georg-Pfarrkirche<br />
in Bad Fredeburg 2007. U.<br />
Schüttler: Fahne Mariens 1917. M.<br />
Schüttler: Pater Friedrich Vogt-Sasse –<br />
Missionar in Südamerika. G. Schulte:<br />
Pater Schneider – Erinnerungen an einen<br />
Seelsorger. C. Fromme: Rückblick<br />
Firmvorbereitungen 2007. Sr. M. A.<br />
Lingemann MSC: Jugend gegen Auftritte<br />
der SA in Fredeburg – Episoden aus<br />
längst vergangener Zeit. H. Gierse: Ein<br />
frohes Wiedersehen in der Heimat –<br />
Schuljahrgänge 1906/07 und<br />
1907/08 Treffen vor 50 Jahren. W.<br />
Schultz: Spuren einer Schule ... Redaktion:<br />
Bad Fredeburg hat keine Hauptschule<br />
mehr. G. Schulte: Pädagogium –<br />
Mungenas – Geschichte und Entwicklung<br />
1947 – 1967. Redaktion: Sozialwerk<br />
St. Georg übernimmt Internat. H.<br />
Gierse: „Foto-Rahmen“ im Rudolf-<br />
Becker-Park. H. Gierse: Es tut sich was<br />
in Fredeburg. S. Hennecke + A. Vogt:<br />
Einradclub – Die Gummibärchen aus<br />
Rädern. C. Schüttler: Jugendrotkreis<br />
Bad Fre deburg. B. Linn: 175 Jahre St.<br />
Georg-Schützenbruderschaft 1832 e. V.<br />
Fredeburg. B. Siepe: 60 Jahre Drogerie-Parfümerie-Foto<br />
Siepe. J.-G. Pollmann:<br />
Kriegsgefangene im <strong>Sauerland</strong><br />
1914-1918 – Eine Beitrag zur Stadtgeschichte<br />
von Fredeburg. St. M. A. Lin-<br />
gemann MSC: Parallelen. U. Schüttler:<br />
Bad Fredeburg im Rückblick.<br />
Hrsg. vom „Arbeitskreis Heimat“ der S. G. V. Abteilung<br />
Bad Fredeburg 14, 57392 Schmallenberg<br />
Südsauerland Heimatstimmen<br />
aus dem Kreis Olpe.<br />
4/2007 Folge 229. S. Falk: Le -<br />
bensphasen – gestern und heute: das Alter.<br />
R. Kirsch-Stracke: Ein Wort vorneweg.<br />
M. Baales: 25 Jahre Archäologie in<br />
Olpe. G. Isenberg: Die Wüste lebt ...<br />
Festvortrag aus Anlass des 25jährigen<br />
Bestehens der Außenstelle Olpe der<br />
LWL-Archäologie für Westfalen am 25.<br />
August 2007 im Rathaus in Olpe. A.<br />
Zembala: Ein neues St.-Martinus-Denkmal<br />
für Olpe. O. Höffer: Funde und Hinweise<br />
aus dem Archiv des Freiherrn von<br />
Fürstenberg-Herdringen (Teil 14). D.<br />
Clemens: Der Flugplatz Hünsborn –<br />
mehr als 50 Jahre lebendige Geschichte<br />
(Teil 1). M. Köster: Er war dann mal weg<br />
– Ein mittelalterlicher Jakobspilger aus<br />
Attendorn und was er uns heute noch erzählen<br />
kann. M. Cordes und R. Kirsch-<br />
Stracke: Die Imkerei im Kreis Olpe – Unterlagen<br />
gesucht! E. Hoberg: Weihnachtszeit<br />
in Oberveischede vor 60 Jahren<br />
und früher. D. Tröps: Vor 65 Jahren<br />
– Letzte Nachricht eines Finnen tropers<br />
aus Stalingrad Weih nachten 1942. D.<br />
Tröps: Mitglie derversammlung 2007 des<br />
Kreis heimatbundes Olpe e. V. H.-W.<br />
Voß: Heimatchronik vom 1. Juli 2007<br />
bis 30. September. Buchbe -<br />
sprechungen. Neu erscheinungen in der<br />
„Schriften reihe des Kreises Olpe“. Anschriften<br />
der Mitarbeiter, Termine.<br />
Hrsg. vom Kreisheimatbund Olpe e. V., Geschäfts -<br />
stelle: Kreisarchiv Olpe, Danziger Straße, 57462 Olpe,<br />
Tel.: 0 27 61/81-5 42<br />
Südsauerland - Heimatstimmen<br />
aus dem Kreis<br />
Olpe<br />
1/<strong>2008</strong> Folge 230. S. Falk: Feier -<br />
abend: Freizeit und Muße - gestern und<br />
heute: das Alter. R. Kirsch-Stracke: Ein<br />
Wort vorneweg. M. Ohm und M. Schulte-Brinker:<br />
Rehringhausen: Bun -<br />
desgolddorf 2007 in NRW. Ein Dorf auf<br />
Erfolgskurs. R. Rottwinkel: LANDRAT –<br />
Kunst am Wanderweg. B. Reißner: Förderpreis<br />
des Landschaftsverbandes<br />
Westfalen-Lippe (LWL) für Günther Becker.<br />
Ein Interview mit dem Preis träger.<br />
M. Vormberg: Paul Josef Cordes – der<br />
Kardinal aus Kirchhundem. H.-J. Beckmann:<br />
Der 100. Geburtstag von Pfarrer<br />
i. R. Josef Löcker. W. Acker schrott:<br />
Edith Jung †. M. Vormberg: Karl-Josef<br />
Luster-Haggeney †. U. Selter: Sportgeschichte(n).<br />
Bobfahrer Dieter Hundt aus<br />
Attendorn. O. Höffer: Funde und Hinweise<br />
aus dem Archiv des Freiherrn von<br />
Fürstenberg, Herdringen (Teil 15). Aufgezeichnet<br />
von G. Baumhoff, mitgeteilt<br />
von S. Falk: Vater kommt wieder. Erlebnisse<br />
und Rückkehr des Gefreiten Josef<br />
Baumhoff nach Röllecken. D. Clemens:<br />
Der Flugplatz Hünsborn – mehr als 50<br />
Jahre lebendige Geschichte (Teil 2). H.-<br />
W. Voß: Heimatchronik vom 1. Oktober<br />
2007 bis 31. Dezember 2007. D.<br />
Tröps: Neuerscheinungen des Jahres<br />
