13.07.2015 Aufrufe

Professorinnen an der ETH Zürich - Ada.bit

Professorinnen an der ETH Zürich - Ada.bit

Professorinnen an der ETH Zürich - Ada.bit

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Ch<strong>an</strong>cengleichheit von Frau und M<strong>an</strong>n<strong>Professorinnen</strong> <strong>an</strong> <strong>der</strong><strong>ETH</strong> <strong>Zürich</strong>


Ladies, welcome to <strong>ETH</strong>!Frauen sind <strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>ETH</strong> willkommen – als Studentinnen, als Doktor<strong>an</strong>dinnen,als wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und als<strong>Professorinnen</strong>. Sie sind zwar (noch) in <strong>der</strong> Min<strong>der</strong>heit, dochFrauen sind im Kommen: 1992 waren 20% aller StudierendenFrauen, 2003 sind es fast 30%. Dagegen gibt es nur gerade 7%<strong>Professorinnen</strong>, und das wollen wir än<strong>der</strong>n! Ch<strong>an</strong>cengleichheitist laut Leistungsauftrag für die Jahre 2004 bis 2007 ein strategischesZiel. Auch das «Bundesprogramm Ch<strong>an</strong>cengleichheit»,dem sich die <strong>ETH</strong> <strong>Zürich</strong> <strong>an</strong>geschlossen hat, will die Anzahl <strong>der</strong><strong>Professorinnen</strong> <strong>an</strong> Schweizer Universitäten bis 2006 auf 14%erhöhen.Frauen haben <strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>ETH</strong> Ch<strong>an</strong>cen. Die in dieser Mappe vorgestellten<strong>Professorinnen</strong> beweisen es. Die Portraits stellen nichtnur interess<strong>an</strong>te Persönlichkeiten vor, sie zeigen auch, wie unterschiedlichdie Wege zur Professur sein können. Warum dieFrauen diese Laufbahn gewählt haben und wie sie es geschaffthaben, verraten sie in dieser Mappe.Wir hoffen, dass wir mit dieser Publikation junge Wissenschaftlerinnenfür eine akademische Laufbahn begeistern können, undfreuen uns, die Mappe jährlich mit weiteren Portraits zu ergänzen.Liebe Studentinnen, liebe Doktor<strong>an</strong>dinnenWenn ihr konkrete Fragen zu eurer beruflichen Zukunft mit einerProfessorin besprechen möchtet, wendet euch direkt <strong>an</strong> sie! Beijedem Portrait sind unter «Kontakt» Telefonnummer und E-Mail-Adresse aufgeführt.Zusätzliche Informationen zu den <strong>Professorinnen</strong> findet ihr auchunter: www.cc.ethz.ch/whoiswho/default.htmIm Frühling 2004 startet die Stelle für Ch<strong>an</strong>cengleichheit einOnline-Mentoring-Programm. Es bietet Gelegenheit, mit Assistentinnen,Doktor<strong>an</strong>dinnen und Studentinnen über E-MailKontakt aufzunehmen.Für weitere Informationen rund um das Thema Laufbahn undKarriere verweisen wir euch auf: www.equal.ethz.ch/beratungWir wünschen euch viel Erfolg für eure akademische Karriere.Brigitte M<strong>an</strong>z-Brunner und Carla ZinggGleichstellungsbeauftragte <strong>der</strong> <strong>ETH</strong> <strong>Zürich</strong>Eidgenössische Technische Hochschule <strong>Zürich</strong><strong>ETH</strong> Zentrum, HG F 37.3CH-8092 <strong>Zürich</strong>Tel. +41 1 632 60 26Fax +41 1 632 12 37equal@pa.ethz.chwww.equal.ethz.ch


<strong>Professorinnen</strong> <strong>an</strong> <strong>der</strong><strong>ETH</strong> <strong>Zürich</strong>(St<strong>an</strong>d Juli 2003)Marlis Buchm<strong>an</strong>nNina Buchm<strong>an</strong>nMarcella CarolloSilvia Dorn-MühlebachEva-Maria FeichtnerChristine GigerMonica GottaGudela GroteÖzlem ImamogluIngrid Ursula KellerUlrike KutaySus<strong>an</strong>ne KytziaIsabelle M<strong>an</strong>suyJudith A. McKenzieMoira NorrieBrita E.A. NucinkisAnnette OxeniusFelicitas PaussRenate SchubertSarah Marcella Springm<strong>an</strong>Linda Thöny-MeyerSabine WernerHeidi Wun<strong>der</strong>li-Allenspachordentliche Professorin für Soziologie, D-GESSordentliche Professorin für Grasl<strong>an</strong>dwissenschaften, D-AGRLausserordentliche Professorin für Astrophysik, D-PHYSordentliche Professorin für Entomologie, D-AGRLAssistenzprofessorin am Departement Mathematik, D-MATHAssistenzprofessorin für Geoinformationssysteme, D-BAUGSNF-För<strong>der</strong>ungsprofessur für Biochemie, D-BIOLord. Prof. für Arbeits- und Org<strong>an</strong>isationspsychologie, D-BEPRAssistenzprofessorin am Departement Mathematik, D-MATHordentliche Professorin für Experimentalphysik, D-PHYSAssistenzprofessorin für Biochemie, D-BIOLAssistenzprof. für Stoffhaushalt/Entsorgungstechnik, D-BAUGAssistenzprofessorin für Zelluläre Neurobiologie, D-BIOLordentliche Professorin für Geologie; D-ERDWordentliche Professorin für Informatik; D-INFKAssistenzprofessorin für Mathematik, D-MATHAssistenzprofessorin für Immunologie; D-BIOLord. Professorin für Experimentelle Teilchenphysik, D-PHYSordentliche Professorin für Nationalökonomie, D-GESSordentliche Professorin für Geotechnik, D-BAUGAssistenzprofessorin für Mikrobiologie, D-BIOLordentliche Professorin für Zellbiologie, D-BIOLordentliche Professorin für Biopharmazie; D-CHABDiese Publikation wird jährlich aktualisiert.Die Portraits <strong>der</strong> neu gewählten SNF-För<strong>der</strong>ungsprofessorinnenEilika Weber-B<strong>an</strong>, Biochemie und Molekulare Biophysik, D-BIOL undSaskia Goes, Tektonophysik, D-ERDW erscheinen bei <strong>der</strong> nächstenAktualisierung.


Geht ins Ausl<strong>an</strong>d,sammelt möglichstbreit internationaleErfahrungen!Marlis Buchm<strong>an</strong>nMarlis Buchm<strong>an</strong>n wurde in Walenstadt (Schweiz) geboren.Sie ist Mutter zweier Kin<strong>der</strong> im Alter von fünf und siebenJahren. Ihr Fachgebiet ist Soziologie.Laufbahn1970 Matura Typus B, K<strong>an</strong>tonsschule St. Gallen (CH)1977 Lizenziat, Universität <strong>Zürich</strong>1982 Promotion in Soziologie, Universität <strong>Zürich</strong>1985–1986 Postdoc, Ecole des Hautes Etudes en SciencesSociales in Paris (Fr<strong>an</strong>kreich), St<strong>an</strong>ford Universityin St<strong>an</strong>ford (California, USA) und University ofCalifornia in Berkeley (California, USA)1988 Habilitation, Universität <strong>Zürich</strong>1989–1990 Visiting Professor, St<strong>an</strong>ford University inSt<strong>an</strong>ford (California, USA)seit 1990 Verschiedene Gastprofessuren <strong>an</strong> amerik<strong>an</strong>ischenUniversitäten (u.a. Fellow am Center forAdv<strong>an</strong>ced Study in the Behavioral Sciences inSt<strong>an</strong>ford)Antritt <strong>der</strong> Professur <strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>ETH</strong> <strong>Zürich</strong>1990 ordentliche ProfessurKontaktProf. Marlis Buchm<strong>an</strong>nDepartement Geistes-, Sozial- und StaatswissenschaftenScheuchzerstrasse 68/70<strong>ETH</strong> Zentrum SEW E 24CH-8092 <strong>Zürich</strong>Telefon 01 632 55 57buchm<strong>an</strong>n@soz.gess.ethz.chIm Moment leidet sie noch etwas unter Jetlag. Vor zwei Tagen erstist die Soziologieprofessorin Marlis Buchm<strong>an</strong>n in <strong>Zürich</strong> eingetroffen,um <strong>an</strong> <strong>der</strong> Gründungsfeier des «Jacobs Center for ProductiveYouth Development» zu sprechen. In zwei Tagen wird sie die Schweizwie<strong>der</strong> verlassen: Als erste Schweizer Wissenschaftlerin wurde siefür ein Jahr <strong>an</strong>s «Center for Adv<strong>an</strong>ced Studies in the BehavioralSciences» <strong>an</strong> <strong>der</strong> St<strong>an</strong>ford University eingeladen.Bereits als Mittelschülerin verbrachte Buchm<strong>an</strong>n ein Austauschjahrin den USA. Dieser Aufenthalt hat zur Wahl ihres Studienfachsbeigetragen: «Ich habe die Erfahrung gemacht, dass sich das Zusammenlebenzum Teil nach <strong>an</strong><strong>der</strong>en Regeln gestaltet. Das hat sichermein Interesse geweckt.» Allerdings, so relativiert sie lachend: Oftsehe m<strong>an</strong> im Nachhinein die Beweggründe für einen Entscheid<strong>an</strong><strong>der</strong>s, «m<strong>an</strong> legt sich die Biographie zurecht, damit sie konsistentist, das nennen wir in <strong>der</strong> Soziologie ‹retrospektive Reinterpretation›».Heute ist Buchm<strong>an</strong>n Professorin – sowohl <strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>ETH</strong> wie auch<strong>an</strong> <strong>der</strong> Universität <strong>Zürich</strong>. Als sie 1994 neben ihrer <strong>ETH</strong>-Professurnoch eine Uni-Professur <strong>an</strong>trat, gab es auch einige nicht g<strong>an</strong>z freundlicheReaktionen: «M<strong>an</strong> hat mir gesagt, d<strong>an</strong>ach gehörst du we<strong>der</strong>hierhin noch dorthin, wirst dich we<strong>der</strong> hier noch dort integrieren.»Heute sind diese Befürchtungen in den Hintergrund getreten, denn,so Buchm<strong>an</strong>n, «seit einigen Jahren wird <strong>der</strong> Zusammenarbeit zwischenUni und <strong>ETH</strong> ein grösseres Gewicht beigemessen – gemeinsamsind wir ein starker Hochschulplatz.»Sie sind Professorin <strong>an</strong> zwei Hochschulen – haben Sie auch zweiunterschiedliche Forschungsgebiete?Ich habe tatsächlich zwei fachliche Schwerpunkte. Einerseitsinteressieren mich Fragen <strong>der</strong> sozialen Mobilität in westlichenIndustriegesellschaften. Zum Beispiel: Wie sind Bildungsvoraussetzungenmit beruflichen Ch<strong>an</strong>cen verknüpft, mit sozialen Positionen,Auf- o<strong>der</strong> Abstiegen? Wie w<strong>an</strong>deln sich Bildungs- und Arbeitsqualifikationen?Eine wichtige Grösse, die den W<strong>an</strong>del beeinflusst,ist die Technologie. Deshalb ist dieses Forschungsgebiet stärker mit


<strong>der</strong> <strong>ETH</strong> verknüpft. Mein zweiter Schwerpunkt ist Kultursoziologie;ich <strong>an</strong>alysiere den längerfristigen W<strong>an</strong>del von Leitideen und kulturellenVorstellungen in den westlichen Industrielän<strong>der</strong>n. Bei beidenSchwerpunkten gilt, dass die Frage des W<strong>an</strong>dels von grundlegendemInteresse ist. Schliesslich (lacht) ist W<strong>an</strong>del ja eigentlich daseinzig Beständige in unserer mo<strong>der</strong>nen Gesellschaft.Haben Sie sich als Studentin jemals vorgestellt: Ich werde späterDoppelprofessorin?(Lacht) Nein, natürlich nicht. Die Idee einer Professur ist erstnach Abschluss des Studiums aufgetaucht, als ich am SoziologischenInstitut in <strong>Zürich</strong> arbeitete und merkte, wie gut mir Forschunggefällt. Ich wollte gerne im Hochschulbereich bleiben, also habe ichdie notwendigen Qualifikationsschritte gemacht. Es war ehersequentiell: Gut, ich habe jetzt meine Diss fertig, ich habe meineForschung, also gehe ich ins Ausl<strong>an</strong>d. D<strong>an</strong>n folgte als nächsterSchritt die Habilitation – und irgendw<strong>an</strong>n lief alles relativ schnell.Was waren, im Rückblick betrachtet, entscheidende Momente?Ein wichtiger Schritt in meiner Karriere war sicher <strong>der</strong> Entscheid,ins Ausl<strong>an</strong>d zu gehen. Ich habe mir sehr renommierte Hochschulenausgesucht, zuerst die Ecole des Hautes Etudes en Sciences Socialesin Paris, d<strong>an</strong>ach habe ich <strong>an</strong> <strong>der</strong> St<strong>an</strong>ford University und <strong>der</strong> Universityof California in Berkeley <strong>an</strong> meiner Habil gearbeitet. Kaumhatte ich sie abgeschlossen, wurde ich für ein Jahr als Gastprofessorinnach St<strong>an</strong>ford eingeladen.Ich empfehle übrigens allen Studentinnen und Doktor<strong>an</strong>dinnen,die sich eine akademische Karriere überlegen: Geht ins Ausl<strong>an</strong>d,sammelt möglichst breit internationale Erfahrungen! Nicht nur,weil Ihr so bessere Karriereaussichten habt. Es ist auch wichtig, sichin einem <strong>an</strong><strong>der</strong>en Kontext zu bewegen. Die Schweiz ist nicht sehrgross – es tut gut, über den Tellerr<strong>an</strong>d zu schauen.Hatten Sie nie Lust, eine Professur ausserhalb <strong>der</strong> Schweiz <strong>an</strong>zunehmen?Eine Weile l<strong>an</strong>g war ich schon sehr in Versuchung, in Amerika zubleiben. Ich glaube, als meine Habilitation auf Englisch erschien,hätte ich mich durchaus mit Ch<strong>an</strong>cen bewerben können. Ich habemich aber für die Schweiz entschieden. Denn obwohl ich oft undgerne in Amerika bin, bin ich nicht sicher, ob ich für immer dortleben möchte. Dazu kommt: Mein M<strong>an</strong>n ist Arzt, für ihn wäre esschwierig gewesen, seine Arbeit in die USA zu verlegen.Gemeinsam mit ihrem M<strong>an</strong>n hat Marlis Buchm<strong>an</strong>n zwei Söhne,fünf und sieben Jahre alt. Und sie betreut sie auch gemeinsam mitihrem M<strong>an</strong>n: «Es ist wirklich ein ‹sharing›, beide tragen ihren Teildazu bei.» Die Kin<strong>der</strong> wurden zudem schon früh auch ausser Haus,in <strong>der</strong> <strong>ETH</strong>-Kin<strong>der</strong>krippe, betreut. Im Moment allerdings lebt dieg<strong>an</strong>ze Familie in den USA, die Kin<strong>der</strong> besuchen die normalenSchulen und haben flink Englisch gelernt.Ob in den USA o<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Schweiz: neben Beruf und Familiebleibt Buchm<strong>an</strong>n nicht allzu viel Freizeit. Kino- und Theaterbesuchesind seit <strong>der</strong> Geburt <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> seltener geworden. «Wenn ich michberuflich schon so stark engagiere, möchte ich möglichst viel von<strong>der</strong> verbleibenden Zeit mit meinen Kin<strong>der</strong>n verbringen», findet sie,und fügt hinzu: «Je älter sie werden, desto weniger wird ihnendar<strong>an</strong> liegen, dass wir abends möglichst zuhause sind. Sie fragenschon heute m<strong>an</strong>chmal: W<strong>an</strong>n geht ihr wie<strong>der</strong> aus, damit unserBabysitter kommt?»April 2003


Ich bin Wissenschaftlerin,ich bin Frau,ich bin Mutter, und esgeht mir gut!Nina Buchm<strong>an</strong>nNina Buchm<strong>an</strong>n wurde in Heidelberg (Deutschl<strong>an</strong>d) geboren.Sie ist Mutter einer Tochter im Alter von acht Monaten.Ihr Fachgebiet ist Terrestrische Ökologie, insbeson<strong>der</strong>eGrasl<strong>an</strong>dwissenschaften.Laufbahn1984 A<strong>bit</strong>ur in S<strong>an</strong>dhausen (Deutschl<strong>an</strong>d)1989 Diplom in Geoökologie, Universität Bayreuth(Deutschl<strong>an</strong>d)1993 Promotion, Universität Bayreuth1993–1996 Postdoc, University of Utah in Salt Lake City(Utah, USA)1996–1999 Habilit<strong>an</strong>din, Universität Bayreuth1999–2003 Gruppenleiterin und <strong>an</strong>schliessend Professorin,Max-Pl<strong>an</strong>ck-Institut für Biogeochemie in Jena(Deutschl<strong>an</strong>d)Antritt <strong>der</strong> Professur <strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>ETH</strong> <strong>Zürich</strong>2003 ordentliche ProfessurKontaktProf. Nina Buchm<strong>an</strong>nInstitut für Pfl<strong>an</strong>zenwissenschaftenUniversitätsstrasse 2<strong>ETH</strong> Zentrum LFW C 56CH-8092 <strong>Zürich</strong>Telefon 01 632 39 59nina.buchm<strong>an</strong>n@ipw.agrl.ethz.chLea kam sozusagen mitten in den Berufungsverh<strong>an</strong>dlungen zurWelt: Nach einigen Vorgesprächen reiste ihre Mutter, Nina Buchm<strong>an</strong>n,im achten Monat schw<strong>an</strong>ger, von Jena nach <strong>Zürich</strong>, um den<strong>ETH</strong>-Präsidenten zu einem «Kennenlern-Gespräch» zu treffen. ZweiMonate später kam Buchm<strong>an</strong>n wie<strong>der</strong> nach <strong>Zürich</strong>, zu den abschliessendenVerh<strong>an</strong>dlungen – mit dabei ihre vier Wochen alte TochterLea. «Als wir den Termin bestimmten», erzählt Buchm<strong>an</strong>n, «habe ichgesagt: Ich k<strong>an</strong>n immer nur zwei Stunden am Stück besprechen,d<strong>an</strong>n muss ich stillen. Sonst verhungert meine Kleine.»Nina Buchm<strong>an</strong>n, wie bringen Sie Kind und Beruf unter einen Hut?Die Kleine hat einen Papa, und <strong>der</strong> betreut sie. Wir möchten sieerst in die Krippe schicken, wenn sie etwa <strong>an</strong><strong>der</strong>thalb Jahre alt ist.Mein M<strong>an</strong>n ist selbständiger Orts- und Regionalpl<strong>an</strong>er. Als festst<strong>an</strong>d,dass wir nach <strong>Zürich</strong> gehen und ein Kind haben werden, hater gesagt: Okay, ich schalte ein Babyjahr ein.Wie waren die Reaktionen in Ihrer Umgebung?Sehr positiv. Alle finden es g<strong>an</strong>z toll: Wie, das macht ihr? Super!Es wird ja viel über alternative Rollen-Modelle gesprochen: Ich glaube,wir sind eins. Mir ist das wichtig. In meinem Fachbereich gibt essehr wenige Frauen, und ich selbst habe dort nie eine Professorinerlebt, die Kin<strong>der</strong> hatte. Ich will den jungen Frauen zeigen, dass esgeht.Sind Sie ein Vorbild für Ihre Studentinnen und Doktor<strong>an</strong>dinnen?Ich hoffe es. An meinem früheren Institut in Jena hat mich eineDoktor<strong>an</strong>din darauf <strong>an</strong>gesprochen. Ich habe bis etwa zehn Tage vordem Geburtstermin gearbeitet, denn es ging mir gut. Die Doktor<strong>an</strong>dinsagte, sie finde es g<strong>an</strong>z toll, dass ich mich nicht zurückziehe, sonach dem Motto: «Ich bin jetzt schw<strong>an</strong>ger und k<strong>an</strong>n nicht mehrdenken». Für mich war das fast etwas überraschend: Ich bin Wissenschaftlerin,ich bin Frau, ich werde Mutter, und es geht mir gut!Dass sie die richtige Wissenschaft gewählt hatte, wurdeBuchm<strong>an</strong>n bereits nach einem halben Jahr ihres Geoökologie-Studiums klar: «Das erste Semester war schrecklich, nur Mathe,Statistik, Physik. D<strong>an</strong>n, im Sommer, folgten die ersten ökologischen


Mai 2003Fächer und interess<strong>an</strong>te Exkursionen – und ich wusste: Ich bleibdabei!» Denn die Arbeit im Freien ist ein Teil ihres Berufs, denBuchm<strong>an</strong>n liebt. «M<strong>an</strong>chmal, wenn so ein paar Ökologinnen undÖkologen zusammensitzen, witzeln wir jeweils: Als Kind hat m<strong>an</strong>uns verboten, draussen im Regen zu spielen und dreckig zu werden.Jetzt können wir es endlich machen und werden nicht dafür s<strong>an</strong>ktioniert»,erzählt sie lachend.Die Arbeit im Freil<strong>an</strong>d – und ihre Englischkenntnisse – führtenauch dazu, dass sie bereits als Doktor<strong>an</strong>din gut vernetzt war:«Häufig kamen Gastwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler ausdem Ausl<strong>an</strong>d <strong>an</strong> meine Uni, die unsere Freil<strong>an</strong>dst<strong>an</strong>dorte sehenwollten», erzählt sie. Die übrigen Doktorierenden hätten lieberkeine Führungen übernommen, da m<strong>an</strong> Englisch habe sprechenmüssen: «Ich machte es gerne, schliesslich hatte ich Englisch undFr<strong>an</strong>zösisch gelernt. Dolmetscherin war mal ein sehr früher Berufswunschgewesen.» Gemeinsam sei m<strong>an</strong> zu den St<strong>an</strong>dorten gefahren,habe d<strong>an</strong>n in einem Gasthof eine fränkische «Bradwurschd»gegessen, über Forschung, Gott und die Welt gesprochen – «so habeich Leute kennengelernt, <strong>der</strong>en Namen m<strong>an</strong> sonst nur von Papersher k<strong>an</strong>nte».Bereits in dieser Zeit war ihr Berufsziel klar: Professorin. Im letztenJahr ihrer Doktorarbeit sprach sie ihren Doktorvater darauf <strong>an</strong>:«Ich sagte ihm: Ich möchte habilitieren, vorher will ich aber ins englischsprachigeAusl<strong>an</strong>d. Wie soll ich vorgehen? Er f<strong>an</strong>d, normalerweisespreche er nicht über eine Habilitation, bevor die Doktorarbeitfertig sei. Aber wenn ich mir das schon in den Kopf gesetzt hätte ...»Drei Jahre verbrachte Buchm<strong>an</strong>n als Postdoc in Salt Lake City.Nach Deutschl<strong>an</strong>d zurückgekehrt habilitierte sie innerhalb von zweiJahren und arbeitete beim Max-Pl<strong>an</strong>ck-Institut für Biogeochemie inJena, zuletzt als Assistenzprofessorin. D<strong>an</strong>n kam die Einladung, nach<strong>Zürich</strong> zu kommen.Sie sind erst seit kurzem in <strong>Zürich</strong>, was sind Ihre Ziele?Ich möchte in den nächsten Jahren eine grosse, aktive, internationaleGruppe aufbauen. Und auch wirklich mit Betonung auf international!In Jena waren in meiner Arbeitsgruppe und am InstitutLeute aus den verschiedensten Län<strong>der</strong>n. Da kommen zusätzlich zuden verschiedenen fachlichen Expertisen auch durch die kulturelleund sprachliche Vielfalt viele neue Ideen raus.Wie sieht Ihre Arbeit aus?Ich bearbeite mit meiner Gruppe zwei grosse Themen. Zumeinen sind das Stoffkreisläufe in terrestrischen Ökosystemen, zumzweiten untersuchen wir die Beziehung zwischen pfl<strong>an</strong>zlicher Vielfaltund diesen Stoffkreisläufen. In Zukunft wird die Frage <strong>der</strong>Bewirtschaftung eine noch zentralere Rolle einnehmen. Ein grosserTeil unserer Arbeit findet im Freien statt, St<strong>an</strong>dorte suchen, Probennehmen. Als Professorin bin ich allerdings kaum mehr im Geländeaktiv, (lacht) aber ab und zu muss das schon auch sein, wie<strong>der</strong> malso richtig im Dreck zu wühlen. Ausserdem sind meine übrigen Aufgabensp<strong>an</strong>nend und vielfältig: M<strong>an</strong> braucht nicht nur das wissenschaftlicheWissen, son<strong>der</strong>n auch Org<strong>an</strong>isationstalent, Kommunikationsfähigkeit,m<strong>an</strong> betreut, m<strong>an</strong> lehrt, und m<strong>an</strong> kommt auch einbisschen in <strong>der</strong> Welt herum.Reiste Nina Buchm<strong>an</strong>n früher zu internationalen Kongressenund Ver<strong>an</strong>staltungen, kam ihr M<strong>an</strong>n m<strong>an</strong>chmal für ein paar gemeinsameFerientage nach. Heute ist bei solchen Reisen auch Tochter Leamit dabei: «Kürzlich», erzählt Buchm<strong>an</strong>n, «waren mein M<strong>an</strong>n undunsere Kleine bei einem EU-Treffen in Lissabon mit dabei. Es ist dochgut, wenn die Männer auf solchen Ver<strong>an</strong>staltungen sehen, dass esin ihrem Fach auch Frauen mit Kin<strong>der</strong>n gibt. Und überhaupt wäre esfür mich <strong>an</strong><strong>der</strong>s gar nicht machbar: Ich möchte meine Kleine nichteine Woche l<strong>an</strong>g missen.»


