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EinleitungFür einen Historiker mag es befremdlich wirken, sich in die Welt der Technik zu wagen,insbesondere, wenn es sich um ein sehr diffiziles Thema wie die Verzahnungsmesstechnikhandelt. Das Zahnrad selbst gilt bereits als komplexe Geometrie, deren Idealform höheresVerständnis erfordert. Fügt man dieser Thematik noch den Fachbereich der Messtechnikhinzu, wird es für den Geisteswissenschaftler doch sehr problematisch. Umgeben vonFormeln und Fachbegriffen muss er zunächst einen passenden Zugang finden. Diesen findetder Historiker aber glücklicherweise in der Geschichte und beginnt nun, die EntwicklungSchritt für Schritt nachzuvollziehen, bis er die Vorgänge verstanden hat.Selbstverständlich muss vor der eingehenden Darstellung der Messtechnik zunächst dieGeschichte des Zahnrades selbst stehen. Von den alten Ägyptern über Griechenland undRom führt die Zeitreise schließlich ins Mittelalter und die Renaissance. Mit dem Eintritt in dieIndustrielle Revolution beginnt dann auch die Messtechnik.Obwohl diese erst seit etwas mehr als einem Jahrhundert existiert, gab es dochverschiedenste Entwicklungen, deren Gegenwart durch den Eintritt in dieComputergeneration bestimmt wird. Neue Messgeräte und Auswertungsverfahrenentstanden und erlaubten die Herstellung immer perfektere Zahnräder.Mit der sorgfältigen Betrachtung der einzelnen Entwicklungsschritte gelingt es auch ohnetiefgehendes Technikwissen, die einzelnen Etappen, die Erfolge und die weiterhinbestehenden Probleme zu erkennen und zu beschreiben.Nach vielen Diskussionen, intensiver Recherche und Auswertung zeigt sich dann letztlich,dass der Historiker vielleicht doch näher an der Technik ist, als er anfangs gedacht hätte. DieGeheimnisse der Messtechnik haben sich zu erkennen gegeben. Hoffentlich hilft diesesBuch, einen Eindruck von der Komplexität eines Zahnrades und derVerzahnungsmesstechnik zu vermitteln.Jens Riesner


1. Vorgeschichte


Die Erforschung der Verzahnungsmesstechnik erfordert ein fundiertes Wissen über dieEntwicklungsgeschichte des Zahnrades selbst.Bereits im alten Ägypten tauchten um 2500 v. Chr. die ersten primitiven Verzahnungen inHebemechaniken an Brunnen auf. Ähnlich einfache Zahnräder existierten zu dieser Zeitauch im asiatischen Raum. Die Verfeinerung der Technik begann in der griechischen Antikeum 400 v. Chr. Wissenschaftler wie Archimedes oder Aristoteles nahmen sich derVerzahnung an und begannen diese zu untersuchen. Mit der Ausdehnung des RömischenReiches ab 200 v. Chr. gelangte das griechische Wissen auch nach Rom. Dort verzichteteman weitgehend auf die weitere Erforschung der Technik. Nur wenige Denker wie Heronoder Vitruv zeigten Interesse an Verzahnungen. Dennoch waren Zahnräder in der Antikelängst mehr als nur Hilfsmittel für Brunnen. Zwar wurden sie dort noch am häufigstenverwendet, doch bereits seit den antiken Griechen experimentierten Wissenschaftler mitwesentlich filigraneren Zahnrädern.Als mit dem Einfall der der Westgoten 410 n. Chr. das Römische Reich auseinanderbrach,verschwanden mit dem Imperium auch wichtige Errungenschaften der Technik. Auch dasWissen über Verzahnungen fiel nahezu auf vorantike Zeiten zurück, so dass Zahnräderzunächst fast ausschließlich in Mühlen auftauchten.Die Betrachtung der frühen Technikentwicklung, insbesondere natürlich der des Zahnrades,findet somit ihren ersten Endpunkt mit dem Niedergang des Römischen Reiches. Die bislanggeradlinig verlaufende Entwicklung erlebt eine erste Zäsur. Es sollte nahezu tausend Jahredauern, bis der Verlust dieser Technik wieder aufgeholt werden konnte.


