Münsters mausetoter Bahnhof SPD und CDU im Interview - Draußen
Münsters mausetoter Bahnhof SPD und CDU im Interview - Draußen
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07 | 09<br />
1,80<br />
Straßenmagazin für Münster <strong>und</strong> Umland 0,70 Euro für den Verkäufer www.muenster.org/draussen<br />
<strong>Münsters</strong> <strong>mausetoter</strong> <strong>Bahnhof</strong><br />
<strong>SPD</strong> <strong>und</strong> <strong>CDU</strong> <strong>im</strong> <strong>Interview</strong>
2<br />
Editorial<br />
Liebe Leserinnen<br />
<strong>und</strong> Leser,<br />
Man sagt so leicht hin: Geld ist genug da, es ist nur nicht richtig<br />
verteilt! Und man sagt auch: Leistung soll angemessen, gerecht<br />
bezahlt werden! Soweit so gut.<br />
Da wechselt der Trainer des französischen Fußballspitzenreiters<br />
<strong>und</strong> erhält künftig sage <strong>und</strong> schreibe 250.000 Euro monatlich,<br />
da wechselt der in Köln so beliebte Trainer Christoph<br />
Daum in die Türkei <strong>und</strong> soll dort angeblich jährlich 3,5 Millionen<br />
erhalten = 291.666 Euro monatlich. Da wechselt der Fußballstar<br />
Kakà für 65 Millionen von Mailand nach Madrid <strong>und</strong><br />
bekommt 12 Millionen jährlich = 1 Mio. Euro monatlich <strong>und</strong>,<br />
letzte (Fußball-) Nachricht, Ronaldo wechselt für ein Jahressalär<br />
von 13 Mio. Euro von Manchester United zum selben Verein.<br />
Wenn man das liest, denkt man unwillkürlich an unsere<br />
Hartz-IV-Empfänger, die - folgt man dem Berliner Sozialsenator<br />
<strong>und</strong> einigen anderen gut verdienenden Koryphäen -<br />
eigentlich auch mit weniger Geld auskommen könnten! Da<br />
stellt sich für uns die Frage, wie diese Meinung zu den ständig<br />
steigenden Zahlen passt, die von den Wohlfahrtsverbänden zu<br />
den Tafeln gemeldet werden: Zur Zeit werden über eine Million<br />
Menschen in der B<strong>und</strong>esrepublik über die Tafeln zusätzlich<br />
versorgt, Anzahl steigend.<br />
Ein Hartz-IV-Empfänger bekommt monatlich 359 Euro hinzu<br />
kommen etwa 400 Euro für Miete. Ein Familienvater mit Frau<br />
Anzeige<br />
<strong>und</strong> zwei Kindern bekommt (je nach Alter der Kinder) 1.148<br />
Euro für den Lebensunterhalt <strong>und</strong> rd. 700 Euro für die Miete.<br />
Vom Monatsgehalt des „Geringverdienerbeispiels“ müsste der<br />
alleinstehende Hartz- IV-Empfänger 27 Jahre Leben! Die 4köpfige<br />
Familie vom Monatssalär von Christoph Daum <strong>im</strong>merhin<br />
13 Jahre. Wie lange ein Hartz-IV-Empfänger vom Monatseinkommen<br />
von Kakà leben müsste, mögen wir gar nicht<br />
mehr ausrechnen!<br />
Damit wir uns richtig verstehen, hier soll keine Attacke gegen<br />
Menschen geritten werden, deren besondere Leistungen auch<br />
besonders bezahlt werden - gerecht bezahlt werden!?! Wir<br />
möchten nur noch einmal das Kontrastprogramm aufzeigen<br />
<strong>und</strong> wir wünschen uns sehr, dass endlich Schluss ist mit dem<br />
Gerede, die Hartz-IV-Empfänger seien alle selber Schuld an<br />
ihrer Situation <strong>und</strong> sie sollten nur arbeiten gehen, dann ging<br />
es ihnen auch besser <strong>und</strong> sie hätten ja sowieso alle ein Auto<br />
<strong>und</strong> würden zusätzlich schwarz arbeiten - diese Verallgemeinerung<br />
ist schlicht <strong>und</strong> ergreifend blühender Unsinn!<br />
Eine Diskussion mit Augenmaß - die würden wir uns wünschen!<br />
Herzlich<br />
Ihr<br />
Horst Gärtner
4<br />
<strong>Münsters</strong> unendliche <strong>Bahnhof</strong>-Geschichte<br />
Fotos von Sigi Nasner zum Artikel von Michael Heß
Impressum<br />
Herausgeber<br />
„~“ e.V.<br />
Berliner Platz 8<br />
48143 Münster<br />
Redaktion<br />
Heinz Dalmühle<br />
Sabrina Kipp<br />
Sigi Nasner<br />
Carsten Scheiper (V.i.S.d.P.)<br />
Tel.: 0251 / 4909118<br />
E-Mail-Adresse<br />
draussen-redaktion@live.de<br />
Streetwork<br />
Sabrina Kipp<br />
draussen-kipp@hotmail.com<br />
Internetseite<br />
Administrator: Cyrus Tahbasian<br />
www.muenster.org/draussen<br />
An dieser Ausgabe haben mitgearbeitet<br />
Heinz Dalmühle, Neema Dalmühle, Roberto J.<br />
De Lapuente, Christian Döscher, Silke<br />
Fluchtmann, Patricia Gallagher, Horst Gärtner,<br />
Ingo Giesen, Michael Heß, Sabrina Kipp, Sigi<br />
Nasner, Marc Peschke, Jörg Pöpping, Annette<br />
Poethke, Carsten Scheiper, Marcel-Phillipp<br />
Werdier<br />
Fotos<br />
Heinz Dalmühle, Patricia Gallagher, Michael<br />
Heß, Sabrina Kipp, Sigi Nasner, Seelenfleck,<br />
Marcel-Phillipp Werdier, Preußen Münster<br />
Titelfoto<br />
Sigi Nasner<br />
Layout, Titelgestaltung<br />
Heinz Dalmühle<br />
Gestaltungskonzept<br />
Lisa Schwarz/Christian Büning<br />
Auflage 8000<br />
Druck<br />
Borgsmüller Druck<br />
unterstützt durch<br />
Siverdes-Stiftung<br />
Fontshop, Berlin (spendierte<br />
die Satzschrift FF Fago)<br />
Bankverbindung<br />
Sparkasse Münsterland Ost<br />
Konto-Nr. 33 878<br />
BLZ 400 501 50<br />
Paten-Spenden-Konto<br />
Sparkasse Münsterland Ost<br />
Konto-Nr. 34205427<br />
BLZ 400 501 50<br />
Wir danken allen Spendern!<br />
Bitte berücksichtigen Sie<br />
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Inhalt<br />
Zug endlich abgefahren?<br />
„Der <strong>Bahnhof</strong> ist mausetot“<br />
„Wir brauchen ein neues Politikmodell“<br />
<strong>SPD</strong>-Kandidat Heuer zum Wahlkampf<br />
Ein greises Nervenbündel<br />
Deutsche Geschwisterliebe<br />
„Die Sprache der Münsteraner sprechen“<br />
<strong>CDU</strong>-Kandidat Lewe <strong>im</strong> Gespräch<br />
Rohstoffe für die Welt<br />
Arme Länder ausgetrickst<br />
Dharma-Punx<br />
Gegen Hass, gegen Gier, gegen den Strom<br />
Streetworker in Münster<br />
Jugendhilfe an der Basis<br />
Reise durch die Kunstgeschichte<br />
Aussagen des Realismus<br />
Preußen Report<br />
Rückblick 100 Jahre Preußen Münster<br />
Fernweh nach dem Nahen Osten<br />
Bauchschmerzen inbegriffen<br />
Rezepte<br />
Nichts für Vampiere<br />
~ schafft Arbeitsplätze<br />
Neues Projekt braucht Unterstützung<br />
Anzeige<br />
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6<br />
Bericht | Text: Michael Heß | Fotos: Sigi Nasner<br />
Zug endlich abgefahren?<br />
<strong>Münsters</strong> unendliche <strong>Bahnhof</strong>-Geschichte<br />
Seine besten Tage hat <strong>Münsters</strong> <strong>Bahnhof</strong><br />
lange hinter sich. In den zwanziger<br />
Jahren hoch gelobt als Paradebeispiel<br />
zeitgeistiger <strong>und</strong> funktionaler Architektur<br />
zugleich <strong>und</strong> nochmals nach<br />
dem Wiederaufbau in den 50ern. Seitdem<br />
ist der Lack ab, hat sich auch bei<br />
der Bahn viel verändert <strong>und</strong> mutieren<br />
Bahnhöfe zu umstrittenen Renditeobjekten.<br />
<strong>Münsters</strong> unendliche <strong>Bahnhof</strong>sgeschichte<br />
zeichnet ~-Autor Michael<br />
Heß nach.<br />
_Die Jahrzehnte lange Vorgeschichte für<br />
einen neuen <strong>Bahnhof</strong> ist hier nicht darstellbar.<br />
Beginnen wir mit dem scheinbaren<br />
Einbiegen auf die Zielgerade. Am<br />
24. Oktober 2007 entscheidet sich der<br />
Rat einst<strong>im</strong>mig für den Bauentwurf des<br />
Ettlinger Projektentwicklers TIMON. Nicht<br />
zum Zuge kommt nach harten Auseinandersetzungen<br />
das Essener Unternehmen<br />
MFI. Der entscheidende Unterschied<br />
besteht in der deutlich geringeren<br />
Fläche, die der TIMON-Entwurf für<br />
Einzelhandel vorsieht. Investoren, Politiker<br />
<strong>und</strong> Stadtverwaltung freuen sich<br />
mit Getöse, <strong>Münsters</strong> Einkaufszentrum<br />
mit Gleisanschluss rückt scheinbar in<br />
greifbare Nähe. Die Bagger könnten bestellt<br />
werden oder Münster habe 2010<br />
einen neuen <strong>Bahnhof</strong>, heißt es bei Stadt<br />
<strong>und</strong> Bahn opt<strong>im</strong>istisch. Weitere 12.000<br />
