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Umbruch_1_2008:Sauerland Zeitschrift - Sauerländer Heimatbund ...

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ISSN 0177 - 8110 K 2767<br />

Nr. 2/Juni <strong>2008</strong> <strong>Zeitschrift</strong><br />

des <strong>Sauerländer</strong><br />

<strong>Heimatbund</strong>es<br />

SAUERLAND<br />

STÜTINGS MÜHLE IN BELECKE


Geschenkidee!<br />

Erhältlich im Buchhandel<br />

und direkt beim Verlag<br />

zum Preis von 16,50 Euro.<br />

ISBN 978-3-930264-69-8<br />

becker druck, F. W. Becker GmbH<br />

Grafenstraße 46 · 59821 Arnsberg<br />

Tel. 0 29 31/52 19-0 · Fax 0 29 31/52 19-33<br />

www.becker-druck.de · info@becker-druck.de<br />

Impressionen<br />

entlang der Ruhr<br />

Von der Quelle bis zur Mündung<br />

Gerhard Becker<br />

Neu!


SAUERLAND NR. 2/<strong>2008</strong> 55<br />

SAUERLAND Nr. 2/Juni <strong>2008</strong><br />

<strong>Zeitschrift</strong> des<br />

<strong>Sauerländer</strong> <strong>Heimatbund</strong>es<br />

Mitgliederversammlung des <strong>Sauerländer</strong> <strong>Heimatbund</strong>es<br />

in Warstein-Belecke am 30. August <strong>2008</strong> ab 10 Uhr<br />

Liebe Heimatfreundinnen und Heimatfreunde,<br />

im großen Festsaal der Belecker Schützenhalle findet die diesjährige<br />

Mitgliederversammlung des <strong>Sauerländer</strong> <strong>Heimatbund</strong>es auf Einladung<br />

des Bürgermeisters Manfred Gödde, der Ortsvorsteherin Elke Bertling<br />

und des Vorsitzenden des Kultur- und Heimatvereins „Badulikum“ Joseph<br />

Friederizi statt.<br />

Wir können uns darauf freuen, unseren Heimattag in dieser traditionsbewussten,<br />

geschichtsträchtigen und zukunftsfähigen Stadt Warstein-Belecke,<br />

worüber der Innenteil der <strong>Zeitschrift</strong> hinreichend Auskunft gibt,<br />

durchzuführen. Unsere Gastgeber haben sich intensiv darauf vorbereitet<br />

und werden dafür sorgen, dass zur Zufriedenheit aller Heimatfreunde dieser<br />

Tag gestaltet wird. Wir alle können durch zahlreiche Teilnahme die<br />

kurkölnische Verbundenheit im Heimatgebiet des <strong>Sauerländer</strong> <strong>Heimatbund</strong>es<br />

dokumentieren.<br />

In diesem 1050-jährigen Ackerbürgerstädtchen Belecke mit benediktinischer<br />

Tradition liegt es nahe, dass der Festredner Prof. Pater Michael<br />

Hermes, OSB der Benediktinerabtei Königsmünster in Meschede, das<br />

Thema „Unser benediktinisches Erbe im kurkölnischen <strong>Sauerland</strong>“ näher<br />

beleuchtet und dadurch in unserer immer stärker säkularisierten Zeit in<br />

den Fokus rückt.<br />

Nach den notwendigen Regularien mit dem wichtigen Tages ord -<br />

nungspunkt „Beitragserhöhung“ kann dann das traditionelle Ein -<br />

topfgericht als Mittagsmahl genossen werden.<br />

Das reichhaltige und vielfältige Exkursionsprogramm für den Nachmittag<br />

ab 14.00 Uhr unter fachkundiger Führung wird hoffentlich den unterschiedlichen<br />

Wünschen gerecht. Im einzelnen sind vorgesehen:<br />

1. Das 1050-jährige Ackerbürgerstädtchen Belecke<br />

2. Technisches Baudenkmal „Stütings Mühle“<br />

3. Zwischen <strong>Sauerland</strong> und Münsterland<br />

4. Siepmann-Werke „Gesenkschmiede“<br />

5. Zauber der Unterwelt – Bilsteinhöhle<br />

Um 17.00 Uhr wird zum krönenden Abschluss in der Heilig-Kreuz-Kirche<br />

Erzbischof Hans-Josef Becker den plattdeutschen Gottesdienst zelebrieren.<br />

Beteiligt sind an der Messgestaltung der „Plattdeutsche Arbeitskreis“,<br />

die „Plattdeutsche Schule“ und der Organist Peter Huneke. Grußworte<br />

werden Pastor Markus Gudermann von der Katholischen Kirchengemeinde<br />

St. Pankratius und Pfarrer Günter Bergholz von der evangelischen<br />

Kirchengemeinde an uns richten.<br />

In Vorfreude auf einen gut besuchten und viel versprechenden Heimattag<br />

bei den Heimatfreunden in Belecke,<br />

mit heimatlichen Grüßen<br />

Dieter Wurm,1. Vorsitzender<br />

Aus dem Inhalt<br />

Geschichte<br />

Kirche in Belecke und<br />

ihr benediktinisches Erbe S. 58<br />

Eine typische<br />

kurkölnische Ackerbürgerstadt S. 61<br />

Ein Kreuzwegbild erfährt<br />

nach 400 Jahren, im Jahr <strong>2008</strong>,<br />

eine Aufwertung S. 70<br />

Ursachen und Folgen der Revolution<br />

von 1848 in Sundern S. 72<br />

Eversberger Schwesternstation S. 79<br />

Christine Koch –<br />

Versuch eines Lebensbildes S. 81<br />

200 Jahre Landesvermessung<br />

im Grenzgebiet zwischen kurkölnischem<br />

und märkischem <strong>Sauerland</strong> S. 86<br />

Vom Waldarbeiter<br />

zum Finanzprokurator S. 92<br />

Heimat Kultur<br />

Belecke – Tor zum <strong>Sauerland</strong><br />

Historische Wegemarken<br />

S. 56<br />

am nördlichen Ortsrand<br />

Bedeutender Industriestandort<br />

S. 63<br />

im Möhnetal S. 64<br />

Brauchtum in Belecke<br />

Lörmecke-Turm<br />

S. 66<br />

auf dem Arnsberger Wald S. 84<br />

Natur Landschaft Siedlung<br />

Hespecke – ein vergessener Adelssitz<br />

im Eckenbachtal bei Attendorn S. 68<br />

Sprache und Literatur<br />

PLATTDEUTSCH –<br />

Nach Katalanisch zweitgrößte<br />

europäische Mundartsprache S. 96<br />

Religion Glaube<br />

Morgenland im <strong>Sauerland</strong> S. 78<br />

Rezensionen Personalien<br />

BÜCHER SCHRIFTTUM S. 97<br />

PERSONALIEN S. 101<br />

Unser Titelbild fotografierte<br />

Wolfgang Heppekausen in Belecke<br />

Mitarbeiter dieses Heftes finden Sie auf S. 67


56 SAUERLAND NR. 2/<strong>2008</strong><br />

Belecke – Tor zum <strong>Sauerland</strong><br />

Belecke mit seinen über 6000 Einwohnern<br />

liegt in malerischer Grup -<br />

pierung um den Zusammenfluss von<br />

Wester und Möhne und bildet mit der<br />

B 55 eines der Tore zum <strong>Sauerland</strong>. Seit<br />

der kommunalen Neugliederung ist Belecke<br />

ein Ortsteil der Stadt Warstein.<br />

Schon 938 wurde eine Burg Belecke<br />

„Castellum Baduliki“ von drei namhaften<br />

Geschichtsschreiber(n/in) genannt:<br />

der Nonne Roswitha von Gandersheim,<br />

dem Mönch Widukind von Corvey und<br />

dem Erzbischof Adalbert von Magdeburg.<br />

Sie berichten, dass Thangmar, der<br />

Halb bruder Ottos des Großen, diese<br />

Burg überfiel und dessen jüngeren Bruder<br />

Heinrich gefangen nahm und ihn zur<br />

Eresburg (Marsberg) brachte. Um 980<br />

machte Kaiser Otto II. seiner Gemahlin<br />

Theophanou den „Locus Pateleke“ zum<br />

Geschenk. 1009 erwarb Kaiser Heinrich<br />

II. den Ort „Curtis Badelicka“ vom<br />

Kloster Gandersheim als Königsgut zurück.<br />

Nach ihm ist auch das Kaiser-<br />

Heinrich-Bad mit seiner Heilquelle benannt.<br />

Erzbischof Anno II. von Köln vermachte<br />

1064 dem Kloster Siegburg den<br />

Zehnten zu Belecke, der 1072 auf das<br />

ebenfalls von ihm gegründete Kloster<br />

Grafschaft übertragen wurde. Zur Ver -<br />

waltung des Klostergutes errichtete<br />

Graf schaft in Belecke eine Propstei, die<br />

mit einem Propst und mit 5-6 Mönchen<br />

besetzt war. Die enge Verbindung zu die-<br />

sem Kloster hielt bis zur Säkularisation<br />

im Jahre 1803 an. Noch heute zeugen<br />

zahlreiche Spuren (u. a. Propsteikirche,<br />

Stadtmuseum Schatzkammer Propstei)<br />

vom segensreichen Wirken Grafschafter<br />

Benediktiner.<br />

Die Gründung der Stadt Belecke mit<br />

60 Hausstätten erfolgte in der 2. Hälfte<br />

des 13. Jahrhunderts auf dem Prop s -<br />

teiberg, der zum Besitz des Klosters gehörte.<br />

Der Kölner Erzbischof und Kur -<br />

fürst Siegfried II. von Westerburg verlieh<br />

Blick zum Propsteiberg<br />

von Joseph Friederizi<br />

Foto: Michael Sprenger<br />

Belecke durch Urkunde vom 12. Dezember<br />

1296 das Stadtrecht. Im gleichen<br />

Jahr löste sich Belecke als eigenständige<br />

Pfarrei von der Mutterpfarrei<br />

Altenrüthen. Der Propst wurde gleichzeitig<br />

Pfarrer von Belecke.<br />

Während der „Soester Fehde“<br />

(1444-1449) wehrten die Belecker Bürger<br />

am Mittwoch vor Pfingsten 1448 einen<br />

Angriff der Soester erfolgreich ab;<br />

allerdings verloren sie dabei ihren Bür<br />

germeister. Zur Erinnerung an dieses Er-<br />

Luftaufnahme: Gerd Flaig


SAUERLAND NR. 2/<strong>2008</strong> 57<br />

BELECKE<br />

der Austragungsort unserer dies jäh -<br />

rigen Hauptversamm lung, informiert<br />

unsere Mitglieder und Leser in 7 Ar -<br />

tikeln von 6 Auto ren und 4 Foto -<br />

grafen umfassend von der frühzeitlichen<br />

Er wäh nung bis zum heutigen<br />

Industrie standort im Möhnetal. Red.<br />

eignis wird dieser Tag als „Sturmtag“ bis<br />

heute mit Gedenkfeier und Gottes dienst<br />

begangen.<br />

Beim letzten großen Stadtbrand<br />

1805 brannten 58 Häuser (2/3 der<br />

Stadt) ab. Für den Neuaufbau forderte<br />

die damalige hessische Regierung eine<br />

offene Bauweise mit breiten, sich rechtwinklig<br />

kreuzenden Straßen. Diese klassizistische<br />

Aufbaustruktur bestimmt<br />

noch heute das Bild der historischen Altstadt<br />

und ist städtebaulich über unsere<br />

Stadt grenzen hinaus bedeutsam.<br />

Bis weit in das vorige Jahrhundert<br />

war Belecke eine kleine Ackerbürgerstadt<br />

mit einem geringen Anteil an<br />

Handwerk und Handel, obwohl es Mitglied<br />

der Hanse war. Mit dem Bau fester<br />

Straßen – Meschede-Lippstadt (B 55)<br />

1823/26 und Brilon-Neheim (B 516)<br />

1849/50 – sowie der Eisenbahnlinien<br />

Lippstadt-Warstein 1883 und Soest-Brilon<br />

1898 war Belecke zu einem wichtigen<br />

Ver kehrsknotenpunkt geworden.<br />

Die industrielle Entwicklung konnte eingeleitet<br />

werden.<br />

Der eigentliche Industrialisie rungs -<br />

prozess setzte jedoch erst nach dem<br />

2. Weltkrieg ein (AEG, Erweiterung<br />

Blick auf das jüngere Belecke mit der Heilig-Kreuz-Kirche<br />

Foto: Michael Sprenger<br />

Siepmann-Werke, Stahl-Armaturen<br />

PERSTA). Der Ort erlebte eine rasante<br />

Entwicklung, die<br />

Einwohnerzahl<br />

verdreifachte sich,<br />

neue Wohngebiete<br />

wurden erschlossen,<br />

Handel,<br />

Hand werk, Gewerbe<br />

und Dienst -<br />

leistung prägen neben<br />

den großen Industrie<br />

wer ken das<br />

Leben in dieser<br />

Stadt. 1953 weihte<br />

die ev. Kirchen -<br />

ge mein de ihr Got-<br />

Liebe <strong>Sauerländer</strong>innen<br />

und <strong>Sauerländer</strong>,<br />

wir freuen uns sehr darüber, dass in diesem Jahr der <strong>Sauerländer</strong> <strong>Heimatbund</strong><br />

seine Mit glie derversammlung in Warstein-Belecke durchführt. Dies<br />

ist vor allen Dingen der Initiative der Belecker Heimatfreunde zu verdanken.<br />

Mit viel Engagement sind die Heimatfreunde dabei, die Versammlung<br />

sowie das Rahmenprogramm zu gestalten.<br />

Das große Engagement der unterschiedlichsten Warsteiner Vereine macht<br />

zu einem großen Teil unsere Heimatstadt mit ihren neun Ortsteilen aus.<br />

Man kann solche freiwilligen und uneigennützigen Arbeiten unserer Bürgerinnen<br />

und Bürger nicht hoch genug bewerten.<br />

In der Ihnen vorliegenden Ausgabe der <strong>Zeitschrift</strong> „<strong>Sauerland</strong>“ können Sie<br />

unter anderem Berichte über die Belecker Mühlen, den „Sturmtag“, das<br />

Brauchtum und über die Entwicklung Beleckes im Allgemeinen lesen. In<br />

Belecke und in ganz Warstein werden Brauchtum und Traditionen gepflegt.<br />

Das bedeutet aber nicht, dass wir in der Vergangenheit leben.<br />

Handwerks- und Industriebetriebe, die ihre Waren und Dienstleistungen<br />

überregional und teilweise sogar weltweit anbieten, prägen das moderne<br />

Gesicht unserer Stadt.<br />

Es ist uns gelungen, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft gekonnt miteinander<br />

zu verbinden. Warstein ist zwar nur ein kleines, aber dafür starkes<br />

Stück <strong>Sauerland</strong>, und darauf sind wir mit Recht stolz.<br />

Wir heißen die Mitglieder des <strong>Sauerländer</strong> <strong>Heimatbund</strong>es, alle Gäste und<br />

Besucher am 30. August in Belecke herzlich willkommen<br />

Mit „<strong>Sauerländer</strong>“ Grüßen<br />

Manfred Gödde Elke Bertling<br />

Bürgermeister Ortsvorsteherin<br />

teshaus, die Christus-Kirche,<br />

ein und<br />

auch für die kath. Kirchen ge mein de ergab<br />

sich die Notwendigkeit eines zweiten<br />

Got tes hauses – 1961 wurde die Hl.-<br />

Kreuz-Kirche eingeweiht. Neben Kindergärten<br />

und Grundschule runden die<br />

Haupt- und Realschule das schulische<br />

Angebot ab. Die Theateraula mit ihren<br />

Theater- und Konzertveranstaltungen ist<br />

zu einem kulturellen Mittelpunkt der<br />

Stadt Warstein geworden.<br />

Die Belecker Innenstadt wird zurzeit<br />

neu gestaltet. So gewinnt unsere Hei -<br />

mat stadt weiter an Attraktivität, Atmo -<br />

sphäre und Lebensqualität. Dazu tragen<br />

auch die zahlreichen, aktiven Vereine<br />

und Gemeinschaften mit ihren traditionellen<br />

Festen, sportlichen Akti vitäten<br />

und kulturellen Veran staltungen bei.


58 SAUERLAND NR. 2/<strong>2008</strong><br />

Kirche in Belecke und ihr benediktinisches Erbe<br />

„..daß die Probstei zu Belecke zugleich<br />

mit der Abtei Graf schaft im Jahre<br />

1072 unter Kaiser Heinrich IVten errichtet<br />

sei“, heißt es schon in einer 1824<br />

von dem damaligen Bürgermeister Bele -<br />

ck es, Caspar Anton Seißenschmidt, erstellten<br />

Chronik über die Entstehung der<br />

mittelalterlichen Kirche. Hier errichtete<br />

die Benediktinerabtei Grafschaft kurz<br />

nach eigener Gründung eine klösterliche<br />

Propstei als Nieder lassung und begründete<br />

somit benediktinisches Leben<br />

im nördlichen <strong>Sauerland</strong>. Die spätere<br />

An siedlung der Stadt und die Entstehung<br />

pfarrlicher Strukturen waren eng<br />

mit der benediktinischen Propstei verbunden,<br />

das kirchliche Leben gestaltete<br />

sich immer im Spannungsfeld klösterlicher<br />

und städtischer Strukturen.<br />

Beleckes Bürgerschaft spricht noch<br />

heute wie selbstverständlich von seiner<br />

Propsteikirche; 1992 wurde unter großer<br />

Teilnahme der Öffentlichkeit in den<br />

Räumlichkeiten des ehemaligen Wirt -<br />

schaftsgebäudes der Propstei das<br />

„Stadt museum Schatzkammer Propstei<br />

Be lecke“ eröffnet. Neben einer Reihe<br />

stadtgeschichtlicher Zeugnisse werden<br />

hier vor allem Exponate klösterlicher<br />

Pro venienz gezeigt, die seit Jahr -<br />

hunderten in Besitz der Propstei oder<br />

des Klosters Grafschaft waren und damit<br />

bis auf den heutigen Tag ein wichtiges<br />

Stück sauerländischer Kir chen- und<br />

Kloster ge schichte in Belecke dokumentieren.<br />

Wie war es dazu gekommen?<br />

Ein ursprünglich hier gelegenes<br />

Reichsgut kam im 11. Jahrhundert in<br />

den Besitz der Kölner Kirche und schon<br />

1064 überwies Erzbischof Anno von<br />

Köln dem Kloster Siegburg den Zehnten<br />

dieser Einkünfte. Dieser Zehnte gehörte<br />

dann zur Grundausstattung des 1072 errichteten<br />

Klosters Grafschaft, dessen<br />

Abt nur kurze Zeit später von einem gewissen<br />

„Iclen“ in Belecke Eigen gut erwarb.<br />

Die sich hier entwickelnde Propstei<br />

als Filialgründung Grafschafts kannte<br />

in dem Benediktiner Propst Heinrich<br />

1244 den ersten namentlich erwähnten<br />

Vor steher dieser klösterlichen Gründung,<br />

die mehrere Mön che umfasste.<br />

Die etwas abseits des mittelalterlichen<br />

Stadtzen trums mit Marktplatz und Rathaus<br />

gelegene Lage der Propstei verdeutlicht<br />

den benediktinischen Geist sei-<br />

Wappen der Benediktinerabtei Grafschaft<br />

ner Erbauer, die ihre Chorgebete in einer<br />

Hauskapelle verrichteten. Das heutige<br />

Aussehen des Gebäudeensembles<br />

ist im Wesentlichen durch den Wiederaufbau<br />

ab 1810 und durch einen Umbau<br />

in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts<br />

geprägt. An Sonn- und Feiertagen<br />

fanden das Chorgebet und die<br />

Gottesdienste in der nahe gelegenen<br />

Propsteikirche statt, deren Errichtung<br />

ebenso auf Kloster Grafschaft zurückgeht.<br />

Für die Bür gerschaft Be leckes<br />

übernahm seit mittelalterlicher Zeit der<br />

Propst die Seelsorge, die Propsteikirche<br />

galt als Pfarrkirche, die Propstei war<br />

Pfarrhaus Beleckes und in neuerer Zeit<br />

bürgerte sich gar der doppeldeutige Name<br />

„Pfarrpropst“ für den Seelsorger Beleckes<br />

ein.<br />

von Dietmar Lange<br />

Den Mittelpunkt dieser früh begründeten<br />

und Jahrhunderte währenden<br />

kirchlichen Strukturen bildete die Propstei<br />

kirche, deren spätromanischer Turm<br />

aus dem 12. Jahrhundert noch heute an<br />

die Wichtigkeit der städtischen Wehr -<br />

hoheit erinnert. Den mittelalterlichen<br />

Kirchbau ersetzte 1749/50 ein Neubau<br />

des Künstlers Dietrich Hermann Röper,<br />

der in elegant repräsentativer Anlage<br />

ein barockes Abbild himmlischer Herr -<br />

lich keit dokumentiert. Seine Ausstattung<br />

ist benediktinischer Herkunft und<br />

stammt überwiegend aus dem Mutterkloster<br />

Graf schaft. Als dort ein neuer<br />

Bau der Abteikirche entstand, gelangten<br />

Hoch altar und Seitenaltäre von 1665<br />

mit auswechselbaren Ge mälden und<br />

weiteren Inventarien nach Belecke. Die<br />

mit reichen Intarsien arbeiten versehene<br />

Kom mu nionbank von 1754 stellte man<br />

nach der Aufhe bung Grafschafts ebenfalls<br />

in der Belecker Kirche auf, deren<br />

Pfarr pröpste sich gerade in dieser <strong>Umbruch</strong><br />

zeit sehr nachhaltig dafür einsetzten,<br />

das geistige Erbe des Bene dik -<br />

tinerklosters wach zu halten und nach<br />

Kräften fortzuführen. Die Pfarrpröpste<br />

Florentinus Pape (1794-1802), Beda<br />

Behr (1802-1830) und Karl Böckler<br />

(1850-1868) bewahrten den Einklang<br />

von pfarrlicher und klösterlicher Identi-<br />

Ein Blick in das Stadtmuseum Schatzkammer Propstei<br />

Fotos: Wolfgang Heppekausen


SAUERLAND NR. 2/<strong>2008</strong> 59<br />

tätslinie, indem sie sich bemühten, Teile<br />

des kostbaren klösterlichen Nach lasses<br />

für Belecke zu retten. Dazu fügte sich<br />

der letzte Wille des letzten Grafschafter<br />

Abtes Edmun dus Rustige - nach seinen<br />

letzten Lebens jahren auf dem früher<br />

klösterlichen Zehnthof in Warstein und<br />

seinem Tod 1816 - in Belecke bestattet<br />

zu werden. Eine Reihe wichtiger im privaten<br />

Besitz des Abtes befindlichen klösterlichen<br />

Stücke machte damit seinen<br />

Weg nach Belecke. Und ein vielverehrtes<br />

Mutter gottesbild, die „Odacker-Ma -<br />

donna“, und einige Altar bilder benediktinischer<br />

Aus sage gelangten mit der Aufhebung<br />

des bei Hirsch berg gelegenen<br />

Benedik tinerinnen klosters Odacker<br />

durch dessen aus Belecke stammende<br />

letzte Äbtissin Maria Walburgis Köller<br />

nach Belecke.<br />

Einstiges klösterliches Inventar diente<br />

fortan als pfarrliches Gebrauchsstück.<br />

Die Pontifikalgewänder der Äbte wurden<br />

von den Belecker Pfarrern zu hohen<br />

Festtagen getragen und der berühmte<br />

Abtskelch von 1508 tat und tut seinen<br />

Dienst an den kirchlichen Feiertagen.<br />

Das vielfache Interesse an der reichen<br />

klösterlichen Vergangenheit Beleckes<br />

bewegten die Pfarrgemeinde St. Pan -<br />

kratius, die Stadt Warstein, das Erz -<br />

bistum Paderborn und den Land schafts -<br />

verband Westfalen-Lippe in der früheren<br />

landwirtschaftlich genutzten Deele<br />

der Propstei 1992 ein Museum einzurichten,<br />

das die klösterlich-kirchliche<br />

Ge schichte mit der Geschichte der Stadt<br />

Belecke und ihrer Bürger zu verbinden<br />

sucht. Dabei nehmen die geschichtlichen<br />

Zusammenhänge von Kloster-,<br />

Propstei und Stadtgründung im unteren<br />

Geschoss ihren Raum ein, während im<br />

oberen Geschoss die wertvollen liturgischen<br />

Geräte wie der Abtskelch oder<br />

Mon stranzen aus dem 15. – 19. Jahrhundert,<br />

die barocken Kaseln und Pontifi<br />

kal ge wänder mit der rekonstruierten<br />

Abts mitra beeindrucken. Die „Abtskapelle“<br />

im östlichen Ober geschoss weist<br />

bis heute auf das Chor ge bet seiner einstigen<br />

klösterlichen In sas sen zurück.<br />

Auch die benachbarte Propsteikirche<br />

dokumentiert in ihrer barocken Pracht<br />

das einstige Selbstverständnis klösterlichen<br />

Lebens. Wie seit Jahrhunderten<br />

künden Gemälde berühmter Künstler<br />

der Barockzeit wie Johann Georg Ru-<br />

Mühlenwesen – Ursprung und Bedeutung<br />

Seit altersher gehören Mühlen zum<br />

Landschaftsbild aller Regionen. Über<br />

Jahrhunderte wurden Mühlen einzig<br />

durch Wasserkraft angetrieben, bevor<br />

auch Windkraft genutzt wurde. Erst im<br />

19./20. Jh. konnten Dampfkraft und<br />

Strom das Wasser und den Wind ersetzen.<br />

Wenn wir in unserer Gegend von<br />

Mühlen sprechen, sind durchweg die<br />

Mahl- und Sägemühlen in den Tälern<br />

gemeint, bei denen Wasserräder mittels<br />

Wellbäumen, Zahnrädern usw. die<br />

Mühl steine bzw. das Vertikal- oder Horizontal<br />

sägegatter bewegten.<br />

In Belecke gab es auch eine Ölmühle,<br />

bei der das Wasserrad die verschiedenen<br />

Werkzeuge und eine Presse antrieb, um<br />

aus Bucheckern, Raps, Lein oder Rüb -<br />

samen Öl zu pressen, das als Speiseöl,<br />

Lam penöl oder Schmieröl diente. Doch<br />

Der Arbeitskreis Mühlrad pflegt und erhält seit 25 Jahren das Mühlrad,<br />

Sägegatter und Turbine an Stütings Mühle (siehe auch unsere Titelseite)<br />

dolphi in jahreszeitlichem Wechsel von<br />

der Aussage der hohen Feiertage des<br />

Kirchenjahres. Trotz alledem wollen sie<br />

mehr als historisches Erbe sein – und<br />

dessen ist sich die heutige Pfarr ge -<br />

meinde St. Pankratius bewusst – mit ihrer<br />

altehrwürdigen, den hl. Pankratius,<br />

Alexander und Anno geweihten Props-<br />

von Peter Wessel<br />

wurde im 19. Jh. die Ölmühle zur Loh -<br />

mühle umgebaut. Dabei diente die Kraft<br />

des Wasserrades zum Zerkleinern der<br />

Eichen rinde zu Lohe, einer Flüssig keit,<br />

die beim Gerben des Leders gebraucht<br />

wurde. Verwandt mit der Loh mühle ist<br />

die Walkmühle. Die Lohmühle gehört<br />

zum Lederhandwerk, die Walk mühle<br />

zum Textilhandwerk. In einer Walk -<br />

mühle werden mit Hilfe des Wasser -<br />

rades, der Wasserkraft, gewebte Tuche<br />

gewalkt, d. h. gestampft. Dadurch wird<br />

eine dichte Verfilzung der Stoffe bewirkt.<br />

In unserer Stadt hören wir schon im<br />

14. Jh. von zwei Mühlen unterhalb des<br />

Propsteiberges. Dieser Berg wird westlich<br />

von dem nie gefrierenden Wester -<br />

fluss begrenzt. Selbst im strengsten Winter<br />

bleibt die Wester eisfrei. Mit 14 Grad<br />

(Lesen Sie weiter auf Seite 60)<br />

Foto: Michael Sprenger<br />

teikirche, mit der in den 1960er Jahren<br />

im neuen Stadtteil Beleckes errichteten<br />

und an die jahrhundertelange Kreuz -<br />

verehrung in Belecke erinnernden Hl.-<br />

Kreuz-Kirche, mit der Kreuz kapelle am<br />

früheren Badehaus des Kaiser-Heinrich-<br />

Bades und mit der von weitem leuchtenden<br />

Kapelle auf der Külbe.


60 SAUERLAND NR. 2/<strong>2008</strong><br />

Celsius steigt das Westerwasser aus<br />

450 m Tiefe auf. Die Wärmekraft der in<br />

die Möhne mündenden Wester reicht<br />

aus, dass auch die Möhne noch ca. 1 km<br />

unterhalb der Wester-Einmündung im<br />

Winter nicht gefriert. Diese günstigen<br />

Bedingungen waren Grund, dass auch<br />

das Rittergut Welschenbeck an diesem<br />

Abschnitt schon vor Jahrhunderten eine<br />

Mahl- und Sägemühle erbaute.<br />

An der „warmen“ Wester wurden<br />

von der Oberen Mühle am Warsteiner<br />

Bullerteich, bekannt als Tacken-Mahl -<br />

mühle, bis zur Stiftfabrik und Drahtwalze<br />

in Belecke weitere Anlagen errichtet,<br />

die alle durch Wasserkraft angetrieben<br />

wurden. Es seien nur die bekanntesten<br />

genannt: Kupferhammer, Eisenhammer,<br />

Reckhammer und Puddelhammer.<br />

Im Jahre 1307 wird in einer Urkunde<br />

dokumentiert, dass der Erzbischof Hein -<br />

rich II. von Köln als hiesiger Landesherr<br />

dem Propst von Belecke (Propst als Vertreter<br />

des Abtes von Kloster Graf schaft)<br />

das alleinige Recht zuspricht, Mahl-, Säge-<br />

und Ölmühlen zu errichten. Jedoch<br />

verlangte der Erzbischof von den Einnahmen<br />

der Mahlmühlen jährlich 1 Malt<br />

Frucht (oder Mehl). Malt wurde damals<br />

nach Hohlmaß, nicht nach Gewicht gemessen.<br />

Ein Malt entsprach 660 Li tern,<br />

das wären ca. 600 kg Roggen oder<br />

Gerste gewesen. Weizen wurde damals<br />

noch nicht in unserer Gegend angebaut.<br />

Dazu traf der Erzbischof eine andere<br />

weittragende Entscheidung, nämlich<br />

den Mahlzwang. Das heißt konkret: Die<br />

Anwohner rund um Belecke, bis weit auf<br />

die Haar, mussten ihr Getreide in der<br />

Propsteimühle in Belecke mahlen lassen.<br />

So heißen noch heute zwei Feld -<br />

wege von Belecke auf die Haar „Uelder<br />

Mühlenweg“ bzw. „Effelner Mühlen -<br />

weg“. Selbst das Kloster Grafschaft<br />

musste eine Zeit lang sein Korn in Belecke<br />

mahlen lassen. Dank des „Multerns“<br />

– man bezahlte das Mahlen statt mit<br />

Geld mit einer genau festgelegten Menge<br />

Getreide – profitierte der Propst als<br />

Eigentümer der Mühle gewaltig.<br />

Die Säkularisation (ab 1803) hob auf<br />

Anordnung des französischen Kaisers<br />

Napoleon alle geistlich-kirchlichen Herr -<br />

schaftsansprüche in Deutschland auf<br />

und unterstellte alle politische Macht<br />

den weltlichen Herren. Die Propstei -<br />

güter blieben zwar im Besitz der Bele-<br />

cker Pfarrei – durch das geschickte Verhan<br />

deln der beiden Pfarrpröpste Florentinus<br />

Pape, gestorben 1802, und Beda<br />

Behr, gestorben 1830 –, aber die dazugehörigen<br />

Säge-, Mahl- und Lohmühlen<br />

wurden eingezogen und der Domänen-<br />

Kammer unterstellt. Als Entschädigung<br />

zahlte die damals zuständige Hessisch-<br />

Darmstädter Regierung nur 116 Thaler.<br />

Der reale Wert wurde auf wenigstens<br />

15000 Thaler geschätzt! Erst unter der<br />

Preußischen Regierung wurde im Jahre<br />

1829 dieser Wert anerkannt und teilweise<br />

ersetzt.<br />

Was geschah mit den Mühlen?<br />

Die beiden Propstei-Säge- und Mahl -<br />

mühlen wurden im Jahre 1813 von Familie<br />

Stüting gepachtet und im Jahre<br />

1845 käuflich erworben. (Die Lohmühle<br />

wurde noch lange Zeit von Familie<br />

Röper betrieben).<br />

Aus dem Jahre 1850 wissen wir, dass<br />

die Stüting´sche Mahlmühle von drei<br />

Wasserrädern angetrieben wurde und<br />

entsprechend drei parallele Mahlgänge<br />

hatte. Die Sägemühle und der neu dazu<br />

gekommene Lohndreschkasten erhielten<br />

ihren Antrieb von dem großen Wasserrad,<br />

das ein Gewicht von 2,5 t hatte,<br />

einen Durchmesser von 4,50 m und eine<br />

Radbreite von 1,50 m. Dieses mittelschlächtige<br />

Wasserrad hatte 36 Wasser-<br />

„Taschen“/-Schaufeln.<br />

1905 wurden die drei Wasserräder<br />

der Mahlmühle demontiert. Stattdessen<br />

wurde eine Francis-Schachtturbine eingebaut<br />

als „Ersatz“, die aber einen deutlich<br />

höheren Wirkungsgrad besaß als die<br />

drei Räder. Nun wurde Strom erzeugt<br />

mittels Turbine und Dynamo und zwar<br />

so viel, dass nicht nur die zwei verbliebenen<br />

Mahlgänge versorgt werden konnten,<br />

sondern ein Teil des Stromes in die<br />

Belecker Straßenbeleuchtung eingespeist<br />

wurde. 1958 wurde der Mahl -<br />

betrieb eingestellt und 1962 die Sägerei<br />

und das Lohndreschen. 1964 erfolgte<br />

der Abbruch der alten Mahlmühle, an<br />

deren Stelle ein neues Wohnhaus errichtet<br />

wurde. Aber der alte Antriebskeller<br />

mit der Turbine blieb verdeckt erhalten.<br />

Zum Bedauern der Belecker Bevölkerung<br />

ruhte der Mühlenbetrieb, kein<br />

Mühlrad drehte sich mehr, im Gegenteil,<br />

man beobachtete den fortschreitenden<br />

Zerfall des einst so prächtigen Wasserra-<br />

des und befürchtete seinen baldigen Abbruch.<br />

Da bildete sich aus einer Stamm -<br />

tischrunde des Belecker Männerchores<br />

der „Arbeitskreis Mühlrad“, bestehend<br />

aus zwölf Männern. Ihr Ziel: Rettung<br />

dieses alten Wahrzeichens.<br />

Wir schreiben das Jahr 1983. Mit<br />

körperlicher Schwerstarbeit und ausgezeichnetem<br />

handwerklichen Können<br />

wird das mehrere Tonnen schwere Wasserrad<br />

neu zusammengebaut. Am<br />

Sturmtag (6. Juni) 1984 wurde Richtfest<br />

gefeiert, der Bürgermeister konnte das<br />

große Rad per Knopfdruck wieder in Bewegung<br />

setzen.<br />

Das gesamte Anwesen des Mühlenge<br />

ländes ging 1986, nach dem Tode<br />

von Dr. med. Heinrich Stüting, als Erbgut<br />

in den Besitz der Stadt Warstein<br />

über. Der „Arbeitskreis Mühlrad“ arbeitete<br />

jedoch weiter. Das Gebäude der alten<br />

Säge mühle wurde von ihm restauriert<br />

– wie immer in Freizeitarbeit. Noch<br />

wichtiger und imponierender: Diese fleißigen<br />

Männer setzten das Horizontalgatter<br />

mit dem Antrieb durch das Wasserrad<br />

wieder instand. Es sägte zum ersten<br />

Mal am Sturmtag (3. Juni) 1987,<br />

und ist das zurzeit einzige mit Wasserkraft<br />

und Wasser rad betriebene Horizontalgatter<br />

in NRW. Es arbeitet zum<br />

Schausägen und beliefert den Bauhof<br />

der Stadt Warstein - wenn gewünscht -<br />

mit Balken und Bohlen.<br />

Nun blieb dem AK noch ein ehrgeiziges<br />

Ziel. Man wollte auch die Turbine im<br />

Keller neben der abgerissenen Mahl -<br />

müh le restaurieren. Und dieser Plan gelang.<br />

In Präzisionsarbeit wurde ab 1991<br />

die alte Turbine überholt und bis zum<br />

Jahre 1993 auf den neusten Stand gebracht,<br />

modernisiert und automatisiert<br />

für einen wärterlosen Betrieb. Der Erfolg:<br />

Je nach Wasserstand der Wester<br />

können nun jährlich ca. 140 000 kW<br />

Strom in das VEW-RWE-Netz eingespeist<br />

werden. Im Jahre 2007 waren es<br />

genau 184 784 kW Stunden, 28 000<br />

kW Stunden mehr als im Jahre 2006.<br />

Die Belecker wissen, was sie dem<br />

„Arbeitskreis Mühlenrad“ des Jahres<br />

1983 und inzwischen auch neuen Mitgliedern<br />

zu verdanken haben:<br />

Diese Männer haben ein Stück wertvoller<br />

Tradition unserer Heimat gerettet!