5500 v. Chr.4000 v. Chr.2<strong>60</strong>0 v. Chr.2500 v. Chr.2000 v. Chr.1750 v. Chr.1.1 Frühgeschichte - Am Anfang stand das Rad (2500 v. Chr. – 500 v. Chr.)Rad von SusaErste Sakijes in ÄgyptenBeginn des AckerbausEntdeckung des RadesEntstehung der Pyramiden von GisehHochzeit des babylonischen Reiches1.1.1 Das erste „Zahnrad“Die Entstehung der Zahnräder ist eng mit dem technischen Fortschritt des Rades verbunden.Durch die Weiterentwicklung und Verbesserung der Konstruktion entstanden schließlichauch die ersten Räder, die eine optische Ähnlichkeit mit Zahnrädern aufwiesen.Sie stammten aus dem Jahr 2500 v. Chr. und wurden bei Susa, Persien (Abb.1) entdeckt.Um die Holzräder von Fuhrwerken zu schützen, wurden auf der Radlauffläche Kupfernägelangebracht. Mithilfe dieser Nägel sollte die Abnutzung der Räder minimiert werden.Abbildung 1: Das Rad von SusaDas Rad weist Beschläge auf, die bereits sehr an Zahnräder erinnern. Zwar dienten die Metallaufsätze nurzur bessern Griffigkeit der Räder. Der Effekt des „Eingreifens“ dieser Beschläge ist eine für Zahnrädertypische Eigenschaft. Daher wird das Rad von Sosa durchaus als Vorläufer der ersten Zahnräder anerkannt.Das Rad von Susa ist zwar nicht als erstes Zahnrad der Geschichte zu sehen, aber seinekeilförmigen Ausbuchtungen waren bereits deutlich sichtbar. Es stellt somit einen der erstenSondertypen des Rades dar, aus dem sich durchaus der Zweig der Zahnräder entwickelnhätte können. Ein Indiz hierfür könnte auch die Lage der Stadt Susa sein. Sie lag in Persien,dem heutigen Iran, und damit in direkter Nachbarschaft zu Ägypten, wo später erstmalsprimitive Verzahnungen auftauchten.


1.1.2 Die Sakijes von ÄgyptenDie ersten praktisch genutzten Zahnräder entwickelten sich in Südostasien durch simplepraktische Überlegungen. Tatsächlich bedingte die Landwirtschaft entlang des Nils, der seitjeher die Lebensader Ägyptens war, diese Entwicklung. Von ihm zweigen bis heuteunzählige Kanäle ab, die das Ackerland bewässern. Allerdings verfügt der Nil über ein sehrgeringes Gefälle von gerade einmal 90 Metern auf einer Strecke von 1100 Kilometern,weshalb die Kanäle oftmals einen höher gelegenen Wasserspiegel haben mussten als derFluss selbst. Diese Höhe ist notwendig, um ein Gefälle zu den zu bewässernden Feldern zuerzeugen. Bereits im Altertum mussten die ägyptischen Bauern daher Hebegeräteentwickeln (Abb. 2). iEin Zugtier brachte das horizontale Rad in Bewegung, auf dem in gleichmäßigen AbstandStäbe angebracht worden waren. Diese griffen in ein ähnliches Rad, das vertikal angebrachtwurde und mit seiner Achse das Wasserrad antrieb. So konnte das Wasser in die höhergelegenen Bewässerungsgräben befördert werden.Abbildung 2: Nachbau eines Sakije in Pollenca (Mallorca)Während im Vordergrund die Eimer das Wasser nach Oben fördert, sorgt eine für Sakijes typischeTriebstockverzahnung dafür, dass die horizontale Drehbewegung des angetriebenen großen Rades in einevertikale Drehbewegung umgewandelt wird.