Quadratmeter Verkaufsfläche blühen<br />
der Stadt, das gesamte Finanzierungsvolumen<br />
erreicht 80 Millionen Euro <strong>und</strong><br />
von Finanzmarktkrise noch keine Spur.<br />
Hauptfinanzier neben der Bahn: die als<br />
äußerst solvent geltende Landesbank<br />
Baden-Württemberg LBBW.<br />
_Dabei waren von Anfang an die Verkaufsflächen<br />
der Knackpunkt des Konzeptes.<br />
Die private Investition ruft nach<br />
Rendite in einer Stadt, die r<strong>und</strong> um<br />
Münster-Arkaden <strong>und</strong> Stubengasse mit<br />
neuen Flächen bestens bestückt ist.<br />
Damit sich der <strong>Bahnhof</strong> rechnet, seien<br />
mindestens 30.000 Quadratmeter Verkaufsfläche<br />
nötig - so Branchenexperten.<br />
Also das Zweieinhalbfache der Planungen,<br />
für die TIMON den Zuschlag bekommt.<br />
Zum Vergleich bieten die Arkaden<br />
26.000 Quadratmeter, die Stubengasse<br />
9.400 <strong>und</strong> der jetzige <strong>Bahnhof</strong><br />
6.200. Es konnte einfach nicht<br />
klappen. „Der <strong>Bahnhof</strong> ist mausetot“,<br />
äußert ein Stadtplaner intern schon <strong>im</strong><br />
Herbst 2008.<br />
_Das absehbare Ende kommt auf leisen<br />
Sohlen. Im Spätsommer 2008 reduziert<br />
TIMON den Baukörper eigenmächtig um<br />
drei Etagen, da sich die dort vorgesehenen<br />
Büroflächen nicht mehr vermarkten<br />
lassen. Dafür wünscht TIMON mehr Verkaufsfläche.<br />
Die Stadt, den lokalen Einzelhandel<br />
<strong>im</strong> Nacken, antwortet: „Es<br />
gibt nichts zu verhandeln.“ Zeitgleich<br />
kündigt der damalige Bahnchef Mehdorn<br />
erste Bauarbeiten noch für dieses<br />
Jahr an. Die Gerüchteküche wabert <strong>und</strong><br />
die einsetzende Finanzmarktkrise tut<br />
ein übriges.<br />
_Denn der eigenmächtige Verzicht auf<br />
die Büroflächen durch TIMON ist gut begründet.<br />
Mit Schreiben vom 22. September<br />
2008 dankt die LBBW Stadtdirektor<br />
Schultheiß für die bisherige gute Zusammenarbeit,<br />
teilt kurz <strong>und</strong> knapp<br />
mit, „das Projekt...unter den gegenwärtigen<br />
Rahmenbedingungen nicht<br />
weiter zu verfolgen.“ Mit „gegenwärtigen<br />
Rahmenbedingungen“ sind steigende<br />
Kreditzinsen <strong>und</strong> Baupreise sowie<br />
sinkende Verkaufserlöse gemeint.<br />
Der eigentliche Skandal ist, dass sich<br />
die LBBW bereits zwei Monate zuvor, <strong>im</strong><br />
Juli 2008, von TIMON trennte. Dort hielt<br />
man es für nicht nötig, die Stadt Münster<br />
von der Entwicklung zu informieren.<br />
Fern von Münster, auf einem Immobilienkongress<br />
in München, äußern sich<br />
die Beteiligten zum neuen Sachstand.<br />
Erste Zweifel an der Seriosität des schwäbischen<br />
Projektentwicklers tauchen auf.<br />
Dessen Chef Günther Tetzner tönt indessen<br />
noch am 25. September 2008<br />
während eines Krisengipfels vor Ort, der<br />
LBBW-Ausstieg beeinträchtige das Projekt<br />
nicht. Das Problem ist einsichtig:<br />
Verkehrsanlagen (Bahn) <strong>und</strong> Empfangsgebäude<br />
(TIMON) können nur gemeinsam<br />
saniert bzw. neu gebaut werden.<br />
Isolierte Lösungen schaffen nur verbranntes<br />
Geld.<br />
_Das fortgesetzte Schielen auf die LBBW<br />
kann ebenso nichts mehr bringen. Eine<br />
Recherche bei der internationalen Wirtschaftsauskunftei<br />
Bloomberg offenbart<br />
zu diesem Zeitpunkt bis zu 45 Milliarden<br />
Dollar fauler Kredite, auf denen die LBBW<br />
sitzt. Kein W<strong>und</strong>er, wenn die Schwaben<br />
das Münsteraner Engagement abblasen.<br />
Es rechnet sich einfach nicht. Als die<br />
LBBW die Reißleine zieht, sind bereits<br />
300 Millionen Euro an Verlusten angehäuft.<br />
Und es ist sehr unwahrscheinlich,<br />
das sich die Situation mittelfristig<br />
zum Besseren wendet. Ohnehin seien<br />
die Finanzierungszusagen <strong>im</strong>mer nur<br />
Absichtserklärungen gewesen. Auf den<br />
Punkt bringt es die konservative Frankfurter<br />
Allgemeine am 22. November des<br />
vergangenen Jahres: „Unabhängig aber<br />
davon, welche Bilanzkosmetik man aufträgt,<br />
lässt es sich kaum länger schönreden:<br />
Auch die LBBW ist angeschlagen<br />
<strong>und</strong> arbeitet nach den Pleiten von Island<br />
<strong>und</strong> Lehmann mit Verlusten in hoher<br />
dreistelliger Millionenhöhe.“ In der<br />
Stuttgarter Katharinenstraße herrschen<br />
bis auf weiteres ganz andere Sorgen als<br />
am Münsteraner Pinzipalmarkt.<br />
_Der Ausstieg des Hauptfinanziers wirft<br />
zwangsläufig die Frage nach dem weiteren<br />
Prozedere auf. Mitte Januar 2009<br />
kündigt TIMON-Projektleiter Frank Köllner<br />
betont opt<strong>im</strong>istisch „Gespräche mit
drei Interessenten“ an, Namen werden<br />
trotz Nachfragen nicht genannt. Wenig<br />
überraschend, lösen sich diese „drei<br />
Interessenten“ auch wieder in Wohlgefallen<br />
auf. Möglich, es war erneut heiße<br />
Luft. TIMON hält die Öffentlichkeit jedenfalls<br />
weiterhin hin, die Deutsche Bahn<br />
stellt dafür <strong>im</strong> Februar TIMON den Stuhl<br />
vor die Tür. Als Gr<strong>und</strong> werden deutlich<br />
höhere Baukosten als bisher prognostiziert<br />
genannt. Es ist nach dem Ausstieg<br />
der LBBW sieben Monate zuvor der<br />
zweite Volltreffer auf das schillernde<br />
Vorhaben. Am 21. Februar prophezeit<br />
die <strong>Münsters</strong>che Zeitung nüchtern: „Die<br />
Sanierung ist vermutlich gescheitert.“<br />
Gleichwohl bekommt TIMON von der<br />
Bahn eine Gnadenfrist von vier Wochen<br />
für die Investorensuche. Mitte März tönt<br />
TIMON , ein „kapitalstarker Investor“ sei<br />
gef<strong>und</strong>en, wenn auch erneut kein Name<br />
genannt wird. Am 9. April klappt die<br />
Bahn endgültig das Kapitel TIMON zu<br />
<strong>und</strong> begräbt damit das <strong>Bahnhof</strong>sprojekt.<br />
„Die Zusammenarbeit ist beendet, das<br />
Projekt gescheitert“, heißt es lapidar<br />
aus Berlin. Das Desaster ist offenbar.<br />
_Die Lokalpolitik darf man vom Fehlschlag<br />
nicht freisprechen. Im Bestreben,<br />
sich <strong>im</strong> Superwahljahr zum Vater des<br />
Erfolges zu machen, überbieten sich<br />
<strong>Münsters</strong> Ratsparteien wechselseitig mit<br />
vorauseilenden Zusagen. Besonders dieser<br />
Erfolg soll viele Väter haben. Was<br />
dann auf der Ratssitzung am 7. Mai passiert,<br />
ist ein Lehrstück in Sachen Psychologie<br />
der Massen. Wer dabei war, hat<br />
erlebt, wie man sich gegenseitig besoffen<br />
reden kann. Ein Wort gibt das andere,<br />
man redet sich über Parteigrenzen<br />
in einen wahren Rausch <strong>und</strong> schwelgt<br />
in sich überbietenden <strong>Bahnhof</strong>sfantasien.<br />
Mittendrin kippt auch die UWG<br />
um, die noch am Vortag in der Lokalpresse<br />
städtische Gelder lieber in der<br />
Bildung <strong>und</strong> fürs Flicken maroder Strassen<br />
<strong>im</strong> Hansaviertel verwendet wissen<br />
wollte. Nur die LINKE bleibt standhaft<br />
<strong>und</strong> verwies auf die Pflichten der Eigentümerin<br />
Deutsche Bahn. Ungeachtet der<br />
schlechten Rahmenbedingungen wird<br />
der Beschlussvorlage V/0331/2008 fast<br />
einst<strong>im</strong>mig zugest<strong>im</strong>mt. Beschlossen<br />
wird, für die Sanierung des <strong>Bahnhof</strong>sgebäudes<br />
fünf Millionen Euro bereit zu<br />
stellen. Dafür sind schon geplante Sanierungen<br />
für Abwasserkanäle <strong>und</strong><br />
Strasßen in Handorf, in Mariental <strong>und</strong> in<br />
Roxel sowie <strong>im</strong> Hansaviertel aufzuschieben.<br />
Zur Erinnerung: Eigentümerin des<br />
<strong>Bahnhof</strong>sgebäudes ist die Deutsche<br />
Bahn <strong>und</strong> die strebt renditegetr<strong>im</strong>mt an<br />
die Börse.<br />
_Es ist schwierig, <strong>im</strong> Dickicht von Eigeninteressen,<br />
Prinzip Hoffnung <strong>und</strong> Wunschdenken<br />