2007 (mit Nachträgen aus früheren Jahren).<br />
Hrsg. vom Kreisheimatbund Olpe e. V., Geschäfts -<br />
stelle: Kreisarchiv Olpe, Danziger Straße, 57462 Olpe,<br />
Tel.: 0 27 61/81-5 42<br />
800 Jahre Uentrop –<br />
Ein Buch zur Geschichte des Dorfes<br />
und der Mark Uentrop<br />
Was ein kleiner <strong>Sauerländer</strong> Ort auf<br />
die Beine stellen kann, zeigte das Ortsjubiläum<br />
des heutigen Arnsberger Stadtteils<br />
Uentrop. Über die Jubilä -<br />
umsfeierlichkeiten im Oktober 2007 hinaus<br />
zeugt die 225 Seiten starke Chronik<br />
„800 Jahre Uentrop – Ein Buch zur<br />
Geschichte des Dorfes und der Mark<br />
Uentrop“ davon. Das reich bebilderte<br />
und vom Arbeitskreis „800 Jahre Uentrop“<br />
herausgegebene Buch gliedert<br />
sich in die vier Bereiche Ursprung, Entwicklung,<br />
dörfliches Umfeld und Dorfleben.<br />
Es vermittelt einen gelungenen Einblick<br />
in die Geschichte und Gegenwart<br />
des Gemeindelebens an der Ruhr. Ein<br />
Band, der zum Lesen, Be trachten und<br />
Schmökern einlädt und das gekonnte<br />
Layout unseres verdienstvollen Heimatfreundes<br />
und Vor stands kollegen des<br />
SHB Hans Wevering verrät. Es ist zum<br />
Preis von 20,– EURO bei Fritz Vetter,<br />
Dorfstraße 30, 59823 Arnsberg, Tel.<br />
0 29 31/1 06 78 zu erwerben.<br />
Michael Schmitt
SAUERLAND NR. 2/<strong>2008</strong> 99<br />
Das Haarmännchen –<br />
Sagen aus der Region<br />
um Haar und Möhne<br />
Auf der Grundlage der Original-<br />
Sammlung des Rüthener Ehrenbürgers<br />
Eberhard Henneböle (1891-1979) gab<br />
nun Ulrich Grun den fast 100 Seiten<br />
umfassenden Band „Das Haarmännchen<br />
– Sagen aus der Region um Haar<br />
und Möhne“ heraus und ergänzte ihn<br />
um weitere Werke. Das schwarz-weiß<br />
bebilderte Lesebuch zieht einen regional<br />
weiten Kreis über das Rüthener Stadtgebiet<br />
hinaus. Ein Ortsverzeichnis hilft dabei<br />
dem interessierten Leser, es sich<br />
auch unter diesem Gesichtspunkt zu erschließen.<br />
Eine schöne Lektüre, die den<br />
Sagenschatz des nördlichen Sauer lan -<br />
des, der Haar- und Hellweggegend bis<br />
ins Paderborner Land erschließt sowie<br />
das Andenken an den verdienstvollen<br />
langjährigen Schulrektor und Heimat -<br />
freund Henneböle wach hält. Der Erlös<br />
kommt obendrein der Schönstätter Afri -<br />
ka-Mission zugute. Das im Geiger verlag<br />
in Horb am Neckar erschienene Buch<br />
(ISBN 978-3-86595-229-5) ist zum<br />
Preis von 16,50 EURO zu erwerben.<br />
Michael Schmitt<br />
Vögel am Möhnesee<br />
Die Möhnetalsperre ist das größte<br />
westfälische Gewässer und ein besonders<br />
beliebtes Touristenziel unseres Raumes.<br />
Besucherscharen bevölkern die<br />
Seeufer an Sommerwochenenden und<br />
Wassersportfreunde finden hier immer<br />
reizvolle Möglichkeiten für ihre Aktivitäten.<br />
Nur wenige wissen aber, dass der<br />
Möhnesee auch ein Wasser -<br />
vogelparadies ist, für sie ein Winter -<br />
quartier und ein Rastplatz von sogar internationaler<br />
Bedeutung. Das erfahren<br />
wir von dem Ehepaar Wilfried und Ursula<br />
Stichmann, seit mehr als 50 Jahren<br />
ausgewiesene Beobachter und Kenner<br />
der Vogelwelt am Möhnesee. Sie haben<br />
darüber im Februar <strong>2008</strong> ein handliches<br />
Bändchen mit dem Titel: „Der Möhnesee.<br />
Ein Wasservogelpara dies im Wandel<br />
der Zeit“ veröffentlicht, eindrucksvoll<br />
bebildert von dem Tier fotograf Bernd<br />
Stemmer. Für vogelkundlich Interessierte<br />
bietet das kleine Buch eine enorme<br />
Fülle von Informationen, hier können<br />
nur wenige Daten festgehalten werden,<br />
um einen ersten Ein druck zu vermitteln.<br />
Wer weiß schon, dass in jedem Winterhalbjahr<br />
zwischen 5000 und 10 000<br />
Wasservögel auf dem Möhnesee weilen,<br />
die vielen Tausend Möwen gar nicht mitgerechnet.<br />
Über die sechs häufigsten<br />
Arten wird in einem eigenen Abschnitt<br />
(S. 23-37) referiert, besonders bemerkenswert<br />
dabei der Haubentaucher, ein<br />
Charaktervogel der Talsperre. Weitere<br />
Abschnitte widmen die Verfasser den<br />
„Neuan kömmlingen und Gewinnern“<br />
(S. 37-49) und den „Verlierern“ (S. 49-<br />
56) bei den mehr als 60 an Wasser gebundenen<br />
Vogelarten. Zu den „Neuankömm<br />
lingen“ wird z. B. der Kormoran<br />
gezählt, bis 1990 hier eher selten, inzwischen<br />
konzentrieren sich – so die Verfasser<br />
