Download (PDF)
Download (PDF)
Download (PDF)
Verwandeln Sie Ihre PDFs in ePaper und steigern Sie Ihre Umsätze!
Nutzen Sie SEO-optimierte ePaper, starke Backlinks und multimediale Inhalte, um Ihre Produkte professionell zu präsentieren und Ihre Reichweite signifikant zu maximieren.
E isElaDie Mystikerinvon Niederbronnli1814 1867a ts bet Eing rpp nbethEppiei ge
1814-1867Die Mystikerin von NiederbronnKennen Sie das Elsass, diese schöne, reizvolle Gegend im äußerstenOsten Frankreichs, an der Grenze zu Deutschland, deren unbeständigeGrenzen mehrmals verschoben wurden? Hier im nördlichen Elsass,einer Hochburg der Reformaon, wurde in Bad Niederbronn, einemvon Wald umgebenem kleinen Stadt seit der Römerzeit als Kurort mitheilkräigem Wasser renommiert, am 9. September 1814 ElisabethEppinger geboren. Diese kleine Ortscha liegt am Fuß der letztenAusläufer der Vogesen, wo die elsässische Ebene mit Lothringenzusammentri. Die Gegend lebt vor allem von der Landwirtscha.Kleine Anwesen bewirtschaen die Felder und Wälder.Ein schöner, strahlender junger Mann, ganz weiß gekleidet,eine Dornenkrone auf dem Kopf – so unterhält sich Jesusmit seiner geliebten Elisabeth. Neben ihrem Sohn steht Maria,in leuchtendem Weiß, und bittet für die Welt.Aber wer ist denn diese junge Elisabeth, belägerig und krank, derin der Mie des 19. Jahrhunderts solche Visionen zuteil werden? DieBesucher kommen ständig in großer Zahl, um sie kennen zu lernenund Rat zu erbien. Dieses wenig gebildete, sehr krankheitsanfällige„arme Mädchen“ hat jedoch nie ihren Heimatort im Elsass verlassen.Manche nennen sie „die Seherin von Niederbronn“.Zu dieser Zeit sind die Lebensbedingungen in dieser ländlichen undbescheidenen Welt hart. Zahlreiche Epidemien wüten: Ruhr, Pockenoder Cholera. Der Zusammenhalt im Dorf ist eine Frage auf Leben undTod. Die Familien sind fest miteinander verbunden. So teilen sich z. B.Protestanten und Katholiken den einzigen Ort für den Goesdienst,die jetzige evangelische Kirche. Dort wurde die kleine Elisabeth amTag nach ihrer Geburt von Abbé EBERLEIN getau, einem Priester, derehemals den Eid auf die Verfassung 1 verweigert hae. In dieser Gegendist der im Elsass sehr verbreitete Katholizismus eine Minderheit.Die Region, die den Grafen von Hanau–Lichtenberg gehört, ist nämlichseit 1570 evangelisch. Die Kriege des 16. Jahrhunderts haen dieBevölkerung der Grafscha dezimiert, in der Folgezeit brachte eineEinwanderungsbewegung Neuankömmlinge in dieses Gebiet, unterihnen waren auch katholische Familien, dazu gehörten die Vorfahrender Familie Eppinger.1In der französischen Revoluon sollte durch die Zivilkonstuon des Klerus (1790) auch diekatholische Kirche in die neue polische Ordnung integriert werden. Alle Priester haen einenEid auf die Verfassung der Republik abzulegen; wer dies verweigerte, musste Frankreich verlassenoder mit harten Strafen rechnen (Gefängnis, Deportaon und sogar Hinrichtung).3
Kapitel 1 . 1814-1830Einfache fromme Kindheitauf dem LandDie Familie EPPINGER ist eine der ältesten katholischenFamilien Niederbronns. Elisabeths Eltern, Johann GeorgEPPINGER und Barbara; geb. VOGT, sind Kleinbauern, fleißig,geachtet und tiefchristlich. Sie haben elf Kinder, Elisabethist das älteste von ihnen. Ihr Vater führt das bescheideneLandgut umsichtig. Die Mutter muss sowohl im Haus alsauch auf dem Feld und im Stall sein. Elisabeth geht also ihrerMutter sehr früh zur Hand und beaufsichtigt die zahlreichenjüngeren Geschwister, hilft im Haushalt und auch bei derArbeit auf dem Feld. Die Arbeit hat sie nie gescheut, siemacht sie geschickt und flink. Mit Freude und in allerEinfachheit wendet sie sich an die Mutter Gottes, gernebetet sie den Rosenkranz.5
Eines Tages, als Elisabeth auf dem Weg ein Kreuz sieht, fragt sie ihreMutter:- Warum hat man Jesus gekreuzigt?- Mein Kind, das ist wegen unserer Sündengeschehen, antwortet ihre Mutter traurig.- Aber was ist das: eine Sünde?fragt Elisabeth eindringlich weiter.- Das ist: Gott kränken… antwortet ihre Mutter.- Dann will ich ihn nicht mehr kränken!ruft Elisabeth mit bewegtem Herzen.„ Es sind unsere Leiden,die er getragen hat,unsere Schmerzen wurdenihm aufgeladen.“ Jes 53,4Diese Entdeckung hat das Kind tief berührt. Später wird Elisabethsagen: Von da an ist in mir jeden Tag der Wunsch mehr gewachsen,zu wissen, was man tun soll, um Gott zu lieben und ihn nicht zukränken… Das hat mich tief erschüttert und mich veranlasst, zugehorchen. Sehr jung schon muss sie ihre starke Persönlichkeitunterwerfen. Dieses leidenschaftliche Wesen verwandelt sein Ungestümin missionarische Dynamik und regt die Freundinnen an, mit ihrChristus zu trösten und seinen Willen zu tun. Ich redete zu meinenGefährtinnen vom Leiden Christi, so gut ich es konnte.Lebhaft, willensstark und eigenständig, zeigt sie ab dem Alter vonsechs Jahren eine gewisse Neigung zur Einsamkeit, denn sie fühlt sichvon Gott angezogen und unterhält sich gern mit Ihm. Ganz besondereLiebe empfindet sie für die Priester: Von meiner Kindheit an hatder Herr eine tiefe Ehrfurcht vor den Priestern in mein Herz gelegt…Sie sind die Ausspender der göttlichen Gnade. Die Priester sind dieBrüder und die Lieblinge unseres geliebten Heilandes.Mit neun Jahren geht sie in die Schule. Das ist ein großes Opfer fürihre Eltern, denn sie verlieren eine wertvolle Hilfe, aber sie wünschenvon ganzem Herzen, dass ihre Tochter Unterricht erhält und vorallem, dass sie auf die Erstkommunion vorbereitet wird. Der Wegwird nicht leicht, denn Elisabeth hat große Gedächtnisprobleme.Außerdem ist ihre Muttersprache elsässisch (deutschen Dialektenähnlich) und nicht französisch. Trotz ihres Fleißes wird sie nie richtigschreiben und nur mit Mühe lesen können. Ihre Eltern achten immerauf ihre Schwierigkeiten und zeigen ihr ihre Zuneigung.7