das Wesen der Sache zu erkennen.<br />
Die Verfälschung beginnt schon bei<br />
der systematischen sprachlichen Übertreibung.<br />
„Marode“ sei der <strong>Bahnhof</strong>, so<br />
eine gängige Floskel. Eine Ruine stehe<br />
zwischen Berliner <strong>und</strong> Bremer Platz,<br />
nicht vorzeigbar - das sind noch die geringsten<br />
Bezeichnungen. Aber die ständigen<br />
Übertreibungen schaffen keine<br />
Fakten <strong>und</strong> „marode“ Bahnhöfe sehen<br />
anders aus. In der deutschen Provinz -<br />
in Ost wie West - kann man „marode“<br />
Bahnhöfe bestens studieren. Das sehr<br />
nahe Hiltrup gehört schon dazu. Der<br />
Hauptbahnhof hat unbestritten frische<br />
Farbe <strong>und</strong> einiges mehr nötig. „Marode“<br />
ist er deshalb noch lange nicht.<br />
_Falsche Aufgeregtheiten prägen auch<br />
die Debatte um die nicht vorhandenen<br />
Aufzüge <strong>und</strong> still gelegten Transportbänder<br />
fürs Gepäck. Die Aufzüge sind<br />
erst zu bauen <strong>und</strong> die Bänder wurden<br />
nach einem schweren Unfall <strong>im</strong> Kölner<br />
Hauptbahnhof still gelegt. Damit folgte<br />
das heftig kritisierte <strong>Bahnhof</strong>smanagement<br />
nur den gängigen Vorschriften. Es<br />
tat seine Pflicht, denn man stelle sich<br />
den Aufschrei vor, wenn an den weiterhin<br />
betriebenen Bändern ein erneuter<br />
Unfall passierte. Auf den Leserbriefseiten<br />
der Lokalpresse herrscht indes ein<br />
anderer Ton; das unsachliche „damit<br />
falle die Bahn in die Service-Wüste der<br />
Nachkriegsjahre zurück“ darf als Übertreibung<br />
des Jahres gelten. Kurzum, das<br />
<strong>Bahnhof</strong>smanagement gibt, eingeklemmt<br />
zwischen politisch instrumentalisierter<br />
Empörung <strong>und</strong> den Vorgaben seiner vorgesetzten<br />
Strukturen einmal mehr den<br />
Prügelknaben für Politik, Medien <strong>und</strong><br />
sch<strong>im</strong>pfwütige Bürger ab.<br />
_Dass in den <strong>Bahnhof</strong> lange Zeit nichts<br />
investiert wurde, st<strong>im</strong>mt als Aussage<br />
ebenso wenig. Seit 1985 wurden durch<br />
verschiedene öffentliche Finanziers,<br />
u.a. auch der Bahn, mehr als 52 Millionen<br />
Euro in <strong>und</strong> um den <strong>Bahnhof</strong> herum<br />
investiert. Der Ratsbeschluss vom 7.<br />
Mai packt weitere 5 Millionen Euro hinzu.<br />
Gelder flossen unter anderem in die<br />
Sanierung des ehemaligen DB-Direktionsgebäudes<br />
(11,1 Mio Euro), in den Bau<br />
der Fahrradstation (6,75 Mio Euro), in<br />
die Errichtung der 3-S-Zentrale <strong>im</strong><br />
Hauptgebäude (2,99 Mio Euro) oder in<br />
die Modernisierung der DB-Lokleitung<br />
(500.000 Euro). Eine detaillierte Auflistung<br />
dieser Investitionen umfasst 25<br />
Positionen.<br />
_Erstaunlich ist außerdem, wie konsequent<br />
sich die medialen <strong>und</strong> politischen<br />
Akteure <strong>Münsters</strong> dem entscheidenden<br />
Zusammenhang verweigern: Wer einen<br />
neuen <strong>Bahnhof</strong> (oder so gut wie neu)<br />
haben will, der braucht eine andere<br />
Bahn! Der braucht eine Bahn, deren<br />
höchste Priorität eben nicht der Gang<br />
an die Börse ist, wie seit zehn Jahren<br />
angestrebt. So unangenehm die Frage<br />
auch sein mag, steht sie <strong>im</strong> Raum <strong>und</strong><br />
harrt einer Antwort. Warum soll sich ein<br />
auf Gewinnmax<strong>im</strong>ierung getr<strong>im</strong>mtes<br />
privates Unternehmen mit Sitz am Potsdamer<br />
Platz in Berlin für die Belange<br />
einer 600 Kilometer entfernten Provinzstadt<br />
interessieren? Was kümmert es am<br />
Potsdamer Platz in Berlin, wie es am<br />
Berliner Platz in Münster aussieht? Von<br />
Münsteraner Lokalgrößen gebrauchte<br />
Begriffe wie „Stadtbild“ oder „Visitenkarte“<br />
vermögen den Vorstand der<br />
Deutschen Bahn nicht zu erwärmen.<br />
Der hat ganz anderes <strong>im</strong> Sinn, bei dem<br />
die Vokabel „Münster“ nur eine Störgröße<br />
bildet. Der Vorstand der Deutschen<br />
Bahn ist seinen Aktionären verpflichtet,<br />
nicht aber der Stadt Münster,<br />
die leider kein Aktionär der Bahn ist.<br />
Und noch konsequenter gefragt: Sind<br />
solche privaten Investitionen für Renditen<br />
<strong>im</strong> öffentlichen Raum, der der<br />
Daseinsvorsorge verpflichtet ist, überhaupt<br />
machbar?<br />
_Wie geht es nun weiter? Während auf<br />
Nebenschauplätzen wie Aufzug, Gepäckband<br />
<strong>und</strong> Co. heftig debattiert<br />
wird, herrscht zur Hauptsache beredtes<br />
Schweigen. Gesprächsanfragen bei der<br />
Bahn <strong>und</strong> bei der Stadtverwaltung verlaufen<br />
ergebnislos. Wohl keiner der Beteiligten<br />
in spe möchte sich zu weit aus<br />
dem Fenster lehnen. Erst recht nicht <strong>im</strong><br />
Dauerwahlkampf des Jahres 2009. Die<br />
Parteien stochern mit hilflosen Aussagen<br />
herum, wollen gar Bürger <strong>und</strong><br />
Banken <strong>und</strong> noch mehr als fünf Millionen<br />
ins Gelingen einbringen. Doch es<br />
gibt Fingerzeige auf eine bessere Zukunft<br />
jenseits aller Politkalküle. Der<br />
Umbau des Bochumer Hauptbahnhofes<br />
gehört dazu, der Leserbrief einer Münsteranerin<br />
in den WN vom 13. Mai 2009<br />
ebenfalls. Diese regt einen städtischen<br />
Ideenwettbewerb zur Sanierung unter<br />
Beibehaltung des jetzigen Charakters<br />
des Wiederaufbaus der 50er <strong>und</strong> 60er<br />
Jahre an. Es wäre nicht das Schlechteste:<br />
der <strong>Bahnhof</strong> als Denkmal aus besseren<br />
Tagen statt als Renditeobjekt. #<br />
7
8<br />
<strong>Interview</strong> | Text: Michael Heß <strong>und</strong> Sigi Nasner | Fotos: Sigi Nasner<br />
„Wir brauchen ein neues Politikmodell“<br />
<strong>Interview</strong> mit dem OB-Kandidaten <strong>und</strong> <strong>SPD</strong>-Ratsherren Wolfgang Heuer<br />
<strong>Münsters</strong> Rote haben es nicht leicht.<br />
Sie streiten beinhart für Erzieherinnen<br />
<strong>und</strong> für neue Gewerbegebiete <strong>und</strong> die<br />
Grünen sitzen ihnen <strong>im</strong> Nacken. Aber<br />
die <strong>SPD</strong>-Ratsfraktion gilt auch als pragmatische<br />
Opposition mit ernsthaftem<br />
Gestaltungsanspruch. Nach zehn Jahren<br />
in der Opposition rechnet man sich<br />
nun gute Chancen auf die Ratsmehrheit<br />
aus. Mit dem roten OB-Kandidaten<br />
Wolfgang Heuer unterhielten sich<br />
Michael Heß <strong>und</strong> Sigi Nasner.<br />
~: Herr Heuer, Sie sind vielleicht<br />
der nächste Oberbürgermeister der Stadt.<br />
Stellen Sie sich bitte einmal kurz vor.<br />
Wolfgang Heuer: Ich bin Jahrgang 1962<br />
<strong>und</strong> in Bad Neuenahr <strong>im</strong> Rheinland aufgewachsen.<br />
Studium der Politikwissenschaft<br />
<strong>und</strong> Soziologie in Marburg <strong>und</strong><br />
Münster, zunächst beschäftigt am Institut<br />
für Politikwissenschaft der Universität<br />
<strong>und</strong> danach Mitarbeiter bei der <strong>SPD</strong>-<br />
B<strong>und</strong>estagsfraktion. Seit 1998 arbeite<br />
ich in der Universitätsverwaltung <strong>und</strong><br />
bin heute zuständig für das Marketing<br />
der WWU. Ganz privat: Ich lebe mit meiner<br />
Partnerin <strong>im</strong> Kreuzviertel.<br />
~: Was treibt Sie denn auf den<br />
Gipfel der Kommunalpolitik?<br />
Wolfgang Heuer: Ich mache als Fraktionsvorsitzender<br />
der <strong>SPD</strong> nun <strong>im</strong> achten<br />
Jahr Politik an verantwortlicher Stelle<br />
<strong>und</strong> fühle mich Münster sehr verb<strong>und</strong>en.<br />
Das betrifft sowohl die Bürgerinnen<br />
<strong>und</strong> Bürger wie auch den Rat <strong>und</strong> die<br />
Stadtverwaltung. Ich möchte jetzt den<br />
nächsten Schritt tun <strong>und</strong> Oberbürgermeister<br />
unserer schönen Stadt werden.<br />