SAUERLAND NR. 2/<strong>2008</strong> 61<br />

Eine typische kurkölnische Ackerbürgerstadt<br />

Schon vor der ersten urkundlichen<br />

Erwähnung siedelten Menschen in der<br />

Umgebung Beleckes. Da das Möhnetal<br />

sehr sumpfig war, lagen die Felder und<br />

Äcker sicherlich auf der Haar, was auch<br />

durch die Namensgebung des kaiserlichen,<br />

später kurkölnischen Gutes Harkampe<br />

deutlich wird. Während der zweiten<br />

Hälfte des 13. Jahrhunderts (Inter -<br />

reg num 1254–1273) fühlten sich die<br />

Bauern in der Feldflur nicht mehr sicher<br />

und der Kölner Bischof erlaubte eine<br />

Besiedlung auf dem Berg. Siegfried II.<br />

verlieh 1296 Belecke die Stadtrechte.<br />

Aus einer Ergänzungsurkunde geht hervor,<br />

dass der Bischof das Gut Harkampe<br />

aufteilte und jeder Hausstatt jeweils 13<br />

„alte“ Morgen Acker- und Waldland<br />

übertrug.<br />

1. Entwicklung und Bedeutung<br />

der Landwirtschaft<br />

Mit der großzügigen Schenkung des<br />

Landesherrn bei der Stadtgründung Beleckes<br />

war für alle Bürger die Lebensgrundlage<br />

geschaffen worden und für<br />

Belecke begann somit die Entwicklung<br />

zu einer typischen Acker bürgerstadt im<br />

kurkölnischen <strong>Sauerland</strong>. Noch um<br />

1650 betrugen die bischöflichen Erbländer<br />

durchschnittlich 13 Morgen. Wiesen<br />

und Weiden hatten die Belecker Bauern<br />

kaum, da sie Anteile an der Allmende<br />

besaßen. Weiterhin hatten sie schon<br />

früh auch Pachtländer erworben, wobei<br />

vor allen Dingen die Stadt und die<br />

Propstei Verpächter waren. Aus diesen<br />

Gründen bewirtschafteten Bele cker<br />

Bauern schon vor Jahr hunderten 40-60<br />

Morgen Land. Da Grund und Boden<br />

wichtige Voraussetzungen für das tägliche<br />

Brot waren, konnte Landbesitz<br />

nicht hoch genug bewertet werden. Und<br />

Erschlei chung von Landeigentum wurde<br />

streng bestraft. So heißt es bereits in einem<br />

Ratsbeschluss von 1555: „Wer einem<br />

anderen Wiesen, Länder oder Gärten<br />

unerwinne (widerrechtlich wegnehmen),<br />

der habe der Stadt 5 Mark Strafe<br />

zu zahlen und sei für ehrlos, treulos und<br />

meineidig anzusehen.“ 1) Im Jahre 1678<br />

wurde dieser Beschluss noch dahingehend<br />

erweitert, dass bei Zuwiderhandlung<br />

der Ausschluss aus der Bürgerschaft<br />

zu erfolgen habe. In dieser Zeit<br />

war in unserem Land weitgehend die<br />

Dreifelderwirtschaft verbreitet. Nach<br />

zweijähriger Bearbeitung lag der Acker<br />

Belecker Altstadt mit Propsteikirche St. Pankratius<br />

im dritten Jahr brach. Die Bauern unserer<br />

Gegend betrieben aber schon sehr<br />

früh eine Fünffelderwirtschaft. Diese<br />

fortschrittliche Form des Ackerbaus ist<br />

sicherlich auf den Einfluss der Bene -<br />

diktiner (Kloster Grafschaft, Propstei<br />

Belecke) zurückzuführen. Um 1825 etwa<br />

wurde in dieser Gegend die Fünf -<br />

felderwirtschaft abgelöst und im Brache -<br />

jahr wurden Klee oder Kartoffeln angebaut.<br />

Ackerbau und Viehzucht bedingen<br />

einander und so entwickelte sich seit der<br />

Stadtgründung ein ansehnlicher Vieh -<br />

bestand und dieser war ein wichtiger<br />

Wirtschaftsfaktor der Ackerbürgerstadt<br />

Belecke. Bis in diese Zeit kannten die<br />

Bauern in Belecke fast keine Haus -<br />

fütterung. Heu und Grummet wurden<br />

kaum geerntet, da Wiesen und Weiden<br />

nicht im Privatbesitz waren (Allmende).<br />

Man schlachtete damals im Herbst und<br />

bei Einbruch des Winters so viel Vieh,<br />

wie eben möglich war. Wir können uns<br />

heute kaum noch vorstellen, welche<br />

Probleme der Nahrungsbeschaffung im<br />

Winter für Menschen und Tiere bestanden.<br />

In diesem Zusammenhang darf<br />

nicht unerwähnt bleiben, dass zwei weitere<br />

Ereignisse in der zweiten Hälfte des<br />

19. Jahrhunderts die landwirtschaftliche<br />

Situation in Belecke stark verändert ha-<br />

von Theo Büchter<br />

Foto: Michael Sprenger<br />

ben: 1. Mit Ratsbeschluss vom 11. 5.<br />

1861 wurden die im Besitz der Stadt<br />

sich befindenden Wiesen, Wälder und<br />

Wei den, die insgesamt 586 ha ausmachten,<br />

aufgeteilt. 2. Bereits zwischen<br />

1860 und 1880 versuchte man in Belecke<br />

die unwirtschaftliche Streulage der<br />

Felder durch Zusammenlegung von benachbarten<br />

Grundstücken durch eine<br />

Flurbereinigung/Separation zu verbessern.<br />

Für die Ackerbürgerstadt Belecke war<br />

der 13. April 1805 (Karsamstag) im<br />

Hinblick auf die städtebauliche Ent -<br />

wicklung, aber auch für die Land wirt -<br />

schaft ganz allgemein, von großer Bedeutung.<br />

Bei einem Großbrand sind von<br />

den 87 Häusern der Stadt 58 Häuser<br />

zerstört worden. Eine für uns unvorstellbare<br />

Katastrophe, die auch nur aus der<br />

damaligen Zeit zu verstehen ist. Im Jahre<br />

1805 gehörte Belecke nach der Säkularisation<br />

politisch zu Hessen-Darmstadt.<br />

Unmittelbar nach dieser Katastrophe<br />

beauftragte die Regierung den damaligen<br />

Landes baumeister Her mann<br />

Sandfort mit der Neuplanung Beleckes.<br />

Und das Ergebnis dieser Planung ist die<br />

historische Altstadt in Belecke, so wie<br />

wir sie in ihren Grund zügen heute noch


62 SAUERLAND NR. 2/<strong>2008</strong><br />

nach über 200 Jahren vorfinden. Außerdem<br />

entwickelte er den Haustyp des<br />

Ackerbürgerhauses. Küche und Wohnräume<br />

liegen nach vorn zur Straße, danach<br />

folgt die Querdeele und dahinter<br />

befinden sich die Stallungen für Kühe<br />

und Schweine. Es sind Fach werkhäuser.<br />

Die Gefache haben in der Regel eine<br />

Größe von 95 x 100 cm. Beim Einfahren<br />

in die Deele zum Abladen von Heu<br />

und Stroh gab es wegen der Enge besondere<br />

Schwierig keiten. Dieses Ackerbürgerhaus<br />

war über 150 Jahre Wohnund<br />

Wirt schafts haus für die Bauern und<br />

prägt heute noch das wunderschön erhaltene<br />

Ge samt bild der Altstadt.<br />

2. Strukturwandel, Flurbereinigung<br />

und Aussiedlung<br />

Der wohl größte Strukturwandel in<br />

der Landwirtschaft hat nach dem Zweiten<br />

Weltkrieg stattgefunden. Auch in<br />

Belecke war dieser Wandel an verschiedenen<br />

Aspekten deutlich spürbar: Veränderungen<br />

im Viehbestand, Mecha -<br />

nisierung und Einsatz von landwirtschaftlichen<br />

Großmaschinen, Spezialisierung<br />

in der Produktion (Milch- und<br />

Fleisch produktion) und die Zahl der Be -<br />

schäftigten in der Belecker Land -<br />

wirtschaft, die von 368 im Jahre 1938<br />

auf 38 im Jahre 1969 gesunken ist.<br />

Für die Wirtschaftlichkeit eines landwirtschaftlichen<br />

Betriebes sind neben<br />

der Größe auch die Flurlage und die<br />

Hoflage von Bedeutung. Seit der Stadtgründung<br />

im Jahre 1296 befanden sich<br />

die Höfe nicht auf der Haar, sondern im<br />

Schutze der Stadt und nach dem großen<br />

Stadtbrand von 1805 waren die Höfe<br />

großzügig und feuersicherer in der Altstadt<br />

neu errichtet worden. Sie entsprachen<br />

nach dem Zweiten Weltkrieg nicht<br />

mehr den Anforderungen eines modernen<br />

landwirtschaftlichen Betrie bes. So<br />

hatten die Höfe hier in Oberbelecke<br />

nicht die geringste Mög lichkeit der Erweiterung,<br />

die Hofräume waren sehr<br />

klein und boten den Maschinen und<br />

Ackergeräten kaum Platz. Schwierigkeiten<br />

gab es besonders in der Erntezeit.<br />

Auch die Wirt schaftsgebäude genügten<br />

nicht mehr den damaligen Anforderungen,<br />

die Stallungen waren zu klein. Die<br />

Flur- und Hoflage mit der schlechten<br />

Verkehrsan bindung wirkte sich durch<br />

hohe Kosten betriebswirtschaftlich sehr<br />

nachteilig auf die Belecker Bauern aus<br />

und bedrohte die Existenz mehrerer Betriebe.<br />

In dieser schwierigen Situation<br />

bot sich allein die Aussiedlung der Betriebe<br />

an.<br />

Anfang 1956 wurden die ersten Gespräche<br />

geführt, Beschlüsse gefasst und<br />

am 27. 2. bereits die Anträge auf Aussiedlung<br />

gestellt. Es war ein langer Weg<br />

mit vielen Schwierigkeiten, Ein wänden,<br />

finanziellen Einschrän kungen und nach<br />

fast vier Jahren kam endlich am 6. Oktober<br />

1959 die lang ersehnte Nachricht,<br />

dass alle mit dem Bau beginnen konnten.<br />

Im Jahre 1960 konnten sieben<br />

Bauern von der Altstadt in ihre Aussiedlerhöfe<br />

auf der Haar umziehen. Bis Oktober<br />

1965 folgten drei weitere Bauern.<br />

Die Aussiedlung war dringend notwendig,<br />

zeugte vom Weitblick der Verantwortlichen<br />

und brachte in den folgenden<br />

Jahren allen bessere Arbeits bedin -<br />

gungen und wirtschaftlichen Erfolg.<br />

Jedoch bedeutete die Aussiedlung für<br />

alle beteiligten Bauern auch große Veränderungen<br />

im sozialen und familiären<br />

Bereich. Die Altstadt in Belecke veränderte<br />

in einem Jahr ihre Wirt schaftsund<br />

Sozialstruktur. Zugleich schließt sich<br />

mit der Aussiedlung auf die Haar im Jah-<br />

Autorensitzung in Olpe<br />

Das geplante zweibändige Werk über<br />

das „Herzogtum Westfalen“ macht Fortschritte.<br />

Am 21. April <strong>2008</strong> trafen sich<br />

die Autoren von Band 1 und Band 2 auf<br />

Einladung des <strong>Sauerländer</strong> <strong>Heimatbund</strong>es<br />

im Kreishaus Olpe, wo sie von Landrat<br />

Frank Beckehoff herzlich begrüßt<br />

wurden, zu einer 2. Autorensitzung unter<br />

der Leitung von Prof. Dr. Dr. Harm<br />

Klueting Köln/Fri bourg und seinem Mitarbeiter<br />

Dr. Jens Foken. Nach einer kurzen<br />

Vorstellung der Anwesenden, inzwischen<br />

ergänzt durch drei weitere junge<br />

Wissen schaft lerinnen, folgte ein Rundgespräch<br />

über die einzelnen Kapitel des<br />

Gesamtwerkes.<br />

Im Anschluss an das Mittagessen im<br />

Kreishaus fuhren die Teilnehmer/innen<br />

re 1960 der Kreislauf unserer Betrachtungen.<br />

Angefangen war alles in der<br />

zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts, als<br />

die Bauern der Umgebung die Schutz<br />

bietende Stadt auf dem Berg gründeten.<br />

Über 650 Jahre blieben sie dort und<br />

prägten alle Bereiche des wirtschaftlichen,<br />

kulturellen, kirchlichen und sozialen<br />

Lebens in der Ackerbürgerstadt Belecke<br />

entscheidend mit.<br />

Wie lange werden sie auf der Haar<br />

bleiben? Sicherlich keine 650 Jahre!<br />

Knapp 50 Jahre nach der Aussiedlung<br />

ist die Situation für die Belecker Landwirte<br />

nicht einfacher geworden, denn<br />

Spezialisierung und Globalisierung bedingen<br />

immer neue Anforderungen und<br />

Herausforderungen. Heute sind in Belecke<br />

nur noch wenige in der Landwirtschaft<br />

tätig. Und auch für die verbliebenen<br />

Bauern stellt sich die Frage nach der<br />

Zukunft ständig neu. Wie lange gibt es in<br />

der „Ackerbürgerstadt“ Belecke noch<br />

landwirtschaftliche Betrie be? Wie<br />

schnelllebig ist doch unsere Zeit geworden!<br />

1) Dalhoff, Walter, Praesidium Baduliki, Belecke<br />

1970, Seite 187<br />

zur Wendener Hütte und lernten dort<br />

durch die fachkundige Leitung von Frau<br />

Monika Löcken die bisher meist unterschätzte<br />

Montangeschichte des kurkölnischen<br />

<strong>Sauerland</strong>es am Beispiel dieses<br />

inzwischen als Museum ausgestalteten<br />

Industriedenkmals kennen.<br />

Anschließend hörten sie einen Vortrag<br />

von Dr. Eberhard Fricke, Hilden<br />

über „Die Veme im südlichen West -<br />

falen“, worüber er auch in dem genannten<br />

Werk berichten wird. Weitere Au to -<br />

rensitzungen sind vorgesehen. Schon<br />

jetzt wurde auch auf das Aus stellungs -<br />

projekt im <strong>Sauerland</strong>-Museum Arnsberg<br />

im Jahr 2009 hingewiesen, das der Geschichte<br />

des Herzogtums Westfalen gilt.<br />

Darüber wird in der Folge noch mehr zu<br />

berichten sein.<br />

Erika Richter


SAUERLAND NR. 2/<strong>2008</strong> 63<br />

Historische Wegemarken am nördlichen Ortsrand<br />

Hat man – aus<br />

nördlicher Richtung<br />

kommend –<br />

auf der B 55 die<br />

Höhe des Haarstrangs<br />

bei Be -<br />

lecke erreicht,<br />

breitet sich nach<br />

Süden das unverwechselbare<br />

Pa -<br />

no rama des „Landes<br />

der tausend<br />

Berge“ aus. Im<br />

Vordergrund erkennt<br />

man am<br />

Ortseingang Bele -<br />

ckes schon aus der<br />

Ferne die Külben -<br />

kapelle. Der jüngste<br />

Orkan Kyrill hat<br />

sie ungewollt wieder<br />

„freigelegt“,<br />

denn eine Baumgruppe<br />

von Lärchen,<br />

Fich ten, Birken<br />

und Buchen<br />

hatte dieses Bauwerk,<br />

welches im Jahre 1866 Pfarr -<br />

propst Carl Böckler zu Ehren der<br />

Schmerzhaften Muttergottes erbauen<br />

ließ, den Blicken des Betrachters weitgehend<br />

entzogen. Ursprünglich sollte hier<br />

ein Eremit angesiedelt werden, der täglich<br />

dreimal das Ave Maria läuten sollte.<br />

Der Bischof erteilte allerdings dafür keine<br />

Erlaubnis.<br />

Die Belecker Katholiken feiern am<br />

2. Pfingsttag, falls es das Wetter zulässt,<br />

vor der Kapelle ihren festlichen Gottesdienst<br />

unter freiem Himmel. Die Umgebung<br />

der Kapelle bildet einen beliebten<br />

Treffpunkt für jedermann, zumal der Besucher<br />

von dieser Stelle einen besonders<br />

reizvollen Blick auf das alte Belecke genießen<br />

kann. Alljährlich wird an der Külbenkapelle<br />

auch das traditionelle Osterfeuer<br />

abgebrannt.<br />

Wendet man sich auf dem „Franz-<br />

Kesting-Weg“ weiter nach Westen, so<br />

türmen sich plötzlich zwei große Felsensteine<br />

am Wege auf, die Kül bensteine.<br />

Sie gelten als Natur denkmale, die man<br />

leider im 19. Jahrhundert geschleift hat,<br />

um Material für den Stra ßenbau zu gewinnen;<br />

sie waren ursprünglich also<br />

sehr viel höher. Walter Dalhoff 1) vermutet,<br />

dass diese Steine womöglich – wie<br />

An der Kreuzung von B 55 und B 516 steht die Kreuzkapelle<br />

etwa die Externsteine – als „Sachsenopferstätte“<br />

gedient haben könnten. Die<br />

Belecker Jugend erprobt und erprobte<br />

hier immer wieder ihre Kletterfertigkeiten.<br />

In besonderen Mondnächten gewinnen<br />

die Karne valisten an den Külbensteinen<br />

ihr Material für den Külbensteinorden,<br />

mit dem sie alljährlich verdienstvolle<br />

Helfer im Belecker Karneval<br />

auszeichnen.<br />

Unweit der Külbensteine, wo sich die<br />

Bundesstraßen 55 und 516 kreuzen,<br />

findet man inmitten des Verkehrsgewirrs<br />

die wohl älteste Kapelle Beleckes, die<br />

Kreuzkapelle. Schon um 1300 wird an<br />

dieser Stelle eine Kapelle in den Annalen<br />

erwähnt, die als „Spitalkapelle“ all<br />

denen für gottesdienstliche Zwecke<br />

diente, die an unheilbaren Krankheiten,<br />

vor allem an Seuchen wie Pest,<br />

Cholera, etc. litten. Sie waren aus der<br />

städt. Ge meinschaft ausgeschlossen und<br />

fristeten ihr Leben in einem Siechenhause<br />

vor den Toren der Stadt.<br />

Die derzeitige Kapelle wurde wohl<br />

nach 1724 erbaut. Sie wurde benannt<br />

nach einem wundertätigen Kruzifix<br />

(Pest kreuz aus dem Jahre 1350), das<br />

als Wallfahrtskreuz aus der Pfarrkirche<br />

dorthin überführt wurde. Heute kann<br />

von Bernhard Müller<br />

der Besucher dieses<br />

Kreuz wieder<br />

in der Belecker<br />

Propsteikirche bewundern.<br />

Im Siebenjährigen<br />

Krieg<br />

(1756 – 1763)<br />

diente die Kreuzkapelle<br />

sogar als<br />

„Pulvermagazin“.<br />

Sie wurde dann im<br />

19. Jahr hundert<br />

zeitweilig den Belecker<br />

evan ge -<br />

lischen Mitchri sten<br />

zur Be nut zung<br />

überlassen. Später<br />

(1922 – 1932)<br />

war sie Haus ka -<br />

pelle für das Studienheimspätberufener<br />

Pries ter -<br />

amts kan dida ten<br />

(Clemens heim),<br />

das dann nach<br />

Foto: Michael Sprenger<br />

Bad Driburg übersiedelte.<br />

An besonderen<br />

Ta gen feiert die Belecker katholische<br />

Kirchen ge meinde hier Got tes -<br />

dienste.<br />

In der Nach barschaft der Kreuzkapelle<br />

sprudelt seit alter Zeit eine kochsalzhaltige<br />

Quelle, die bis in jüngster Zeit<br />

den Menschen aus nah und fern Heilung<br />

und Gesundheit versprach. Beleckes<br />

„Kaiser-Heinrich-Bad“, dessen Name<br />

auf Kaiser Heinrich II. (1002 – 1024)<br />

zurückgeführt wird, hat eine bewegte<br />

Geschichte hinter sich. Ob Kaiser Heinrich<br />

mit seiner Gemahlin Kuni gunde auf<br />

seinen weiten Reisen durch Deutschland<br />

wirklich hier Heilung fand, lässt sich<br />

nicht belegen. Zweifellos kann sich das<br />

Quellwasser durchaus messen mit anderen<br />

Heil quellen der Umgebung. Bestrebungen<br />

nach dem 2. Weltkrieg, Belecke<br />

zu einem anerkannten Badeort umzugestalten,<br />

mussten scheitern, weil sich die<br />

damaligen Stadtväter Beleckes - der Not<br />

gehorchend - für den Ausbau Beleckes<br />

als Industriestandort entschieden. Immerhin<br />

zeigen viele Berichte von Ärzten,<br />

Dankesschreiben von Patienten<br />

und andere Belege, dass die ambulanten<br />

Kuren vielen Menschen geholfen haben.<br />

Durch den Einsatz des Belecker Küsters<br />

und Dirigenten Caspar Bracht mit seinen<br />

Musikern des Kolpingorchesters


64 SAUERLAND NR. 2/<strong>2008</strong><br />

Bedeutender Industriestandort im Möhnetal<br />

Landwirtschaft, Handwerk und Han -<br />

del prägten über 600 Jahre das Bild der<br />

Stadt Belecke. Seit Beginn des 19. Jahrhunderts<br />

jedoch gab es durch die Ansiedlung<br />

von Industriebetrieben für unsere<br />

Stadt größere Veränderungen, als in den<br />

vergangenen Jahrhunderten zusammen.<br />

In dieser Zeit hat Belecke die Entwicklung<br />

von einem Ackerbür ger städtchen zum<br />

wichtigsten Industrie stand ort im oberen<br />

Möhnetal erfahren. Angefangen hatte alles<br />

mit der Gründung der Firma Linnhoff,<br />

die im Jahre 1829 eine Konzession für<br />

eine Drahtwalze im Belecker Westertal<br />

erhielt. Eine wichtige Entscheidung für<br />

die Entwicklung der Stadt Belecke war<br />

aber die Verlegung der Siepmann-Werke<br />

wurde im Jahre 1932 die durch Straßen<br />

bauarbeiten im Jahre 1850 versiegte<br />

Quelle wieder entdeckt. Seit dem Jahr<br />

2007 bietet ein „Rückenfitness-Zentrum“<br />

in den Räumen des Bade hauses<br />

ein Gesundheitstraining im „rehabilitativen<br />

und präventiven“ Bereich an.<br />

Propst Carl Böckler berichtet in seinen<br />

Mittheilungen über Beleke und die<br />

dortige Propstei: „Über Welschenbeck<br />

(Schloss Welschenbeck) finden sich erst<br />

Nachrichten, als der am 7. November<br />

1225 gestorbene Erzbischof Engelbert<br />

der Heilige selbest nebst dem Sennhoff<br />

und Gütern in Uelde und Hevinghausen<br />

aus eigenen Mitteln angekauft und 1222<br />

seiner Nichte, der Gräfin W. de Kessel,<br />

Ehefrau des Edelherrn Bertold von Büren,<br />

geschenkt hat 2).“<br />

(Fortsetzung von Seite 63)<br />

Viel später gelangte<br />

das Haus Welschenbeck in den<br />

Besitz von Nagel-Doornick zu Vornholz.<br />

Der ganze Rittersitz Welschenbeck, so<br />

Böckler, gehöre in den Pfarrbezirk Belecke.<br />

In der Tat gilt das Haus heute, nachdem<br />

in den unteren Räumlichkeiten ein<br />

gemütliches Restaurant mit Café eingerichtet<br />

wurde, für die Bürger Beleckes<br />

und das angrenzende Möhnetal als lohnendes<br />

Ausflugsziel. Besonders im Früh -<br />

ling und Sommer bevölkern Radfahrer,<br />

die auf der Möhnetrasse Belecke passieren,<br />

oder Familien mit Kindern den<br />

großzügigen Biergarten. Von alters her<br />

verschönt ein idyllisches Teichambiente<br />

das geschichtsträchtige Gemäuer.<br />

1) W. Dalhoff, in „Praesidium Baduliki“, Belecke<br />

1970, p.71<br />

2) Carl Böckler, „Geschichtl. Mittheilungen“, 1866,<br />

Neuauflage 1988, Stadt Warstein, p. 4<br />

von Warstein nach Belecke im Jahre<br />

1911. Die bereits 1891 gegründete Firma,<br />

die sich auf das Schmieden von<br />

Schaufeln, Spaten und Gabeln spezialisiert<br />

hatte, erkannte damals schon, dass<br />

die Zukunft im Gesenkschmieden lag. So<br />

wurde die neue Fabrik in Belecke gebaut<br />

und bereits 1916 gehörte die Firma zur<br />

Spitze der deutschen Gesenkschmieden,<br />

aber durch Inflation und Weltwirtschaftskrise<br />

sanken Produktions- und Beschäfti -<br />

gungszahlen drastisch. Jedoch erlebte die<br />

Firma im Zuge der Rüstungsindustrie einen<br />

neuen Aufschwung und hatte 1945<br />

über 1700 Beschäftigte. Mit dem Ende<br />

des Zweiten Weltkrieges kam der Betrieb<br />

völlig zum Erliegen.<br />

Die größte Entwicklung vollzog sich jedoch<br />

in Belecke nach dem Zweiten Weltkrieg.<br />

Drei große Industriebetriebe siedelten<br />

im Möhnetal und der Zufall spielte dabei<br />

eine ungeheure Rolle. Die Siepmann-<br />

Werke erlebten einen Pro duk tionsboom,<br />

in der Gesenkschmiede wurden Teile für<br />

den Fahrzeug-, Motoren-, Maschinenund<br />

Arma tu renbau geschmiedet, so dass<br />

die Zahl der Mitarbeiter von 450 im Jahre<br />

1950 auf 1300 im Jahre 1960 angestiegen<br />

war. Bereits 1946 kam es zur<br />

Gründung der Tochtergesellschaft Stahl-<br />

Armaturen PERSTA. Aus den im Gesenk<br />

geschmiedeten Teilen wurden Armaturen<br />

für Chemie, Schiffsbau, Kraftwerke<br />

usw. hergestellt, so dass diese Firma eine<br />

gute Ergänzung zu den Siepmann-Werken<br />

war. Im Jahre 1961 konnte der neue<br />

Betrieb im Möhnetal eingeweiht werden<br />

und technisch hoch entwickelte Trans -<br />

ferstraßen wurden zur Produktion der Armaturen<br />

eingesetzt. Die Nachfrage war<br />

groß und so hatte die Firma 1970 bereits<br />

600 Mitarbeiter beschäftigt.<br />

Viele Firmen suchten nach dem Zweiten<br />

Weltkrieg neue Fertigungs stätten. So<br />

kamen auch 1945 Mitar beiter der AEG-<br />

Röhrenfabrik Berlin nach Belecke. Hier<br />

fanden sie bei den Siepmann-Werken<br />

durch Demontage leer stehende Hallen<br />

mit Strom- und Gasanschluss. Die Verhandlungen<br />

verliefen positiv und ab<br />

Herbst 1945 begann die AEG mit ein<br />

paar Mitarbeitern, Halbleiter zu entwickeln<br />

und zu produzieren. Niemand ahnte<br />

damals, welche Folgen diese Betriebsansiedlung<br />

für die Stadt Belecke haben<br />

könnte, denn aus den bescheidenen Anfängen<br />

entwickelte sich eine der größten<br />

von Theo Büchter<br />

Produktionsstätten der Welt für Leistungshalbleiter.<br />

Man begegnete AEG-<br />

Produkten überall dort, wo Gleichstrom<br />

benötigt wurde. Im Jahre 1970 hatte die<br />

AEG bereits 1700 Mitarbeiter.<br />

Die wirtschaftliche Expansion dieser<br />

drei Betriebe war so rasant, dass um<br />

1970 ca. 3500 Menschen im Möhnetal<br />

beschäftigt waren. Und diese Entwick -<br />

lung hatte nun endgültig den Charakter<br />

der ehemaligen Ackerbürgerstadt in jeder<br />

Hinsicht verändert. Die Einwoh -<br />

nerzahl hatte sich verdreifacht und war<br />

1970 auf 7150 gestiegen. Die gesamte<br />

Bevölkerungsstruktur hatte sich ebenso<br />

gewandelt, denn neben den 2500 alteingesessenen<br />

Beleckern wohnten nun ca.<br />

2000 Flüchtlinge und Umsiedler und<br />

ebenfalls ca. 2000 Industriesiedler, die<br />

vor allem aus dem Ruhrgebiet kamen, in<br />

unserer Stadt. Die Wirtschaftlichkeit einer<br />

Stadt ist in erster Linie von der Anzahl<br />

der angebotenen Arbeitsplätze abhängig.<br />

In Belecke überstieg diese bei<br />

weitem die Zahl der einheimischen Erwerbstätigen.<br />

So entwickelte sich Belecke<br />

mit ca. 2000 Pendlern zu einem Beschäftigungszentrum,<br />

was letztlich auch<br />

eine große Verkehrsdichte in den Stoßzeiten<br />

bedeutete.<br />

Für den Industriestandort Belecke waren<br />

die 80er Jahre von großer Be -<br />

deutung. Der AEG-Konzern hatte wirtschaftliche<br />

Probleme. Davon war auch<br />

das Belecker Werk betroffen. Aus der Belecker<br />

AEG sind drei neue Firmen hervorgegangen:<br />

Die AEG Elek tro fotografie<br />

GmbH (EFO), die in den Geschäftsbereichen<br />

Entwicklung, Pro duk tion und Vertrieb<br />

elektrofotografischer Bildträger tätig<br />

ist. Heute hat die Firma rund 230 Beschäftigte.<br />

Weiterhin wurde die Firma<br />

AEG SVS Power Supply Systems GmbH<br />

gegründet. Sie ist ein führender Anbieter<br />

von Strom versorgungs-Systemen für die<br />

unterschiedlichsten Branchen. Der weltweite<br />

Spezialist für Stromversorgung beschäftigt<br />

rund 360 Mitarbeiter. Als dritte<br />

Firma wurde zum 1. 1. 1990 die Eupec<br />

gegründet, die heute Infineon Techno -<br />

logies AG heißt. Schwerpunkt der Produktion<br />

sind Silicium-Leistungshalb leiter,<br />

die in vielen Bereichen der An triebs- und<br />

Transporttechnik benötigt werden. Im<br />

Bereich der erneuerbaren Energien werden<br />

Silicium-Halbleiter ebenfalls eingesetzt.<br />

Die Produktion findet weltweiten


SAUERLAND NR. 2/<strong>2008</strong> 65<br />

Absatz. Die Firma Infineon verfügt über<br />

60 Jahre Know-how und Erfahrung, ist<br />

führend auf dem Weltmarkt und hat zurzeit<br />

1300 Beschäftigte.<br />

Auch bei den Siepmann-Werken hat<br />

es in den vergangenen Jahren einen<br />

Strukturwandel gegeben. Heute produziert<br />

man nicht mehr für die Auto -<br />

industrie, sondern für Maschi nenbau,<br />

Nutzfahrzeuge und Windkraftanlagen<br />

und gleichzeitig hat sich die Firma auf die<br />

Produktion schwerer Gesenkschmiede -<br />

stücke spezialisiert. Es gab in letzter Zeit<br />

große Produktions- und Umsatzsteige -<br />

rungen, hohe Investitionen und Kapa -<br />

zitätserweiterungen, so dass die Siep -<br />

mann-Werke mit ihren Produkten auf<br />

dem gesamten Weltmarkt konkurrenzfähig<br />

sind. Das gleiche gilt für die Tochtergesellschaft<br />

Stahl-Armaturen PERSTA,<br />

deren Produkte zu mehr als 50% in den<br />

Export gehen. Industrie-Armaturen aus<br />

Belecke finden wir in Europa und der<br />

ganzen Welt. Attraktive Märkte sind un-<br />

(Lesen Sie weiter auf Seite 66)<br />

Infineon Bedampfen von Halbleitern<br />

im Infineon-Werk in Belecke<br />

Werksfoto: Infineon<br />

Siepmann Schmiederoboter vor einem Drehherdofen Werksfoto: Siepmann-Werke


66 SAUERLAND NR. 2/<strong>2008</strong><br />

Brauchtum in Belecke<br />

Bräuche sind jährlich wiederkehrende<br />

besondere Ereignisse oder Veranstaltun<br />

gen, die vor langer Zeit von den Vor -<br />

fahren ins Leben gerufen und durchgehend<br />

begangen worden sind und auch<br />

weiterhin gepflegt<br />

werden. Es gibt<br />

aber auch Brauchtum,<br />

das zwischenzeitlich<br />

in<br />

Vergessenheit geraten<br />

oder bewusst<br />

nicht gelebt<br />

worden ist. Auch<br />

in Belecke finden<br />

wir beide Arten<br />

von Brauchtum:<br />

Bräuche, die seit<br />

Jahrhun der ten<br />

jähr lich begangen<br />

werden, und solche,<br />

die in den<br />

letzten Jahr zehn -<br />

ten wieder belebt<br />

worden sind.<br />

Ein besonders<br />

hohes Maß an<br />

Kontinuität weisen<br />

die kirchlichen<br />

ter anderem Indien und China und langfristig<br />

soll der Export auf 70% erweitert<br />

werden.<br />

Außerdem haben sich in jüngster Zeit<br />

in Belecke zwei größere Industrie -<br />

standorte entwickelt: Zum einen das Gewerbe-<br />

und Industriegebiet Wiebusch mit<br />

einer Größe von 15 ha, 23 Firmen und<br />

ca. 200 Beschäftigten. Und im Haar -<br />

bereich nördlich von Belecke liegt der Industriepark<br />

Warstein-Belecke, deren Verkehrsanbindung<br />

(Autobahn) besonders<br />

optimal ist. Hier hatten sich bis April<br />

<strong>2008</strong> schon 32 Unternehmen mit ca.<br />

650 Arbeitsplätzen angesiedelt.<br />

So kann man sicherlich mit gutem<br />

Recht sagen, dass Belecke der bedeutendste<br />

Industriestandort im oberen<br />

Möhnetal ist und durch seine Produkte<br />

„Made in Belecke“ zur weltweiten Globa -<br />

lisierung beiträgt. Daneben bestimmen<br />

aber auch Handwerk, Gewerbe, Handel<br />

und Dienstleistungen das Wirtschafts -<br />

leben und machen Belecke zu einer lebens-<br />

und liebenswerten Stadt.<br />

Bräuche auf, hier besonders die traditionellen<br />

Prozes si onen: Die Him mel -<br />

fahrtspro zes sion führt durch die historische<br />

Alt stadt, im An schluss daran lädt<br />

die Musikvereinigung Belecke zu einem<br />

Jeden Mittwoch vor Pfingsten erinnern die Sturmtagskanoniere mit ihrer<br />

Kanone an den Sturmtag von 1448, dann wird ab fünf Uhr geböllert.<br />

(Fortsetzung von Seite 65)<br />

festlichen Konzert ins Jungendheim ein.<br />

Die Fronleichnamsprozession beginnt in<br />

der Pankratiuskirche und endet in der<br />

Hl.-Kreuz-Kirche, verbindet quasi beide<br />

bisherigen Pfarrgemeinden. Von der<br />

ehemaligen Feldprozession zu Pfingsten<br />

ist heute noch das feierliche Pfingst -<br />

hochamt unter freiem Himmel an der<br />

Külbenkapelle erhalten geblieben, bei<br />

dem im Wechsel herausragende geistliche<br />

Persönlichkeiten (Äbte, Bischöfe<br />

u. a.) jeweils mitzelebrieren und die Predigt<br />

halten.<br />

Seit 1971 findet im Einzugsbereich<br />

der Hl.-Kreuz-Kirche Anfang Mai anlässlich<br />

des Festes Kreuz-Auffindung die<br />

Kreuzprozession statt, anknüpfend an<br />

die früheren Prozessionen zur Kreuz -<br />

kapelle an der Külbe. Im Laufe der letzten<br />

Jahre sind weitere Bräuche wieder<br />

ins Leben gerufen worden: Der Gang<br />

zur Mutterkirche nach Altenrüthen,<br />

Palm binden vor Palmsonntag, Sternsinger,<br />

Agapefeier in der Osternacht und<br />

Kräu terweihe am 15. August.<br />

Das weltliche Brauchtum spielt im<br />

Belecker Leben eine große Rolle. All -<br />

von Hans-Jürgen Hense<br />

jährlich am Sonntag nach dem 15. Juli<br />

feiert die Bürgerschützengesellschaft<br />

von 1712, deren erste Erwähnung bis in<br />

das Jahr 1448 zurückgeht, das traditionelle<br />

Schützenfest. Der Belecker Karneval,<br />

organisiert<br />

von der Großen<br />

Belecker Karnevalsgesellschaft<br />

von 1905, gehört<br />

seit Jahrzehnten<br />

zu den Höhepunkten<br />

des sauerländischen<br />

Karnevals.<br />

Heraus ragende<br />

Veranstaltung ist<br />

hierbei der traditionelleRosenmontagszug,<br />

an<br />

dem sich neben<br />

Belecker Vereinen<br />

und Grup pen seit<br />

vielen Jahren Aktive<br />

und Vereine aus<br />

den umliegenden<br />

Dörfern des Möhnetals<br />

und der<br />

Haar beteiligen.<br />

Die Große Bele-<br />

Foto: Michael Sprenger<br />

ckerKarnevalsgesell schaft hat nach dem Zweiten Weltkrieg<br />

den alten Brauch der Verteilung<br />

des Döbberstutens wieder belebt. Am<br />

Lüttkefastnachtstag wird dieses bei den<br />

Kindern beliebte Gebäck in den Belecker<br />

Kindergärten und der Grundschule<br />

von den Karnevalisten verteilt. Dieser<br />

Brauch geht auf die Familie Döbber zurück,<br />

die im 15. Jahrhundert in Belecke<br />

lebte. Nach ihrem Tod vermachte sie der<br />

Belecker Kirche 16 Morgen Land. Dafür<br />

mussten zum Gedächtnis jährlich<br />

zwei Messen gelesen werden. Geistliche,<br />

Kirchendiener und Schulkinder erhielten<br />

nach dem Gottes dienst Semmeln<br />

aus Weizenmehl (Döb berstuten).<br />

Zentraler Brauchtumstag in Belecke<br />

und wohl einmalig im <strong>Sauerland</strong> ist der<br />

Belecker Sturmtag: Am Mittwoch vor<br />

Pfingsten gedenkt die Belecker Bevöl -<br />

kerung der Soester Fehde (1444-49),<br />

hier besonders des Tages, an dem die<br />

Männer und Frauen Beleckes den Angriff<br />

der Soester mit Mut und Klugheit<br />

abgewehrt haben. Der Tag wird früh -<br />

mor gens eröffnet durch die Böller -<br />

schüsse der Belecker Sturm tagskano -<br />

niere. Am Abend findet in der Pan -


SAUERLAND NR. 2/<strong>2008</strong> 67<br />

kratiuskirche ein Hochamt im Wech sel<br />

mit einem ökumenischen Gottes dienst<br />

statt. An schließend geht es im Festzug<br />

zum Heimatabend in die Belecker<br />

Schützen halle, an dem viele Gruppie -<br />

rungen und Vereine teilnehmen. Hier<br />

wird seit 1989 alljährlich in Erin ne rung<br />

an den Bürgermeister Wilke, der bei<br />

dem Kampf gegen die Soester sein Leben<br />

ließ, der „Bürgermeister Wilke<br />

Preis“ an Einzelpersonen, Gruppierun -<br />

gen und Vereine verliehen, die sich um<br />

Belecke besonders verdient gemacht haben.<br />

Anlässlich der 1050-Jahr-Feier Be -<br />

leckes gründete sich 1988 die Belecker<br />

Nachtwächterzunft, die die Tradition des<br />

mittelalterlichen Nachtwächterberufes<br />

wieder aufleben lässt: Am Vorabend des<br />

Sturmtags kündigen sie mit ihren Lie -<br />

dern in der Altstadt dieses besondere<br />

Fest an, am Heimatabend wirken sie aktiv<br />

mit. Am Tag vor Heiligabend stimmen<br />

sie gemeinsam mit einer Bläser -<br />

gruppe an verschiedenen Stationen im<br />

Ort mit Weihnachtsliedern die Bevöl -<br />

kerung auf das bevorstehende Weih -<br />

nachtsfest ein.<br />

Im Mittelalter kontrollierten Rat und<br />

Bürgerschaft alle 20–25 Jahre in einem<br />

feierlichen Schnadezug (Schnot = Gren -<br />

ze) die Grenzen der eigenen Gemarkung<br />

zu den Nachbargemeinden, da es zu dieser<br />

Zeit noch keine katastermäßigen<br />

Fluraufnahmen und Karten gab. In Belecke<br />

ist dieser alte Brauch Anfang der<br />

siebziger Jahre wieder ins Leben gerufen<br />

worden und somit überprüfen die<br />

Belecker Bürger im Abstand von drei<br />

Jahren im Schnadezug mit Musik und<br />

Fahnen die richtige Position der Grenzsteine<br />

zu den Nachbargemeinden.<br />

Auch das Osterfeuer an der Kül -<br />

benkapelle hat seinen festen Platz im<br />

Belecker Leben. Gab es vor Jahrzehnten<br />

noch etliche Osterfeuer an verschiedenen<br />

markanten Punkten Beleckes, so<br />

hat es sich im Laufe der letzten Jahre auf<br />

den weithin sichtbaren Platz an der Külbe<br />

zentriert, neuerdings entzündet nach<br />

einem Fackellauf mit dem Feuer der<br />

Osterkerze in der Pankratiuskirche.<br />

Erfreulich bleibt festzustellen, dass<br />

das Interesse an den Volksbräuchen, die<br />

uns Aufschluss geben über Leben, Denken<br />

und Sitten unserer Vorfahren, im<br />

Laufe der letzten Jahrzehnte in Belecke<br />

zugenommen hat und auch in den Kindern<br />

das Interesse an Traditionen geweckt<br />

werden kann.<br />

Besuchen<br />

Sie uns im Internet:<br />

www.sauerlaender-heimatbund.de<br />

Baden<br />

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Wellness<br />

Mitarbeiter dieser Ausgabe<br />

Joseph Friederizi, Warstein<br />

Dietmar Lange, Warstein<br />

Peter Wessel, Warstein<br />

Theo Büchter, Warstein<br />

Bernhard Müller, Warstein<br />

Dr. Erika Richter, Meschede<br />

Hans-Jürgen Hense, Warstein<br />

Werner F. Cordes, Attendorn<br />

Werner Ahrens, Balve<br />

Werner Neuhaus, Sundern<br />

Friedhelm Walter, Arnsberg<br />

Hermann Kesting, Meschede<br />

Christel Hoberg-Hesse, Winterberg<br />

Reinhard Köhne, Meschede<br />

Hans Frölich, Bochum<br />

Albert H. Hoffmann, Müschede<br />

Karin Kraft, Brilon<br />

Manfred Raffenberg, Schmallenberg<br />

Michael Schmitt, Sundern<br />

Hans Jürgen Rade, Paderborn<br />

Dr. Adalbert Müllmann, Brilon<br />

Prof. Dr. Hubertus Halbfas, Drolshagen<br />

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68 SAUERLAND NR. 2/<strong>2008</strong><br />