Endlich kommt der unvergessliche Tag ihrer Erstkommunion, derWeiße Sonntag 1828; sie ist damals 14 Jahre alt. Später wird sieschreiben: Ich konnte fast nicht sprechen, ich empfand eine beständigeFreude und fühlte mich hingezogen zu Liebe und Danksagung.Von diesem Tag an ist die Eucharistie ihre Kraft für das Lebengeworden. Nach meiner Erstkommunion hatte mir mein Beichtvatererlaubt, alle zwei Wochen die heilige Kommunion zu empfangen.Diese Zeit schien mir zu lang. Ich ging also acht Tage darauf zu ihmund fragte wieder um die Erlaubnis, kommunizieren zu dürfen. DerBeichtvater fragte mich, warum ich öfter kommunizieren wollte.Ich sagte ihm meinen Wunsch, im Leben mit Gott voranzukommenund dafür brauchte ich die Kommunion. Mein Beichtvater stelltemir einige Fragen: Wie ich meine Gebete verrichtete, wie ich meinenEltern gehorchte, wie ich mich bei der Messe in der Kirche verhalte.Ich antwortete, dass ich tat, was ich konnte, um mit meinem ganzenBenehmen Gott Freude zu machen. Mein Beichtvater sagte zu mir:„Mein Kind, geh zur heiligen Kommunion und bitte Gott, dass er in dirdiesen Wunsch wachsen lasse.“Nach den Gewohnheiten der Gegend beginnt mitdem Tag nach der Erstkommunion der Eintrittin das Leben der Erwachsenen: Die Arbeit war soanstrengend, dass ich Stunden zubrachte, ohne recht inder heiligen Gegenwart Gottes geblieben zu sein. In ihr istalso eine besondere Liebe zum inneren Gebet entstanden.Aber sie muss noch mit ihrer starken Persönlichkeitkämpfen. Mit der Hilfe Marias möchte sie mit ganzemHerzen gegen ihre Schwächen kämpfen. Hörenwir dazu: Während meiner Jugend musste ich einenschweren Kampf mit meinem cholerischen Charakterführen. Ich war sehr auf meine Zeiten für das Gebetbedacht. Ich teilte mir die Arbeit so ein, dass ich zurMesse gehen konnte. Wenn ich daran gehindertwurde, wurde ich wütend. Und wenn mir meineEltern zu der Zeit, da ich weggehen wollte, eineArbeit auftrugen, gehorchte ich ihnen öftersnicht. Eines Tages, als ich gegen ihren Willenwährend der Woche zur Messe ging, war ichauf dem Rückweg nach Hause beunruhigt, ichverstand in meinem Gebet, dass ich so Gottauf keinen Fall gefallen könne: „O Jesus, duweißt um meinen Wunsch. Gib mir, was meinHerz so innig verlangt: dich zu kennen und zulieben.“Welche Ähnlichkeit findet sich da mitder kleinen Bernadette Soubirous, die30 Jahre später in einer gläubigen undliebevollen Familie im SüdwestenFrankreichs geboren wird, ein fleißiges,eigenwilliges Mädchen mit schwacherGesundheit, das nur den Dialekt derRegion sprach und Schwierigkeiten inder Schule hatte.Die evangelische Kirchein Niederbronn, die alsSimultankirche für Protestantenund Katholiken diente.Hier wurde Elisabeth getauft.9
Kapitel 2 . 1830-1845Schwere spirituelleund physische LeidenBald darauf, im Alter von 16 bis 20 Jahren, erlebt Elisabethimmer wieder Zeiten unbeschreiblicher Angst.Die unaussprechliche Freude der Gegenwart Gottes spürtsie nicht mehr. Sie verliert die Freude am Gebet und wirdvon tiefen Zweifeln befallen.„Warum dauert mein Leiden ewig?Warum ist meine Wunde so bösartig,dass sie nicht heilen will?Jer 15,18Elisabeth erinnert sich an diese schwere geistliche Prüfung,die sie tief erschüttert hat: In meiner größten Angstwagte ich es nicht einmal, zum Himmel oder zum Kreuz aufzuschauen,wird sie später schreiben, und meine inneren Leidenwurden so heftig, dass mein Leib davon geschwächt wurdeund meine Gesundheit abnahm.Ihr Herz schrie :„ Mein Gott, mein Gott,warum hast du mich verlassen?Ps 21 [22], Mt 27,46““11
Sie erinnert sich besonders an ihr Durchhalten im inständigen Gebetihrer Kindheit, ihr Herz rein zu bewahren, zur Heiligkeit zu gelangenund immer in allem den Willen Gottes zu erfüllen. Das war einesehr schwere Prüfung, aber die Kranke lässt sich nicht besiegenund wächst daran – dank der ungewöhnlichen Energie, die für siecharakteristisch ist.Unwillkürlich denkt man da an die junge Therese von Lisieux, diemehrere Jahre später ähnliche psychische und physische Leidendurchleben wird. Und finden wir diese Ängste und Zweifel nicht nochheute – wie auch damals, am Ende der französischen Revolution undvor dem Aufstand von 1848?Die Krankheit nimmt im Jahr 1834 ihr Ende. Ich war damals 20 Jahrealt, und von da an erfreute ich mich einer ziemlich stabilen Gesundheitbis zu meinem 27. Lebensjahr.Wieder gesund geworden nimmt Elisabeth ihre vielfältigen Arbeitenerneut auf, im Haus, im Dorf und natürlich auch in der Pfarrei: Ichübte noch mehr als vorher das ständige Gespräch mit Gott im innerenGebet bei meinen täglichen Beschäftigungen. Ob bei der Arbeit oder inGesellschaft, ich erinnere mich nicht, dass ich auch nur zehn Minutenverbracht hätte, ohne mich innerlich mit Gott zu unterhalten.Manche aus ihrem Dorf machten sich über sie lustig, aber anderefühlten sich von ihrer geistlichen Ausstrahlung, ihrem Eifer undder Einfachheit ihres Lebens angezogen. So kommt es, dass ihreine kleine Gruppe katholischer Mädchen folgt, die sich nachihrem Beispiel Gott hingeben wollen. Elisabeth selbst legt 1842 mitEinverständnis ihres Beichtvaters Abbé Johann David Reichard, demPfarrer von Niederbronn, der sie seit ihrem 9. Lebensjahr kennt, vollFreude vor Gott ein Gelübde ewiger Keuschheit ab.Kreuz im ehemaligenZimmer von Elisabeth,das zu einer Kapelleumgestaltet wurde„Mein Geliebter ist mein und ich bin sein.Hld 2,16“13
Elisabeth und ihre ersten Gefährtinnen besuchen aufAnregung ihres Pfarrers einsame, kranke, alleinstehendeMenschen und Familien in Schwierigkeiten. Möglicherweisehat sich Elisabeth bei einem dieser Besuche eine fieberhafteTyphuserkrankung zugezogen. Denn 1841 – 1842 ist sienochmals eineinhalb Jahre krank.Ihre Liebe zur Einsamkeit verstärkt sich und ihre Sehnsuchtnach Gott nimmt immer mehr zu. Unaufhörlichbetet sie und opfert ihre körperlichen Leiden auf (Fieber,anhaltende Kopfschmerzen, heftige Bauchschmerzen,Entkräftung, Erschöpfung, extreme Schwäche). Esfällt ihr schwer, zu akzeptieren, dass sie eine großeLast für ihre Familie ist und nicht mehr bei der Arbeithelfen kann, umso mehr, als eben das elfte Kind zurWelt gekommen ist. Sie leidet auch psychisch: MeineKrankheit war am Anfang sehr schmerzhaft, aber dieinneren Leiden waren noch heftiger, ich hatte denTod vor Augen, ich war bedrängt von schrecklichenVersuchungen, die mich dazu brachten,an meiner Rettung zu verzweifeln.Sie bittet nun die heilige Theresia von Avila um ihreFürsprache, damit sie Gott so sehr lieben kann wie sieund dass sie wie sie durchhält in den Leiden. Aber siewill leben: Ich wollte noch nicht sterben, ich betete umVerlängerung meines Lebens und bat Gott, ihm nochsehr lang dienen zu können. Als die Krankheit fortschrittund ernster wurde, fürchtete ich sehr, nicht gesund zuwerden und nicht in ein Kloster eintreten zu können.1845 wird Elisabeth dann neuerlich krank und leidetheftig während vier langer Jahre; diese werden jedochzu Jahren voll großer Gnaden.Heilige Theresiavon Avila15