– in den Sommer monaten bis zu<br />
1400 Kormorane auf dem See, nicht<br />
zur Freude der Berufs fischer und Angler,<br />
denn sie sind unersättliche Raubfischer.<br />
Mittlerweile sind nun „Vergrä -<br />
mungsmaßnahmen“ eingeführt worden.<br />
Der Ruhrverband verzichtet zwar auf<br />
den Einsatz von Schuss waffen, versucht<br />
jetzt jedoch das Aus ufern der Bestände<br />
an ihren Schlaf plätzen in den Bäumen<br />
am Seeufer naturschutzverträglich zu<br />
unterbinden. Wie er das schafft, wird<br />
nicht geschildert. Unter den „Verlierern“<br />
sei hier der Singschwan genannt,<br />
der früher ein Wintergast der Talsperre<br />
war, inzwischen aber ausbleibt. Als<br />
Grund werden die letzten milden Winter<br />
vermutet, nun können die Schwäne<br />
schon in nördlicheren Gebieten die kalte<br />
Jahreszeit verbringen. Diese möglichen<br />
Anzeichen des Klimawandels mögen<br />
auch Ursache für das Ausbleiben<br />
anderer Wasservögel sein.<br />
Als „Kostbarkeiten für Kenner“ werden<br />
nur gelegentlich auftauchende gefiederte<br />
Besucher vorgeführt, die regelmäßiger<br />
an der Nord- und Ostsee leben<br />
wie die Eiderenten oder nordische See -<br />
taucher, außerdem die Silberreiher und<br />
sogar Kraniche. Nicht nur auf die kleinen<br />
Bachbewohner wie Wasseramsel<br />
und Eisvogel wird verwiesen, auch Vier -<br />
beiner, die in der Uferregion auftauchen,<br />
sind erwähnt. Abschließend erfolgt<br />
eine Übersicht „Wie sich das Bild<br />
veränderte“, wobei u. a. die Zunahme<br />
der Diver sität betont wird, also gegenüber<br />
der bis vor 30 Jahren bestehenden<br />
Einseitigkeit der Stockenten sind nun die<br />
Anteile anderer Vogelarten viel ausgeglichener.<br />
Diese Veränderung wird auch in<br />
einer optischen Darstellung (S. 80) gut<br />
veranschaulicht, wie überhaupt die didaktische<br />
Gestaltung insgesamt sehr gelungen<br />
ist, nicht nur in der allgemeinen<br />
Ver ständ lichkeit der Sprache, sondern<br />
auch durch die zahlreichen Diagramme<br />
der Bestandsentwicklung und die ausführliche<br />
Karte aller erwähnten Örtlichkeiten<br />
in dem aufklappbaren Buch -<br />
deckel. Auch das pädagogische Bemü -<br />
hen ist ausgeprägt: Die Leser werden zu<br />
eigenen Be obachtungen angeregt und<br />
immer wieder aufgefordert, durch verantwortungsvolles<br />
Verhalten die „paradiesische“<br />
Zu kunft für die Vogelwelt des<br />
Möhnesees zu sichern.<br />
Man wünscht das mit spürbarer Liebe<br />
und Kennerschaft geschriebene Buch in<br />
die Hand jedes Naturfreundes, der sich<br />
zu einem Besuch der Möhnetalsperre<br />
aufmacht. Dr. Erika Richter<br />
Wilfried Stichmann und Ursula Stichmann-Marny:<br />
Der Möhnesee - Ein Wasservogel-Paradies im Wandel<br />
der Zeit, erhältlich im Buchhandel oder beim<br />
Heimatverein Möhnesee, Postfach 59, 59519 Möhnesee,<br />
84 S., 6,80 Euro .<br />
Das adlige Kanonissenstift<br />
zu Geseke<br />
Im Januar <strong>2008</strong> wurde in Geseke als<br />
50. Band in der vom Max-Planck-Institut<br />
für Geschichte in Göttingen herausgegebenen<br />
renommierten Reihe Germania<br />
Sacra die Geschichte des Geseker<br />
adligen-freiweltlich-kaiserlichen Damenstifts<br />
vorgestellt. Erstmals liegt damit<br />
eine lange überfällige Monographie<br />
über das Geseker Stift vor. Sie umfasst<br />
die Ge schichte dieser historischen Einrichtung<br />
im Köln-Paderborner Grenzraum<br />
von ihrer Gründung in der Mitte<br />
des 10. Jahr hunderts über die sich lange<br />
hinziehende faktische Auflösung<br />
durch die Verei nigung mit dem Stift<br />
Keppel im Siegerland im Zuge der Säkularisation<br />
im 19. Jahrhundert bis zu den<br />
in Folge der Umwandlung entstandenen<br />
Rechtsstrei tigkeiten des 20. Jahrhunderts.<br />
Der historischen Übersicht über<br />
die Entwick lung des 946 vom sächsischen<br />
Edlen Haold und seinen Geschwistern<br />
gestifteten und in den Anfängen<br />
durch kaiserliche Protektion geförderten<br />
Frauen-Instituts klösterlich-stän-
100 SAUERLAND NR. 2/<strong>2008</strong><br />
discher Prägung gehen zwei Kapitel voraus,<br />
in denen die umfangreichen<br />
schriftlichen Quellen, die bisher erschienene<br />
Literatur, die baulichen und künstlerischen<br />
Denkmäler sowie das vormalige<br />
Stiftsarchiv samt seiner Bibliothek gewürdigt<br />
werden. Die Kapitel 4 bis 6 widmen<br />
sich der inneren Verfassung einschließlich<br />