Wann die „Sakijes“ erstmals auftauchten, ist nicht genau belegbar. Der Ingenieur Max Eythbehauptete, die ersten dieser Hubanlagen seien bereits auf Bildern in altenPharaonengräbern abgebildet worden. Bei den Darstellungen aus dieser Zeit handelt es sichallerdings noch um gewöhnliche Ziehbrunnen. Die ersten sicheren Belege für Sakijes findensich um den Beginn unserer Zeitrechnung. Vermutlich sind die ersten Anlagen wesentlichälter, da in Griechenland um 300 v. Chr. bereits deutlich komplexere Zahngetriebeangewendet wurden. iiDie Verzahnungen der „Sakijes“ waren noch einfach und technisch bei weitem nichtausgereift. aber sie genügten den Anforderungen der Bauern. Die Zähne waren grobe rundeStöcke, die in vorgearbeitete Löcher eingeschlagen wurden. Auch ohne die genaueNachweisbarkeit des Ursprungs gelten die ägyptischen Sakijes heute als Urtyp der späterenVerzahnungen. Dass die Hochkulturen des östlichen Mittelmeerraums die Schöpfer desZahnrades sind, belegt der älteste Nachweis einer Verzahnung. Im Königspalast von Byzanzstand um <strong>60</strong>0 v. Chr. eine Wasserhebemaschine, die Wasser über Verzahnungen aus demBrunnen nach oben befördern konnte. iiiDa auch diese Anlage wesentlich umfassender war als die ägyptischen Hubanlagen, müssendie Sakijes wohl deutlich älter sein. Ihre Entstehungszeit muss daher irgendwo zwischen2000 und 1000 v. Chr. vermutet werden.Abbildung 3: Zeichnung einer altägyptischen SakieDie Funktionsweise ist deutlich zu erkennen. Das Lasttier dreht das horizontale Schwungrad, an dem eineweitere horizontale Verzahnung zur Kraftübersetzung anliegt. Diese bewegt das horizontale Zahnrad, mit demdas Wasser nach oben befördert wird.


814 v. Chr.384-322 v.Chr.3<strong>12</strong> v. Chr287-2<strong>12</strong> v.Chr.218 v. Chr.80 v. Chr.58-52 v. Chr.1. Jh. v. Chr.1.2 Der Entwicklungsschub in der Antike (500 v. Chr. – 400 n. Chr.)AristotelesArchimedes,Wasseruhr von AlexandriaComputer von AntikyteraVitruv, HeronErster römischer AquäduktCäsar erobert GallienGründung von KarthagoHannibal überquert die Alpen1.2.1 Die Technik der GriechenDie technische Entwicklung des antiken Griechenlands bedeutete auch für dieZahnradgeschichte einen Meilenstein. Berühmte Wissenschaftler wie Aristoteles undArchimedes befassten sich ebenso mit Zahnrädern und deren Nutzung, wie die unbekanntenErschaffer des mechanischen Kalenders oder Astrolabiums, das vor der Insel Antikythera ineinem Schiffswrack entdeckt wurde. Die technischen Errungenschaften blieben natürlichnicht nur auf Griechenland begrenzt. Insbesondere nach den Eroberungen von Alexanderdem Großen kann man davon ausgehen, dass zwischen den östlichen Mittelmeerstaatenund Griechenland ein reger Kulturaustausch stattgefunden hat. So ist es wenigverwunderlich, dass nach den ersten Zahnrädern in Byzanz und Ägypten bald auch inGriechenland erste Hubmaschinen mit Verzahnungen auftauchten.1.2.1.1 AristotelesDie erste wissenschaftliche Betrachtung von Zahnrädern fand sich im Werk „mechanischeAbbildung 4: Büste von AristotelesProbleme“ aus der Mitte des 4. Jahrhunderts v. Chr.,das entweder von Aristoteles (Abb. 3) selbst, odereinem seiner Schüler verfasst wurde. Neben dem Keil,der Kurbel, der Walze, dem Rad und dem Seilzug,wurden erstmals auch verzahnte Räder aus Erz undEisen erwähnt. Die besondere Aufmerksamkeit desVerfassers lag bei der möglichen Umkehr undÄnderung der Bewegungsrichtung, für die sichVerzahnungen hervorragend eigneten. Sicherlichkannte man Stockverzahnungen in Hubanlagen, ähnlich den ägyptischen Sakijes, auch inGriechenland. Aristoteles aber war der Erste, der sie wissenschaftlich beschrieb.