Kapitel 3 . 1845-1848Die « Ekstatikerin »von NiederbronnDie körperlichen Leiden verstärken sich, aber Elisabethscheint sich keine Sorgen darum zu machen. Ständigbettlägerig, wie gelähmt, fortwährend leidend, lebt sieunaufhörlich mit Jesus, ihrem göttlichen Bräutigam.Mit etwa 30 Jahren erlebt die junge Frau im Gebet ungewöhnlichePhänomene, „Ekstasen“ genannt in Französisch(abgeleitet vom lateinischen Ausdruck „ex“, das heißt „aus,aus…heraus“ und „stare“ bedeutet sich befinden). Sie fühltsich wie „nach außerhalb ihrer selbst versetzt“ und weißnicht mehr, was um sie herum geschieht, ist sich nicht einmalihres Leibes bewusst. Sie unterhält sich dann ganz einfachmit Jesus und erhält wertvolle Erleuchtungen. Sie sagt, dasssie Jesus sieht in der Gestalt eines jungen Mannes in weißemKleid, mit gütig strahlendem Gesicht, auf dem Kopf eine Dornenkrone.Sie unterhält sich mit Ihm und erhält Belehrungenfür sich selber wie auch für die, die sie besuchen. Wiederholtsieht sie in einer schrecklichen Vision die Sünden der Welt.Mehr und mehr ergründet sie das Geheimnis des Kreuzesund der göttlichen Barmherzigkeit. Das Heil der Seelen wirdihr ständiges Gebetsanliegen: Ich denke an sonst nichts alsdaran, den Willen Gottes zu erfüllen und aus Liebe zu leiden.17
Mein einziger Wunsch ist, dass der Name Gottes von allen Menschenverherrlicht werde und dass man ihn besser kennen möge.Im bescheidenen Zimmer ihres Dorfes sieht Elisabeth in ihrenVisionen auch zahlreiche Ereignisse in der Welt, von denen sie nichtdie mindeste Ahnung haben konnte, weder von ihrer Umgebungher noch auf Grund ihrer Bildung und noch weniger aus den Medien.Sie erkennt zum Beispiel deutlich die schweren Leiden des neuenPapst Pius IX., der am 16. Juni 1846 gewählt wurde und für den zubeten sie ihr Beichtvater aufgefordert hatte. Jesus vertraut ihr an:„Ich gebe meiner Kirche einen Mann nach meinem Herzen als Hirten.“Sie sieht, wie der neue Oberhirte betet, leidetund in seiner nächsten Umgebung allen möglichen Widersprüchenausgesetzt ist. Sie versteht, dass Pius IX.zur Verehrung Marias wirken wird. Tatsächlich ist eres, der einige Jahre später, im Jahr 1858, das Dogmavon der Unbefleckten Empfängnisverkündet.Sie sieht auch den Zustand derKirche und die dringende Notwendigkeitder Heiligung derPriester. Eine der größten Gnaden, die Jesus unsdurch sein Leiden und Sterben erwirkt hat, ist dieEinsetzung der Eucharistie und die der Macht, durch die uns die Sakramentegespendet werden. Statt Gott für diese ungeheuren Wohltatenzu danken, denkt man nicht daran und hat man wenig Ehrfurcht vorden Priestern…, man betet nicht für sie… Trotz all dieser Undankbarkeitschenkt uns Gott dennoch weiterhin seine Gnaden, um uns immermehr seine grenzenlose Barmherzigkeit zu zeigen. Sie sagt noch: Wennich nur den Priestern sagen könnte, wie sehr Gott sie mit ganz besondererLiebe liebt, wie erhaben ihr Stand ist! O wennsie verstehen könnten, wie sehr Gott sie liebt!Die Untreue mancher Kirchenleutelässt ihr keine Ruhe. Ihr ganzesLeben lang wird sie unaufhörlichfür sie beten, und viele werdenkommen und sie um Ratbitten.Aber das ist nicht alles. IhreVisionen berühren auch denBereich der Politik, Erinnernwir uns daran, dass das19. Jahrhundert sehr bewegtwar. So lernt Elisabethwährend ihres Lebens fünfverschiedene politische Systemekennen.19
Die Restauration (Wiedereinführung der Monarchie) mit denKönigen Ludwig XVIII und Karl X dauert von 1814 bis 1830. Zudieser Zeit gestaltet der Wiener Kongress (1814 – 1815) Europa nachden Vorstellungen der Großmächte um, die Napoleon I. besiegthatten. Frankreich behält aber Elsass und Lothringen 2 .Dann erlebt Frankreich im Juli 1830 Revolutionstage, die zur Einführungeiner parlamentarischen Monarchie mit Louis Philippe führen.Die „Julimonarchie“ endet 1848, einem der turbulentesten Jahre inder Geschichte des 19. Jahrhunderts. In diesem Jahr treten in Europamächtige nationalistische Strömungen und eine tiefe soziale Krisezu Tage. Diese Strömungen und Ideen breiten sich über ganz Europaaus und führen zu großen politischen Veränderungen, zur Gründungneuer Staaten (Deutschland, Italien, Belgien) und einer neuen Festlegungder Grenzen, besonders in Italien; dort steht die weltlicheMacht des Papstes im Zentrum der Konflikte.Im Februar 1848 wird in Frankreich die Zweite Republik ausgerufen.Im Dezember 1851 folgt darauf die Einführung des Zweiten Kaiserreichsmit Kaiser Napoleon III. (1851 – 1871).1846 ahnt Elisabeth in ihren Visionen voraus, dass die Herrschaftvon Louis Philippe zusammenbricht und der König vertrieben wird.Dann wird nach ihren Visionen ein Mann berufen, Frankreich zu retten(Napoleon III.). Wiederholt sieht sie auch den blutigen Aufstand,der 1848 in Paris stattfinden wird. Sie ist tief erschüttert durch dieVision der Kämpfe und zahlreicher Toter.Angesichts all dieser Ereignisse mahnt die Seherin zum Gebet, zurBuße und zur Bekehrung. Deutlicher als je zuvor begreift sie die LiebeGottes und die Undankbarkeit der Menschen. Sie erkennt, dassuns Gott ungemein liebt, dass aber so viele Menschen gleichgültigsind gegenüber dieser grenzenlosen Liebe. Es ist die gleiche Botschaft,die eine schlichte Schwester der Heimsuchung 1675 in Parayle-Monialerhalten hatte: „Das ist das Herz, das die Menschen sosehr geliebt hat, das vor nichts zurückgescheut hat, bis es sich ganzhingegeben und verbraucht hat, um ihnen seine Liebe zu bezeugen.Und zum Dank erhält es von den meisten nichts als Undank.“2Nach der Niederlage Frankreichs von 1871 gehörtdas Elsass zu den Provinzen, die Frankreich verlorengehen, es wird deutsch. 1918 wird das Elsass wieder indie Republik Frankreich eingefügt. 1940 wird es vomnaonalsozialisschen Deutschland annekert, bevor es1944/45 wieder französisch wird.21
Kapitel 4 . 1848-1849Besucher drängen sichum ihr KrankenbettTag für Tag erzählt Elisabeth in Ruhe und Einfachheit alleswas sie sieht ihrem treuen Beichtvater Abbe REICHARD,der die Informationen regelmäßig an den Bischof von StraßburgMsgr. RAESS weitergibt. Dieser ist ein Mann für dieMenschen und sehr aufmerksam, ein hervorragender, wohlwollenderSeelsorger.Im Lauf des Jahres 1948 – 1849, als sie 35 Jahre alt ist, regt ihrBeichtvater die Seherin an, ihr Leben zu erzählen. Der Berichtwird von Abbé REICHARD gesammelt und in Deutsch niedergeschrieben:„Leben von Elisabeth Eppinger, auf Befehl ihresBeichtvaters von ihr selbst erzählt und von diesem geschrieben.“Und während der Beichtvater ihre Äußerungen sorgfältigsammelt, geschehen weit weg von Niederbronn geradeEreignisse, die die Visionärin beschreibt. Einige gutinformierte angesehene Persönlichkeitenwerden auf gewisse Übereinstimmungenaufmerksam.23