Vergiss nie, dassdu die Möglichkeithast, das Lebenzu führen, dasdu willst.Marcella CarolloMarcella Carollo wurde in Palermo (Italien) geboren. IhrFachgebiet ist Astrophysik, insbeson<strong>der</strong>e Formation undEvolution von Galaxien.Laufbahn1982 Maturità in Palermo (Italien)1987 Diplom in Physik, Università degli Studi diPalermo1993 Promotion in Astrophysik, Ludwig-Maximili<strong>an</strong>s-Universität in München (Deutschl<strong>an</strong>d)1994–1995 EC Fellowship, Leiden Observatory, UniversityLeiden (Nie<strong>der</strong>l<strong>an</strong>de)1996–1998 Hubble Fellowship, Johns Hopkins University inBaltimore (Maryl<strong>an</strong>d, USA)1999–2002 Assist<strong>an</strong>t Professor, Columbia University inNew York (New York, USA)Antritt <strong>der</strong> Professur <strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>ETH</strong> <strong>Zürich</strong>2002 ausserordentliche ProfessurKontaktProf. Marcella CarolloInstitut für AstronomieSchafmattstrasse 16<strong>ETH</strong> Hönggerberg HPF D 9CH-8093 <strong>Zürich</strong>Telefon 01 633 37 25marcella.carollo@phys.ethz.chMarcella Carollo, Sie sind Astrophysikerin, Ihr Thema ist das Universum– da stellen sich sicher auch viele philosophische Fragen?Um g<strong>an</strong>z ehrlich zu sein: Nein. M<strong>an</strong> k<strong>an</strong>n über dieselben Dingeaus g<strong>an</strong>z unterschiedlichen Perspektiven sprechen. Theologen undPhilosophen haben einen <strong>an</strong><strong>der</strong>en Blickwinkel als wir Astrophysikerinnenund Astrophysiker. Unsere Mittel sind diejenigen <strong>der</strong> Wissenschaft,wir fragen nach den physikalischen Prozessen, die das Universumentstehen und zu dem werden liessen, was es heute ist. Wirsind also mehr am Ursprung des Universums interessiert als <strong>an</strong>dessen Ende. Natürlich gibt es eine Theorie über das Ende des Universums,und m<strong>an</strong>chmal machen wir Scherze darüber, denn dieKonsequenzen stimmen nicht beson<strong>der</strong>s optimistisch.Was genau ist Ihr Fachgebiet?Mein Hauptinteresse ist es, Ursprung und Evolution von Galaxienim Universum zu erklären. Unsere Galaxie, die Milchstrasse, ist nureine von ungefähr 100 Milliarden ähnlicher Galaxien, jede mitDutzenden o<strong>der</strong> Hun<strong>der</strong>ten Milliarden von Sternen. Das Universumist bevölkert von Galaxien unterschiedlichster Art. Diese Diversitätzu verstehen und ebenfalls zu verstehen, wie es dazu kam undwie die Galaxien entst<strong>an</strong>den, das ist eine <strong>der</strong> grossen Fragen <strong>der</strong>Astrophysik.Wie arbeiten Sie konkret?Meine Arbeit ist beobachtend. Wir können ja nicht mit GalaxienLabor-Experimente durchführen und schauen, wie sie reagieren.Wir können höchstens auf dem Computer Simulationen vornehmen.Grundlage <strong>der</strong> Astrophysik sind Daten, die von Teleskopenstammen, unter <strong>an</strong><strong>der</strong>em vom Hubble-Weltraum-Teleskop. DieseDaten – beispielsweise solche, die etwas über den Metallgehalteinzelner Objekte o<strong>der</strong> über ihre Bewegungen aussagen – <strong>an</strong>alysierenwir im Kontext unserer Theorien und finden so heraus, welcheTheorie zutrifft. D<strong>an</strong>n sind wir einen kleinen Schritt weiter. Es ist, alsob m<strong>an</strong> die Stückchen eines grossen, komplexen Puzzles zusammensetzt.


zur Leiterin <strong>der</strong> Forschungsabteilung Entomologie <strong>der</strong> Dr. R. MaagAG auf, war ver<strong>an</strong>twortlich für die Entwicklung des neuen Insektenwuchsregulatorsbis zur Markteinführung in 18 Län<strong>der</strong>n: «Das Produktwurde weltweit l<strong>an</strong>ciert – ein schwieriger und herausfor<strong>der</strong>n<strong>der</strong>Prozess, aber auch ausserordentlich sp<strong>an</strong>nend.»Als Chefin von zehn Personen wurde Dorn zum ersten MalMutter, bei ihrem zweiten Sohn war sie bereits Leiterin <strong>der</strong> Forschungsabteilungund damit Vorgesetzte von 40 Personen: «Damalsstellte sich mir dieselbe schwierige Grundfrage wie heute vielenjungen Akademikerinnen: Karriere o<strong>der</strong> Familie? Ich habe beidesgewählt», blickt sie zurück: «Mein M<strong>an</strong>n und ich waren immerberufstätig und haben einfach alle Möglichkeiten ausgeschöpft,unsere Freizeit mit den Kin<strong>der</strong>n zu verbringen. Tagsüber hat eineKleinkin<strong>der</strong>zieherin sie betreut.»Betreuung ist heute im Hause Dorn kein Thema mehr: Der ältereSohn hat eben sein <strong>ETH</strong>-Studium abgeschlossen und seineDoktorarbeit begonnen, <strong>der</strong> jüngere bereitet sich mittlerweile aufsein Lizenziat vor. Und ihre Mutter arbeitet nach einem l<strong>an</strong>genAusflug in die Privatwirtschaft ebenfalls wie<strong>der</strong> <strong>an</strong> <strong>der</strong> Hochschule.Nach <strong>der</strong> Emeritierung ihres Vorgängers war für Dorn die Zeit reif.Getreu ihrer Devise «Ich halte mich offen für verschiedene Möglichkeitenund stelle mich den Herausfor<strong>der</strong>ungen» bewarb sie sichund wurde 1991 gewählt – als erst vierte ordentliche Professorin seitBestehen <strong>der</strong> <strong>ETH</strong>.Die Arbeit als Professorin ist für Dorn eine «runde» Sache: «Esist eine Einheit, alles gehört zusammen: Forschung, Lehre, Administration.Alles muss zusammenstimmen, damit ein Projekt erfolgreichsein k<strong>an</strong>n.» Die Lehre, die rund die Hälfte ihrer Zeit in Anspruchnimmt, ist für Dorn wichtig. So könne das neue Wissen, das in <strong>der</strong>Forschung generiert werde, gleich <strong>an</strong> die nächste Generation weitergegebenwerden, «eine wun<strong>der</strong>bare Kombination». Bloss: DieSumme aller Aufgaben ergibt l<strong>an</strong>ge Arbeitstage. «Das gehört zueiner Führungsposition», stellt Dorn trocken fest, und: «Natürlichmuss m<strong>an</strong> dafür auf <strong>an</strong><strong>der</strong>e Dinge verzichten. Ich bin moment<strong>an</strong>noch Vorsteherin des Departements, also habe ich einige internationaleund nationale Ämter ablehnen müssen. Vielleicht werde ichspäter mehr Zeit dafür haben.»Ein bisschen Zeit findet sie schon heute für ihre grosse Passion,das Reisen. Meist reist die Familie Dorn gemeinsam, weltweit, zuimmer neuen Destinationen. «Ich habe noch l<strong>an</strong>ge nicht alles gesehen,was ich sehen möchte», sagt sie. Kreuzt auf diesen Reisen einInsekt ihren Weg, «schau ich es schon <strong>an</strong> und <strong>bit</strong>te diejenigen in <strong>der</strong>Familie, die einen Apparat dabeihaben, es für meine Vorlesung zufotografieren», aber eigens auf die Suche nach Insekten macht siesich nicht. Zum Ausgleich schon eher auf die Suche nach Pfl<strong>an</strong>zen:In Thail<strong>an</strong>d ist sie mit ihrem M<strong>an</strong>n und einem Führer hoch hinaufgeklettert, um die grösste Blume <strong>der</strong> Welt, die nur in einem kleinenGebiet vorkommt, in voller Blüte zu sehen.Ihre Liebe zu Pfl<strong>an</strong>zen zeigt sich auch in Dorns Büro. Hier stehtein riesiger Ficus benjaminii, <strong>der</strong> bereits die Deckenplatte berührt.«Vielleicht muss ich die Platten entfernen», überlegt Dorn, «Abschneidenmöchte ich ihn nämlich auf keinen Fall.»J<strong>an</strong>uar 2003


Ich wollte endlichmal Erfolge sehen,wollte heraus ausdieser Enge.Eva-Maria FeichtnerEva-Maria Feichtner wurde in Berlin (Deutschl<strong>an</strong>d) geboren.Ihr Fachgebiet ist Mathematik.Laufbahn1990 A<strong>bit</strong>ur in Berlin (Deutschl<strong>an</strong>d)1994 Diplom in Mathematik, Freie Universität Berlin1997 Promotion in Mathematik, TechnischeUniversität Berlin1998 Postdoc, Massachusetts Institute of Technologyin Cambridge (Massachusetts, USA)1999 Postdoc, Institute for Adv<strong>an</strong>ced Study inPrinceton (New Jersey, USA)Antritt <strong>der</strong> Professur <strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>ETH</strong> <strong>Zürich</strong>1999 AssistenzprofessurKontaktProf. Eva-Maria FeichtnerDepartement MathematikRämistrasse 101<strong>ETH</strong> Zentrum HG G 32.2CH-8092 <strong>Zürich</strong>Telefon 01 632 06 39eva-maria.feichtner@math.ethz.ch«Zu Ende <strong>der</strong> Schulzeit wollte ich unbedingt Musik studieren»,erzählt Eva-Maria Feichtner. Damals hat sie intensiv Klavier gespielt,jeden Tag vier bis sechs Stunden l<strong>an</strong>g geübt. Mathematik hingegenhat sie wenig <strong>an</strong>gesprochen: «Ich f<strong>an</strong>d Mathe l<strong>an</strong>gweilig, unkreativ.Es war ein Fach, das mir g<strong>an</strong>z leicht fiel und deswegen auch keineHerausfor<strong>der</strong>ung war.» Doch als sie siebzehn war, bot das MathematischeInstitut <strong>der</strong> Freien Universität Berlin ein zweiwöchigesSchülerseminar <strong>an</strong>, Feichtner nahm teil, hörte Vorlesungen, lösteAufgaben – und wusste: «Jetzt wird Mathematik studiert.»Seit 1999 ist sie <strong>ETH</strong>-Assistenzprofessorin für Mathematik; ihrFachgebiet ist Diskrete Geometrie: «Ein Gebiet, das sich erst injüngster Zeit etabliert hat. Es ist <strong>der</strong> Versuch, zwischen den klassischenGebieten <strong>der</strong> reinen Mathematik und <strong>der</strong> noch recht jungendiskreten Mathematik eine Brücke zu sp<strong>an</strong>nen», erklärt sie. EinBrückenschlag «zwischen zwei Extremen» also, sp<strong>an</strong>nend seiendabei vor allem Fragen wie: «Wo sind bereits in <strong>der</strong> klassischenMathematik diskrete Strukturen da, und wo helfen diskrete Strukturen,die klassische Mathematik besser zu verstehen?»Fragen, über die nicht bloss im einsamen Kämmerchen nachgedachtwird. «Die Arbeit ist sehr auf Zusammenarbeit und Kommunikationgestützt, das ist für mich das Allerschönste <strong>an</strong> diesemBeruf», sagt Feichtner. Gerade bei <strong>der</strong> diskreten Geometrie gehe esdarum, MathematikerInnen aus beiden Disziplinen, die sich sonstkaum treffen würden, zusammenzubringen: «Diese Kompetenzenmitein<strong>an</strong><strong>der</strong> zu verbinden und zu schauen, was wir gemeinsamerreichen, das ist die eigentliche Herausfor<strong>der</strong>ung.»Das Vorurteil, Mathematikerinnen und Mathematiker arbeitetenim einsamen Kämmerchen trifft laut Feichtner überhaupt nichtzu. Was eher zutreffen könne, meint sie mit einem Lachen, sei dasVorurteil «zerstreute Professorin»: «Wenn es gelingt, sich in irgendwasso richtig einzudenken, d<strong>an</strong>n, denk ich, sind wir vielleicht inGefahr, das normale Leben ein bisschen zu vergessen. M<strong>an</strong>chmalmach ich d<strong>an</strong>n schon Dinge, über die m<strong>an</strong> schmunzeln könnte.»


Momente, in denen sie intensiv und tief <strong>an</strong> ihren mathematischenProblemen arbeitet, empfindet Feichtner als «euphorisch».Doch gerade während des Semesters fällt es ihr nicht einfach, Zeitfür ihre Forschungsarbeit zu finden. «Es gelingt mir immerhinimmer besser», sagt sie: «In den ersten beiden Jahren haben michdie neuen Lehraufgaben sehr vereinnahmt, jetzt, in meinem viertenJahr, bleibt viel mehr Platz ausserhalb <strong>der</strong> Lehre.» Diesen Platz teiltsich die Forschung etwa mit <strong>der</strong> Betreuung von Arbeiten, aber auchmit Aufgaben, die eher ausserhalb <strong>der</strong> <strong>ETH</strong> stattfinden, wie dieOrg<strong>an</strong>isation von Konferenzen o<strong>der</strong> Gutachten für Fachzeitschriften– alles Dinge, die für Feichtner zu einer Assistenzprofessur dazugehören:«Wenn m<strong>an</strong> sich nach einer festen Stelle umschaut, mussm<strong>an</strong> sich positionieren.»«Goldene Zeiten» sind für sie die Semesterferien. D<strong>an</strong>n fallendie Lehraufgaben weg, und d<strong>an</strong>n reist Feichtner zu ihrem Partner –natürlich mit ihrer Arbeit im Gepäck: «Als Mathematikerin braucheich keine grosse Infrastuktur.» Feichtners Partner ist ebenfallsMathematiker, arbeitet im Moment in Seattle als Gastprofessor undwird bald nach Stockholm ziehen, wo er eine feste Stelle <strong>an</strong>tretenwird. «Wir versuchen schon seit fast zehn Jahren, unsere LebensundArbeitswege einigermassen parallel laufen zu lassen. Das istnicht einfach», erzählt sie, und dass in dieser Situation das ThemaKin<strong>der</strong> für sie «erstmal» verschoben sei. Dabei, fügt sie hinzu, wärengerade in <strong>der</strong> Mathematik Beruf und Familie gut vereinbar: «Wirarbeiten mit Papier und Bleistift. Also k<strong>an</strong>n Arbeit überall passieren,nicht nur im Büro.»Im Moment jedoch sind die Zukunftsfragen, mit denen sichFeichtner beschäftigt, vor allem beruflicher Art. In zwei Jahren läuftihre Assistenzprofessur aus, ihr Ziel ist d<strong>an</strong>n eine feste Stelle, vielleicht,irgendw<strong>an</strong>n einmal, <strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>ETH</strong>: «Das wäre mein Traum. DieArbeitsbedingungen hier sind ideal, die Atmosphäre ist wun<strong>der</strong>schön,die Offenheit für Neues gross.»Den Berufswunsch «Professorin» hätte sie als Studentin ehernicht geäussert. Denn damals hatte Eva-Maria Feichtner grosseSprachprobleme. «Ich habe so stark gestottert, dass es unrealistischgewesen wäre, dar<strong>an</strong> zu denken, irgendw<strong>an</strong>n mal Vorlesungen zuhalten. Das war einfach jenseits alles Erreichbaren», erinnert siesich. Gleichzeitig hätten sie die Sprachprobleme «unheimlich vor<strong>an</strong>getrieben,ich wollte endlich mal Erfolge sehen, wollte heraus ausdieser Enge». Die Promotion war ein wichtiger Schritt – und in dieserZeit wurde ihr Stottern immer schwächer. Bis es schliesslichg<strong>an</strong>z verschw<strong>an</strong>d. Vorträge wurden möglich, auch <strong>an</strong> Konferenzen.An solchen Ver<strong>an</strong>staltungen, so hat Feichtner festgestellt, k<strong>an</strong>nes übrigens durchaus Vorteile haben, eine Frau zu sein: «Du hasteine Einladung zu einer Konferenz, bist die einzige Frau, die <strong>an</strong> diesemNachmittag spricht. Das fällt einfach auf.» So gewinne die Rednerineinen «Aufmerksamkeitsvorschuss», den sie ausnützen könne– wenn sie die fachliche Leistung bringt. Ansonsten hat Feichtner inihrer beruflichen Karriere nie erlebt, dass das Geschlecht eine Rollegespielt hat: «Egal, ob Frau o<strong>der</strong> M<strong>an</strong>n: Es gibt in <strong>der</strong> Mathematik‹richtig› o<strong>der</strong> ‹falsch›. Und das ist überprüfbar.»J<strong>an</strong>uar 2003


Wenn ich in <strong>der</strong>Informatik Frauengetroffen habe, habensie mich in meinerArbeit bestärkt.Christine GigerChristine Giger wurde in Bad Nauheim (Deutschl<strong>an</strong>d)geboren. Ihr Fachgebiet ist Geoinformatik.Laufbahn1982 A<strong>bit</strong>ur in Dreieich (Deutschl<strong>an</strong>d)1987 Diplom in Mathematik mit SchwerpunktInformatik, Technische Universität Darmstadt(Deutschl<strong>an</strong>d)1992 Promotion in Informatik, Technische UniversitätDarmstadt1992–1998 Leiterin <strong>der</strong> Forschungsabteilung GraphischeInformationssysteme, Fraunhofer-Institut fürGraphische Datenverarbeitung in Darmstadt1997–2000 Geschäftsführerin des Informations- undKooperationsforum für Geodaten (InGeoForum)in Darmstadt und <strong>Zürich</strong>1999–2000 Direktorin des Institute for Domain Modelingin Luzern (Schweiz)Antritt <strong>der</strong> Professur <strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>ETH</strong> <strong>Zürich</strong>2000 AssistenzprofessurKontaktProf. Christine GigerInstitut für Geodäsie und Photogrammetrie<strong>ETH</strong> Hönggerberg HIL D 45.2CH-8093 <strong>Zürich</strong>Telefon 01 633 30 51christine.giger@geod.baug.ethz.chChristine Giger, w<strong>an</strong>n und wie beginnt bei Ihnen ein durchschnittlicherArbeitstag?Normalerweise fahr ich gegen sechs Uhr früh weg und reitespätestens um sieben los. Mein Hobby ist nämlich Dressurreiten,und ich bin seit 28 Jahren sozusagen täglich auf dem Pferd. ZurDissertation habe ich mir d<strong>an</strong>n mein eigenes Pferd geschenkt, dashabe ich heute noch. Früher habe ich Wettkämpfe geritten, heutewürde das jedoch zu viel Zeit in Anspruch nehmen. Aber wir – meinM<strong>an</strong>n hat dasselbe Hobby – betreiben es nach wie vor als Sport,intensiv.Nach dem Reiten kommt <strong>der</strong> <strong>ETH</strong>-Alltag: Wie viel Zeit haben Sie alsAssistenzprofessorin für Ihre eigene Forschung?Als Assistenzprofessorin bin ich natürlich ver<strong>an</strong>twortlich fürmeine Gruppe, für die Administration, die Fin<strong>an</strong>zierung, die Betreuung<strong>der</strong> Doktorierenden. Das sind sicher mehr administrative Verpflichtungenals in meiner Zeit als Assistentin, doch immer nochweit weniger als bei einer ordentlichen Professur. Kommt dazu, dassich moment<strong>an</strong> nur wenige Vorlesungen gebe, keine Grundvorlesungen.So bleibt mir relativ viel Zeit für meine inhaltliche Arbeit.Sie arbeiten mit Geoinformationssystemen – was tun Sie genau?Ich beschäftige mich mit digitalen Geodaten, also mit allem,was mit raumbezogenen Daten und ihrem M<strong>an</strong>agement zu tun hat.Das können beispielsweise Einsatz-Pl<strong>an</strong>ungssysteme für Rettungsdienstesein, aber auch Analysewerkzeuge für Umweltdaten imRahmen einer nachhaltigen Entwicklung. Vereinfachend könntem<strong>an</strong> von digitalen L<strong>an</strong>dkarten sprechen, aber es ist weit mehr; dieVerfahren zur Verarbeitung <strong>der</strong> Daten sind zum grossen Teil sehrkomplex. Wir entwickeln neue Verfahren, neue Software, die eserlaubt, mit diesen Daten zu neuen Erkenntnissen und Problemlösungenzu gel<strong>an</strong>gen. Dabei kommunizieren wir eng mit den künftigenAnwen<strong>der</strong>n aus den Umwelt-, Infrastruktur- o<strong>der</strong> Pl<strong>an</strong>ungsbereichen.Ich sag immer: Wenn wir ohne Bezug zu Anwendungenarbeiten wollten, wär das, wie wenn ein Mediziner ohne Menschenarbeiten wollte. (lacht)


Diese Zusammenarbeit fasziniert Giger beson<strong>der</strong>s <strong>an</strong> ihrerArbeit: Die Problemstellungen stammen von <strong>an</strong><strong>der</strong>en Wissenschaftlerinnenund Wissenschaftlern aus unterschiedlichen Fachrichtungen.«Sie kommen mit ihrem Know-how zu uns, und wir versuchenes so mit unserem Ingenieurwissen, unserer Technologie zuverbinden, dass etwas Sinnvolles entsteht», erklärt sie: «Das istgenau <strong>der</strong> Punkt, weshalb ich das mache. Ich komm ja eigentlichaus <strong>der</strong> Mathematik und <strong>der</strong> Informatik, wo solche Kontakte eherselten beziehungsweise weniger ausgeprägt sind.»Mathematik, aber auch Naturwissenschaften hat sie schon alsSchülerin gemocht; bei <strong>der</strong> Studienwahl schw<strong>an</strong>kte sie zwischenBiologie, Chemie und Physik, entschied sich d<strong>an</strong>n doch für Mathematikund das Nebenfach Informatik. Damals kamen die erstenprogrammierbaren Taschenrechner auf den Markt, das Fach Informatikentwickelte sich schnell, nahm ihr Interesse gef<strong>an</strong>gen: «ImHauptstudium hab ich im Prinzip halbe-halbe studiert: halbMathematik und halb Informatik. Und es hat mir Spass gemacht.»Weniger Spass machten <strong>an</strong><strong>der</strong>e Erfahrungen. «Es gabKommilitonen, die zu mir sagten: ‹Glaubst du wirklich, du, alsFrau, schaffst es?›», erzählt Giger, und dass sie sich damals «erstenseine dicke Haut und zweitens eine gewisse selbstbewussteArt des Auftretens» <strong>an</strong>gewöhnt habe. Doch neben versuchterEntmutigung hat sie Unterstützung erlebt: «In <strong>der</strong> Informatiksind wir Frauen sehr schwach vertreten, wenn ich jedoch Frauengetroffen habe, sind sie oft auf mich zugekommen und habenmich in meiner Arbeit bestärkt. Das versuche ich jetzt weiterzugeben.»Unterstützt wurde sie auch von ihrem Doktorvater, <strong>der</strong> ihrzuerst eine «perfekte» Assistentinnenstelle <strong>an</strong>bot, d<strong>an</strong>n die Stelleals Abteilungsleiterin am Fraunhofer-Institut in Darmstadt. «Ichhatte die Aufgabe, eine neue Forschungsabteilung in einem neuenFachgebiet aufzubauen», erzählt sie, «Es war Auftragsforschung,aber ich hatte im Prinzip alle Freiheiten.»Weshalb kamen Sie vom Fraunhofer-Institut nach <strong>Zürich</strong>?Ich bin Schweizerin, bin aber in Deutschl<strong>an</strong>d aufgewachsen. Ichhabe mir immer wie<strong>der</strong> überlegt, in die Schweiz zu gehen. Damalshabe ich mich mit meinem M<strong>an</strong>n besprochen, er ist ebenfallsInformatiker und hatte eben ein gutes Angebot in <strong>Zürich</strong> gesehen.Das war also die Gelegenheit! Ich f<strong>an</strong>d eine Stelle als Direktorin <strong>der</strong>Stiftung «Institute for Domain Modeling» in Luzern, ein Jahr späterbewarb ich mich <strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>ETH</strong>.Ihre Assistenzprofessur dauert noch drei Jahre – sind Sie aufStellensuche?Ich suche natürlich jetzt schon, denn die Besetzung von Professurendauert in <strong>der</strong> Regel ein bis zwei Jahre. Ich würde gern in <strong>der</strong>Schweiz bleiben, aber ich k<strong>an</strong>n mir auch eine Professur irgendwo inEuropa, Nord- o<strong>der</strong> Südamerika vorstellen. Hauptsache, das Umfeldstimmt und gefällt uns.Können Sie sich vorstellen, dass Sie später Kin<strong>der</strong> haben werden?Ja, klar. Ich kenne sehr, sehr viele Frauen, die in guten Positionenarbeiten und Kin<strong>der</strong> haben. M<strong>an</strong> muss sich einfach bewusst sein:M<strong>an</strong> k<strong>an</strong>n nicht alles haben, Kin<strong>der</strong>, Beruf und d<strong>an</strong>n noch Hobbies,die jeden Tag mehrere Stunden in Anspruch nehmen. Ich habe sehrzeitintensive Hobbies – sol<strong>an</strong>ge ich noch keine Kin<strong>der</strong> habe, gehtdas zeitlich auf.Zu den zwei Pferden, die täglich bewegt werden müssen, kommenin Gigers Haushalt zwei Collie-Hunde, die ebenfalls Zeit undAufmerksamkeit be<strong>an</strong>spruchen. «Sonst hat natürlich nicht mehrviel Platz», sagt sie, und lacht: «In den Ausg<strong>an</strong>g gehen wir selten.Abends sind wir einfach zu müd.»März 2003