~: Ihr Konkurrent um das Amt, Markus<br />
Lewe, gilt als großer Moderator, während<br />
Sie die Dinge gerne auf den Punkt<br />
bringen. Handicap oder Vorteil für Sie?<br />
Wolfgang Heuer: Solche Klischees sollten<br />
Journalisten schon kritisch beleuchten.<br />
Denn beide Fähigkeiten sind wichtig<br />
<strong>im</strong> Amt eines Oberbürgermeisters.<br />
Richtig ist, dass ich die Dinge be<strong>im</strong><br />
Namen nenne.<br />
~: Wir haben verstanden. Ganz<br />
unbestritten ist aber Ihr rhetorisches Talent.<br />
Wo lernt man denn das?<br />
Wolfgang Heuer: Ich habe nie entsprechende<br />
Seminare besucht, das hat sich<br />
in der politischen Arbeit halt so ergeben.<br />
Danke für das Kompl<strong>im</strong>ent.<br />
~: Welche Politikfelder besetzen<br />
Sie <strong>im</strong> einzelnen?<br />
Wolfgang Heuer: Als Fraktionsvorsitzender<br />
bin ich in der Situation, zu jedem<br />
Thema Stellung nehmen zu können. Als<br />
Vorsitzender des Planungsausschusses<br />
besetze ich zwangsläufig die Schwerpunkte<br />
Stadtplanung <strong>und</strong> Standortentwicklung,<br />
aber auch die Frage der Finanzen.<br />
Letztlich sehe ich überall da,<br />
wo es um Existenzen in unserer Stadt<br />
geht, meine politische Kernverantwortung.<br />
~: Die <strong>SPD</strong> ist seit 1999 in der Opposition.<br />
Welche politischen Erfolge reklamiert<br />
die <strong>SPD</strong> dennoch für sich?<br />
Wolfgang Heuer: Ich möchte mich auf<br />
die letzte Wahlperiode seit 2004 beschränken.<br />
Es war hart genug, in der<br />
Opposition gewesen zu sein. Zu unseren<br />
Erfolgen zählen wir die Verhinderung<br />
eines Schulentwicklungsplanes, der sich<br />
ausschließlich an mathematischen Modellen<br />
der Raumnutzung orientierte.<br />
Kinder, Lehrer <strong>und</strong> Eltern kamen als Betroffene<br />
gar nicht vor. Auch die Frage<br />
der Schulbuchzuschüsse für Kinder aus<br />
einkommensschwachen Haushalten<br />
zähle ich zu unseren Erfolgen: Nach<br />
unserem entschiedenen Widerstand<br />
schwenkte die Ratsmehrheit um <strong>und</strong><br />
stellte die ursprünglich gestrichenen<br />
Zuschüsse doch wieder bereit. Eine ganz<br />
besonders bittere Niederlage war dagegen,<br />
dass wir 2007 die Art der Umstellung<br />
der Arbeitsverträge für Erzieherinnen<br />
auf den Tarifvertrag für den Öffentlichen<br />
Dienst TÖvD nicht verhindern<br />
konnten (den befristet beschäftigten<br />
Erzieherinnen wurde von der Stadt<br />
Münster nach altem BAT erst gekündigt,<br />
um sie nach 30 Tagen Arbeitslosigkeit<br />
nach neuem TÖvD zu deutlich schlechteren<br />
Konditionen wieder einzustellen -<br />
die Red.). Die Stadt Münster war eine<br />
der wenigen Städte, die zu diesem Mittel<br />
des Lohndumpings gegriffen hat.<br />
~: Liegt Ihnen noch die Unterstützung<br />
für die Musikhalle <strong>im</strong> Magen?<br />
Wolfgang Heuer: Nein, die Sache ist<br />
eindeutig entschieden <strong>und</strong> abgehakt. In<br />
Kenntnis des Ergebnisses ist heute klar,<br />
wie man unsere damalige Einschätzung<br />
bewerten muss.<br />
~: <strong>SPD</strong> <strong>und</strong> Grüne liegen in Münster<br />
beinahe gleichauf. Wie schätzen Sie<br />
das Verhältnis der <strong>SPD</strong> zum wahrscheinlichen<br />
Koalitionspartner Grüne ein? Was<br />
hat die <strong>SPD</strong> für deren Verzicht auf einen<br />
eigenen OB-Kandidaten zugestanden?<br />
Wolfgang Heuer: Zunächst ist unser Verhältnis<br />
zu Grün das zu einem normalen<br />
politischen Mitbewerber. Im Kern sehe<br />
ich aber ein zunehmend gutes Verhältnis.<br />
In manchen Fragen arbeiten wir eng<br />
zusammen, ich kann mir vorstellen,<br />
dass sich das noch weiter vertieft. Andererseits<br />
haben wir uns <strong>im</strong> Herbst 2008<br />
verständigt, den städtischen Anteil von<br />
ca. 40 Millionen Euro an dem <strong>im</strong> Bau<br />
befindlichen RWE-Steinkohlekraftwerk
in Hamm zu verkaufen. Das Geld wollen<br />
wir besser in die Stadtwerke Münster<br />
investieren, in ein kommunales Programm<br />
für Arbeitsplätze <strong>und</strong> nachhaltige Energiepolitik,<br />
um bezahlbare <strong>und</strong> erneuerbare<br />
Energie für die Bürger zu liefern.<br />
~: Sind Koalitionen mit anderen<br />
Parteien als Grün denkbar? Zum Beispiel<br />
mit den LINKEN?<br />
Wolfgang Heuer: Für mich ist eine Koalition<br />
mit der LINKEN aus heutiger Sicht<br />
nicht vorstellbar. Es handelt sich um<br />
eine neue Partei mit derzeit einem Ratsmandat<br />
<strong>und</strong> neuen Leuten auf der Ratsliste.<br />
Insgesamt muss man nach der<br />
Wahl sehen. Möglicherweise wird es<br />
wechselnde Mehrheiten <strong>im</strong> Rat geben,<br />
so wie jetzt schon in vielen anderen<br />
Städten.<br />
~: Tempol<strong>im</strong>it, <strong>Bahnhof</strong>, Ganztagsschulen<br />
- was sagt Ihre Partei zu<br />
diesen Projekten?<br />
Wolfgang Heuer: Experten weisen auf<br />
Unfallhäufungen an best<strong>im</strong>mten Strassenabschnitten<br />
aufgr<strong>und</strong> zu hoher Geschwindigkeiten<br />
hin. An diesen Stellen<br />
ist eine Absenkung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit<br />
erforderlich. Wir sind<br />
aber gegen eine Rasenmähermethode.<br />
Best<strong>im</strong>mte Straßen lassen auch weiterhin<br />
ein höheres Tempo zu, etwa Tempo<br />
70 auf der Umgehung. Der <strong>Bahnhof</strong> ist<br />
ein einziges Drama. Ich rechne aber damit,<br />
dass wir in der kommenden Wahlperiode<br />
mit bescheideneren Maßstäben<br />
als bisher eine Sanierung erleben werden.<br />
Der <strong>Bahnhof</strong>sumbau ist das wichtigste<br />
regionale Verkehrsprojekt <strong>und</strong> die<br />
kommunale Beteiligung an der Sanierung<br />
ist wohl weiterhin notwendig. Die<br />
Ganztagsschule ist für mich eines der<br />
herausragenden Themen in Münster. Wir<br />
sehen hier die Stadt in einer Kernver-<br />
antwortung, jedem Kind ein passendes<br />
Angebot zu machen. Außerdem müssen<br />
die Ganztagsangebote weiter professionalisiert<br />
<strong>und</strong> die Arbeitsbedingungen<br />
verbessert werden.<br />
~: Warum wird das Thema erst<br />
jetzt erkannt?<br />
Wolfgang Heuer: Das hat meines Erachtens<br />
mit einem veralteten Politikmodell<br />
zu tun. Dort waren nur die so genannten<br />
„harten Themen“ wie Finanzen,<br />
Stadtplanung <strong>und</strong> Verkehr wirklich wichtig.<br />
Bildung <strong>und</strong> Familie standen sehr<br />
lange Zeit am Rande, galten vielfach als<br />
„Gedöns“. Wir brauchen auch in Münster<br />
ein neues Politikmodell mit anderen<br />
Schwerpunkten. Die Ganztagsschule<br />
steht da ganz weit oben, ebenso Kinder<br />
<strong>und</strong> Frauen.<br />
~: Denkt die <strong>SPD</strong> auch an den Abbau<br />
des derzeitigen städtischen Schuldenberges<br />
von 750 Mio Euro?<br />
Wolfgang Heuer: Das ist eine der größten<br />
Herausforderungen der kommenden<br />
Wahlperioden. Beachten Sie bitte den<br />
Plural. Seit 1999 (Ende der rot-grünen<br />
Rathauskoalition - die Red.) hat sich der<br />
Schuldenberg fast verdoppelt. Das ist ein<br />
enormes Handicap für die Zukunft <strong>und</strong><br />
wie wir das meistern können, hängt leider<br />
wesentlich von Faktoren ab, die wir<br />
heute nicht vollständig einschätzen können,<br />
wie zum Beispiel die Wirtschaftsentwicklung<br />
<strong>und</strong> die Situation der städtischen<br />
Einnahmen.<br />
~: Ergeben sich daraus konkrete<br />
Schlussfolgerungen?<br />
Wolfgang Heuer: Neben klaren politischen<br />
Schwerpunkten <strong>und</strong> damit verb<strong>und</strong>enen<br />
Finanzentscheidungen müssen<br />
wir als Stadt auch zukünftig flexibel<br />
reagieren können. Es ist wenig überzeugend,<br />
in einer solchen Situation absolute<br />
Garantien für unveränderte Steuersätze<br />
auszusprechen.<br />
~: Welchen Stellenwert hat die<br />