Das Gerede beginnt sich zu verbreiten, denn Niederbronnist ein Kurort. Nicht nur aus dem gesamten Elsass kommenKurgäste hierher, sondern auch aus nahe gelegenen französischenGebieten und aus den angrenzenden deutschen Herzogtümern. DerKurbetrieb erlebt sogar wieder einen Aufschwung. Die politischeSituation, die das von revolutionären Bewegungen erschütterteEuropa erlebt, beunruhigt die Menschen. Leute aus den sozialenSchichten, die in den Kurort kommen, suchen eine Meinung, einWort, das wieder Vertrauen gibt. War da nicht die Rede von einerFrau, der Gott besondere Erleuchtung schenkt? Man möchte mit ihrsprechen. Besucher drängen sich um das Haus Eppinger, sie bitten„die Kranke“ um Gebet, um Rat und erzählen sich gegenseitig, wiewohltuend diese Begegnung war.So entsteht eine Bewegung, die bald als „Störung der öffentlichenOrdnung“ angesehen wird. Der Bürgermeister Albert de DIETRICHgreift deswegen den Pfarrer an, denn er sieht in ihm den Verantwortlichenfür diese Besuche und für die Reden, die im Umlaufsind. Diese Besuche sind auch sehr lästig für die Familie, die allemGespött der Nachbarn ausgesetzt ist.Angesichts dieser verwirrenden Gegebenheiten beschließtder Bischof von Straßburg, persönlich nach Niederbronn zukommen; Ende Juli 1848 verbringt er drei Tage dort,um die Seherin einer eingehenden Prüfung zuunterwerfen. Er erkennt in Elisabeth einebevorzugte Seele mit außergewöhnlichenGnaden, eine geradlinige Person, vollkommentreu im Glauben, frei von jedem Verdachteiner Täuschung.Später, als heftige Angriffe gegen sie gerichtetwerden, wird er schreiben: Ich habe in ihralle Züge einer bevorzugten Seele erkannt, vonbewundernswerter Offenheit, von vornehmerEinfachheit und gutem, unerschütterlichemGlauben. Trotz der Fallen, die ich ihr gestellthabe, und der Widersprüche, in die ich sieverwickeln wollte, erschien es mir unmöglich,irgendeinen Fehler bei ihr zu finden.Nach dem Besuch des Bischofs und seinerwertvollen Unterstützung kommt das Lebenvon Elisabeth vollständig durcheinander. DieBesucher drängen sich um sie, der sie denBeinamen „Ekstatikerin von Niederbronn“geben. Ihre Äußerungen verbreiten sich überdie Grenzen der Diözese hinaus. Manchehalten sie für eine Schwärmerin, eineGeisteskranke oder eine Betrügerin, anderedagegen möchten sie unbedingt treffen, umGebet und Rat von ihr zu erbitten. Wenn einBesucher Elisabeth eine Frage stellt, wendetsie sich an Jesus und sagt zu ihm: Meingöttlicher Bräutigam, was soll ich antworten?Wenn sie keine Antwort erhält, dann sagt sienichts. Für viele sind diese Begegnungen mitder Kranken Trost und ein großes Licht für ihrLeben. So kommt es, dass sie Persönlichkeitender bürgerlichen Gesellschaft und der Kirchebesuchen wollen.Alte Treppe im Geburtshaus,die von vielen Besuchernbenutzt wurdeMutter Alfons Mariaim Kirchenfenster vonReichshoffen25
Elisabeth will nicht auffallen. Sie lebt ihren Weg der Gnade inZurückhaltung und im Gehorsam gegen ihren Beichtvater. Sieist sich ihrer Unwürdigkeit voll bewusst und sagt zu Jesus: Wiekannst du mir solche Gnaden gewähren, mir, die ich so klein bin, dieich nichts bin? Elisabeth bleibt diese kleine Bauerntochter mit labilerGesundheit und geringer Bildung, ganz eingefügt in das Leben ihrerFamilie und ihres Dorfes, das sie nie verlassen hat.Und dennoch geht ihre geistliche Ausstrahlung von ihrembescheidenen Zimmer im Haus Eppinger über die Grenzen hinaus.Diese 1783 entstandene Kongregation ist im ganzen Elsassverbreitet und führt Schulen zur Bildung der Mädchen.Ihr kirchlicher Superior schlägt der Kranken vor, selbstzu kommen, um ihr das Ordenskleid zu geben; sie sollden Namen Schwester Alfons Maria von Liguori tragen(dieser Priester aus Neapel, der sich im 18. Jahrhundertum die Armen am Land kümmerte, ist der Gründer derRedemptoristen). Aber Bischof Raess, den der Pfarrer umRat fragte, schreibt sehr treffend: Die Klugheit erfordert,dass in dieser Sache nichts überstürzt wird. Auch für AbbéReichard ist Elisabeth zu etwas anderem berufen, zumgrößeren Wohl für die Diözese. Aber worin besteht „diesesandere“, zu dem sie berufen sein wird?Zur gleichen Zeit kommen auch Scharen nach Ars, einer kleinenOrtschaft in den Dombes. Einer Gegend in Ostfrankreich, und wartenstundenlang, um den demütigen Pfarrer des Ortes zu treffen, denheiligen Jean-Marie VIANNEY.Seit frühester Jugend hatte Elisabeth immer den sehnlichen Wunsch,sich Gott zu weihen. Die elsässischen „Lehrschwestern von derGöttlichen Vorsehung aus Ribeauvillé“, die vor einigen Jahren nachNiederbronn gekommen sind, würden sie mit Freude aufnehmen.Alfons Maria von LiguoriPfarrer Johann-DavidReichard (1796 - 1867),Mitbegründer underster Superior derKongregation27
Kapitel 5Eine besondere BerufungJesus wird seiner kleinen Braut verstehen lassen, dasssie zur Gründung einer neuen Ordensgemeinschaftberufen ist: Ich habe dich für diesen Auftrag bestimmt.Ich gebe dir die nötigen Gnaden, ich werde dich lehren,was du sagen sollst. Ich will dir die inneren Wege zeige,auf denen du jede führen sollst… Verlass dich auf mich,lass dich von nichts beunruhigen, wenn du meinen Willentust.Am 20. Dezember 1848 erneuert Elisabeth ihr Gelübde immerwährenderKeuschheit und fügt ein Gehorsamsgelübde gegen ihrenBeichtvater an. Dieser soll Superior der neuen Ordensgemeinschaftsein. In der fürchterlichen Nacht zum 21. Dezember werden ihr dannvom Himmel alle Fehler gezeigt, die sie begangen hat, und wie vieleGnaden und Erleuchtungen deshalb nicht empfangen werden konnten.Das erinnert daran, dass der Pfarrer von Ars, dieser unermüdlicheBeichtvater, auch eine furchterregende Offenbarung seinerSünden erlebte. Wie der demütige Pfarrer wird siemehrmals vom „Bösen“ angegriffen. So kommtam 13. März 1849, während sie sich mit jemandunterhält, ein Schatten auf sie zu und nimmt dieForm einer Schlange an, die sie beleidigt und Beschuldigungenausstößt wie „Heuchlerin, Betrügerin,Lügnerin“. Elisabeth erschrickt, sie greiftnach dem Kreuz und findet unverzüglich Frieden.Am 28. August 1849 erleben die Bewohner Niederbronns den Einzugder ältesten Tochter der Familie Eppinger in ein kleines Haus im Ort,wo vier elsässische Mädchen auf sie warten. In der gleichen Wocheschließen sich ihnen fünf weitere an. Sie bilden mit Elisabeth eineGemeinschaft mit zehn Mitgliedern.Bald nennt man das Haus „das Klösterle“. Die Ordensgemeinschaftder Töchter des göttlichen Erlösers wurde also in großer Einfachheitgegründet. Das Klösterle ist ein Haus im Dorf, mitten unter anderen.Im Erdgeschoß wird eine sehr schlichte Kapelle eingerichtet.Eine kleine Gemeinschaft erwacht zum Leben; ihre Mitte ist die ersteRegel, die man so zusammenfassen kann: Im Evangelium das gütigeHerz Jesu betrachten, seine Haltung gegen alle, die an Seele undLeib leiden, ebenso gegen die Sünder. Das eigene Herz nach demHerzen Jesu bilden, um wie Er der barmherzige Samariter zu sein(Lk 10, 25 – 37) und nach dem Beispiel der Jünger, zu denen Jesussagt „Geh und handle genau so“, lernen, zu lieben und allen nahezu sein.Am 9. September 1849, mit 35 Jahren, erhält Elisabeth das Ordenskleidin der kleinen Kapelle, die eben erst im Lauf des Sommers eingerichtetwurde, und nimmt offiziell den Namen SchwesterAlfons Maria an. Sie wird vom Bischof zur Oberin derneuen Kongregation ernannt. Am 27. Dezember werdendann die ersten Novizinnen eingekleidet undversprechen Sr. Alfons Maria Gehorsam. Sie bildendas erste Noviziat.Msgr. Andreas Raess,Bischof von Straßburg(1842 - 1887)29