Wie genau sich die griechischen Wissenschaftler mit Verzahnungen auskannten, zeigte sichaber erst mit den Arbeiten von Archimedes, der die technische Entwicklung auf eine höhereStufe heben sollte. iv1.2.1.2 ArchimedesIm Gegensatz zu Aristoteles existieren von Archimedes heute keine Schriften mehr.Allerdings werden ihm verschiedene wissenschaftliche Werke nachgesagt, deren ehemaligeExistenz durch ein Traktat des arabischen Mathematikers Thâbit belegt werden konnten.Eine der Arbeiten von Archimedes behandelte einander berührende Kreise und derenmathematischen Zusammenhänge. vWesentlich ergiebigere Hinweise auf das Wirken des griechischen Mathematikers finden sichin anderen Schriften. Durch die praktische Umsetzung seiner Ideen wurden auch in vielennichtwissenschaftlichen Quellen über die Erfindungen des Archimedes berichtet. Besondersseine Hebemaschinen waren überaus effektiv und bekannt.Athenaios berichtet von einer solchen Maschine des Archimedes, mit der das stolzeKriegsschiff Syrakosia, das Flaggschiff des Königs Hieron, zu Wasser gelassen werdenkonnte. Eine Aufgabe, an der zuvor alle anderen Konstrukteure und Gelehrten gescheitertwaren. Mit einer Hebemaschine, die vollständig aus Zahnrädern bestand, war er in der Lage,mit einem Kraftaufwand von 130 Kilogramm ein Gewicht von 26 Tonnen zu heben. Für dieSyrakosia wurde damit ein Schraubenrad angetrieben, das in der Lage war, das Schiff zubewegen. viTatsächlich scheinen nur wenige der von Archimedes entwickelten Zahnradmaschinen einepraktische Nutzung gefunden zu haben. Bei dem von Heron in der Spätantike beschriebenenBarulkos (Abb. 4) handelte es sich wohl ebenfalls um die Hebemaschine von Archimedes.Allerdings hielt Heron diese wegen ihrer hohen Reibungskraft als für das Anheben vonschweren Lasten nicht geeignet.Abbildung 5: Nachbau der Barulkos Hebemaschine von Archimedes, um 250 v. Chr.Das Barulkos zeigt in seiner Konzeption bereits die technische Umsetzung Kraftübersetzung. Allerdings warendie Zahnräder wohl noch zu ungenau, um eine einwandfreie Funktionsweise zu ermöglichen.


1.2.1.3 Hochzeit der TechnikIm 3. Jahrhundert v. Chr. fanden sich erstmals Belege für die Verwendung vonZahnradgetrieben. Aus der Zeit des griechischen Herrschers Ptolemaios Philadelphos (285-247 v. Chr.) in Alexandrien wurde von Vitruv die Beschreibung einer Maschine überliefert,die mit Zahnrädern arbeitete (Abb. 5). Aus den Augen einer Figur tropfte fortwährendWasser.Das abfließende Wasser drückte einen Schwimmer nach oben, der wiederum mit einerzweiten Figur verbunden war, die somit die Stunden anzeigen konnte. Nach einen Tagöffnete sich ein Ventil, so dass das Wasser abfließen konnte und dabei ein Wasserradantrieb. Das damit verbundene Räderwerk drehte daraufhin eine Säule, die sich nach 30Tagen einmal um die eigene Achse gedreht hatte. viiiAbbildung 6: Wasseruhr aus Alexandria, 3. Jahrhundert v. Chr.Die Wasseruhr belegt, das bereits damals ein fundiertes Wissen über den Zusammenhang von Zähnezahlund Übersetzung vorhanden gewesen sein muss. Durch das exakte Zusammenspiel der Räder drehte sichdie große Säule in genau 30 Tagen einmal um die eigene AchseIn einer Schrift des Mechanikers Philon aus Byzanz wird um 230 v. Chr. ein anderesWasserhebewerk beschrieben, das durch ein Zahnrad und einer dazugehörigen Zahnstangebetrieben wird (Abb. 6). Die Funktionsweise ist, wie später auch bei Heron, eine Kombination


aus Zahnradtechnik und Hydraulik. Das Wasser sammelte sich in einem Kasten, in dem eineJ-förmige Röhre angebracht war.