Hespecke –<br />

ein vergessener Adelssitz im Eckenbachtal bei Attendorn von Werner F. Cordes<br />

Auf weit verbreiteten gedruckten<br />

Landkarten des 18. Jahrhunderts findet<br />

man an der alten Straße von Leipzig<br />

nach Köln, die auch als „Heiden straße"<br />

bezeichnet wird, nahe der Stadt Atten -<br />

dorn und benachbart zum ehemaligen<br />

Augustiner-Chorherren-Kloster Ewig,<br />

die Ortsbezeichnung Hespecke1. Ab seits<br />

der heute ausgebauten Strecke von Attendorn<br />

nach Meinerzhagen durch das<br />

Ihnetal scheint dieser Ort untergegangen<br />

zu sein und wird in den offiziellen Karten<br />

nicht mehr genannt.<br />

Die alte Trasse der „Kölner Straße“<br />

knickte an der als Hespecke bezeichneten<br />

Stelle ab und führte über eine leichte<br />

Anhöhe hinunter in das Ihnetal nach<br />

Merklinghausen. An dem Knickpunkt ist<br />

ein verhältnismäßig großes einzelnes Gebäude<br />

zu sehen, das zuletzt in der zweiten<br />

Hälfte des vorigen Jahrhunderts als<br />

Stall und Scheune genutzt wurde und<br />

seitdem leer steht. Albert Hömberg<br />

nennt Hespecke „ein kölnisches Lehn -<br />

gut“, das bereits „im 13. Jahrhundert<br />

Sitz einer Dienstmannenfamilie von Hersebeke2“<br />

war. In den „Regesten des ehemaligen<br />

Klosters Ewig“ kommt es bereits<br />

in einem Kaufvertrag vom 1. Januar<br />

1376 als „Hersebeike“ vor. 3 Am 15. Januar<br />

1405 versetzen „Godert van Ewich<br />

und seine Frau Patze“ zur Absicherung<br />

einer Schuld „ihren Anteil Landes Volmershyed<br />

bei Herßebeke“. 4 Weitere Urkunden<br />

mit der Erwähnung des Namens<br />

finden sich zu den Jahren 1448 (Hof zu<br />

Herßbeke) 5, 1456 und 1457 (Hertzebeck)<br />

6, 1467 (an den Weg nach Herspyke<br />

stoßend) 7 und 1680 (Heßpecke) 8.<br />

Der Grund für<br />

die Nennung des<br />

Namens auf den alten<br />

Landkarten<br />

liegt also darin, dass<br />

er einen traditionsreichen<br />

und früher<br />

wohl auch repräsentativen<br />

Adels sitz<br />

kennzeichnet, der<br />

unmittelbar an der<br />

„Köl ner Straße“<br />

lag. Von der Fa -<br />

milie v. Hersebeke<br />

gelangte das Lehn -<br />

gut über die v. Steinen<br />

und v. Ostentrop gen. Bockemolle an<br />

den Bilsteiner Drosten Kaspar v. Fürsten -<br />

berg, dessen Tage bücher die ergiebigste<br />

Quelle für die Geschichte des ehemaligen<br />

Ritterguts sind. 9 So erfahren wir, wie<br />

Fürstenberg sich nach einem „freundschaftlichen<br />

Hinweis“ das durch ein Versäumnis<br />

der bisherigen Inhaber freigewordene<br />

Lehen von dem Kölner Erzbischof<br />

Gebhard Truchseß v. Wald burg<br />

übertragen lässt. 10 Er verwickelt sich dadurch<br />

in langjährige Auseinan der -<br />

setzungen mit der Familie seines Vor -<br />

gängers, setzt sich aber durch und<br />

schreibt zum Abschluss des Jahres 1607<br />

in den Kalender: „Ich hab mit 1500 und<br />

mehe talern friden... von wegen der hofe<br />

zu Herßbecke gemacht.“ 11<br />

Noch am 28. Januar dieses Jahres hatte<br />

er notiert: „Wilhelm vom Neuen hove<br />

zu Ahausen schreibt und warnet mich für<br />

Lodowigh Dresch zu hüten, dan er hab<br />

sich öffentlich verlauten laßen, mich odir<br />

Hespecke, Stall- und Scheunengebäude von SW (<strong>2008</strong>) (1)<br />

meinen son von wegen der furderung der<br />

höve zu Hesbecke zu erschießen.“ 12<br />

Bereits unter dem 29. März 1581 hatte<br />

Kaspar von Fürstenberg vermerkt:<br />

„Der gogreve schreibt an mich belan -<br />

gendt die Gelegenheit des guts zu Hesbecke<br />

ist ein ansehentlich stuck.“ 13 Aus dem<br />

Tagebuch geht auch hervor, dass es sich<br />

um zwei Höfe und einen Teich handelt.<br />

Vom 5. Oktober 1592 berichtet er: „Ich<br />

zihe uf meine hove zu Hesbeke mit dem<br />

gogreven und fische daselbst.“ 14 Vom 18.<br />

März 1599 findet sich die Notiz: „Laß den<br />

deich zu Hesbecke fischen.“ 15<br />

Mit den Pächtern und den Chor -<br />

herren des benachbarten Klosters Ewig<br />

hatte er schon früh Kontakt aufgenommen<br />

und „daselbst suppen geßen“ sowie<br />

im selben Jahr 1581 am 4. September<br />

„ein ansehentlich gelach mit den nachpurn<br />

gehalten. Des abents zusamen uf<br />

Ewigh geruckt.“ 16<br />

Hespecke von NO vor dem Umbau (um I960) (2) 1595 fertiggestelltes Haus der Familie von Stockhausen<br />

in Olpe (1974) (3)


SAUERLAND NR. 2/<strong>2008</strong> 69<br />

Alte Eiche oberhalb des Hauses Hespecke (<strong>2008</strong>) (4)<br />

Der Attendorner Pfarrer Johannes<br />

Zeppenfeld, der nach den Wirren der ers -<br />

ten Hälfte des 17. Jahrhunderts die<br />

„Renten“ der Pfarrei neu erfasst hat, registriert<br />

in der „Alveringhauser Bauer -<br />

schaft“ auch Hespecke und führt aus:<br />

„dis sein bey meiner zeith noch 2 follencommene<br />

guter gewesen ... nach dem<br />

aber das oberste haus ab gebrendt, hat<br />

sey lassen drost furstenberg, dem sie zu<br />

gehoeren, in ene coloney zihen.“ 17<br />

Zep penfeld muss damit das heute in<br />

Hespecke vorhandene Anwesen gemeint<br />

haben, denn in dem erwähnten<br />

unscheinbaren Funktionsgebäude, das in<br />

der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg<br />

noch bewohnt wurde, verbirgt sich der<br />

eindrucksvolle Kern eines herrschaftlichen<br />

Hauses aus der Barockzeit, von<br />

dem zwei volle Geschosse über massiven<br />

Gewölbekellern erhalten sind. Das Dach<br />

wurde offensichtlich durch Aufrichtung<br />

von Giebeln später geändert. Bei entsprechendem<br />

Tageslicht zeigen sich in<br />

den starken Bruchsteinmauern aus heimischer<br />

Grauwacke, in denen jetzt moderne<br />

Stahlluken und Ventilatoren zu sehen<br />

sind, die Umrisse von Segment -<br />

bögen vermauerter Fenster. Auffällig sind<br />

zwei Reihen geschmiedeter Anker auf<br />

der NO- und SW-Seite, welche auf zwei<br />

verschiedene Bauperioden hinweisen.<br />

Der südöstliche, talwärts gerichtete<br />

Teil mit drei Fensterachsen auf jeder Seite<br />

ist selbständig unterkellert und hat einen<br />

Außengrundriss von etwa 12 mal 12<br />

Metern. Der nordwestliche, größere Bereich<br />

wurde anscheinend später ange-<br />

baut und durch weitere, von außen nicht<br />

sichtbare Maueranker mit dem Ur -<br />

sprungsbau verklammert.<br />

Die Zugänge lagen jeweils auf den<br />

Giebelseiten. Talaufwärts öffnete sich der<br />

Bau in einem großen rundbogigen, heute<br />

durch Mauerwerk verschlossenen Tor,<br />

dessen Keilstein und Umriss sich deutlich<br />

im Putz abzeichnen, während auf der talabwärts<br />

gerichteten, früher das kleine Tal<br />

beherrschenden Schauseite sich ein repräsentatives<br />

Portal mit einer mehrstufigen<br />

Treppe befand.<br />

Vom Typ her ähnelt der Kernbau von<br />

Hespecke, welcher ein Walmdach gehabt<br />

hat, sehr stark dem 1595 für den<br />

Olper Richter Ludwig v. Stockhausen, einen<br />

Schwiegersohn Kaspars v. Für s -<br />

tenberg, fertiggestellten Haus. 18<br />

Man kann sich nach den Ausfüh rungen<br />

der Tagebücher gut eine Vor stellung vom<br />

Leben auf den ehemaligen Hespecker<br />

Höfen machen. Ältere Leute erinnern sich<br />

noch an den jetzt verschwundenen Vorgarten<br />

und den Teich mit der großen Insel,<br />

von deren Baum bestand nur noch eine alte<br />

Eiche übriggeblieben ist.<br />

Fotonachweis<br />

1 u. 4 Anka Cordes-Leick; 2 Archiv Prof. Dr. Erich<br />

Lehr; 3 Stadtarchiv Olpe<br />

Anmerkungen<br />

1 Vgl. dazu Johann Baptist Homann, Nova<br />

Ducatus Westfaliae Tabula, Nürnberg 1706.<br />

Ferner: A. u. H. Schmoranzer, H. L. Knau, E.<br />

Loch, Wandern und Pilgern auf der Heiden -<br />

straße, Paderborn 2007, S. 16, Karte von Christoph<br />

Max. Pronner, Nürnberg 1754 und S. 47.<br />

2 Albert K. Hömberg, Geschichte des Kreises Olpe<br />

bis 1800, in: Heimatchronik des Kreises Olpe,<br />

Köln 1958, S. 70.<br />

3 Norbert Scheele, Regesten des ehemaligen<br />

Klosters Ewig, Olpe 1963, S. 2, Nr. 5.<br />

4 N. Scheele (wie Anm. 3), S. 6, Nr. 21.<br />

5 N. Scheele (wie Anm. 3), S. 20, Nr. 73.<br />

6 N. Scheele (wie Anm. 3), S. 25, Nr. 95 u. S. 27,<br />

Nr. 100.<br />

7 N. Scheele (wie Anm. 3), S. 39, Nr. 147.<br />

8 N. Scheele (wie Anm. 3), S. 146, Nr. 554.<br />

9 Albert K. Hömberg, Geschichtliche Nachrichten<br />

über Adelssitze und Rittergüter im Herzogtum<br />

Westfalen, Heft 9, Münster 1975, S. 47-52.<br />

In einem Aufsatz des Autors zur „Heidenstraße“<br />

(<strong>Sauerland</strong> 1/<strong>2008</strong>, S. 16 f.) wurde versehentlich<br />