Einige Tage später, am 2. Januar 1850, wird Sr. Alfons Maria ihreOrdensprofess ablegen.„Steh auf, meine Freundin, komm, meine Schöne,so komm doch!Hld 2,13 b.Ein Zeuge schreibt darüber:Sie war wie von Licht umgeben. Sie war an diesem Tag ganzergriffen vom Gefühl lebhafter Dankbarkeit; sie musstesich zurückhalten, dass sie nicht hin und wieder inJubel ausbrach.Am gleichen Abend spricht Sr. Alfons Maria diesesGebet:O Maria, meine liebe Mutter,erbarme dich über mich und nimm mich als dein Kind an.Sieh, ich soll jetzt Mutterstelle an diesen Kindern versehen;allein, wie kann ich dies?Ich bin ja so arm; erbarme dich über meine Armut.Erbitte mir bei deinem Sohn, meinen göttlichen Bräutigam,ein so gutes mütterliches Herz wie das deinige ist.Erbitte mir Einsicht, Weisheit und Kenntnisse.O heiliger Alfons, heilige Theresia,seht die harte Bürde, die mir auferlegt worden ist.Helft mir! Bittet für mich!“Am Schluss dieses Gebetes gerät sie nochmals in Extase:Begleitet von den Heiligen, die sie angerufen hatte,begibt sie sich Jesus zu Füßen und betet:Sieh, mein göttlicher Bräutigam,ich muss nochmals zu dir kommen.Ich lege mein Herz in das deine, nimm es und gib mir deines.O, ich fürchte dich zu beleidigen, dich zu betrüben.O lass das nicht zu! Nimm meinen Willen ganz hinund mach davon hinweg,was dich beleidigen und betrüben kann.Im diskreten Schutz ihres «kleinen Klosters» lebt sie immer ihrtiefes mystisches Leben. Manchmal wird sie in Begebenheiten desLebens Jesu und seiner Mutter versetzt. Sie ist innig in die Handlunghineingenommen und die Bilder, die sie in ihren Mitteilungenbeschreibt, sind besonders anschaulich und lebendig.Sie wird ständig von Jesus angeregt, im Weinberg des Vaters zuarbeiten und mit ihm die Leiden Seiner Passion mitzuleiden. Bei alldiesen Begebenheiten ist Maria dabei, um bei ihrem Sohn zu seinund die Seherin an seinem Werk teilhaben zu lassen.Das Gründungskloster inNiederbronn, genannt "Klösterle"Porträt von MutterAlfons Maria31
Kapitel 6Denen die leiden,die Güte und BarmherzigkeitGottes erfahren lassenAber was ist die ursprüngliche Intuition dieses neuenWerkes? Die Töchter vom Göttlichen Erlöser wollen Instrumentder Barmherzigkeit Gottes sein durch einfache Taten,die dem Leib gut tun und ihn stärken und zugleich die Seelezur Ruhe kommen lassen, durch Aufmerksamkeit und Daseinbei den Bedrückten, indem sie zuhören und respektvollumgehen in jeder Not. Was für ein schönes Programm, soaktuell und gültig für jede Zeit!Sr. Alfons Maria sieht klar alle Formen materieller undgeistiger Not, auch wenn sie Niederbronn nie verlassenhat. Der Bezirk scheint regelmäßig unter den ärmstenDepartements des unteren Elsass auf, Kriminalität undBettelei sind beträchtlich.Die benachteiligte, hauptsächlich ländlich gebliebene Regionhat schwer unter den wirtschaftlichen Krisen gelitten,die durch eine Folge von katastrophalen Witterungs verhältnissenausgelöst worden waren. So herrschte 1816 und1817 eine große Hungersnot, in der selbst das als Saatgutbenötigte Getreide als Nahrung verwendet wurde. 1829 –1830 wütete ein strenger Frost, 1846 – 1847 verursachtendann Hitze und Dürre einen schrecklichen Mangel an Getreideund Kartoffeln. Zu den witterungsbedingten Katastrophenkamen Epidemien: Typhus, Pocken, Cholera.Erlöserstatue,Mutterhaus, Oberbronn33
Die Familien lebten oft zusammengepfercht in verfallenen Häusernmit sehr wenig Mobiliar und Wäsche. In ihrem Ort sieht ElisabethMänner und Frauen, die von der Härte des Lebens gebeugt, vonder Arbeit erschöpft und von der Sorge um den nächsten Tagaufgerieben sind. Es ist nicht leicht, jeden Tag zahlreiche Esser zuernähren. Man weiß, wie oft die Gründerin selbst ernsthaft krankwar und wie sehr sie sich als Last für ihre Familie gefühlt hat.Können Sie sich die Situation einer armen Familie dieser Zeitvorstellen, wenn eines ihrer Mitglieder krank ist? Sehr oft bleibtdieses den ganzen Tag allein in einer armseligen Behausung ohnejede Betreuung, denn die anderen Familienmitglieder müssen eswenn auch schweren Herzens – allein lassen, um arbeiten zu gehen.Sr. Alfons Maria beschreibt die Situation:„Die armen Kranken müssen in erbarmungswürdigemZustand bleiben, Not leiden und stöhnenwie der Gelähmte mit 38 Jahren,der am Teich in Jerusalem wartete,weil er niemand hatte, der ihm hilft.(Joh 5, 1 – 7).Hören wir das Wort Gottes aus dem Psalm 85 (86).„ Wende dein Ohr mir zu, erhöre mich, Herr!Denn ich bin arm und gebeugt.Beschütze mich, denn ich bin dir ergeben!Hilf deinem Knecht, der dir vertraut!Du bist mein Gott. Sei mir gnädig, o Herr!Den ganzen Tag rufe ich zu dir.Herr, erfreue deinen Knecht;denn ich erhebe meine Seele zu dir.Herr, du bist gütig und bereit zu verzeihen,für alle, die zu dir rufen, reich an Gnade.Herr, vernimm mein Beten, achte auf mein lautes Flehen!Am Tag meiner Not rufe ich zu dir;denn du wirst mich erhören.““Der besondere Charakter der Kongregation wird also ganz konkretsein: in die Wohnungen der Armen gehen und durch die Übungvon Werken der Barmherzigkeit auf ihre geistigen und materiellenBedürfnisse eingehen.Nach der «Chronik der Gemeinschaft» kommt schon am 15. Oktober,zwei Monate nach der Gründung, am Fest der heiligen Theresia vonAvila, jemand und bittet einer armen Frau beizustehen, die seit einigenTagen unter heftigen Wehen leidet.Dann wird am 28. Oktober wieder um Hilfe gerufen: Man möge kommenund einem Mann helfen, der mit dem Tod kämpft. Seit einigerZeit siecht er in einem Bett mit schweißdurchnässtem Bettzeugdahin. Seine tief bedrückte protestantische Frau hat keine Wäschemehr zum Wechseln. Ein Zeuge schreibt: Mehrere Nachbarn warenim Zimmer, als Sr. Alfons Maria eintrat. Sie alle warensehr erstaunt, als sie sie sahen. Aber sie sprachso liebevoll, mit so tröstlichen Worten, dass diebetrübte Frau wieder Mut fasste. Dann versprachsie, ihr weiterhin zu Hilfe zu kommen und zog sichzurück.Am 30. November beruhigt Mutter Alfons Mariaden sterbenden, von Ängsten geplagten Kranken;die Postulantin, die bei ihm wachte, hattesie auf seinen dringenden Wunsch gerufen. Siespricht ihm Mut zu, betet mit ihm und bleibt bisgegen Mitternacht bei ihm. Mehrere anwesendeMänner waren sehr bewegt und zeigten großenRespekt. Dieser Besuch machte auf seine Frauebenso wie auf die anderen Protestanten einenguten Eindruck.35