Ich liebe eigentlichalles in <strong>der</strong> Biologie,aber <strong>der</strong> Prozess <strong>der</strong>Zellteilung fasziniert michbeson<strong>der</strong>s.Monica GottaMonica Gotta wurde in Turin (Italien) geboren. Sie istMutter von zwei Töchtern im Alter von einem unddrei Jahren. Ihre Fachgebiete sind Entwicklungs- undZellbiologie.Laufbahn1986 Maturità classica in Aosta (Italien)1990 Master of Science in Biology, Università degliStudi in Turin (Italien)1994 Master of Science in Biotechnology, Universitàdegli Studi in Turin1997 PhD, Swiss Institute for Experimental C<strong>an</strong>cerResearch (ISREC) in Laus<strong>an</strong>ne (Schweiz)1998–2002 Postdoc, Cambridge University in Cambridge(Engl<strong>an</strong>d)Antritt <strong>der</strong> Professur <strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>ETH</strong> <strong>Zürich</strong>2002 SNF För<strong>der</strong>ungsprofessurKontaktProf. Monica GottaInstitut für BiochemieSchafmattstrasse 18<strong>ETH</strong> Hönggerberg HPM G 16.2CH-8093 <strong>Zürich</strong>Telefon 01 633 65 75monica.gotta@bc.biol.ethz.chMonica Gotta, Sie sind Assistenzprofessorin am Institut fürBiochemie – worum geht es bei Ihrer Arbeit?Meine grosse Frage ist: Wie entstehen aus einer Zelle eineMenge unterschiedlicher Zellen? Menschliches und tierisches Lebenstartet mit einem Ei, das mit einem Spermium befruchtet wird. Undd<strong>an</strong>n ist es wie Magie – wir haben ein Wesen mit vielen, g<strong>an</strong>z unterschiedlichenZellen, und alle stammen aus einer einzigen Zelle.Wie forschen Sie konkret?Als Modell verwende ich Caenorhabditis eleg<strong>an</strong>s, einen kleinen,millimeterl<strong>an</strong>gen Wurm, <strong>der</strong> tr<strong>an</strong>sparent ist. Wir können also unterdem Lichtmikroskop sehen, wie sich die Zellen <strong>der</strong> Embryos diesesWurms teilen. Teilt sich eine Zelle, entstehen daraus zwei unterschiedlicheZellen, und mich interessiert, weshalb das so ist, wie esentsteht.Was fasziniert Sie beson<strong>der</strong>s?Ich liebe es, mit lebenden Org<strong>an</strong>ismen zu arbeiten. Du hast eineIdee, wie es funktionieren könnte, d<strong>an</strong>n läufst du aufgeregt zumMikroskop, um diese Idee zu testen. Ich liebe eigentlich alles in <strong>der</strong>Biologie, aber <strong>der</strong> Prozess <strong>der</strong> Zellteilung fasziniert mich beson<strong>der</strong>s.Ich habe zwei Kin<strong>der</strong>; als ich schw<strong>an</strong>ger war, hatte ich immer dasGefühl: Es ist verblüffend, dass aus einer einzigen Zelle ein Kindwird.Dass es Biologie sein musste, wusste Gotta bereits in <strong>der</strong> Primarschule.Eine Biologielehrerin, die «schwierige Dinge einfach und verständlich»erklären konnte, weckte in ihr die Liebe zum Fach: «Mitelf Jahren entschied ich, dass ich Biologie studieren wollte.» DenEntscheid untermauerte ein Buch <strong>der</strong> italienischen NeurobiologinRita Levi-Montalcini, die 1986 mit dem Nobelpreis ausgezeichnetwurde: «Sie beschrieb ihre Forschung, und ich wusste, dass ich Forschungbetreiben wollte.»Während des Studiums wurde Gotta klar, dass sich die aktuellebiologische Forschung stark von <strong>der</strong>jenigen zu Levi-MontalcinisZeiten unterschied. Die Faszination aber blieb. Nach Studienabschlussarbeitete sie in verschiedenen Labors, «einige davon waren


sehr gut, und ich sah dort, was es bedeutet, in einer guten UmgebungForschung zu betreiben». Allerdings sah sie gleichzeitig, dasseine wissenschaftliche Karriere in Italien schwierig sein würde,unter <strong>an</strong><strong>der</strong>em, «weil Professuren nach politischen Kriterien besetztwerden». So entschied sie sich, im Ausl<strong>an</strong>d zu doktorieren – nichtzuletzt aus Interesse <strong>an</strong> <strong>an</strong><strong>der</strong>en Län<strong>der</strong>n: «Viele Italiener wollenItalien nie verlassen, ich aber mag es, <strong>an</strong><strong>der</strong>swo hinzugehen. Ichmag die Italiener, ich bin ja selbst Italienerin, aber ich ziehe es vor, ineiner internationalen Umgebung zu arbeiten.»Ihre Doktor<strong>an</strong>dinnen-Stelle f<strong>an</strong>d sie schliesslich in Laus<strong>an</strong>ne. Siehabe unbedingt in diesem Labor arbeiten wollen, erzählt Gotta, undhabe telefonisch bei <strong>der</strong> Laborleiterin, Sus<strong>an</strong> Gasser, insistiert:«Später hat sie mir erzählt, sie habe mich genau deswegen ausgewähltund sich gedacht: Wenn sie diese Stelle so sehr will, wird sieihre Sache gut machen.» Gasser habe sie in <strong>der</strong> Folge unterstütztund sie auch in <strong>der</strong> Idee bestärkt, dass Karriere und Familie gleichzeitigmöglich seien.Sie haben zwei kleine Töchter, drei- und einjährig. Ist <strong>der</strong> Stress durchdie Doppelbelastung nicht sehr gross?Ich glaube, m<strong>an</strong> lässt sich eher stressen, wenn m<strong>an</strong> keineFamilie hat. Denn d<strong>an</strong>n k<strong>an</strong>n die Arbeit plötzlich zur einzigen undwichtigsten Sache im Leben werden. Natürlich arbeite ich viel, habeStress, doch d<strong>an</strong>n gehe ich nach Hause, sehe meine Kin<strong>der</strong>, sielachen, sie weinen, sie spielen – und ich bin bei ihnen und nichtmehr bei <strong>der</strong> Arbeit. So entsteht eine gute Bal<strong>an</strong>ce.Wo sind ihre Töchter, wenn Sie arbeiten?Sie sind beide in <strong>der</strong> <strong>ETH</strong>-Krippe. Die restliche Betreuungsarbeitteile ich mir mit meinem M<strong>an</strong>n. Wir teilen wirklich 50 zu 50 Prozent.Wenn ich länger arbeiten muss, schaut er für die Kin<strong>der</strong>, wenn erlänger arbeiten muss, schaue ich. Wir haben Glück: Er ist ebenfallsBiologe und arbeitet im Labor neben mir. So können wir uns während<strong>der</strong> Arbeit absprechen, das macht alles leichter.Gotta und ihr M<strong>an</strong>n haben bereits die Postdoc-Zeit gemeinsamin Cambridge verbracht, auch dort quasi Tür <strong>an</strong> Tür. Kennengelernthaben sie sich in Laus<strong>an</strong>ne; er ist Schweizer. Unter <strong>an</strong><strong>der</strong>em deshalbhofft sie, nach Ablauf ihrer auf sechs Jahre befristeten Assistenzprofessurweiter in <strong>der</strong> Schweiz forschen zu können – sowohl ihreFamilie in Italien wie diejenige ihres M<strong>an</strong>nes in Basel sind von hiergut erreichbar.Doch vorläufig geht es nicht um eine neue Stelle: Monica Gottahat ihre Professur erst vor einem halben Jahr <strong>an</strong>getreten. Entsprechendhat sie die letzten Monate vor allem mit Org<strong>an</strong>isierenund Einrichten ihres Labors und ihrer Gruppe verbracht. «Das ist <strong>der</strong>Nachteil, wenn m<strong>an</strong> Professorin o<strong>der</strong> Gruppenleiterin wird: M<strong>an</strong> hatviel weniger Zeit für die Forschung», bedauert sie. Immerhin empfindetsie die Instruktion und Begleitung ihrer Gruppe im Labor als«fast wie selber Forschung betreiben». Und immerhin: Rund zehnProzent ihrer Zeit bleibt ihr für ihre eigene Forschung.Haben Sie sich auch schon überlegt, eine <strong>an</strong><strong>der</strong>e Arbeit zu suchen?Oh ja! (lacht) Aber nie sehr ernsthaft, nur wenn ich frustriertwar. Das einzige, was mir <strong>an</strong> meinem Gebiet nicht so gefällt, ist diekompetitive Haltung. Ohne diesen Wettbewerb, diesen Publikationsdruck,glaube ich, gäbe es bessere, risikoreichere und interess<strong>an</strong>tereExperimente.März 2003


Meine Eltern warenschon g<strong>an</strong>z besorgt undbefürchteten, aus mirwerde nie etwas.Gudela GroteGudela Grote wurde in Wiesbaden (Deutschl<strong>an</strong>d) geboren.Sie ist Mutter zweier Kin<strong>der</strong> im Alter von einem und vierJahren. Ihre Fachgebiete sind Arbeits- und Org<strong>an</strong>isationspsychologie.Laufbahn1979 A<strong>bit</strong>ur in Wiesbaden (Deutschl<strong>an</strong>d)1984 Diplom in Psychologie, Technische UniversitätBerlin (Deutschl<strong>an</strong>d)1987 PhD, Georgia Institute of Technology in Atl<strong>an</strong>ta(Georgia, USA)1988–1992 Postdoc, Institut für Arbeitspsychologie, <strong>ETH</strong><strong>Zürich</strong>1996 Habilitation, Institut für Arbeitspsychologie,<strong>ETH</strong> <strong>Zürich</strong>Antritt <strong>der</strong> Professur <strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>ETH</strong> <strong>Zürich</strong>1992 Assistenzprofessur1997 ausserordentliche Professur2000 ordentliche Professur (75%)KontaktProf. Gudela GroteInstitut für ArbeitspsychologieNelkenstrasse 11<strong>ETH</strong> Zentrum NEL E 14CH-8092 <strong>Zürich</strong>Telefon 01 632 70 86grote@ifap.bepr.ethz.chGudela Grote, was fasziniert Sie <strong>an</strong> Ihrer Arbeit?Ich schaue <strong>an</strong><strong>der</strong>n gerne bei <strong>der</strong> Arbeit zu (lacht). Nein, im Ernst,die Vielfalt dessen, was Menschen arbeiten und die unterschiedlichenBedingungen, unter denen sie das tun – das ist grundsätzlichsp<strong>an</strong>nend. Arbeit ist für die meisten von uns etwas sehr Zentrales,und viele Probleme haben ihren Ursprung in <strong>der</strong> Arbeitswelt. Wirversuchen dazu beizutragen, dass Probleme möglichst gar nichtentstehen.Wie definieren Sie Arbeits- und Org<strong>an</strong>isationspsychologie?Wir kümmern uns um Grundlagen und Methoden, wie Arbeitmenschengerecht gestaltet werden könnte. Das Spektrum ist weit:Wie verän<strong>der</strong>t sich Arbeit durch Technik? Wie können wir mit denMittel <strong>der</strong> Arbeitspsychologie risikoreiche Systeme sicherer machen?Wie wirkt sich die Flexibilisierung von Arbeitsverhältnissenauf Menschen aus? Wie sind die Beziehungen in <strong>der</strong> Arbeitswelt zugestalten?Diese Fragen stellt sich Gudela Grote nicht nur in <strong>der</strong> Theorie,son<strong>der</strong>n auch in <strong>der</strong> Praxis: Fast alle Projekte des Instituts fürArbeitspsychologie werden in Zusammenarbeit mit Unternehmendurchgeführt, vor Ort. Die Unternehmen erhalten als Gegenleistungdie Resultate dieser praktischen Forschung.Den ersten Einsatz dieser Art absolvierte Grote noch als Psychologie-Studentin;er zeigte ihr ein Konfliktpotential, das sie bis heuteoft bei ihrer Arbeit erlebt: Unternehmer mögen es nicht immer,wenn ihnen strukturelle Verän<strong>der</strong>ungen vorgeschlagen werden. AlsPraktik<strong>an</strong>tin sollte Grote in einer Firma ein Verkaufstraining durchführen,die Verkäufer aber wünschten sich kein Training, son<strong>der</strong>nmehr Kompetenzen. Für die Unternehmensleitung hingegen warklar: mehr Kompetenzen für die Angestellten gibt es nicht, obwohlGrote in ihrem Bericht zum Schluss kam, das Problem bei <strong>der</strong>Kompetenz-Verteilung <strong>an</strong>zugehen. «Nein, das ist nichts für mich»,hat sich Grote nach dieser ersten Erfahrung gesagt – und kam späterwie<strong>der</strong> auf diesen Entscheid zurück.


Das Studienfach Psychologie hatte sie nach längerem Hin undHer gewählt: «Meine Eltern waren schon g<strong>an</strong>z besorgt und befürchteten,aus mir werde nie etwas». Ausschlaggebend für ihre Wahlwar schliesslich die «Breite» des Fachs, die verschiedenen Möglichkeiten<strong>der</strong> Ausrichtung und damit auch die Möglichkeit, sich nichtgleich von Anf<strong>an</strong>g <strong>an</strong> starr festzulegen. Die Idee, «da <strong>an</strong>zusetzen, woProbleme beginnen, eben zum Beispiel in <strong>der</strong> Arbeitswelt», führtesie d<strong>an</strong>n in Richtung sozialwissenschaftliche Psychologie.Haben Sie bereits während des Studiums eine akademische Karrieregepl<strong>an</strong>t?Ehrlich gesagt, habe ich nicht sehr weit vorausgepl<strong>an</strong>t. Ich wolltevor allem eines: in die USA. Nach Studienabschluss bewarb ichmich um ein Stipendium und kam so nach Atl<strong>an</strong>ta. Ich f<strong>an</strong>d es sp<strong>an</strong>nend,in die USA zu gehen, d<strong>an</strong>n, habe ich mir gesagt, sehen wirweiter. Als das Angebot zur Promotion kam, habe ich mir gesagt:Wenn das alles so gut zusammenpasst, d<strong>an</strong>n ja.Und damit war <strong>der</strong> Entscheid für die Hochschule gefallen?Eigentlich ist eine Promotion ja noch nicht eine definitive Entscheidungfür eine akademische Karriere. Erst d<strong>an</strong>ach geht es umdie Frage: akademische Laufbahn o<strong>der</strong> nicht? Mir wurde in den USAklar, dass ich gerne <strong>an</strong> <strong>der</strong> Hochschule bleiben will, deshalb bewarbich mich <strong>an</strong> verschiedenen Hochschulen in Europa – kreuz und quer.So kam ich nach <strong>Zürich</strong>. Und setzte mir das Ziel, die Optionen füreine akademische Karriere zu nutzen. Die Zeiträume meiner Pl<strong>an</strong>ungwurden mit <strong>der</strong> Zeit schon etwas länger (lacht).Zwischen 1988, dem Stellen<strong>an</strong>tritt in <strong>Zürich</strong>, und 1997, <strong>der</strong>Berufung zur zunächst ausserordentlichen Professorin, liegen Jahre,gefüllt mit Arbeit und mit Projekten. Vor allem die Habilitation wareine schwierige Aufgabe: Wie sollte Grote die Vielfalt von Projekten,die sie verfolgt hatte, zu einem Werk «mit wissenschaftlichem rotenFaden» zusammenfassen? Schliesslich wurde dieses «Habilitationsungetüm»,wie sie es nennt, fertig, genau rechtzeitig. Der Institutsleiteremeritierte, zur Nachfolgerin wurde Gudela Grote gewählt –aber nicht allein. Denn sie teilt sich die Stelle mit einem Kollegen.Beide arbeiten inzwischen zu 75 Prozent fest <strong>an</strong>gestellt; die restlichen25 Prozent fin<strong>an</strong>zieren sie je aus Projekten und org<strong>an</strong>isierensich selbständig. «Also arbeite ich nicht etwa 75 Prozent, son<strong>der</strong>ndie üblichen hun<strong>der</strong>t und x Prozent», sagt Grote. Grosser Vorteil <strong>der</strong>75-Prozent-Regelung: Montags arbeitet Grote zuhause und betreutihre beiden Söhne, ein- und vierjährig.Karriere und Familie – wie geht das gleichzeitig?Einen Tag pro Woche bin ich zuhause, einen Tag mein M<strong>an</strong>n. Dierestlichen drei Tage sind unsere Kin<strong>der</strong> bei einer Tagesmutter. Wirhaben sie via Zeitungsinserat gefunden, kurz bevor unser erstesKind zur Welt kam. Nun betreut sie auch das zweite. Das klappt bisheute wun<strong>der</strong>bar, wir hatten ein riesiges Glück.Finden Sie neben Beruf und Familie noch freie Zeit, etwa für einHobby?Nicht sehr viel. Früher habe ich viel get<strong>an</strong>zt, orientalischen T<strong>an</strong>z,und, gemeinsam mit meinem M<strong>an</strong>n, St<strong>an</strong>dardtänze, Salsa, buntgemischt. Den orientalischen T<strong>an</strong>z habe ich aufgegeben. Einmal,maximal zweimal pro Monat gehe ich aber nach wie vor mit meinemM<strong>an</strong>n T<strong>an</strong>zen. T<strong>an</strong>zen bekommt mir sehr, sehr gut: Es ist etwasvöllig <strong>an</strong><strong>der</strong>es als meine Arbeit, aber ich bin ebenso konzentriert –g<strong>an</strong>z weg und gleichzeitig völlig drin.Dezember 2002


Ich besuchte einenKurs in Zahlentheorieund wusste: Das ist es!Das macht mir wirklichSpass!Özlem ImamogluÖzlem Imamoglu wurde in Erzurum (Türkei) geboren. Sieist Mutter zweier Kin<strong>der</strong> im Alter von sechs Monaten undfünf Jahren. Ihr Fachgebiet ist Mathematik.Laufbahn1982 High School Diploma in Ankara (Türkei)1987 Bachelor of Science in Electrical Engineering,Middle East Technical University in Ankara1992 PhD in Mathematics, University of California inS<strong>an</strong>ta Cruz (California, USA)1992–1994 Postdoc, Dartmouth College in H<strong>an</strong>over (NewHampshire, USA)1995–1997 Visiting Assist<strong>an</strong>t Professor, University ofCalifornia in S<strong>an</strong>ta Barbara (California, USA)1997–1999 Assistenzprofessorin, DepartementMathematik, <strong>ETH</strong> <strong>Zürich</strong>1999–2002 Assist<strong>an</strong>t Professor, University of California inS<strong>an</strong>ta BarbaraAntritt <strong>der</strong> Professur <strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>ETH</strong> <strong>Zürich</strong>2002 AssistenzprofessurKontaktProf. Özlem ImamogluDepartement MathematikRämistr. 101<strong>ETH</strong> Zentrum HG G 34.2CH-8092 <strong>Zürich</strong>Telefon 01 632 79 24ozlem.imamoglu@math.ethz.ch«Math class is hard», seufzte 1992 die erste sprechende Barbie-Puppe – und Oezlem Imamoglu, damals Mathematik-Doktor<strong>an</strong>dinin den USA, hat sich darüber geärgert. Denn: «Ich erlebte in den USAzum ersten Mal, dass m<strong>an</strong> sagte, Mathematik sei nichts für Mädchen.Zuhause, in <strong>der</strong> Türkei, hatte ich so etwas nie gehört.» Trotzdemwaren ihre Eltern dagegen gewesen, als sie Mathematik studierenwollte.Weshalb dieser Wi<strong>der</strong>st<strong>an</strong>d?Meine Eltern hätten es gerne gesehen, wenn ich Medizin studierthätte. In <strong>der</strong> Türkei sind die beruflichen Aussichten für Mathematikerinnenund Mathematiker nicht sehr gut. Ich habe ihnengesagt, dass ich Professorin werden will. Doch sie wollten für micheine sichere wirtschaftliche Zukunft.Was geschah d<strong>an</strong>n?Es gab einen Kompromiss: Ich studierte Elektrotechnik, ein Fachmit Mathematik, aber mit guten Berufsaussichten. Im Geheimenpl<strong>an</strong>te ich aber, gleich nach dem ersten Jahr in die Mathematik zuwechseln (lacht). Ein Mathematik-Dozent, ein eigentliches Vorbildfür mich, hat mir d<strong>an</strong>n aber geraten, das Studium abzuschliessen. Erselbst hatte zuerst Elektroingenieur studiert. Also habe ich fertigstudiert, aber ich wusste immer: Nein, ich werde in die Mathematikgehen!W<strong>an</strong>n haben Sie das Fach gewechselt?Ich schloss mein Studium ab und ging in die USA. Es war nichteinfach, eine Mathematik-Doktoratsstelle zu finden, schliesslichwar ich Elektroingenieurin und kam aus <strong>der</strong> Türkei. Aber ich habe esgeschafft. Als Ingenieurin hätte ich eigentlich am ehesten im Bereich<strong>an</strong>gew<strong>an</strong>dte Mathematik arbeiten sollen. Doch d<strong>an</strong>n besuchteich einen Kurs in Zahlentheorie und wusste: Das ist es! Das machtmir wirklich Spass!Rückblickend, so findet die Assistenzprofessorin für Mathematikheute lachend, habe sie diesen Entscheid mit dem «Mut <strong>der</strong> Naiven»getroffen: Die Zahlentheorie beschäftigt sich mit natürlichen Zahlen,«einem wirklich alten Feld <strong>der</strong> Mathematik». Das bedeutet, dass


diejenigen Probleme, die mit einfacher Mathematik gelöst werdenkönnten, schon längst gelöst sind. «Wer heute Zahlentheoriebetreibt, beschäftigt sich mit sehr schwierigen Problemen, über dieMathematiker schon seit Jahrhun<strong>der</strong>ten nachdenken», erklärtImamoglu, und: «Um sie zu lösen, muss m<strong>an</strong> beispielsweise mit <strong>an</strong>alytischenFunktionen arbeiten, die auf den ersten Blick überhauptnichts mit natürlichen Zahlen zu tun haben. Sie verbergen aberInformationen über das Verhalten von natürlichen Zahlen.» Sieselbst forscht über «Modular-Formen», Funktionen auf <strong>der</strong> komplexenEbene, die ebenfalls Informationen über natürliche Zahlen enthalten.Eine Arbeit, die sie fasziniert und beschäftigt – m<strong>an</strong>chmal zusehr: «Wenn m<strong>an</strong> einen Fortschritt macht, ist m<strong>an</strong> so aufgeregt,dass m<strong>an</strong> am liebsten ohne Pause weiter und weiter arbeiten möchte.Umgekehrt kommt es vor, dass ich ein Problem nicht lösen k<strong>an</strong>nund meine Ged<strong>an</strong>ken ständig darum herum kreisen.»In solchen Momenten k<strong>an</strong>n sie vor allem eines ablenken: ihrebeiden Söhne. Der ältere, fünfjährig, besucht tagsüber einen internationalenKin<strong>der</strong>garten, <strong>der</strong> jüngere, sechs Monate alt, wirdzuhause von einer Frau betreut – und von seiner Mutter gestillt:«Morgens stille ich ihn, bevor ich aus dem Haus gehe und überMittag gehe ich rasch nach Hause. Das ist wirklich ein Vorteil <strong>der</strong>Arbeit <strong>an</strong> <strong>der</strong> Hochschule: Ich bin flexibel, muss mich nicht <strong>an</strong> starreneun-bis-fünf-Arbeitszeiten mit Präsenzkontrolle halten.» AlsMathematikerin, die für ihre Arbeit we<strong>der</strong> ein Labor noch einebeson<strong>der</strong>e Infrastruktur braucht, k<strong>an</strong>n Imamoglu auch gut zuhausearbeiten. Und wenn sie <strong>an</strong> Kongressen teilnimmt, übernimmt ihrEhem<strong>an</strong>n, ebenfalls <strong>ETH</strong>-Professor, die Betreuung <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>.Familie und Karriere gleichzeitig – Sie bringen das offenbar sehr gutunter einen Hut?(Lacht) Es ist vielleicht nicht g<strong>an</strong>z <strong>der</strong> ideale Moment, um mirdiese Frage zu stellen! Das Baby ist sechs Monate alt, und Kin<strong>der</strong> indiesem Alter wachen nachts häufig auf. Also leide ich unter Schlafm<strong>an</strong>gel.Ich weiss aus <strong>der</strong> Erfahrung mit meinem Älteren, dass esnach etwa zwei Jahren besser wird, aber im Moment ... SechsMonate Schlafm<strong>an</strong>gel, das hat schon einen Einfluss.Beeinflusst es auch Ihre Arbeit?Bei <strong>der</strong> Lehre k<strong>an</strong>n ich keine Abstriche machen, schliesslicherwarten die Studierenden, dass ich komme. Aber ich habe wenigerZeit für die Forschung. Kin<strong>der</strong> zu haben, beeinflusst die wissenschaftlicheKarriere für eine bestimmte Zeit, das ist g<strong>an</strong>z klar. Aber,damit wir uns verstehen: Meine beiden Kin<strong>der</strong> zu haben, ist dasBeste, was ich je gemacht habe. Sie so gut wie möglich aufzuziehen,ist mir ebenso wichtig, wie ein Theorem zu beweisen.Werfen wir einen Blick in die Zukunft – was wollen Sie in zehnJahren erreicht haben?Ich hoffe, dass ich bis d<strong>an</strong>n eine Reihe von weiteren interess<strong>an</strong>tenTheoremen bewiesen und eine sichere Hochschulstelle habe,damit ich mich mit mathematischen Problemen beschäftigen k<strong>an</strong>n,für die ich mehr als zwei Jahre Zeit brauche. Und ich hoffe, dassmeine Kin<strong>der</strong> zu netten Menschen her<strong>an</strong>gewachsen sind.Imamoglus Kin<strong>der</strong> werden d<strong>an</strong>n auf jeden Fall wissen: Mathematikist schön. Denn ihre Mutter ärgert sich darüber, dass denKin<strong>der</strong>n in <strong>der</strong> Schule beigebracht wird, Mathematik sei kompliziert:«M<strong>an</strong> müsste ihnen sagen: Schau, wie schön Mathematik ist, wieschön die Formeln sind! Bei <strong>der</strong> Mathematik ist es wie bei <strong>der</strong> Musik,m<strong>an</strong> muss die Schönheit mit <strong>der</strong> Seele sehen.»März 2003