die Familie von Heygen als frühere Besitzerin des<br />

Gutes Hespecke genannt.<br />

10 Alfred Bruns (Bearb.), Die Tagebücher Kaspars<br />

v. Fürstenberg, Teil 1, Münster 1987, S. 124,<br />

25. u. 28. März.<br />

11 Alfred Bruns (Bearb.), Die Tagebücher Kaspars v.<br />

Fürstenberg, Teil 2, Münster 1987, S. 386.<br />

12 A. Bruns (wie Anm. 11), S. 348, 28. Januar.<br />

13 A. Bruns (wie Anm. 10), S. 124, 29. März.<br />

14 A. Bruns (wie Anm. 10), S. 492, 5. Oktober.<br />

15 A. Bruns (wie Anm. 10), S. 784, 18. März.<br />

16 A. Bruns (wie Anm. 10), S. 140, 4. September.<br />

17 Johannes Zeppenfeld, Pastorath Renthen Buch,<br />

Renovirt 1658, Handschrift im Pfarrarchiv<br />

Attendorn, B 45.<br />

Zu Einzelheiten der Besitzgeschichte siehe<br />

Wingolf Scherer, Gut Hespecke bei<br />

Ewig/Attendorn und seine Besitzer, in: HSO,<br />

167. Folge, Olpe 1992, S. 117-122.<br />

18 A. Bruns (wie Anm. 10), S. 624, 17. Oktober.<br />

Für freundliche Auskünfte und die Überlassung von<br />

Bildmaterial danke ich Herrn Horst Arens in Atten -<br />

dorn, Herrn Prof. Dr. Erich Lehr in Waldalgesheim und<br />

Herrn Stadtarchivar Josef Wermert in Olpe.<br />

EXCLUSIVE HERRENMODE<br />

SEIT 1928<br />

Lange Wende 94 – Mendener Straße 8<br />

Tel. 0 29 32/2 43 64 – Tel. 0 29 32/71 04<br />

59755 Arnsberg-Neheim


70 SAUERLAND NR. 2/<strong>2008</strong><br />

Ein Kreuzwegbild erfährt nach 400 Jahren, im Jahr <strong>2008</strong>,<br />

eine Aufwertung von Werner Ahrens<br />

Im Jahr 1498 schuf ALBRECHT<br />

DÜRER den Holzschnitt: »Kreuztragung<br />

Christi«, Größe 389 x 282 mm. Mit seinen<br />

Holzschnitten hatte Dürer einen lebhaften<br />

Handel in ganz Europa getrieben.<br />

Noch heute sind fast alle Holz schnitte<br />

von ihm verfügbar und sogar auch noch<br />

einige Druckstöcke. So ist es nicht verwunderlich,<br />

dass dem Maler Heinrich<br />

Strotmann aus Arns berg dieser Holzschnitt<br />

bekannt war oder sogar vorlag,<br />

als er von Johannes von Plettenberg den<br />

Auftrag zu einem Bild für einen Stif -<br />

tungs altar für seinen tödlich verunglückten,<br />

mächtigen Schwa ger, Land droste<br />

Hermann von Hatzfeld, bekam.<br />

Schon vor dem 30-jährigen Krieg wütete<br />

im Balver Land der Irrsinn der Hexenverfolgung.<br />

Auch Hermann von<br />

Hatzfeld war der Hexenverfolgung im<br />

Balver Land verfallen.<br />

Für alle Menschen war das<br />

damalige Leben ein Kreuzweg<br />

In der Kunstgeschichte kommt es oft<br />

vor, dass Maler von ihren Vorbildern Mo-<br />

tive übernommen haben, d. h. nicht, dass<br />

sie einfach alles nachgemalt haben, sie<br />

haben bildliche Darstellungen abgewandelt,<br />

neue Ausdrucksmittel und einen neuen<br />

Bezug zum Thema geschaffen. Diese<br />

Freiheit hat sich, ca. 100 Jahre nach Dürers<br />

Holzschnitt, auch der mutige Maler<br />

Heinrich Strotmann mit der »verdeckten«<br />

Abführung der Hexen, genommen. Der<br />

Landdroste Hermann von Hatzfeld wird<br />

als Simon von Cyrene dargestellt, der<br />

noch nicht richtig helfend zufasst.<br />

In diesem Zusammenhang gewinnt<br />

das Kreuzwegbild von Heinrich Strot -<br />

mann in der Balver romanischen Pfarr -<br />

kirche St. Blasius heute eine interessante<br />

Aufwertung.<br />

Der Maler Heinrich Strotmann übt<br />

mit diesem Bild Kritik am religiösen Leben,<br />

dem allgemeinen Zustand. Man will<br />

das Böse vernichten, die Menchen zum<br />

Guten führen, aber erreicht das Gegenteil.<br />

Die Menschen werden hilflos.<br />

Dürer zeigt den historischen Ablauf.<br />

Eine bildliche Beschreibung, wie Jesus<br />

auf dem Weg zur Richtstätte den weinenden<br />

Frauen begegnet. Links unten: Veronika<br />

reicht das Schweißtuch, Maria, Maria<br />

Magdalena, Johannes und ein Mann<br />

mit einer Leiter folgen dem kreuztragenden<br />

Christus. Simon hilft Jesus das Kreuz<br />

zu tragen. Gestalterisch bildet die Gruppe<br />

ein Dreieck. Schergen mit Lanzen<br />

und Spießen kommen von links aus dem<br />

Stadttor. Die Abbildung soll ehrliches<br />

Mitgefühl wecken für den schweren<br />

Weg, den Jesus gehen musste.<br />

Das Bild von Heinrich Strotmann<br />

zeigt eine zeitgenössische, politische<br />

Szene der Kreuztragung Jesu und gleichzeitig<br />

zurückhaltend den »Kreuz weg der<br />

Frauen«, die als Hexen zum Tod verurteilt<br />

sind. Die Kreuztragung, an sich ist<br />

ein bekanntes Motiv, steht optisch im<br />

Vordergrund und »verdeckt« so den Blick<br />

auf den zentralen Punkt der Szene, die<br />

Abführung der Hexen!<br />

Dieses Bild unterliegt einer anderen<br />

Absicht: Kein ergriffenes Volk, nur die<br />

Wut der Schergen wird gezeigt! Kein


SAUERLAND NR. 2/<strong>2008</strong> 71<br />

14. September <strong>2008</strong><br />

Tag des offenen Denkmals<br />

Der bundesweite Tag des offenen<br />

Denkmals findet jedes Jahr am 2. Sonntag<br />

im September statt. Ziel des Tages ist<br />

es, die Öffentlichkeit für die Bedeutung<br />

des kulturellen Erbes zu sensibilisieren<br />

und Interesse für die Belange der Denkmalpflege<br />

zu wecken. Der Denkmaltag<br />

bietet dabei auf sehr unterschiedliche<br />

Weise „Geschichte zum Anfassen“ und<br />

lädt Architektur- und Geschichtsliebhaber<br />

zu Streifzügen in die Vergangenheit ein.<br />

Der Tag des offenen Denkmals kommt<br />

nur dank vieler Institutionen, Kreise,<br />

Städte, Gemein den, Verbände, Vereine,<br />

privater Denk maleigentümer und Bürgerinitiativen<br />

zustande. Die lokale Presse<br />

berichtet darüber und unterstützt so die<br />

Idee des Denkmalschutzes. Merken Sie<br />

sich die Termine vor Ort vor. Ein bundesweite<br />

Veranstaltungsprogramm wird von<br />

der Deutschen Stiftung Denkmalschutz in<br />

gedruckter Version und im Internet unter<br />

http://tag-des-offenen-denkmals.de/programm<br />

verfügbar gemacht.<br />

leidtragendes Umfeld, nur Christus leidet.<br />

Hier wird eine absurde Tat angeklagt,<br />

ein Teufelskreis!<br />

Die Bildproportion und der Bildaufbau<br />

ist bei beiden Bildern gleich.<br />

Wenn wir zum näheren Vergleich noch<br />

ein Gestaltungsgitter darüber decken,<br />

erkennen wir, dass fünf Teile fast identisch<br />

sind und sich auch noch an der gleichen<br />

Stelle befinden.<br />

Redaktionsschluss<br />

für die<br />

nächste Ausgabe<br />

ist der<br />

15. August <strong>2008</strong>


72 SAUERLAND NR. 2/<strong>2008</strong><br />

Von Rochuskapelle und Revolution:<br />

Ursachen und Folgen der Revolution von 1848 in Sundern<br />

Vor fast genau 160 Jahren ging, ausgehend<br />

von Paris, eine Welle von revolutionären<br />

Ereignissen auch über die Einzelstaaten<br />

des Deutschen Bundes hinweg.<br />

Zwar lagen die Zentren dort zu -<br />

nächst in Haupt- und Großstädten wie<br />

Berlin, Wien und Frankfurt, aber die Revolution<br />

strahlte von dort auch in eine<br />

Reihe der rasch wachsenden Industrie -<br />

städte sowie auf das noch weitgehend<br />

vorindustrielle „platte Land“ aus. 1 Auch<br />

das <strong>Sauerland</strong> erlebte, wenn auch zu unterschiedlichen<br />

Zeiten und in unterschiedlicher<br />

Intensität, die Ausläufer dieser<br />

Bewegungen. Im Folgenden sollen<br />

vor dem Hintergrund regionaler und lokaler<br />

sozialer und wirtschaftlicher Ent -<br />

wicklungen die Ereignisse der Revo -<br />

lutionszeit in Sundern näher ins Auge gefasst<br />

werden.<br />

Wie in vielen anderen Regionen, so<br />

waren die 1840er Jahre auch in dem<br />

Gebiet um Sundern von einer Reihe von<br />

krisenhaften Entwicklungen geprägt. So<br />

war die Bevölkerung im Zeitraum von<br />

1818 bis 1843 zwar von 620 auf 855<br />

gestiegen, 2 aber diesem in erster Linie<br />

auf die hohe Gebürtigkeit der einheimischen<br />

Bevölkerung sowie die Zu wan -<br />

derung aus umliegenden Dörfern zu -<br />

rückzuführenden Bevölkerungswachs -<br />

tum entsprach nicht eine angemessene<br />

Erweiterung der Verdienstmöglich kei -<br />

ten. Die mit Wasserkraft und Holzkohle<br />

betriebenen Eisenhämmer und Hütten<br />

dieses Raumes kämpften einen aussichtslosen<br />

Kampf gegen die übermächtige<br />

Konkurrenz des nahen Ruhr ge -<br />

bietes, so dass einige von ihnen in den<br />

1840er Jahren schließen mussten. 3 Da -<br />

gegen nahmen die teilweise auf dem Gelände<br />

dieser protoindustriellen An lagen<br />

gegründeten Papierfabriken häufig erst<br />

in den 50er und 60er Jahren des 19.<br />

Jahrhunderts ihren Betrieb auf. 4 Deshalb<br />

ist es auch kein Zufall, dass Auswan -<br />

derungswillige in den 1840er Jahren in<br />

Sundern häufig aus der Gruppe der Köhler,<br />

Hammerschmiede und Tagelöh ner<br />

kamen, 5 denn offensichtlich fühlten die<br />

Angehörigen dieser unteren Gesell -<br />

schaftsschicht die Auswirkungen der Krise<br />

am schärfsten. Eine gut entwickelte<br />

Heimindustrie, etwa in den Bereichen<br />

Spinnerei und Leineweberei, existierte in<br />

Sundern nicht, auch wenn einige Tagelöhner<br />

sich durch diese hausindustriellen<br />

Beschäftigungen ein Zubrot verdienten<br />

und ihre häufig kinderreichen Familien<br />

ernährten. Eine nennenswerte Eisen verarbeitende<br />

Industrie gab es nicht und<br />

auch das häufig überbesetzte Handwerk<br />

bot kaum Möglichkeiten, die zahlreichen,<br />

aber häufig nicht entsprechend<br />

ausgebildeten Arbeitssuchenden angemessen<br />

zu beschäftigen.<br />

Zu diesen Problemen im sekundären<br />

Sektor gesellten sich seit langer Zeit bestehende<br />

und sich teilweise verschärfende<br />

Konflikte im landwirtschaftlichen Bereich.<br />

Wirtschaftlich, gesellschaftlich und<br />

politisch führend war die Schicht der 62<br />

„markberechtigten“ Bauern. Ihnen standen<br />

die Gruppen der mit weniger Grundbesitz<br />

ausgestatteten „Anbauern“ sowie<br />

die häufig völlig landlosen „Bei lieger“<br />

oder „Beisassen“ gegenüber. Zwi schen<br />

diesen Gruppen gab es Ausein -<br />

andersetzungen um Mast- und Hude -<br />

rechte im Gemeindewald, die Berech -<br />

tigung zum Holzsammeln oder den Beitrag<br />

zur Gemeinde- und Schul steuer, um<br />

nur einige Konfliktherde der ländlichen<br />

Gesellschaft zu nennen.<br />

Zu diesen strukturellen Krisenherden<br />

in Industrie und Landwirtschaft traten in<br />

den 1840er Jahren kurzfristig auftretende<br />

Probleme. So kam es in Westfalen zu<br />

einer witterungsbedingten Agrarkrise, so<br />

dass es auch hier zu weit verbreiteter Armut<br />

und Hungersnöten kam. 6 Auch der<br />

Sunderner Gemeindevorstand sah sich<br />

angesichts der Tatsache, „dass die Noth<br />

unter den hiesigen Armen zur Zeit außerordentlich<br />

groß sei“, mehrfach gezwungen,<br />

das von der Arnsberger Regie rung<br />

angebotene verbilligte Getreide anzukaufen,<br />

um die hungernde Bevölke rung<br />

halbwegs angemessen ernähren zu können.<br />

7 Vor diesem Hintergrund sollen<br />

nun die Ereignisse in Sundern in der Revo<br />

lutionszeit dargestellt werden.<br />

Zwar waren Westfalen und insbesondere<br />

das <strong>Sauerland</strong> keine Zentren revolutionärer<br />

Betätigungen und Ereignisse,<br />

aber auch hier gab es eine Reihe von Aktivitäten,<br />

die sich gegen politische, wirtschaftliche<br />

und soziale Missstände in den<br />

jeweils betroffenen Regionen, Städten<br />

und Gemeinden richteten. Aus den Ämtern<br />

Balve, Hüsten, Grevenstein, Meschede,<br />

Brilon und Freienohl häuften<br />

sich in den Märztagen des Jahres 1848<br />

die für die Obrigkeit beängstigenden<br />

Nachrichten von Zusammenrottungen<br />

von Werner Neuhaus<br />

und Aufruhr auch auf dem „platten Lande“,<br />

wo man teilweise einen neuen<br />

„Bauernkrieg“ fürchtete. 8 Besonders<br />

richtete sich der offensichtlich lang aufgestaute<br />

Zorn der Landbevölkerung gegen<br />

die Schlösser und Landsitze des<br />

Adels sowie die dort residierenden Guts -<br />

verwalter und Förster. 9 Auch in der unmittelbaren<br />

Nachbarschaft von Sun dern,<br />

in der kleinen Titularstadt Allen dorf,<br />

machten sich eine Reihe aufgebrachter<br />

Bürger auf den Weg zum nahe gelegenen<br />

Schloss des Freiherrn von Wrede in<br />

Amecke, um ihre Jagdgewehre zurückzufordern.<br />

Nach Erfüllung ihrer For -<br />

derungen ließen sie sich ihren revolutionären<br />

Elan allerdings schnell mit<br />

Schnaps und Schinkenbroten abkaufen,<br />

wie eine folkloristisch angehauchte Lo -<br />

kal geschichtsschreibung noch heute<br />

stolz berichtet. 10 Immerhin hatte man<br />

aber auch in Sundern gehörigen Respekt<br />

vor revolutionären Ereignissen, denn der<br />

Gemeindevorstand befand am 27. März<br />

1848, „dass es nach den jetzigen Zeit -<br />

ver hältnissen dringend erforderlich sei,<br />

dass zum Schutze hiesiger Gemeinde,<br />

zum Schutze des Eigenthums und zur<br />

Aufrechterhaltung der Ordnung gegen<br />

jedwede Störung (…) die geeigneten Vorkehrungen<br />

zu treffen“ seien. 11 Ob der<br />

deshalb eingestellte Nachtwächter ein<br />

geeignetes Mittel gegen eine politische<br />

und soziale Revolution war, soll hier nicht<br />

näher diskutiert werden, aber offensichtlich<br />

gab es auch in Sundern eine gehörige<br />

Portion Sorgen vor revolutionären<br />

Umtrieben. Deshalb sah man offensichtlich<br />

auch nach dem Abflauen der ersten<br />

Welle und dem Wieder erstarken der konservativ-monarchischen<br />

Kräfte in Berlin<br />

in Sundern die Notwendigkeit, eine Bürgerwehr<br />

einzurichten, um zukünftigen<br />

Unruhen tatkräftig vorzubeugen. Zwar<br />

hatte Amt mann Riedel sofort nach dem<br />

Allen dorfer „Sturm“ auf das Amecker<br />

Schloss nach Arnsberg gemeldet, dass<br />

nichts Ernsthaftes vorgefallen sei, und<br />

auch gegenüber Landrat von Lilien betonte<br />

er „die gänzliche Ruhe, die in den<br />

hiesigen Gemeinden geherrscht hat“. 12<br />

Dennoch bleibt festzuhalten, dass den<br />

oberen Schichten in und um Sundern die<br />

Revo lutionsfurcht gehörig in die Knochen<br />

gefahren war.<br />

Diese Fakten gilt es im Auge zu behalten,<br />

wenn wir uns nun den konkreten Ereignissen<br />

in Sundern während und nach


SAUERLAND NR. 2/<strong>2008</strong> 73<br />

der Revolutionszeit zuwenden. Offen -<br />

sichtlich war es gegen Ende der 40er<br />

Jahre zu einem tiefgreifenden Zerwürfnis<br />

zwischen Pfarrer Kleff und dem Küster,<br />

Organisten und Lehrer Anton Hümmeler<br />

gekommen, der seit 1822 die Stelle<br />

des Sunderner Schul meisters innehatte.<br />

Ende Februar 1850 schickte der Pfarrer<br />

ein von ihm selbst und einem weiteren<br />

Kirchenvorstands mitglied unterzeichnetes<br />

16 Seiten langes Schreiben<br />

an das Paderborner Ge neralvikariat. 13<br />

Zunächst wurde darin Hümmelers mangelhafte<br />

Arbeit als Küster und Organist<br />

in scharfen Worten gerügt, denn er sei<br />

unzuverlässig, faul und inkompetent. Außerdem<br />

versuche er, „die Pfarreingesessenen<br />

gegen den unterzeichneten Pfarrer<br />

zu stimmen“. Dabei erfahre er<br />

„hauptsächlich Hülfe an seinem wegen<br />

seiner demokratischen Wühlereien hier<br />

weit bekannten Schwie gersohn, Kaufmann<br />

Schütte hierselbst“.<br />

Weiterhin sei er „durchaus unqualifiziert<br />

für das Amt eines Lehrers“, und so<br />

seien seine Schüler „in den nothwendigs -<br />

ten Unterrichtsgegenständen ungeheuer<br />

zurück“, da der Lehrer seine Auf ga ben<br />

„bei seinem beschränkten Ver stan de“<br />

nicht erfüllen könne.<br />

In seinem Antwortschreiben vom<br />

31. 5. 1850 wehrte sich der angegriffene<br />

Lehrer gegen seine beiden Wider -<br />

sacher, „die ihre Zwecke auf dem faulen<br />

Moor grunde grober Unwahrheiten und<br />

entstellter Thatsachen“ gegen ihn verfolgten.<br />

Um seinen Argumenten mehr<br />

Durchschlagskraft zu verleihen, legte er<br />

seinem Schreiben ein Gutachten des früheren<br />

Sunderner Pfarrers Flüter vom 20.<br />

4. 1850 bei, der Hümmeler tadellose Arbeit<br />

als Küster und Organist bestätigte.<br />

Außerdem fügte der Lehrer eine Liste<br />

mit 138 Unterschriften Sunderner Bür -<br />

ger hinzu, die ihre Zufriedenheit mit<br />

Hümmelers Arbeit als Küster, Organist<br />

und Lehrer zum Ausdruck brachten. Im<br />

April des gleichen Jahres hatte bereits<br />

der Allendorfer Amtmann Riedel die<br />

Meinung vertreten, Hümmeler habe<br />

„schon 28 Jahre als Lehrer fungiert und<br />

zur ziemlichen Zufriedenheit der Schule<br />

vorgestanden“, so dass der Antrag Kleffs<br />

auf Dienstentlassung des Lehrers nicht<br />

gerechtfertigt sei. 14<br />

Somit standen im Sommer 1850 die<br />

Chancen des altgedienten Schulmeisters<br />

Erste Seite der Unterschriftenliste für Lehrer Hümmeler<br />

nicht schlecht, zumindest sein Amt als<br />

Lehrer behalten zu können, aber Pfarrer<br />

Kleff gab sich natürlich nicht widerstandslos<br />

geschlagen.<br />

Gegenüber dem Allendorfer Amtmann<br />

klagte er, Hümmeler habe entgegen<br />

geltendem Recht ohne Erlaubnis<br />

kirchlicher oder kommunaler Gremien<br />

einen völlig ungeeigneten Ersatzlehrer<br />

eingestellt, als er längere Zeit erkrankt<br />

gewesen sei. Außerdem habe er an der<br />

Rochus kapelle eigenmächtig einen Opfer<br />

kasten anbringen lassen und die dort<br />

gestifteten Gelder ohne Zustim mung des<br />

Pfarrers ausgegeben. Später präzisierte<br />

er diesen Vorwurf dahingehend, dass „in<br />

den politisch aufgeregten Jahren“ der<br />

Revolutionzeit der demokratischer Umtriebe<br />

verdächtigte „Eleve an der Malerakademie<br />

Düssel dorf, namens Joseph<br />

Bergen thal, bei seinem Vor munde, dem<br />

Wirte und Kauf mann Schütte, Schwie-<br />

gersohn des Lehrers<br />

Hüm me ler,<br />

sein Domicil“ aufgeschlagen<br />

und in<br />

der Rochus kapelle<br />

gearbeitet habe. 15<br />

Aus Hümmelers<br />

Sicht stellte sich die<br />

Sachlage allerdings<br />

völlig anders dar.<br />

Ausgangspunkt<br />

seiner Argumentation<br />

ist die Tatsache,<br />

dass die Kapelle<br />

auf eine private<br />

Stif tung zurückging<br />

und folglich<br />

nicht als Eigentum<br />

der Kirchengemeinde<br />

betrachtet<br />

werden könne. Da<br />

die Kapelle nach<br />

seinen Worten „in<br />

einem ihrer Würde<br />

nicht entsprechenden<br />

Zustand dastand“,<br />

habe er einen<br />

Opferkasten<br />

anbringen lassen<br />

und die „milden<br />

Gaben“ zur „Beschaffung<br />

der nöthigen<br />

Materi alien<br />

zum Anstreichen<br />

und Vergolden“<br />

verwendet sowie den „Rest aus (seiner<br />

eigenen) Tasche zugeschossen“. Er habe<br />

außerdem den aus Sundern stammenden<br />

„Joseph Bergenthal, Maler der Academie<br />

zu Düsseldorf, der zur Zeit in<br />

(s)einem Hause wohnte, veranlasst, die<br />

Altarbildung“ zu malen. 16<br />

Auch in Paderborn ging der Streit zwischen<br />

Pfarrer und Lehrer weiter. Im Namen<br />

des Kirchenvorstandes versuchte<br />

Kleff am 26. 9. 1850 Hümmelers Argu -<br />

ment, dass seine Arbeit bei weiten Teilen<br />

der Bevölkerung akzeptiert würde, zu widerlegen,<br />

indem er Namen von Bürgern<br />

auflistete, die Hümmelers klägliche<br />

Amtsführung bestätigen könnten, darunter<br />

die Lehrerin Caroline Nottebohm<br />

und den Gemeindevorsteher Falke. Er<br />

wies ausdrücklich darauf hin, dass der<br />

Ortsvorsteher definitiv gegen ein Wei -<br />

terverbleiben Hümmelers im Amte sei,<br />

während – im Gegensatz zur Behaup -


74 SAUERLAND NR. 2/<strong>2008</strong><br />

tung des Lehrers – nur der stellvertretende<br />

Gemeindevorsteher für diesen sei.<br />

Damit wäre ein weiterer Problembereich<br />

für Hümmeler angesprochen. Ganz offensichtlich<br />

hatte er sich auch den langjährigen<br />

Schultheißen und Gemein -<br />

devorsteher Caspar Falke zum Gegner<br />

gemacht, als dieser beanspruchte, durch<br />

den Kauf des alten Rathauses der Frei -<br />

heit Sundern auch an der Nutzung der<br />

Gemeindewaldungen berechtigt zu sein.<br />

Diesem Anspruch war Hümmeler als<br />

langjähriges Gemeindevorstandsmitglied<br />

energisch entgegengetreten und hatte<br />

sich dadurch den Unwillen des Gemein -<br />

devorstehers zugezogen. Somit waren in<br />

dieser Angelegenheit Kirchen-, Schulund<br />

Gemeindevorstand gespalten, und<br />

in Anbetracht der von beiden Seiten ins<br />

Feld geführten Namenslisten ist es nicht<br />

übertrieben zu behaupten, dass der Riss<br />

durch das ganze Dorf ging.<br />

Gegen Ende seines 27 Seiten umfassenden<br />

Schreibens vom 26. 9. 1850<br />

führte Pfarrer Kleff dem Generalvikariat<br />

in Paderborn gegenüber einen weiteren<br />

Aspekt der Tätigkeit Hümmelers vor Augen,<br />

der jetzt immer mehr ins Zen trum<br />

der Auseinandersetzung rückte. Er informierte<br />

Paderborn, „dass, sicherer Nachricht<br />

zufolge, gegen den Hümmeler von<br />

der Königlichen Regierung wegen seines<br />

politischen Verhaltens, rechtlich eingeschritten<br />

und dass seine baldige Entlassung<br />

zu erwarten sein soll“. Diesen As-<br />

pekt hatte bereits der von Pfarrer Kleff<br />

genau informierte Arnsberger Landrat<br />

von Lilien in einem Schreiben vom 5. 9.<br />

1850 an die preußische „Königliche Regierung,<br />

Abtheilung des Inneren“ ausführlich<br />

behandelt. 17 Darin berichtet der<br />

Verwaltungsbeamte über den Sunderner<br />

Lehrer: „Der Hümmeler unterzog sich<br />

im Monate November 1848 der Samm -<br />

lung von Unterschriften für die ihm von<br />

hiesigen Demokraten zugesandte Zu -<br />

stim mungsadresse an diejenigen Mitglie -<br />

der der preußischen National-Versamm -<br />

lung, welche am 15. November 1848<br />

die Steuerverweigerung beschlossen und<br />

zur Ausführung zu bringen versucht haben.“<br />

Weiterhin habe er, als auf dem Höhepunkt<br />

der Revolution „im Mai 1848<br />

der Michael Blome gnt. Fricke zu Sundern<br />

behauptete, dass dem Lande eine<br />

wahre Wohltat geschehen sei, wenn der<br />

König erschossen worden sei“, gegen<br />

den Protest des Gemeindevertreters<br />

„Heinrich Scheffer gnt. Hoppenhöfers“<br />

der Aussage Blomes zugestimmt. Auch<br />

habe „Hümmeler die bekannten wühlerischen<br />

Paderborner Blätter, die West -<br />

phälische Zeitung und den Paderborner<br />

Volksboten, gehalten“, was namhafte<br />

Sunderner Bürger bezeugen könnten.<br />

Außerdem stünde „der Hümmeler im<br />

Verdachte, bei Gelegenheit des Iserloh -<br />

ner Aufstandes im Mai (1849) mit den<br />

Anführern der Aufständischen korrespondiert<br />

zu haben“ sowie aus Allendorf<br />

verdächtige Schreiben von Revolutions -<br />

sympathisanten bekommen zu haben.<br />

Der gleiche Vorwurf werde Hümmelers<br />

Schwiegersohn, dem Kaufmann und<br />

Wirt Schütte, gemacht. Zudem habe der<br />

Lehrer „in der politisch bewegten Zeit<br />

des Jahres 1848 in der Schule beim Unterrichten<br />

der Kinder geraucht und Zeitungen<br />

gelesen und den Kindern daraus<br />

politische Vorträge gehalten“. Diese Dinge<br />

seien „in Sundern allbekannt“ und<br />

könnten von der Lehrerin Nottebohm<br />

sowie einer Reihe von Schülern bezeugt<br />

werden. Zum Abschluss kam der Landrat<br />

noch auf die bereits erwähnten Strei -<br />

tigkeiten um die Renovierung der Rochus<br />

kapelle sowie eine private Ver -<br />

leumdungsklage Kleffs gegen Hüm meler<br />

vor dem Amtsgericht in Arnsberg zu<br />

sprechen.<br />

Daraufhin bat das Generalvikariat am<br />

16. 10. 1850 den Oberstaatsanwalt in<br />

Arnsberg um Auskunft, da Hümmeler<br />

„der Majestätsbeleidigung und der Con -<br />

spiration mit den Iserlohner Aufrüh rern<br />

beschuldigt“ würde. Einen Monat später<br />

bestätigte die Staatsanwaltschaft gegenüber<br />

dem Generalvikariat diesen Sach -<br />

verhalt 18 und teilte außerdem mit, dass<br />

Hümmeler wegen Beleidigung Kleffs zu<br />

einer Geldstrafe verurteilt worden sei.<br />

Als der Lehrer in die Berufung ging,<br />

bestätigte auch die zweite Instanz dieses<br />

Urteil, wie der Arnsberger Vertreter der<br />

Staatsanwaltschaft am 3. Februar 1851<br />

dem Amtmann in Allendorf mitteilte. 19<br />

Als das bischöfliche Generalvikariat mit<br />

Verfügung vom 26. März 1851 Hüm -<br />

meler als Organist und Küster entließ<br />

und diese Entscheidung am 20. Mai dem<br />

preußischen Innenministerium mitteilte,<br />

war offensichtlich auch dessen Position<br />

als Lehrer nicht mehr haltbar. Am 2. Juni<br />

1851 teilte die zuständige Abteilung<br />

des Inneren dem Landrat mit, dass dem<br />

Lehrer „auch die von uns bisher nur<br />

nach sichtlich gestattete bisherige Ver -<br />

waltung der Elementarlehrer-Stelle zu<br />

Sundern, wie hiermit geschieht, zu entziehen“<br />

sei. 20 Man nannte also keinen<br />

inhaltlichen Entlassungsgrund, sondern<br />

berief sich lediglich auf das formalrechtliche<br />

Argument, Hümmeler sei 1822 nur<br />

kommissarisch eingestellt worden, habe<br />

also fast 30 Jahre lang gar keine feste<br />

Anstellung gehabt und könne deshalb<br />

auch jederzeit wieder entlassen werden!<br />

21<br />

Ganz offensichtlich waren es die<br />

grundsätzlichen politischen Bedenken<br />

gegen die liberalen Überzeugungen und<br />

revolutionären Tätigkeiten Lehrer Hüm -<br />

melers und nicht die privaten Querelen<br />

mit Pfarrer und Bürgermeister, die die<br />

konservative preußische Bürokratie, für<br />

die in der Zeit der Reaktion „die Volks -<br />

schulpolitik ein Zentralstück im Kampf<br />

gegen die Revolution“ 22 war, dazu bewogen,<br />

den langjährigen Lehrer nicht weiter<br />

zu beschäftigen. So hatte schon im<br />

Jahre 1849 König Wilhelm IV. in einer<br />

berühmt-berüchtigten Rede gegen die in<br />

seinen Augen falsche Ausbildung der<br />

Elementarschullehrer durch die Semi nar -<br />

leiter vom Leder gezogen. „All das<br />

Elend, das im verflossenen Jahre über<br />

Preußen hereingebrochen, ist Ihre, einzig<br />

Ihre Schuld, die Schuld der After -<br />

bildung, der irreligiösen Menschen weis -<br />

heit, die Sie als echte Weisheit verbrei


SAUERLAND NR. 2/<strong>2008</strong> 75<br />

drücklich zu betonen, dass „Bürmann in<br />

politischer Beziehung auf sehr gutem<br />

Boden“ stehe. 26 Ebenso musste die Lehrerin<br />

Caroline Nottebohm bei ihrer „definitiven<br />

Anstellung“ im März 1851 unterschreiben,<br />

die Kinder nicht nur angemessen<br />

zu unterrichten, sondern auch<br />

„zu verständigen und gottesfürchtigen<br />

Menschen und zu getreuen und nützlichen<br />

Unterthanen zu bilden“. 27<br />

ten, mit der Sie den Glauben und die<br />

Treue in dem Gemüthe meiner Unter -<br />

thanen ausgerottet und deren Herzen<br />

von mir abgewandt haben.“ Er werde<br />

„solches Unwesen zu steuern wissen“,<br />

damit die angehenden Lehrer „den unheilvollen<br />

Einflüssen eines verpesteten<br />

Zeitgeistes entzogen“ würden. 23 Was<br />

Seine Majestät damit meinte, wurde sofort<br />

für jedermann klar: „Gerichts ver -<br />

fahren, Disziplinarstrafen, Entlassun gen<br />

– das war die Quittung, welche die siegreiche<br />

Gegenrevolution unverzüglich<br />

präsentierte. 1850 wurden die Lehrer<br />

vor den Landtagswahlen auf die „Pflicht<br />

der Treue“ gegenüber den regierungsnahen<br />

Kandidaten eingeschworen; jede<br />

Verletzung der „Dienstpflicht“ sei sofort<br />

„mit der Entfernung aus dem Amte“ zu<br />

ahnden. 24 Dabei spielten auch die Pfar -<br />

rer, die auf dem Lande traditionell als<br />

Schulinspektoren arbeiteten, eine ent -<br />

schei dende Rolle: „Die geistliche Schulaufsicht<br />

war 1848 nicht demontiert, sondern<br />

die Schulinspektoren waren sogar<br />

aufgefordert worden, gerade über das<br />

Verhalten ihrer Schutz be fohlenen während<br />

der Revolutionsereig nisse rückhaltlos<br />

zu berichten und mögliche Verfehlungen<br />

zur Anzeige zu bringen.“ 25<br />

Lehrer Anton Hümmeler tauchte<br />

nach seiner fristlosen Entlassung, die<br />

auch noch ohne Bewilligung einer Pen -<br />

sion durchgedrückt worden war, in den<br />

Akten im Stadt- bzw. Pfarrarchiv kaum<br />

noch auf. Da er keinerlei Altersbezüge<br />

bekam, musste er sich und seine Familie<br />

anderweitig ernähren. So wurde er im<br />

Jahre 1867 im Verzeichnis der Wähler<br />

für die Wahlen zum Abgeordnetenhaus<br />

des Norddeutschen Bundes als Bäcker<br />

in der dritten und damit untersten Wählergruppe<br />

aufgeführt.<br />

So konnte auch in Sundern Pfarrer<br />

Kleff, nachdem er maßgeblich an der<br />

Entlassung des bei ihm in Misskredit geratenen<br />

Schulmeisters mitgewirkt hatte,<br />

den Schulamtskandidaten Carl Bürmann<br />

als kommissarischen Vertreter Hümme -<br />

lers vorschlagen und durchsetzen, nicht<br />

ohne gegenüber den Behörden aus-<br />

28 Er hatte sich<br />

durch seine vielfältigen politischen, schulischen,<br />

kirchlichen und kommunalen<br />

Tätigkeiten offensichtlich zwischen alle<br />

Stühle gesetzt. Trotz seiner Ver dienste<br />

als Lehrer, Küster, Organist, Gemeindeverordneter<br />

und Schulvor standsmitglied<br />

war er der mächtigen Koalition seiner<br />

Gegner in der Reak tionszeit nicht gewachsen.<br />

Anders als seine „Achtundvierziger“<br />

Mitstreiter – der Student Theodor<br />

Canisius aus Allendorf oder der Kunstmaler<br />

Josef Bergenthal aus Sundern29 –<br />

war er auch nicht in der Lage oder Willens,<br />

nach Amerika auszuwandern und<br />

dort seinen Traum von politischer Freiheit<br />

zu verwirklichen. Er starb im Jahre<br />

1882 in Sundern im Alter von 84 Jahren.schen<br />

Bewegungen des Vormärz, das<br />

Besitz- und Bildungsbürgertum, war in<br />

Sundern nur in Spurenelementen vorhanden.<br />

Anders als in Nachbarstädten<br />

wie Arnsberg, Neheim oder Meschede<br />

gab es keine Akademiker, Ärzte, Apo -<br />

the ker, Juristen oder Journalisten, die<br />

durch ihre Studentenzeiten mit aufklärerischem<br />

Gedankengut, mit liberalen Ver -<br />

fassungsforderungen und nationalistischem<br />

Gedankengut in Kontakt gekommen<br />

waren und während der Revo -<br />

lutionszeit – zumindest zeitweilig – für eine<br />

Beschränkung des monarchischen<br />

Absolutismus und die Errichtung eines<br />

Nationalstaates eintraten.<br />

Einleitend haben wir auf einige Faktoren<br />

hingewiesen, die dem Aus bruch sozialer<br />

und politischer Unruhen in Sundern<br />

gegen Ende der 1840er Jahre förderlich<br />

waren. Versuchen wir abschließend<br />

eine knappe Würdigung der Gründe,<br />

die für das Scheitern aller liberalen<br />

Bemühungen in Sundern und Umgebung<br />

während und nach der Revolutionszeit<br />

verantwortlich gemacht werden können.<br />

Zunächst einmal fehlten fast alle sozialen<br />

Voraussetzungen für eine erfolgreiche<br />

liberale oder gar demokratische politische<br />

Betätigung. Die gesellschaftliche<br />

Trägerschicht der meisten emanzipatori-<br />

30 Es ist bezeichnend,<br />

dass die Handvoll Männer,<br />

die sich in jener Zeit im Raum Sundern<br />

als Anhänger einer liberalen Bewegung<br />

auch öffentlich positionierte, allesamt<br />

der dünnen Schicht der „dörflichen In -<br />

telligenz“ entstammte: Lehrer Canisius<br />

und sein studierender Sohn aus Allen -<br />

dorf sowie Lehrer Hümmeler und der<br />

Kunststudent Bergenthal aus Sundern.<br />

Ebenso wichtig war, dass die amorphe<br />

Gruppe der Tagelöhner und Beisassen,<br />

Handwerker und Hammerschmiede,<br />

Köhler und Knechte selbst Jahrzehnte<br />

später noch keine Ansätze zur For -<br />

mierung einer tendenziell homogenen<br />

Arbeiterklasse zeigte. 31 Lehrer Anton Hümmeler Lehrer Carl Bürmann<br />

Zwar gab es Abhängigkeit<br />

und Entbehrung, Hunger und<br />

soziale Unzufriedenheit, aber die ländliche<br />

Gesellschaft bot, besser als die entstehenden<br />

Industriemetropolen, den unteren<br />

Gesellschaftsgruppen Möglich kei -<br />

ten einer wenn auch ärmlichen Existenz-


76 SAUERLAND NR. 2/<strong>2008</strong><br />

sicherung. Häufig bearbeiteten Tagelöhner,<br />

Handwerker und Beisassen noch einen<br />

eigenen Garten oder einen kleinen<br />

Acker, außerdem hielten viele von ihnen<br />

Geflügel, Ziegen, Schafe und Schweine.<br />

Letztlich boten in Zeiten wirtschaftlicher<br />

Krisen Hilfsarbeiten in den Steinbrüchen<br />

in der Nähe Sunderns, in Feld und Wald<br />

Möglichkeiten einer wenn auch prekären<br />

Existenzsicherung für diese sozialen<br />

Gruppen, was sie von einer gewalttätigen<br />

sozialen Eruption zurückschrecken<br />

ließ.<br />

Ebenso wichtig wie diese sozialen<br />

Strukturen waren die teilweise an sie geknüpften<br />

und durch sie bedingten Men -<br />

talitäten. Hier paarten sich der traditionelle<br />

Konservatismus der ländlichen Bevölkerung<br />

mit einem katholisch geprägten<br />

Weltbild, das sich durch die Jahrhunderte<br />

alte kurkölnische Herr schaft herausgebildet<br />

und tief eingeschliffen hatte.<br />

In beiden Sichtweisen herrschte für Liberalismus<br />

und Parla mentarismus, Demokratie<br />

und Parteien herrschaft wenig<br />

Sympathie. So kann es, wie wir am Beispiel<br />

der Behandlung Lehrer Hümmelers<br />

durch Pfarrer Kleff und Bürgermeister<br />

Falke gesehen haben, nicht überraschen,<br />

dass Gemein devorstand und Pastor als<br />

gleichsam unterste Ebene des antirevolutionären<br />

Bündnisses von „Thron und Altar“<br />

gemeinsam Front machten gegen<br />

das, was sie als Kräfte des Umsturzes ansahen.<br />

Allerdings hatten sich in der Zeit vor<br />

der Reichsgründung 1871 angesichts<br />

noch nicht bestehender Parteien im <strong>Sauerland</strong><br />

die politischen Lager noch nicht<br />

fest herauskristallisiert, und der politische<br />

Einfluss der katholischen Geist lich keit<br />

war noch relativ begrenzt. 32 So wurde in<br />

Sundern bei der Reichs tags wahl zum<br />

Norddeutschen Bund im Februar1868<br />

der liberaldemokratische Kandidat Elven<br />

mit großer Mehrheit vor den konservativen<br />

bzw. katholischen Kandidaten gewählt.<br />

33 Dieser Trend zeigte sich auch<br />

noch bei den Wahlen zum ersten Deutschen<br />

Reichstag nach der Reichsgründung.<br />

Hier machte Pfar rer Kleff den liberalen<br />

Kaufmann Theodor Schütte, den<br />

Schwiegersohn Lehrer Hümmelers, für<br />

das schlechte Abschneiden des katholischen<br />

Kandi daten Peter Reichensperger<br />

in Sundern verantwortlich: Schütte habe<br />

bei seinem Eintreten für den liberal-kon-<br />

servativen Kandidaten „den Leuten vorgeschwindelt“,<br />

„dass wir durch Sundern<br />

eine Eisen bahn bekämen“ und dass der<br />

katholische Klerus Deutschland zum<br />

Krieg gegen Italien treiben wolle, weil<br />

dort das Papsttum vom Staat bedroht<br />

sei. 34 Hier klangen bereits Töne an, die<br />

wenige Jahre später im Kulturkampf die<br />

Ge müter auch und gerade im katholischen<br />

<strong>Sauerland</strong> erhitzen sollten. Nicht<br />

die Revolutionszeit hat die entscheidenden<br />

politischen und mentalen Weichen<br />

für die Zukunft in Sundern gestellt, sondern<br />

die unmittelbare Zeit nach der<br />

Reichs gründung.<br />

Diesem katholisch untermauerten<br />

Antiliberalismus haben auch Industria -<br />

lisierung, Säkularisierung und demographischer<br />

Wandel in der zweiten Hälfte<br />

des 19. Jahrhunderts wenig anhaben<br />

können, und erst recht haben Sozial -<br />

demokratie und eine ihr nahe stehende<br />

Gewerkschaftsbewegung in Sundern<br />

und Umgebung bis heute nicht recht Fuß<br />

fassen können.<br />

Letztendlich ist es das Fortwirken dieser<br />

in einem zutiefst katholischen Milieu<br />

wurzelnden konservativen Mentalität,<br />

das über das Bismarckreich und die Weimarer<br />

Republik, den National sozia lismus<br />

und den Zweiten Weltkrieg hinaus bis in<br />

die heutige Zeit hinein zu den erstaunlichen<br />

Kontinuitäten im Raum Sundern<br />

gehört.<br />

1) Als Überblick zu den im Folgenden angedeuteten<br />

Zusammenhängen von sozialen Krisen der<br />

1840er Jahre und dem Ausbruch der Revolution<br />

vgl. Wolfram Siemann, Die deutsche Revolution<br />

von 1848/49, Frankfurt a. M. 1985; Hans-Ulrich<br />

Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. 2,<br />

München 1987, S. 641-779; Wilfried Reining -<br />

haus, Sozial- und wirtschaftsgeschichtliche Aspek -<br />

te des Vormärz in Westfalen und Lippe, in: ders.,<br />

Horst Conrad, Hg., Für Freiheit und Recht. Westfalen<br />

und Lippe in der Revolution 1848/49,<br />

Münster 1999, S. 14-21; Hans-Joachim Behr,<br />

Revolution auf dem Lande. Bauern und ländliche<br />

Unterschichten 1848/49, in: Westfälische <strong>Zeitschrift</strong><br />

150, 2000, S. 43-147.<br />

2) Die Angaben zur Bevölkerung stammen aus den<br />

Unterlagen im Pfarrarchiv St. Johannes, Sundern.<br />

3) Vgl. hierzu die Angaben zum Niedergang der Endorfer<br />

Hüttenindustrie bei Maria Rörig, Endorf.<br />

Geschichte einer Landgemeinde im <strong>Sauerland</strong>,<br />

Sundern 1981, S. 140; für Allendorf siehe Bern -<br />

hard Riering, Chronik der Stadt Allendorf, Dortmund<br />

1972, S. 84f.; zu wirtschaftlichen Problemen<br />

des Sunderner Eisenhammers vgl. Hubert<br />

Schmidt, Der Hammer „obig Sondern“ (oberhalb<br />

Sunderns), in: Stadt Sundern, Hg., Chronik des<br />

vorindustriellen Erzbergbaus und der Metallgewinnung<br />

im Raum Sundern, Sundern 1996, S. 156-<br />

198, S. 190f.<br />

4) Vgl. Hubert Schmidt, Bearb., Papiermühlen in<br />

Sundern, (Typoskript) Sundern 1996.<br />

5) Siehe hierzu die Unterlagen im Stadtarchiv Sundern<br />

(=StASu), B 769.<br />

6) Vgl. hierzu Hans-Heinrich Bass, Hungerkrisen in<br />

Preußen während der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts,<br />

St. Katharinen 1991; Clemens Wischermann,<br />

Hungerkrisen im vormärzlichen Westfalen,<br />

in: Kurt Düwell, Wolfgang Köllmann, Hg., Rheinland-Westfalen<br />

im Industriezeitalter, Bd. 1, Wuppertal<br />

1893, S. 126-147; für die hiesige Region:<br />

Günter Schulte, Es ist wohl Hunger unter den<br />

Menschen und dem Vieh vorauszusehen. Witterung,<br />

Ernte, Teuerung und Hunger in den Chroniken<br />

des Odilo Girsch, in: Westfälisches Schieferbergbau-<br />

und Heimatmuseum Schmallen berg-<br />

Holthausen e.V., Hg., Bauern im südwestfälischen<br />

Bergland, Bd. 1, Münster 2006, S. 120-137.<br />

7) Vgl. Protokollbuch der Gemeinde Sundern, StA-<br />

Su, Reihe grün, 4-2, Eintragungen vom 11. Mai<br />

1847; 28. Mai 1847; 6. Juli 1847.<br />

8) Vgl. Erika Richter, „Hier sind beinahe alle Demokraten“.<br />

Streiflichter aus der Revolution von 1848<br />

im oberen <strong>Sauerland</strong>, in: Jahrbuch Hoch -<br />

sauerlandkreis 1998, S. 77-84; Jens Hahnwald,<br />

Tagelöhner, Arbeiter und soziale Bewegungen in<br />

der katholischen Provinz. Das Beispiel des (kölnischen)<br />

<strong>Sauerland</strong>es 1830-1933, Phil. Diss. Bochum<br />

2002, Typoskript, bes. S. 67ff., 71ff.<br />

9) Für Beispiele aus dem <strong>Sauerland</strong> vgl. E. Richter,<br />

(wie Anm. 8), S. 79, allgemein: Hans-Ulrich Wehler,<br />

Deutsche Gesellschaftsgeschichte (wie Anm.<br />

1), S. 706ff.<br />

10) Fickeltünnes e.V. 600 Jahre Stadt Allendorf., Hg.,<br />

Allendorfer Lesebuch, Arnsberg 2007, S. 65-71.<br />

11) StASu, Protokollbuch der Gemeinde Sundern,<br />

Reihe grün, 4-2, Eintragung vom 27. 3. 1848.<br />

12) Vgl. das Material im StASu, B 295, hier die<br />

Schreiben vom 14. u. 19. 5. 1848.<br />

13) Erzbischöfliches Archiv Paderborn (=EAP), Pfarrei<br />

St. Johannes Sundern, Acta Specialia, Nr. 8,<br />

28. 2. 1850; im Folgenden wird bei allen in Paderborn<br />

befindlichen Schriftstücken aus dieser Akte<br />

zitiert.<br />

14) StASu, B 236, 11. 4. 1850.<br />

15) Pfarrarchiv St. Johannes, Sundern (=PASu), IV, 3,<br />

20. 1. 1851.<br />

16) PASu, IV, 3, 21. 8. 1850.<br />

17) EAP, Acta Specialia, Nr. 8, 5. 9. 1850. - Als erster<br />

hat Hubert Schmidt auf diese Zusammenhänge<br />

hingewiesen: Vgl. seine beiden Artikel im Sunderner<br />

Lokalteil der Westfalenpost vom 23. und<br />

29. 12. 1998. - Landrat von Lilien hatte von Pfarrer<br />

Kleff eine Kopie von dessen Beschwerden gegen<br />

Hümmeler erhalten: StASu B 236, 2. 5.<br />

1850 (von Lilien an Riedel); Die Aussage Scheffer-<br />

Hoppenhöfers über das Verhalten Michael Blomes<br />

und Anton Hümmelers findet sich im EAP,<br />

Acta Specialia, Nr. 8, Protokoll vom 2. 10. 1850<br />

– Zu den von von Lilien angesprochenen revolutionären<br />

Ereignissen in Berlin vgl. Rüdiger Hachtmann,<br />

Berlin 1848. Eine Politik- und Gesellschaftsgeschichte<br />

der Revolution, Bonn 1997, S.<br />

746-782, bes. S. 764ff.; zu den Ereignissen in<br />

Iserlohn vgl. Wilfried Reininghaus, Axel Eilts,<br />

Fünfzehn Revolutionsmonate: Die Provinz Westfalen<br />

vom März 1848 bis Mai 1849, in: Wilfried<br />

Reininghaus, Horst Conrad, Hg., Für Freiheit und<br />

Recht. Westfalen und Lippe in der Revolution<br />

1848/49, S. 32-73.<br />

18) EAP, Acta Specialia, Nr. 8, 14. 11. 1850.<br />

19) StASu, B 236, 3. 2. 1851.<br />

20) Ebd., 2. 6. 1851<br />

21) Bezeichnenderweise hatte Pfarrer Kleff schon diese<br />

Begründung in seinem Schreiben vom 28. 2.<br />

1850 auf diese Lösung verwiesen, während sich<br />

Hümmeler immer auf seine endgültige Anstellung


SAUERLAND NR. 2/<strong>2008</strong> 77<br />

25 Jahre Hochsauerlandmarsch<br />

Ein besonderes Jubiläum konnte in diesem Jahr die Re ser -<br />

vistenkame radschaft Hallenberg-Liesen begehen. Ge meinsam<br />

mit dem Landeskommando Nordrhein-West falen mit Sitz in<br />

Düsseldorf war der Hochsauer landmarsch zu planen und<br />

durchzuführen.<br />

Aus kleinen Anfängen beim Beginn 1982, damals noch unter<br />

Führung des Verteidigungsbezirkskommandos 34 in Arnsberg<br />

ist der größte militärische Vielseitigkeitswettbewerb in der<br />

Bundesrepublik Deutschland entstanden.<br />

In diesem Jahr gingen 107 Mannschaften an den Start, Reservistenkameradschaften<br />

aus Deutschland und aktive Bundes -<br />

wehrmannschaften, aber auch 12 Teams aus dem benachbarten<br />

Ausland waren im <strong>Sauerland</strong> zu Gast, rangen um den Wanderpokal<br />

des Minister präsidenten Nordrhein- West falen. Den<br />

weitesten Anmarschweg hatte eine Mann schaft aus Lettland.<br />

Auch ein russisches Beobachterteam hatte sich eingefunden.<br />

Sie ließen sich einfangen von der reizvollen Landschaft in<br />

der Umgebung von Hallenberg, das Wetter ließ in diesem Jahr<br />

keine Wünsche offen, obwohl sonst oft genug Schnee die<br />

Wettkämpfer stark forderte.<br />

Fünfzehn Kilometer Marschstrecke galt es in kürzester Zeit<br />

zu marschieren, 7,5 kg Gepäck ständig dabei, reichliche<br />

Höhenmeter nicht gerechnet.<br />

Physische Grundfertigkeiten, aber auch allgemeine militärische<br />

Fähigkeiten wie Schießen, Sanitätsausbildung und auch<br />

verteidigungs- und sicherheitspolitische Fragen waren unter<br />

Beweis zu stellen. Auch eine Frage mit lokalem Bezug war eingeflochten.<br />

Wussten sie, dass die Bobpilotin Sandra Kiriasis aktive<br />

Angehörige der Bundeswehr ist?<br />

Zur Siegerehrung war man sich schnell einig, wir kommen<br />

im nächsten Jahr wieder.<br />

berief. Vgl. dazu den ausführlichen Schriftverkehr<br />

im PASu, IV, 3.<br />

22) Thomas Nipperdey, Deutsche Geschichte 1800 -<br />

1866, München 1983, S. 467; weiterhin: ders.,<br />

Volksschule und Revolution im Vormärz, in: Kurt<br />

Kluxen, Wolfgang J. Mommsen, Hg., Politische<br />

Ideo logien und nationalstaatliche Ordnung. Festschrift<br />

für Theodor Schieder, München 1968, S.<br />

117-142.<br />

23) Zitiert nach Berthold Michael, Heinz-Hermann<br />

Schepp, Hg., Politik und Schule von der Franzö -<br />

sischen Revolution bis zur Gegenwart, Bd. 1,<br />

Frankfurt a. M. 1973, S. 313f.<br />

24) Hans-Ulrich Wehler, Deutsche Gesellschafts -<br />

geschichte, Bd. 3, München 1995, S. 397.<br />

25) Folkert Meyer, Schule der Untertanen. Lehrer und<br />

Politik in Preußen 1848-1900, Hamburg 1976,<br />

S. 33.<br />

26) StASu, B 223, 27. 8. 1851.<br />

27) PASu VIII,6, 6. 3. 1851.<br />

28) StASu, B 488, 10. 1. 1867.<br />

29) Zu Canisius vgl. Riering (wie Anm. 3), S. 138ff.;<br />

zu seinem Sohn siehe Friedrich Schütte, Theodor<br />

Canisius, Parteifreund von A. Lincoln, in Fickel -<br />

tünnes e.V., Hg. Allendorfer Lesebuch (wie Anm.<br />

10), S. 452f..; zu Bergenthal siehe Michael Senger,<br />

Josef Bergenthal, in: Schmallenberger Sauer-<br />

land. Almanach 2002, hrsg. v. West fä lischen<br />

Schiefer- und Heimatmuseum Schmallen berg-<br />

Holthausen e.V., S. 135-137.<br />

30) Zum auch im <strong>Sauerland</strong> bestehenden Zusammen -<br />

hang von Studenten und Bildungsbürgertum einerseits<br />

sowie Liberalismus und Nationalismus in<br />

Vormärz und Revolution andererseits vgl. die Beispiele<br />

bei Erika Richter, „Hier sind beinahe alle<br />

Demokraten“, (wie Anm. 8), S. 77f, S. 81ff.<br />

31) Vgl. hierzu Jürgen Kocka, Arbeitsverhältnisse und<br />

Arbeiterexistenzen. Grundlagen der Klassen -<br />

bildung im 19. Jahrhundert, Bonn 1990; Gerhard<br />

A. Ritter, Klaus Tenfelde, Arbeiter im Deutschen<br />

Kaiserreich 1871 bis 1914, Bonn 1992, bes.<br />

S. 113-139, 426-466, 783-838.<br />

32) Vgl. hierzu J. Hahnwald, Tagelöhner, (wie Anm.<br />

8), S. 78-85.<br />

33) StASu, B 488, 12. 2. 1867.<br />

34) Chronik der Pfarre Sundern, aufgestellt am 1. Mai<br />

1851 vom dortigen Pfarrer Joseph Kleff aus Brilon,<br />

§ 81, im PASu (ohne Aktenzeichen) - Sicherlich<br />

ist es kein Zufall, dass es sich bei dem liberalen<br />

„Rädelsführer“ um den gleichen Theodor<br />

Schütte, einen Schwiegersohn Lehrer Hümme -<br />

lers, handelte, der Pfarrer Kleff schon 1848/49<br />

politisch verdächtig vorgekommen war.<br />

Mannschaft beim Hindernislauf,<br />

Anstrengungsbereitschaft ist gefragt<br />

von Friedhelm Walter<br />

Pokalübergabe, im Bild Hubert Kleff (MdL), Eckhard Scholz,<br />

stv. Landrat und Mannschaftsführer RK Westmünsterland,<br />

Oberstleutnant d. R. Klaus Peters<br />

Bilderauswahl: LKdo NW<br />

Neue Mitglieder bzw.<br />

Abonnenten<br />

Drüggelter Kapelle: Forscher- &<br />

Förderkreis Möhnesee e. V.<br />

Peter Sukkau, Soest<br />

Gernot Blache, Arnsberg<br />

Christel Sobkowiak, Warstein<br />

Walter Mönig, Sankt Augustin<br />

Svenja Gierse, Bamberg<br />

Gerd Korbella, Sundern<br />

Paul Patt, Kirchhundem<br />

Josef Prass, Mönchengladbach<br />

Georg Schulte, Balve<br />

Hannelore Schmitz, Schmallenberg<br />

Ursula Hansknecht, Kirchhundem<br />

Peter Kretschmer, Warstein<br />

Karl-Friedrich Hillesheim, Münster<br />

Friedrich Nagel, Meschede<br />

Kai Oliver Nickel, Erwitte<br />

Bernd Dreisbusch, Unna<br />

Eberhard Borghoff, Meschede<br />

Martina Werth-Mühl, Koblenz


78 SAUERLAND NR. 2/<strong>2008</strong><br />

Morgenland im <strong>Sauerland</strong><br />

Vor knapp sieben Jahren<br />

wurde in Meschede der Türkisch-Islamische<br />

Ver ein gegründet.<br />

Seinen „langen und<br />

schmalen Weg" – so der Verein<br />

selbst – krönte nun am 10. Mai<br />

<strong>2008</strong> die offizielle Eröffnungsfeier<br />

der Moschee bei strahlend<br />

sommerlichem Wetter. Eine<br />

Bühne war neben der Moschee<br />

aufgebaut, so dass die zahlreichen<br />

Be sucher draußen, von<br />

Son nen schir men geschützt, die<br />

Ver an staltung auf angenehme<br />

Art verfolgen konnten. Durch<br />

das Programm führte Dr. Ahmet<br />

Arslan, der Dialog-Beauf -<br />

tragte. Eine farbenfrohe Einstimmung<br />

gab eine türkische<br />

Mäd chengruppe mit reizvollen<br />

Tänzen. Eine Ko ran rezitation,<br />

übersetzt von einer türkischen<br />

Schülerin, betonte den religiösen<br />

Cha rak ter der Feier, während<br />

das Singen der türkischen<br />

und deutschen National hymne auf den<br />

politischen Bezug verwies. Das Ziel, mit<br />

der Mo schee nicht nur einen Gebetsort<br />

zu schaffen, sondern eine „Friedensbrücke“<br />

zu errichten, die durch ihre Angebote<br />

die Christen und Muslime in einer interkulturellen<br />

Begegnung intensiv zusammenführen<br />

sollte, damit sie sich gegenseitig<br />

besser kennenlernten und Vorurteile<br />

ausräumten, kam in den anschließenden<br />

Gruß worten immer wieder zum Aus -<br />

druck. Zunächst begrüßte der Vor -<br />

sitzende des islamisch-türkischen Vereins<br />

Hüseyin Yavuz die Anwesenden.<br />

Hohe Gä ste waren<br />

zur Würdigung des Tages<br />

aus Essen angereist.<br />

Es sprachen der türkische<br />

Gene ralkonsul Hakan Akbulut,<br />

aber auch der Bot -<br />

schafts rat und der Religions-Attaché<br />

vom türkischen<br />

Gene ralkonsulat<br />

betonten, dass hier eine<br />

Chance für ein tieferes<br />

Verstehen und gegenseitiger<br />

Bildung von vorher<br />

Frem den geschaffen sei.<br />

Auch die Vertreter des<br />

Hochsauerlandkreises<br />

und der Stadt Meschede,<br />

stellv. Landrat Heine -<br />

mann und stellv. Bürger-<br />

meister Wrede sowie der Landtagsabgeordnete<br />

Dr. Rudolph richteten herzliche<br />

Gruß worte aus, in denen ein aufgeschlossenes,<br />

der Integra tion dienendes Mitein -<br />

ander von Mus limen und Christen, speziell<br />

von Türken und <strong>Sauerländer</strong>n, beschworen<br />

wurde. Im gleichen Sinne äußerten<br />

sich auch evangelische, katholische<br />

und muslimische Geistliche. Kinder,<br />

die mit ihren hellen Stimmen Sprüche<br />

aus der Bibel und dem Koran vortrugen<br />

und übersetzten, lockerten die Beiträge<br />

der Er wachsenen erfrischend auf.<br />

Eines der Ornamente aus dem Moschee-Innenraum<br />

von Dr. Erika Richter<br />

Fotos: Ahmet Arslan<br />

Nachdem durch das symbolische Zerschneiden<br />

eines Bandes die Moschee eröffnet<br />

war, konnten alle Besucher die<br />

prachtvolle Innenarchitektur des Ge -<br />

bäudes bewundern, dessen Besonder -<br />

heiten Dr. Arslan in seiner Führung erläuterte.<br />

Anschließend wurden alle Gäste<br />

durch ein türkisches Mittagessen kulinarisch<br />

verwöhnt. Der Abend des Feier -<br />

tages endete mit einem ungewöhnlichen<br />

Angebot. Ein Männer-Ensemble aus<br />

Köln brachte mystische Musik: religiöse<br />

Gesänge zu instrumentaler Begleitung.<br />

Die fremdartigen Rhythmen<br />

und Klänge, unterbrochen<br />

von Tänzen einer Gruppe in<br />

fantasievollen Kostü men,<br />

zauberten zwar morgenländische<br />

Atmosphäre in die<br />

Mescheder Welt, waren aber<br />

auch eine mahnende Erinnerung<br />

an die deutschen Zuhörer,<br />

die fremde Kultur mit der<br />

eigenen in Toleranz, Offenheit<br />

und mit Verständnis -<br />

bereitschaft zu verbinden. Es<br />

geht nicht darum, mit der<br />

Moschee das „Morgenland“<br />

als eine Art orientalischer Insel<br />

zu kultivieren, sondern<br />

den Muslimen ein Stück Heimat<br />

im Sauer land zu gewähren.