des Verhält nisses zum Landesherrn,<br />
zum Bischof und zu den Vögten,<br />
der Beschreibung der Ämter, der<br />
Zuordnung der Stifts kleriker zum Frauenkapitel,<br />
dem religiösen und geistigen<br />
Leben sowie der Besitzgeschichte. Das<br />
letzte Kapitel präsentiert mit zahlreichen<br />
Informationen angereicherte Personallisten.<br />
Durchge hend quellenmäßig fundiert<br />
werden alle Bereiche des stiftischen<br />
Lebens erstmals in einer differenzierten<br />
Gesamtschau erfasst und in ihrer<br />
Entwicklung und Veränderung nachgezeichnet.<br />
In den Personallisten werden<br />
ebenso zum ersten Mal alle in den Archivalien<br />
des Stiftes fassbaren Kanonissen<br />
mit ihren jeweiligen Funktionen aufgelistet.<br />
Nach Ein schätzung des Autors<br />
stammten sie bis zum Beginn des 19.<br />
Jahrhunderts zu gleichen Teilen aus den<br />
landständischen Adelsfamilien des Herzogtums<br />
Westfalen und des Fürstbistums<br />
Paderborn. Auch alle Pfarrer, Kanoniker<br />
und Benefiziaten der Stiftskirche, die<br />
von der Äbtissin ebenfalls berufenen<br />
Pfarrer der Geseker Stadtkirche St. Petri,<br />
die Verwaltungs beamten, Küster, Organisten<br />
und sogar die Stiftsbäcker werden<br />
in biographischen Skizzen vorgestellt.<br />
Tabellen und Übersichten über die<br />
im 18. Jahrhundert gefeierten liturgischen<br />
Fest- und Ge denktage (S. 194ff)<br />
und Memorien (S. 220ff) oder den weitgestreuten<br />
Besitz in und außerhalb Gesekes<br />
(S. 265ff) ergänzen die Ausführungen.<br />
Das Buch lebt von der beeindruckenden<br />
Fülle an Detailinformation, die<br />
der Autor bei der Durcharbeitung der<br />
Archivalien des ehemaligen Stiftsarchivs<br />
gewonnen hat, welche die Lesbarkeit jedoch<br />
in keiner Weise beeinträchtigen.<br />
Da das Buch den Anspruch eines<br />
Standardwerkes erhebt, muss es sich<br />
Rückfragen, Anmerkungen und Hin -<br />
weise auf Fehlstellen gefallen lassen.<br />
Im Vorwort startet der Autor mit der<br />
Diskussion preußischer Beamter über<br />
die zukünftige Nutzung des Stiftsbesitzes<br />
(S. V-VI). Bereits hier drängt sich der<br />
Eindruck auf, der Autor schaue auf das<br />
Stift mit den Augen der nach der Nütz -<br />
lichkeit solcher Einrichtungen fragenden<br />
Spätaufklärer, die kein Verständnis für<br />
klösterlich geprägtes Leben, die Pflege<br />
von Familientraditionen in gottesdienstlicher<br />
Gestalt sowie die Selbstverwaltung<br />
von durch emanzipierte Frauen geleiteten<br />
und verantworteten Einrichtungen<br />
zeigten. Ausdrücklich verneint der<br />
Autor im Blick auf die Auflösung des<br />
Stifts sowohl eine Beutegier als auch antikirchliche<br />
Tendenzen der neuen Landes<br />
herren. Vielmehr hätten die Umstände<br />
im Damenstift, die kaum zu beobachtende<br />
Gemeinschaft im Chordienst sowie<br />
die unübersichtliche Verwaltung der<br />
Güter und Kapitalien das Eingreifen der<br />
preußischen Beamten beschleunigt (S.<br />
106). Hier wird Geschichte aus der Sicht<br />
der „Sieger“ geschrieben. Denn wer anders<br />
als die neuen Landesherren haben<br />
dem katholischen Stift, das sich zuvor<br />
weitgehend eigenständig ergänzte, protestantische<br />
Damen aufgezwungen, die<br />
verständlicherweise kein Interesse an<br />
katholischer Liturgie zeigten? Wer anders<br />
als die fortschrittlichen preußischen<br />
Beamten haben durch massive Eingriffe<br />
dafür gesorgt, dass der Besitz schließlich<br />
im Moloch des Staatsfiskus unterging?<br />
Keine der hehren Vorstellungen von einer<br />
nützlichen Verwendung des Besitzes<br />
und der Einkünfte des Stiftes erwies sich<br />
als tragfähig. Geschweige denn, dass die<br />
neuen Herren auf die Idee gekommen<br />
wären, die letzte Äbtissin Bernhardine<br />
von Plettenberg-Lenhausen oder die<br />
letzten katholischen Stiftsdamen aktiv in<br />
ihre Überlegungen zur Modernisierung<br />
und Umwandlung einzubeziehen. Tapfer<br />
leisteten sie und insbesondere die<br />
Äbtissin nicht nur Widerstand gegen die<br />
darmstädtische und später preußische<br />
Macht, sondern legten zugleich konkrete<br />
Gegenvorschläge vor, die geeignet<br />
waren, die Effizienz vieler Abläufe zu<br />
steigern. Was die Stiftsdamen über 850<br />
Jahre souverän und erfolgreich zu verwalten,<br />
zu erhalten und zu vermehren<br />
mochten, zerschlug die aufgeklärte Moderne<br />
in kürzester Zeit. Zudem fällt auf,<br />