Ich setze Ziele, Schwerpunkteund integrieream Schluss alleswie<strong>der</strong> zu einemG<strong>an</strong>zen.Ursula KellerUrsula Keller wurde in Zug (Schweiz) geboren. Sie istMutter von zwei Söhnen im Alter von vier und sechsJahren. Ihr Fachgebiet ist Physik.Laufbahn1979 Matura Typus C, K<strong>an</strong>tonsschule Zug (Schweiz)1984 Diplom in Physik, <strong>ETH</strong> <strong>Zürich</strong>1989 PhD, St<strong>an</strong>ford University in St<strong>an</strong>ford(California, USA)1989–1993 Member of Technical Staff, Bell Labs in MurrayHill (New Jersey, USA)Antritt <strong>der</strong> Professur <strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>ETH</strong> <strong>Zürich</strong>1993 ausserordentliche Professur1997 ordentliche ProfessurKontaktProf. Ursula KellerInstitut für Qu<strong>an</strong>tenelektronikWolfg<strong>an</strong>g-Pauli-Strasse 16<strong>ETH</strong> Hönggerberg HPT E 16.3CH-8093 <strong>Zürich</strong>Telefon 01 633 21 46keller@phys.ethz.chDie Anfrage kam völlig überraschend: «Ein <strong>ETH</strong>-Professor rief mich<strong>an</strong> und fragte, ob ich es in Betracht ziehen würde, <strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>ETH</strong>Professorin zu werden.» Ursula Keller, damals 33 und «member oftechnical staff» bei «Bell Labs» in New Jersey, hat sich zuerst einmalhingesetzt – und gelacht: «Ich fragte ihn, ob er eigentlich wisse, wiealt ich bin. Ich habe gedacht, ich sei viel zu jung für eine Professur.»«Keine gute Sales-Action», so bewertet Keller ihre Reaktionheute. Dennoch: Seit 1993 ist die Kurzzeit-Laser-Spezialistin Professorinfür Experimentalphysik <strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>ETH</strong> und damit <strong>an</strong> den Ort ihrerAusbildung zurückgekehrt. Hier hat sie Physik studiert; und hättedamals jem<strong>an</strong>d sie gefragt, ob sie Professorin werden wolle, hättesie mit «no way» ge<strong>an</strong>twortet. Gepl<strong>an</strong>t habe sie ihre Karriere nie imDetail auf l<strong>an</strong>ge Sicht hinaus, sagt Keller, aber immer versucht, relativfrüh ihre Optionen zu erkennen: «What’s next?» An jedem Ortseine beste Leistung zu bringen, d<strong>an</strong>n aus den möglichen Optionendie beste Vari<strong>an</strong>te auszuwählen, so lautete ihr Rezept.Am Anf<strong>an</strong>g st<strong>an</strong>d Neugierde. «Ich wollte wissen, weshalb Dingeso funktionieren, wie sie funktionieren. Die Physik gefiel mir ambesten, denn sie gab mir auf die Frage nach dem ‹weshalb› ammeisten Antworten», erinnert sich Keller. Dennoch war ein Studiumnicht selbstverständlich. Keller stammt aus einer «working-class»-Familie, sie selbst suchte eigentlich nach einer Lehrstelle, als ihr dieBerufsberatung zum Besuch des Gymnasiums riet. Dort interessiertesie sich vor allem für Mathematik, Physik, Biologie und Chemie;Physik war für sie «die ideale Kombination: eine Antwort auf alldie Fragen zur Natur und dabei mit dem schönen Formalismus<strong>der</strong> Mathi arbeiten.» Ihr Vater war nicht g<strong>an</strong>z überzeugt von <strong>der</strong>Wahl seiner Tochter, doch, so erinnert sie sich lachend: «An einemTag <strong>der</strong> offenen Tür in <strong>der</strong> Physik <strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>ETH</strong> habe ich meinem Vaterein Experiment erklärt. Da f<strong>an</strong>d er: Ja, vielleicht k<strong>an</strong>n sie doch Physikstudieren. D<strong>an</strong>ach hat er mich unterstützt.»Gerne wäre Keller nach <strong>der</strong> Matura erst einmal gereist, doch daswar nicht möglich. Also sorgte sie dafür, dass ihr Wunsch in Erfüllungging, indem sie sich gegen Studienabschluss um ein Disserta-


Schon währenddes Studiums warmir klar, dass ich spätermal meine selbständigeForschung etablierenmöchte.U lrike KutayUlrike Kutay wurde in Potsdam (ehemalige DDR) geboren.Ihre Fachgebiete sind Biochemie und Zellbiologie.Laufbahn1984 A<strong>bit</strong>ur in Potsdam (ehemalige DDR)1992 Diplom in Biochemie, Freie Universität Berlin(Deutschl<strong>an</strong>d)1996 Promotion, Humboldt-Universität zu Berlin1996–1999 Postdoc, Zentrum für Molekulare Biologie inHeidelberg (Deutschl<strong>an</strong>d)Antritt <strong>der</strong> Professur <strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>ETH</strong> <strong>Zürich</strong>1999 AssistenzprofessurKontaktProf. Ulrike KutayInstitut für BiochemieSchafmattstrasse 18<strong>ETH</strong> Hönggerberg HPM F 11.1CH-8093 <strong>Zürich</strong>Telefon 01 632 30 13ulrike.kutay@bc.biol.ethz.chDurchaus möglich, dass sie am Wochenende im Labor <strong>an</strong>zutreffenist: D<strong>an</strong>n nämlich hat Ulrike Kutay, Assistenzprofessorin am Institutfür Biochemie, Zeit für ihre eigene Forschung. «Die Arbeit im Labor,<strong>an</strong> <strong>der</strong> «bench» macht mir immer noch sehr viel Spass, deshalbmach ich es eben d<strong>an</strong>n, wenn ich es einrichten k<strong>an</strong>n», sagt Kutay.Unter <strong>der</strong> Woche gibt es <strong>an</strong><strong>der</strong>e Verpflichtungen, Lehre, Administrationetwa, die Leitung und Betreuung ihrer Forschungsgruppe.Und, so fügt sie hinzu: «Ich bin ein Mensch, <strong>der</strong> sich engagierenmuss, egal, wo er ist. Also bin ich mittlerweile für das PhD-Programmhier am Institut ver<strong>an</strong>twortlich und org<strong>an</strong>isiere das Molecular-Life-Science-PhD-Programm in <strong>Zürich</strong> mit.»Trotz ihres Engagements für die Ausbildung stehen bei KutayWissenschaft und Forschung im Mittelpunkt: «M<strong>an</strong>ager wollte ichnie werden», sagt sie lachend: «M<strong>an</strong>agerarbeit mit dem Ziel, Experimentezu org<strong>an</strong>isieren, Wissenszuwachs, das find ich okay. Aberich möchte nie ausschliesslich administrative und org<strong>an</strong>isatorischeArbeit tun, dafür arbeite ich zu gerne im Labor.»War «das Labor» schon früh ein Berufsziel für Sie?Ich war in <strong>der</strong> Schule zwar immer naturwissenschaftlich begabt,doch ich wollte diese Begabung nicht unbedingt nutzen. Ich wollteGerm<strong>an</strong>istik studieren. Doch als d<strong>an</strong>n die Entscheidung <strong>an</strong>st<strong>an</strong>d,wurde mir klar, dass Germ<strong>an</strong>istik ein sehr politisches Fach ist. Ichbin nämlich in <strong>der</strong> DDR gross geworden, und dort hatte, wer in <strong>der</strong>Germ<strong>an</strong>istik arbeitete, die Meinung des Systems zu vertreten. Unddazu war ich nicht bereit (lacht).Wie kamen Sie d<strong>an</strong>n zur Biochemie?Gemeinsam mit meinen Eltern habe ich im Studienführer geschaut,was für mich in Frage käme – und wir blieben bei <strong>der</strong> Biochemiehängen. Damals gab es nur zehn Biochemie-Studienplätzein Berlin, und ich wurde erstmal abgelehnt. Also habe ich ein Jahrl<strong>an</strong>g als Hilfslabor<strong>an</strong>tin in einem Institut <strong>der</strong> Akademie <strong>der</strong> Wissenschaftengearbeitet. Da wurde mir schon klar, dass Biochemie einegute Entscheidung war: Die Wissenschaft im Labor hat mir sehr vielSpass gemacht. Ich habe den Entscheid nie bereut.


War Ihnen während des Studiums klar, dass Sie Wissenschaftlerinwerden wollten?Es war mir eigentlich schon Mitte des Studiums klar, dass ich in<strong>der</strong> akademischen Forschung bleiben will. Und es war mir immerklar, dass ich mal eine unabhängige Arbeitsgruppe leiten möchte,nicht unbedingt als Professorin, aber meine selbständige Forschungzu etablieren, das war immer mein Ziel.Stark bei diesem Entscheid beeinflusst hat sie eine wissenschaftlicheArbeitsgruppe; im zweiten Studienjahr hat sie dort einPraktikum absolviert, später immer wie<strong>der</strong> dort gearbeitet: «Es wareine junge, engagierte Gruppe, <strong>der</strong> Leiter, Tom Rapoport, strahlteeine grosse Begeisterung für die Wissenschaft aus, und das Klimawar konstruktiv und produktiv.» Rapoport wurde d<strong>an</strong>n auch KutaysDoktorvater. Als er während ihrer Doktorarbeit einen Ruf <strong>an</strong> dieHarvard Medical School in Boston erhielt, folgte ihm Kutay nach –wie <strong>der</strong> Rest <strong>der</strong> Gruppe. Anschliessend ging sie als Postdoktor<strong>an</strong>dinnach Heidelberg, zu einem ehemaligen Doktor<strong>an</strong>den von Rapoport.D<strong>an</strong>ach bewarb sich Kutay <strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>ETH</strong>: «Ich k<strong>an</strong>nte zwar einigeWissenschaftler <strong>der</strong> <strong>ETH</strong>, <strong>Zürich</strong> aber nicht. Die Stelle war ausgeschrieben,ich kam d<strong>an</strong>n nach <strong>Zürich</strong> und f<strong>an</strong>d: Wow, es ist wirklichrichtig schön hier!»Ihr heutiges Forschungsfeld sind eukaryontische Zellen, genauer,<strong>der</strong> Stoff-Austausch zwischen Zellkern und <strong>der</strong> restlichen Zelle,dem Zytoplasma. «Der Zellkern ist von einer Membr<strong>an</strong> umschlossen,dennoch muss ein Austausch von gewissen Molekülen stattfinden»,erklärt sie, während sie rasch ein Schema skizziert. Wie <strong>der</strong>Austausch stattfindet, welche Signale und Rezeptoren dabei eineRolle spielen, untersucht sie mit ihrer Gruppe sowohl in vitro wie invivo. Bei den Experimenten mit lebenden Zellen verwendet dieGruppe Oozyten, also Eizellen von Fröschen: «Wir entnehmen sieden weiblichen Tieren, die überleben das, denen geht’s hinterhergut», betont Kutay lachend.Hatten Sie während Ihrer Karriere nie einen Durchhänger?Natürlich gibt es Phasen, wo was nicht läuft. M<strong>an</strong> muss lernen,damit umzugehen, dass auch starkes Engagement sich nicht immerin Erfolg ummünzen lässt. Deshalb darf m<strong>an</strong> sich nicht nur <strong>an</strong> seinenPublikationen messen, son<strong>der</strong>n <strong>an</strong> seiner täglichen Arbeit: Ichmuss nicht das grosse Ergebnis haben, um zufrieden nach Hausegehen zu können.Was tun Sie, wenn Sie nicht arbeiten?Wenn m<strong>an</strong> sich so interessiert für seine Arbeit, bleibt immerwenig Zeit für was <strong>an</strong><strong>der</strong>es. Was ich gerne mache ist Lesen, W<strong>an</strong><strong>der</strong>n,mit Freunden zusammensein. Mein Lebenspartner – er istebenfalls Biochemiker, arbeitet aber in <strong>der</strong> Industrie – und ich kriegensehr oft Besuch von Freunden, die wir in den letzten Jahren aufunserer gemeinsamen Reise durch die Wissenschaft kennengelernthaben.Wenn wir zehn Jahre in die Zukunft sehen – was möchten Sie d<strong>an</strong>nerreicht haben?Ich hoffe, dass ich ein paar <strong>der</strong> Fragenstellungen, die wir jetztbearbeiten, gelöst habe, dass sich unsere Gruppe weiter etablierthat, und dass wir etwas zu unserem Forschungsfeld beigetragenhaben. Das hoff ich auf jeden Fall. Und dass ich nicht den Kontaktzur «bench» verliere, nicht eine von denen werde, die kein Gefühlmehr dafür haben, wie l<strong>an</strong>ge ein Experiment dauert o<strong>der</strong> wieschwierig es ist. Und dass ich immer noch ins Labor gehen und dieeinfachen Experimente machen k<strong>an</strong>n (lacht), und dazu nicht dieAnleitung von meinen Doktor<strong>an</strong>den brauche.April 2003


Ökonomie war fürmich eigentlich nurein Mittel zum Zweck,eine bessere Umweltzu erreichen.Sus<strong>an</strong>ne Ky tziaSus<strong>an</strong>ne Kytzia wurde in Aachen (Deutschl<strong>an</strong>d) geboren.Sie ist Mutter eines Kindes im Alter von fünf Jahren. IhreFachgebiete sind Regionalökonomie und Umweltingenieurwissenschaften,insbeson<strong>der</strong>e Regionaler Stoffhaushalt.Laufbahn1985 A<strong>bit</strong>ur in H<strong>an</strong>au (Deutschl<strong>an</strong>d)1989 Lizenziat in Qu<strong>an</strong>titativen Verfahren <strong>der</strong>Wirtschafts- und Unternehmensforschung,Universität St. Gallen (Schweiz)1995 Promotion, Universität St. Gallen1995–2000 wissenschaftliche Mitarbeiterin, AbteilungStoffhaushalt und Entsorgungstechnik, EAWAGin Dübendorf (Schweiz)1993–1998 Grün<strong>der</strong>in und Geschäftsführerin <strong>der</strong> sinumGmbH in St. GallenAntritt <strong>der</strong> Professur <strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>ETH</strong> <strong>Zürich</strong>2000 Assistenzprofessur (70%)KontaktProf. Sus<strong>an</strong>ne KytziaInstitut für Raum- und L<strong>an</strong>dschaftsentwicklungWolfg<strong>an</strong>g-Pauli-Strasse 15<strong>ETH</strong> Hönggerberg HIL H 28.3CH-8093 <strong>Zürich</strong>Telefon 01 633 40 64kytzia@nsl.ethz.ch«Immer wenn m<strong>an</strong> als junger Mensch einen zumindest vermeintlichguten Vorschlag macht, kommt einer und sagt: Das ist ökonomischnicht sinnvoll. Das rechnet sich nicht. Ende <strong>der</strong> Diskussion» –so erklärt Sus<strong>an</strong>ne Kytzia einen <strong>der</strong> Gründe, weshalb sie sich für einÖkonomiestudium entschloss: Sie wollte mehr über Ökonomie wissen,damit sie künftig solche Argumente wi<strong>der</strong>legen o<strong>der</strong> ihnenzumindest kompetent begegnen könne.Mit 19 Jahren nahm sie ihr Studium <strong>an</strong> <strong>der</strong> Universität St. Gallenauf, bereits mit 23 arbeitete sie <strong>an</strong> ihrer Dissertation. Sechs Jahrespäter schloss sie ab. «Ich habe etwas länger gebraucht für die Dissertation,quasi eine Reifezeit. Wer so früh mit dem Studium fertigist, hat noch nicht die Persönlichkeit entwickelt, die eigentlich zumAusbildungsgrad gehört», sagt die heutige Assistenzprofessorin fürStoffhaushalt – und fährt lachend fort: «Das ist natürlich meinepersönliche Meinung, es gibt sicher Menschen, bei denen das g<strong>an</strong>z<strong>an</strong><strong>der</strong>s ist.»In dieser «Reifezeit» engagierte sich Kytzia sehr stark in einerstudentischen Gruppe, die sich für Umweltthemen einsetzte, einejährliche Konferenz org<strong>an</strong>isierte und das «Institut für Wirtschaftund Ökologie» gründete. Konsequenterweise setzte sie sich auch inihrer Doktorarbeit mit «Ökobil<strong>an</strong>zen in Unternehmen» ausein<strong>an</strong><strong>der</strong>.Während dieser Zeit gründete sie zusammen mit zwei Kollegeneine Firma für softwareunterstützte Instrumente für ein umweltbewusstesM<strong>an</strong>agement («sinum»), die heute noch erfolgreich Unternehmenim Umweltm<strong>an</strong>agement berät: «Ökonomie war für micheigentlich nur ein Mittel zum Zweck, eine bessere Umwelt zuerreichen.»Als ihr Peter Baccini, Professor für Stoffhaushalt und Entsorgungstechnik,eine Stelle als wissenschaftliche Mitarbeiterin <strong>an</strong>bot,sagte sie vor allem aus ökologischem Interesse zu – doch d<strong>an</strong>n warihr ökonomisches Wissen gefragt. Denn dar<strong>an</strong>, so stellt sie auchheute noch fest, m<strong>an</strong>gelt es innerhalb <strong>der</strong> Naturwissenschaften:«Naturwissenschaftlerinnen und Naturwissenschaftler haben einambivalentes Verhältnis zur Ökonomie. Sie wissen, dass sie sie brau-


chen, aber sie wollen sich nicht damit ausein<strong>an</strong><strong>der</strong>setzen.» Häufigfehle es <strong>an</strong> ökonomischem Grundwissen, während die kritischeHaltung gegenüber <strong>der</strong> Ökonomie gut ausgebildet sei: «Das führtm<strong>an</strong>chmal zu g<strong>an</strong>z schrägen Ansichten <strong>der</strong> Studierenden, wo ichsagen muss: Entschuldigung, so einfach k<strong>an</strong>nst du es dir nichtmachen!», lacht sie, und: «Hier k<strong>an</strong>n ich als Ökonomin einen Beitragleisten. Es ist auch wirklich notwendig, dass beispielsweise in <strong>der</strong>Umweltwissenschaft etwas ökonomisch orientierter gearbeitetwird.»In ihrem Bereich wird vor allem interdisziplinär gearbeitet, dennStoffhaushalt lässt sich nicht aus einer einzigen Perspektive betrachten:chemische, ingenieurwissenschaftliche, ökonomische undsoziale Fragen kommen zusammen. «Am einfachsten», erklärtKytzia, «lässt sich Stoffhaushalt am Beispiel <strong>der</strong> Abfallwirtschaftverstehen. Dort hat m<strong>an</strong> früher einfach Entsorgungs<strong>an</strong>lagengepl<strong>an</strong>t, heute gibt es ein intergriertes Abfallm<strong>an</strong>agement, in demgewisse Stoffe auch vermieden werden können.»Diese und ähnliche Stoff-Flüsse <strong>an</strong>alysiert Kytzia und konzentriertsich dabei vor allem auf die wirtschaftlichen Antriebskräfte. AlsAssistenzprofessorin ist sie «in <strong>der</strong> glücklichen Lage», ihre Forschungsthemenselber definieren zu können. Einer ihrer Schwerpunkteist die komplementäre Anwendung von ökonomischerInput-Output-Analyse und Stoff-Fluss-Analyse. Schwerpunkt Nummerzwei ist <strong>der</strong> Bereich «Ressourcenlager im Bauwerksbest<strong>an</strong>d»;die Bauwerksentwicklung, so sagt Kytzia, sei gleichzeitig «sehrstofffluss-relev<strong>an</strong>t» und als Kostenfaktor wirtschaftlich wichtig.Einen Grossteil ihrer Arbeitszeit k<strong>an</strong>n sie für diese Forschungsschwerpunkteeinsetzen – einen Grossteil also ihrer 70-Prozent-Stelle. «Erstaunlich problemlos» habe damals die Wahlkommissionihren Vorschlag akzeptiert, nicht Vollzeit zu arbeiten. «Dabei dachteich: Wenn ich nach Arbeitszeitreduktion frage, bin ich aus demRennen, das ist eine Totschlägerfrage», erzählt sie.Das war vor rund zwei Jahren. Kytzias Stelle ist auf sechs Jahrebeschränkt. Deshalb jetzt hektische Schritte zur Karrierepl<strong>an</strong>ung zuunternehmen, liegt ihr nicht – «es kommt, wie es kommt» –, doch esgibt Wünsche für die Zukunft. Sei es in <strong>der</strong> Wissenschaft, sei es in<strong>der</strong> Beratung, Kytzia sieht sich «in einer ähnlichen Tätigkeit wiejetzt, <strong>an</strong>alytisch, aber mit Praxisbezug». Am liebsten eine Tätigkeit,die ihr etwas mehr freie Zeit lässt.Moment<strong>an</strong> gehört die «freie Zeit» ausschliesslich ihrer fünfjährigenTochter. Dabei hat Kytzia festgestellt, dass die Idee, «ein bisschenzuhause zu arbeiten und gleichzeitig mein Kind zu betreuen»nicht funktioniert: Sie könne doch nicht am Computer sitzen bleiben,wenn ihre Tochter Aufmerksamkeit brauche. So arbeitet sie,während ihre Tochter im Kin<strong>der</strong>garten o<strong>der</strong> von <strong>der</strong> Tagesmutterbetreut wird. «Das klappt sehr gut, sie ist auch schon sehr selbständig»,lobt Kytzia, doch: «Da mein M<strong>an</strong>n 100 Prozent arbeitet, ist dieBelastung auf die Familie immer ein bisschen <strong>an</strong> <strong>der</strong> Grenze.»Durch ihre Tochter kommen Stunden und Momente in KytziasLeben, die sie als «Ausgleich» zu ihrer Arbeit empfindet: «Mit ihrzusammen mache ich Dinge, die überhaupt nichts mit dieser <strong>an</strong>alytischenWelt zu tun haben.» Später, wenn die Tochter grösser sei,werde es niem<strong>an</strong>den mehr geben, <strong>der</strong> diese Zeit einfor<strong>der</strong>e – d<strong>an</strong>nmüsse sie selbst dafür schauen, dass dieses Element nicht wie<strong>der</strong>aus ihrem Leben verschwinde. «Das», lacht sie, «ist überhaupt keinkarrieremässiges Ziel. Das geht mehr in Richtung Persönlichkeitsentwicklung.»J<strong>an</strong>uar 2003