Wirtschaftsförderung gegenüber Bürgerinteressen<br />
für die <strong>SPD</strong>? Stichworte<br />
Gewerbegebiet Amelsbüren <strong>und</strong> Zentrumserweiterung<br />
Kinderhaus?<br />
Wolfgang Heuer: Die Abwägung muss<br />
<strong>im</strong>mer <strong>im</strong> Einzelfall erfolgen. Münster<br />
braucht verkehrsgünstige Industrieflächen<br />
bei längerfristiger Flächenbevorratung<br />
<strong>im</strong> Sinne einer strategischen<br />
Stadtplanung. Der Beschluss pro Gewerbegebiet<br />
Amelsbüren ist für uns eine<br />
Entscheidung pro Münster <strong>und</strong> pro Arbeitsplätze.<br />
Bei der Zentrumserweiterung<br />
Kinderhaus muss der massive Bürgerprotest<br />
meines Erachtens Eingang<br />
finden in die Beschlussfassung des Rates.<br />
~: In den Außenbezirken ist Rot<br />
längst nicht so populär wie in der Innenstadt.<br />
Wie will die <strong>SPD</strong> diese Nuss<br />
knacken?<br />
Wolfgang Heuer: Das st<strong>im</strong>mt bislang.<br />
Aber die „ländlichen“ Wähler-Strukturen<br />
in den Außenbezirken sind in Auflösung<br />
begriffen, Stichwort Neubaugebiete.<br />
Es geht für uns darum, vor Ort<br />
bürgernah zu arbeiten <strong>und</strong> eine erkennbare<br />
sozialdemokratische Politik für die<br />
Außenstadtteile zu gestalten. Für viele<br />
9
10<br />
Bürger sind sie der Lebensmittelpunkt<br />
mit teilweise etwas anderen Interessenlagen<br />
als in der Innenstadt. Das haben<br />
wir in der politischen Arbeit zu beachten.<br />
~: <strong>Münsters</strong> Rote verfügen über<br />
charismatisches Führungspersonal<br />
(neben Wolfgang Heuer auch Svenja<br />
Schulze, Dr. Michael Jung <strong>und</strong> Christoph<br />
Strässer - die Red.) <strong>und</strong> sie gelten als<br />
vergleichsweise links. Dennoch Angst vor<br />
der LINKEN?<br />
Wolfgang Heuer: Angst ist keine Kategorie<br />
meiner politischen Arbeit.<br />
~: Was bedeutet „soziale Stadt“<br />
für die <strong>SPD</strong>?<br />
Wolfgang Heuer: Das F<strong>und</strong>ament unserer<br />
Politik. Es gilt der Gr<strong>und</strong>satz, über<br />
eine gerechte Politik möglichst vielen<br />
Bürgern Teilhabe zu ermöglichen. Dieser<br />
Gr<strong>und</strong>satz ist <strong>im</strong> Rat in den letzten zehn<br />
Jahren leider in den Hintergr<strong>und</strong> getreten,<br />
das will ich ändern.<br />
~: Die <strong>SPD</strong> befürwortet doch best<strong>im</strong>mt<br />
die Wiedereinführung des Münsterpasses?<br />
Wolfgang Heuer: Ganz klares Ja.<br />
~: Was soll der neue Münsterpass<br />
an Leistungen enthalten?<br />
Wolfgang Heuer: Der Münsterpass wird<br />
interessant durch die konkrete Ausgestaltung.<br />
Er soll Menschen mit geringem<br />
Einkommen durch verbilligte oder kostenlose<br />
Angebote wieder in das kommunale<br />
Leben einbeziehen. Was kostenlos<br />
<strong>und</strong> was vergünstigt angeboten<br />
werden kann, hängt unter anderem von<br />
der Haushaltslage der Stadt ab. Bäder,<br />
Diese Seite wurde gesponsert von Zoodirektor Jörg Adler<br />
Theater, Zoo <strong>und</strong> Nahverkehr sind die<br />
wichtigen Bereiche, um die es vor allem<br />
gehen wird.<br />
~: Unsere Standardfrage: Was<br />
möchte die <strong>SPD</strong> wohnungslosen Menschen<br />
in den nächsten fünf Jahren Gutes<br />
tun?<br />
Wolfgang Heuer: Die gut funktionierenden<br />
Hilfsangebote in der Stadt sind auszubauen<br />
<strong>und</strong> vor neuen „Rödl-Rädern“<br />
zu schützen. Damit aber erst niemand<br />
seine Wohnung verliert, sind auch in der<br />
Wohnungspolitik neue Akzente zu setzen.<br />
Der soziale Wohnungsbau ist in der<br />
neuen Wahlperiode deutlich zu verstärken<br />
<strong>und</strong> auch Einfachwohnungen - wie<br />
z.B. an der Grevener Straße - müssen<br />
erhalten bleiben. Kurz, unter anderem<br />
müssen wir kostengünstige Wohnungen<br />
schaffen, um Wohnungslosigkeit zu vermeiden.<br />
~: Wie viele Prozente <strong>und</strong><br />
Mandate möchte die <strong>SPD</strong> bei der<br />
Kommunalwahl gewinnen?<br />
Wolfgang Heuer: Wir wollen das<br />
Ergebnis von 2004 ausbauen. Ganz<br />
vorne soll eine Drei stehen, das wären<br />
ca. 25 Ratssitze oder mehr.<br />
~: Als möglicher Nachfolger noch<br />
ein Wort zu Ihrem Vorgänger Dr. Tillmann?<br />
Wolfgang Heuer: Ich schätze <strong>und</strong> respektiere<br />
ihn als fairen politischen Gegner.<br />
Er steht aber auch für eine sozial<br />
unausgewogene Politik <strong>im</strong> Rathaus. Hier<br />
werde ich künftig andere Inhalte setzen.<br />
~: Ganz herzlichen Dank für das<br />
interessante Gespräch <strong>und</strong> alles Gute für<br />
die <strong>SPD</strong> in den kommenden Wahlen. #
Satire | Text: Roberto J. De Lapuente<br />
Ein greises Nervenbündel<br />
Die Kunst des politischen Erinnerns<br />
Pünktlich zum Geburtstag dieses Landes,<br />
nun da die Republik einen Stock benötigt,<br />
um die Tonnenlast eines langen Lebens<br />
noch abstützen zu können, waschen<br />
die überschwänglichen Gratulanten<br />
den Lebensinhalt des Jubilars rein.<br />
Damals, <strong>im</strong> jugendlichen Alter, die BRD<br />
hatte gerade die Volljährigkeit überschritten,<br />
ließ man sich <strong>im</strong> jugendlichen<br />
Eifer zu Gewalt <strong>und</strong> Engstirnigkeit hinreißen,<br />
machte das Geburtstagskind<br />
Fehler, wie sie jeder zuweilen in jungen<br />
Jahren macht. Doch wie es so ist, wenn<br />
man alt wird, sent<strong>im</strong>ental zurückblickt,<br />
Revue passieren lassen will, schämt<br />
man sich seiner frühen Schandtaten,<br />
will das später so würdevoll begangene<br />
Leben nicht durch Schmutzflecke der<br />
einstigen Sturm- <strong>und</strong> Drangzeit, der<br />
einstigen Lotterzeit verunreinigt sehen.<br />
_Und siehe da, an der Geburtstagstafel<br />
sitzen liebevolle Fre<strong>und</strong>e, Menschen,<br />
die der BRD nahe stehen <strong>und</strong> nur das<br />
Beste für den Jubilar wollen, deswegen<br />
frühere Schattenseiten des einstigen<br />
Jünglings kaschieren, wenn man sie<br />
schon nicht ganz beseitigen kann. So<br />
wie viele Menschen dazu neigen, einen<br />
erbarmungslosen Streit mit Eltern, Fre<strong>und</strong>en<br />
oder der damaligen Fre<strong>und</strong>in umzudeuten,<br />
alle Schuld bei dem Kontrahenten<br />
zu plazieren, damit das damalige<br />
Schreien, Kratzen, Schlagen, dieser<br />
peinliche Akt <strong>im</strong> Jugendalter, wenigstens<br />
ein wenig erträglich auf den gealterten,<br />
nun souverän gewordenen Menschen<br />
wirkt, die damalige Schuld des<br />
jungen Naiven keinen Anstoß zur Diskussion<br />
mehr erregt, die Scham über<br />
kopflose Äußerungen oder ungestüme<br />
Ohrfeigen in eine berechtigte Handlung<br />
umschlägt, so wie sich zuweilen Menschen<br />
ihre Vergangenheit zurecht lügen,<br />
so baut sich die BRD eine neue Vergangenheit,<br />
für die sie sich nicht mehr zu<br />
genieren braucht.<br />
_Seitdem man lesen musste, dass der<br />
Ohnesorg-Mörder Kurras ein Mitarbeiter<br />
der Staatssicherheit war, so las man es<br />
jedenfalls zwischen den Zeilen, ist der<br />
Mord <strong>und</strong> alles, was an Verschärfung des<br />
damaligen Gesellschaftskonflikts folgte,<br />
kein Fehlverhalten des Geburtstagskindes<br />
mehr, sondern eine Intrige des<br />
schon verstorbenen Bruders. Zwischen<br />
den Zeilen - wie gesagt. Aber ganz frei<br />
von der Seele weg, äußert sich Springers<br />
Widerling Tiedje dazu, ganz ungeniert<br />
schreibt er, was andere unsichtbar zwischen<br />
ihre Sätze klemmen: „Massendemos,<br />
Unruhen <strong>und</strong> brennende Barrikaden,<br />
ja selbst der Tod von Rudi Dutschke<br />
haben ihren Ursprung direkt <strong>im</strong> Einfluss<strong>und</strong><br />
Auftragsbereich von Erich Mielke,<br />
dem Stasi-Minister der SED (heute Linkspartei).<br />