Am 17. Dezember wird ein ganz junges armes Dienstmädchen imKloster aufgenommen; es ist allein, stammt nicht aus dem Dorf undliegt ohne jede Pflege im Sterben. Die Schwestern begleiten dieKranke liebevoll bis zu ihrem Tod.Sehr bald geben sie auch allen armen Kindern der umliegenden Dörfer,die die Schule der Pfarrei Niederbronn besuchen, ein Frühstückund ein Mittagessen. So beginnen die Töchter des göttlichen Erlösersdurch diese so einfachen Taten ihre Sendung, in Freude und BescheidenheitLeiden zu lindern, ohne jeden Unterschied der Religionoder der sozialen Schicht.Sie sind Missionarinnen der Nächstenliebe, ganz ähnlich wie dieSchwestern von Mutter Teresa in der heutigen Welt!„Jubelt, ihr Himmel, jauchze, o Erde, freut euch, ihr Berge!Denn der Herr hat sein Volk getröstetund sich seiner Armen erbarmt.Doch Zion sagt: Der Herr hat mich verlassen,Gott hat mich vergessen.Kann denn eine Frau ihr Kindlein vergessen,eine Mutter ihren leiblichen Sohn?Und selbst wenn sie ihn vergessen würde:ich vergesse dich nicht.Sieh her: Ich habe dich eingezeichnet in meine Hände,deine Mauern habe ich immer vor Augen.Jes 49, 13 – 16“Kapitel 7 . 1850-1854Verwurzelung im ElsassIhre Liebestätigkeit breitet sich sehr rasch aus, so entstehenin einigen Monaten 14 Niederlassungen in der näherenund weiteren Umgebung von Niederbronn: Reichshofen,Brumath, Mommenheim, dann Andlau, Hochfelden, Hagenau,Wasselnheim und Neunhofen, alle nicht sehr weit entfernt vonder ersten Gründung.Die Vorsehung zeigt sich der Gemeinschaft auf sehr konkreteWeise: Als die Schwestern in ihr neues Haus einzogen, hattensie dort weder Utensilien noch Lebensmittel. Aber kaum hattensie die Schwelle überschritten, brachte man ihnen von allenSeiten, was sie nötig hatten, und im Nu gab es so viel Vorrat, dasssie das Überschüssige den Armen gaben; das kann man in derChronik lesen.Am Abend des 18. Mai betet Mutter Alfons Maria vor demAllerheiligsten. Der Herr sagt zu ihr: „Meine Tochter, sage meinenKindern, dass sie mein Leben und mein Leiden mehr betrachtensollen. Ich werde sie durch dieses Mittel lehren, Seelen zuretten und ich werde selbst den Unwissendsten Weisheit undbesonderes Wissen geben.“ Sie ruft sie also zusammen und teiltihnen mit, was ihr der Herr gesagt hatte. Alle waren sehr bewegtund fassten den festen Entschluss, in Zukunft das Leben und dieLeiden Jesu eifrig zu betrachten.37
Angezogen von diesem Leben des Gebetes und des Mitfühlens klopfenzahlreiche Mädchen an die Tür des Klösterle. Dieses wird viel zu klein,um alle aufzunehmen, man muss es so schnell wie möglich vergrößern.Mutter Alfons Maria vertraut dieses Vorhaben dem heiligen Josef an undweiht ihm am 19. März 1850 die neue Kongregation. Am 24. März teiltsie ihrem Beichtvater mit: An diesem Morgen während der heiligen Messe,als ich zum heiligen Alfons (von Liguori) als Beschützer der Kongregationbetete, hörte ich eine Stimme vom Altar des heiligen Josef her, diemir deutlich sagte: Nicht der heilige Alfons ist der Beschützer, sondern derheilige Josef. Er wird hier den guten Geist bewahren. Niemand wird diesemHaus schaden können… Dann sieht die Oberin, wie der heilige Josef selberdas neue Kloster baut. Später wird Jesus zu ihr sagen: Sieh, meine Tochter,der heilige Josef, mein Vater, wird von jetzt an der besondere Schutzpatrondieses Hauses sein; auf seine Fürsprache wird es große Gnaden erhalten.Sieh, die Einfachheit dieses Heiligen! Deshalb gebe ich ihn diesem Hausals Beschützer und als Patron.Mit Zustimmung des Bischofs wird also der Bau eines großen Klostersunternommen und die Spenden fließen reichlich. Das Kloster wird„Kloster St. Josef“ heißen und den Katholiken Niederbronns ihre ersteKapelle seit dem 16. Jahrhundert bieten. Schon am 19. Mai 1850 wirdder Grundstein gesegnet: Viele Menschen aus Niederbronn und ausReichshofen, Protestanten und Juden, nehmen daran teil, ebenso 80Männer, die auf der Baustelle arbeiten.Und einige Tage später wird ein anderer Grundstein gelegt: Sr. Attala,eine der ersten Gefährtinnen von Mutter Alfons Maria stirbt. Zu ihrerBeisetzung wurde Psalm 41 gewählt:„Wohl dem, der sich des Schwachen annimmt;zur Zeit des Unheils wird der Herr ihn retten.Weil ich aufrichtig bin,hältst du mich fest und stellst michvor dein Angesicht für immer.Gepriesen sei der Herr, der Gott Israels,von Ewigkeit zu Ewigkeit.Amen, ja amen.Im Jahr 1851 kommt es zu sechs weitere Gründungen, mehrere davonhat der Bischof erbeten, so die Niederlassung in Marienthal, einem sehrbekannten Marienwallfahrtsort im nördlichen Elsass, wo es ein Haus fürbetagte Priester gibt, oder auch die Gemeinschaft in Straßburg, die fürdie Betreuung der Armen an der Kathedrale sorgt. Auch in zwei Tälernin der Nähe Niederbronns, in denen isolierte Weiler im Wald liegen undderen Bevölkerung in großer Armut lebt, werden zwei Niederlassungeneröffnet.Überall, wo die Schwestern sind, werden sie wegen ihrer großenHingabe, ihrer Bescheidenheit, ihrer Diskretion und ihres Gebetessofort sehr geschätzt.Doktor KUHN, der Arzt von Niederbronn, schreibt anfangs des Jahres1853: Nicht nur wachen die frommen Schwestern am Bett der Kranken,lassen ihnen Tag und Nacht die eifrigste Sorge angedeihen, ungeachtetder Gefahren der Ansteckung und des natürlichen Ekels, mehr noch:Sie dringen in die Hütten der Armen, bringen ihnen die Tröstungender Religion, verwandeln durch ihre Sanftmut die derben, rauen Sittenund bringen es fertig, dass dort Sauberkeit herrscht, wo man sie bisherweder fand noch schätzte, und unterrichten sogar die Kinder in denabgelegenen Weilern, wo es keinen Lehrer und keine Schule gab. DieseKongregation ist also in meinen Augen eine große Wohltat für diearmen Kranken und ein Instrument der Zivilisationund der christlichen Moral.“39