Es gibt sehr wenigeBerufe, in denen m<strong>an</strong>frei arbeiten k<strong>an</strong>n. DieWissenschaft isteiner davon.Isabelle M<strong>an</strong>suyIsabelle M<strong>an</strong>suy wurde in Cornimont (Fr<strong>an</strong>kreich) geboren.Sie ist Mutter einer Tochter im Alter von neun Jahren. IhrFachgebiet ist Neurobiologie.Laufbahn1983 Baccalauréat, Lycée Varoquaux in N<strong>an</strong>cy(Fr<strong>an</strong>kreich)1989 Diplom in Ingenieurwissenschaften undMolekularbiologie, Université Louis Pasteur inStrassburg (Fr<strong>an</strong>kreich)1994 Promotion in Molekularer Entwicklungsneurobiologie,Friedrich Miescher Institut in Baselund Université Louis Pasteur in Strassburg1994–1998 Postdoc, Center for Neurobiology <strong>an</strong>d Behavior,Columbia University in New York (New York,USA)Antritt <strong>der</strong> Professur <strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>ETH</strong> <strong>Zürich</strong>1998 AssistenzprofessurKontaktProf. Isabelle M<strong>an</strong>suyInstitut für ZellbiologieSchafmattstrasse 18<strong>ETH</strong> Hönggerberg HPM D 24CH-8093 <strong>Zürich</strong>Telefon 01 633 39 42isabelle.m<strong>an</strong>suy@cell.biol.ethz.ch«Ich will wählen, was ich tue, wo ich es tue, und w<strong>an</strong>n ich es tue»,sagt Isabelle M<strong>an</strong>suy, und: «Die Freiheit hat immer meine Wahl bestimmt.»Deshalb möchte sie auch nie – «niemals» – in einem privatenUnternehmen arbeiten, schon allein <strong>der</strong> Hierarchien wegen,fährt die Assistenzprofessorin für Zelluläre Neurobiologie amInstitut für Zellbiologie fort: «Die Freiheit in <strong>der</strong> Arbeit ist mir wichtig,und es gibt sehr wenige Berufe, in denen m<strong>an</strong> frei arbeitenk<strong>an</strong>n. Die Wissenschaft ist einer davon.»Um diese Freiheit in <strong>der</strong> Arbeit zu erl<strong>an</strong>gen, braucht es vor allemharte Arbeit. M<strong>an</strong> müsse ein gewisses Niveau erreichen und sehrmotiviert dafür arbeiten, erklärt M<strong>an</strong>suy. Sie selbst habe bereits alsKind gelernt «die schwierigste Stufe zu wählen und sie möglichstgut zu bewältigen». Denn, «arbeiten, um Erfolg zu haben und seineUnabhängigkeit zu verdienen», sei das Leitmotiv ihrer Familiegewesen.M<strong>an</strong>suy stammt aus «einfachem Milieu», ihr Vater war Arbeiter,ihre Ausbildung hat sie durch Arbeit in den Semesterferien fin<strong>an</strong>ziert.Wissenschaftler o<strong>der</strong> Wissenschaftlerinnen gab es in <strong>der</strong>Familie nicht, kein Vorbild also, wohl aber das «Leitmotiv» wie auchdie moralische Unterstützung von Eltern und Geschwistern. Unddie eigene Motivation, das grosse Interesse <strong>an</strong> Biologie und Physiologie,das zum Studium in Strassburg führte. Damals, so erzähltM<strong>an</strong>suy, seien erstmals genetische M<strong>an</strong>ipulationen <strong>an</strong> Mäusen vorgenommenworden: «Das hat mich fasziniert, ich habe mir gesagt:Für mein Doktorat will ich lernen, tr<strong>an</strong>sgene Mäuse zu machen. Sokam ich zur Neurobiologie. Ich hatte Glück: Heute denke ich, Neurobiologieist einer <strong>der</strong> wenigen Bereiche <strong>der</strong> Biologie, die mich wirklichinteressieren.»Mit tr<strong>an</strong>sgenen Mäusen arbeitet M<strong>an</strong>suy noch heute «Wir machenGrundlagenforschung, versuchen die Funktionen des Gehirnszu verstehen, vor allem das Gedächtnis und die Lernprozesse. Dabeispielen bestimmte Subst<strong>an</strong>zen, Moleküle eine Rolle. Wir testen <strong>an</strong>genetisch modifizierten Mäusen, welche Rolle sie spielen.» M<strong>an</strong>suyund ihr Team haben ein bestimmtes Molekül entdeckt, das Lern-


und Gedächtnisfähigkeit beeinflusst: «Wenn wir dieses Molekül nurg<strong>an</strong>z wenig blockieren, erhöht sich die Lernkapazität, das Gedächtnisverbessert sich. Das fasziniert mich: die grosse Komplexität <strong>der</strong> kognitivenFunktionen des Gehirns – und d<strong>an</strong>n einige davon mit einemeinzelnen Molekül in Verbindung zu bringen!»Rund 40 bis 50 Prozent ihrer Zeit, so schätzt M<strong>an</strong>suy, k<strong>an</strong>n siesich als Assistenzprofessorin mit «fundamentalen wissenschaftlichenGed<strong>an</strong>ken und Ideen» beschäftigen. Projektorg<strong>an</strong>isation, FundRaising, Administration und Lehre nehmen ihre restliche Zeit inAnspruch. Im Vergleich zu ihrer Postdoc-Phase – sie arbeitete vierJahre l<strong>an</strong>g <strong>an</strong> <strong>der</strong> Columbia University in New York – habe sie aberimmerhin mehr Zeit für die wissenschaftliche Arbeit.Die einzelnen Etappen ihrer Karriere hat sie sich selbst org<strong>an</strong>isiert:«M<strong>an</strong> hat mir sicher keine Steine in den Weg gelegt, aber ichmusste selbst schauen, wie ich vorgehen soll. So ging es, ohnegrosse Pl<strong>an</strong>ung, immer Schritt um Schritt weiter, und ich habe meinBestes gegeben.» Nach den USA kam <strong>der</strong> Schritt nach <strong>Zürich</strong> – dochdie Schrittfolge wurde arg durchein<strong>an</strong><strong>der</strong>gebracht. Da gab es nämlichnoch eine Familie, eine vierjährige Tochter und einen Ehem<strong>an</strong>n,<strong>der</strong> nach <strong>der</strong>en Geburt ein längeres Betreuungs-Sabbatical eingelegthatte. In den USA hatte das Ehepaar g<strong>an</strong>z selbstverständlich aufausserhäusliche Kin<strong>der</strong>betreuung abstellen können – und in <strong>der</strong>Schweiz Ähnliches erwartet: «Ich k<strong>an</strong>nte die Systeme in den USA, inFr<strong>an</strong>kreich. In Fr<strong>an</strong>kreich k<strong>an</strong>n m<strong>an</strong> ein zweijähriges Kind in die öffentlicheSchule schicken, von acht Uhr morgens bis abends um fünf,es wird gut betreut, die Eltern können arbeiten.» Die Schweiz war<strong>an</strong><strong>der</strong>s. Isabelle M<strong>an</strong>suy suchte monatel<strong>an</strong>ge nach Betreuungsplatz,Kin<strong>der</strong>garten, Schule – bis zur Einsicht: «Es geht nicht.» Tochter undVater kehrten nach Fr<strong>an</strong>kreich zurück, sie blieb in <strong>Zürich</strong>.«Aller et retour» bestimmt seitdem ihren Wochenrhythmus.Unter <strong>der</strong> Woche arbeitet und lebt sie in <strong>Zürich</strong>, die Wochenendenverbringt sie mit <strong>der</strong> Familie in Mulhouse: «Wenn ich in <strong>Zürich</strong> bin,versuche ich meine Zeit optimal zu nutzen, schlafe wenig, arbeiteviel. Die Freizeit ist sehr limitiert, sie reicht gerade dazu aus, täglicheine Stunde Sport zu treiben, zu laufen. Wenn ich in Mulhouse bin,verbringe ich so viel Zeit wie möglich mit meiner Tochter.»Den Traum, Familie und Karriere auch örtlich zu kombinieren,hat sie aufgegeben. Denn das Schweizer System sei ideal für ihreArbeit – «die wissenschaftliche Freiheit, die ich hier habe, könnte ichin Fr<strong>an</strong>kreich nicht haben» –, das fr<strong>an</strong>zösische System aber ideal fürdie ausserhäusliche Kin<strong>der</strong>betreuung: «In Fr<strong>an</strong>kreich ist es deshalbfür eine Frau viel einfacher, Karriere zu machen und Familie zuhaben. Für mich war es sehr schwer zu verstehen, dass m<strong>an</strong> in <strong>der</strong>Schweiz damit so viele Schwierigkeiten hat. Und es hat mich persönlichauch sehr betroffen, mein Leben verän<strong>der</strong>t.»Dennoch ist Isabelle M<strong>an</strong>suy «zufrieden» mit ihrem Leben zwischen<strong>Zürich</strong> und Mulhouse. Ihr nächstes Ziel ist eine ordentlicheProfessur, <strong>an</strong>sonsten wünscht sie sich für die Zukunft vor allemeines: «Weiterhin die Freiheit, die ich jetzt habe.»Dezember 2002


Ich kenne das Wort«bereuen» nicht. MeinePhilosophie ist: Jede Türbringt etwas Neues.Judith A. McKenzieJudith McKenzie wurde in Pittsburgh (Pennsylv<strong>an</strong>ia, USA)geboren. Ihre Fachgebiete sind Geologie und Geochemie.Laufbahn1960 High School Diploma in Pittsburgh(Pennsylv<strong>an</strong>ia, USA)1964 Bachelor of Arts in Chemistry <strong>an</strong>d Mathematics,MacMurray College in Jacksonville (Illinois, USA)1970 Master of Science in Inorg<strong>an</strong>ic Chemistry, Universityof Colorado in Boul<strong>der</strong> (Colorado, USA)1976 Promotion in Geologie und Geochemie,Geologisches Institut, <strong>ETH</strong> <strong>Zürich</strong>1976–1985 Postdoc und Oberassistenz, GeologischesInstitut, <strong>ETH</strong> <strong>Zürich</strong>1985–1987 Associate Professor, University of Florida inGainesville (Florida, USA)1987–1996 Wissenschaftliche Adjunktin und Titularprofessorin,Geologisches Institut, <strong>ETH</strong> <strong>Zürich</strong>Antritt <strong>der</strong> Professur <strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>ETH</strong> <strong>Zürich</strong>1996 ordentliche ProfessurKontaktProf. Judith A. McKenzieGeologisches InstitutSonneggstrasse 5<strong>ETH</strong> Zentrum NO G 48CH-8092 <strong>Zürich</strong>Telefon 01 632 38 28judy.mckenzie@erdw.ethz.chJudith McKenzie, was tun Sie?Ich bin Professorin <strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>ETH</strong> (lacht ). Aber Sie meinen sichermein Fach. Wir befassen uns mit dem Erdsystem. Wir schauen, wiedie Geosphäre mit <strong>der</strong> Biosphäre gekoppelt ist, betreiben also Bio-Geo-Chemie o<strong>der</strong> Geo-Mikrobiologie. Und wir fragen uns: WelcheInformationen über die Verhältnisse in <strong>der</strong> Verg<strong>an</strong>genheit könnenwir aus den Steinen lesen?Wie liest m<strong>an</strong> Steine?Mit chemischen und mikrobiologischen Untersuchungen. Inunserem Labor erforschen wir zum Beispiel Mikroben, die unterbestimmten Bedingungen Mineralien bauen. Etwa Dolomit, ein Karbonat:In <strong>der</strong> Verg<strong>an</strong>genheit entst<strong>an</strong>d sehr viel Dolomit-Gestein, dieDolomiten sind voll davon (lacht). Doch heute wächst Dolomit seltenim natürlichen System, eine Ausnahme ist ein See in Brasilien.Dort haben wir Informationen gesammelt, die wir nun benützen,um im Labor mit Bakterien zu erforschen, wie Dolomit wächst. Soerfahren wir viel über die Bedingungen, die auf <strong>der</strong> Erde früher geherrschthaben.Was fasziniert Sie <strong>an</strong> Ihrer Arbeit?Mich fasziniert vor allem diese Dimension von Zeit, das hatmich von Anf<strong>an</strong>g <strong>an</strong> fasziniert. Hier (sie holt einen Stein aus demBüchergestell in ihrem Büro): Dieser Stein ist 3,45 Milliarden Jahrealt! Das ist eines <strong>der</strong> ältesten Sedimentgesteine, die m<strong>an</strong> findenk<strong>an</strong>n. Es stammt aus Nord-West-Australien, aus einem Gebiet, indem in den letzten zweieinhalb Milliarden Jahren kaum geologischeVerän<strong>der</strong>ungen stattgefunden haben.«Nur indirekt», sagt Judith McKenzie, sei sie zur Geologie gekommen.Zuerst hat sie Chemie studiert – als erste Akademikerin in<strong>der</strong> Familie. «Mein Vater ist früh gestorben, und obwohl wir vierKin<strong>der</strong> waren, hat meine Mutter immer gesagt: Ihr sollt tun, was ihram liebsten tut.» Genau so ist McKenzie vorgeg<strong>an</strong>gen. Als sie <strong>an</strong>einem PhD-Programm in Colorado teilnahm, entdeckte sie dieBerge, die Gesteine, die geologischen Prozesse. Doch sie liebte auchdas Meer – also wechselte sie nach einem Masters Abschluss in


Chemie zum Studium <strong>der</strong> Meeresgeologie: «Ich hätte in Chemiedoktorieren können. Aber ich wollte nicht mein g<strong>an</strong>zes Leben ineinem Chemielabor verbringen. Dieser Wechsel in meiner Karrierehat Zeit gebraucht, aber für mich war das die richtige Entscheidung.I just followed my heart.»Nicht das Meer lockte sie als nächstes, es waren die Alpen.McKenzie setzte sich mit einem <strong>ETH</strong>-Professor in Verbindung, <strong>der</strong><strong>an</strong> ihrer amerik<strong>an</strong>ischen Universität ein Sabbatical verbracht hatte.Ihre Anfrage: K<strong>an</strong>n ich <strong>an</strong> Ihren Exkursionen in den Alpen teilnehmen?Die Antwort des Professors: Selbstverständlich. Aber möchtenSie nicht lieber bei meinem Projekt in Abu Dhabi mitarbeiten? Dastat sie.Die Gesteinsproben, die sie aus Abu Dhabi zurückbrachte, bildetendie Grundlage für ihre Dissertation – <strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>ETH</strong> in <strong>Zürich</strong>. Esfolgte eine Stelle als Postdoc, als Oberassistentin, d<strong>an</strong>n kehrteMcKenzie in die USA zurück. «Ich hatte mich <strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>ETH</strong> für eineProfessorenstelle beworben und sie nicht erhalten. Da ich nichtOberassistentin bleiben wollte, habe ich <strong>an</strong><strong>der</strong>swo eine Stelle gesucht.»Drei Jahre l<strong>an</strong>g war sie ausserordentliche Professorin <strong>an</strong> <strong>der</strong>Universität Florida, d<strong>an</strong>n hat ihr die <strong>ETH</strong> eine Titularprofessur <strong>an</strong>geboten.«Sie haben realisiert, dass sie mich brauchen konnten», lachtMcKenzie, die 1996 zur ordentlichen Professorin gewählt wurde.Haben Sie den Wechsel vom Meer zu den Alpen nie bereut?Ich kenne das Wort «bereuen» nicht. Meine Philosophie ist: JedeTür bringt etwas Neues. Ich habe selbst entschieden – und m<strong>an</strong>sollte nicht bereuen, wozu m<strong>an</strong> sich selbst entschieden hat! Undmir gefällt Europa, die Schweiz. Die Lebensqualität in <strong>Zürich</strong> ist sehrgut, die Gesellschaft ist offener als in den USA. Es gibt eine reicheMischung von Kulturen, auch in meinem Freundeskreis.A propos Freunde: Was tun Sie in Ihrer Freizeit?Ich lese, koche und ich sehe mir gerne Filme <strong>an</strong>. Und eben, ichgehe gern mit Freunden aus, um zu essen und trinken. Was ist meinHobby? Leben! (lacht) Und d<strong>an</strong>n reise ich viel, bedingt durch meineArbeit. Im Moment bin ich Präsidentin von zwei internationalenGesellschaften, für die ich drei- bis viermal im Jahr <strong>an</strong> eine Sitzung,einen Kongress reise.Bleibt Ihnen neben all Ihren Aufgaben noch genügend Zeit für dieForschung?In den letzten Jahren fehlt sie mir schon etwas. Ich war zumBeispiel früher fünfmal für jeweils mehr als zwei Monate auf einemForschungsschiff, das in <strong>der</strong> g<strong>an</strong>zen Welt Tiefsee-Bohrungen gemachthat. Heute k<strong>an</strong>n ich nicht mehr so l<strong>an</strong>ge wegbleiben. Ichk<strong>an</strong>n vielleicht noch ein, zwei Wochen mit einem Studenten o<strong>der</strong>einer Studentin ins Feld gehen. Doch ich arbeite so viel, weil ich <strong>an</strong>die Forschung glaube. Mein Job ist quasi die Haushaltarbeit: Ichschreibe das Projekt, gehe <strong>an</strong> Meetings, das führt dazu, dass Geldhereinkommt und Stellen geschaffen werden, damit die jüngerenLeute weiter forschen können.Um Platz für junge Leute zu schaffen, unterstützt JudithMcKenzie die <strong>ETH</strong>-Regelung, <strong>Professorinnen</strong> und Professoren rechtzeitigzu pensionieren. Allerdings kommt es ihr seltsam vor, dass siein rund fünf Jahren selbst pensioniert werden soll – Pläne für dieseZeit hat sie noch nicht. Sicher ist sie sich jedoch, dass sie auf ein«erfülltes» Leben zurückblicken wird. Und, das möchte sie vor allemdenjenigen Frauen mitgeben, die sich überlegen, ob und wie sieFamilie, Beruf und Freizeit unter einen Hut bringen können: «M<strong>an</strong>k<strong>an</strong>n ein sehr erfülltes Leben haben, ohne alles gemacht zu haben.Wichtig ist, dass m<strong>an</strong> weiss, was m<strong>an</strong> wirklich will. M<strong>an</strong>chmal mussm<strong>an</strong> Umwege gehen, aber vielleicht bringt das mehr Glück, mehrErfolg. Wer weiss?»März 2003


Die Schönheit bestehtdarin, etwas zu finden,das regelmässig, einfachund allgemein gültig ist.Moira NorrieMoira Norrie wurde in Dundee (Schottl<strong>an</strong>d) geboren. IhrFachgebiet ist Informatik.LaufbahnBachelor of Science in Mathematics <strong>an</strong>dComputational Science, University of Dundee(Schottl<strong>an</strong>d)Master of Science in Computer Science, Heriot-Watt University in Edinburgh (Schottl<strong>an</strong>d)1992 PhD in Computing Science, University ofGlasgow (Schottl<strong>an</strong>d)1989–1993 Research Assist<strong>an</strong>t, University of Glasgow1993–1996 Oberassistentin, Forschungsgruppe fürDatenb<strong>an</strong>ken, Institut für Informationssysteme,<strong>ETH</strong> <strong>Zürich</strong>Antritt <strong>der</strong> Professur <strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>ETH</strong> <strong>Zürich</strong>1996 ausserordentliche Professur2002 ordentliche ProfessurKontaktProf. Moira C. NorrieInstitut für InformationssystemeHaldeneggsteig 4 / Weinbergstrasse<strong>ETH</strong> Zentrum IFW D 45.1CH-8092 <strong>Zürich</strong>Telefon 01 632 72 42norrie@inf.ethz.ch«The main thing is to enjoy your work, be dedicated <strong>an</strong>d workhard» – das sind für Moira Norrie die Eckpfeiler ihrer Karriere. AlsKind, so erzählt die Professorin für Informatik, habe sie wohlLehrerin werden wollen; auf jeden Fall habe sie sich als Vierjährigeeine W<strong>an</strong>dtafel zu Weihnachten gewünscht. Später habe sie sichernsthafter mit dem Lehrberuf ausein<strong>an</strong><strong>der</strong>gesetzt: «Es war immermein Wunsch, Mathematik o<strong>der</strong> Naturwissenschaften zu unterrichten.»Also studierte sie Mathematik und wechselte schliesslich fürden «masters»–Abschluss in die Computerwissenschaft. NachStudienabschluss f<strong>an</strong>d Norrie eine Stelle als College-Lehrerin, warzuerst sehr glücklich, doch d<strong>an</strong>n fehlte ihr die Forschung. Also suchtesie sich «eine entsprechende Umgebung», promovierte <strong>an</strong> <strong>der</strong>Universität Glasgow, und sagt über ihre weiteren Schritte, sie habe«einfach immer herumgeschaut».«Opportunities come along», sagt Norrie. So habe ein Treffen <strong>an</strong>einer Konferenz sie 1993 <strong>an</strong> die <strong>ETH</strong> gebracht, zuerst als Oberassistentin,d<strong>an</strong>n als Professorin. Dabei hat sie einige kulturelle Unterschiedefestgestellt: «In m<strong>an</strong>chen Dingen ist m<strong>an</strong> in <strong>der</strong> Schweizformeller.» Erstaunt hat sie, dass <strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>ETH</strong> ordentliche <strong>Professorinnen</strong>und Professoren Vordiplom-Vorlesungen halten. Mittlerweileaber ist sie «a great f<strong>an</strong>» dieses Konzepts: «Die Studierenden sehendie Professoren, das ist sehr gut.»Studierende, so Norrie, spielen für die <strong>Professorinnen</strong> und Professoreneine wichtige Rolle, deshalb lassen sich Lehre und Forschungnicht einfach trennen: «Wir verwenden unsere Systeme in <strong>der</strong> Lehre,dabei kommen Inputs, Impulse und Ideen zurück.» Und d<strong>an</strong>n gehees ja in <strong>der</strong> Informatik eigentlich immer darum, zu generalisierenund zu vereinfachen, denn «die Schönheit besteht darin, etwas zufinden, das symmetrisch, regelmässig, einfach und allgemein gültigist». Dabei helfe die Lehre, die Vorbereitung von Vorlesungen sehr.Dennoch hat sie diese Aufgaben in ihrem erst kürzlich beendeten«Sabbatical» nicht vermisst: Für ein halbes Jahr kehrte Norrienach Schottl<strong>an</strong>d zurück. An <strong>der</strong> Universität Edinburgh informiertesie sich einerseits über die aktuelle Arbeit im Bereich E-Science und