wie der Autor den vom Duktus der Aufklärung<br />
geprägten Berichten des gegen<br />
das Recht und den Willen der Äbtissin<br />
durch die Darmstädter Regierung eingesetzten<br />
Geseker Siftspfarrers Franz Kösters<br />
(1808-1818) aus Rüthen unkritisch<br />
Glauben schenkt, der sich ausschließlich<br />
negativ über die Zustände im Stift äußerte,<br />
vehement Veränderungen einforderte<br />
und durchzusetzen versuchte. Dass<br />
Franz Kösters für seinen unangemessenen<br />
Reform-Elan von den kirchlichen<br />
Autoritäten streng gemaßregelt wurde<br />
und auch staatlicherseits keine Resonanz<br />
fand, verschweigt der Autor hingegen.<br />
Wie ein roter Faden durchzieht das<br />
Buch die Vorstellung, das Stift habe sich<br />
stets im Niedergang befunden und nur<br />
mühsam durch die Zeiten retten können.<br />
Besonders deutlich zeige sich dies<br />
im Bereich des religiösen Lebens, das<br />
von Aberglaube, Selbstdarstellung und<br />
Strei tigkeiten um den Vorrang bei Prozes<br />
sionen wie der mit dem Gnadenbild<br />
aus Verne gekennzeichnet gewesen sei.<br />
Sind die Stiftung der neuen spätbarocken<br />
Altäre (1727-1731) aus der Werkstatt<br />
von Christophel Papen und die<br />
Schaffung der großformatigen illustrierten,<br />
für den Damenchor gestifteten<br />
Stundenbücher im 18. Jahrhundert<br />
nicht als Zeugnis vitaler Wertschätzung<br />
und Aufmerksamkeit zu deuten, die gerade<br />
dem liturgischen Dienst im 18.<br />
Jahr hundert entgegengebracht wurde?<br />
Dazu passt, dass man in der Rubrik<br />
„Per sonallisten“ vergeblich nach einer<br />
Auf stellung der Psalterleserinnen sucht,<br />
die abwesende Stiftsdamen zu vertreten<br />
hatten, damit das Stundengebet keine<br />
Einbuße erlitt. Es mag an schriftlichen<br />
Belegen mangeln, doch wäre eine Annäherung<br />
an die Frage wünschenswert<br />
gewesen, wie die im Stift den jungen Damen<br />
vermittelte adelige Erzie hung dazu<br />
beitrug, das ständische weibliche Selbstbewusstsein<br />
zu prägen und zu stärken.<br />
Auch die Akzente in der Behandlung der<br />
Matrizitätsfrage, d. h. der Abhängigkeit<br />
der Geseker Stadt kirche vom Stift und<br />
der sich daraus ergebenden Rang- und<br />
Ordnungsstrei tigkeiten zwischen den<br />
Autoritäten des Stifts und der Zivilgemeinde<br />
bzw. den Geistlichen der Stiftsund<br />
Stadtkirche, die sich insbesondere<br />
bei Prozessionen zeigte, verstellen den<br />
Blick für die nicht behandelte Frage, wie<br />
die Stadt politisch, wirtschaftlich und<br />
kulturell vom Stift profitierte.<br />
Aufgrund der Fülle der verarbeiteten<br />
Daten sind zahlreiche Details der Aufmerksamkeit<br />
des Autors entgangen. Bei
SAUERLAND NR. 2/<strong>2008</strong> 101<br />
der Bestandserhebung der Archi valien<br />
hat er 17 Urkunden aus der Zeit von<br />
1450 bis 1902 aus dem Archiv des<br />
Stiftspfarramtes zwar als ehemals vorhanden<br />
wahrgenommen, aber nicht registriert,<br />
dass sie seit 1974 als Depo -<br />
situm im Erzbistumsarchiv Paderborn lagern<br />
(S. 56). Dort befinden sich auch 13<br />
ebenfalls nicht genannte und genutzte<br />
Originalurkunden, die zwischen 1277<br />
und 1591 ausgestellt wurden, heute<br />
dem Pfarrarchiv der Pfarrei St. Heinrich<br />
und Kunigunde, Paderborn-Schloss<br />
Neuhaus angehören, aber aus dem Archiv<br />
der Geseker Stiftspfarrei stammen<br />
dürften (Michael Pavlicic, Geseker Urkunden<br />
im Archiv der Pfarrgemeinde St.<br />
Heinrich und Kunigunde Schloss Neuhaus,<br />
Ge seker Heimatblätter, Nr. 419,<br />
S. 121-124). Im Erzbistumsarchiv Paderborn<br />
lassen sich auch 17 (nicht 13)<br />
Bände der Kirchenbücher der Stiftspfarrei<br />
von 1621 bis 1860/1862 (und nicht<br />
1826) einsehen (S. 3 u. 56). Vergeblich<br />
sucht man in der Aufstellung der Äbtissinnen<br />
den Namen der 1501 testierenden<br />
Mette von Berninchus, auf die Michael<br />
Streit 2004 in den Geseker Heimat<br />
blättern (Nr. 456, S. 19f) aufmerksam<br />
gemacht hat. Außer den genannten<br />
Beiträgen fehlen weitere im Litera -<br />
turverzeichnis. Beispielhaft seien hier<br />
angeführt die Artikel von Hermann Hinteler,<br />
zum Thema Geseker „Stifts -<br />
damen“: Kleidung und Insignien, (Gese -<br />
ker Heimatblätter, Nr. 358, S. 113-115)<br />
und: Ein Gitter aus der Geseker Stifts -<br />
kirche in Kassel (Geseker Heimatblätter,<br />
Nr. 372, S. 227-228) sowie von Alexan -<br />