Wurde der Kasten angehoben, sammelte sich das Wasser in dem unteren Bogen der Röhre.Ließ man der Kasten dann erneut ins Wasser, strömte durch eine Öffnung im Boden wiederWasser ein, während eine seitliche Öffnung Luft hinzu ließ, deren Druck das Wasser nachoben pumpte. Für die Auf- und Abwärtsbewegung war das Zahnrad zuständig. SeinePlanken, es waren noch keine Zähne, griffen in Stäbe, die am J-Rohr befestigt waren. ixAbbildung 7: Hubmaschine aus dem byzantinischen Königspalast, um 230 v. Chr.Trotz der ausgefeilten Technik handelt es sich in diesem Fall um eine einfache Triebstockverzahnung, die ineine Zahnstange griff. Die Anlage war bei Weitem nicht so ausgefeilt, wie die Wasseruhr von AlexandriaBei der Verzahnung handelte es sich um die damals üblichen Triebstöcke, wie sie auch inden ägyptischen Sakijes vorkamen. Obwohl diese Verzahnungsart die allgemein üblichstewar, entstanden in Griechenland auch die ersten „Zahn“-Räder, die mit filigraner Technikbearbeitet und zusammengesetzt wurden.Wesentlich präziser waren dagegen die Zahnräder, die von Schwammfischern um 1900 ineinem Wrack vor der Küste der kleinen griechischen Insel Antikythera, nordwestlich vonKreta entdeckt wurden (Abb. 7). Trotz der starken Verwitterung der Maschine, die auf 80 v.Chr. datiert wurde, waren deutlich feine, metallische Zahnräder zu erkennen.Eine Röntgenuntersuchung in den 70er Jahren zeigte, dass sich sechzehn Räder mitverschiedenen Größen in dem Apparat befanden. Wer der Konstrukteur dieses Gerätes war,ist nicht bekannt. Derek de Solla Price vermutete im Erfinder allerdings einen Abkömmlingder archimedischen Schule.


Abbildung 8: Nachbau der Verzahnung von Antikythera, um 80 v. Chr.Die fein ausgearbeiteten Zahnräder sind für ihre Entstehungszeit außergewöhnlich und bislang einzigartig.Die Herstellung mit Feilen und Hämmern muss viel Zeit in Anspruch genommen haben.Die Zähne wurden aus Bronze gefertigt und waren angespitzt, so dass sie eine dreieckigeForm erhielten. Der Mechanismus war in eine Holztruhe eingefasst, von der nur Fragmenteerhalten blieben. Der Apparat konnte als Kalenderrechner mit Sonnen- und Mondphasenidentifiziert werden. Dieser „Urcomputer“ war über mehrere Jahre im Einsatz und musstemehrmals repariert werden, worauf deutliche Spuren hinwiesen. Es ist das älteste erhalteneGerät seiner Art und gibt Aufschluss über den hohen technischen Entwicklungsstand dergriechischen Kultur.Die Bearbeitung der Zahnräder und die detailgenauen Verzahnungen der Maschine zeigendeutlich das bereits in hohem Maße vorhandene Wissen, so dass man zweifellos davonausgehen darf, dass Aristoteles und später Archimedes tatsächlich mit Zahnrädernarbeiteten. Denn auch wenn der Apparat auf die Zeit um 80 v. Chr. datiert wurde, muss einetechnische Entwicklung vorausgegangen sein, die in einer grundlegenden Form wohl bereitszweihundert Jahre zuvor, in den Werken der beiden griechischen Denker, ihren Anfanggenommen hatte. x


Auf den Zahn gefühlt!Nach <strong>12</strong> Vollmonden wiederholen sich die Jahreszeiten und ein Jahr ist vorüber.Nach 1 Tag wiederholt sich der Tageslauf und nach 3<strong>60</strong> Tagen kommt der <strong>12</strong>. Vollmond.Zwischen zwei Vollmonden vergehen 30 Tage.Der Jahreskreis schließt sich nach <strong>12</strong> Monaten je 30 Tage.Deshalb wird auch der Tag in Einheiten von <strong>12</strong> Tagstunden und <strong>12</strong> Nachtstunden unterteilt.Der Schatten einer Sonnenuhr in der nördlichen Hemisphäre wandert rechts herum.Deshalb ist die Drehrichtung rechts im Uhrzeigersinn.11<strong>12</strong>1102WinterFrühjahr9384HerbstSommer765Grafik B: Die <strong>12</strong> Monate eines Jahres werden von der Natur in 4 Jahreszeiten unterteiltSo wie sich der Jahreskreis nach 3<strong>60</strong> Tagen schließt, schließt sich auch in der Geometrieder Kreis, aber hier nach 3<strong>60</strong>°.Für die Landvermessung war es notwendig, mit Hilfe von Winkeln einTriangulationsverfahren anzuwenden. Bedingt durch notwendige Winkelfunktionen werdeneindeutige Definitionen von Richtungen und Vorzeichen notwendig. Als Basis dient derHorizont, der deshalb auch die Nulllage definiert. Steht man mit Blickrichtung Norden aufder nördlichen Hemisphäre, so geht rechts die Sonne über dem Horizont auf um in dieHöhe zu steigen. Vielleicht war dies der Grund für die Richtung „links rum“ für dengeometrischen Kreis.Grafik C: Berechnungszeichnung