[...] Auch mit Kampagnen wie<br />
„Enteignet Springer!“ lagen sie falsch.“<br />
Hier soll gar nicht erst daran gezweifelt<br />
werden, ob die Birthler-Behörde wirklich<br />
stichhaltige Beweise hat, dass Kurras<br />
Stasi-IM war. Die hatte Birthler schon <strong>im</strong><br />
Falle Wallraffs, was aber kein Gericht<br />
dieses Landes je anerkannte.<br />
_Der Bruder hat das eigene Leben versaut,<br />
selbst war man <strong>im</strong>mer ein feiner<br />
Kerl, hat sich <strong>im</strong>mer vollkommen moralisch<br />
verhalten. Den Radikalenerlass haben<br />
wir Honecker zu verdanken, die Abhöraktionen<br />
in Stammhe<strong>im</strong>, als man Gespräche<br />
zwischen Mandanten <strong>und</strong> Anwälten<br />
abhörte, sind ein Produkt Mielkes<br />
<strong>und</strong>, was der BILD besonders stinkt, die<br />
Verantwortung für die verbrannten BILD-<br />
Ausgaben, die umgeworfenen, in Brand<br />
gesetzten Auslieferungsfahrzeuge, sind<br />
allesamt Ost-Berlin zuzuschreiben. Ja,<br />
das Geburtstagskind hat ein schweres<br />
Leben hinter sich, war <strong>im</strong>mer versucht,<br />
auch wirklich ein moralisches Leben zu<br />
führen, ein christliches Leben, in dem<br />
fromm gehandelt wurde, das aber vom<br />
exzessiven Bruder <strong>im</strong>mer gestört <strong>und</strong><br />
auf die Bahnen des Teufels gelenkt wurde.<br />
Der setzte einem zu, machte das<br />
eigene Dasein zu einer unmoralischen<br />
Hölle, so sehr, dass man noch heute an<br />
psychischen Spätschäden leidet, dass<br />
man noch <strong>im</strong>mer seelisch zerrüttet <strong>und</strong><br />
zerfressen ist, <strong>im</strong>mer noch <strong>im</strong> Hass auf<br />
das verstorbene Familienmitglied zurückblickt,<br />
<strong>im</strong>mer noch Beißreflexe<br />
zeigt, wenn man den Namen des Bruders<br />
auch nur erwähnt. Die in die Jahre<br />
gekommene Republik ist nervenkrank,<br />
gezeichnet von einem langen Leben, in<br />
dem man <strong>im</strong>mer unschuldig schuldig<br />
gesprochen wurde, obwohl es der Bruder<br />
mit geröteten Pausbäckchen war,<br />
der die Untaten vollbrachte. Diese zur<br />
Schuld gewordene Unschuld muss<br />
einem Gemüt einfach Schäden zufügen.<br />
_Wir sollten Rücksicht auf den alten<br />
Mann nehmen, sollten nicht zu arg mit<br />
dem greisen (es wird gemunkelt, das<br />
Geburtstagskind sei viel älter, nicht erst<br />
sechs Jahrzehnte alt, sondern mindestens<br />
Jahrgang 1933) Jubilaren umspringen,<br />
ihm nicht frech den Stock wegziehen.<br />
Das Leben hat ihm schwer zugesetzt,<br />
seine Nerven angegriffen, so sehr,<br />
dass eine Art geistige Verwirrtheit herauskam.<br />
Man muss nur ins Land hineinschauen,<br />
Selektionsdebatten von Ärzten<br />
in einer demokratischen Republik, Sterilisationsvorschläge<br />
innerhalb eines Sozial-<br />
<strong>und</strong> Rechtsstaates, ein bestätigter<br />
Sparkassendirektor als B<strong>und</strong>espräsident<br />
<strong>und</strong> soziales Gewissen des Landes, obwohl<br />
er mitverantwortlich für den Sozialabbau<br />
war, Rentenkassen ausbluten<br />
ließ! Wer könnte da noch leugnen, dass<br />
die BRD schwer krank ist, ein Nervenbündel<br />
mit schizophrenen Anwandlungen?<br />
Wer w<strong>und</strong>ert sich da, dass um die<br />
Festtafel nur Bekannte aus der Irrenanstalt<br />
sitzen? Bekannte, die Lobreden<br />
halten, den bösen Bruder verteufeln<br />
<strong>und</strong> ihre Republik, diese Republik, die<br />
so gut zu ihnen war, weil sie darin verdienen,<br />
ausbeuten <strong>und</strong> verhetzen durften,<br />
ohne dass man sie bestraft hat, als<br />
Paradies auf Erden darstellen; Bekannte,<br />
die täglich an die gummierten Wände<br />
ihres Obdachs stoßen <strong>und</strong> Missstände<br />
als Zustände, Betrügereien als Vernunft,<br />
Rückschritt als Fortschritt verkaufen.<br />
Der Jubilar <strong>und</strong> seine elitären Gäste,<br />
in Feierlaune, sich auf die Schulter<br />
klopfend, fressend, saufend, Musik hörend,<br />
während die gefeierten Zustände<br />
<strong>im</strong>mer mehr schwinden, aus der res publica<br />
eine Sache der Eliten <strong>und</strong> aus dem<br />
Gr<strong>und</strong>gesetz mehr <strong>und</strong> mehr ein Stück<br />
Exponat für ein Museum wird.<br />
_Ein langes Leben hinterlässt nun mal<br />
seine Spuren, der Senior scheint <strong>im</strong>mer<br />
mehr in Phantasiewelten abzugleiten...#<br />
11
12<br />
<strong>Interview</strong> | Text: Michael Heß <strong>und</strong> Sigi Nasner | Fotos: Sigi Nasner<br />
„Die Sprache der Münsteraner sprechen“<br />
<strong>Interview</strong> mit Markus Lewe, Bezirksbürgermeister <strong>und</strong> OB-Kandidat der <strong>CDU</strong><br />
Münster <strong>und</strong> <strong>CDU</strong> - dieses politische<br />
Paar ist, wenn auch mit Unterbrechungen,<br />
reif für die Eiserne Hochzeit.<br />
Ob es soweit kommt, entscheidet sich<br />
bei der Kommunalwahl am 30 August.<br />
Gr<strong>und</strong> genug für Schwarz, mit frischen<br />
Ideen <strong>und</strong> neuem Personal für eine<br />
weltoffene Kontinuität zu werben.<br />
Michael Heß <strong>und</strong> Sigi Nasner tranken<br />
mit dem schwarzen OB-Kandidaten<br />
Markus Lewe mehr als nur einen Kaffee<br />
<strong>und</strong> erlebten eine bemerkenswerte<br />
Bereitschaft, sich dem Wandel in der<br />
Stadt aktiv zu stellen.<br />
_~: Herr Lewe, Sie wollen mit Dr.<br />
Berthold Tillmann einen sehr beliebten<br />
Kommunalpolitiker als OB beerben? Wer<br />
ist der Mensch Markus Lewe?<br />
Markus Lewe: Berthold Tillmann hat<br />
nach zwei Amtsperioden als direkt gewählter<br />
Oberbürgermeister auf eine weitere<br />
Wiederwahl aus freien Stücken verzichtet.<br />
Daraufhin hat sich der Mensch<br />
Markus Lewe mit seinen Stärken <strong>und</strong><br />
Schwächen beworben. Ich bin 44 Jahre<br />
alt, verheiratet <strong>und</strong> Vater von fünf Kindern.<br />
Ich arbeite ich als Leiter Controlling<br />
be<strong>im</strong> Bistum. Seit zehn Jahren bin<br />
ich Bezirksbürgermeister <strong>im</strong> Stadtbezirk<br />
Südost (Angelmodde, Gremmendorf,<br />
Wolbeck - die Red.) <strong>und</strong> seit einigen<br />
Jahren auch Kreisvorsitzender der <strong>CDU</strong>.<br />
Ach so, ein begeisterter Fahrradfahrer<br />
bin ich außerdem!<br />
~: Im Vorfeld der Nominierung<br />
gab es einige Aufregung um Ihre Kandidatur.<br />
Was gab dann doch deutlich den<br />
Ausschlag zu Ihren Gunsten gegenüber<br />
Karl Jansen?<br />
Markus Lewe: Politik muss wieder leidenschaftlich<br />
werden. Es gab einen normalen<br />
innerparteilichen Wettbewerb,<br />
bei dem die große Mehrheit der <strong>CDU</strong>-<br />
Mitglieder mich zum Oberbürgermeisterkandidaten<br />
gewählt hat. Für meine Nominierung<br />
mit fast 1.500 Teilnehmern<br />
mussten wir <strong>im</strong> Hafen sogar ein Zelt aufbauen,<br />
weil kein verfügbarer Tagungsraum<br />
in Münster groß genug war.<br />
~: Was reizt Sie denn an der von<br />
Kleinkariertheit nicht <strong>im</strong>mer freien Lokalpolitik?<br />
Markus Lewe: Sie von Kleinkariertheit zu<br />
befreien. Ich glaube auch nicht, dass die<br />
vermeintlich große Politik davon freier<br />
wäre. In der Kommunalpolitik merkt<br />
man noch selber, was man macht, <strong>und</strong><br />
kennt viele, für die man sich einsetzt.<br />
~: Welche politischen Themen liegen<br />
Ihnen besonders?<br />
Markus Lewe: Das ist die Stadtentwicklung.<br />
Münster hat für mich das Zeug für<br />
die europäische Champions League, die<br />
vielen Preise der vergangenen Jahre zeigen<br />
es. Es geht um nachhaltiges Wachstum<br />
in einer offenen, toleranten Stadt.<br />
Es geht aber auch um unsere Kinder,<br />
deren Zukunft wir in unserer Gegenwart<br />
nicht verfrühstücken dürfen. Mir liegt<br />
mir alles am Herzen, was den menschlichen<br />