Sozialinformatik, <strong>an</strong><strong>der</strong>erseits besuchte sie Kurse in Philosophieund kognitiver Psychologie – und unterhielt sich mit Kolleginnenund Kollegen aus diesen wissenschaftlichen Disziplinen.Denn Philosophie und Sozialwissenschaften bieten ihr Inspirationfür ihre Arbeit: «Ich interessiere mich für alle Aspekte von Information,für die Technologien, die es möglich machen, Informationzu m<strong>an</strong>agen und zu org<strong>an</strong>isieren. Mehr und mehr geht das zudemin die Richtung: Wie arbeiten Menschen mit Information?» Dabeitauchen Fragen auf wie: Wie muss und k<strong>an</strong>n m<strong>an</strong> Information darstellen?Wie k<strong>an</strong>n m<strong>an</strong> in einer total virtuellen Welt, im Computer,Dinge repräsentieren? Die Ausein<strong>an</strong><strong>der</strong>setzung mit solchen Fragen,so erzählt Norrie, führe m<strong>an</strong>chmal zu seltsamen Diskussionen. Sohabe sie kürzlich l<strong>an</strong>ge mit ihren Assistierenden über das ThemaGeschlechtsumw<strong>an</strong>dlung diskutiert: «Wenn jem<strong>an</strong>d eine Geschlechtsumw<strong>an</strong>dlungvornimmt, k<strong>an</strong>n es sein, dass die Bürokratiesie nicht <strong>an</strong>erkennt. Nicht aus politischen Gründen, son<strong>der</strong>n weildas System nicht damit umgehen k<strong>an</strong>n. Beispielsweise ist ja dasGeschlecht Teil <strong>der</strong> AHV-Nummer – soll nun diese Person eine neueAHV-Nummer erhalten o<strong>der</strong> zwei AHV-Nummern haben? Dabeigeht es genau um unsere Fragestellung: Wie werden Dinge o<strong>der</strong>Personen in einem System dargestellt, repräsentiert?»In <strong>der</strong> Ausein<strong>an</strong><strong>der</strong>setzung mit diesen Fragen geht Norrie g<strong>an</strong>zverschiedene Wege. Beispielsweise hat sie kürzlich <strong>an</strong> <strong>der</strong> Kunstschulein einer Workshop-Konferenz zum Thema Interdisziplinaritätreferiert. «Künstlerinnen und Künstler machen ja immer Darstellungen.Diese k<strong>an</strong>n m<strong>an</strong> berühren, sehen, riechen, hören, währendunsere Darstellungen komplett abstrakt sind», erklärt sie – unddass sie eigentlich nicht interdisziplinär, son<strong>der</strong>n tr<strong>an</strong>sdisziplinärarbeiten will. Interdisziplinär sei beispielsweise ein Projekt mitMedizinerinnen und Medizinern gewesen, «es ging darum, mitunserem Wissen ihre Daten zu m<strong>an</strong>agen». Tr<strong>an</strong>sdisziplinär hingegensei es, wenn ihre Grundlagenforschung, ihre Ansätze vonPhilosophie, Psychologie und Kunst beeinflusst würden.Diese Ideen in die Informatik einzubringen, ist für Norrie sp<strong>an</strong>nend.Denn grundsätzlich ist ihr Austausch wichtig, Austauschzwischen verschiedenen Fachrichtungen, aber auch mit den Studierenden<strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>ETH</strong>, mit Freundinnen und Freunden. So meint sie,auf Freizeitaktivitäten <strong>an</strong>gesprochen: «Ich würde nicht sagen, dieArbeit ist mein Hobby. Aber viele meiner Freunde sind ebenfalls <strong>an</strong><strong>der</strong> Hochschule tätig, und wenn wir abends essen gehen, sprechenwir über unsere Arbeit. Das ist eine gegenseitige Unterstützung, einAustausch von Ideen und Interessen.» Natürlich, fügt sie hinzu,habe sie auch Hobbies, die nichts mit ihrer Arbeit zu tun hätten:Lesen etwa, d<strong>an</strong>n Sport und Baucht<strong>an</strong>z – «denn m<strong>an</strong> muss ja etwasfür seinen Körper tun».April 2003


Es ist schonfaszinierend, eineSache zu betreiben,die sich nur imKopf abspielt.Brita E. A. NucinkisBrita Nucinkis wurde in Leipzig (ehemalige DDR) geboren.Sie ist Mutter dreier Kin<strong>der</strong> im Alter von einem, fünf undneun Jahren. Ihr Fachgebiet ist Mathematik, insbeson<strong>der</strong>eAlgebra und Topologie.Laufbahn1987 A<strong>bit</strong>ur in Schnepfenthal, Thüringen(ehemalige DDR)1987–1988 Arbeit als Hilfskraft in einem Altersheim inSchnepfenthal1988–1991 Studium <strong>der</strong> Mathematik, Universität zu Köln(Deutschl<strong>an</strong>d)1992 Master of Science in Mathematics, Queen Mary<strong>an</strong>d Westfield College, University of London(Engl<strong>an</strong>d)1997 PhD in Mathematics, Queen Mary <strong>an</strong>dWestfield College, University of London1997–1999 Postdoc, University of Southampton (Engl<strong>an</strong>d)Antritt <strong>der</strong> Professur <strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>ETH</strong> <strong>Zürich</strong>1999 AssistenzprofessurKontaktProf. Brita NucinkisDepartement MathematikRämistrasse 101<strong>ETH</strong> Zentrum HG G 33.3CH-8092 <strong>Zürich</strong>Telefon 01 632 34 05brita.nucinkis@math.ethz.chLeonard schläft. Der sieben Wochen alte Säugling liegt in seinerBaby-Tragtasche auf dem Pult im Büro G 33.3 im <strong>ETH</strong>-Hauptgebäude.Eigentlich ist seine Mutter, Brita Nucinkis, noch im Mutterschaftsurlaub,doch hie und da kommt die Assistenzprofessorin für Mathematikkurz in ihr Büro. Ein Kin<strong>der</strong>sitz mit aufgehängten Mobilés beweist,dass es m<strong>an</strong>chmal etwas länger dauern k<strong>an</strong>n, farbige Kin<strong>der</strong>zeichungen<strong>an</strong> den Bürowänden zeigen: Leonard hat noch zweigrössere Geschwister.Brita Nucinkis, wie org<strong>an</strong>isieren Sie die Betreuung Ihrer Kin<strong>der</strong>?Mit den dreien muss ich mich erst dar<strong>an</strong> gewöhnen, vorher, mitden zweien hat es gut geklappt: Die Grössere, neunjährig, geht indie Tagesschule, die fünfjährige Kleine in den Tageskin<strong>der</strong>garten.Und mit dem Kleinen ... mein Mutterschafturlaub dauert vier Monate,aber die Krippe hier nimmt erst Kin<strong>der</strong> ab einem Jahr auf. (lacht)Ich hab ich ihn in zehn Krippen <strong>an</strong>gemeldet, mal sehen.Familie und akademische Karriere – wollten Sie schon immer beidesverwirklichen?Über das Thema Familie hab ich eigentlich nie nachgedacht. Eskam einfach. Und für mich war es keine Frage, deswegen die Mathematikaufzugeben. Die Grosse wurde zu Anf<strong>an</strong>g meiner Doktoratszeitgeboren, die Kleine während meiner Postdoc-Zeit in Southampton.Mein M<strong>an</strong>n trägt sehr viel mit bei <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>betreuung, er arbeitetTeilzeit als Mathematikdozent. Ich finde, Arbeit und Familiesollten für eine Frau gleichzeitig möglich sein – aber das klappt nur,wenn <strong>der</strong> Partner mitspielt. Eine gewisse Kaltschnäuzigkeit brauchtes ebenfalls, etwa wenn meine Kollegen nicht g<strong>an</strong>z verstehen, dassich eben schon um fünf gehe.Wie bringen Sie zeitlich alles unter einen Hut?Ich muss die Zeit so gut wie möglich nutzen. Ich komme insBüro und arbeite d<strong>an</strong>n im Prinzip durch, bis ich wie<strong>der</strong> los muss, umdie Kin<strong>der</strong> abzuholen. Das hab ich gelernt, das hab ich lernen müssen.Was im Moment schwierig ist: Mathematik ist ja ein internationalesFach. Ich würde gerne mehr zu Konferenzen reisen, dochdort gibt es g<strong>an</strong>z selten Kin<strong>der</strong>betreuung.


In ihrem Zeitbudget fehlt Nucinkis moment<strong>an</strong> auch <strong>der</strong> Platzfür Dinge wie Kino, Theater, Konzerte – und vor allem für die Musik:auf <strong>der</strong> Klarinette Mozart zu spielen o<strong>der</strong> mit Freunden und ihremSaxophon einen Blues-Abend zu verbringen. Denn Musik warimmer wichtig in ihrem Leben; l<strong>an</strong>ge konnte sie sich nicht zwischenMusik und Mathematik entscheiden: «Mathe hat mir, seit ich zwölfJahre alt war, so richtig Spass gemacht. Ich war in einem Mathe-Klub, später auf einer Spezialschule für Mathematik und Physik.»Der Entscheid für Mathematik fiel unter <strong>an</strong><strong>der</strong>en, weil die Berufsperspektive«Orchestermusikerin» Nucinkis nicht zu begeisternvermochte. Und weil ihr das Leben als Wissenschafterin schon vertrautwar: Ihre Eltern sind theoretische Physiker, die Mutter arbeitetin <strong>der</strong> Industrie, <strong>der</strong> Vater in <strong>der</strong> Forschung.Nach dem dritten Studienjahr in Köln packte sie die «Reiselust»:Vor allem, um ein neues L<strong>an</strong>d kennenzulernen und ihr Englisch zuverbessern, wechselte sie <strong>an</strong> ein College in London. Natürlich spieltedabei die fachliche Ausrichtung des Colleges ebenfalls eine Rolle.Dennoch pl<strong>an</strong>te sie erst bloss, dort ihren «Master» zu erreichen.Doch d<strong>an</strong>n folgte, als «natürlicher Schritt aus Interesse und Spass<strong>an</strong> <strong>der</strong> Sache» die Dissertation. Die «för<strong>der</strong>liche, freundliche Atmosphäre»trug zu ihrem Entschluss bei: «Ich hatte zwar – im Sinn desmo<strong>der</strong>nen Mentorings – keinen eigentlichen Mentor, aber unterden postgraduated students hat m<strong>an</strong> sich gegenseitig geholfen, oftgab es auch nach den Seminaren Treffen, bei denen bei ein paarFlaschen Wein und Säften, bei Brot und Käse Gespräche und Kontaktezwischen Dozierenden, Postgraduates und Doktorierenden entst<strong>an</strong>den.»Nach einem Postdoc in Southampton kamen Sie nach <strong>Zürich</strong>.Weshalb?Ich habe meine Karriere formal zwar nicht gepl<strong>an</strong>t, aber inhaltlichschon. Mein Prinzip war: Wo ist es interess<strong>an</strong>t für mich zu arbeiten?An <strong>der</strong> <strong>ETH</strong> gibt es eine Gruppe, die Algebra und Topologie betreibt,mein Gebiet. Das gab den Ausschlag. Ich beschäftige mich in<strong>der</strong> Algebra mit Gruppen: Sie beschreiben Symmetrien, zum Beispielalle Bewegungen, die ein Dreieck wie<strong>der</strong> in sich selber überführen.Anh<strong>an</strong>d <strong>der</strong> Eigenschaften einer Gruppe k<strong>an</strong>n m<strong>an</strong> viel über dieEigenschaften des ursprünglichen geometrischen Gebildes aussagen.Ich versuche, die geometrische Seite und die algebraische, alsodie abstrakte Gruppenseite weiter zu verstehen und ihre Zusammenhängezu sehen.Was fasziniert Sie <strong>an</strong> Ihrer Arbeit?Das Interess<strong>an</strong>te <strong>an</strong> <strong>der</strong> Reinen Mathematik ist, dass sich immerwie<strong>der</strong> neue Fragen eröffnen. Und es ist schon faszinierend, eineSache zu betreiben, die sich nur im Kopf abspielt. Auch wenn m<strong>an</strong>cheLeute das vielleicht als abgefahren empfinden.Entgegen dem Vorurteil vieler Leute, so betont Nucinkis, istMathematik kein Fach, das in Einsamkeit betrieben wird: «Gesprächeund Zusammenarbeit mit <strong>an</strong><strong>der</strong>en Leuten sind g<strong>an</strong>z wichtig.»Mathematik sei keine Sache «für’s stille Stübchen», und die weitereZusammenarbeit mit <strong>an</strong><strong>der</strong>en Mathematikern und Mathematikerinnensei etwas, was sie sich für ihre Zukunft wünsche: «Ich möchteeigentlich weiterhin tun, was ich jetzt tue. So k<strong>an</strong>n ich mir gut vorstellen,noch für sehr l<strong>an</strong>ge Mathematik zu betreiben.»In <strong>der</strong> Zwischenzeit ist Leonard aufgewacht, hat ein wenig geweintund wurde gestillt. Jetzt liegt er zufrieden im Schoss seinerMutter.J<strong>an</strong>uar 2003


Ich bin einfachmeinen Interessengefolgt. Das hattegewisse Konsequenzen,Schritt für Schritt.Annette OxeniusAnnette Oxenius wurde in Uster (Schweiz) geboren. IhrFachgebiet ist Immunologie.Laufbahn1987 Matura Typus B, K<strong>an</strong>tonsschule Rämibühl in<strong>Zürich</strong>1993 Diplom in Biochemie mit NebenfachMolekularbiologie und Immunologie,Universität <strong>Zürich</strong>1997 Promotion, Institut für ExperimentelleImmunologie, <strong>ETH</strong> <strong>Zürich</strong>1997–1999 Postdoc, Institut für ExperimentelleImmunologie, <strong>ETH</strong> <strong>Zürich</strong>1999–2002 Postdoc, Nuffield Department of Medicine,John Radcliffe Hospital, University of Oxford(Engl<strong>an</strong>d)Antritt <strong>der</strong> Professur <strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>ETH</strong> <strong>Zürich</strong>2002 AssistenzprofessurKontaktProf. Annette OxeniusInstitut für MikrobiologieSchmelzbergstrasse 7<strong>ETH</strong> Zentrum LFV B 31.2CH-8092 <strong>Zürich</strong>Telefon 01 632 33 17<strong>an</strong>nette.oxenius@micro.biol.ethz.ch«Streng, sehr streng» <strong>an</strong>twortet sie auf die Frage, wie ihre letztenMonate waren – doch sie lächelt dabei: Annette Oxenius, seit einemknappen Jahr Assistenzprofessorin für Immunologie, hat in dieserZeit ein Labor aufgebaut, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter <strong>an</strong>gestelltund ausgebildet, Doktor<strong>an</strong>dinnen und Diplom<strong>an</strong>den gesucht– kurz, sie hat eine M<strong>an</strong>agement-Aufgabe übernommen. «Alsich hierher kam, war es mehr o<strong>der</strong> weniger eine Baustelle, ich habemit den Bauleuten gepl<strong>an</strong>t, alles für das Labor beschafft, von <strong>der</strong>Pipette bis zur Zentrifuge», erzählt sie. Sehr ernst nimmt OxeniusAusbildung und Org<strong>an</strong>isation, Führungsaufgaben also: «MeineAufgabe ist es, im Labor eine Dynamik zu schaffen, Leute zu finden,die harmonieren, und sie zu schulen. All das ist g<strong>an</strong>z neu für mich.»Deshalb hat sie sich überlegt, ob eine Weiterbildung im BereichFührungsarbeit nicht eine gute Idee wäre.Im Moment würde ihr jedoch schlicht die Zeit dafür fehlen.Denn zu ihrer neuen Position gehören zusätzlich administrativeArbeiten, gehört die Aufgabe als Examinatorin. «Ich war vielleichtetwas naiv», sagt sie: «Vor Antritt <strong>der</strong> Stelle habe ich mir gedacht,ich würde d<strong>an</strong>n etwa 90 Prozent meiner Zeit im Labor verbringen.Je länger desto mehr sehe ich, dass das Verhältnis zwischen Forschungund den übrigen Aufgaben etwa 50 zu 50 betragen wird.»Und lachend fügt sie hinzu: «Darauf möchte ich auf jeden Fallabzielen.»Denn eigentlich brennt sie darauf, wie<strong>der</strong> im Labor zu arbeiten:«Ich bin etwas ungeduldig, bin dar<strong>an</strong> gewöhnt, dass vom Wissenschaftlichenher immer etwas läuft, was sp<strong>an</strong>nend ist.» Allerdingsmüssen dafür die Experimente wie<strong>der</strong> zuverlässig durchgeführtwerden können. Das, so erklärt Oxenius, sei nicht g<strong>an</strong>z einfach. Siearbeite viel mit In-Vitro-Zellkulturen, und dabei spiele etwa dieWasserqualität im Haus eine Rolle: «Es ist ein ungeschriebenesGesetz: Es dauert ein halbes bis ein g<strong>an</strong>zes Jahr, bis Experimente <strong>an</strong>einem neuen Ort wie<strong>der</strong> zuverlässig funktionieren. Immerhin sindwir so weit, dass wir l<strong>an</strong>gsam wie<strong>der</strong> die Sonne hinter dem Horizontsehen.»


Oxenius’ Fachgebiet ist das Immunsystem, vor allem interessiertsie sich für die T-Helferzellen, einen Best<strong>an</strong>dteil <strong>der</strong> weissenBlutkörperchen: «Sie sind so etwas wie ein zentrales Schaltorg<strong>an</strong> imImmunsystem und wir möchten verstehen, was ihre genaueFunktion ist.» Der HI-Virus, <strong>der</strong> Aids hervorruft, könne genau dieseHelferzellen infizieren, erklärt Oxenius, deshalb befasse sie sich mit<strong>der</strong> HIV-Infektion beim Menschen: «Wir wollen einerseits ein Tiermodellbei <strong>der</strong> Maus etablieren, um diesen Fragen nachzugehen,<strong>an</strong><strong>der</strong>erseits arbeiten wir mit Blutproben von Patientinnen undPatienten.» Bereits in ihrer Postdoc-Zeit in Engl<strong>an</strong>d hat sie zumThema HIV gearbeitet, bereits damals mit Blutproben von HIV-positivenMenschen, die ihr <strong>an</strong>onymisiert zur Verfügung gestellt wurden.«Bei diesen Patientinnen und Patienten kam irgendw<strong>an</strong>n einmal<strong>der</strong> Wunsch auf zu erfahren, was überhaupt mit ihrem Blutpassiert», erzählt Oxenius, deshalb habe m<strong>an</strong> sie zu Laborbesucheneingeladen. Eine Idee, die Oxenius nun gemeinsam mit demUniversitätsspital – aus <strong>der</strong> dortigen Abteilung für Infektionskr<strong>an</strong>kheitenstammt heute das Patientenblut in ihrem Labor – auch in<strong>Zürich</strong> verwirklichen möchte.Geweckt wurde Oxenius’ Interesse für Immunologie während<strong>der</strong> Mittelschulzeit: «Es gab ein Lehrbuch, es hiess, glaube ich, ‹DasImmunsystem einfach›. Bereits damals haben mich die Helfer- undKillerzellen fasziniert.» Dennoch fiel es ihr schwer, sich für eineStudienrichtung zu entscheiden – Literatur hätte sie sich «durchausvorstellen» können, Chemie, Mathematik, Sport, kurz: «Ich habeeigentlich alles sp<strong>an</strong>nend gefunden.» Biochemie war schliesslichdie Lösung; <strong>an</strong>org<strong>an</strong>ische Chemie allein erschien ihr «doch ein bisschensehr tot».Bereits im zweiten Studienjahr führte sie ein Sommerjob ins«Institut für Experimentelle Immunologie» in <strong>Zürich</strong>: «Ich hatte vonTuten und Blasen keine Ahnung, war quasi eine H<strong>an</strong>dl<strong>an</strong>gerin, aberdas Klima, die Stimmung in diesem Labor waren so mitreissend,dass ich wusste: Das ist es.» So schloss sie denn auch ihr Studiummit einer Diplomarbeit am Institut für Experimentelle Immunologieab und f<strong>an</strong>d dort später ihre erste Postdoc-Stelle.Dass sie je den Berufswunsch «Wissenschaftlerin» gehabt hat,dar<strong>an</strong> k<strong>an</strong>n sich Oxenius nicht erinnern: «Bis zum Abschluss <strong>der</strong>Postdoc-Zeit ist m<strong>an</strong> ja in Ausbildung. Ich bin einfach meinen Interessengefolgt, und das hatte gewisse Konsequenzen, Schritt fürSchritt.» Voraussetzung für diese Schritte, davon ist sie überzeugt,ist in erster Linie «Spass»: «Eine solche Laufbahn ist sehr energieintensiv,m<strong>an</strong> muss sein eigener Motor sein. Ohne Spass am Fachgeht das nicht.»Spass macht ihr neben <strong>der</strong> Arbeit <strong>der</strong> Aufenthalt im Freien, inden Bergen, beim Skifahren, auf Hochtouren. Ebenfalls wichtig istihr das Zusammensein mit Freunden und Freundinnen. Als weitereBeschäftigung in <strong>der</strong> Freizeit nennt sie lachend «den Haushalt,denn <strong>der</strong> muss schliesslich auch gemacht werden». Die Hausarbeitteilt sie sich mit ihrem Partner. Gemeinsam mit ihm will sie sichauch in den nächsten Jahren die Familien-Frage stellen: «Ich glaube,ich möchte gerne Kin<strong>der</strong> haben. Wie ich es d<strong>an</strong>n m<strong>an</strong>age, wird sichzeigen – ich habe auf alle Fälle keine Angst, dass es nicht möglichist, Arbeit und Familie unter einen Hut zu bringen. Wenn meinM<strong>an</strong>n und ich diesen Entscheid fällen, werden wir gemeinsamLösungen suchen.»J<strong>an</strong>uar 2003


In Führungspositionensind Frauen immernoch ein bisschenrar, aber das wirdsich än<strong>der</strong>n.Felicitas PaussFelicitas Pauss wurde in Vorau (Österreich) geboren. IhrFachgebiet ist Experimentelle Teilchenphysik.Laufbahn1970 A<strong>bit</strong>ur in Salzburg (Österreich)1976 Promotion, Universität Graz (Österreich)1976–1978 Universitätsassistentin, Institut fürTheoretische Physik, Universität Graz1978–1983 Research Physicist, Max-Pl<strong>an</strong>ck-Institut fürPhysik in München (Deutschl<strong>an</strong>d) und CornellUniversity in Ithaca (New York, USA)1983–1985 Fellowship, CERN in Genf (Schweiz)1985–1991 Staff position, CERN in Genf1991–1993 Wissenschaftliche Adjunktin, Institut fürTeilchenphysik, <strong>ETH</strong> <strong>Zürich</strong>seit 1997 Leiterin des Instituts für Teilchenphysik,<strong>ETH</strong> <strong>Zürich</strong>Antritt <strong>der</strong> Professur <strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>ETH</strong> <strong>Zürich</strong>1993 Assistenzprofessur1997 ausserordentliche Professur2000 ordentliche ProfessurKontaktProf. Felicitas PaussInstitut für Teilchenphysik (IPP)<strong>ETH</strong> Hönggerberg HPK E 26CH-8093 <strong>Zürich</strong>Telefon 01 633 20 40felicitas.pauss@cern.chpauss@particle.phys.ethz.chGrosse, farbige Fotos schmücken die Wände ihres Büros. Sie zeigenSzenen aus dem Himalaya-Gebiet: Berge, L<strong>an</strong>dschaften, Dörfer,Menschen. Felicitas Pauss hat sie selbst fotografiert, auf ihrenTrekking-Touren. «Wenn immer möglich mache ich jedes Jahr einesolche Reise, mit Rucksack, zu Fuss, m<strong>an</strong> schläft im Zelt, lebt g<strong>an</strong>zeinfach. Dabei kommt m<strong>an</strong> down to the reality, zu den Dingen, dieim Leben eigentlich wichtig sind», sagt die Professorin für experimentelleTeilchenphysik und schwärmt von den Begegnungenunterwegs. Mit Mönchen, die in abgelegenen Klöstern leben, mitMenschen, die zwischen einsamen Dörfern unterwegs sind, «dieseoffene Freundlichkeit, diese Freude, das berührt mich immer sehr».Wenn diese Menschen wüssten, was sie in ihrem Berufsleben tue,fährt sie fort, würden sie wohl sagen: «Die ist komplett verrückt.»Würde sie ihnen ihre Arbeit genauer erklären, könnten ihreZuhörer sicher nachvollziehen, worum es geht. Denn Pauss hatdie Fähigkeit, ihr Gebiet verständlich darzustellen: «Wir betreibenGrundlagenforschung. Was uns interessiert sind die unzerteilbarkleinsten Bausteine <strong>der</strong> Materie, aus <strong>der</strong> alles, Sie, ich, unser Universum,aufgebaut ist. Und wir wollen die physikalischen Gesetzmässigkeitenverstehen, die zwischen diesen unzerteilbar kleinstenBausteinen <strong>der</strong> Materie herrschen.» Die Grösse dieser kleinstenBausteine, <strong>der</strong> Quarks, ver<strong>an</strong>schaulicht sie mit Bil<strong>der</strong>n: Stellt m<strong>an</strong>sich vor, ein Atom hätte die Grösse <strong>der</strong> Erde, d<strong>an</strong>n wären Quarkskleiner als eine Or<strong>an</strong>ge. Ein Mensch mässe d<strong>an</strong>n «in etwa eineMillion mal den Abst<strong>an</strong>d zwischen Sonne und Erde, <strong>der</strong> rund 150Millionen Kilometer beträgt».Um diese Grundbausteine zu studieren, so Pauss weiter, brauchtes Teilchenbeschleuniger: «Je kleinere Dimensionen Sie studierenmöchten, desto grössere Energien brauchen Sie. Bisher können wirdurch die Kollision von Teilchenstrahlen, zum Beispiel Elektroneno<strong>der</strong> Protonen, Energien erzeugen, die genau <strong>der</strong> Energie entsprechen,die unser Universum hatte, als es eine zehn-milliardstelSekunde alt war. Und wir wollen noch näher <strong>an</strong> den Urknall her<strong>an</strong>gehen.»