1.2.2 Das alte RomDie technische Entwicklung des Römischen Reiches profitierte nicht zuletzt von derÜbernahme und Verbesserung von bereits vorhandenen Erkenntnissen aus den erobertenGebieten. Besonders aus den griechischen Provinzen eigneten sich die Römer viel Wissenan und beschäftigten hellenische Sklaven als Lehrer. Man kann daher davon ausgehen,dass den römischen Gelehrten das Wissen von Aristoteles und Archimedes geläufig war. DaRom eine sehr militärisch orientierte Ausrichtung der Forschung betrieb, beschränkte sichdie Anzahl der Wissenschaftler, die sich intensiv mit Zahnrädern und Getriebenbeschäftigten auf Vitruv und Heron. Beide haben uns aufschlussreiche Werke hinterlassen,die das gesamte Wissen über Verzahnungen der damaligen Zeit widerspiegeln.1.2.2.1 Die „architectura“ des VitruvDer bekannte römische Baumeister und Ingenieur Vitruv lebte zu Zeiten Julius Cäsars undKaiser Augustus. In seinem zwischen 30 und 16 v. Chr. verfassten Werk über Architekturwidmete er sich auch der Entwicklung von Sonnen- und Wasseruhren, sowie Maschinen. Inseinen Ausführungen zeigte sich deutlich die Herkunft seines Wissens, denn Vitruvbestätigte bereitwillig, vieles aus alten griechischen Quellen übernommen zu haben. SeinInteresse an Zahnrädern hing mit Sicherheit vornehmlich mit seiner eigentlichen Arbeit, derArchitektur, zusammen. Vitruv erachtete die Symmetrie stets als eines der höchsten Zieleder Konstruktion, ein Anspruch den er in den Zahnrädern ebenfalls wieder fand. xiEines der interessantesten Geräte, die uns aus dieser Zeit bekannt sind, ist der von ihmentwickelte Wegmesser (Abb. 8). Der Hodometer besteht aus einer Vielzahl von Zahnrädernund Schneckenrädern. Jede zurückgelegte Meile wurde durch eine herabfallende Kugelsignalisiert. Eine Meisterleistung war die Bewältigung einer großen Untersetzung, die esermöglichte, die Drehung des Wagenrades so weit zu verlangsamen, dass am Ende derBewegung erst nach genau einer Meile die Kugel herunterfiel.Abbildung 9: : Nachbau des Hodometer von VitruvDer Wegmesser zeigte über die ausgeworfenen Steine die zurückgelegte Entfernung an. Die Erfindung wurdenach dem Niedergang des Römischen Reiches erst über 1500 Jahre später von Leonardo da Vinci wiederentdeckt.