der Arens: Über die Entstehung des<br />
Münzrechts der Geseker Äbtissin in der<br />
älteren Heimatforschung (Geseker Heimatblätter,<br />
Nr. 325, S. 89-90), wiewohl<br />
das letzte Thema behandelt wird (S.<br />
149). Wünschenswert gewesen wäre<br />
auch die Abbildung einer Stiftsdame.<br />
Ein Beispiel führt Evelyn Richter 2004<br />
in den Hinweisen und Mitteilungen der<br />
Geseker Heimatblätter (Nr. 454, S. 8)<br />
an. Im Sakramentshaus der Stiftskirche<br />
befindet sich heute eine Kreuzreliquie,<br />
von der der Autor offen lassen musste,<br />
ob sie schon zur Ausstattung der Kirche<br />
zu stiftischer Zeit gehörte (S. 28). Tat -<br />
sächlich ist die Reliquie eine private<br />
Leihgabe eines ehemaligen Gesekers.<br />
Die Vornamen des Stifters der 1703-<br />
1705 errichteten Geseker Maria-Hilf-<br />
Kapelle, Dr. theol. Brüll, werden mit<br />
Gerhard Jodokus wiedergegeben, obwohl<br />
er Bernhard Jodokus hieß (S. 39),<br />
und die Namen in zahllosen Artikeln<br />
nicht nur der Geseker Heimatblätter<br />
leicht nachzulesen sind. 1791 soll sich<br />
der Organist Ignatius Siebeneicher „an<br />
dem Judenkind Heinemann Nathan vergangen“<br />
(S. 460) haben. Die als Quelle<br />
angeführte Akte 326 aus dem Bestand<br />
des Stiftsarchivs im Staatsarchiv Münster<br />
nennt hierfür nicht einmal einen Verdacht.<br />
Unverständlich ist schließlich,<br />
dass die Namen der Mitarbeiterin im<br />
Pfarrbüro der Stiftsgemeinde sowie des<br />
Mitarbeiters im Erzbistumsarchiv Pader -<br />
born, bei denen sich der Autor im Vorwort<br />
bedankt, in falscher Schreib weise<br />
wiedergegeben werden. Richtig zustellen<br />
ist weiterhin, dass Pfarrer Gerald Haringhaus<br />
bereits 2001 mit den Aufgaben<br />
eines Pfarrverwalters der Stiftspfarrei<br />
betraut wurde und diese Funktion nicht<br />
erst seit 2003 ausfüllt (S. VIII). Die angeführten<br />
Beispiele, die ergänzt werden<br />
könnten, lassen es dringend geraten erscheinen,<br />
den vorliegenden Ausführungen<br />
und Wertungen insgesamt gegenüber<br />
kritisch zu sein und bei näherer Beschäftigung<br />
mit einem Themenkomplex<br />
sowohl die angeführten Quellen sorgfältig<br />
zu überprüfen und ihre Deutung zu<br />
hinterfragen als auch nach Ergänzungen<br />
Ausschau zu halten, die das Bild durchaus<br />
noch verändern könnten.<br />
Dem altehrwürdigen Stift Geseke<br />
bleibt zu wünschen, dass das vorliegende<br />
Buch sowohl in Fachkreisen als auch<br />
bei interessierten Laien eine durchgehend<br />
kritische Würdigung erfährt. Eine<br />
unkritische Rezeption des in diesem<br />
Buch gezeichneten Bildes würde dem<br />
Selbstver ständnis und der Leistung der<br />
Stifts damen sowie der Bedeutung des<br />
Stiftes nicht gerecht.<br />
Hans Jürgen Rade<br />
Ulrich Löer, Das adlige Kanonissenstift St. Cyriakus zu<br />
Geseke (Germania Sacra, Neue Folge 50, Die Bistümer<br />
der Kirchenprovinz Köln, Das Erzbistum Köln 6),<br />
Berlin – New York 2007, 508 Seiten, 8 Tafeln,<br />
128,00 Euro. ISBN 978-3-11-019923-9.<br />
PERSONALIEN<br />
Dr. Hubert Schmidt<br />
80 Jahre<br />
„Man bleibt jung, solange man<br />
noch lernen, neue Ge wohn hei ten annehmen<br />
und Wi der spruch ertragen<br />
kann.“<br />
Mit diesem<br />
nachdenkenswerten<br />
Spruch<br />
von Marie v.<br />
Ebner-Eschen -<br />
bach lud unser<br />
Heimatfreund<br />
zur Feier seines<br />
80. Ge burts -<br />
tages ein. Auch<br />
wer an der festlichenVeranstaltung<br />
nicht<br />
teilnehmen konnte, der weiß, wie groß<br />
die Resonanz ist, die Dr. Hubert Schmidt<br />
in den langen Jahren seines beruflichen<br />
und seines heimatbezogenen Wirkens<br />
nicht nur in seiner Heimatgemeinde,<br />
sondern im ganzen oberen <strong>Sauerland</strong><br />
gefunden hat.<br />
Oberstudiendirektor a.D. Dr. Hubert<br />
Schmidt wurde am 17. April 1927 in<br />
Dörnholthausen bei Sundern geboren.<br />
An der Universität Marburg studierte er<br />
Ge schichte, Latein, Pädagogik und Erd -<br />
kunde. Nach ersten Berufsjahren im<br />
Sauer land und im Ruhrgebiet war er von<br />
1962 bis 1970 am Gymnasium in Marsberg<br />
tätig. Er übernahm dann die Leitung<br />
des neu errichteten Gymna siums in<br />
Sun dern, dessen Ausbau er bis zu seiner<br />
Pensionierung 1989 in vorbildlicher<br />
Weise leitete.<br />
Es ist erstaunlich, dass er neben diesen<br />
Leitungsaufgaben noch Zeit für umfang<br />
reiche heimatkundliche und regionalgeschichtliche<br />