Näher <strong>an</strong> den Urknall soll sie die Teilchenbeschleuniger-Anlage«Large Hadron Colli<strong>der</strong>» (LHC), bringen, die zur Zeit am EuropäischenZentrum für Teilchenphysik (CERN) in Genf gebaut wird. «Es ist eineMaschine, die weltweit einmalig sein wird, ein riesiges Projekt fürdie g<strong>an</strong>ze Physik-Community», sagt Pauss: «Physikerinnen und Physikeraus <strong>der</strong> g<strong>an</strong>zen Welt bereiten die Experimente am LHC vor. UnserInstitut ist hauptver<strong>an</strong>twortlich für zwei Komponenten des CMSExperiments, das Kristallkalorimeter und die Supraleiterkabel fürden Magneten, und wir haben zu weiteren Teilen viel beigetragen.»Genau solche Experimente machen für Pauss die Faszination<strong>der</strong> Teilchenphysik aus: «Dass wir kontrolliert Bedingungen herstellenkönnen und d<strong>an</strong>n aus den Resultaten Rückschlüsse über diephysikalischen Gesetzmässigkeiten in den Anf<strong>an</strong>gszeiten des Universumsziehen können.» Pauss rechnet zudem damit, dass mit denExperimenten am LHC die Existenz von bisher erst in <strong>der</strong> Theorievermuteten Materie-Teilchen bewiesen werden k<strong>an</strong>n. «Wenn siewirklich existieren, werden wir die ersten sein, die sie sehen werden»,sagt Pauss und fügt lachend hinzu: «Es wird aber noch einigeZeit dauern. Sie müssen schon noch etwas Geduld haben.»2007 soll <strong>der</strong> LHC betriebsbereit sein, alle Experimente aufgebaut,getestet und wie<strong>der</strong> getestet. Kein Wun<strong>der</strong>, pendelt Pausszwischen Genf und <strong>Zürich</strong> hin und her: «An <strong>der</strong> <strong>ETH</strong> unterrichte ich,erledige administrative Arbeit und begleite Projekte, aber ein Teilmeiner Forschungsgruppe arbeitet am CERN.» Die Forscherinnenund Forscher, die am CMS Experiment mitarbeiten, stammen nichtnur aus aller Welt, es sind auch viele Frauen dabei: «In vielenLän<strong>der</strong>n, etwa im Süden Europas, in China und Indien gibt es sehrviele Physikerinnen. Allerdings bin ich im M<strong>an</strong>agement-Board desCMS Experiment immer noch die einzige Frau. In Führungspositionensind Frauen immer noch ein bisschen rar, aber das wird sichän<strong>der</strong>n.» Schliesslich studieren auch bei Felicitas Pauss Frauen,moment<strong>an</strong> arbeiten vier von ihnen <strong>an</strong> ihrer Dissertation, «ein höhererAnteil als normal», freut sich Pauss. Ihr Vorbild als Professorinhat dabei sicher eine Rolle gespielt.Sie selbst hat kein weibliches Vorbild gek<strong>an</strong>nt. In einer SalzburgerMusikerfamilie aufgewachsen, spielte sie verschiedeneInstrumente und besuchte eine musisch ausgerichtete Mittelschule.Von klein <strong>an</strong> aber war da auch immer das Interesse dar<strong>an</strong>, «wie dieDinge funktionieren»; als Zehnjährige demontierte sie deshalbeinen Fotoapparat – ohne Ergebnis.An <strong>der</strong> Mittelschule brillierte sie in Mathematik und Physik, dochEltern und Lehrer f<strong>an</strong>den: «Das ist nichts für Mädchen.» Dennochstudierte Paus theoretische Physik und Mathematik: «Das Agreementwar, dass ich ja immer noch Lehrerin werden könne.» Doch siewählte nicht den Weg zur Mittelschullehrerin, son<strong>der</strong>n promovierte,als einziges «Mädchen» im Zeitraum von rund zehn Jahren. Via Max-Pl<strong>an</strong>ck-Institut in München – wo sie zum ersten Mal im Bereich Teilchenphysikarbeitete – ,Cornell und CERN in Genf kam sie schliesslich<strong>an</strong> die <strong>ETH</strong>. Und pendelt heute zwischen <strong>Zürich</strong> und Genf.Nie, sagt Pauss, hätte sie sich als Studentin ihre heutige Arbeitvorstellen können. Und nie, niemals, fügt sie lachend hinzu, hättesie sich früher vorstellen können, «dass ich einmal so viel arbeite».Ihr Antrieb aber ist nach wie vor die Frage, «wie denn die Dingefunktionieren».J<strong>an</strong>uar 2003


Das ist ein Vorteilmeines Berufs – meineFreiheit ist gross.Renate Schuber tRenate Schubert wurde in Wiesbaden (Deutschl<strong>an</strong>d) geboren.Sie ist Mutter eines Kindes im Alter von fünf Jahren. IhrFachgebiet ist Volkswirtschaftslehre.Laufbahn1973 A<strong>bit</strong>ur in Wiesbaden (Deutschl<strong>an</strong>d)1977 Diplom in Volkswirtschaft, Joh<strong>an</strong>nes Gutenberg-Universität Mainz (Deutschl<strong>an</strong>d)1982 Promotion, Universität Tübingen (Deutschl<strong>an</strong>d)1982-1983 Postgraduierten-Studium, Deutsches Institutfür Entwicklungspolitik in Berlin (Deutschl<strong>an</strong>d)1983 Referentin, Lahmeyer International - FirmaBeraten<strong>der</strong> Ingenieure, Fr<strong>an</strong>kfurt a. M. (D)1983-1989 Postdoc und Habilitation, Technische UniversitätDarmstadt (Deutschl<strong>an</strong>d)1989-1991 Professorin, Universität Regensburg (D)1991-1992 Professorin, Universität Tübingenseit 1993 Professorin und Leiterin des Instituts fürWirtschaftsforschung, <strong>ETH</strong> <strong>Zürich</strong>Antritt <strong>der</strong> Professur <strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>ETH</strong> <strong>Zürich</strong>1992 ordentliche ProfessurKontaktProf. Renate SchubertInstitut für WirtschaftsforschungWeinbergstrasse 35<strong>ETH</strong> Zentrum WEH G 11CH-8092 <strong>Zürich</strong>Telefon 01 632 47 17schubert@wif.gess.ethz.chWie sieht <strong>der</strong> normale Arbeitstag einer Professorin für Nationalökonomieaus? «Schwer zu sagen», findet Renate Schubert: «Was feststeht,seit ich eine Tochter habe: Ich bringe sie morgens in dieKin<strong>der</strong>krippe und hole sie nachmittags wie<strong>der</strong> ab. Was zwischendrinpassiert, ist sehr unterschiedlich.» M<strong>an</strong>che Tage sind vor allem vonSitzungen dominiert, Sitzungen mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern,Sitzungen von Gremien <strong>der</strong> <strong>ETH</strong> o<strong>der</strong> wissenschaftlichenOrg<strong>an</strong>isationen. An <strong>an</strong><strong>der</strong>en Tagen hält Schubert vor allem Vorlesungenund berät Studierende. An m<strong>an</strong>chen Tagen schliesslichbleibt Zeit, sich <strong>der</strong> Forschung zu widmen, Berichte zu schreibeno<strong>der</strong> neue Konzepte auszudenken.Und eben, da ist seit fünf Jahren ihre Tochter. «L<strong>an</strong>ge warenKin<strong>der</strong> kein Thema für mich. Und als es so weit war, war es keinThema für mich, den Job aufzugeben», erzählt Schubert: «Bishergeht das sehr gut.» Unternehme sie nachmittags etwas mit <strong>der</strong>Tochter, könne sie dafür am Abend zuhause arbeiten: «Das ist einVorteil meines Berufs und meiner Position – meine Freiheit, meineFlexibilität sind gross.»In ihrer Forschungsarbeit beschäftigt sich Schubert mit zweiKernthemen: «Umwelt und Entwicklung» sowie «Risiko- und Entscheidungsforschung».Im zweiten Bereich führt sie mit ihremTeam wirtschaftswissenschaftliche Experimente durch. So wirdbeispielsweise beobachtet und ausgewertet, wie – und wie unterschiedlich– Frauen und Männer entscheiden, wenn sie fin<strong>an</strong>zielleAnlagen tätigen.» Bei diesen Experimenten ist Schubert von <strong>der</strong>Entwicklung <strong>der</strong> Idee über die Erarbeitung <strong>der</strong> Instruktionen für dieTeilnehmenden bis hin zur Auswertung <strong>der</strong> Daten mit dabei.«Experimentelle Wirtschaftsforschung ist sinnvoller als Befragungen»,erklärt sie: «Bei Experimenten k<strong>an</strong>n m<strong>an</strong> dafür sorgen,dass alle dieselbe Ausg<strong>an</strong>gslage haben, und m<strong>an</strong> k<strong>an</strong>n das Verhaltenseriös überprüfen.» Zudem liegt ihr diese Art <strong>der</strong> Forschung weitmehr als die in den siebziger Jahren praktizierte, als sich «dieWirtschaftswissenschaftler vor allem am Schreibtisch überlegthaben, wie sich wohl die Menschen verhalten».


Schon früher fühlte sich Schubert zur praktischen Anwendunghingezogen. So kehrte sie – nach einer «sehr theoretischen Dissertation»– <strong>der</strong> Hochschule erst einmal den Rücken zu, absolvierteeine Postgraduate-Ausbildung am Deutschen Institut für Entwicklungspolitikin Berlin und arbeitete bei einer Consultingfirma imBereich Entwicklungszusammenarbeit. Eine Zeit, die sie nicht missenmöchte: «Dadurch, dass ich mal die Nase in <strong>der</strong> Praxisluft hatte,wusste ich später immer, dass ich auch <strong>an</strong><strong>der</strong>swo einen Job findenwürde. Mein Leben beginnt und endet nicht mit <strong>der</strong> Hochschule.»Mit diesem Wissen im Rücken nahm sie nach ihrer Rückkehr <strong>an</strong>die Uni ihre Habilitation in Angriff. Für ihren damaligen Chef findetsie lobende Worte: «Er war ideenreich und unkonventionell.» DieDiskussionen mit ihm haben ihr «viel gebracht und viel Spassgemacht».«Spass gemacht» hat ihr seither vieles im Zusammenh<strong>an</strong>g mitihrem Fach: die Verknüpfung von konkreten Problemen mit <strong>der</strong> ökonomischenTheorie, die Zusammenarbeit mit ihrer Gruppe o<strong>der</strong>kürzlich die Entwicklung und Einrichtung einer elektronischen Lernumgebungfür die Lehre. Ihr Tipp <strong>an</strong> Frauen, die sich eine Hochschulkarriereüberlegen, lautet folgerichtig: «Der wichtigste Punktist, dass sie einfach mit Spass bei <strong>der</strong> Sache sind. Wenn ihre Tätigkeitsie fesselt, werden sie mehr Energie und Motivation für ihre nächstenKarriereschritte aufbringen.»«Irgendwie Spass gemacht» hat Schubert auch die Zeit alsVorsteherin des Departements für Geistes-, Sozial- und Staatswissenschaften:Damals war das Departement eben neu aus zweifrüheren Departementen entst<strong>an</strong>den, und es war «eine sp<strong>an</strong>nendePhase, diese beiden Gruppen zusammenzuführen und das neueDepartement in <strong>der</strong> <strong>ETH</strong> zu positionieren.» Heute ist sie Mitglieddes Departements-Ausschusses und arbeitet zudem in verschiedenenwissenschaftlichen Gremien mit, etwa im SchweizerischenNationalfonds o<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Deutschen Forschungsgemeinschaft.Innerhalb <strong>der</strong> nächsten Jahre, so hofft sie, wird sie zumindesteinen Teil dieser M<strong>an</strong>date reduzieren können. D<strong>an</strong>n wünscht siesich mehr Zeit für sich, ihre Familie, ihre Hobbies, aber vor allem fürdie Forschung: «Sie ist in den letzten zehn Jahren neben all meinen<strong>an</strong><strong>der</strong>en Aufgaben etwas zu kurz gekommen. Ich möchte gerne inRuhe am Thema ‹risk <strong>an</strong>d gen<strong>der</strong>› weiterarbeiten, um dort noch deneinen o<strong>der</strong> <strong>an</strong><strong>der</strong>en Puzzle-Stein einzusetzen, <strong>der</strong> für ein Gesamtbildnoch fehlt.»J<strong>an</strong>uar 2003


An <strong>der</strong> Universitäthabe ich gelernt, zurückzugeben,selbstbewusstzu sein.Sarah Springm<strong>an</strong>Sarah Springm<strong>an</strong> wurde in London (Engl<strong>an</strong>d) geboren. IhrFachgebiet ist Geotechnik.Laufbahn1974 A levels in High Wycombe (Buckinghamshire,Engl<strong>an</strong>d)1978 Master of Arts in Engineering Sciences, GirtonCollege, University of Cambridge (Engl<strong>an</strong>d)1979-1983 Graduate Engineer, Sir Alex<strong>an</strong><strong>der</strong> Gibb &Partners, Consulting Engineers, in Reading(Engl<strong>an</strong>d), Adelaide, C<strong>an</strong>berra (Australia), Fiji1984 MPhil in Soil Mech<strong>an</strong>ics, St Catharine’s College,University of Cambridge1989 PhD in Soil Mech<strong>an</strong>ics, Magdalene College,University of Cambridge1989–1990 Research Fellow, Magdalene College, Universityof Cambridge1990–1993 Assist<strong>an</strong>t Lecturer, University of Cambridge1993–1996 Lecturer with tenure (from 1996), University ofCambridgeAntritt <strong>der</strong> Professur <strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>ETH</strong> <strong>Zürich</strong>1997 ordentliche ProfessurKontaktProf. Sarah Springm<strong>an</strong>Institut für Geotechnik<strong>ETH</strong> Hönggerberg HIL C 13.1CH-8093 <strong>Zürich</strong>Telefon 01 633 38 05springm<strong>an</strong>@igt.baug.ethz.chDämme hat sie gebaut, damals, als Kind, in den Ferien in Irl<strong>an</strong>d: MitSteinen und S<strong>an</strong>d staute sie die Bäche, baute Wasserspeicher – «und<strong>der</strong> Spass war, dass am Schluss immer alles zerstört wird».«Jetzt», sagt Sarah Springm<strong>an</strong>, Professorin für Geotechnik,lachend, «darf ich das ja nicht mehr!» Ihre Dämme müssen halten– zum Beispiel jener Damm auf Fiji, bei dem sie für die Qualitätssicherungver<strong>an</strong>twortlich war: ein riesiger Erddamm in tropischemKlima, «das heisst, wir konnten das Kernmaterial nicht austrocknen,es war nass und hatte fast keine Scherfestigkeit.» Druck, Sp<strong>an</strong>nungund Dehnung mussten berechnet, Material und Bau optimiert werden,damit <strong>der</strong> Damm sicher war.Sie arbeite mit Boden, mit <strong>der</strong> Mech<strong>an</strong>ik des Bodens, so definiertSpringm<strong>an</strong> ihre Arbeit: «Wir nennen das Boden-Bauwerk-Interaktion,fragen also: Worauf baut m<strong>an</strong>, womit baut m<strong>an</strong>?» Baut m<strong>an</strong>beispielsweise auf weichem Seebodenlehm, muss erst berechnetwerden, wie stabil dieser ist – d<strong>an</strong>n muss <strong>der</strong> Baugrund so verbessertwerden, dass die Gebäude sicher stehen. Denn «Boden ist sehrgefährlich», betont sie, «wenn er nicht korrekt betrachtet wird.»Zwar wird in <strong>der</strong> Geotechnik viel mit Computermodellen gearbeitet,doch für Springm<strong>an</strong> sind Modell-Versuche im Labor nach wievor sehr wichtig – etwa mit <strong>der</strong> von ihr <strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>ETH</strong> installierten geotechnischenZentrifuge. «Das ist eine grosse Trommel, ähnlich einer‹washing-machine›, sie misst mehr als zwei Meter im Durchmesser.Damit können wir in einem Modell durch Drehung die Sp<strong>an</strong>nungenaus dem Eigengewicht des Bodens erhöhen und so eine realitätsnaheKonstruktion in kleinem Massstab repräsentieren.» Beson<strong>der</strong>sam Herzen liegt ihr neben <strong>der</strong> Ausbildung von kompetenten Fachleuten,dass die Problematik des Bodens, des Baugrunds ernstgenommen wird. Noch viel zu häufig sehe sie Bauwerksentwürfeund Berechnungen, die sich im Detail nur damit beschäftigen, wassich über dem Boden befinde, erzählt Springm<strong>an</strong>. Deshalb bekämenihre Kollegen häufig von ihr zu hören: «Entschuldigung, wennIhre Annahmen über den Boden nicht stimmen, haben Sie grosseProbleme.»


Ihre Affinität zur Geotechnik entdeckte sie im dritten Jahr ihresIngenieurwissenschaften-Diplomkurses in Cambridge. Im zweitenJahr hatte sie sich für die Fachrichtung Bauingenieurwesen entschieden;als d<strong>an</strong>n Baustatik und Geotechnik gelehrt wurde, habesie entdeckt: «Ich k<strong>an</strong>n das, ich verstehe das, ich habe ein Gefühldafür. Das ist es, was mir total gefällt.» Und noch heute sei sie fasziniertdavon.Zum Ingenieur-Bereich hatte sie sich schon als Schülerin hingezogengefühlt, denn im Gegensatz zu ihren Lieblingsfächern Lateinund Mathematik, hatte dieser Bereich «einen klaren Bezug zurPraxis». Mit dieser Praxis wurde sie konfrontiert, als sie nach Schulabschlussin einem grossen Ingenieurbüro – Sir Alex<strong>an</strong><strong>der</strong> Gibb &Partners – als Zeichnerin arbeitete: «Es war sehr sp<strong>an</strong>nend für mich,aber auch sehr hart: Ich war damals sehr scheu, und es arbeitetenfast nur Männer dort, sie machten Witze auf einem Niveau, das ichnicht gewöhnt war.» Später, <strong>an</strong> <strong>der</strong> Universität – auch dort gab es inihrem Fachbereich nur wenige Frauen – habe sie d<strong>an</strong>n gelernt,«zurückzugeben, selbstbewusst zu sein, d<strong>an</strong>ach war es für michkein Problem mehr.»Während ihrer Studienzeit arbeitete Springm<strong>an</strong> immer wie<strong>der</strong>bei dieser Firma, sie verbrachte aber auch etwas Zeit als Militärreservistin:«Dort habe ich viel gelernt über Führung und aucherfahren, dass ich Führungspotential habe.» Dass sie für ihrenMilitärdienst bezahlt wurde, kam nicht zuletzt ihren Australien-Reiseplänen zugute: Nach Studienabschluss reiste und arbeitete sielängere Zeit auf diesem Kontinent. Schliesslich kam das Angebot,beim Dammbau auf Fiji mitzuarbeiten. Zwei Jahre l<strong>an</strong>g lebte sie aufFiji – und gew<strong>an</strong>n nebenbei die Südpazifischen Squash-Meisterschaften.Überhaupt war ihr Sport immer wichtig: Wie<strong>der</strong> inCambridge, arbeitete sie <strong>an</strong> ihrer Dissertation und startete gleichzeitigihre internationale Karriere als Triathletin, die ihr mehrereenglische und europäische Meisterinnentitel einbrachte. Späterentdeckte sie das Ru<strong>der</strong>n, bis heute fährt sie Skiff, trainiert auf<strong>Zürich</strong>-, Rot- und Greifensee.Bereits zwei Jahre nachdem sie mit Ru<strong>der</strong>n <strong>an</strong>gef<strong>an</strong>gen habe,sei sie auf internationalem Niveau mitgefahren, erzählt Springm<strong>an</strong>,und dass diese Erfahrung sie auch motiviert habe, als sie nach<strong>Zürich</strong> kam: Ihre Deutschkenntnisse waren nämlich begrenzt; alsomachte sie sich <strong>an</strong>s Lernen. Drei Monate und acht Tage nach Antrittihrer Professur, so sagt sie lachend, habe sie ihre erste Vorlesung inDeutsch gehalten.Neben <strong>der</strong> Sprache war ihr <strong>an</strong>fänglich auch das Wissenschaftssystemin <strong>der</strong> Schweiz fremd. Heute kennt sie es – und ist darin sehrengagiert: Springm<strong>an</strong> ist Mitglied des Schweizerischen Wissenschafts-und Technologierats, <strong>der</strong> <strong>ETH</strong>-Pl<strong>an</strong>ungskommission undverschiedener weiterer Kommissionen. Wichtigste Aufgabe aber istfür sie nach wie vor die Arbeit mit Studierenden und Doktorierenden:«Ich lerne von ihnen, sie lernen von mir. Natürlich muss mehr vonmir zu ihnen fliessen, wenn es <strong>an</strong><strong>der</strong>s wäre, bin ich nicht mehr imrichtigen Job. Und wenn nichts von ihnen bei mir <strong>an</strong>kommt, bin ichnicht mehr offen.»Zusammengezählt ergeben diese Aufgaben, Pflichten undÄmter eine äusserst volle Arbeitswoche. «Wäre ich nicht so ein Ausdauermensch,würde das nicht gehen. Und auf die Dauer geht esauch nicht», stellt Springm<strong>an</strong>n fest – und fügt etwas ironisch hinzu:«Denn so, wie es jetzt ist, bedeutet es: M<strong>an</strong> schläft weniger, m<strong>an</strong>trainiert weniger und m<strong>an</strong> wird l<strong>an</strong>gweiliger. Weil m<strong>an</strong> immer nurarbeitet.»März 2003


Geistige Turnübungenin Genetikund Molekularbiologiehaben mich schonfrüh fasziniert.Linda Thöny-MeyerLinda Thöny-Meyer wurde in <strong>Zürich</strong> geboren. Ihr Fachgebietist Mikrobiologie.Laufbahn1980 Matura Typus A, K<strong>an</strong>tonsschule HohePromenade in <strong>Zürich</strong>1984 Diplom in Naturwissenschaften, <strong>ETH</strong> <strong>Zürich</strong>1988 Promotion, Institut für Mikrobiologie,<strong>ETH</strong> <strong>Zürich</strong>1988–1989 Postdoc, CSIRO C<strong>an</strong>berra (Australien) und<strong>ETH</strong> <strong>Zürich</strong>1990–1991 Postdoc, St<strong>an</strong>ford School of Medicine inSt<strong>an</strong>ford (California, USA)1992–1999 Oberassistentin, Institut für Mikrobiologie,<strong>ETH</strong> <strong>Zürich</strong>1997 Habilitation in Mikrobiologie, <strong>ETH</strong> <strong>Zürich</strong>Antritt <strong>der</strong> Professur <strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>ETH</strong> <strong>Zürich</strong>1999 AssistenzprofessurKontaktProf. Linda Thöny-MeyerInstitut für MikrobiologieSchmelzbergstrasse 7<strong>ETH</strong> Zentrum LFV B 28CH-8092 <strong>Zürich</strong>Telefon 01 632 33 26thoeny@micro.biol.ethz.chAls Kind, als Jugendliche hat sie Schach gespielt, intensiv und erfolgreich:«Ich war Schweizer Meisterin und konnte <strong>an</strong> <strong>der</strong> Schach-Olympiadeteilnehmen», erzählt Linda Thöny-Meyer. Später verlor dasSchach seinen Platz im Leben <strong>der</strong> Assistenzprofessorin für MolekulareMikrobiologie: «Es ist einfach kein Ausgleich, es ist zu intellektuell.Jetzt gehe ich lieber in die Natur, in die Berge.»Intellektuelle Herausfor<strong>der</strong>ungen gehören heute nicht mehr indie Freizeit, son<strong>der</strong>n in den Arbeitsalltag von Thöny-Meyer. Dabeimotivieren sie nicht nur Erfolge, son<strong>der</strong>n auch unvorhergeseheneResultate: «Das eigentlich Sp<strong>an</strong>nende <strong>an</strong> unseren Experimenten istfür mich alles, was neu, was unerwartet ist. Gelingt ein Durchbruch,ist es natürlich ein Highlight. Wenn nicht, d<strong>an</strong>n stellen sich neueFragen: Weshalb hat es nicht geklappt? Wo war unsere Vorstellungfalsch? Mich faszinieren auch solche Resultate.»Aber natürlich freuen sie Durchbrüche mehr; erst kürzlich hatsie ein solches Highlight erlebt. Es gel<strong>an</strong>g ihrem Forschungsteam,einen neuen Faktor zu identifizieren, <strong>der</strong> in <strong>der</strong> Zelle beim Zusammensetzengewisser Proteine hilft. «Er hat eine neuartige chemischeZusammensetzung und ist quasi ein Tr<strong>an</strong>sfer-Apparat, also eindynamisches Element. Mit Hilfe von solchen Erkenntnissen k<strong>an</strong>nm<strong>an</strong> molekulare Mech<strong>an</strong>ismen aufklären.» Diese Entdeckung hatzu einer «sehr guten Publikation» geführt, bis zu <strong>der</strong>en Erscheinenm<strong>an</strong>, so Thöny-Meyer schmunzelnd, im Labor Stillschweigen vereinbarthabe, «denn es gibt Konkurrenz, natürlich.»Bereits in <strong>der</strong> Mittelschule interessierte sie sich im Biologieunterrichtmehr dafür, was in den Zellen geschieht, als dafür, «wiedie Pflänzchen und Tierchen aussehen.» Und sie war enttäuscht, alses beispielsweise hiess, das Ribosom, die Proteinfabrik <strong>der</strong> Zelle, seiso kompliziert, dass sie nicht im Detail erklärt werden könne. Molekularbiologie,Genetik, «eben diese geistigen Turnübungen» fasziniertensie. Dennoch schw<strong>an</strong>kte sie bei <strong>der</strong> Studienwahl zwischenPharmazie, Chemie, Medizin und Biologie. «Eher intuitiv» hat siesich d<strong>an</strong>n für die Biologie entschieden.