Kapitel 8Rasche Ausstrahlung der SpiritualitätTrotz ihrer labilen Gesundheit muss Mutter Alfons Mariazahlreiche Reisen machen, um die neuen Gründungen zubesuchen, oft unter sehr heiklen Bedingungen. Aber siebewahrt ihr gleichbleibendes Wesen, ist immer liebevollund aufmerksam den Schwestern gegenüber. Unaufhörlichermahnt sie sie zur Heiligkeit, gemeinsam mit ihrem treuenMitarbeiter Abbé Johann David Reichard, dem kirchlichenSuperior, Mitbegründer der neuen Kongregation, einemdemütigen und klugen, von allen geschätzten Priester.Mutter Alfons Maria war sich bewusst, dass sie viel vomHerrn empfangen hatte, und es war ihr inniger Wunsch,Seine Belehrung weiterzugeben. Ihre Unterredungen mitden Schwestern waren sehr persönlich und schöpften ausden Ratschlägen, die ihr der Herr während ihrer Visionengegeben hatte. Sie ermahnt sie, dass sie lernen, den Wertder Seelen zu erkennen, indem sie betrachten, wie derErlöser am Kreuz stirbt. Die Niedergedrückten trösten,den Sterbenden beistehen, das ist das Wichtigste, dennes geht dabei um das Heil von Seelen, die durch das kostbareBlut unseres göttlichen Heilandes erlöst sind. Und daher istnichts zu viel im Dienst am Nächsten, keine Müdigkeit, keinWiderwille, alles einsetzen bis zur Hingabe des Lebens:leben und handeln für Ihn, Ihn nachahmen in seiner Sanftmut,seiner Demut, seiner Liebe, nur Ihm gefallen und nicht dasLob der Menschen suchen. Mit rechter und reiner Absichtalle Werke der geistlichen und leiblichen Barmherzigkeitüben und alles übrige mit Vertrauen Gott überlassen.Kapelle im KlosterSt. Josef,Niederbronn41
1Das Wort Barmherzigkeit, das Empfinden, in dem das Leid desanderen unser Herz berührt (von den lateinischen Wörtern miseri= Mitleid haben und cor = Herz) fasst die Besonderheit der neuenKongregation treffend zusammen.Mutter Alfons Maria legt bei allem Tun großen Wert auf dieBegründung, auf das Ziel, die Absicht. In der Ersten Regel greift siedie Worte des hl. Paulus auf:Wenn ich alles Gute tue, sagt der hl. Paulus,„habe aber dabei die Liebe nicht, so bin ich wie eintönendes Erz, wie eine klingende Schelle.1 Kor 13„„„Wer nicht liebt, schreibt der hl. Johannes,der bleibt im Tode.1 Joh 3, 14Die Liebe, von der hier die beiden Apostel als Beweggrund derWohltätigkeit reden, ist nicht die Nächstenliebe allein, sondernauch die Liebe Gottes; denn die Liebe Gottes und die Liebe desNächsten sind nur eins, sie können nicht von einander getrenntwerden. Die wahre Nächstenliebe muss immer die Liebe Gotteszum Grund haben, der Nächste muss wegen Gott geliebt werden.Wer also den Menschen Dienste leistet undsuchet hierdurch den Menschen zu gefallen oderder Menschen Lob, der hat wie die Pharisäer imEvangelium seinen Lohn schon empfangen.Mt 6,2.5.16“““Die Bitten um Niederlassungen nehmen zu, sie kommen von Pfarreienund Gemeinden, aber auch von höchsten staatlichen Behörden. Selbstder deutsche Bischof von Speyer (Rheinland – Pfalz) wünscht, dass dieSchwestern vom Göttlichen Erlöser in seiner Diözese eine Niederlassungerrichten. Ende des Jahres 1852 zählt die Kongregation 153 Mitglieder undhat schon 30 Gemeinschaften. Die jungen Schwestern vom GöttlichenErlöser sind überall im Einsatz: bei den schweren Überschwemmungenvon 1853 in Straßburg und bei der Choleraepidemie, die 1854 im Elsasswütet.Die Präfekten beider Departements rufen nach der Kongregation.Mutter Alfons Maria schickt die Schwestern überall hin, wo die Epidemieverheerende Schäden anrichtet. Einige fallen der Krankheit zum Opfer.Alle lösen Bewunderung aus bei der Bevölkerung, denn sie wachenTag und Nacht an den Betten der Kranken, beweisen Einfallsreichtum,wie Leben gerettet und Ansteckung unter Kontrolle gebracht werdenkann, stehen den Sterbenden bei, trösten die Familien und lindern dieVerzweiflung.Im selben Jahr trifft noch ein anderer Ruf in Niederbronn ein: Im Krimkriegwerden Schwestern erstmals mit Schlachtfeldern konfrontiert. Untervielen anderen Ordensfrauen beteiligt sich eine kleine Gruppe der Töchtervon Mutter Alfons Maria an der Pflege Verwundeter in Lazaretten, dieder Armee auf ihren Stellungen folgen. So finden sich einige Schwesternbei der Belagerung von Sebastopol.In aller Stille werden zahlreiche Seiten voll Heldenmut im Namender Liebe des Gottes der Güte und des Mitleids (Ex 34,6) und derNächstenliebe geschrieben.Unterschrift von MutterAlfons Maria43
Vergessen wir nicht, dass das 19. Jahrhundert ein Jahrhundertaußerordentlicher Ausbreitung des Ordenslebens war: Am Vorabendder Revolution zählte Frankreich 55 000 Ordensleute. Kurz darauf sindes nur mehr 12 000, aber im Jahr 1900 sind 135 000 zahlenmäßig erfasst!Man weiß, dass die sehr große Zahl von Ordensgründungen mit derSituation extremer Armut eines Teils der Bevölkerung in der GesellschaftEuropas zu tun hat. Die Kongregationen stehen an allen Fronten: inSpitälern, in der Erziehungs- und Bildungsarbeit, in der Katechese, bei denBedürftigen… mit unerschrockenen und innovativen Frauengestalten:Magdalena Sophie Barat (Ordensfrauen vom Heiligsten Herzen JesuSacre Coeur), Thérèse Couderc (Schwestern vom Coenaculum), JeanneJugan (Kleine Schwestern der Armen), um nur einige zu nennen, die inFrankreich entstanden sind; auch in anderen Ländern gab es eine Reihesolcher Gründungen.Die Zeit ist gekommen, die offizielle Anerkennung durch die weltlichenund kirchlichen Behörden für die Kongregation zu erlangen. BischofRaess, bis dahin der einzige Verantwortliche der neuen Ordensfamilie,unternimmt mit Sorgfalt die dafür notwendigen Schritte. Im November1854 erhält die Kongregation mit einem kaiserlichen Dekret vonNapoleon III. ein offizielles Statut des französischen Staates; die offizielleAnerkennung der Kirche erwirbt sie mit dem „Belobigungsdekret“ vom3. März 1863, unterzeichnet von Papst Pius IX. Am 11. April 1866 folgtdarauf das „Approbationsdekret“.Gemälde aus der KlinikSt. Odile in StraßburgSeit dem Belobigungsdekret von 1863 hat die Kongregation einen neuenNamen: „Kongregation der Schwestern vom Allerheiligsten Heiland“,damit sie nicht mit einer anderen Kongregation verwechselt werdenkann. Zu dieser Zeit zählt die Kongregation ungefähr 700 Schwestern,verteilt auf 15 Diözesen Europas. Aber in welchen europäischen Ländernsind diese?Die erste Gründung außerhalb Frankreichs ist 1852 die von Speyer,nahe der Grenze. (Die Stadt gehörte bis zum Sturz des Kaiserreichs vonNapoleon im Jahr 1814 zu Frankreich, dann wurde sie wieder deutsch).45