Arbeiten fand. In<br />
Marsberg erinnert man sich noch heute<br />
gern an seine fundierten Beiträge zur<br />
Lokalge schichte. In Sundern ist er seit<br />
Gründung des Heimatvereins 1977 Leiter<br />
des Fachbereichs Geschichte. Für<br />
seine Verdienste wurde er zum Ehren -<br />
mitglied er nannt. Seit 1981 füngiert er<br />
als Beauftragter für Denkmal pflege in<br />
Sundern. Dem Vorstand des Sauerlän -<br />
der <strong>Heimatbund</strong>es gehört er schon seit<br />
1967 an. 1982 wurde er in die Historische<br />
Kommission für Westfalen berufen.<br />
Wir dürfen darin die verdiente Anerken-
102 SAUERLAND NR. 2/<strong>2008</strong><br />
nung seiner wissenschaftlichen Arbeiten<br />
auf der Orts-, der Regional- und der Landesebene<br />
sehen.<br />
Für den <strong>Sauerländer</strong> <strong>Heimatbund</strong> hat<br />
unser Vorsitzender Dieter Wurm den<br />
Dank aller Heimatfreunde für die<br />
langjährige gute Zusammenarbeit übermittelt.<br />
Ad multos annos!<br />
Dr. Adalbert Müllmann<br />
Auszeichnung für<br />
Ulrich Lange<br />
Wohl alle Wanderfreunde,, aber auch<br />
viele Heimatfreunde im oberen Sau -<br />
erland kennen „Uli“ Lange aus Gröne -<br />
bach, seit langem Mitglied des Sauer -<br />
iänder Hei matbundes. Beruflich als Lehrer<br />
an der Hauptschule in Medebach<br />
tätig, ist er seit vielen Jahren Bezirks -<br />
wanderwart des SGV. In dieser Funktion<br />
hatte er schon vor zwanzig Jahren mitgeholfen,<br />
die ersten Waldjugendspiele<br />
auf Kreis ebene zu organisieren. Er setzte<br />
sich besonders für die Förderung des<br />
Schulwan-dems ein und leitete viele<br />
Fortbildungsver an staltungen für Lehrer.<br />
Bei der Gründung des Rothaarsteig-Vereins<br />
war er führend tätig. Ebenso ist ihm<br />
die Konzeption neuer großräumiger<br />
Wander wege unter der umfassenden<br />
Bezeich nung „Bergwanderpark Hoch -<br />
sau erland“ zu danken.<br />
Die Landesregierung misst den Wald -<br />
jugendspielen besondere Bedeutung zu.<br />
Das kommt darin zum Ausdruck, dass<br />
die Landtagspräsidentin Regina von<br />
Dinther die beteiligten Schulen kürzlich<br />
zur Siegerehrung in den Landtag einge -<br />
laden hatte. In diesem festlichen Rah -<br />
men überreichte die Schulministerin<br />
Barba ra Sommer unserem Heimat -<br />
freund Ulrich Lange den ersten Ehrenring<br />
des Rothaarsteig-Vereins. Auch die<br />
Klasse 4b der Grundschule Medebach<br />
wurde in diesem Rahmen ausgezeichnet.<br />
Immerhin haben an den Waldjugendspielen<br />
2007 über 32.000 Grundschüler<br />
teilgenommen.<br />
Der <strong>Sauerländer</strong> <strong>Heimatbund</strong> strebt<br />
bekanntlich einen engeren Kontakt mit<br />
dem <strong>Sauerländer</strong> Gebirgsverein - SGV -<br />
an. Deshalb freut er sich besonders über<br />
die Auszeichnung für unseren Heimat -<br />
freund Ulrich Lange.<br />
Dr. Adalbert Müllmann<br />
Landschaftsverband<br />
Westfalen-Lippe<br />
ehrt Günther Becker<br />
Am 22. April erhielt Günther Becker,<br />
Lennestadt, aus der Hand von Landes -<br />
rätin und LWL-Kulturdezernentin Dr. Barbara<br />
Rüschoff-Thale den „Förder preis für<br />
westfälische Landeskunde“. „Für das südliche<br />
<strong>Sauerland</strong> sind Sie der wichtigste Experte<br />
und Kenner regionalgeographischer<br />
Geschichte und For schung“, sagte<br />
die Landesrätin in ihrer Begründung der<br />
Preisverleihung. Das Spektrum der Arbeiten<br />
von Günther Becker reiche von der<br />
Wüstungs for schung über die Entwicklung<br />
der Siedlungs- und Sozialstrukturen bis zu<br />
wirtschaftsgeographischen Themen.<br />
Nicht zu vergessen sind dabei die Arbeiten<br />
zur Geschichte zahlreicher Ortschaften<br />
im Kreis Olpe einschließlich die jahrzehntelange<br />
Tätigkeit Beckers als Schriftleiter<br />
der „Heimatstimmen aus dem Kreis<br />
Olpe“.<br />
Günther Becker war von 1977 bis<br />
2003 Kreisheimatpfleger sowie Mitbe -<br />
gründer des Kreisheimatbundes Olpe und<br />
ebenfalls bis 2003 dessen Ge schäfts -<br />
führer. Über die Region hinaus hat er sein<br />
Wissen als korrespondierendes Mitglied<br />
der Historischen Kom mission und der<br />
Geographischen Kom mission im LWL<br />
eingebracht. Prof. Dr. Heinz Heineberg,<br />
Vorsitzende der Geo graphischen Kommission,<br />
erklärte, Günther Becker habe<br />
in die gesamte landeskundliche und regionalgeographische<br />
Forschung Westfalens<br />