<strong>und</strong> sozialen Zusammenhalt in<br />
unserer Stadt stärkt.<br />
~: Zur Zeit sind Sie noch Bezirksbürgermeister<br />
<strong>im</strong> Stadtbezirk Südost.<br />
Dort gelten Sie als hervorragender Moderator<br />
mit Problemorientierung. Wird das<br />
auf der gesamtstädtischen Bühne genügen?<br />
Markus Lewe: Wichtig ist die Fähigkeiten,<br />
zuhören zu können, unterschiedliche<br />
Interessen auszugleichen <strong>und</strong> Entscheidungen<br />
zu treffen, wenn die Zeit<br />
reif ist.<br />
~: Sie treten in der OB-Wahl<br />
gegen Wolfgang Heuer an. Als redegewaltiger<br />
Fraktionsvorsitzender der <strong>SPD</strong><br />
verfügt er über langjährige Erfahrungen<br />
<strong>im</strong> Rat. Wie wollen Sie das kompensieren?<br />
Markus Lewe: Reden ist Silber, Handeln<br />
ist Gold. Ich bin alles andere als ein Apparatschik.<br />
Für mich findet Kommunalpolitik<br />
nicht vorrangig <strong>im</strong> Rathaus statt,<br />
sondern mit den Bürgerinnen <strong>und</strong> Bür-<br />
gern <strong>Münsters</strong>. So mache ich das in Angelmodde,<br />
Gremmendorf <strong>und</strong> Wolbeck<br />
<strong>und</strong> so geht das auch in ganz Münster.<br />
~: Welche Erfolge seit 2004 heftet<br />
sich die <strong>CDU</strong> ans Revers? Und welche<br />
Misserfolge liegen Ihnen besonders <strong>im</strong><br />
Magen?<br />
Markus Lewe: Wir sind die Welthauptstadt<br />
der Balance mit hervorragenden<br />
Werten bei der Stadtentwicklung. Dafür<br />
stehen die Titel als lebenswerteste Stadt<br />
der Welt, als Kl<strong>im</strong>ahauptstadt, als Fahrradstadt,<br />
die guten sozialen Kennzahlen.<br />
Alle wichtigen Parameter befinden<br />
sich in der Balance. Als konkretes Beispiel<br />
nenne ich die Wahlfreiheit für Eltern<br />
bei den vielen Betreuungsangeboten<br />
für Kinder. So ist Münster bei der<br />
u3-Betreuung führend in NRW. Unterm<br />
Strich haben wir alle Wahlversprechen<br />
gehalten. Münster ist eine der tollsten<br />
Städte, die es gibt. Das ist mit der <strong>CDU</strong><br />
erreicht worden, die seit vielen Jahren<br />
die maßgebliche politische Kraft <strong>Münsters</strong><br />
ist. Als Misserfolg bewerte ich ohne<br />
Wenn <strong>und</strong> Aber die mangelnde Sensibilität<br />
in manchen Bereichen. So war es<br />
nicht klug, vor zwei Jahren Erzieherinnen<br />
befristet zu kündigen <strong>und</strong> danach<br />
zu schlechteren Bedingungen wieder<br />
einzustellen. Das darf nicht wieder passieren.<br />
Vor allem müssen wir in Münster<br />
aufpassen, dass wir die Lorbeeren nicht<br />
an der falschen Stelle tragen <strong>und</strong> uns<br />
satt <strong>und</strong> selbstgerecht darauf ausruhen.<br />
~: Unterstellt, die Wahlen bestätigen<br />
die schwarz-gelbe Koalition. Was<br />
wollen sie in den kommenden fünf Jahren<br />
erreichen?<br />
Markus Lewe: Es sind ja drei Wahlen:<br />
die zum OB, die für den Rat <strong>und</strong> die für<br />
die Bezirksvertretungen. Als Oberbürgermeister<br />
möchte ich weiterhin Arbeitsplätze<br />
stabilisieren <strong>und</strong> eine starke<br />
Wirtschaft fördern. Reichliche Gewerbesteuereinnahmen<br />
werden zu Ausgaben<br />
der Stadt. Münster soll daneben nachhaltig<br />
werden als Ökohauptstadt <strong>und</strong> es<br />
soll eine Stadt für Kinder werden. Ich
will den Zusammenhalt in der Stadt<br />
stärken, gerade jetzt in der Krise, die<br />
nicht so rasch vorübergehen wird.<br />
~: Was schätzen Sie am Koalitionspartner<br />
FDP <strong>und</strong> was war der Preis für<br />
deren Verzicht auf eine gelbe OB-Kandidatin?<br />
Markus Lewe: Ich schätze ihre Beständigkeit<br />
<strong>und</strong> Zuverlässigkeit. <strong>CDU</strong> <strong>und</strong> FDP<br />
sind faire <strong>und</strong> verlässliche Partner. Auf<br />
der anderen Seite steht ein Linksbündnis<br />
mit einer verzweifelten <strong>SPD</strong>, einer<br />
grünen Partei, die fast schon stärker<br />
<strong>und</strong> mit Sicherheit frischer ist als die<br />
<strong>SPD</strong>, <strong>und</strong> einer Linken, die noch nicht<br />
einmal ein Wahlprogramm hat. Die<br />
Linkstruppe ist sich ja noch nicht einmal<br />
in der Opposition einig.<br />
~: Sind Koalitionen mit anderen<br />
Parteien als der FDP realistisch?<br />
Markus Lewe: Nein.<br />
~: Tempol<strong>im</strong>it, <strong>Bahnhof</strong>, Ganztagsschulen<br />
- was sagt Ihre Partei zu<br />
diesen Projekten?<br />
Markus Lewe: Die ganze Stadt hat ein<br />
Tempol<strong>im</strong>it, Tempo 70 ist Ausnahme. Die<br />
L<strong>im</strong>its festzulegen ist laufendes Verwaltungsgeschäft<br />
<strong>und</strong> keine politische Frage.<br />
Überhaupt müssen wir wieder mehr<br />
unterscheiden zwischen Politik <strong>im</strong> Rat<br />
<strong>und</strong> laufender Verwaltung. Und wir<br />
müssen dabei die Sprache der Münsteraner<br />
reden <strong>und</strong> kein Politsprech. Der<br />
<strong>Bahnhof</strong> ist ein Top-Projekt <strong>und</strong> eine<br />
Visitenkarte für Münster. Es ist ein Trauerspiel,<br />
dass hier so wenig passiert.<br />
Be<strong>im</strong> <strong>Bahnhof</strong> muss die Bahn endlich in<br />
die Strümpfe kommen. Wir Münsteraner<br />
wollen nicht weiter vertröstet werden.<br />
Ganztagsschulen sind ein wichtiges<br />
Thema <strong>und</strong> sie müssen in beiden Formen<br />
(offene <strong>und</strong> geb<strong>und</strong>ene Ganztagsschule<br />
- die Red.) bedarfsgerecht ausgebaut<br />
<strong>und</strong> inhaltlich weiter entwickelt<br />
werden. Das Thema zeigt ganz besonders<br />
deutlich, dass Politik auch mit Gefühlen<br />
zu tun hat <strong>und</strong> nicht nur mit<br />
harten betriebswirtschaftlichen Kriterien.<br />
~: Wie will die <strong>CDU</strong> bei einem<br />
weiter zunehmenden Schuldenberg von<br />
750 Mio Euro die drohende Haushaltssperre<br />
verhindern?<br />
Markus Lewe: Ich mache keine großen<br />
Versprechungen, verweise aber auch auf<br />
die reiche kulturelle <strong>und</strong> soziale Szene<br />
<strong>Münsters</strong>. Das ist ein echtes Alleinstellungsmerkmal<br />
zu anderen Städten. Wir<br />
sind in NRW eine von zwei Großstädten,<br />
die noch nicht unter finanzieller Fuchtel<br />
der Kommunalaufsicht mit Haushaltssicherung<br />
steht. Das haben wir durch<br />
solide Politik geschafft, das muss so<br />
bleiben. Und das erreichen wir sicher<br />
nicht dadurch, dass wir jedem alles versprechen.<br />
Maßlosigkeit ist die Ursache<br />
der Finanz- <strong>und</strong> Wirtschaftskrise. Maßlose<br />
Ausgabenpolitik ist auch nichts anderes<br />
als der Sieg der Gier übers Hirn.<br />
~: Die <strong>CDU</strong> steht als größte Partei<br />
in Münster ganz besonders zwischen<br />
Bürger- <strong>und</strong> Investoreninteressen. Kann<br />
die <strong>CDU</strong> diesen Spagat dauerhaft bewältigen?<br />
Markus Lewe: Wir sind die Partei, die<br />
dafür sorgt, dass Investoren sich für<br />
Münster interessieren <strong>und</strong> nicht abgeschreckt<br />
werden. Wir können gar nicht<br />
genug Interessenten haben, die in<br />
Münster investieren wollen. Das nützt<br />
allen <strong>und</strong> ist sozial. Das muss den Bürgern<br />
aber <strong>im</strong> Detail erläutert werden,<br />
Projekte erklären sich nicht von selbst.<br />
Viele Menschen haben nichts gegen die<br />
Projekte, sondern gegen den Stil der<br />
Kommunikation. Das Wohnen am Wasser<br />
<strong>im</strong> Hafen oder die Gartenstadt auf<br />
dem alten Güterbahnhof sind für mich<br />
künftige Projekte, die nur gemeinsam<br />
mit Investoren <strong>und</strong> nur mit Zust<strong>im</strong>mung<br />
der Bürger realisiert werden können.<br />
~: Ein anderes strategisches<br />
Problem für die <strong>CDU</strong> ist die deutliche<br />
Diskrepanz zwischen Innenstadt <strong>und</strong><br />
ländlichen Außenbezirken bei den<br />