Vitruv gab in seiner „architectura“ auch die erste ausführliche technische Beschreibung einerWassermühle an. Dazu hatte er eine alte griechische Mühle übernommen und dasAntriebsrad aus der waagerechten Position in die Senkrechte verlagert. Er brachte am Endedes Wasserrades ein Zahnrad (lat.: tympanum dentatum) an, das sich mit dem Schaufelradauf einer Achse befand. In das Kammrad eingreifend, wurde ein zweites Zahnradwaagerecht auf einer stehenden Welle angebracht, die in den Läuferstein eingelassen war.So bewirken die Zähne die Drehung des Mühlsteines. Vitruvs Mühlentechnik ist das Vorbildaller später folgenden Wassermühlen des Mittelalters. xiiDie Römer und das WissenAuf den Zahn gefühlt!Das allgemeine Bild vom Römischen Reich stellt eine hoch zivilisierte Gesellschaft dar,die viele große Erfindungen hervorbrachte. Tatsächlich kam das Wissen, das die Römeranwendeten, von griechischen Gelehrten.Im Zuge der Eroberungen wurden griechische Geiseln nach Rom gebracht, um ihr Wissenan die römische Bevölkerung weiterzugeben. Die Erfindungen der Griechen wurden vonden Römern nur genutzt, aber in den seltensten Fällen weiterentwickelt. Einzig dieMilitärtechnologie wurde stetig verbessert.Grafik D: Schule im antiken Rom, antikes Relief – die Lehrer waren meist griechische Sklaven


1.2.2.2 Die Maschinen des HeronDie genauen Lebensdaten von Heron dem Älteren sind unbekannt, aber er lebte wohl im 2.Jahrhundert nach Christus in Alexandrien. Seine Apparate und Maschinen sind noch heutebekannt und zeugen vom enormen Wissen der damaligen Zeit. Auch seine beiden Schriftenüber Druckwerke und Automatentheater sind uns bekannt. Besonders Herons Wissen überHydraulik und Luftdruck waren für das 2. Jahrhundert n. Chr. äußerst beeindruckend. Inseinen Abhandlungen untersuchte er aber auch Zahnräder.Heron beschrieb in seinem zweiten Buch einen Automaten, der im Tempel von Alexandria zusehen war (Abb.9). Dieser Kasten war vollständig geschlossen und nur mit einem Bronzeradauf der Seite und einem künstlichen Vogel versehen. Wurde das Rad gedreht, dann drehtesich auch der Vogel. Wurde sie losgelassen, dann begann der Vogel zu pfeifen. Dieses fürdie damalige Zeit unglaublich beeindruckende Schauspiel hatte Heron mit Hilfe vonZahnrädern und Luftdruck erschaffen. Das bronzene Rad war innerhalb des Kastens miteinem vertikalen „Sternrad“, also einem Zahnrad, verbunden. Dieses griff wiederum in einhorizontal gelagertes Zahnrad, das mit dem Vogel verbunden war und ihn drehte. An derVerlängerung der Kurbel, an der das Bronzerad saß war schließlich eine Seilwindeangebracht, die bei der Drehbewegung eine Metallglocke aus einem Wassergefäßemporhob. Wurde das Rad schließlich wieder losgelassen, sank die Glocke wieder in dasWasser zurück. Durch ein kleines Ventil konnte die Luft darunter wieder entweichen und esertönte ein, der Vogelstimme ähnliches, Pfeifen aus dem Kasten.Abbildung 10: Nachbau des „Singenden Vogel“ von HeronAuch hier handelt es sich um eine Triebstockverzahnung aus Holz, die mit einfachen Stäben bestückt wurde.