SAUERLAND NR. 2/<strong>2008</strong> 79<br />

Eversberger Schwesternstation<br />

Erste-Hilfe-Station in unserer Bergstadt Eversberg von 1939 bis 1983<br />

Zwei Garanten für die „Erste<br />

Hilfe“ in diesen Jahren waren<br />

die Caritas schwestern, die<br />

dem Orden „Zum Zeugnis der<br />

Liebe Christi“ in Hattingen-<br />

Bredenscheid angehörten,<br />

und Dr. Josef Mahal aus<br />

Wehrstapel.<br />

Unsere Schwesternstation<br />

war von 1939 bis 1983 in<br />

dem lang gestreckten, doppelgeschossigen<br />

Fachwerk trau -<br />

fenbau in der Mittelstraße 1<br />

untergebracht. Das mit Natur -<br />

schiefer gedeckte Satteldach<br />

mit seinen abgewalmten<br />

Dach häuschen sowie die<br />

durchfensterte Fassadenfront<br />

sind die Zeichen eines typischen<br />

Fachwerkhauses aus<br />

der Mitte des 19ten Jahrhunderts.<br />

Erste Erwäh nungen sprechen jedoch<br />

schon von 1480. Die Stadt erwarb<br />

dieses Gebäude 1912 für die städtischen<br />

Angestellten, Lehrer, Vikar usw. 1939<br />

zogen dann hier die Caritasschwestern<br />

aus Hattingen-Bredenscheid ein. Sie waren<br />

für uns Eversberger die erste Anlaufstelle<br />

in allen Notlagen. Auch Dr. Josef<br />

Mahal aus Wehrstapel hielt hier seine<br />

Sprech stunde ab. Deshalb gab der<br />

Volksmund diesem Haus den Namen<br />

„Schwes ternhaus“.<br />

Der Orden „Schwestern zum Zeugnis<br />

der Liebe Christi“ wurde von Theresia<br />

Albers, die am 5. August 1872 in Dornheim<br />

bei Kirchrarbach (Stadt Schmallenberg)<br />

geboren wurde, gegründet. Sie<br />

nannte ihn damals „Schwestern vom<br />

göttlichen Kinderfreund“, was wohl auf<br />

ihre Arbeit als Lehrerin mit Hilfsschülerinnen<br />

zurück zu führen ist. Erst 1962<br />

wurde die Schwestern gemeinschaft mit<br />

der Zustimmung des Bischofs von Essen,<br />

Franz Kardinal Hengsbach, der aus unserer<br />

Nach bargemeinde Velmede stammte,<br />

eine Kongregation bischöflichen<br />

Rechts und nahm den Namen „Schwes -<br />

tern zum Zeugnis der Liebe Christi“ an.<br />

In der Industriestadt Dortmund erkannte<br />

die Lehrerin Theresia Albers die<br />

Perspektivlosigkeit ihrer hilfebedürftigen<br />

Schülerinnen und fühlte sich angesprochen,<br />

ihnen eine Ausbildung zu ermöglichen.<br />

So kaufte sie 1920 einen abgebrannten<br />

Bauernhof in Bredenscheid<br />

und begann mit dem Aufbau einer Aus-<br />

Schwesternstation von 1939 bis 1983<br />

bildungsstätte. Am 14. September 1924<br />

weihte man das von ihr erbaute „Antoniusheim“<br />

ein, in dem dann die<br />

ers ten jungen Mädchen eine Unterkunft<br />

fanden. 1930 waren es dann schon vierzig<br />

Mädchen, die bei Theresia Albers eine<br />

neue Heimat fanden. Theresia Albers<br />

baute aber nicht nur das Mutterhaus in<br />

Bredenscheid weiter aus, nein sie begann<br />

auch Niederlassungen im ganzen<br />

Lande zu gründen. So wurde auch die<br />

Verbindung mit unserer Heimatstadt<br />

Eversberg aufgenommen. Unsere Kirchengemeinde<br />

„St. Johannes Evan -<br />

gelist“, die seinerzeit für das „Sozial -<br />

wesen“ in der Gemeinde verantwortlich<br />

war, schloss am 15. Nov. 1939 / 21. Januar<br />

1940 einen Vertrag mit den Schwestern<br />

in Bredenscheid. Sie sollten, so der<br />

Vertrag:<br />

„Sorge tragen für die lösenden Cari -<br />

tas aufgaben in der Gemeinde. Eine<br />

Schwester wurde für Kirchenwäsche und<br />

Kirchendienste, besonders die Rei ni -<br />

gung, verpflichtet. Die andere Schwester<br />

besorgt die Krankenpflege in der Gemeinde.“<br />

Im ersten Jahr ihrer Arbeit in Eversberg<br />

leisteten die Schwestern 1558<br />

Krankenbesuche, 1139 Hilfelei s tungen,<br />

428 Verbände, 175 Bera ungen, 99 Tagespflegen,<br />

66 Nachtwa chen und 11<br />

Krankenbegleitungen.<br />

Aus dem Jahr 1949 besagt eine Liste,<br />

die Schwester Maria Walburgis geschrie-<br />

von Hermann Kesting †<br />

ben hat, dass 3445-mal Pflege<br />

an Kranken vorgenommen<br />

wurde.<br />

In den Fünfziger Jahren<br />

begannen die Schwestern damit,<br />

eine Nähschule anzubieten,<br />

die von zahlreichen jungen<br />

Mädchen aus unserer<br />

Heimat angenommen wurde.<br />

Nachstehendes Bild zeigt<br />

die Mit glieder der Nähschule<br />

von 1957 mit Schwester Alwina<br />

unten links und Schwes -<br />

ter Irmina oben links.<br />

Dass die Schwesternge -<br />

mein schaft auf die jungen<br />

Mäd chen aus unserer Heimat<br />

große Anziehungskraft bewirkte,<br />

zeigt nicht nur das Bei-<br />

Nähschule 1957<br />

spiel der Nähschule, sondern auch, dass<br />

vier junge Mädchen aus Eversberg und<br />

Wehrstapel sich entschlossen, der<br />

Schwesterngemeinschaft beizutreten.<br />

Dies waren:<br />

Schwester Maria Gerhaldis<br />

Name: Elisabeth Gördes; Spuikers<br />

Titel: „Von der Sanftmut Jesu“<br />

Ordenseintritt: 2. Mai 1944<br />

* 17. Sept. 1921 † 7. Mai 1998<br />

Die zweite Generaloberin, Schwester<br />

M. Ursula, berief Schwester M. Gerhaldis<br />

1958 als Noviziatsbegleiterin in das<br />

Mutterhaus nach Bredenscheid zurück.<br />

Sie wurde für die ihr anvertrauten jungen<br />

Schwestern ein wegweisendes Vorbild.<br />

Nach dem Tode von Schwester M. Ursula<br />

berief sie die Gemeinschaft der Schwestern<br />

1973 zur 3. Generaloberin. Wegen<br />

Nach wuchsmangels war sie als Oberin


80 SAUERLAND NR. 2/<strong>2008</strong><br />

bald dazu gezwungen,<br />

Nie -<br />

der lassungen<br />

der Schwestern<br />

zu<br />

schließen. Die<br />

Schwestern -<br />

ge meinschaft<br />

wurde durch<br />

den Tod vieler<br />

Mitglieder immer<br />

kleiner.<br />

Auf dem Friedhof der Gemein schaft, der<br />

1936 von Theresia Albers am Paasbach<br />

nahe des Antoniusheimes eingeweiht<br />

wurde, befinden sich schon über 100<br />

Schwe sterngräber. Sie erkannte, dass ihre<br />

Schwesterngemeinschaft die bisherigen<br />

Aufgaben bald nicht mehr allein<br />

wahrnehmen konnte. So gründete Sie<br />

1996 die „THERESIA-ALBERS-STIF-<br />

TUNG“, in dessen Trägerschaft die ordenseigenen<br />

Häuser überführt wurden.<br />

Somit war von den Schwestern eine wesentliche<br />

Last genommen. Es blieb, und<br />

bleibt auch für ihre Nachfolgerinnen das<br />

große Problem des Nachwuchses.<br />

25 Jahre führte die gebürtige Eversbergerin<br />

mit liebevoller und fürsorglicher<br />

Hand den Orden. Wie viel sie in diesen<br />

Jahren bewegt hat, wie viel Kraft und<br />

Mühe ihr dieser Weg, geprägt durch ihre<br />

Menschlichkeit, Aufop ferungs bereit -<br />

schaft und Sorge über den Fortbestand<br />

ihrer Gemeinschaft gekostet hat, weiß allein<br />

der liebe Gott. Er wird ihr das im<br />

Himmelreich vergelten!<br />

Schwester Maria Xaveria<br />

Name: Franziska Rüth<br />

Titel: „Von der Verlassenheit<br />

des Gekreuzigten“<br />

Ordenseintritt: 5. Nov. 1940<br />

* 20. März 1915 † 16. Juli 1970<br />

Schwester Maria Hermana<br />

Name: Ernestine Rüth<br />

Titel: „Vom heiligen Haupt“<br />

* 1. Juni 1918 † 18. Okt. 1976<br />

Eintritt: 13. Januar 1944<br />

Schwester Maria Agnes<br />

Name: Hedwig Spork<br />

Geburtsort: Wehrstapel<br />

Titel: „Von der Hingabe an Gott“<br />

Ordenseintritt: 1. März 1960<br />

* 23. Mai 1938<br />

Termine Termine Termine Termine<br />

22. Juni Der Freundeskreís Oelinghausen e. V. feiert sein<br />

25-jähriges Jubiläum<br />

Maschinen - und Heimatmuseum Eslohe e.V. Eslohe<br />

Info unter: 0 29 73/24 55<br />

www.museum-eslohe.de<br />

27./28. Sept. Dampftage<br />

von 10 – 18 Uhr<br />

7. Dezember Der Nikolaus kommt mit der Dampfeisenbahn<br />

von 15 – 17 Uhr<br />

Termine der Christine-Koch-Gesellschaft<br />

17. August Die Christine-Koch-Gesellschaft führt eine Literaturfahrt auf den<br />

Spuren von Marion Gräfin Dönhoff nachSchloss Krottorf durch.<br />

Heidenstraße<br />

6. Sept. Winterberg-Altastenberg: Einweihung des 16. Pilgersteins an der<br />

Heidenstraße und des historischen Parks im Rahmen<br />

des Dorfgemeinschaftsfestes<br />

7. Sept. Marienheide gegenüber dem Kloster: Einweihung des 17. Pilgersteins<br />

an der Heidenstraße.<br />

Termine aus Allendorf<br />

2. – 7. Sept. Historische Wanderung „Auf den Spuren des Fuhrmann<br />

F. Clute-Simon im Jahr 1803“ von Allendorf nach Köln mit dem<br />

Fuhrmann Friedrich Clute-Simon, der den Drei-Könige-Schrein<br />

(Nachbildung in Originalgröße) mit seinem Pferdefuhrwerk von<br />

Wedinghausen nach Köln bringt.<br />

7. Sept. Einzug in den Dom zum Sonntagsgottesdienst um 17.00 Uhr<br />

Veranstalter: „Fickeltünnes e.V. – 600 Jahre Stadt Allendorf“<br />

und SGV Abt. Allendorf<br />

weitere Infos unter Tel.: 0 23 93/8 24 oder 0 23 75/92 94-6 10<br />

Die Redaktion bittet um Mitteilung weiterer Termine<br />

Bestens bekannt ist den Eversbergern<br />

aber noch<br />

Schwester Maria Bertoldis<br />

Name: Elisabeth Feldmann<br />

Titel: „Vom Leben in Gott“<br />

Ordenseintritt: 2. Mai 1937<br />

* 4. Febuar 1913 † 2. Aug. 2003<br />

die von 1964 bis 1983, Auf lösung der<br />

Schwestern station, bei uns in Evers berg<br />

segensreich<br />

gewirkt hat.<br />

Sie war uns<br />

Eversber gern<br />

sehr ans Herz<br />

gewachsen,<br />

denn ihre liebenswerte,bescheidene<br />

Art<br />

hat so manchen<br />

Kummer<br />

schon im Keim zerdrückt. Wir Eversberger<br />

werden sie, und alle anderen Schwestern<br />

aus Bre denscheid in bester, dankbarer<br />

Erin nerung behalten.<br />

Die Schwesterngemeinschaft in Hat -<br />

tingen-Bredenscheid im Bistum Essen<br />

unter der jetzigen Führung von Oberin<br />

M. Dorothea bemüht sich derzeit unter<br />

Mitwirkung des Prälat Dr. Martin Patzeck<br />

um die Seligsprechungen ihrer Grün -<br />

derin Theresia Albers<br />

Anmerkung: Einen ganz besonderen Dank gilt an dieser<br />

Stelle der Schwester Oberin M. Dorothea im Mutterhaus<br />

Bredenscheid, die wie selbstverständlich mir<br />

mit Materialien über ihre Schwesterngemeinschaft behilflich<br />

war.<br />

Auch Schwester Agnes, gebürtig aus Wehrstapel, trug<br />

viel zum Gelingen dieser Seiten bei.<br />

Quellen: Kirchenchronik „St. Johannes Ev.“ Evers -<br />

berg; Archiv / Museum im Mutterhaus der „Schwes -<br />

tern zum Zeugnis der Liebe Christi“ in Hattingen-Bredenscheid


SAUERLAND NR. 2/<strong>2008</strong> 81<br />

Christine Koch – Versuch eines Lebensbildes *)<br />

Christine Koch — wer war diese<br />

Frau, die einer Literaturgesellschaft den<br />

Na men gab, einer Gesellschaft, die es<br />

sich zum Ziel gesetzt hat, Literatur im<br />

<strong>Sauerland</strong> zu fördern und zu verbreiten.<br />

Wer war die Frau, bei deren Namens -<br />

nennung so manchem <strong>Sauerländer</strong><br />

spon tan ein paar Verse, eine Strophe<br />

oder auch der Titel eines ihrer Gedichte<br />

einfallen? Zwar wird der Name Christine<br />

Koch nicht selten mit dem Vorbehalt<br />

verbunden, dass die Stär ke ihrer Dichtung<br />

einzig auf dem Plattdeutschen beruhe<br />

und sich ihr Wirkungsbereich nur<br />

auf den heimatlichen Raum und eine<br />

verhältnismäßig kleine Gruppe von Interessenten<br />

beschrän ke. Aber wäre es<br />

nicht gerecht, im gleichen Atemzug ihre<br />

Verdienste um die plattdeutsche Dichtung<br />

herauszustellen? Zu sagen, dass sie<br />

es verstanden hat, der bäuerlichen Alltagsspra<br />

che, die im Dienste der Zweckmäßigkeit<br />

stand, poetische Töne abzulauschen<br />

und sie künst le risch umzusetzen?<br />

Ein paar Daten, die ihren Lebensweg<br />

belegen, sind schnell aneinander<br />

gereiht:<br />

1869 wurde die Dichterin als Chri s -<br />

tine Wüllner in Herhagen geboren, ihre<br />

Schulbildung er hielt sie in Reiste, die<br />

Weiterbildung erfolgte in einem Internat<br />

in Duderstadt. Das Lehrerin nenexamen<br />

legte sie in Hannover ab. In Padberg begann<br />

sie ihre Lehrerinnentätigkeit, von<br />

da ließ sie sich nach dreizehnjähriger Tätigkeit<br />

nach Vogelheim bei Essen-Borbeck<br />

versetzen. Dort leitete sie die<br />

Volksschule bis zum 1. Januar 1905. Im<br />

Mai des gleichen Jahres heiratete sie<br />

den Land- und Gastwirt Wilhelm Koch<br />

in Bracht. Sie verstarb dort im Jahr<br />

1951. Was aber steht hinter den äußeren<br />

Lebensdaten? Wer war diese Christine<br />

Wüllner, die mit 36 Jahren, zu einem<br />

Zeitpunkt also, an dem man normalerweise<br />

seinen Platz im Leben gefunden<br />

hat, ihren angesehenen Beruf<br />

aufgab, einen Land- und Gastwirt heiratete<br />

und zwischen Kü che, Keller und<br />

Schanktisch Gedichte schrieb?<br />

Da wäre zunächst ein kurzer Blick auf<br />

die Zeit in dem Pensionat in Duderstadt<br />

zu werfen, auf eine Zeit, in der sich die<br />

sechszehnjährige Bauerntochter vom<br />

Lande einen Platz zwischen den meist<br />

reichen Fabrikantentöchtern sichern<br />

musste.<br />

Christine als junge Lehrerin<br />

im Jahre 1896<br />

Es waren schwierige Verhältnisse, unter<br />

denen sie ihre Tätigkeit in Padberg<br />

aufnehmen und ausüben musste. Aus<br />

dieser Zeit existiert eine Fotographie,<br />

auf der sie schmal, schlank, die Geige<br />

vor den Körper haltend, an einer Brüstung<br />

lehnt. Das Bild wirkt gestellt, sie<br />

selbst zu geknöpft, wie sie, bis zum Hals<br />

in ein steifes Kleid gesteckt, an dem Betrachter<br />

vorbei sieht.<br />

So gut geschnitten und dabei fein und<br />

sensibel ihr Gesicht auch wirkt, ihm fehlt<br />

auf dem Foto die Unmittelbarkeit des<br />

Ausdrucks, der einmal so typisch für<br />

Christines Lyrik werden sollte. Die Klas -<br />

sen waren groß, die Bezahlung bescheiden,<br />

hinzu kam das Leben in einer primitiven<br />

Dienstwohnung, die aus zwei<br />

feuchten Zimmern bestand. Christine<br />

kam von einem wohlha benden Bauern -<br />

hof. Und nun eine Behausung, so karg<br />

und unwirtlich, dass sie sich darin eine<br />

Erkrankung der Luftwege holte, die sie<br />

ein Leben lang verfolgte. Wie manche<br />

Nacht mag es hustend aufrecht im Bett<br />

gesessen haben, das Fräulein Lehrerin,<br />

das noch schlechter bezahlt wurde, als<br />

das sprichwörtlich arme Dorfschulmeis -<br />

terlein. Ob Christine Heimweh hatte,<br />

Heimweh nach dem stattlichen Bau -<br />

ernhaus, in dem sie an langen Winter -<br />

abenden mit Mutter und Geschwistern<br />

musizierte? Ein Klavier war im Haus,<br />

Bücher und weitere Instrumente. Sie sei<br />

ein ausgesprochen pflichtbewusster<br />

von Christel Hoberg-Heese<br />

Mensch gewesen, verraten spätere Be -<br />

richte – also wird sich das Fräulein Wüllner<br />

sicherlich nach durchhusteter Nacht<br />

in ihr Klassenzimmer ge schleppt haben.<br />

Krankheit und Tod waren um die Jahrhundertwende<br />

unübersehbarer Teil des<br />

Lebens. Einmal musste Christine erleben,<br />

dass im Dorf in kürzester Zeit zweiunddreißig<br />

Kin der während einer Diphtherie-Epidemie<br />

starben, Kinder, die sie<br />

kannte, die zum Teil vor ihr auf der<br />

Schulbank gesessen hatten und nie wieder<br />

dort sitzen würden. Ob ein junger<br />

Mensch derartige Erfahrungen wie eine<br />

latente Krankheit mit durch sein Leben<br />

trägt? Ob sie die ersten Falten in das Gesicht<br />

gegraben haben, das wir von der<br />

Fotographie kennen? Nach dreizehnjähriger<br />

Tätigkeit ließ sich Christine nach<br />

Vogelheim bei Essen-Borbeck ver -<br />

setzen, weil sie sich von der milderen<br />

Luft eine Besserung ihrer angegriffenen<br />

Gesund heit versprach. Aber schon zum<br />

1. Ja nuar 1905 gab sie – so die spätere<br />

Begründung ihres Pensi onsanspruches<br />

– ihre Tätigkeit dort aus gesundheitlichen<br />

Gründen auf. Bereits im Mai heirate<br />

te sie den Land- und Gastwirt Wilhelm<br />

Koch aus Bracht, einem hochgelegenen,<br />

in den langen Wintern abgeschiedenen<br />

Dorf, und obschon sie vier Jahre<br />

zuvor dem ihrer Gesundheit nicht zuträglichen<br />

Klima entflohen war, kehrt sie<br />

ins <strong>Sauerland</strong> zurück. Waren es möglicherweise<br />

nicht nur gesundheitliche<br />

Gründe, die sie die angesehene Stellung<br />

einer Hauptlehrerin aufge ben ließ? In<br />

Essen-Borbeck wohnte auch ihre jüngere<br />

Schwester und führte mit einem<br />

Mann und sechs Kindern ein gelungenes<br />

Fami lienleben vor. Könnte das Beispiel<br />

nicht Wünsche nach einem eigenen<br />

Haus stand, einem ähnlichen Zuhause<br />

geweckt haben? Über das Alter einer romantischen<br />

Liebe war Christine hinaus.<br />

Ausgeschieden aus dem Schuldienst,<br />

hätte sie nach damaligen Vorstellungen<br />

als „spätes Mädchen“ gegolten, das mit<br />

einer spärlichen Pensi on wahrscheinlich<br />

eine Heimstatt auf dem elterlichen Hof<br />

gefunden hätte. Aber was wäre das für<br />

ein Leben gewesen? Auch Wilhelm<br />

Koch hatte das normale Heiratsalter<br />

weit hinter sich gelassen. Könnten die<br />

zukünftigen Eheleute in ihrer späten<br />

Verbindung nicht eine gute Lösung für<br />

beider Zukunft gesehen haben, zumal<br />

sich zwischen ihnen eine seelische und


82 SAUERLAND NR. 2/<strong>2008</strong><br />

geistige Verwandtschaft abzeichnete.<br />

Beider Müt ter waren Schwestern und<br />

stammten aus einem kulti vierten Lehrerhaus,<br />

in dem der Bücherschrank gefüllt<br />

war und die Musik gepflegt wurde.<br />

Land- und Gastwirt war Wilhelm Koch<br />

nur wegen des frühen Todes seines Vaters<br />

geworden.<br />

Erst fünfzehn Jahre alt, musste er, der<br />

gerne Musik studiert hätte, den elterlichen<br />

Besitz über nehmen und zusehen,<br />

wie seine jüngeren Geschwister das Dorf<br />

verlassen, studieren konnten und in angesehenen<br />

Berufen erfolgreich wurden.<br />

Allerdings bestanden in der Familie Beden<br />

ken wegen des nahen Ver wandt -<br />

schaftsgrades, für eine Heirat musste sogar<br />

ein Dispens des Bischofs eingeholt<br />

werden.<br />

Nun, er wurde erteilt. Im Mai 1905<br />

hielt Christine Einzug in Bracht, bereits<br />

ein Jahr später brachte sie ihr erstes Kind<br />

zur Welt. Siebenunddreißig Jahre alt war<br />

sie bereits. Ob das kleine Mäd chen die<br />

Erfüllung eines Wunsches war, dessen<br />

Realisierung in ihrem Alter nicht unbe -<br />

dingt selbstverständlich war? Ob sie als<br />

„Spätgebärende“ ihrer Entbindung mit<br />

Ängsten ent gegensah? Im frühen 20.<br />

Jahrhundert stand oft der Tod am Wochenbett.<br />

Auf die Frage, ob Christine ein<br />

Arzt, eine Hebamme, eine Nach barin bei<br />

der Geburt zur Seite gestanden haben,<br />

findet sich in Briefen und Le -<br />

bensbeschreibungen keine Antwort. Auf<br />

dem Lande liefen die Geburten oft fern<br />

vom nächsten Krankenhaus ab, und einer<br />

schnellen ärztlichen Hilfe standen<br />

schwerfällige Verkehrsmittel und schwierige<br />

Straßenverhältnisse im Wege. In nur<br />

sechs Jah ren brachte Christine vier Kinder<br />

zur Welt. Eine Fotographie aus eben<br />

dieser Zeit sagt einiges über sie, die mittlerweile<br />

eine Mittvierzigerin geworden<br />

ist, aus. Ihre Körpersprache vermittelt<br />

das Bild einer müden, aber gelösten, in<br />

sich gekehrten und in sich ruhenden<br />

Frau. Auf einem Gartenstuhl sitzt sie vor<br />

oder neben dem Haus. Das jüngste<br />

Töchterchen steht neben ihr, strahlt<br />

schelmisch in die Kamera, während die<br />

Mutter auf das Körbchen hinunterblickt,<br />

das die Kleine ihr zugetragen und auf den<br />

Schoß gestellt haben mag. Fünfund -<br />

vierzig Jahre ist Christine alt, mehr als die<br />

Hälfte des Lebens ist vorüber. Noch ahnte<br />

niemand, dass sie in aller Heim lichkeit<br />

Christine Koch<br />

mit ihrer jüngsten Tochter Maria (1915)<br />

Gedichte, auch Prosa schrieb – am Küchentisch,<br />

auf der Fensterbank schnell<br />

aufs Papier geworfen. Am Abend, wenn<br />

es still um sie herum geworden war, überarbeitete<br />

sie, was der Tag ihr eingab.<br />

Aber noch mussten die wilden Rosen im<br />

Verborgenen blühen. Nicht nur Wilhelm,<br />

auch sein Bruder Franz-Josef, Rektor in<br />

Essen, schrieb plattdeutsche Tex te, so<br />

dass sich bei seinen häufigen Besuchen<br />

anregende Gespräche ergaben. Hin und<br />

wieder erschienen in Zeitungen und <strong>Zeitschrift</strong>en<br />

heimatbezogene Texte sowohl<br />

in mundartlicher Sprache als auch in<br />

Hoch deutsch. Und musiziert wurde im<br />

Lin denhaus! Vornehmlich inner halb des<br />

Familienkreises, Christine und Wilhelm<br />

spielten beide Klavier und Geige, aber zu<br />

den wöchentlichen Musikstunden fand<br />

sich auch der Sohn des Lehrers ein. Das<br />

Lindenhaus erwies sich als gastfrei in diesen<br />

Jahren, denn nicht nur die Herhagener<br />

Verwandten waren gern gesehene<br />

Gäste, auch die Schwäger fanden sich zu<br />

Jagdzeiten gerne ein. Und noch eine<br />

ganz andere Art von Gästen klopfte an<br />

die Tür und wurde bewirtet. Zum fahrenden<br />

Volk ge hörten sie und baten um eine<br />

Mahlzeit, einen Platz zum Übernachten<br />

in der Scheune. Und mitten in diesem für<br />

die Hausfrau arbeitsreichen Leben<br />

schrieb Christine ihre Gedichte. Aber<br />

erst 1924, als sie bereits 55 Jahre alt<br />

war, erschien ihr erster Gedichtband<br />

„Wille Räusen“. Voraus gegangen war die<br />

Veröffentlichung von einigen Gedichten<br />

in der <strong>Zeitschrift</strong> „Trutz nachtigall“, auf<br />

die der Musik lehrer und Komponist<br />

Georg Nellius gestoßen war, der als der<br />

Entdecker der „<strong>Sauerländer</strong> Nachtigall“<br />

gilt, die in dem Bergdorf Bracht Gedichte<br />

schrieb, für die die Natur, das bäuerliche<br />

Leben, die Kinder, die sie umgaben,<br />

Motiv und Anstoß waren. Im Plattdeutschen<br />

fand sie die den Inhalten entsprechende<br />

sprachliche Ausdrucksform, den<br />

Boden für deren poetische Gestaltung.<br />

Dank ihrer Bildauswahl und dem harmonischen<br />

Zu sammenspiel von Reim und<br />

Rhyth mus fand sie wunderbar schlichte<br />

und dabei ausdrucksstar ke Töne.<br />

Es scheint zur Tragik der späteren Jahre<br />

zu gehören, dass die Freude über<br />

Christines Erfolge von Krankheit und<br />

Sorge verdunkelt wurden. Mitte der<br />

zwanziger Jahre legte sich der Schat ten<br />

der Verschuldung über Haus und Hof.<br />

Das Studium der Schwäger hatte gekostet.<br />

Das großzügig in Kriegsanleihen angelegte<br />

Geld war verloren. Die Inflation<br />

fraß die Holzerträge auf. Die vormals<br />

wohlhabenden Kochs verarmten. So tief<br />

trieb die Verschuldung sie in den Ruin,<br />

dass sie am Ende nur noch froh sein<br />

konnten, dass ihnen wenigstens das<br />

Wohnhaus er halten blieb. Spott und Häme<br />

der Dorfbewohner kamen hinzu, als<br />

Sorge und Armut einzogen. Christine<br />

hätte lieber Rüben hacken und Schweine<br />

füttern, als dichten sollen, tuschelten sie.<br />

Die Brachter hatten immer wenig Verständnis<br />

für die Bewohner des Lindenhauses<br />

aufge bracht, in dem „Studierte“<br />

ein- und ausgingen und ein gepflegtes<br />

Hochdeutsch gesprochen wurde. Zwar<br />

besang Christine ihre Kinder liebevoll<br />

„Platt“, gesprochen wurde es nicht mit -<br />

einander. Sei es, dass die ehemalige Lehrerin<br />

grundsätzlich auf die Pflege der<br />

deutschen Spra che Wert legte und ihren<br />

Kindern zusätzlich den Weg zur schulischen<br />

Weiterbildung erleich tern wollte;<br />

sei es, dass ihr ein gewisser Abstand zur<br />

Dorfbevölkerung ratsam erschien. Und<br />

war es nicht klug, als Gastwirtin eine gewisse<br />

Distanz am Schanktisch zu halten,<br />

zumal das Platt deutsch die Anrede „Sie“<br />

nicht kennt und aus dem „Du“ oder „Ihr“<br />

leicht eine unange messene Vertrau -<br />

lichkeit erwächst?<br />

In den dunklen Tagen der existenziellen<br />

Not suchte Josefa Berens-Totenohl,


SAUERLAND NR. 2/<strong>2008</strong> 83<br />

Malerin, Lehre rin und Schriftstellerin das<br />

Lindenhaus auf und fand, wie sie sagte,<br />

eine schüchterne, verhärmte Wirtsfrau<br />

vor, deren wunderbar anrührende Ge -<br />

dichte sie kannte. Aus der Begegnung<br />

wuchs eine tiefe, lebenslange Freund -<br />

schaft, obschon die beiden Frauen in religiösen<br />

und weltan schaulichen Fragen<br />

auf unterschiedlichen Wegen gingen. Als<br />

ein Glanzlicht ragte Christines sechzigster<br />

Geburtstag aus den sorgenvollen Zeiten<br />

heraus. Nach nur fünf Jahren des Erscheinens<br />

der „Wille Räusen” waren ihre<br />

Gedichte im westfälischen Raum bekannt<br />

geworden. Mit hundert Sängern<br />

aus Neheim und Minden erschien Georg<br />

Nellius. Verwandte und Freunde versammelten<br />

sich, die Erbsensuppe köchelte,<br />

die Fässer waren angestochen. Und<br />

Christine? Sie ahnte nichts von den Ehrungen,<br />

die sie erwarteten, als die Tochter<br />

sie aus dem Hause rief. Im Alltagskleid<br />

mit Schürze und Sandalen - nicht<br />

die Studierte, nicht die Dichterin - eine<br />

schlichte Landfrau blickte überrascht in<br />

die Menge und lauschte den von Freund<br />

Nellius vertonten Gedichten. Vor Ergriffenheit<br />

stumm nahm sie aus seinen Händen<br />

den soeben gedruckten neuen Gedichtband<br />

„Sunnenried“ entgegen. Ein<br />

Glückwunschschreiben des Oberpräsidenten<br />

wurde vorgelesen. Aus den umliegenden<br />

Dörfern strömten die Bewohner<br />

herbei. Christine wurde gefeiert. Ein Tag<br />

heller Freude war das. Dann wurde es<br />

wieder dunkel im Lindenhaus.<br />

Einer der dunkelsten Tage war der, an<br />

dem die Nachricht vom Tode des einzigen<br />

Sohnes ein traf. Vier Wochen hatte<br />

die Familie vergebens auf ein Lebens -<br />

zeichen von ihm gewartet, nachdem er<br />

das Haus überraschend verlassen hatte.<br />

Dann kam die Botschaft: Wilhelm ist tot.<br />

Selbstmord. In der Nähe Berlins hatte<br />

man ihn aufgefunden. Die Umstände des<br />

Todes ver schwieg man der Mutter. Der<br />

Schicksalsschlag traf Christine, als sie<br />

sechsundsechzig Jahre alt war. Die Zeit<br />

und die tiefe Gläubigkeit mögen ihren<br />

Schmerz gelindert haben, aber Chris tine<br />

verstummte; jedenfalls für die Öffentlichkeit.<br />

Was an Gedichten entstand, legte<br />

sie sorg fältig in eine Mappe, später verbrannte<br />

sie sie. Schienen ihr die späten<br />

Gedichte zu düster? Wollte sie niemanden<br />

in sich hineinsehen lassen? Waren<br />

sie nur noch Hilfe zur Überwindung des<br />

Leides im Selbstgespräch? Oder schie-<br />

Christine Koch<br />

Mitte der 30er Jahre<br />

nen ihr die Gedichte nicht mehr gut genug?<br />

War sie eine zu strenge Richterin?<br />

Niemand kann sagen, was uns möglicherweise<br />

verloren ging. Arme Chri s tine!<br />

Ob sie manchmal am Fenster gestanden<br />

hat und über die Berge hinweg in Richtung<br />

Herhagen sah? Ob die frühen Spaziergänge<br />

mit dem Vetter, ihre Gespräche<br />

dort an ihr vorüber gezogen sind?<br />

Wieviel sorgenfreier wäre ihr Leben als<br />

angesehene Hauptlehrerin verlaufen.<br />

Aber die Kinder, der Mann, die Vogelstimmen<br />

am Morgen, die Lin den am<br />

Haus, die wilden Rosen am Weg, der<br />

Duft von Heu und Holunder, im Hochsommer<br />

der Fingerhut ... Ob sie jemals<br />

gerechnet hat mit der Entscheidung für<br />

den Vetter in Bracht? Oder war es ihre<br />

tiefe Religiosität, die sie mit den Widrigkeiten<br />

ihres Lebens versöhnte? Es gibt so<br />

Im Alter von 75 Jahren<br />

viele offene Fragen, so viele Leerstellen<br />

in einem Leben, das vom 19. bis in die<br />

Hälfte des 20. Jahrhunderts hineinreichte.<br />

Ein Kaiserreich, zwei Welt kriege, zwei<br />

Inflationen, eine Diktatur und zwei Demokratien<br />

bildeten den politischen und<br />

sozialen Hinter grund für Christines langes<br />

Leben. Das Tempo des technischen<br />

Fortschritts erschwert es, sich in die Mühen<br />

des Alltags einer Land- und Hausfrau<br />

hineinzudenken, bevor die Waschmaschinen<br />

das Waschbrett und ein Druck<br />

auf den Knopf das Feuern des Herdes ersetzte.<br />

Von Personal ist nach dem Tode<br />

der alten Hilfe Therese Teitmorg nicht<br />

mehr die Rede. Dass sie nur noch in ihrer<br />

Behausung lebensfähig sei, sagte<br />

Chri stine in späteren Jahren, in denen<br />

sie sich durch die Hinfälligkeit oft auf<br />

dem schmalen Grat zwischen Leben und<br />

Tod bewegte. Ihr 70. Geburtstag brachte<br />

erneut Ehrungen. Ihre plattdeutsche Lyrik<br />

und der mund artliche Prosatext<br />

„Rund ümm’n Stimmstamm rümme“<br />

hatten über den westfälischen Raum hinaus<br />

im niederdeutschen Beachtung gefunden.<br />

Als Anerkennung erhielt sie den<br />

Klaus-Groth-Preis. In Hamburg entgegennehmen<br />

konnte sie ihn aus gesundheitlichen<br />

Gründen nicht. Ihr 75. Geburtstag<br />

bot Anlass zur Überreichung des<br />

Westf ä lischen Literaturpreises. Ein Jahr<br />

zuvor war ihr Mann, nach einem Schlaganfall<br />

pflegebedürftig, verstorben. Wieder<br />

ein Schat ten, der auf die Ehrung fiel?<br />

Oder war Christine den Eitelkeiten der<br />

Welt schon so weit ent rückt, dass Licht<br />

und Schatten ineinanderflossen?<br />

Als sich zu ihrem 80. Geburtstag zahlreiche<br />

Heimatfreunde einfanden, zeigte<br />

sie sich nur am Fenster. Sie wollte nur in<br />

Ruhe gelassen werden, überlieferte die<br />

älteste Tochter, die die Mut ter in den letzten<br />

Jahren liebevoll pflegte. Der Aus gang<br />

des Lebens sei eine gute Zeit gewe sen,<br />

versicherte sie. Die Enkelkinder hätten<br />

noch einmal Freude ins Lindenhaus gebracht.<br />

„Es ist schön, wenn die Sonne<br />

golden untergeht“, fand Christine ein<br />

versöhnliches Sinnbild für ihren Abschied<br />

vom Leben, sprach aus ihr noch einmal<br />

die Dichterin, die sich seit Jahren hin ter<br />

der schlichten Landfrau versteckte.<br />

*) Die dem Artikel zugrunde liegenden Informationen<br />

wurden zum großen Teil übernommen aus: Christine<br />

Koch: Liäwensbauk. Bearb. v. Peter Bürger. Fredeburg:<br />

Grobbel 1993.