hineingewirkt und zähle damit zu den<br />
namhaftesten Vertretern dieser Forschung<br />
auf Lan desebene.<br />
Zu der Festveranstaltung im Großen<br />
Saal des Olper Kreishauses waren zahlreiche<br />
Gäste aus dem Kreis Olpe, dem<br />
kölnischen <strong>Sauerland</strong> und aus Münster<br />
angereist. Der Landrat des Kreises Olpe,<br />
Frank Beckehoff, gratulierte Günther<br />
Becker zu seiner Auszeichnung. „Sie, lieber<br />
Herr Becker, haben sich in der Heimatpflege<br />
im Kreis Olpe bleibende Verdienste<br />
erworben.“ Über die Ehrung hinaus,<br />
die Günther Beckers landeskundliche<br />
Forschung fand, aber dürften seine<br />
zahllosen Einsätze in der örtlichen Heimatpflege<br />
sein, seine Kontinuität und unermüdliche<br />
Präsenz, mit der er vier Jahrzehnte<br />
hindurch das heimatbezogene Interesse<br />
und Engagement in den Städten,<br />
Gemeinden und Vereinen des Kreises Ol-<br />
pe angeregt, konkret gefördert und lebendig<br />
gehalten hat.<br />
Hubertus Halbfas<br />
SAUERLAND<br />
<strong>Zeitschrift</strong> des <strong>Sauerländer</strong> <strong>Heimatbund</strong>es (früher<br />
Trutznachtigall, Heimwacht und <strong>Sauerland</strong>ruf)<br />
41. Jahrgang Heft 2. Juni <strong>2008</strong><br />
ISSN 0177-8110<br />
Herausgeber und Verlag: <strong>Sauerländer</strong> <strong>Heimatbund</strong><br />
e. V., Postfach 14 65, 59870 Meschede<br />
Vorsitzender: Dieter Wurm, Am Hainberg 8 a,<br />
59872 Meschede, Tel. (02 91) 71 90 p, Fax (02 91)<br />
71 90 p, 94-16 05 d, Fax 94-2 61 71. Stellv. Vorsitzende:<br />
Wilma Ohly, Goerdelerweg 7, 57462 Olpe,<br />
Tel. (0 27 61) 6 16 98.<br />
Ehrenvorsitzender: Dr. Adalbert Müllmann, Jupiterweg<br />
7, 59929 Brilon, Tel. (0 29 61) 13 40<br />
Geschäftsstelle: Hochsauerlandkreis, Fachdienst<br />
Kultur/Musikschule, Ulla Schmalt/Karin Kraft,<br />
Telefon (02 91) 94-14 62, Telefax (02 91) 9 42 61 71,<br />
Anja Hagedorn, Telefon (02 91) 94-14 65, e-mail:<br />
kultur@hochsauerlandkreis.de, Postfach 14 65,<br />
59870 Meschede<br />
Internet: www.sauerlaender-heimatbund.de<br />
Konten: Sparkasse Arnsberg-Sundern<br />
(BLZ 466 500 05) 4 000 600.<br />
Jahresbeitrag zum <strong>Sauerländer</strong> <strong>Heimatbund</strong> einschließlich<br />
des Bezuges dieser <strong>Zeitschrift</strong> 12,– EUR.<br />
Einzelpreis 3,50 EUR.<br />
Erscheinungsweise vierteljährlich.<br />
Redaktion: Günther Becker, Lennestadt. Werner Cordes,<br />
Attendorn. Dr. Theo Bönemann, Menden.<br />
Su sanne Falk, Lennestadt. Norbert Föckeler, Brilon.<br />
Professor Dr. Hubertus Halbfas, Drolshagen.<br />
Heinz Lettermann, Bigge-Olsberg. Dr. Adalbert<br />
Müllmann, Brilon. Heinz-Josef Padberg, Meschede.<br />
Dr. Erika Rich ter, Meschede. Michael Schmitt, Sundern.<br />
Dr. Jür gen Schulte-Hobein, Arnsberg. Dieter<br />
Wiethoff, Meschede. Dieter Wurm, Meschede.<br />
Schlussredaktion: Hans Wevering, Schloßstr. 54,<br />
59821 Arnsberg, Tel. (0 29 31) 32 62, Fax (0 29 31)<br />
1 29 83, e-mail: hanswevering@t-online.de,<br />
Martin Reuther, Alter Soestweg 85, 59821 Arnsberg,<br />
Tel. (02 91) 94-14 58, e-mail: martinreuther@t-online.de<br />
Redaktionsanschrift: <strong>Sauerländer</strong> <strong>Heimatbund</strong>,<br />
Postfach 14 65, 59870 Meschede<br />
Lithografie, Layout und techn. Redaktion:<br />
Hans Wevering, Schloßstraße 54, 59821 Arnsberg,<br />
Tel. (0 29 31) 32 62, Fax (0 29 31) 1 29 83, e-mail:<br />
hanswevering@t-online.de<br />
Druck: becker druck, F. W. Becker GmbH, Grafenstraße<br />
46, 59821 Arnsberg, Tel. (0 29 31) 52 19-0<br />
Anzeigenverwaltung:<br />
becker druck, F. W. Becker GmbH,<br />
Grafenstr. 46, 59821 Arnsberg,<br />
Tel. (0 29 31) 52 19-21, Fax (0 29 31) 52 19-6 21.<br />
Es gilt die Anzeigenpreisliste Nr. 9 vom 1. Jan. 2006.
Dieser Edel-Kornbrannt<br />
mit 38 % vol. lagert<br />
mindestens 2 Jahre in<br />
kleinen Sherry-<br />
Holzfässern.<br />
So bekommt er<br />
seinen besonderen<br />
bernstein-farbenen<br />
Glanz und die milde,<br />
feine und<br />
weiche Note.<br />
&<br />
Dieser delikate Halbbitter mit<br />
35 % vol. definiert sich über<br />
die genussvolle Kombination<br />
verschiedener Waldbeeren,<br />
Kräuter und Wurzeln.<br />
Seine über Jahrzehnte gereifte<br />
und verfeinerte Rezeptur<br />
hat nicht nur einen besonderen<br />
Geschmack hervorgebracht,<br />
er ist zudem noch<br />
sehr bekömmlich.
www.warsteiner.de<br />
Die pure Freude.