Neben der Hydraulik befasste sich Heron aber auch mit Schneckengetrieben undZahnrädern. Besonders effektiv zum Heben von Lasten war die von ihm entwickelte Winde.Über ein horizontal angetriebenes Schneckengewinde wurde ein vertikal gelegenes Zahnradbewegt. An dessen Verlängerungen links und rechts waren Seile befestigt, die sich zu einemHebezeug verbanden, an dem die Last befestigt war. Heron kannte also nicht nur dieRichtungsübersetzung, sondern war auch mit den Hebelgesetzen vertraut.Trotz seiner intensiven Arbeit an den Zahnrädern und dem bekannten Vorwissen derGriechen verwendete Heron ausschließlich Stockverzahnungen mit angespitzten undgekrümmten Zähnen.1.2.2.3 Antike Herstellung von ZahnrädernEine interessante Darstellung der Herstellung und Bearbeitung von Zahnrädern finden sich inden Schriften von Pappus von Alexandrien.Er beschrieb eine Maschine, die in der Lage ist, mit einem Kraftaufwand von 5 Talenten eineLast von 1000 Talenten zu heben. Dabei ging er auch mathematisch auf dieses Phänomenein. Der Durchmesser der Zahnscheibe musste im Verhältnis 5:1 zum Durchmesser derAchse stehen. Sein Apparat beinhaltet dabei fünf Wellen mit je einem kleinen und einemgroßen Zahnrad.Durch die Übersetzung wandelte Pappus die aufzuwendende Kraft zum Anheben desGewichtes in die Länge des Weges um, was er mit der Übersetzung von kleinen auf großeZahnräder erreichte. Die Herstellung dieser Räder und der Wellen war jedoch wesentlichprimitiver als es die Mechanik des Apparates vermuten ließ. Werkzeuge standen damals nurwenige zur Verfügung. Einzig Meißel und Feile konnten zur Bearbeitung dieser Räderverwendet werden. Bis ins Mittelalter blieben dies die einzigen Hilfsmittel zur Herstellung vonZahnrädern und Schraubengängen.Die technischen Errungenschaften der Antike verschwanden mit dem Fall des RömischenReiches im 4. Jahrhundert n. Chr. und wurden erst Jahrhunderte später wieder entdeckt.Eine komplexe Zusammenstellung von Zahnrädern, wie bei dem Kalendercomputer vonAntikytera wurde erst fast tausend Jahre später wieder konstruiert. Das Wissen überZahnräder hatte sich wieder auf die Verwendung bei Mühlen reduziert und war nurunwesentlich besser als zur Zeit des alten Ägyptens. Echte Zahnräder tauchten erst in denUhren und Astrolabien des 13. Jahrhunderts wieder auf. Die einzige Verzahnungsform, dieauch im frühen Mittelalter weitgehend bekannt war, blieb die traditionelle Stockverzahnung,wie sie aus den ägyptischen Wasserhebewerken bekannt waren.


Rechenkunst der RömerAuf den Zahn gefühlt!Die arabischen Zahlen waren den Römern ebenso unbekannt, wie die Zahl Null. Die römischenZahlenzeichen versahen ihre Dienste bei Zählaufgaben ganz gut. Jedoch schon bei einfachenAdditionen stellten sie ihre Minderwertigkeit unter Beweis.Bei längeren Zahlensymbolreihen trat zusätzlich das Problem der Stellenkennzeichnung auf,sodass die Zahlen missverständlich wurden:XIX+ IV= XXIIIDie Multiplikation und Division wollen wir mal außen vor lassen. Dass mit diesem Zahlensystemkeine mathematische Weiterentwicklung möglich war, ist unschwer erkenntlich.


1. Vorgeschichte1.1 Frühgeschichte – am Anfang stand das Radi Schenkel, Wolfgang: Die Bewässerungsrevolution im Alten Ägypten; Mainz, 1978; S. 23ii Matschoß, Conrad: Geschichte des Zahnrades; Berlin, 1940; S. 2iii Sonnemann, Rolf (Hrsg.): Geschichte der Technik; Leipzig, 1978; S. 82fiv Feldhaus, Franz M.: Die geschichtliche Entwicklung des Zahnrades in Theorie und Praxis;Reinickendorf, 1911; S. 31.2 Der Entwicklungsschub in der Antikev Dijkterhuis, E. J.: Archimedes; Kopenhagen, 1956; S. 49vi Schneider, Ivo: Archimedes – Ingenieur, Wissenschaftler und Mathematiker; Darmstadt, 1979; S. 79vii Schneider, Ivo: Archimedes – Ingenieur, Wissenschaftler und Mathematiker; Darmstadt, 1979; S. 84viii Gaitzsch, Rainer ; Graßl, Hans ; Mäutner, Siegfried : Zeit und Zeitmessung ; Stuttgart 1982 ; S. 21fix de Vaux, Carra: Le livre des Appareils Pneumatiques et des Machines Hydrauliques par Philon deByzance, Paris, 1902 ; S. 183x de Solla Price, Derek: Gears from the greeks – The antikythera Mechanism – A calendar computerfrom ca. 80. B.C.; New York, 1975; S. 10ffxi Fritz, Hans-Joachim: Vitruv – Architekturtheorie und Machtpolitik in der römischen Antike; aus derReihe: Oktogon – Studien zu Architektur und Städtebau; Band 15; Münster, 1995; S. 29xiiMatschoß, Conrad: Geschichte des Zahnrades; Berlin, 1940; S. 8f

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