84 SAUERLAND NR. 2/<strong>2008</strong><br />

Lörmecke-Turm auf dem Arnsberger Wald<br />

Überblick bringt Einsichten von Reinhard Köhne<br />

1. Der Lörmecke-Turm<br />

Der Lörmecke-Turm steht unweit der<br />

Lörmeckequelle auf dem höchsten Punkt<br />

des Arnsberger Waldes in 580 Metern<br />

Höhe am alten Plackweg zwischen Warstein<br />

und Eversberg. Der Wanderer erreicht<br />

den Turm vom Parkplatz des Naturparks<br />

Arnsberger Wald am Stimmstamm<br />

nach einer Stunde. Aus Richtung<br />

Eversberg bietet sich der Parkplatz<br />

„Buchsplitt“ an. Von Warstein aus können<br />

die Parkplätze „Herrlichkeit“ oder<br />

„Enkebruch“ empfohlen werden.<br />

Der neue Turm ermöglicht einen<br />

Pano ramablick auf die Großlandschaften<br />

des waldreichen sauerländischen Süder -<br />

gebirges und zur Westfälischen Bucht.<br />

Im Süden fällt der Blick über den Steilabfall<br />

zum Ruhrtal auf das Me scheder Berg -<br />

land mit dem lebhaften Wechsel von<br />

Höhenrücken und Längsmulden, die von<br />

den Nebenflüssen der Ruhr zertalt worden<br />

sind. Im Hintergrund zeichnet sich<br />

die gewellte Kammlinie des Rothaargebirges<br />

ab. Die vielfach gefalteten geologischen<br />

Schich ten sind im Erdaltertum<br />

vor 380 Millionen Jahren aus einem<br />

Meerestrog aufgewölbt worden.<br />

Nach Norden überwiegen die horizontalen<br />

Linien der sanft abfallenden<br />

Flächen der Warsteiner Hochfläche und<br />

weiter entfernt die waldarme Schicht -<br />

stufe der Hohen Haar am Rande der<br />

Westfälischen Bucht. Während die Mas -<br />

senkalke der Warsteiner Hochfläche<br />

noch von einem Korallenriff des alten<br />

Devonmeeres aufgebaut wurden, sind<br />

die am Rande des Münsterlandes leicht<br />

hochgestellten Kreideschichten wäh rend<br />

einer jüngeren Meeresüberflutung des<br />

Erdmittelalters vor 100 Millionen Jahren<br />

abgelagert worden.<br />

2. Der Plackweg -<br />

Wissenswertes am Wege<br />

Der Plackweg ist ein alter Grenz- und<br />

Fernweg, der vom ehemaligen Kloster<br />

Himmelpforten bei Niederense im Möhnetal<br />

über die Kammlinie des Arnsberger<br />

Waldes auf der Wasser scheide zwischen<br />

Ruhr und Möhne nach Brilon führte. Der<br />

Name kommt vom Kennzeichnen der<br />

Grenzbäume, dem „Anplag gen“, wobei<br />

mit der Axt ein Zeichen in die Rinde eingehauen<br />

wurde. Die Plack weghöhen haben<br />

im Unter grund harte Sandsteine des<br />

flözleeren Karbons, die zu nährstoffarmen,<br />

steinreichen Lehm böden verwittert<br />

sind. Daher überwiegt die Waldnutzung<br />

mit Rotfichten und Rotbuchen. Der Wald<br />

ist Lebens raum für Rot-, Sika-, Schwarzund<br />

Rehwild.<br />

3. Das Naturschutzgebiet<br />

Hamorsbruch<br />

In der Quellmulde des Bilsteinbaches<br />

liegt mit 64 Hektar eines der größten<br />

Moorgebiete Westfalens. Schon 1942<br />

wurde das Hamorsbruch mit seinen bis<br />

zu zwei Meter mächtigen Torfschichten<br />

und dem darauf stockenden Karpatenbirkenbruchwald<br />

unter Naturschutz gestellt.<br />

Nicht nur die seltene Waldgesellschaft<br />

ist schützenswert, die Torfschichten<br />

bewahren mit ihren Blütenpollen<br />

auch ein einzigartiges Vegetations- und<br />

Klimaarchiv, da die Hangvermoorungen<br />

bereits vor 9000 Jahren begonnen haben.<br />

Durch Sperr ung von Entwässerungsgräben,<br />

Vernet zung mit Erlenbruchwäldern<br />

und Um wandlung von<br />

Fichtenforsten soll das Feuchtgebiet optimiert<br />

werden.<br />

4. Der Stimmstamm<br />

Ein knorriger Stamm markierte einst<br />

den Grenzpunkt, an dem die Grenzlinien<br />

der Gemarkungen Warstein, Eversberg<br />

und Meschede zusammentreffen. Am so


SAUERLAND NR. 2/<strong>2008</strong> 85<br />

genannten Sassenstein oder Stimp -<br />

stampf war 1726 Treffpunkt der Schna -<br />

dezüge. 1828 ist auf der Urka tasterkarte<br />

oberhalb vom „Berkenbruch“ und „Hamorsbruch“<br />

der „Stimmstamp“ eingezeichnet,<br />

ein Flurname, der mit „stampfen“<br />

vielleicht vor dem anmoorigen Untergrund<br />

warnen sollte. Das Land-Gasthaus<br />

an der B 55 gleichen Namens ist eine<br />

ehemalige Zoll- und Poststation von<br />

1812. Etwa 500 Meter weiter östlich<br />

wurde 1899 der Her mannsturm für<br />

Wanderer errichtet, der wegen seiner<br />

Holzkonstruktion verfallen ist.<br />

5. Kapellenplatz<br />

Ein kleiner Pfad mit Jahresbäumen<br />

führt von der Plackweghöhe nach Nor -<br />

den zu einer 2004 errichteten Wege -<br />

kapelle, wo zur Zeit des Kölner Kur -<br />

fürsten Clemens August (1700 – 1761)<br />

in exponierter Höhenlage eine inzwischen<br />

verfallene Kapelle errichtet wur-<br />

de. Ein Vorgängerbau ist auf einer Jagdkarte<br />

des Arnsberger Waldes von 1630<br />

als „Ruin“ eingetragen. Die Kapelle<br />

könnte während der tagelangen Jagden<br />

der Kurfürsten im Arnsberger Wald für liturgische<br />

Zwecke genutzt worden sein.<br />

6. Judenkirchhof<br />

Die Entstehung des Flurnamens Judenkirchof<br />

auf der Hangfläche südlich des<br />

Lörmecketurms liegt im Dunkel. Der Ursprung<br />

ist vermutlich in der abgelegenen<br />

Lage, der Kreuzung vom Warstein-Eversberger<br />

Fußpfad mit dem alten Plackweg<br />

und den dort gefundenen Steinhaufen zu<br />

suchen. Steine erinnern nach jüdischem<br />

Brauch an die Ver stor benen oder sollen<br />

Bestattungen schüt zen. Auf der patrioti-<br />

schen Suche nach dem Ort der Varusschlacht<br />

ließ Professor Hülsenbeck bereits<br />

1878 einige vermeintliche Grabhügel öffnen.<br />

Er fand aber nur ungestörte Bodenprofile,<br />

Stein packungen und Holzkohle.<br />

Die nächste Grabungskampagne finanzierte<br />

der Sau erländische Gebirgsverein<br />

in den Jahren 1910/11. Unter der Leitung<br />

des Geheimen Baurats Biermann<br />

und der Professoren Koepp und Dragendorf<br />

wurden die hier und an anderen Stellen<br />

des Arnsberger Waldes entdeckten<br />

Steinhaufen angegraben. Allerdings wurden<br />

weder Leichenbrand noch Grabbeigaben<br />

gefunden. Offensichtlich handelt<br />

es sich um Lesesteinhaufen mittelalterlicher<br />

Rodungen.<br />

Etwa 230 Meter westlich des Turmes<br />

erinnert ein Gedenkstein „memento mori“<br />

am alten Plackweg an den plötzlichen<br />

Herztod eines Lippstädter Sommer -<br />

gastes am 24. September 1931 wäh -<br />

rend einer Wanderung.<br />

7. Markes Kreuz<br />

„Markens Kruize“ an der Kreuzung<br />

Warsteiner Fußpfad mit dem neuen<br />

...mit Sicherheit!<br />

Pflegerente<br />

+ Krankenzusatz-Versicherung<br />

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Plackweg ist für den Jüngling Johann<br />

Friedrich Bongartz errichtet worden, der<br />

hier am 9. Januar 1739 von einem umstürzenden<br />

Baum erschlagen wurde. Das<br />

Gedenkkreuz verdeutlicht die Gefahr, die<br />

von umstürzenden Bäumen ausgehen<br />

kann und durch den Orkan „Kyrill“ erneut<br />

bestätigt wurde.<br />

Sparkasse<br />

Hochsauerland


86 SAUERLAND NR. 2/<strong>2008</strong><br />

200 Jahre Landesvermessung im Grenzgebiet<br />

zwischen kurkölnischem und märkischem <strong>Sauerland</strong> von Hans Fröhlich<br />

1. Einleitung<br />

Anfang des 19. Jahrhunderts waren<br />

der Wunsch des Militärs nach Land -<br />

karten und der Gesellschaft nach einer<br />

gerechten Grundbesteuerung Anlass<br />

und Triebfeder für intensive Landesvermes<br />

sungen, so auch im Grenzgebiet<br />

zwischen märkischem und kurkölnischem<br />

<strong>Sauerland</strong>. Da heutzutage Vermessun<br />

gen fast ausschließlich nur noch<br />

satellitengestützt durchgeführt werden,<br />

liegt es nahe, 200 Jahre klassische Landes<br />

vermessung Revue passieren zu lassen.<br />

Diesen Rückblick möchte der Autor1)<br />

am Beispiel des Gebietes zwischen<br />

Pletten berg und Wildewiese (zu Sundern<br />

ge hörig) nachvollziehen, da in diesem<br />

Gebiet im Laufe der beiden Jahrhun -<br />

derte mehrfach Landesvermessungen<br />

durchgeführt wurden.<br />

2. Grundzüge der Landesvermessung<br />

(Triangulation)<br />

Sollen von einem Gebiet Landkarten<br />

erstellt oder ein Grundstückskataster<br />

aufgebaut werden, so lassen sich eine<br />

Flä chendeckung, Aktualität und hohe<br />

Genauigkeit nur erzielen, wenn gleichzeitig<br />

viele Vermessungstrupps an verschiedenen<br />

Stellen mit der Gelände -<br />

aufnahme beginnen. Werden dann die<br />

Ergebnisse der einzelnen Vermessungen<br />

zu einem einheitlichen Ganzen zusammengefügt,<br />

dürfen an den Nahtstellen<br />

keine Spannungen auftreten. Dies gewährleistet<br />

ein Feld von Festpunkten,<br />

die sogenannten trigonometrischen<br />

Punkte, kurz: TP. Sie werden von eigens<br />

für dieses Handwerk ausgebildeten Vermes<br />

sungsingenieuren, den Trigonometern,<br />

so im Gelände ausgewählt, dass<br />

zwischen benachbarten Punkten Sichtver<br />

bindungen bestehen. Indem der Trigo<br />

nometer dann von jedem Standpunkt<br />

aus zu den benachbarten Punkten mit<br />

dem Theodolit (Winkelmessinstrument)<br />

die Winkel misst, spannt er sozusagen<br />

ein Dreiecksnetz über das Gelände, man<br />

spricht von einer Triangulation. Be -<br />

stimmt man zusätzlich noch die Länge<br />

einer Dreiecksseite, lassen sich mit den<br />

Formeln der Trigonometrie die Punkt -<br />

lagen (Koordinaten) aller Dreieckspunkte<br />

zueinander berechnen. Werden dann<br />

die vielen Detailvermessungen an diesen<br />

Festpunktrahmen angeschlossen, ist ein<br />

spannungsfreies Aneinanderpassen der<br />

einzelnen Vermessungen garantiert.<br />

Abb. 2: Geländerelief mit den TP; links TP(2) Hemberg, mittig TP(2) Heiligenstuhl, rechts<br />

TP (2) Wildewiese, im Hintergrund die Sorpetalsperre<br />

Dieses Festpunktfeld gliedert sich in verschiedene<br />

Stufen. Zunächst baut man<br />

ein weitmaschiges Netz 1. Ordnung auf<br />

mit Seitenlängen von 30 bis 70 km<br />

(z. B. TP (1) Homert bei Eslohe und TP<br />

(1) Nordhelle bei Herscheid), das man<br />

anschließend durch die TP 2. Ordnung<br />

mit Punktabständen von 6 bis 10 km<br />

verdichtet, bis man schließlich in der 4.<br />

Ordnung zu Punktabständen von 1 bis 2<br />

km gelangt – man arbeitet in der Fachsprache<br />

vom Großen ins Kleine.<br />

Die folgende Rückschau bezieht sich<br />

auf die TP (2):<br />

Sundern-Wildewiese, Schomberg<br />

648 m ü. M,<br />

Plettenberg-Eiringhausen, Hemberg<br />

535 m ü. M.<br />

und auf der anderen Seite des tief<br />

eingeschnittenen Lennetals<br />

Plettenberg, Heiligenstuhl<br />

584 m ü. M.<br />

Anhand der Topographie in diesem<br />

Gebiet lässt sich das Verständnis für eine<br />

Landesvermessung mit all seinen<br />

Schwierigkeiten am ehesten nacherleben<br />

und durch seine Bebilderung eindrucksvoll<br />

darstellen.<br />

3. Die großherzoglich-hessische<br />

Triangulation 1812/16<br />

In den Wirren der napoleonischen<br />

Zeit musste das Erzbistum Köln sein Herzogtum<br />

Westfalen mit dem kurkölnischen<br />

<strong>Sauerland</strong> an das Großherzogtum<br />

Hessen-Darmstadt als Entschädigung für<br />

dessen linksrheinische Gebietsverluste<br />

abtreten.<br />

Abb. 4: Christian Leonhard Philipp Eckardt<br />

[2]


SAUERLAND NR. 2/<strong>2008</strong> 87<br />

Als dann 1809 der Geograph und Astronom<br />

Christian Leonhard Philipp Eckardt<br />

(1784 – 1866) von der großherzoglich-hessischen<br />

Regierung mit der Leitung<br />

der Katasteraufnahme im Herzogtum<br />

Westfalen betraut wurde, gründete<br />

er noch im gleichen Jahr in Arnsberg ein<br />

Katasterbüro [1].<br />

Als Grundlage für die Stückver -<br />

messung plante er ein Dreiecksnetz, dessen<br />

Maßstab er über eine Dreieckskette<br />

von Darmstadt her abzuleiten gedachte.<br />

Diese Triangulation 1. Ordnung, die<br />

auch den TP (1) Homert bei Eslohe mit<br />

einbezog, erfolgte in den Jahren 1810<br />

bis 1812. Die Triangulation 2. Ordnung<br />

in dem zur Rede stehenden Gebiet erfolgte<br />

durch den inzwischen zum Regie -<br />

rungsrat aufgestiegenen Eckardt zwischen<br />

1812 und 1816. Eckardts Weit -<br />

sicht ist es zu verdanken, dass die Ver -<br />

messungspunkte auch dauerhaft (nicht<br />

nur durch verwesliche Holz pflöcke) vermarkt<br />

wurden. Die Dreieckspunkte wurden<br />

örtlich zunächst nur mit etwa 50 cm<br />

tiefen Gruben versehen, auf deren<br />

Grund sich eine künstliche Pflasterung<br />

befand, welche den Mittelpunktstein einschlossen.<br />

Um jedoch diesen vor Zerstörung<br />

zu sichern, sind alle Gruben zugeworfen<br />

worden.<br />

Um gute Dreieckskonfigurationen<br />

und eine Flächendeckung zu erlangen,<br />

musste Eckardt teilweise TP jenseits der<br />

Gebietsgrenze, also auf märkischem Ge -<br />

biet, aussuchen, so auch auf dem Heiligenstuhl<br />

bei Plettenberg. Diese TP wurden<br />

aber nur von außen angezielt, Messungen<br />

dortselbst fanden nicht statt.<br />

Mit dem Ende der napoleonischen<br />

Zeit und als Ergebnis des Wiener Kon -<br />

gresses kam auch das Herzogtum West -<br />

falen zum Preußischen Staat und die<br />

schon begonnenen Vermessungen für<br />

das Rheinisch-Westfälische Grundsteuer -<br />

kataster wurden Schritt für Schritt mit<br />

den inzwischen neu berechneten TP in<br />

Verbindung gebracht.<br />

4. Die Triangulation der Generalkommission<br />

Münster 1890/94<br />

Im Laufe der Jahrzehnte nach der Erstellung<br />

des preußischen Urkatasters<br />

stellte sich heraus, dass eine Aktualisie -<br />

rung und Qualitätsverbesserung des Katasterbestandes<br />

erforderlich sei. Hier mit<br />

einhergehend sah man auch eine Neuordnung<br />

des ländlichen Raumes als zwingend<br />

gegeben an. Dies veranlasste die<br />

schon 1820 für die Regelung der gutsherrlichen<br />

und bäuerlichen Verhält nis se<br />

geschaffene Generalkommission in<br />

Münster (Vorgängereinrichtung der oberen<br />

Flurbereinigungsbehörde) auch im<br />

Gebiet zwischen Plettenberg und Wildewiese<br />

triangulatorisch tätig zu werden. In<br />

den Kreisen Arnsberg und Meschede erfolgten<br />

diese Arbeiten in den Jahren<br />

1890/94 [1].<br />

Anders als bei Eckardt wurden die TP<br />

nicht nur unterirdisch (sicher) vermarkt<br />

sondern auch oberirdisch durch einen<br />

Sandsteinpfeiler sichtbar gemacht und<br />

um das Anzielen der Punkte zu vereinfachen,<br />

wurden über den Vermarkungen<br />

sogenannte hölzerne Pyramiden errichtet.<br />

Abb. 9: Katasterpyramide der General -<br />

kommission Münster [4]<br />

5. Die Triangulation der Königlich-Preußischen<br />

Landesauf -<br />

nahme 1897<br />

Schon im Jahre 1875 hatte die Königlich-Preußische<br />

Landesaufnahme (kurz:<br />

PrLA) beschlossen, die westlich der Elbe<br />

gelegenen Gebiete neu zu triangulieren,<br />

da die Einheitlichkeit und Qualität der TP-<br />

Netze nicht mehr dem Stand der Zeit entsprachen.<br />

Nachdem das TP-Netz 1. Ordnung<br />

ab 1886 im <strong>Sauerland</strong> durch Hauptmann<br />

Hans Bendemann [5] geschaffen<br />

Abb. 5: Eckardt‘sche Vermarkung des TP Wildewiese [3] Abb. 7: Ausschnitt TP-Netzbild 2. Ordnung der Generalkommission<br />

Münster [1]<br />

war, wurde Mitte der 1890er Jahre der<br />

Trigo nometer Lefèvre mit der Triangulation<br />

II. Ordnung beauftragt. Seinen Beobach<br />

tungsschriften (Feldbüchern) lassen<br />

sich eine Vielzahl von Details fachlicher<br />

und persönlicher Art entnehmen [4]:<br />

Die von ihm erkundeten TP und<br />

Sichtverbindungen stellt das nachste-


88 SAUERLAND NR. 2/<strong>2008</strong><br />

Abb. 10: TP-Netzbild 2. Ordnung<br />

der PrLA [4]<br />

Abb. 11: Katasterpyramide mit Hängepfeiler<br />

[6]<br />

Abb. 12: Preußische TP-Vermarkung [4]<br />

Abb. 14: Eiringhausen um 1885, Gasthof Ostermann im Vordergrund [7]<br />

hende Netzbild dar, mit den TP (1)<br />

Balverwald, Homert und Nordhelle<br />

als Anschlusspunkte<br />

Um für den Theodoliten einen festen<br />

Aufstellungspunkt zu garantieren,<br />

ließ er in die noch vorgefundenen Katasterpyramiden<br />

einen zweiten, sogenannten<br />

hölzernen Hängepfeiler einziehen.<br />

Alle TP wurden mit der in Preußen<br />

üblichen Standardvermarkung, bestehend<br />

aus (Granit-)Pfeiler und Platte,<br />

vermarkt bzw. vorgefundene ersetzt.<br />

Station II. Ordnung Hemberg 10.<br />

6. 1897<br />

Das Signal Hemberg liegt auf dem<br />

höchsten Punkte des Hembergs bei Eiringhausen.<br />

Das Signal ist eine hohe<br />

Katasterpyramide, in welche ein<br />

3,93 m hoher Hängepfeiler eingezogen<br />

wurde, damit man über den Hau -<br />

Abb. 13: Lefèvre´s Stationsbeschreibung vom 10. Juni 1897<br />

wald hinwegsehen kann. Die vorgefundene<br />

Festlegung der Gene ral -<br />

kommis sion Münster wurde unter Beibe<br />

haltung des Centrums durch die<br />

vorschriftsmäßige Festlegung ersetzt<br />

Be sitzer: Jos. Schulte, Büringsen bei<br />

Abb. 15: Wilhelm Ostermann (1843-1907) 2)<br />

[8]


SAUERLAND NR. 2/<strong>2008</strong> 89<br />

Affeln, Stummelstr. 70, Flurschaden<br />

nicht entstanden,<br />

Pacht wird seitens der General -<br />

kom mis sion bezahlt.<br />

Quartier: Eiringhausen, Gasthof<br />

Ostermann<br />

Station II. Ordnung: Heiligenstuhl<br />

11. Juni 1897<br />

Der Punkt Heiligenstuhl liegt auf<br />

dem höchsten Punkte des Berges<br />

Auf´m Kröpfchen 1 km südlich von<br />

Pasel, 3 km östlich von Plettenberg.<br />

Es ist kein Signal gebaut worden, sondern<br />

in der einen Ecke des Thurmes<br />

(Nord westecke) eine 6 m hohe Tafel<br />

angebracht worden. Für Beobachtung<br />

wurde das Meßinstrument auf den<br />

sehr festen Thurm aufgestellt. Für<br />

den Beobachter ein isolierter Stand<br />

geschaffen.<br />

Besitzer: Wilhelm Frommann,<br />

Landemert No. 143<br />

Flurschaden nicht entstanden,<br />

Pacht nicht zu zahlen.<br />

Die Benutzung des Thurmes 3) wurde<br />

Seitens des S.G.V. auf das Be reit -<br />

willigste zur Verfügung gestellt.<br />

Station II. Ordnung Wildewiese 12.<br />

Juni 1897<br />

Das Signal Wildewiese liegt auf<br />

dem höchsten Punkte des Schombergs<br />

nahe dem Dorfe Wildewiese.<br />

Das Signal ist eine hohe Katasterpyramide.<br />

Die vorgefundene Festlegung<br />

der General kommission Münster wurde<br />

unter Beibehalt des Centrums<br />

durch die vorschriftsmäßige Festlegung<br />

II. O. ersetzt.<br />

Besitzer: Kaspar Kaiser, Wildewiese<br />

Haus No. 2 ½<br />

Flurschaden nicht entstanden,<br />

Pacht wird noch gezahlt.<br />

6. Die Triangulation des Landesvermessungsamtes<br />

Nordrhein-<br />

Westfalen 1949<br />

Während in der Zeit zwischen den Arbeiten<br />

des Trigonometers Lefèvre und<br />

dem Ende des Zweiten Weltkrieges keine<br />

Triangulationen mehr stattfanden,<br />

nahm 1949 das nunmehr neu gegrün-<br />

Abb. 16: Schutzhütte mit Aussichtsplattform und nebenstehendem Vermessungsgerüst [9]<br />

Abb. 17: Baumtafel [10]<br />

dete Lan desvermessungsamt Nordrhein-Westfa<br />

len (LVermA) mit seiner<br />

Außenstelle in Münster die TP-Netzverdichtung<br />

bis zur untersten Stufe im<br />

Großraum Pletten berg in Angriff. Die<br />

Arbeiten wurden vom Diplomingenieur<br />

Thiel und dem Ingenieur für Vermessungstechnik<br />

Hu ster durchgeführt. Da<br />

die Bewaldung die Sichten zu den Nachbarpunkten<br />

teilweise stark behinderte,<br />

kam dem Signalbau eine besondere Rolle<br />

zu. Obwohl der S.G.V. schon 1936<br />

auf dem Heiligen stuhl eine Schutzhütte<br />

mit Aussichts platt form errichtet hatte,<br />

musste der Bautrupp des LVermA ein eigens<br />

für Winkelbeobachtungen stabiles<br />

Beobach tungsgerüst aus Holz erstellen.<br />

Auf dem Hemberg signalisierte man<br />

den Vermessungspunkt durch eine<br />

Baum tafel. Hierbei wurde ein Baum des<br />

umstehenden Bestandes auf einer Seite<br />

zunächst enttästet. Dann zog man eine<br />

lange Holzstange, an deren Spitze man<br />

ein Tafelkreuz angenagelt hatte, am<br />

Stamm soweit hoch, dass das Tafelkreuz<br />

den Baumbestand um ein Beträchtliches<br />

überragte. Zur Stabilisierung wurde die<br />

Tafelstange mit Drähten und Erdankern<br />

nach drei Seiten verspannt.<br />

Mit der Triangulationsarbeit von Thiel<br />

und Huster lagen nun für die städtische<br />

Entwicklung und die große Siedlungs -<br />

tätigkeit nach dem Krieg die vermessungstechnischen<br />

Grundlagen für den<br />

gesamten Raum Plettenberg vor.<br />

7. Die Trilateration des Landesvermessungsamtes<br />

Nordrhein-<br />

Westfalen 1984<br />

Mitte der 1960er Jahre revolutionierte<br />

eine technische Entwicklung die Lan -<br />

desvermessung derart, dass man sich<br />

entschloss, durch eine weitere TP-Netz -<br />

erneuerung die Qualität des vorhandenen<br />

Netzes zu verbessern. Die elektronische<br />

Distanzmessung hatte Einzug in die<br />

Landesvermessung gehalten. Mit einem<br />

Mal war man in der Lage, Distanzen von


90 SAUERLAND NR. 2/<strong>2008</strong><br />

zig Kilometern auf Knopfdruck und auf<br />

wenige Zentimeter genau zu bestimmen,<br />

ein Traum, den Eckardt, Lefèvre, Thiel<br />

und Huster nicht gewagt hätten zu träumen,<br />

mussten sie doch Strecken z. T.<br />

Abb. 18: Beobachtungsleiter von 20 m Höhe<br />

am TP Heiligenstuhl; eine ähnliche Konstruktion<br />

stand auf dem Hemberg [8]<br />

Abb. 19: Beobachtungsgerüst von ca. 15 m<br />

Höhe aus Mannesmann-Stahlrohren am TP<br />

Schomberg [8]<br />

durch Aneinanderlegen von Holzlatten<br />

mühsam ableiten. Im Jahre 1984 war es<br />

dann im Lennetal soweit. Mit einer neuen<br />

Art von stählernen, wiederverwendbaren,<br />

beobachtungsfähigen Gerüsten<br />

wurden die TP 2. Ordnung signalisiert<br />

und die Streckenlängen zwischen ihnen<br />

mit sogenannten Mikrowellen-Distanz -<br />

messgeräten bestimmt. Da die Schutz -<br />

hütte mit Aussichtsplattform auf dem<br />

Heiligenstuhl schon seit etwa 1960 nicht<br />

mehr existierte, musste auch dort eine<br />

Beobachtungsleiter errichtet werden.<br />

Dass das Gerüst auf der „Wilden -<br />

wiese“ einem schweren Herbststurm<br />

zum Opfer fiel, sei nur beiläufig erwähnt.<br />

Mit diesem neuen Streckenmess -<br />

verfahren (Trilateration) und noch nachfolgenden<br />

Netzverdichtungen schuf das<br />

Landesvermessungsamt, unterstützt<br />

durch die Vermessungstrupps der Be zirks -<br />

regierung Arnsberg, die Grundlage für ein<br />

modernes und genaues Karten werk und<br />

für das neue Liegenschafts kataster, das bis<br />

heute seine Gültigkeit hat.<br />

Für die eingesetzten Trigonometer<br />

waren diese Arbeiten oftmals mit großen<br />

Mühen, Plackereien und Widerständen<br />

verbunden; aber würde man sie heute alle<br />

fragen „Wie war´s“, ließe sich die Antwort<br />

wohl einheitlich mit der vierten<br />

Strophe aus Wolfgang von Goethes Türmerlied<br />

von 1831 zusammenfassen:<br />

Ihr glücklichen Augen,<br />

Was je ihr gesehn,<br />

Es sei, wie es wolle,<br />

Es war doch so schön!<br />

8. Ausblick<br />

Von diesen 200 Jahren klassischer<br />

Landesvermessung konnte der Autor<br />

selber sieben Jahre fruchtbar mitgestalten.<br />

Die weiten Fernsichten faszinieren<br />

Abb. 21: Vodafone-Richtfunkturm auf dem<br />

Schomberg [11]<br />

ihn noch heute und so ist es nur verständlich,<br />

dass er das Preisausschreiben<br />

für den neuen Stahlturm mit Aussichts -<br />

plattform auf dem Schomberg bei Wilde<br />

wiese auslobte, denn bisher gab es<br />

noch kein Foto von der (bei sehr klarem<br />

Wetter möglichen) Fernsicht bis zu den<br />

85 km entfernten Gipfeln des Sieben -<br />

gebirges.<br />

Seit etwa 1985 bedarf es keiner<br />

Sicht freiheit mehr zwischen den Vermes<br />

sungs punkten (TP), sondern nur<br />

noch freier Sicht zu den GPS-Satelliten<br />

Abb. 22: Fernsichtfoto mit dem Ölberg/Siebengebirge [12] 4)


SAUERLAND NR. 2/<strong>2008</strong> 91<br />

am Himmel. Für die Landesver -<br />

messungs verfahren Triangulation und<br />

Trilateration gilt: Es war einmal – Tempi<br />

passati!<br />

Literatur- und Abbildungsverzeichnis<br />

1] Schmidt, R. (1960): Die Triangulationen in<br />

Nordrhein-Westfalen, Druck:<br />

Landesvermessungsamt Nordrhein-Westfalen,<br />

Bonn - Bad Godesberg<br />

2] Geodätisches Institut, Bonn<br />

3] Spata, M. und H. Röcken (1990):<br />

Privatsammlung, Bonn und Herscheid<br />

4] Landesvermessungsamt Nordrhein-Westfalen,<br />

Bonn; seit 1. 1. <strong>2008</strong> zum Regierungspräsidenten<br />

Köln gehörig<br />

5] Fröhlich, H. und M. Spata (2004): Das<br />

Reisetagebuch des Hauptmanns Bendemann,<br />

Sankt Augustin<br />

6] Die Königlich-Preußische Landes-Triangulation<br />

– Hauptdreiecke Neunter Teil, Berlin 1897<br />

7] Pape, G. (2007): Privatsammlung historischer<br />

Fotographien, Plettenberg<br />

8] Fröhlich, H. (2007) Privatsammlung, Sankt<br />

Augustin<br />

9] Fröhlich, H. (1985) Aussichtstürme im Sauer -<br />

land und Siegerland, Münster<br />

10] Landesamt für Vermessung und Geoinformation<br />

München (2006): Sammlung historischer<br />

Fotographien, München<br />

11] Freiburg, F. (2006): Privatsammlung von<br />

Wildewiese-Fotographien, Finnentrop-Rönkhausen<br />

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● Sport-Reisen<br />

● Club-Reisen<br />

● Städte-Reisen<br />

12] Weisser F. (<strong>2008</strong>): Fabian Weisser, Teilnehmer<br />

am Schomberg-Turm-Preisausschreiben,<br />

11. Feb. <strong>2008</strong>, Sundern<br />

1) Professor für Landesvermessung an der Hochschule<br />

Bochum, der seine Kindheit von 1947 bis<br />

1965 im märkischen und kurkölnischen <strong>Sauerland</strong><br />

verbrachte - Plettenberg und Warstein<br />

2) Urgroßvater des Autors; hinter dem Gasthof verläuft<br />

die 1861 gebaute Bahnlinie Hagen-Siegen.<br />

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3) Von diesem ersten Aussichtsturm auf dem Heiligenstuhl<br />

konnte leider trotz aller Recherchen bis<br />

heute kein Bild gefunden werden.<br />

4) Am 20. Dezember 2007 hatten der Autor, Friedrich<br />

Freiburg, Rönkhausen und Manfred Spata,<br />

Bonn bei einer Inversionswetterlage sogar die<br />

Sicht bis zur 120 km entfernten Hohen Acht in<br />

der Eifel.<br />

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92 SAUERLAND NR. 2/<strong>2008</strong><br />

Vom Waldarbeiter zum Finanzprokurator<br />

Der Müscheder Br. Rudolph Hoffmann FMMA verstarb vor 70 Jahren von Albert H. Hoffmann<br />

Als Rentner hat man nun doch Zeit, in<br />

alten Familienunterlagen zu kramen.<br />

Meine Vorfahren haben wirklich Vieles<br />

geachtet, geschätzt und gehütet. Kürz -<br />

lich beschäftigte ich mich mit den Ge -<br />

schwistern meines Großvaters. Es waren<br />

insgesamt acht. Mein aus der Flamke bei<br />

Sundern stammender Urgroßvater Jo -<br />

hannes Josephus Hoffmann gen. Buiker<br />

heiratete Anna-Maria-Elisabeth Till -<br />

mann- Synn, sie starb 44-jährig. Aus dieser<br />

Ehe gingen zwei Kinder hervor. Der<br />

Sohn Anton fiel 1871 bei der Schlacht<br />

um Verdun. Einige Jahre später heiratete<br />

er dann die Schwester Maria-Mar ga -<br />

rethe Tillmann-Synn. Diese Ehe war mit<br />

sechs Kindern gesegnet. Der Älteste war<br />

mein Groß vater Johann Franz und der<br />

Viert geborene war Ferdinand – späterer<br />

Bruder Rudolph FMMA. Über ihn wird<br />

berichtet. Er wurde geboren am 23. Januar<br />

1864 in Müschede und am selben<br />

Tag in der Hüstener „St.-Petri“-Kirche<br />

getauft.<br />

(In der Müscheder „St.-Hubertus-<br />

Kirche“ wurde erst ab dem Jahre 1904<br />

getauft).<br />

In den Orden der Barmherzigen Brüder<br />

von Maria-Hilf trat er am 18. 12.<br />

1886 in Luxemburg ein. Eingekleidet<br />

wurde er am 10. 9. 1887, er erhielt den<br />

Klosternamen Bruder Rudolph. Die ewigen<br />

Gelübde legte er am 2. Februar<br />

1893 ab. Er verstarb am 22. Juli 1938<br />

im 75. Lebensjahr in Trier.<br />

„Es ist nicht mein Verdienst gläubiger<br />

Christ geworden zu sein. Mein<br />

Christ sein wurde mir geschenkt. In ers -<br />

ter Linie von meinen Eltern, aber auch<br />

durch die Gemeinde Müschede, in der<br />

ich meine Jugendzeit verbrachte“, so<br />

seine Aus sage.<br />

Zum 70. Mal jährt sich der Todestag<br />

des Br. Rudolph Hoffmann, er war mein<br />

Großonkel. Als Schulentlassener betätigte<br />

er sich bis zu seinem 18. Lebensjahr<br />

in der Landwirtschaft und später wurde<br />

er Waldarbeiter.<br />

Im Jahre 1883 war er und sein Bruder<br />

Franz Mitgründer des Müscheder<br />

Männer-Gesangvereins, der ihn schon<br />

bald zum 1. Vorsitzenden wählte. Zu dieser<br />

Zeit übte er sich im Orgel spiel in seiner<br />

Heimatkirche.<br />

Im Alter von 22 Jahren trat er – wie<br />

oben berichtet – in den Klosterorden ein.<br />

Er hoffte, „im Kloster seine Seele sicherer<br />

retten zu können, Gott wohl zugefallen<br />

und dem Nächsten zu dienen“.<br />

Bruder Rudolph war außer in Luxemburg<br />

auch in Trier, Koblenz, Pa derborn und<br />

Dortmund tätig. Zunächst erfuhr er „eine<br />

gediegene Ausbildung“ in der Krankenpflege.<br />

Im Januar 1916 erhielt der inzwischen<br />

zum „Bureau vorsteher“ beförderte<br />

Br. Rudolph eine besondere Auszeichnung.<br />

„Des Königs Majestät haben allergnädigst<br />

geruht, Ihnen die Rote-Kreuz-<br />

Medaille zu verleihen.“ Der Oberpräsident<br />

überreichte sie im Namen des Kaiserlichen<br />

Kommissars und Militärinspekteurs<br />

der freiwilligen Krankenpflege auf<br />

Vorschlag des „Terri torial-Delegierten“.<br />

Schon 1897 wurde er zum Assi s -<br />

tenten seines Ordens gewählt und versah<br />

gleichzeitig das Amt des Vorstehers des<br />

Mutterhauses. Damals war er 33 Jahre<br />

alt. Im Jahre 1915 wurde er Vorsteher<br />

des Koblenzer Hauses. Als Kaiser Wilhelm<br />

II. zu Anfang des 1. Weltkrieges die<br />

verwundeten Soldaten im Koblenzer<br />

Haus besuchte, hatte Br. Rudolph die<br />

Ehre, den Kaiser durch das Krankenhaus<br />

zu führen. Vom Jahre 1927 bis zu seinem<br />

Tode bekleidete er das Amt des Generalschaffners<br />

(Finanz prokurator) der<br />

Genossenschaft und wurde in dieser Position<br />

mit weitreichenden Vollmach ten<br />

ausgestattet. In allen Stel lun gen entfaltete<br />

er eine rege Tätigkeit. In den letzten<br />

Jahren dieser Aufgabe hat er sich zuviel<br />

Arbeit zugemutet, was ihm Kreuz und<br />

Leid eingebracht hat. Aber auch im tiefsten<br />

Leid leuchteten sein Gottver trauen<br />

und seine Frömmigkeit, die ihm über alle<br />

Schwierigkeiten hinweg halfen. Seine<br />

Liebe zum allerheiligsten Sakra ment des<br />

Altares war sehr groß. Seine Aufzeichnungen<br />

– aber auch die des Ordens – geben<br />

ein Bild von seiner lauteren Seele.<br />

Am 22. Juli 1938 starb er im 75. Le


SAUERLAND NR. 2/<strong>2008</strong> 93<br />

bensjahr und im 52. Jahr seines gottgesegneten<br />

Ordenslebens, so berichtet die<br />

Ordensgemeinschaft im August 1938 in<br />

einem fünfseitigen Be richt nach seinem<br />

Tode. Einbezogen wird in diesen Bericht<br />

auch ein Schrei ben seines Schulfreundes<br />

Josef Dahme, der Aufschluss über viele<br />

Jugendak tivitäten gibt. „Mit Christus<br />

werde ich dereinst auferstehen und verherrlicht<br />

werden, das ist doch die große<br />

christliche Hoffnung und Zuversicht“,<br />

das war seine Auffassung.<br />

Der Konflikt<br />

mit dem Nazi-Regime.<br />

In seiner Position als Finanzpro -<br />

kurator bereiste Br. Rudolph häufig die<br />

europäischen Nachbarländer. Der noch<br />

im Original erhaltene Reisepass gibt Aufschluss<br />

darüber, dass er in den Jah ren<br />

1932 – 1934 insgesamt etwa 30 – 40<br />

Reisen in die Schweiz, nach Frank reich,<br />

ins Saarland, nach Belgien und Rom und<br />

in die Niederlande unternehmen musste.<br />

Er wurde am 23. April 1927 mit weitreichenden<br />

Vollmachten ausgestattet, die<br />

vom Trierer Notar Block beurkundet<br />

wurden. So konnte er die Ordensgemeinschaft<br />

vor allen öffentlichen Stellen,<br />

Behörden und Gerichten alleine vertreten,<br />

ferner alle Grund stücks angelegen -<br />

rechts: Haus Buiker-Hoffmann (Geburtshaus Bruder Rudolph)<br />

links: Haus Tillmann-Synn; mitte: Haus Gierse u. Kriegerdenkmal<br />

heiten regeln. Durch diese herausragende<br />

Stellung und die damit verbundenen<br />

Aktivitäten, die auch die finanzielle Betreuung<br />

von Häusern des Ordens in den<br />

Nachbarländern einschloss, geriet er in<br />

Schwierigkeiten mit den Rechtsvorstellungen<br />

des Nazi-Re gimes. Am 17. April<br />

1935 wurde er verhaftet und am 6. Dezember<br />

des Jahres zu fünf Jahren Zuchthaus<br />

verurteilt. Während seiner Haft erlitt<br />

er am 2. Mai 1937 einen Schlaganfall<br />

und wurde am 12. Mai wegen Haftun<br />

fähigkeit entlassen. Die<br />

Haftzeit verbrachte er mit<br />

einer großen Anzahl weiterer<br />

Ordensbrüder in den<br />

Zuchthäusern Rheinbach<br />

und Ber lin-Brandenburg,<br />

was dem (so das Mut terhaus<br />

des Klosters) sehr geachteten,<br />

von großer und hagerer<br />

Gestalt, dabei vornehm und<br />

gebildet, nicht ängstlichem<br />

Br. Rudolph viel Kreuz und<br />

Leid einbrachte. Wieder hol -<br />

te Gna den versuche der Or -<br />

dens gemeinschaft und seiner<br />

Angehörigen, insbesondere<br />

seiner Nich te Johanna<br />

Telgenbüscher geb. Hoff -<br />

mann an die höchsten Stellen<br />

der Naziherrschaft<br />

(Reichsminister Dr. Göbbels,<br />

Führer und Reichskanzler<br />

Adolf Hitler) blieben<br />

ohne Erfolg. Der umfangreiche<br />

Schrift wechsel aus<br />

dieser Zeit wird bis heute im<br />

Hause Hoff mann aufbe-<br />

wahrt. Im Jahre 1937 wurde – ebenfalls<br />

durch seine vorgenannte Nichte – während<br />

der am ersten Mai sonntag stattfindenden<br />

Neheimer Wie den bergpro -<br />

zession für seine Entlassung besonders<br />

gebetet. Am 12. Mai 1937 konnte er<br />

dann die Haftanstalt verlassen und kehrte<br />

schwer krank in das Trierer Kloster zurück.<br />

Die Gefangenschaft hatte seine tiefe<br />

Frömmigkeit nicht erschüttert. Denn<br />

nach Aussagen des Ordens hatte er im<br />

Grunde nichts Unrechtes getan. Die kurze<br />

Zeit vor seinem Tod lebte er zurückgezogen,<br />

schrieb seine von Fröm migkeit<br />

geprägten Gedanken und zahlreiche Gebete<br />

nieder, die später von seinem Orden<br />

in den Mitteilungsblättern der Barmherzigen<br />

Brüder veröffentlicht wurden. In<br />

dieser letzten, besinnlichen Phase seines<br />

bewegten Lebens erlitt er einen zweiten<br />

Schlaganfall, an diesen Folgen starb er<br />

am 22. Juli 1938. Am Montag, dem 25.<br />

Juli 1938, wurde er auf dem Hauptfriedhof<br />

in Trier beigesetzt. Seine Angehörigen<br />

stellten anlässlich seines 50. Todestages<br />

im Juli 1988 auf der Müscheder<br />

Familiengruft einen Gedenkstein auf.<br />

Friedhof der Ordensleute in Trier


94 SAUERLAND NR. 2/<strong>2008</strong><br />

Aus dem Vorstand<br />

Beliebter Tagungsort unseres Vorstandes ist nach wie vor der traditionsreiche<br />