Kapitel 9 . 1854-1867Licht und Schatten1854 wird in Bayern eine weitere neue Gemeinschaft eröffnet: inWÜRZBURG mit Sr. Maria Honorine als Oberin. Das wird eine sehrblühende Niederlassung werden!1857 entsteht dann die erste Niederlassung in Österreich: WIEN. AlsOberin wird Sr. Theophila eingesetzt, eine sehr begabte Frau, Tochterdes Gerichtsvollziehers von Niederbronn, eine Jugendgefährtin vonMutter Alfons Maria.Im selben Jahr erwirbt die Kongregation das Schloss Oberbronnin der Nähe von Niederbronn. Dort wird das Noviziat eingerichtet,später wird das Mutterhaus dorthin verlegt.1863 wird auf Anregung von Sr. Theophile aus Wien in Sopron(Ungarn) - ungefähr 60 km von Wien entfernt - eine Gemeinschafteröffnet mit Sr. Basilissa als Oberin.Der Erzbischof von Wien schätzt das segensreiche Wirken derSchwestern sehr. Seine Erwartungen, die Kongregation möge zumWohl der Menschen rasch wachsen, und die weite Entfernung derHäuser vom Mutterhaus in Niederbronn führen zu unterschiedlichenSichtweisen. Das belastet vor allem die Beziehungen zwischenMutter Alfons Maria und Sr. Theophile mehr und mehr. Diesecharismatischen Frauen von starkem Charakter verband schonin ihrer Jugend die gleiche geistliche Suche: Sie wollten Gott inden Armen dienen. Doch in der Spannung zwischen der Sorge derGründerin um die Festigung des spirituellen Fundamentes und jenerdes Erzbischofs um einen effizienten Dienst für die Menschen vorOrt, gelingt es ihnen nicht, gemeinsam eine zufriedenstellendeLösung zu finden.Im März 1866 erklärt der Wiener Erzbischof das Haus in Wien zueinem selbständigen Mutterhaus. Damit sind die Niederlassungen inÖsterreich und Ungarn von Niederbronn getrennt und es entstehtdie "Kongregation der Töchter des göttlichen Heilandes» (späterumbenannt in „Schwestern vom Göttlichen Erlöser“) mit Sr.Theophile als Generaloberin.Im Juni 1867 errichtet der Bischof von Raab (Ungarn) aus ähnlichenGründen wie in Wien ebenfalls eine eigene Kongregation. Soentsteht die «Kongregation der Töchter des Göttlichen Erlösers»,(später umbenannt in „Schwestern vom Göttlichen Erlöser“) mitdem Mutterhaus in Sopron; Oberin ist dort Sr. Basilissa.Schon im Juni 1866 war dasselbe für die Gemeinschaften derDiözese Würzburg geschehen. So entstand die «Kongregationder Schwestern des Erlösers», ihr Mutterhaus ist in Würzburg(Deutschland), die erste Generaloberin war Sr. Maria Honorine.Diese Trennungen einer Anzahl von Schwestern und Gemeinschaftensind eine schmerzliche Prüfung für Mutter Alfons Maria. Die Jahresehr raschen Wachstums über Grenzen hinweg lassen sie eine neue,beunruhigende Erfahrung machen. Aus ihrem so bescheidenenVorhaben, das aus der Betrachtung der Liebe Gottes zu denMenschen entstanden ist, wird eine menschliche Organisation mitihren schwierigen Anforderungen.Dein Wort, Herr, spendet mir Leben.Dein Wille erfüllt mich mit Freude und Wonne.Selbst mitten im Elend bewahre ichden Glauben an seine Verheißung,Sein Gesetz und Seine Liebe sind mein Trost.Herr, mach mich zu einem Zeugnis für deine Liebe,mein ganzes Leben sei ein Zeichen für dein Wort.nach Psalm 119Am 24. Juli 1867 wird Abbé Reichard ausdiesem Leben heimgerufen, und einigeTage später, am 31. Juli beendet MutterAlfons Maria im Alter von 53 Jahren ihrePilgerschaft auf Erden. Ihr Begräbnisfindet am 2. August statt, am Fest ihresNamenspatrons, des heiligen Alfons vonLiguori.Mutter Alfons Mariaauf dem Totenbett„“47
Das Grab von Mutter Alfons Maria auf demFriedhof der Kongregation in NiederbronnTrotz der drei blutigen Auseinandersetzungen zwischenFrankreich und Deutschland (im Deutsch-FranzösischenKrieg 1870-1871 und in den beiden Weltkriegen), konntedie Kongregation von Niederbronn ihre Einheit wahrenund auf beiden Seiten des Rheins ihr Wirken bei denLeidenden unermüdlich weiterführen.Im 20. Jahrhundert haben sich die verschiedenenKongregationen, die aus der Gründung von MAM entstandensind, in Europa und auf anderen Kontinenten entfaltet: in Afrika, inAmerika, in Asien.So breitete sich die Kongregation von Wien in Österreich undden Nachbarländern aus, später auch in den Niederlanden und inArgentinien.Die Kongregation von Sopron/Rom hat heute neben UngarnNiederlassungen in der Slowakei, Österreich, in den VereinigtenStaaten, in Italien und in der Ukraine. Seit 1950 ist ihr Mutterhaus inRom.Die Kongregation von Würzburg hat sich außer in Deutschlandauch in den Vereinigten Staaten und in Tansania ausgebreitet. IhrMutterhaus ist in Würzburg.Die Einladung des II Vatikanischen Konzils an alleOrdensgemeinschaften, sich mit ihren Quellen zu befassen unddie Ordensregeln zu überprüfen, führte zur Besinnung auf dasGründungscharisma. Die Kongregationen, die aus der GründungMutter Alfons Marias stammen, knüpften neue Beziehungenmiteinander oder vertieften sie und kamen zu verschiedenen Formender Zusammenarbeit auf spiritueller und apostolischer Ebene.Zwei Kongregationen wählten den Weg der Fusion mit derUrsprungskongregation: die Kongregation der Schwestern vomGöttlichen Erlöser von Wien 1999 und die Kongregation derSchwestern vom Heiligsten Heiland von Bratislava 2009, die 1916 ausder Wiener Kongregation als eigene Ordensgemeinschaft hervorgegangenwar und Niederlassungen in der Slowakei, in Tschechien, in Ungarn und inDeutschland gegründet hatte.Die Ursprungs-Kongregation ist heute präsent in Frankreich, Deutschland,Österreich, Argentinien, Niederlanden, Portugal, Angola, Kamerun, Indien,Namibien, Slowakei, Tschechien, Ungarn.Überall, wo sie sind, suchen diese Kongregationen aus dem Charisma vonMAM zu leben, für die Werte des Evangeliums einzutreten und so am Aufbaudes Reiches Gottes mitzuarbeiten.Alle Kongregationen haben im Jahr 2003gemeinsam den Antrag auf Wiederaufnahme desSeligsprechungsprozesses von MAM gestellt.Und am 19. Dezember 2011 hat Papst BenediktXVI. das Dekret herausgegeben, durch das offiziellanerkannt wird, dass Elisabeth Eppinger – MutterAlfons Maria – Tugenden in heroischem Gradgelebt hat. Seitdem hat sie den schönen Titel„Verehrungswürdige Dienerin Gottes.“Benedikt XVI.Kirchenfenster in der Kapelle der KlinikSt. Odile in StraßburgÉditions du Signe1 rue Alfred KastlerBP 10094 – Eckbolsheim67038 STRASBOURG CEDEXTél : +33 (0)3 88 78 91 91Fax : +33 (0)3 88 78 91 99www.editionsdusigne.frEmail : info@editionsdusigne.frAutor : Bénédicte DRAILLARDBilder : Congrégation des Sœurs du Très Saint-Sauveur©Fotolia.com : p. 4, p. 7, p. 8, p. 16-17, p. 19, p. 39, p. 45Layout : La Blonde et la Brune© Éditions du Signe, 2013 - 109???Tous droits réservés - Reproduction interditeISBN 978-2-7468-????-?Imprimé en U.E.
Die Mystikerinaus Niederbronn1814 1867Elisabeth Eppinger„Der Geist der Töchter des GöttlichenErlösers soll der Geist Jesu Christi sein.Ihr ganzes Leben soll sich nach diesemgöttlichen Vorbild richten.Sein Geist soll sie ganz belebenund so völlig durchdringen,dass er sich in allen ihren Wortenund Handlungen äußert.Mit dem Apostel solljede Schwester sagen können:‘Nicht ich lebe, sondern Christuslebt in mir’ (Gal 2, 20),sodass das Leben Jesuin ihrem ganzen Wesen sich offenbart“.(vgl. Erste Regel 1, III)