G<strong>an</strong>z klar hingegen fiel <strong>der</strong> Entscheid aus, nach dem Diplom zudoktorieren: «Ich hatte zwar theoretisches Wissen, doch ich konntees noch zu wenig <strong>an</strong>wenden, war erst etwa ein halbes Jahr l<strong>an</strong>g imLabor gewesen. Mich mit diesem Hintergrund für eine Stelle als Biologinzu bewerben, hätte ich mir nicht vorstellen können.»Mit <strong>der</strong> Dissertation verstärkte sich ihr Interesse für die Forschung.Es folgte <strong>der</strong> Schritt ins Ausl<strong>an</strong>d. Einerseits wollte sie «einfachmal weg von zuhause», vor allem aber erschienen ihr die USAals «Ideall<strong>an</strong>d» für die Forschung. Erstaunt hat sie in diesem L<strong>an</strong>dunter <strong>an</strong><strong>der</strong>em, wie selbstbewusst junge Forscherinnen und Forscherauftraten: «Im Gegensatz zur Schweiz lernen die Leute dortsehr jung, sich selbstbewusst vor ein Plenum hinzustellen, etwas zupräsentieren und zu repräsentieren. Das fehlt uns hier – den Frauenvielleicht noch etwas mehr als den Männern.»Thöny-Meyer erwog auch, unter Umständen in den USA zu bleiben;sie arbeitete sich deshalb in ein völlig neues Forschungsthemaein: «Der Schwerpunkt lag in <strong>der</strong> Entwicklungsbiologie. Es hat mirwirklich Spass gemacht und meinen Horizont sicher sehr erweitert.Doch hätte ich karrierebezogen gedacht, hätte ich als Postdoc aufmeinem Dissertationsthema weiterarbeiten sollen. Vielleicht hatmir da ein Mentor gefehlt, <strong>der</strong> gemeinsam mit mir gepl<strong>an</strong>t hätte.»So kam sie erst nach ihrer Rückkehr in die Schweiz wie<strong>der</strong> auf ihrursprüngliches Gebiet zurück, zuerst als Oberassistentin, d<strong>an</strong>n alsAssistenzprofessorin. Heute schätzt sie <strong>an</strong> ihrer Arbeit vor allem dienahe Verbundenheit mit <strong>der</strong> Forschung, die Zusammenarbeit mitihrem Team, Diskussionen und Austausch. «Mir ist wichtig, dassich wirklich weiss, was im Labor läuft. Ich identifiziere mich damit»,erzählt sie. So beschäftigt sie hie und da ein unerklärliches Resultateines Experiments «durch die Nacht hindurch», bis sie am nächstenTag, vielleicht beim Joggen, Antworten findet. Spass macht ihr auchdie Leitung ihrer Gruppe, die Führungsaufgabe: «Ich k<strong>an</strong>n mir sehrgut vorstellen, diesen Bereich noch auszubauen. Das Berufsbild‹ordentliche Professorin›, früher für mich kein Thema, wurde fürmich immer attraktiver.»In zwei Jahren läuft die Assistenzprofessur von Linda Thöny-Meyer aus, schon jetzt setzt sie sich mit ihrer Zukunft ausein<strong>an</strong><strong>der</strong>.Denn: «In <strong>der</strong> Schweiz werden im Bereich Mikrobiologie nicht sehrhäufig Stellen frei, und d<strong>an</strong>n hängt die Berufung sehr stark davonab, auf welches Spezialgebiet die jeweilige Universität setzt. Esbräuchte also einige Zufälle, damit zur richtigen Zeit die richtigeStelle frei wird.» Alternativen fänden sich entwe<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Industrie– o<strong>der</strong> im Ausl<strong>an</strong>d.Die Vorstellung, die Schweiz wie<strong>der</strong> zu verlassen, hat zwar ihreFaszination, aber auch ihre Haken: «Ich bin hier sehr verwurzelt.Mein Freundeskreis, meine Familie ist mir wichtig, mit ihnen verbringeich die Freizeit.» Eine Stelle im Ausl<strong>an</strong>d würde diese Kontakteerschweren. Auch diejenigen zu ihren Nichten und Patenkin<strong>der</strong>n,mit denen die «Spielernatur» Thöny-Meyer gerne – und stundenl<strong>an</strong>g– spielt.Dezember 2002


Eine Hochschulprofessurwar mein Traum, unddafür habe ich relativviel investiert.Sabine WernerSabine Werner wurde in Tübingen (Deutschl<strong>an</strong>d) geboren.Ihr Fachgebiet ist Zellbiologie, insbeson<strong>der</strong>e Geweberegenerationsprozesseund Biologie von Wachstumsfaktoren.Laufbahn1980 A<strong>bit</strong>ur in Reutlingen (Deutschl<strong>an</strong>d)1986 Diplom in Biochemie, Universität Tübingen(Deutschl<strong>an</strong>d)1989 Promotion, Max-Pl<strong>an</strong>ck-Institut für Biochemiein Martinsried (Deutschl<strong>an</strong>d) und Ludwig-Maximili<strong>an</strong>s-Universität in München(Deutschl<strong>an</strong>d)1990–1992 Postdoc, University of California in S<strong>an</strong> Fr<strong>an</strong>cisco(California, USA)1993–1999 Arbeitsgruppenleiterin und Herm<strong>an</strong>n-und-Lilly-Schilling-Professorin, Max-Pl<strong>an</strong>ck-Institut fürBiochemie in MartinsriedAntritt <strong>der</strong> Professur <strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>ETH</strong> <strong>Zürich</strong>1999 ordentliche ProfessurKontaktProf. Sabine WernerInstitut für ZellbiologieSchafmattstrasse 18<strong>ETH</strong> Hönggerberg HPM D 42CH-8093 <strong>Zürich</strong>Telefon 01 633 39 41sabine.werner@cell.biol.ethz.chAls sie – damals noch Doktor<strong>an</strong>din – zum ersten Mal <strong>an</strong> einem internationalenKongress teilnahm, hat sich Sabine Werner kaumgetraut, jem<strong>an</strong>den <strong>an</strong>zusprechen: «Ich war einfach nur fasziniertvon allem und dachte: Wenn m<strong>an</strong> mal so weit kommen würde, dassm<strong>an</strong> mit diesen Leuten überhaupt ein Gespräch führen k<strong>an</strong>n, d<strong>an</strong>nwär das schon richtig super.» Zwei Jahre später hat sie selber <strong>an</strong>einem Kongress referiert, es war «furchtbar aufregend, aber auchsehr stimulierend». Heute nimmt die ordentliche Professorin fürZellbiologie oft <strong>an</strong> Kongressen teil – und freut sich über Gesprächemit Kolleginnen und Kollegen: «Wenn m<strong>an</strong> die Freude <strong>an</strong> <strong>der</strong>Forschung und am Fach teilen k<strong>an</strong>n, ist das immer wie<strong>der</strong> auf’sNeue faszinierend.»Werners Fach ist die «Regenerationsbiologie»; sie untersuchtmit ihrer Gruppe die Mech<strong>an</strong>ismen, die zur Regeneration von verletztemGewebe führen: «Wir betreiben Grundlagenforschung, aberwir hoffen natürlich, dass unsere Forschung Resultate erbringt, died<strong>an</strong>n zu Anwendungen führen.» Als «Mischung von Molekular- undZellbiologie, aber auch Forschung <strong>an</strong> tr<strong>an</strong>sgenen Tieren» bezeichnetWerner die Methoden, die dabei <strong>an</strong>gewendet werden.Eher «aus Zufall» ist sie vor rund zehn Jahren auf dieses Gebietgestossen, als sie als Postdoc in einem amerik<strong>an</strong>ischen Labor arbeitete:«Eigentlich ist es ein offensichtliches Forschungsgebiet, doches wurde jahrel<strong>an</strong>g fast ausschliesslich von Chirurgen bearbeitet.Es gab wenig Grundlagenforschung auf molekular-zellbiologischerEbene.» Da sie sich schon immer gewünscht hatte, in <strong>der</strong> medizinischenGrundlagenforschung zu arbeiten, ergriff sie diese «riesigeCh<strong>an</strong>ce für eine Nachwuchswissenschaftlerin» – und hatteErfolg: «Wir haben hier wirklich Neul<strong>an</strong>d betreten und konntenin relativ kurzer Zeit sehr viele wichtige, neue Dinge herausfindenund sehr schnell und recht gut publizieren.» Inzwischen arbeitenviele <strong>an</strong><strong>der</strong>e Gruppen ebenfalls in diesem Bereich, doch, so Wernerlächelnd: «Wir haben glücklicherweise doch noch einen g<strong>an</strong>z gutenVorsprung.»


Wie sieht Ihr Arbeitsalltag aus?Ich komme meistens zwischen acht und halb neun hierher, d<strong>an</strong>nbin ich zwölf, dreizehn o<strong>der</strong> auch mal sechzehn Stunden hier. Es istein Arbeitsalltag, <strong>der</strong> völlig unterschiedlich aussieht. Sehr viel Zeitverbringe ich mit Schreiben, Berichte, Gutachten, d<strong>an</strong>n versuch ich,so viel wie möglich mit meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiternüber Forschung zu reden, up to date zu sein, was gemacht wird. Undwährend des Semesters gibt es sehr viele Sitzungen, d<strong>an</strong>n renn ichvom Hönggerberg in die Stadt hinunter und wie<strong>der</strong> hoch....Wieviel Platz hat die Forschung?In den Semesterferien hat sie eigentlich ziemlich viel Platz, dasgeht d<strong>an</strong>n deutlich über die 50 Prozent raus, so gegen 70 Prozent.Im Semester geht <strong>der</strong> Anteil m<strong>an</strong>chmal auf 20 Prozent zurück, wennsehr viele Lehrverpflichtungen da sind und Administration <strong>an</strong>fällt.Ist das nicht m<strong>an</strong>chmal frustrierend?Lehre sicherlich nicht. Sie ist absolut essentiell, denn damitziehen wir unseren Nachwuchs her<strong>an</strong>. Es ist ja ein Ziel für eineProfessorin, möglichst viele gute, erfolgreiche Wissenschaftlerinnenund Wissenschaftler auszubilden. Es gibt jedoch Tage, die vollständigmit Administration ausgefüllt sind. D<strong>an</strong>n brauche ich abendszwei, drei Stunden, wo ich mich um Forschung kümmere, damit ichmich wie<strong>der</strong> in einen besseren Zust<strong>an</strong>d bringe.Hatten Sie schon als Studentin das Ziel, Professorin zu werden?Es ging eigentlich mehr Schritt für Schritt. Seit ich zwölf, dreizehnJahre alt war, wollte ich Biochemie studieren. Ich habe michimmer für medizinische Forschung interessiert, wollte wissen, wieKr<strong>an</strong>kheiten entstehen. Und d<strong>an</strong>n, nach Abschluss des Studiums,wollte ich eine Doktorarbeit auf einem biomedizinischen Gebietmachen. Nach <strong>der</strong> Doktorarbeit kam d<strong>an</strong>n die Postdoczeit. Da ward<strong>an</strong>n schon das klare Ziel «Hochschulprofessur» da. Das war meinTraum, und dafür hab ich relativ viel investiert.Motiviert haben sie dabei in erster Linie «Neugierde und Spass».Natürlich gab es Rückschläge, das, so meint Werner, gehöre zur Forschung.D<strong>an</strong>n brauche es «diesen Willen, das durchzuziehen», sagtsie: «In diesem Beruf – und es ist ein harter Beruf – muss m<strong>an</strong> sichimmer wie<strong>der</strong> die Frage stellen: Ist es wirklich das, was ich will? Binich unterm Strich mit dem zufrieden, was ich mache? Wenn m<strong>an</strong>sich jedes Jahr wie<strong>der</strong> sagen k<strong>an</strong>n, dass die Begeisterung noch daist, d<strong>an</strong>n ist es auch das Richtige.»Nebst dem Willen braucht es aber auch Flexibilität – räumlicheFlexibilität. Denn die interess<strong>an</strong>ten Stellen, so Werner, finden sichnicht unbedingt immer in <strong>der</strong> Nähe: «Als Wissenschaftlerin mussm<strong>an</strong> dort hingehen, wo m<strong>an</strong> die Forschung machen k<strong>an</strong>n, die m<strong>an</strong>will. Ich bin in meinem Leben schon zehnmal umgezogen. Und meinM<strong>an</strong>n ist Professor in Kiel, wir leben also quasi in Flugdist<strong>an</strong>z.»Ihre – rare – Freizeit verbringt Werner am liebsten im Freien,beim Sport, «da erhol ich mich am besten». Im Sommer geht sie oftzum Schwimmen o<strong>der</strong> fährt Mountainbike. Im Winter fährt sie sehrgerne Ski, schon seit Jahren: «Als Jugendliche hab ich mir ernsthaftüberlegt, ob ich nicht lieber Skilehrerin werde», sagt sie lachend:«Das war so meine einzige Alternative zur Biochemie.»April 2003


Ich habe mirimmer wie<strong>der</strong> eininteress<strong>an</strong>tes Projektgesucht. Eine Karrierepl<strong>an</strong>ungwar dasnatürlich nicht.Heidi Wun<strong>der</strong>li-AllenspachHeidi Wun<strong>der</strong>li-Allenspach wurde in Nie<strong>der</strong>uzwil SG(Schweiz) geboren. Ihr Fachgebiet ist Biopharmazie.Laufbahn1966 Matura Typus B, K<strong>an</strong>tonsschule St. Gallen (CH)1970 Diplom in Biologie, <strong>ETH</strong> <strong>Zürich</strong>1970–1971 Postgraduierten-Kurs in Experimenteller Medizinund Biologie, Universität <strong>Zürich</strong> (CH)1975 Promotion, Biozentrum <strong>der</strong> Universität Basel (CH)1976–1978 Postdoc, Duke University Medical Center inDurham (North Carolina, USA)1978–1981 Postdoc, Institute for Experimental C<strong>an</strong>cerResearch in Epalinges (Schweiz)1982–1985 Postdoc, Institut für Medizinische Mikrobiologie,Universität <strong>Zürich</strong>1985–1986 Oberassistentin, Pharmazeutisches Institut,<strong>ETH</strong> <strong>Zürich</strong>Antritt <strong>der</strong> Professur <strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>ETH</strong> <strong>Zürich</strong>1986 Assistenzprofessur1992 ausserordentliche Professur1995 ordentliche ProfessurKontaktProf. Heidi Wun<strong>der</strong>li-AllenspachInstitut für Pharmazeutische WissenschaftenWinterthurerstrasse 190CH-8057 <strong>Zürich</strong>Telefon 01 635 60 40wun<strong>der</strong>li-allenspach@pharma.ethz.ch«Treibende Kraft war und ist die Neugier», fasst Heidi Wun<strong>der</strong>li-Allenspach ihre Motivation zusammen. Neugier trieb die heutigeProfessorin für Biopharmazie schon als Kind zu den Büchern: Da sieals Folge einer schweren Infektion bis zehnjährig sehr oft kr<strong>an</strong>k imSpital o<strong>der</strong> zuhause lag, lernte sie früh Lesen und Schreiben, gemeinsammit ihrem grösseren Bru<strong>der</strong>, «aus Spass». Ihrer Kr<strong>an</strong>kheitwegen war sie auch sehr interessiert dar<strong>an</strong>, wie <strong>der</strong> Körper funktioniert.Doch als Ärztin sah sie sich nie, denn das Spital war ihrschlicht «ein Graus».Nach <strong>der</strong> Mittelschule entschied sich Wun<strong>der</strong>li für das Naturwissenschafts-Studium<strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>ETH</strong>: «Mathematik, Physik, Statistik,Chemie, Biochemie, Biologie – mich hat die Breite des Studieng<strong>an</strong>ges<strong>an</strong>gesprochen.» Kurz vor Beginn ihres Studiums wurde <strong>der</strong> genetischeCode geknackt, während <strong>der</strong> Studienzeit entwickelten sichmo<strong>der</strong>ne Zell- und Molekularbiologie. «Es war eine faszinierendeZeit. Ich wusste, dass ich nach dem Diplom mit einer Dissertation indie Forschung einsteigen wollte», erzählt sie.Ihrem breiten Interesse entsprachen die verschiedenen Stationen<strong>der</strong> Postdoc-Phase: «Ich habe in diesen zehn Jahren zu verschiedenenzellbiologischen Themen gearbeitet, Org<strong>an</strong>isation desZellkerns, Tr<strong>an</strong>sport in die Zelle, Virusentwicklung in den Zellen»,sagt sie, und lacht: «Eine Karrierepl<strong>an</strong>ung war das natürlich nicht.Ich habe mir einfach immer wie<strong>der</strong> ein interess<strong>an</strong>tes Projektgesucht.» Konst<strong>an</strong>t in ihrem Leben war hingegen ihr Partner.Gemeinsam hatten sie studiert, gemeinsam die wissenschaftlichen«W<strong>an</strong><strong>der</strong>jahre» verbracht – ein Kriterium für die Jobwahl war unter<strong>an</strong><strong>der</strong>em, dass die beiden Arbeitsplätze «in Pendeldist<strong>an</strong>z» erreichbarwaren. Diese Voraussetzung erfüllte auch die Stelle als Oberassistentinam Pharmazeutischen Institut <strong>der</strong> <strong>ETH</strong>, die Wun<strong>der</strong>li1985 <strong>an</strong>nahm.Als «Quereinsteigerin» in <strong>der</strong> Pharmazie hatte sie bald alleHände voll zu tun. Da gab es Lehrverpflichtungen, und plötzlich lages <strong>an</strong> Wun<strong>der</strong>li «innerhalb eines Vierteljahres ein neues Biopharmaziepraktikumaufzuziehen». Als schliesslich eine Assistenzprofessur


in Biopharmazie eingerichtet wurde, hat sie sich gefragt: «Was hin<strong>der</strong>tmich dar<strong>an</strong>, mich zu bewerben?» Sie hat die Stelle erhalten –als erste Assistenzprofessorin und zweite gewählte Professorin <strong>der</strong><strong>ETH</strong>: «Der damalige Präsident <strong>der</strong> <strong>ETH</strong> war dar<strong>an</strong> interessiert, denBereich Zellbiologie in <strong>der</strong> Pharmazie einzuführen. Er hat meineBewerbung unterstützt, obwohl ich keine Pharmazeutin war.»Nach wie vor legte sie starkes Gewicht auf die Lehre, entsprechendweniger Zeit hatte sie für die Forschung: «So war mein Ausweispunkto Publikationen nicht g<strong>an</strong>z, wie ich es mir gewünschthätte.» Sie rechnete sich deshalb nicht überaus grosse Ch<strong>an</strong>cen aus,als sie sich für die neugeschaffene Biopharmazie-Professur bewarb.«Ich wusste, entwe<strong>der</strong> klappt es o<strong>der</strong> ich muss etwas g<strong>an</strong>z <strong>an</strong><strong>der</strong>esmachen», erzählt sie, die sich durchaus <strong>an</strong><strong>der</strong>e Wege hätte vorstellenkönnen.Drei Monate vor Ablauf ihrer Assistenzprofessur wurde HeidiWun<strong>der</strong>li-Allenspach zur Professorin für Biopharmazie gewählt. DieFreude war riesig. Und wurde leicht getrübt: Wun<strong>der</strong>lis Partnerwurde <strong>an</strong>gefragt, ob er in Genf das Nationale Influenza-Zentrumaufbauen wolle. Sie in <strong>Zürich</strong>, er in Genf – da war <strong>an</strong> einen gemeinsamenWohnsitz in Pendeldist<strong>an</strong>z nicht mehr zu denken.Niem<strong>an</strong>d von beiden verzichtete auf die «Traumstelle»; seitzehn Jahren lebt sie unter <strong>der</strong> Woche in <strong>Zürich</strong>, ihr M<strong>an</strong>n in Genf:«Wir haben beide so viel investiert in unseren Beruf, lieben unsereArbeit, also war das die Lösung.» Die beiden haben sich deswegeneinige dumme Sprüche aus <strong>der</strong> weiteren Bek<strong>an</strong>ntschaft <strong>an</strong>hörenmüssen, doch, so Wun<strong>der</strong>li: «Das interessiert mich nicht.» Gemeinsamverbringen sie «intensive» Wochenenden, kaufen zusammenein, kochen, gehen in die Oper. Und beide haben in ihrem beruflichenUmfeld «g<strong>an</strong>z klar» durchgegeben, dass sie nur in absolutenNotfällen am Wochenende verfügbar sind: «Diese Zeit gehört uns.»Unter <strong>der</strong> Woche werden die Arbeitstage von Wun<strong>der</strong>li häufigl<strong>an</strong>g, dauern oft bis spätabends. Viel Zeit setzt sie für das Institutein: Seit viereinhalb Jahren ist sie Institutsvorsteherin und Studiendelegierteim Bereich Pharmazeutische Wissenschaften; bis voreinem Jahr war sie Departementsvorsteherin. In diese Phase fielenunter <strong>an</strong><strong>der</strong>em zwei Departements-Fusionen und die Studienreformihres Bereichs. «Ein grosser Teil meiner Arbeitszeit ist durchadministrative Geschäfte belegt», sagt sie. Doch sie betrachtet esals eine ihrer wichtigsten Aufgaben, ihren Fachbereich zu stärken:«Früher hiess es oft: Weshalb ist es nötig, dass jem<strong>an</strong>d fünf Jahrel<strong>an</strong>g studiert, <strong>der</strong> später bloss in <strong>der</strong> Apotheke verkauft? Meine Kollegenund ich haben uns vorgenommen, dieses Bild zu verän<strong>der</strong>n –bereits mit einigem Erfolg.»Administrative Bel<strong>an</strong>ge, so Wun<strong>der</strong>li, werden in ihrer Arbeitauch in Zukunft neben <strong>der</strong> Lehre eine wichtige Rolle spielen: «Dochbis zur Emeritierung in neun Jahren soll die Forschung, nach wie vor<strong>der</strong> sp<strong>an</strong>nendste Teil meiner Tätigkeit, wie<strong>der</strong> vermehrt ins Zentrumrücken.» Ihr Interesse gilt den Barrieren im Körper, die überwundenwerden müssen, damit ein Arzneistoff <strong>an</strong> seinen Wirkort gel<strong>an</strong>genk<strong>an</strong>n. Mit einfachen Modellen wird versucht, eine Selektion vonMolekülen bezüglich ihrer Körpergängigkeit vorzunehmen. «DerFortschritt», sagt Wun<strong>der</strong>li, «kommt in kleinen Schritten. Aber dieNeugier und Faszination für die Vorgänge im Körper sind so grosswie am Anf<strong>an</strong>g.»März 2003


Ordentliche und ausserordentliche Professuren unterscheidensich nur im persönlichen Gehalt.Assistenzprofessuren dienen <strong>der</strong> wissenschaftlichen Qualifikationvon jungen Nachwuchskräften. Assistenzprofessorinnengeniessen Forschungs- und Lehrfreiheit und sind mit eigenenMitteln ausgestattet. Sie verfügen über dieselben Rechte undPflichten wie ordentliche und ausserordentliche <strong>Professorinnen</strong>,sind jedoch weniger be<strong>an</strong>sprucht durch Lehr- und Dienstleistungsaufgaben.Eine Assistenzprofessur dauert maximal sechs Jahre. Im Falleines Mutterschaftsurlaubs wird die Anstellungsdauer entsprechendverlängert.Assistenzprofessuren mit Tenure Track werden nach erfolgreicherEvaluation durch das Tenure Commitee in <strong>der</strong> Regel in eineausserordentliche Professur umgew<strong>an</strong>delt.För<strong>der</strong>ungsprofessuren des Schweizerischen Nationalfonds(SNF) werden durch den SNF ausgewählt und fin<strong>an</strong>ziert. Die <strong>ETH</strong>entscheidet, ob sie eine För<strong>der</strong>ungsprofessorin aufnehmen willund stellt einen Teil <strong>der</strong> Infrastruktur zur Verfügung. EineFör<strong>der</strong>ungsprofessur dauert 4 Jahre und k<strong>an</strong>n um 2 Jahre verlängertwerden.ImpressumHerausgeberinRedaktionKonzept und LayoutTexteFotosDruckStelle für Ch<strong>an</strong>cengleichheit von Frau und M<strong>an</strong>n <strong>der</strong> <strong>ETH</strong> <strong>Zürich</strong>Cornelia Hafner, Beatrice Huber, Carla Zinggwww.null-o<strong>der</strong>-eins.chBettina Büsser, presseladen, <strong>Zürich</strong>Susi Lindig, <strong>Zürich</strong>Druckerei Goetz AG, GeroldswilSeptember 2003

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!