Landgasthof Wüllner im Golddorf Oberhennebom. In der Sitzung am 29.<br />

Februar <strong>2008</strong> waren unter der Leitung unseres Vorsitzenden Dieter Wurm wieder<br />

einige interessante Tagesordnungspunkte „abzuwickeln“, wie man heutzutage<br />

gerne sagt.<br />

Wichtigster Punkt war die Vorbereitung der Mitgliederversammlung am<br />

30. August in Warstein-Belecke. Welche Bedeutung man in Belecke dieser Tagung<br />

beimisst, zeigte sich schon daran, das der gastgebende Verein mit mehreren<br />

Personen vertreten war, darunter die Ortsvorsteherin Elke Bertling. Zunächst<br />

wiederholte der Warsteiner Bürgermeister Manfred Gödde in sehr herzlicher<br />

Form die Einladung der Stadt und versprach seine aktive Mitarbeit an<br />

den Vorbereitungen. Für den Kultur- und Heimatverein „Badulikum“ gab der<br />

Heimatfreund Joseph Friederizi sachkundig und eloquent einen Überblick über<br />

die bisherigen Planungen. Für das Nachmittagsprogramm sind immerhin sechs<br />

Exkursionen vorgesehen, die selbstverständlich „seniorengerecht“ durchgeführt<br />

werden sollen.<br />

Zum Mundartarchiv in Cobbenrode trug Dr. Beckmann den neuesten Stand<br />

der Archivarbeiten vor. Besondere Anerkennung fand die Fertigstellung von<br />

Unterrichtsmaterial für die Primarstufe unserer Schulen. In Zusammenarbeit<br />

mit Georg Scheuerlein, dem Leiter der HSK-Musikschule, sind einige plattdeutsche<br />

Texte sogar kindgerecht vertont worden. Diese Arbeiten sollen sowohl in<br />

unserer <strong>Zeitschrift</strong> als auch im Internet vorgestellt werden.<br />

Schwieriger als erwartet stellt sich nach dem Bericht von Wilma Ohly die<br />

Durchführung des geplanten Seminartages zur Zusammenarbeit mit dem SGV<br />

und der <strong>Sauerland</strong>-Touristik dar. Die Tagung soll jetzt im Herbst stattfinden, und<br />

zwar nicht am Biggesee, wie zunächst geplant, sondern in Arnsberg.<br />

Hans Wevering gab in gewohnt gestraffter und überzeugender Weise einen<br />

Überblick über die Redaktionsarbeit. Es ist nicht von ungefähr, dass seinen Ausführungen<br />

spontaner Beifall der Vorstandsmitglieder folgte.<br />

Die Finanzlage unseres <strong>Heimatbund</strong>es ist zwar zurzeit noch nicht angespannt.<br />

Mit Rücksicht auf die steigenden Kosten unserer <strong>Zeitschrift</strong> beschließt<br />

der Vorstand jedoch, der Mitgliederversammlung eine maßvolle Erhöhung des<br />

Jahresbeitrages vorzuschlagen.<br />

Der letzte Punkt der Tagesordnung galt dem geplanten Register für alle Hefte<br />

seit Gründung des SHB im Jahre 1921. Unter dem Vorsitz unseres Heimatfreundes<br />

Bernd Follmann und mit sachkundiger Hilfe von Karin Kraft und Wolfgang<br />

Meier vom Kulturbüro <strong>Sauerland</strong> sind schon wichtige Erfassungsarbeiten<br />

geleistet worden. Immerhin sind rund 14 000 Seiten einzuscannen.<br />

Erfreulicherweise konnte unser Vorsitzender zu Beginn der Sitzung den neuen<br />

Kreisheimatpfleger des Kreises Soest, Peter Sukkau, begrüßen, der sich in<br />

Zukunft verstärkt der Zusammenarbeit mit dem kurkölnischen <strong>Sauerland</strong> annehmen<br />

wird.<br />

Dr. Adalbert Müllmann<br />

Berg-, Hütten- und Ham -<br />

merwerke im Herzogtum<br />

Westfalen<br />

Das kölnische <strong>Sauerland</strong>, Land der<br />

tausend Berge, war ein wichtiges Mon -<br />

tanrevier in vorindustrieller Zeit. Bereits<br />

seit dem frühen Mittelalter haben hier<br />

Bergleute in Gruben und Schächten<br />

kostbare Erze gefördert. Eisen wurde für<br />

Metallwerkzeuge aller Art benötigt,<br />

Kupfer für Kanonen und Waffen, Blei<br />

für die Salinenproduktionen am Hellweg.<br />

In Rennfeueröfen und später in<br />

Hütten- und Hammerwerken an den<br />

Bächen und Flüssen verarbeiteten<br />

Schmiede die Erze für die Weiter -<br />

verarbeitung. Im 16. und 17. Jahrhundert<br />

war der Montansektor im Herzogtum<br />

Westfalen europaweit bekannt. Auf<br />

der Grundlage der Boden befunde sowie<br />

der Akten und Urkunden aus 40 Archiven<br />

wird die Geschichte des Bergbaus in<br />

29 Städten und Gemeinden des ehemaligen<br />

Herzogtums Westfalen dargestellt.<br />

Die Zusammen fassung der Ortsgeschichten<br />

behandelt die Kon junkturen<br />

und strukturellen Verände rungen seit<br />

800, die Auswirkungen des Bergbaus<br />

auf Siedlung und Gesellschaft, die Montan<br />

politik der Kölner Kurfürsten, die Geschichte<br />

der Bergbauunternehmer aus<br />

Adel und Bürgertum wie die Ge schichte<br />

der Berg- und Hüttenleute. 41 Abbildungen<br />

und acht Karten illustrieren den<br />

Band, den eine ausführliche Bib lio -<br />

graphie und ein Personen- und Orts re -<br />

gister erschließt.<br />

Wilfried Reininghaus/Reinhard Köhne: Berg-, Hütten-<br />

und Hammerwerke im Herzogtum Westfalen.<br />

Aschendorff Verlag


SAUERLAND NR. 2/<strong>2008</strong> 95<br />

Peter Sukkau ist<br />

neuer Kreisheimatpfleger<br />

in Soest<br />

Zum neuen<br />

Kreis heimat pfle -<br />

ger für den Kreis<br />

Soest wählten die<br />

Vertre ter der Heimatverei<br />

ne und<br />

die Orts heimat -<br />

pfleger am 25. Januar<br />

<strong>2008</strong> den<br />

68jährigen Pe ter<br />

Sukkau aus Soest.<br />

Er ist damit Nachfolger von Dr. Wolfgang<br />

Maron, der sein Amt zum Ende letzten<br />

Jahres aus beruflichen Gründen niedergelegt<br />

hat.<br />

Der in Soest geborene Vermes -<br />

sungsingenieur entdeckte sein Interesse<br />

für die regionale Geschichte während<br />

seiner Dienstzeit beim Hochsauer -<br />

landkreis, wo er bis 2000 beim Ver -<br />

messungs- und Katasteramt beschäftigt<br />

war. In dieser Zeit hat er auch die Herren<br />

Dr. Phillip Hömberg und Dr. Uwe<br />

Lobbedey vom Amt für Boden denk -<br />

malpflege kennen gelernt. Mit diesen<br />

hat er im <strong>Sauerland</strong> etliche Wallburgen<br />

und Burgruinen aufgemessen.<br />

Nach seiner Pensionierung hat Peter<br />

Sukkau sich zunächst auf die Suche<br />

nach alten Vermessungspunkten aus der<br />

Napoleonischen Zeit gemacht. Mit rechnerischem<br />

Geschick und dem Glück des<br />

Tüchtigen hat er solch einen Haupt -<br />

punkt in 90 cm Tiefe, mitten im Ge -<br />

werbegebiet Möhnesse-Süd, wieder aufdecken<br />

können. Der trigonometrische<br />

Punkt wurde zwischenzeitlich als technisch-historisches<br />

Denkmal unter<br />

Schutz gestellt. Über diese Arbeit kam<br />

Peter Sukkau zur Heimatforschung.<br />

Sein Ziel war es, herauszufinden, wo in<br />

der Soester Börde der historische Hellweg<br />

verlaufen ist. Über das Ergebnis seiner<br />

Forschung hat er Lichtbildervorträge<br />

bei Vereinen, Gruppen und auch bei<br />

der Volkshochschule gehalten und mehrere<br />

geschichtliche Fahrradtouren dazu<br />

angeboten. Bei seinen Recherchen<br />

konnte Peter Sukkau auch den legendären<br />

Nasenstein an der Lohner Warte bei<br />

Schmerleke wiederfinden. Dieser große<br />

Findling wurde wieder an seinen ursprünglichen<br />

Platz gebracht.<br />

Qualität und Umfang unserer <strong>Zeitschrift</strong><br />

„SAUERLAND“ erhalten<br />

Liebe Heimatfreundinnen und -freunde,<br />

wenn sich der Kassenführer des <strong>Sauerländer</strong> <strong>Heimatbund</strong>es einmal<br />

persönlich zu Wort meldet, geht es meistens um das liebe Geld, so auch<br />

diesmal.<br />

Der Jahresbeitrag für den <strong>Sauerländer</strong> <strong>Heimatbund</strong>, der ja auch die<br />

Bezugsgebühren für die viermal jährlich erscheinende hervorragende<br />

<strong>Zeitschrift</strong> „SAUERLAND“ beinhaltet, ist seit 2002 unverändert geblieben.<br />

In der Zwischenzeit haben sich die Druckkosten spürbar erhöht,<br />

während die Einnahmen aus Werbeanzeigen trotz aller Bemühungen<br />

mehr oder weniger stagnierten oder sogar verringerten. Auch sonstige<br />

Aus gaben, die zur Erfüllung unserer vielfältigen Aufgaben erforderlich<br />

sind, stiegen an, während andererseits die Einnahmen aus den Mitglieds -<br />

beiträgen leicht rückläufig waren. Diese verschiedenen Entwicklungen<br />

haben dazu geführt, dass der <strong>Sauerländer</strong> <strong>Heimatbund</strong> im vergangenen<br />

Jahr erstmals seit langem ein leichtes Defizit als Ergebnis ausweisen<br />

musste.<br />

Vor diesem Hintergrund hat der Vorstand in seiner letzten Sitzung in<br />

Oberhenneborn beschlossen, der nächsten Mitgliederversammlung im<br />

August vorzuschlagen, ab 2009 den Jahresbeitrag von bisher 12,– €auf<br />

15,– € zu erhöhen, also um 3,– € pro Jahr oder 25 Cent pro Monat.<br />

Der Vorstand ist sich bewusst, dass auch eine solche moderate Beitragserhöhung<br />

für viele Mitglieder schmerzlich ist, zumal die Lebenshaltungskosten<br />

in fast allen Bereichen – besonders für Energie und Lebensmittel<br />

– in jüngster Zeit stark gestiegen sind. Andererseits sehen wir aber<br />

keine andere Möglichkeit als diese Beitragsanhebung, wenn wir die Qualität,<br />

den Umfang und den Erscheinungsrhythmus unserer <strong>Zeitschrift</strong> erhalten<br />

wollen und um auch in Zukunft etwas Spielraum für die Erreichung<br />

der vielen Ziele des Sauerlände <strong>Heimatbund</strong>es zu behalten.<br />

Wir hoffen, dass alle Heimatfreunde hierfür Verständnis haben und<br />

bitten schon jetzt um Zustimmung in der nächsten Mitgliederver -<br />

sammlung.<br />

Hans-Dieter Löffler<br />

(Kassenführer)<br />

Seit mehr als zwei Jahren beschäftigt<br />

sich Peter Sukkau mit der Registrierung<br />

und Beschreibung aller vorhandenen<br />

Karten und Pläne im Stadtarchiv Soest.<br />

Dies macht er nach eigenen Aussagen<br />

zwar ehrenamtlich, aber nicht ganz uneigennützig,<br />

denn alte Landkarten sind<br />

sein Hobby. Ein weiteres Hobby von<br />

Herrn Sukkau ist das Tennisspielen. In<br />

den 70er und 80er Jahren hat er sich bei<br />

Lehrgängen und Seminaren des Lan -<br />

dessportbundes organisatorische Fähig -<br />

keiten angeeignet. Im Soester Turn-Verein<br />

übernahm er im Hauptvorstand die<br />

Funktion des Jugendwartes. Über die<br />

Verbindung zum Landesportbund hat er<br />

einen modellhaften Jugendaustausch mit<br />

der südfranz. Stadt Montpellier aufgebaut<br />

und auch eine Skifreizeit in die Pyrenäen<br />

organisiert.<br />

Herr Peter Sukkau möchte bei seiner<br />

zukünftigen Arbeit als Kreisheimat -<br />

pfleger die Zusammenarbeit der westlichen<br />

und östlichen Heimatvereine stärken.<br />

Schwerpunkte seiner zukünftigen<br />

Arbeit sollen durch einen zu bildenden<br />

Beirat herausgearbeitet werden. „Wege<br />

sind dazu da, Orte mit einander zu verbinden“<br />

so Peter Sukkau in seiner Antrittsrede,<br />

dies will er durch seine Arbeit<br />

erreichen.<br />

Der Vorstand des <strong>Sauerländer</strong> <strong>Heimatbund</strong>es<br />

gratuliert Herrn Peter Sukkau<br />

herzlich zur Wahl in dieses für die<br />

Heimatpflege verantwortungsvolle Amt<br />

und freut sich auf die fruchtbare Zusammenarbeit!<br />

Karin Kraft


96 SAUERLAND NR. 2/<strong>2008</strong><br />

PLATTDEUTSCH<br />

Nach Katalanisch zweitgrößte europäische Mundartsprache<br />

Der Beitritt Deutschlands zur Euro -<br />

päischen Charta der Regional- oder<br />

Mundartensprachen 1999 hat den Be -<br />

mühungen um die Erhaltung und Förderung<br />

des Plattdeutschen praktische und<br />

bildungspolitische Möglichkeiten eröffnet.<br />

Nach einem dpa-Bericht vom Oktober<br />

2007 hat der vor 5 Jahren gegründete<br />

„Bundesrat für Niederdeutsch“ ers -<br />

te Initiativen in dieser Richtung ergriffen.<br />

Er versteht sich als sprach-politische Vertretung<br />

der Plattdeutschen, deren Mundart<br />

„flächendeckend“ in Schleswig-Holstein,<br />

Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachen,<br />

Bremen und Hamburg sowie<br />

– in geringem Umfang – in Sachsen-Anhalt,<br />

Brandenburg und Nordrhein-Westfalen<br />

lebendig ist.<br />

Eine Niederdeutsch-Ausbildung an<br />

den Hochschulen (derzeit 100 Studen ten<br />

in Mecklenburg-Vorpommern) sowie der<br />

Kindertagesstätten-Erzieherinnen (200<br />

ebendort) entspricht der Überzeugung<br />

des Rates, dass „ohne Förderung im Bildungswesen,<br />

ohne Schriftsprache und<br />

Bücher ... heute in Europa eine Sprache<br />

nicht zu erhalten“ sei. So hat auch Schles -<br />

wig-Holstein dem Platt deutschen in der<br />

Lehrerbildung einen gebührenden Platz<br />

eingeräumt und Ham burg die Beschäftigung<br />

mit der Mundart in den Schulen verpflichtend<br />

gemacht. Dem „Bundesrat“<br />

zufolge sprechen in Nord deutschland 3,5<br />

bis 4 Millionen Men schen gut oder sehr<br />

gut Platt, in Meck lenburg-Vorpommern<br />

rund 50% der jungen Leute, mehr als<br />

noch vor 30 Jahren. Soweit dpa.<br />

Das Plattdeutsche gehört zur origi -<br />

nären und lange Zeit identitätsstiftenden<br />

Kultur unserer Region, in der aufwändige,<br />

denkmalschützende Maßnahmen vielerorts<br />

sichtbar und spürbar sind. Es wäre<br />

wünschenswert, wenn auch der Erhalt<br />

unserer Mundart den Status denkmalpflegerischer<br />

Bemühungen erhalten<br />

wür de. Ihn der Privatinitiative von Ver -<br />

einen, Arbeitskreisen und engagierten<br />

Einzelpersonen zu überlassen, reicht<br />

nicht aus und deutet auf das stille Einverständnis<br />

mit ihrem Aussterben. Daß wir<br />

politisch mit Nordrhein an einen z. T. anderen<br />

Sprachraum gebunden sind (und<br />

daher wohl kaum wie die Bür gerschaft<br />

Bremen vor ein paar Jahren unsere Landesverfassung<br />

ins Platt deut sche übersetzen<br />

können), sollte für unsere Volksvertreter<br />

kein Grund zur Resig nation sein,<br />

sondern sie doppelt zur Rettung der<br />

westfälischen und vor allem auch der<br />

sauerländischen Mundart anspornen.<br />

Von der jedenfalls 2004 ausschließlich<br />

mit Münsterländern besetzten „Fachstelle<br />

Niederdeutsche Sprachpfle ge“ haben<br />

uns m. E. bisher keine Impu l se erreicht.<br />

Vielleicht könnte die anstehende „Regionale“<br />

eine Chance eröffnen. Unabhängig<br />

davon aber sollten wir mit allen Mitteln<br />

den „Trägerverein Mundartarchiv<br />

<strong>Sauerland</strong>“ unterstützen, dessen gerade<br />

erschienenes Projekt „Unterrichtsmaterialien<br />

für die Primar stufe“, erstellt von<br />

Dr. Werner Beck mann und Herbert<br />

Grunwald, erste Schritte zur Einbeziehung<br />

des Platt deutschen in regional orientierte<br />

Bil dungsmöglichkeiten aufzeigt.<br />

Unver zicht bar in diesem Zusammenhang<br />

erscheinen mir die Anregungen,<br />

die Willy Knoppe in seiner an der Westfälischen<br />

Wilhelms-Universität Münster<br />

vorgelegten Dissertation zu Christine<br />

Koch erarbeitet hat („Un bey allem is<br />

wuat“. Orien tierungssuche in einer regionalen<br />

Sprach form. Eine literaturpädagogische<br />

Untersuchung zu den<br />

Werthaltungen in der niederdeutschen<br />

Lyrik von Christine Koch), Hrsg. Schie-<br />

von Manfred Raffenberg<br />

ferbergbau- und Hei matmuseum<br />

Schmallenberg-Holt hau sen, Cullivier-<br />

Verlag Göttingen 2005. Besprechung in<br />

„<strong>Sauerland</strong>“ Nr. 11 Juni 2006, S. 100-<br />

101. Wenn man weiter bedenkt, dass<br />

nach Erscheinen des Plattdeutschen<br />

Wörterbuchs für das Kurkölnische <strong>Sauerland</strong><br />

(1988) in den vergangenen 10 bis<br />

15 Jahren etliche regionalbestimmte<br />

plattdeutsche Wör ter bücher entstanden<br />

sind (u. a. für Bri lon, Rüthen, Belecke,<br />

Störmede, Gar feln Kreis Lippstadt,<br />

Schmallenberg-Grafschaft, Menden) und<br />

Peter Bürger gerade eine Geschichte der<br />

sauerländischen Mundart und ihrer „klassischen“<br />

Autoren erarbeitet hat (Strunzerdal,<br />

Die sauerländische Mundartliteratur<br />

des 19. Jahrhunderts und ihre Klassiker<br />

Friedrich Wilhelm Grimme und Joseph<br />

Pape, Maschinen- und Heimatmuseum<br />

Eslohe 2007), so darf man mit aller<br />

Vorsicht behaupten, dass die materiellen<br />

Voraussetzungen für die Förderung<br />

- und den Erhalt – der <strong>Sauerländer</strong> Mund -<br />

art durch Unterrichts- und Bildungs -<br />

programme nie günstiger gewesen sein<br />

dürften. Wo aber finden sich die bildungspolitischen<br />

und behördlichen Institutionen,<br />

die diese Chance ergreifen?<br />

Ausstellung mit<br />

Fotografien von<br />

Friedhelm Ackermann<br />

Einen kleinen Einblick in die über<br />

Jahrzehnte dauernde professionale Arbeit<br />

unseres vor drei Jahren verstor -<br />

bebenen Vorstandsmitgliedes gibt eine<br />

ständige Ausstellung mit wechselnden<br />

Motiven unter dem Titel „<strong>Sauerland</strong>-Impressionen“<br />

im Foyer des <strong>Sauerland</strong> -<br />

theaters in Arnsberg.<br />

Die Ausstellung kann an den jeweiligen<br />

Veranstaltungstagen ab eine Stunde<br />

vor Einlass besucht werden. Die Ausstellung<br />

wurde ermöglicht durch die Unterstützung<br />

des Arnsberger Heima t bundes,<br />

des Stadt- und Landstände archivs und<br />

der Familie Ackermann. Red.


SAUERLAND NR. 2/<strong>2008</strong> 97<br />

Plattdeutsch im <strong>Sauerland</strong><br />

Einsendungen zum Nachschlage -<br />

werk sind noch bis Ende Juli<br />

<strong>2008</strong> möglich<br />

Ende <strong>2008</strong> soll das Nachschlagewerk<br />

„Im reypen Koren“ zur sauerländischen<br />

Mundartliteratur erscheinen. Mit diesem<br />

Titel wird die seit 2006 im Druck vorgelegte<br />

dreiteilige Mundartliteratur-Reihe<br />

des Esloher Museums abgeschlossen.<br />

Das Werk konzentriert sich vor allem auf<br />

plattdeutsche Autoren/innen im „kölnischen“<br />

<strong>Sauerland</strong> (Kreis Olpe, Hoch -<br />

sauerlandkreis, Menden und Balve,<br />

Kreis Soest „südlich des Haarstrangs“).<br />

Im Rahmen eines Aufrufes von 1996 erreichten<br />

viele Einsendungen das Chr.-<br />

Koch-Mundartarchiv des Esloher Maschinen-<br />

und Heimatmuseums. Sie werden<br />

in dem Buchprojekt berücksichtigt.<br />

Bis Ende Juli <strong>2008</strong> sind jetzt auch<br />

noch letzte Nachträge möglich. Be -<br />

rücksichtigt werden:<br />

1. Örtliche Bibliografien bzw. Zu -<br />

sammenstellungen zu plattdeutschen<br />

Zeugnissen eines Ortes/Gemeinde -<br />

gebietes (aus Ortschroniken, Festschrif -<br />

ten, Dorfzeitungen, Gottesdienstheften,<br />

lokalen Archiven etc.). Von Interesse<br />

sind auch Hinweise auf veröffentlichte<br />

Tonträger.<br />

2. Ergänzungen zu schon bekannten<br />

Namen oder ganz neue Beiträge zu<br />

Mundartautoren (Lebensdaten, Bio -<br />

graphisches, Liste der Werke & Ver -<br />

öffentlichungen, Textproben, Por trät -<br />

foto). Erwünscht ist bei noch lebenden<br />

Autoren besonders auch eine Be -<br />

schreibung des eigenen Hinter grundes<br />

zum „Plattdeutsch-schreiben“ (dazu<br />

kann ein Fragebogen angefordert werden).<br />

3. Mitteilungen zum Sprachstand vor<br />

Ort: Wer spricht im jeweiligen Dorf<br />

noch Platt? Welche Initiativen/Gruppen<br />

kümmern sich um „Plattdeutsches“?<br />

Kontaktadressen für Einsendungen zum „Nachschlagewerk<br />

Plattdeutsch“: Chr.-Koch-Mundartarchiv am<br />

Museum Eslohe – oder direkt an: Peter Bürger, Kiefernstraße<br />

33, 40233 Düsseldorf, Email peter@friedensbilder.de<br />

Pressekontakt : Christine-Koch-Mundartarchiv am<br />

Maschinen- und Heimatmuseum Eslohe<br />

c./o. Peter Bürger, Kiefernstr. 33, 40233 Düsseldorf<br />

Tel. 02 11-67 84 59 – Mailkontakt peter@friedens -<br />

bilder.de<br />

BÜCHER SCHRIFTTUM<br />

An Ruhr, Valme und Elpe<br />

Heimatkundliche Beiträge aus den<br />

Dörfern der Gemeinde Bestwig<br />

2. Ausgabe Dezember 2007. Schwester<br />

T. Lehmeier / Dr. U. Bock: 200 Jahre<br />

Schwestern der hl. Mag dalena Postel /<br />

30 Jahre Bergkloster Bestwig. F. Schroeder:<br />

Von Giersdorf in Schlesien nach<br />

Ramsbeck in Westfalen. S. Haas: Die Kapelle<br />

St. Peter und Paul in Berlar. Dr. W.<br />

Kuhne: „Kärreken“ versteigerte den<br />

Hahn. H. Assmann: 100 Jahre katholischer<br />

Kindergarten in Velmede. D. Finke:<br />

Titan – Aluminium – Feinguß GmbH,<br />

Bestwig. F. Schroeder: „Duarp-Schützenfest“<br />

in Ramsbeck. W. Hohmann / A.<br />

Wegener: Nuttlar – Industriegeschichte im<br />

oberen Ruhrtal. S. Haas: Rätselhafte<br />

Mauerreste an der Plästerlegge. W. Gödde:<br />

Die Dreifal tigkeitskapelle in Velmede.<br />

R. Schmidt mann: Prof. Dr. Dr. Gottfried<br />

Hoberg. Dr. D. Hegemann: Som -<br />

mergedicht. F. Schroeder: Kaiser Wil helm<br />

I. – Ein Denkmal für Ramsbeck. P. Mengelers:<br />

„Kyrill“ und seine nachhaltigen<br />

Aus wir kungen innerhalb der Ge meinde<br />

Best wig. S. Haas: Rekul tivierung des<br />

Schlamm teiches bei Andreasberg. F.-E.<br />

Prein: Ramsbecker und Bestwiger Apo -<br />

thekengeschichte. E. Dünschede: Wahl -<br />

fieber bei Velmede-Bestwigs Kickern. R.<br />

Römer: Zigar renherstellung in Velmede.<br />

Herausgeber: <strong>Heimatbund</strong> der Gemeinde Bestwig e. V.<br />

De Fitterkiste<br />

Geschichtliches aus Winterberg<br />

und seinen Dörfern<br />

Band 16 Ausgabe 2007. Msgr. Dr. W.<br />

Kuhne: 725 Jahre Silbach Unsere Heimat<br />

– unser Reichtum. P. Aust: Traditionen<br />

reichen bis ins 18. Jahrhundert – Fahnengesellschaften<br />

sind die ältesten Vereine<br />

im Stadtgebiet Winterbergs. G. Bartz:<br />

Feldkreuze und Bildstöcke in der Winterberger<br />

Flur (Teil 2). R. Ahlers: Eisenzeitliche<br />

Funde aus Siedlinghausen-Altenfeld.<br />

J. Schmidt: Der „Erdmannsche Graben“<br />

Geschichte eines Grenzgrabens. Dr. W.<br />

Herold: Wüstung „Neuer Hagen“ als geschützte<br />

Bodendenkmale – Vorstellung<br />

der Do kumentationstafel am 20. 5.<br />

2007. Dr. F. Opes: Auf geschichtlicher<br />

Spu rensuche in Nordwaldeck – Bericht<br />

über die Tagesfahrt des HGV. E. Stahl -<br />

schmidt: Das Grönebacher Steinzeitbeil.<br />

U. Lange: Von Steinhelle nach Medeach<br />

– Ein Fuß- und Radwanderweg auf den<br />

Spuren der ehemaligen Kleinbahn Steinhelle-Medebach.<br />

C. Caspari: Die richtige<br />

Quelle der Namenlose. D. Huhne, Dr. F.<br />

Opes: Ein Kaufvertrag von 1767 oder:<br />

Wie Johannes Lauber der jüngere Mitbesitzer<br />

von „Bürgers“ in Hoheleye wurde.<br />

A. Hitzegrad: Weih nachtsgeschichten aus<br />

schwerer Zeit – Feldpostbriefe aus dem<br />

Zweiten Welt krieg. A. Kießler: Alte Grönebacher<br />

Hausnamen. R. Braun: Sprechen<br />

Sie „Denglisch“? ... oder der zeitgemäße<br />

Umgang mit der deutschen Sprache.<br />

H. Dinklage: Das Wetter 2006.<br />

Herausgeber: Heimat- und Geschichtsverein Winterberg<br />

e. V.


98 SAUERLAND NR. 2/<strong>2008</strong><br />

Der Schwammklöpper<br />

Fredeburger Heimatblätter<br />

19/<strong>2008</strong> H. Gierse: Zum Geleit. U.<br />

Mertens: Geomatie in Bad Fredeburg.<br />

G. Schulte: Antoniusdienstage in Fre -<br />

deburg – eine vergessene fromme Stiftung.<br />

H. Gierse: Kurze Winter freuden in<br />

den sechziger Jahren – Sprungschanze<br />

im Januar 1967 eingeweiht. E. Hölscher:<br />

Weichnachten im Schnee? Ein<br />

alljährlich diskutiertes Thema. E. Hölscher:<br />

Der Orkan Kyrill – Auswirkungen<br />

auf Wald und Wan derwege. M. Hagedorn:<br />

Die Frede burger Schriftenreihe. J.<br />

Amelunxen: Meyn Görken. H. Gierse:<br />

Ein Hauch von Poesie aus alter Zeit. H.<br />

Gierse: 200 Jahre Zeitreise. Es geschah<br />

vor ....G. Schulte: Ausgegraben. H.<br />

Gierse: Über Ziegenzucht und mehr -<br />

Mescheder Zeitung vom 12. Juli 1901.<br />

H. Gierse: Architekt Joseph Lehmenkühler<br />

– Arbeiten von 1910-1930<br />

in Fredeburg. H. Gierse: Abbruch der alten<br />

Pfarrkirche 1932. Kirchenvorstand:<br />

Außenre novierung der St.-Georg-Pfarrkirche<br />

in Bad Fredeburg 2007. U.<br />

Schüttler: Fahne Mariens 1917. M.<br />

Schüttler: Pater Friedrich Vogt-Sasse –<br />

Missionar in Südamerika. G. Schulte:<br />

Pater Schneider – Erinnerungen an einen<br />

Seelsorger. C. Fromme: Rückblick<br />

Firmvorbereitungen 2007. Sr. M. A.<br />

Lingemann MSC: Jugend gegen Auftritte<br />

der SA in Fredeburg – Episoden aus<br />

längst vergangener Zeit. H. Gierse: Ein<br />

frohes Wiedersehen in der Heimat –<br />

Schuljahrgänge 1906/07 und<br />

1907/08 Treffen vor 50 Jahren. W.<br />

Schultz: Spuren einer Schule ... Redaktion:<br />

Bad Fredeburg hat keine Hauptschule<br />

mehr. G. Schulte: Pädagogium –<br />

Mungenas – Geschichte und Entwicklung<br />

1947 – 1967. Redaktion: Sozialwerk<br />

St. Georg übernimmt Internat. H.<br />

Gierse: „Foto-Rahmen“ im Rudolf-<br />

Becker-Park. H. Gierse: Es tut sich was<br />

in Fredeburg. S. Hennecke + A. Vogt:<br />

Einradclub – Die Gummibärchen aus<br />

Rädern. C. Schüttler: Jugendrotkreis<br />

Bad Fre deburg. B. Linn: 175 Jahre St.<br />

Georg-Schützenbruderschaft 1832 e. V.<br />

Fredeburg. B. Siepe: 60 Jahre Drogerie-Parfümerie-Foto<br />

Siepe. J.-G. Pollmann:<br />

Kriegsgefangene im <strong>Sauerland</strong><br />

1914-1918 – Eine Beitrag zur Stadtgeschichte<br />

von Fredeburg. St. M. A. Lin-<br />

gemann MSC: Parallelen. U. Schüttler:<br />

Bad Fredeburg im Rückblick.<br />

Hrsg. vom „Arbeitskreis Heimat“ der S. G. V. Abteilung<br />

Bad Fredeburg 14, 57392 Schmallenberg<br />

Südsauerland Heimatstimmen<br />

aus dem Kreis Olpe.<br />

4/2007 Folge 229. S. Falk: Le -<br />

bensphasen – gestern und heute: das Alter.<br />

R. Kirsch-Stracke: Ein Wort vorneweg.<br />

M. Baales: 25 Jahre Archäologie in<br />

Olpe. G. Isenberg: Die Wüste lebt ...<br />

Festvortrag aus Anlass des 25jährigen<br />

Bestehens der Außenstelle Olpe der<br />

LWL-Archäologie für Westfalen am 25.<br />

August 2007 im Rathaus in Olpe. A.<br />

Zembala: Ein neues St.-Martinus-Denkmal<br />

für Olpe. O. Höffer: Funde und Hinweise<br />

aus dem Archiv des Freiherrn von<br />

Fürstenberg-Herdringen (Teil 14). D.<br />

Clemens: Der Flugplatz Hünsborn –<br />

mehr als 50 Jahre lebendige Geschichte<br />

(Teil 1). M. Köster: Er war dann mal weg<br />

– Ein mittelalterlicher Jakobspilger aus<br />

Attendorn und was er uns heute noch erzählen<br />

kann. M. Cordes und R. Kirsch-<br />

Stracke: Die Imkerei im Kreis Olpe – Unterlagen<br />

gesucht! E. Hoberg: Weihnachtszeit<br />

in Oberveischede vor 60 Jahren<br />

und früher. D. Tröps: Vor 65 Jahren<br />

– Letzte Nachricht eines Finnen tropers<br />

aus Stalingrad Weih nachten 1942. D.<br />

Tröps: Mitglie derversammlung 2007 des<br />

Kreis heimatbundes Olpe e. V. H.-W.<br />

Voß: Heimatchronik vom 1. Juli 2007<br />

bis 30. September. Buchbe -<br />

sprechungen. Neu erscheinungen in der<br />

„Schriften reihe des Kreises Olpe“. Anschriften<br />

der Mitarbeiter, Termine.<br />

Hrsg. vom Kreisheimatbund Olpe e. V., Geschäfts -<br />

stelle: Kreisarchiv Olpe, Danziger Straße, 57462 Olpe,<br />

Tel.: 0 27 61/81-5 42<br />

Südsauerland - Heimatstimmen<br />

aus dem Kreis<br />

Olpe<br />

1/<strong>2008</strong> Folge 230. S. Falk: Feier -<br />

abend: Freizeit und Muße - gestern und<br />

heute: das Alter. R. Kirsch-Stracke: Ein<br />

Wort vorneweg. M. Ohm und M. Schulte-Brinker:<br />

Rehringhausen: Bun -<br />

desgolddorf 2007 in NRW. Ein Dorf auf<br />

Erfolgskurs. R. Rottwinkel: LANDRAT –<br />

Kunst am Wanderweg. B. Reißner: Förderpreis<br />

des Landschaftsverbandes<br />

Westfalen-Lippe (LWL) für Günther Becker.<br />

Ein Interview mit dem Preis träger.<br />

M. Vormberg: Paul Josef Cordes – der<br />

Kardinal aus Kirchhundem. H.-J. Beckmann:<br />

Der 100. Geburtstag von Pfarrer<br />

i. R. Josef Löcker. W. Acker schrott:<br />

Edith Jung †. M. Vormberg: Karl-Josef<br />

Luster-Haggeney †. U. Selter: Sportgeschichte(n).<br />

Bobfahrer Dieter Hundt aus<br />

Attendorn. O. Höffer: Funde und Hinweise<br />

aus dem Archiv des Freiherrn von<br />

Fürstenberg, Herdringen (Teil 15). Aufgezeichnet<br />

von G. Baumhoff, mitgeteilt<br />

von S. Falk: Vater kommt wieder. Erlebnisse<br />

und Rückkehr des Gefreiten Josef<br />

Baumhoff nach Röllecken. D. Clemens:<br />

Der Flugplatz Hünsborn – mehr als 50<br />

Jahre lebendige Geschichte (Teil 2). H.-<br />

W. Voß: Heimatchronik vom 1. Oktober<br />

2007 bis 31. Dezember 2007. D.<br />

Tröps: Neuerscheinungen des Jahres<br />

2007 (mit Nachträgen aus früheren Jahren).<br />

Hrsg. vom Kreisheimatbund Olpe e. V., Geschäfts -<br />

stelle: Kreisarchiv Olpe, Danziger Straße, 57462 Olpe,<br />

Tel.: 0 27 61/81-5 42<br />

800 Jahre Uentrop –<br />

Ein Buch zur Geschichte des Dorfes<br />

und der Mark Uentrop<br />

Was ein kleiner <strong>Sauerländer</strong> Ort auf<br />

die Beine stellen kann, zeigte das Ortsjubiläum<br />

des heutigen Arnsberger Stadtteils<br />

Uentrop. Über die Jubilä -<br />

umsfeierlichkeiten im Oktober 2007 hinaus<br />

zeugt die 225 Seiten starke Chronik<br />

„800 Jahre Uentrop – Ein Buch zur<br />

Geschichte des Dorfes und der Mark<br />

Uentrop“ davon. Das reich bebilderte<br />

und vom Arbeitskreis „800 Jahre Uentrop“<br />

herausgegebene Buch gliedert<br />

sich in die vier Bereiche Ursprung, Entwicklung,<br />

dörfliches Umfeld und Dorfleben.<br />

Es vermittelt einen gelungenen Einblick<br />

in die Geschichte und Gegenwart<br />

des Gemeindelebens an der Ruhr. Ein<br />

Band, der zum Lesen, Be trachten und<br />

Schmökern einlädt und das gekonnte<br />

Layout unseres verdienstvollen Heimatfreundes<br />

und Vor stands kollegen des<br />

SHB Hans Wevering verrät. Es ist zum<br />

Preis von 20,– EURO bei Fritz Vetter,<br />

Dorfstraße 30, 59823 Arnsberg, Tel.<br />

0 29 31/1 06 78 zu erwerben.<br />

Michael Schmitt


SAUERLAND NR. 2/<strong>2008</strong> 99<br />

Das Haarmännchen –<br />

Sagen aus der Region<br />

um Haar und Möhne<br />

Auf der Grundlage der Original-<br />

Sammlung des Rüthener Ehrenbürgers<br />

Eberhard Henneböle (1891-1979) gab<br />

nun Ulrich Grun den fast 100 Seiten<br />

umfassenden Band „Das Haarmännchen<br />

– Sagen aus der Region um Haar<br />

und Möhne“ heraus und ergänzte ihn<br />

um weitere Werke. Das schwarz-weiß<br />

bebilderte Lesebuch zieht einen regional<br />

weiten Kreis über das Rüthener Stadtgebiet<br />

hinaus. Ein Ortsverzeichnis hilft dabei<br />

dem interessierten Leser, es sich<br />

auch unter diesem Gesichtspunkt zu erschließen.<br />

Eine schöne Lektüre, die den<br />

Sagenschatz des nördlichen Sauer lan -<br />

des, der Haar- und Hellweggegend bis<br />

ins Paderborner Land erschließt sowie<br />

das Andenken an den verdienstvollen<br />

langjährigen Schulrektor und Heimat -<br />

freund Henneböle wach hält. Der Erlös<br />

kommt obendrein der Schönstätter Afri -<br />

ka-Mission zugute. Das im Geiger verlag<br />

in Horb am Neckar erschienene Buch<br />

(ISBN 978-3-86595-229-5) ist zum<br />

Preis von 16,50 EURO zu erwerben.<br />

Michael Schmitt<br />

Vögel am Möhnesee<br />

Die Möhnetalsperre ist das größte<br />

westfälische Gewässer und ein besonders<br />

beliebtes Touristenziel unseres Raumes.<br />

Besucherscharen bevölkern die<br />

Seeufer an Sommerwochenenden und<br />

Wassersportfreunde finden hier immer<br />

reizvolle Möglichkeiten für ihre Aktivitäten.<br />

Nur wenige wissen aber, dass der<br />

Möhnesee auch ein Wasser -<br />

vogelparadies ist, für sie ein Winter -<br />

quartier und ein Rastplatz von sogar internationaler<br />

Bedeutung. Das erfahren<br />

wir von dem Ehepaar Wilfried und Ursula<br />

Stichmann, seit mehr als 50 Jahren<br />

ausgewiesene Beobachter und Kenner<br />

der Vogelwelt am Möhnesee. Sie haben<br />

darüber im Februar <strong>2008</strong> ein handliches<br />

Bändchen mit dem Titel: „Der Möhnesee.<br />

Ein Wasservogelpara dies im Wandel<br />

der Zeit“ veröffentlicht, eindrucksvoll<br />

bebildert von dem Tier fotograf Bernd<br />

Stemmer. Für vogelkundlich Interessierte<br />

bietet das kleine Buch eine enorme<br />

Fülle von Informationen, hier können<br />

nur wenige Daten festgehalten werden,<br />

um einen ersten Ein druck zu vermitteln.<br />

Wer weiß schon, dass in jedem Winterhalbjahr<br />

zwischen 5000 und 10 000<br />

Wasservögel auf dem Möhnesee weilen,<br />

die vielen Tausend Möwen gar nicht mitgerechnet.<br />

Über die sechs häufigsten<br />

Arten wird in einem eigenen Abschnitt<br />

(S. 23-37) referiert, besonders bemerkenswert<br />

dabei der Haubentaucher, ein<br />

Charaktervogel der Talsperre. Weitere<br />

Abschnitte widmen die Verfasser den<br />

„Neuan kömmlingen und Gewinnern“<br />

(S. 37-49) und den „Verlierern“ (S. 49-<br />

56) bei den mehr als 60 an Wasser gebundenen<br />

Vogelarten. Zu den „Neuankömm<br />

lingen“ wird z. B. der Kormoran<br />

gezählt, bis 1990 hier eher selten, inzwischen<br />

konzentrieren sich – so die Verfasser<br />

– in den Sommer monaten bis zu<br />

1400 Kormorane auf dem See, nicht<br />

zur Freude der Berufs fischer und Angler,<br />

denn sie sind unersättliche Raubfischer.<br />

Mittlerweile sind nun „Vergrä -<br />

mungsmaßnahmen“ eingeführt worden.<br />

Der Ruhrverband verzichtet zwar auf<br />

den Einsatz von Schuss waffen, versucht<br />

jetzt jedoch das Aus ufern der Bestände<br />

an ihren Schlaf plätzen in den Bäumen<br />

am Seeufer naturschutzverträglich zu<br />

unterbinden. Wie er das schafft, wird<br />

nicht geschildert. Unter den „Verlierern“<br />

sei hier der Singschwan genannt,<br />

der früher ein Wintergast der Talsperre<br />

war, inzwischen aber ausbleibt. Als<br />

Grund werden die letzten milden Winter<br />

vermutet, nun können die Schwäne<br />

schon in nördlicheren Gebieten die kalte<br />

Jahreszeit verbringen. Diese möglichen<br />

Anzeichen des Klimawandels mögen<br />

auch Ursache für das Ausbleiben<br />

anderer Wasservögel sein.<br />

Als „Kostbarkeiten für Kenner“ werden<br />

nur gelegentlich auftauchende gefiederte<br />

Besucher vorgeführt, die regelmäßiger<br />

an der Nord- und Ostsee leben<br />

wie die Eiderenten oder nordische See -<br />

taucher, außerdem die Silberreiher und<br />

sogar Kraniche. Nicht nur auf die kleinen<br />

Bachbewohner wie Wasseramsel<br />

und Eisvogel wird verwiesen, auch Vier -<br />

beiner, die in der Uferregion auftauchen,<br />

sind erwähnt. Abschließend erfolgt<br />

eine Übersicht „Wie sich das Bild<br />

veränderte“, wobei u. a. die Zunahme<br />

der Diver sität betont wird, also gegenüber<br />

der bis vor 30 Jahren bestehenden<br />

Einseitigkeit der Stockenten sind nun die<br />

Anteile anderer Vogelarten viel ausgeglichener.<br />

Diese Veränderung wird auch in<br />

einer optischen Darstellung (S. 80) gut<br />

veranschaulicht, wie überhaupt die didaktische<br />

Gestaltung insgesamt sehr gelungen<br />

ist, nicht nur in der allgemeinen<br />

Ver ständ lichkeit der Sprache, sondern<br />

auch durch die zahlreichen Diagramme<br />

der Bestandsentwicklung und die ausführliche<br />

Karte aller erwähnten Örtlichkeiten<br />

in dem aufklappbaren Buch -<br />

deckel. Auch das pädagogische Bemü -<br />

hen ist ausgeprägt: Die Leser werden zu<br />

eigenen Be obachtungen angeregt und<br />

immer wieder aufgefordert, durch verantwortungsvolles<br />

Verhalten die „paradiesische“<br />

Zu kunft für die Vogelwelt des<br />

Möhnesees zu sichern.<br />

Man wünscht das mit spürbarer Liebe<br />

und Kennerschaft geschriebene Buch in<br />

die Hand jedes Naturfreundes, der sich<br />

zu einem Besuch der Möhnetalsperre<br />

aufmacht. Dr. Erika Richter<br />

Wilfried Stichmann und Ursula Stichmann-Marny:<br />

Der Möhnesee - Ein Wasservogel-Paradies im Wandel<br />

der Zeit, erhältlich im Buchhandel oder beim<br />

Heimatverein Möhnesee, Postfach 59, 59519 Möhnesee,<br />

84 S., 6,80 Euro .<br />

Das adlige Kanonissenstift<br />

zu Geseke<br />

Im Januar <strong>2008</strong> wurde in Geseke als<br />

50. Band in der vom Max-Planck-Institut<br />

für Geschichte in Göttingen herausgegebenen<br />

renommierten Reihe Germania<br />

Sacra die Geschichte des Geseker<br />

adligen-freiweltlich-kaiserlichen Damenstifts<br />

vorgestellt. Erstmals liegt damit<br />

eine lange überfällige Monographie<br />

über das Geseker Stift vor. Sie umfasst<br />

die Ge schichte dieser historischen Einrichtung<br />

im Köln-Paderborner Grenzraum<br />

von ihrer Gründung in der Mitte<br />

des 10. Jahr hunderts über die sich lange<br />

hinziehende faktische Auflösung<br />

durch die Verei nigung mit dem Stift<br />

Keppel im Siegerland im Zuge der Säkularisation<br />

im 19. Jahrhundert bis zu den<br />

in Folge der Umwandlung entstandenen<br />

Rechtsstrei tigkeiten des 20. Jahrhunderts.<br />

Der historischen Übersicht über<br />

die Entwick lung des 946 vom sächsischen<br />

Edlen Haold und seinen Geschwistern<br />

gestifteten und in den Anfängen<br />

durch kaiserliche Protektion geförderten<br />

Frauen-Instituts klösterlich-stän-


100 SAUERLAND NR. 2/<strong>2008</strong><br />

discher Prägung gehen zwei Kapitel voraus,<br />

in denen die umfangreichen<br />

schriftlichen Quellen, die bisher erschienene<br />

Literatur, die baulichen und künstlerischen<br />

Denkmäler sowie das vormalige<br />

Stiftsarchiv samt seiner Bibliothek gewürdigt<br />

werden. Die Kapitel 4 bis 6 widmen<br />

sich der inneren Verfassung einschließlich<br />

des Verhält nisses zum Landesherrn,<br />

zum Bischof und zu den Vögten,<br />

der Beschreibung der Ämter, der<br />

Zuordnung der Stifts kleriker zum Frauenkapitel,<br />

dem religiösen und geistigen<br />

Leben sowie der Besitzgeschichte. Das<br />

letzte Kapitel präsentiert mit zahlreichen<br />

Informationen angereicherte Personallisten.<br />

Durchge hend quellenmäßig fundiert<br />

werden alle Bereiche des stiftischen<br />

Lebens erstmals in einer differenzierten<br />

Gesamtschau erfasst und in ihrer<br />

Entwicklung und Veränderung nachgezeichnet.<br />

In den Personallisten werden<br />

ebenso zum ersten Mal alle in den Archivalien<br />

des Stiftes fassbaren Kanonissen<br />

mit ihren jeweiligen Funktionen aufgelistet.<br />

Nach Ein schätzung des Autors<br />

stammten sie bis zum Beginn des 19.<br />

Jahrhunderts zu gleichen Teilen aus den<br />

landständischen Adelsfamilien des Herzogtums<br />

Westfalen und des Fürstbistums<br />

Paderborn. Auch alle Pfarrer, Kanoniker<br />

und Benefiziaten der Stiftskirche, die<br />

von der Äbtissin ebenfalls berufenen<br />

Pfarrer der Geseker Stadtkirche St. Petri,<br />

die Verwaltungs beamten, Küster, Organisten<br />

und sogar die Stiftsbäcker werden<br />

in biographischen Skizzen vorgestellt.<br />

Tabellen und Übersichten über die<br />

im 18. Jahrhundert gefeierten liturgischen<br />

Fest- und Ge denktage (S. 194ff)<br />

und Memorien (S. 220ff) oder den weitgestreuten<br />

Besitz in und außerhalb Gesekes<br />

(S. 265ff) ergänzen die Ausführungen.<br />

Das Buch lebt von der beeindruckenden<br />

Fülle an Detailinformation, die<br />

der Autor bei der Durcharbeitung der<br />

Archivalien des ehemaligen Stiftsarchivs<br />

gewonnen hat, welche die Lesbarkeit jedoch<br />

in keiner Weise beeinträchtigen.<br />

Da das Buch den Anspruch eines<br />

Standardwerkes erhebt, muss es sich<br />

Rückfragen, Anmerkungen und Hin -<br />

weise auf Fehlstellen gefallen lassen.<br />

Im Vorwort startet der Autor mit der<br />

Diskussion preußischer Beamter über<br />

die zukünftige Nutzung des Stiftsbesitzes<br />

(S. V-VI). Bereits hier drängt sich der<br />

Eindruck auf, der Autor schaue auf das<br />

Stift mit den Augen der nach der Nütz -<br />

lichkeit solcher Einrichtungen fragenden<br />

Spätaufklärer, die kein Verständnis für<br />

klösterlich geprägtes Leben, die Pflege<br />

von Familientraditionen in gottesdienstlicher<br />

Gestalt sowie die Selbstverwaltung<br />

von durch emanzipierte Frauen geleiteten<br />

und verantworteten Einrichtungen<br />

zeigten. Ausdrücklich verneint der<br />

Autor im Blick auf die Auflösung des<br />

Stifts sowohl eine Beutegier als auch antikirchliche<br />

Tendenzen der neuen Landes<br />

herren. Vielmehr hätten die Umstände<br />

im Damenstift, die kaum zu beobachtende<br />

Gemeinschaft im Chordienst sowie<br />

die unübersichtliche Verwaltung der<br />

Güter und Kapitalien das Eingreifen der<br />

preußischen Beamten beschleunigt (S.<br />

106). Hier wird Geschichte aus der Sicht<br />

der „Sieger“ geschrieben. Denn wer anders<br />

als die neuen Landesherren haben<br />

dem katholischen Stift, das sich zuvor<br />

weitgehend eigenständig ergänzte, protestantische<br />

Damen aufgezwungen, die<br />

verständlicherweise kein Interesse an<br />

katholischer Liturgie zeigten? Wer anders<br />

als die fortschrittlichen preußischen<br />

Beamten haben durch massive Eingriffe<br />

dafür gesorgt, dass der Besitz schließlich<br />

im Moloch des Staatsfiskus unterging?<br />

Keine der hehren Vorstellungen von einer<br />

nützlichen Verwendung des Besitzes<br />

und der Einkünfte des Stiftes erwies sich<br />

als tragfähig. Geschweige denn, dass die<br />

neuen Herren auf die Idee gekommen<br />

wären, die letzte Äbtissin Bernhardine<br />

von Plettenberg-Lenhausen oder die<br />

letzten katholischen Stiftsdamen aktiv in<br />

ihre Überlegungen zur Modernisierung<br />

und Umwandlung einzubeziehen. Tapfer<br />

leisteten sie und insbesondere die<br />

Äbtissin nicht nur Widerstand gegen die<br />

darmstädtische und später preußische<br />

Macht, sondern legten zugleich konkrete<br />

Gegenvorschläge vor, die geeignet<br />

waren, die Effizienz vieler Abläufe zu<br />

steigern. Was die Stiftsdamen über 850<br />

Jahre souverän und erfolgreich zu verwalten,<br />

zu erhalten und zu vermehren<br />

mochten, zerschlug die aufgeklärte Moderne<br />

in kürzester Zeit. Zudem fällt auf,<br />

wie der Autor den vom Duktus der Aufklärung<br />

geprägten Berichten des gegen<br />

das Recht und den Willen der Äbtissin<br />

durch die Darmstädter Regierung eingesetzten<br />

Geseker Siftspfarrers Franz Kösters<br />

(1808-1818) aus Rüthen unkritisch<br />

Glauben schenkt, der sich ausschließlich<br />

negativ über die Zustände im Stift äußerte,<br />

vehement Veränderungen einforderte<br />

und durchzusetzen versuchte. Dass<br />

Franz Kösters für seinen unangemessenen<br />

Reform-Elan von den kirchlichen<br />

Autoritäten streng gemaßregelt wurde<br />

und auch staatlicherseits keine Resonanz<br />

fand, verschweigt der Autor hingegen.<br />

Wie ein roter Faden durchzieht das<br />

Buch die Vorstellung, das Stift habe sich<br />

stets im Niedergang befunden und nur<br />

mühsam durch die Zeiten retten können.<br />

Besonders deutlich zeige sich dies<br />

im Bereich des religiösen Lebens, das<br />

von Aberglaube, Selbstdarstellung und<br />

Strei tigkeiten um den Vorrang bei Prozes<br />

sionen wie der mit dem Gnadenbild<br />

aus Verne gekennzeichnet gewesen sei.<br />

Sind die Stiftung der neuen spätbarocken<br />

Altäre (1727-1731) aus der Werkstatt<br />

von Christophel Papen und die<br />

Schaffung der großformatigen illustrierten,<br />

für den Damenchor gestifteten<br />

Stundenbücher im 18. Jahrhundert<br />

nicht als Zeugnis vitaler Wertschätzung<br />

und Aufmerksamkeit zu deuten, die gerade<br />

dem liturgischen Dienst im 18.<br />

Jahr hundert entgegengebracht wurde?<br />

Dazu passt, dass man in der Rubrik<br />

„Per sonallisten“ vergeblich nach einer<br />

Auf stellung der Psalterleserinnen sucht,<br />

die abwesende Stiftsdamen zu vertreten<br />

hatten, damit das Stundengebet keine<br />

Einbuße erlitt. Es mag an schriftlichen<br />

Belegen mangeln, doch wäre eine Annäherung<br />

an die Frage wünschenswert<br />

gewesen, wie die im Stift den jungen Damen<br />

vermittelte adelige Erzie hung dazu<br />

beitrug, das ständische weibliche Selbstbewusstsein<br />

zu prägen und zu stärken.<br />

Auch die Akzente in der Behandlung der<br />

Matrizitätsfrage, d. h. der Abhängigkeit<br />

der Geseker Stadt kirche vom Stift und<br />

der sich daraus ergebenden Rang- und<br />

Ordnungsstrei tigkeiten zwischen den<br />

Autoritäten des Stifts und der Zivilgemeinde<br />

bzw. den Geistlichen der Stiftsund<br />

Stadtkirche, die sich insbesondere<br />

bei Prozessionen zeigte, verstellen den<br />

Blick für die nicht behandelte Frage, wie<br />

die Stadt politisch, wirtschaftlich und<br />

kulturell vom Stift profitierte.<br />

Aufgrund der Fülle der verarbeiteten<br />

Daten sind zahlreiche Details der Aufmerksamkeit<br />

des Autors entgangen. Bei


SAUERLAND NR. 2/<strong>2008</strong> 101<br />

der Bestandserhebung der Archi valien<br />

hat er 17 Urkunden aus der Zeit von<br />

1450 bis 1902 aus dem Archiv des<br />

Stiftspfarramtes zwar als ehemals vorhanden<br />

wahrgenommen, aber nicht registriert,<br />

dass sie seit 1974 als Depo -<br />

situm im Erzbistumsarchiv Paderborn lagern<br />

(S. 56). Dort befinden sich auch 13<br />

ebenfalls nicht genannte und genutzte<br />

Originalurkunden, die zwischen 1277<br />

und 1591 ausgestellt wurden, heute<br />

dem Pfarrarchiv der Pfarrei St. Heinrich<br />

und Kunigunde, Paderborn-Schloss<br />

Neuhaus angehören, aber aus dem Archiv<br />

der Geseker Stiftspfarrei stammen<br />

dürften (Michael Pavlicic, Geseker Urkunden<br />

im Archiv der Pfarrgemeinde St.<br />

Heinrich und Kunigunde Schloss Neuhaus,<br />

Ge seker Heimatblätter, Nr. 419,<br />

S. 121-124). Im Erzbistumsarchiv Paderborn<br />

lassen sich auch 17 (nicht 13)<br />

Bände der Kirchenbücher der Stiftspfarrei<br />

von 1621 bis 1860/1862 (und nicht<br />

1826) einsehen (S. 3 u. 56). Vergeblich<br />

sucht man in der Aufstellung der Äbtissinnen<br />

den Namen der 1501 testierenden<br />

Mette von Berninchus, auf die Michael<br />

Streit 2004 in den Geseker Heimat<br />

blättern (Nr. 456, S. 19f) aufmerksam<br />

gemacht hat. Außer den genannten<br />

Beiträgen fehlen weitere im Litera -<br />

turverzeichnis. Beispielhaft seien hier<br />

angeführt die Artikel von Hermann Hinteler,<br />

zum Thema Geseker „Stifts -<br />

damen“: Kleidung und Insignien, (Gese -<br />

ker Heimatblätter, Nr. 358, S. 113-115)<br />

und: Ein Gitter aus der Geseker Stifts -<br />

kirche in Kassel (Geseker Heimatblätter,<br />

Nr. 372, S. 227-228) sowie von Alexan -<br />

der Arens: Über die Entstehung des<br />

Münzrechts der Geseker Äbtissin in der<br />

älteren Heimatforschung (Geseker Heimatblätter,<br />

Nr. 325, S. 89-90), wiewohl<br />

das letzte Thema behandelt wird (S.<br />

149). Wünschenswert gewesen wäre<br />

auch die Abbildung einer Stiftsdame.<br />

Ein Beispiel führt Evelyn Richter 2004<br />

in den Hinweisen und Mitteilungen der<br />

Geseker Heimatblätter (Nr. 454, S. 8)<br />

an. Im Sakramentshaus der Stiftskirche<br />

befindet sich heute eine Kreuzreliquie,<br />

von der der Autor offen lassen musste,<br />

ob sie schon zur Ausstattung der Kirche<br />

zu stiftischer Zeit gehörte (S. 28). Tat -<br />

sächlich ist die Reliquie eine private<br />

Leihgabe eines ehemaligen Gesekers.<br />

Die Vornamen des Stifters der 1703-<br />

1705 errichteten Geseker Maria-Hilf-<br />

Kapelle, Dr. theol. Brüll, werden mit<br />

Gerhard Jodokus wiedergegeben, obwohl<br />

er Bernhard Jodokus hieß (S. 39),<br />

und die Namen in zahllosen Artikeln<br />

nicht nur der Geseker Heimatblätter<br />

leicht nachzulesen sind. 1791 soll sich<br />

der Organist Ignatius Siebeneicher „an<br />

dem Judenkind Heinemann Nathan vergangen“<br />

(S. 460) haben. Die als Quelle<br />

angeführte Akte 326 aus dem Bestand<br />

des Stiftsarchivs im Staatsarchiv Münster<br />

nennt hierfür nicht einmal einen Verdacht.<br />

Unverständlich ist schließlich,<br />

dass die Namen der Mitarbeiterin im<br />

Pfarrbüro der Stiftsgemeinde sowie des<br />

Mitarbeiters im Erzbistumsarchiv Pader -<br />

born, bei denen sich der Autor im Vorwort<br />

bedankt, in falscher Schreib weise<br />

wiedergegeben werden. Richtig zustellen<br />

ist weiterhin, dass Pfarrer Gerald Haringhaus<br />

bereits 2001 mit den Aufgaben<br />

eines Pfarrverwalters der Stiftspfarrei<br />

betraut wurde und diese Funktion nicht<br />

erst seit 2003 ausfüllt (S. VIII). Die angeführten<br />

Beispiele, die ergänzt werden<br />

könnten, lassen es dringend geraten erscheinen,<br />

den vorliegenden Ausführungen<br />

und Wertungen insgesamt gegenüber<br />

kritisch zu sein und bei näherer Beschäftigung<br />

mit einem Themenkomplex<br />

sowohl die angeführten Quellen sorgfältig<br />

zu überprüfen und ihre Deutung zu<br />

hinterfragen als auch nach Ergänzungen<br />

Ausschau zu halten, die das Bild durchaus<br />

noch verändern könnten.<br />

Dem altehrwürdigen Stift Geseke<br />

bleibt zu wünschen, dass das vorliegende<br />

Buch sowohl in Fachkreisen als auch<br />

bei interessierten Laien eine durchgehend<br />

kritische Würdigung erfährt. Eine<br />

unkritische Rezeption des in diesem<br />

Buch gezeichneten Bildes würde dem<br />

Selbstver ständnis und der Leistung der<br />

Stifts damen sowie der Bedeutung des<br />

Stiftes nicht gerecht.<br />

Hans Jürgen Rade<br />

Ulrich Löer, Das adlige Kanonissenstift St. Cyriakus zu<br />

Geseke (Germania Sacra, Neue Folge 50, Die Bistümer<br />

der Kirchenprovinz Köln, Das Erzbistum Köln 6),<br />

Berlin – New York 2007, 508 Seiten, 8 Tafeln,<br />

128,00 Euro. ISBN 978-3-11-019923-9.<br />

PERSONALIEN<br />

Dr. Hubert Schmidt<br />

80 Jahre<br />

„Man bleibt jung, solange man<br />

noch lernen, neue Ge wohn hei ten annehmen<br />

und Wi der spruch ertragen<br />

kann.“<br />

Mit diesem<br />

nachdenkenswerten<br />

Spruch<br />

von Marie v.<br />

Ebner-Eschen -<br />

bach lud unser<br />

Heimatfreund<br />

zur Feier seines<br />

80. Ge burts -<br />

tages ein. Auch<br />

wer an der festlichenVeranstaltung<br />

nicht<br />

teilnehmen konnte, der weiß, wie groß<br />

die Resonanz ist, die Dr. Hubert Schmidt<br />

in den langen Jahren seines beruflichen<br />

und seines heimatbezogenen Wirkens<br />

nicht nur in seiner Heimatgemeinde,<br />

sondern im ganzen oberen <strong>Sauerland</strong><br />

gefunden hat.<br />

Oberstudiendirektor a.D. Dr. Hubert<br />

Schmidt wurde am 17. April 1927 in<br />

Dörnholthausen bei Sundern geboren.<br />

An der Universität Marburg studierte er<br />

Ge schichte, Latein, Pädagogik und Erd -<br />

kunde. Nach ersten Berufsjahren im<br />

Sauer land und im Ruhrgebiet war er von<br />

1962 bis 1970 am Gymnasium in Marsberg<br />

tätig. Er übernahm dann die Leitung<br />

des neu errichteten Gymna siums in<br />

Sun dern, dessen Ausbau er bis zu seiner<br />

Pensionierung 1989 in vorbildlicher<br />

Weise leitete.<br />

Es ist erstaunlich, dass er neben diesen<br />

Leitungsaufgaben noch Zeit für umfang<br />

reiche heimatkundliche und regionalgeschichtliche<br />

Arbeiten fand. In<br />

Marsberg erinnert man sich noch heute<br />

gern an seine fundierten Beiträge zur<br />

Lokalge schichte. In Sundern ist er seit<br />

Gründung des Heimatvereins 1977 Leiter<br />

des Fachbereichs Geschichte. Für<br />

seine Verdienste wurde er zum Ehren -<br />

mitglied er nannt. Seit 1981 füngiert er<br />

als Beauftragter für Denkmal pflege in<br />

Sundern. Dem Vorstand des Sauerlän -<br />

der <strong>Heimatbund</strong>es gehört er schon seit<br />

1967 an. 1982 wurde er in die Historische<br />

Kommission für Westfalen berufen.<br />

Wir dürfen darin die verdiente Anerken-


102 SAUERLAND NR. 2/<strong>2008</strong><br />

nung seiner wissenschaftlichen Arbeiten<br />

auf der Orts-, der Regional- und der Landesebene<br />

sehen.<br />

Für den <strong>Sauerländer</strong> <strong>Heimatbund</strong> hat<br />

unser Vorsitzender Dieter Wurm den<br />

Dank aller Heimatfreunde für die<br />

langjährige gute Zusammenarbeit übermittelt.<br />

Ad multos annos!<br />

Dr. Adalbert Müllmann<br />

Auszeichnung für<br />

Ulrich Lange<br />

Wohl alle Wanderfreunde,, aber auch<br />

viele Heimatfreunde im oberen Sau -<br />

erland kennen „Uli“ Lange aus Gröne -<br />

bach, seit langem Mitglied des Sauer -<br />

iänder Hei matbundes. Beruflich als Lehrer<br />

an der Hauptschule in Medebach<br />

tätig, ist er seit vielen Jahren Bezirks -<br />

wanderwart des SGV. In dieser Funktion<br />

hatte er schon vor zwanzig Jahren mitgeholfen,<br />

die ersten Waldjugendspiele<br />

auf Kreis ebene zu organisieren. Er setzte<br />

sich besonders für die Förderung des<br />

Schulwan-dems ein und leitete viele<br />

Fortbildungsver an staltungen für Lehrer.<br />

Bei der Gründung des Rothaarsteig-Vereins<br />

war er führend tätig. Ebenso ist ihm<br />

die Konzeption neuer großräumiger<br />

Wander wege unter der umfassenden<br />

Bezeich nung „Bergwanderpark Hoch -<br />

sau erland“ zu danken.<br />

Die Landesregierung misst den Wald -<br />

jugendspielen besondere Bedeutung zu.<br />

Das kommt darin zum Ausdruck, dass<br />

die Landtagspräsidentin Regina von<br />

Dinther die beteiligten Schulen kürzlich<br />

zur Siegerehrung in den Landtag einge -<br />

laden hatte. In diesem festlichen Rah -<br />

men überreichte die Schulministerin<br />

Barba ra Sommer unserem Heimat -<br />

freund Ulrich Lange den ersten Ehrenring<br />

des Rothaarsteig-Vereins. Auch die<br />

Klasse 4b der Grundschule Medebach<br />

wurde in diesem Rahmen ausgezeichnet.<br />

Immerhin haben an den Waldjugendspielen<br />

2007 über 32.000 Grundschüler<br />

teilgenommen.<br />

Der <strong>Sauerländer</strong> <strong>Heimatbund</strong> strebt<br />

bekanntlich einen engeren Kontakt mit<br />

dem <strong>Sauerländer</strong> Gebirgsverein - SGV -<br />

an. Deshalb freut er sich besonders über<br />

die Auszeichnung für unseren Heimat -<br />

freund Ulrich Lange.<br />

Dr. Adalbert Müllmann<br />

Landschaftsverband<br />

Westfalen-Lippe<br />

ehrt Günther Becker<br />

Am 22. April erhielt Günther Becker,<br />

Lennestadt, aus der Hand von Landes -<br />

rätin und LWL-Kulturdezernentin Dr. Barbara<br />

Rüschoff-Thale den „Förder preis für<br />

westfälische Landeskunde“. „Für das südliche<br />

<strong>Sauerland</strong> sind Sie der wichtigste Experte<br />

und Kenner regionalgeographischer<br />

Geschichte und For schung“, sagte<br />

die Landesrätin in ihrer Begründung der<br />

Preisverleihung. Das Spektrum der Arbeiten<br />

von Günther Becker reiche von der<br />

Wüstungs for schung über die Entwicklung<br />

der Siedlungs- und Sozialstrukturen bis zu<br />

wirtschaftsgeographischen Themen.<br />

Nicht zu vergessen sind dabei die Arbeiten<br />

zur Geschichte zahlreicher Ortschaften<br />

im Kreis Olpe einschließlich die jahrzehntelange<br />

Tätigkeit Beckers als Schriftleiter<br />

der „Heimatstimmen aus dem Kreis<br />

Olpe“.<br />

Günther Becker war von 1977 bis<br />

2003 Kreisheimatpfleger sowie Mitbe -<br />

gründer des Kreisheimatbundes Olpe und<br />

ebenfalls bis 2003 dessen Ge schäfts -<br />

führer. Über die Region hinaus hat er sein<br />

Wissen als korrespondierendes Mitglied<br />

der Historischen Kom mission und der<br />

Geographischen Kom mission im LWL<br />

eingebracht. Prof. Dr. Heinz Heineberg,<br />

Vorsitzende der Geo graphischen Kommission,<br />

erklärte, Günther Becker habe<br />

in die gesamte landeskundliche und regionalgeographische<br />

Forschung Westfalens<br />

hineingewirkt und zähle damit zu den<br />

namhaftesten Vertretern dieser Forschung<br />

auf Lan desebene.<br />

Zu der Festveranstaltung im Großen<br />

Saal des Olper Kreishauses waren zahlreiche<br />

Gäste aus dem Kreis Olpe, dem<br />

kölnischen <strong>Sauerland</strong> und aus Münster<br />

angereist. Der Landrat des Kreises Olpe,<br />

Frank Beckehoff, gratulierte Günther<br />

Becker zu seiner Auszeichnung. „Sie, lieber<br />

Herr Becker, haben sich in der Heimatpflege<br />

im Kreis Olpe bleibende Verdienste<br />

erworben.“ Über die Ehrung hinaus,<br />

die Günther Beckers landeskundliche<br />

Forschung fand, aber dürften seine<br />

zahllosen Einsätze in der örtlichen Heimatpflege<br />

sein, seine Kontinuität und unermüdliche<br />

Präsenz, mit der er vier Jahrzehnte<br />

hindurch das heimatbezogene Interesse<br />

und Engagement in den Städten,<br />

Gemeinden und Vereinen des Kreises Ol-<br />

pe angeregt, konkret gefördert und lebendig<br />

gehalten hat.<br />

Hubertus Halbfas<br />

SAUERLAND<br />

<strong>Zeitschrift</strong> des <strong>Sauerländer</strong> <strong>Heimatbund</strong>es (früher<br />

Trutznachtigall, Heimwacht und <strong>Sauerland</strong>ruf)<br />

41. Jahrgang Heft 2. Juni <strong>2008</strong><br />

ISSN 0177-8110<br />

Herausgeber und Verlag: <strong>Sauerländer</strong> <strong>Heimatbund</strong><br />

e. V., Postfach 14 65, 59870 Meschede<br />

Vorsitzender: Dieter Wurm, Am Hainberg 8 a,<br />

59872 Meschede, Tel. (02 91) 71 90 p, Fax (02 91)<br />

71 90 p, 94-16 05 d, Fax 94-2 61 71. Stellv. Vorsitzende:<br />

Wilma Ohly, Goerdelerweg 7, 57462 Olpe,<br />

Tel. (0 27 61) 6 16 98.<br />

Ehrenvorsitzender: Dr. Adalbert Müllmann, Jupiterweg<br />

7, 59929 Brilon, Tel. (0 29 61) 13 40<br />

Geschäftsstelle: Hochsauerlandkreis, Fachdienst<br />

Kultur/Musikschule, Ulla Schmalt/Karin Kraft,<br />

Telefon (02 91) 94-14 62, Telefax (02 91) 9 42 61 71,<br />

Anja Hagedorn, Telefon (02 91) 94-14 65, e-mail:<br />

kultur@hochsauerlandkreis.de, Postfach 14 65,<br />

59870 Meschede<br />

Internet: www.sauerlaender-heimatbund.de<br />

Konten: Sparkasse Arnsberg-Sundern<br />

(BLZ 466 500 05) 4 000 600.<br />

Jahresbeitrag zum <strong>Sauerländer</strong> <strong>Heimatbund</strong> einschließlich<br />

des Bezuges dieser <strong>Zeitschrift</strong> 12,– EUR.<br />

Einzelpreis 3,50 EUR.<br />

Erscheinungsweise vierteljährlich.<br />

Redaktion: Günther Becker, Lennestadt. Werner Cordes,<br />

Attendorn. Dr. Theo Bönemann, Menden.<br />

Su sanne Falk, Lennestadt. Norbert Föckeler, Brilon.<br />

Professor Dr. Hubertus Halbfas, Drolshagen.<br />

Heinz Lettermann, Bigge-Olsberg. Dr. Adalbert<br />

Müllmann, Brilon. Heinz-Josef Padberg, Meschede.<br />

Dr. Erika Rich ter, Meschede. Michael Schmitt, Sundern.<br />

Dr. Jür gen Schulte-Hobein, Arnsberg. Dieter<br />

Wiethoff, Meschede. Dieter Wurm, Meschede.<br />

Schlussredaktion: Hans Wevering, Schloßstr. 54,<br />

59821 Arnsberg, Tel. (0 29 31) 32 62, Fax (0 29 31)<br />

1 29 83, e-mail: hanswevering@t-online.de,<br />

Martin Reuther, Alter Soestweg 85, 59821 Arnsberg,<br />

Tel. (02 91) 94-14 58, e-mail: martinreuther@t-online.de<br />

Redaktionsanschrift: <strong>Sauerländer</strong> <strong>Heimatbund</strong>,<br />

Postfach 14 65, 59870 Meschede<br />

Lithografie, Layout und techn. Redaktion:<br />

Hans Wevering, Schloßstraße 54, 59821 Arnsberg,<br />

Tel. (0 29 31) 32 62, Fax (0 29 31) 1 29 83, e-mail:<br />

hanswevering@t-online.de<br />

Druck: becker druck, F. W. Becker GmbH, Grafenstraße<br />

46, 59821 Arnsberg, Tel. (0 29 31) 52 19-0<br />

Anzeigenverwaltung:<br />

becker druck, F. W. Becker GmbH,<br />

Grafenstr. 46, 59821 Arnsberg,<br />

Tel. (0 29 31) 52 19-21, Fax (0 29 31) 52 19-6 21.<br />

Es gilt die Anzeigenpreisliste Nr. 9 vom 1. Jan. 2006.


Dieser Edel-Kornbrannt<br />

mit 38 % vol. lagert<br />

mindestens 2 Jahre in<br />

kleinen Sherry-<br />

Holzfässern.<br />

So bekommt er<br />

seinen besonderen<br />

bernstein-farbenen<br />

Glanz und die milde,<br />

feine und<br />

weiche Note.<br />

&<br />

Dieser delikate Halbbitter mit<br />

35 % vol. definiert sich über<br />

die genussvolle Kombination<br />

verschiedener Waldbeeren,<br />

Kräuter und Wurzeln.<br />

Seine über Jahrzehnte gereifte<br />

und verfeinerte Rezeptur<br />

hat nicht nur einen besonderen<br />

Geschmack hervorgebracht,<br />

er ist zudem noch<br />

sehr bekömmlich.


www.warsteiner.de<br />

Die pure Freude.

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