Wahlergebnissen. Ohne Innenstadt geht<br />
auf Dauer <strong>im</strong>mer weniger. Wie will die<br />
<strong>CDU</strong> die mehrheitlich rot-grüne Innenstadt<br />
„zurückerobern“?<br />
Markus Lewe: Die Unterschiede werden<br />
sich auf Dauer nivellieren, der Prozess<br />
läuft schon. Auch hier geht es wieder<br />
um die Balance zwischen Angeboten<br />
<strong>und</strong> Interessen der großstädtisch geprägten<br />
Innenstadt <strong>und</strong> den mehr dörflich<br />
geprägten Vororten. Wir haben in<br />
der Innenstadt eine Reihe junger Frauen<br />
<strong>und</strong> Männer als Kandidaten für Rat <strong>und</strong><br />
Bezirksvertretung, da sehen die anderen<br />
ziemlich alt gegen aus.<br />
~: <strong>Münsters</strong> <strong>CDU</strong> ist geprägt vom<br />
Geist der katholischen Soziallehre. Was<br />
unterscheidet die <strong>CDU</strong> denn vom sozialen<br />
Anspruch der LINKEN?<br />
Anzeige<br />
13
14<br />
Markus Lewe: Wir bauen nicht auf Sozialneid<br />
<strong>und</strong> Klassenkampf. Und wir versprechen<br />
nur, was wir halten. So bemühe<br />
ich mich seit einem Jahr vergeblich,<br />
konkrete Aussagen zu kommunalpolitischen<br />
Zielen der LINKEN zu erhalten.<br />
~: Machen wir die Probe aufs Exempel.<br />
Wie sieht für die <strong>CDU</strong> eine „soziale“<br />
Stadt aus?<br />
Markus Lewe: Eine soziale Stadt ist für<br />
uns geprägt durch das Subsidaritätsprinzip.<br />
Also Menschen helfen, damit sie<br />
sich selbständig helfen können statt auf<br />
andere angewiesen zu sein. Vor allem<br />
möchten wir Kinder in sicheren Verhältnissen<br />
aufwachsen lassen <strong>und</strong> soziale<br />
Stabilität auch für kommende Generationen<br />
sichern. Es geht schließlich auch<br />
darum, soziale Nischen zu erkennen <strong>und</strong><br />
zu gestalten.<br />
~: Steht für die <strong>CDU</strong> die Wiedereinführung<br />
des Münsterpasses zur Debatte?<br />
Markus Lewe: Es gab nach dem Ende<br />
von Rot-Grün 1999 gute Gründe für den<br />
Abschied vom Münsterpass. Heute wollen<br />
wir vernünftige Regelungen vor allem<br />
für Kinder schaffen wie die geplante<br />
KiM-Card (Kinder in Münster - die Red.)<br />
Hierbei übern<strong>im</strong>mt die Stadt für Kinder<br />
aus sozial schwachen Familien die Beiträge<br />
für Sportvereine. Neben der Ernährung<br />
spielt gerade Bewegung eine zentrale<br />
Rolle für das Wohl von Kindern.<br />
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~: Unsere Standardfrage: Was<br />
möchte die <strong>CDU</strong> wohnungslosen Menschen<br />
in den nächsten fünf Jahren Gutes tun?<br />
Markus Lewe: Es geht bei diesem Thema<br />
ganz besonders um Menschenwürde.<br />
Wir müssen sehen, dass über die bestehenden<br />
Hilfsangebote hinaus jeder ein<br />
Obdach bekommt. Das werden wir über<br />
einen bedarfsgerechten sozialen Wohnungsbau<br />
auch schaffen. Preiswerter<br />
Wohnraum für Familien darf dabei nicht<br />
vergessen werden.<br />
~: Liebäugeln Sie noch mit einer,<br />
wenn auch anders konzipierten Musikhalle?<br />
Markus Lewe: Das Thema ist durch.<br />
~: Welche Ergebnisse (Prozente,<br />
Mandate) strebt die <strong>CDU</strong> bei der Kommunalwahl<br />
an?<br />
Markus Lewe: Eine handlungsfähige<br />
bürgerliche Mehrheit gegen Links. Das<br />
bedeutet 40 Prozent plus X oder ca. 30<br />
Ratssitze (derzeit 27 Sitze - die Red.).<br />
~: Als möglicher Nachfolger noch<br />
ein Wort zu Ihrem Vorgänger Dr. Tillmann?<br />
Markus Lewe: Es ist schade, dass er geht.<br />
Als Mensch <strong>und</strong> Politiker ist er absolut<br />
sympathisch <strong>und</strong> hat Münster in den<br />
letzten Jahren nach vorn gebracht.<br />
~: Vielen Dank für das kurzweilige<br />
Gespräch <strong>und</strong> für die folgenden Wahlen<br />
wünschen wir Ihnen <strong>und</strong> der <strong>CDU</strong> viel<br />
Erfolg.<br />
Markus Lewe: Die Münsteraner nehmen<br />
Sie hoffentlich be<strong>im</strong> Wort. #<br />
In unserer Reihe „Parteien zu<br />
den Kommunalwahlen“ wurden<br />
<strong>im</strong> Heft 03/09 bereits DIE LINKE,<br />
<strong>im</strong> Heft 05/09 die UWG <strong>und</strong> <strong>im</strong><br />
Heft 06/09 die FDP <strong>und</strong> die GAL<br />
vorgestellt.
Bericht | Text: Ingo Giesen | Foto: www.seelenfleck.de<br />
Rohstoffe für die Welt<br />
Gerechtere Ressourcenverteilung längst überfällig<br />
Unser auf die Industrienationen ausgerichtetes,<br />
kapitalistisches Wirtschaftssystem<br />
ist auf Gewinnmax<strong>im</strong>ierung<br />
<strong>und</strong> Wachstum ausgerichtet. Ob dabei<br />
einzelne Menschen oder auch ganze<br />
Völker auf der Strecke bleiben, das<br />
spielt für jene, die für die Geld- <strong>und</strong><br />
Rohstoffverteilung dieser Welt verantwortlich<br />
sind, meist nur eine untergeordnete<br />
Rolle. Ingo Giesen hat sich<br />
eingehender mit diesem Thema auseinandergesetzt.<br />
_Die so genannten 'Entwicklungsländer'<br />
haben keine Wahl, sie stecken in der<br />
Schuldenspirale. Sie müssen einen Großteil<br />
ihrer Exporteinnahmen für den Schuldendienst<br />
aufbringen. Noch wie zu Kolonialzeiten<br />
exportieren sie deswegen<br />
nachwachsende Rohstoffe wie Kaffee,<br />
Kakao <strong>und</strong> Baumwolle oder Bodenschätze<br />
zur Weiterverarbeitung in die<br />
Industrienationen <strong>und</strong> haben trotzdem<br />
kaum eine reelle Chance ihre Schulden<br />
jemals abzuzahlen. Zum einen liegt die<br />
größte Gewinnspanne bei der Herstellung<br />
von Endprodukten <strong>im</strong> Bereich der<br />
Weiterverarbeitung ,des Weiterverkaufs<br />
<strong>und</strong> des Verkaufs,an den Verbraucher<br />
<strong>und</strong> von diesen Prozessen sind die Rohstoff<br />
exportierenden Länder weiterhin<br />
ausgeschlossen, zum anderen müssen<br />
diese Staaten es hinnehmen, dass die<br />
reichen Länder die Preise für die Rohstoffe,<br />
sei es durch Subventionierung<br />
der eigenen unrentablen Rohstoffproduzenten,<br />
sei es durch andere marktpolitische<br />
Tricks <strong>und</strong> Strukturen, zu drükken<br />
suchen. Angesichts ihrer exponentiell<br />
steigenden Verschuldung seit den<br />
1960/70 Jahren müssen die Länder des<br />
Südens <strong>im</strong>mer mehr exportieren, um an<br />
die für den Schuldendienst erforderlichen<br />
Devisen heranzukommen. Sie spezialisieren<br />
sich oft auf zwei oder drei<br />
Gr<strong>und</strong>stoffe, von denen sie <strong>im</strong> hohen<br />
Maße abhängig werden <strong>und</strong> verstoßen<br />
so gegen das Prinzip der Diversifikation.<br />
Zudem machen sich die Rohstoff exportierenden<br />
Länder häufig gegenseitig<br />
Konkurrenz, was die Kurse für die Exporte<br />
dramatisch einbrechen lässt. Dieser<br />
fatale Sachverhalt spielt eine entscheidende<br />
Rolle bei der Schuldenkrise<br />
der so genannten Dritten Welt, was den<br />
Kapitaleignern <strong>und</strong> den multinationalen<br />
Unternehmen hilft, den Weltmarkt weiterhin<br />
uneingeschränkt zu beherrschen.<br />
Diese so genannten Strukturanpassungsprogramme,<br />
die man den überschuldeten<br />
Ländern seit über 25 Jahren aufzwingt,<br />
haben deren Abhängigkeit von<br />
den Gr<strong>und</strong>stoffen <strong>und</strong> ihre wirtschaftliche<br />
Verw<strong>und</strong>barkeit weiter erhöht. Die<br />
Zerschlagung der internationalen Abkommen<br />
zur Preisregulierung von Rohstoffen<br />
wie Kaffee, Zinn oder Kautschuk<br />
tat ein übriges. Dass die Konferenz der<br />
Welthandelsorganisation WTO <strong>im</strong> September<br />
2003 <strong>im</strong> mexikanischen Cancun<br />
scheiterte, liegt jedoch an den überhöhten<br />
Agrarsubventionen der USA <strong>und</strong><br />
der EU, namentlich für Baumwolle, Zukker<br />
<strong>und</strong> Fleisch. Aufgr<strong>und</strong> der enormen<br />
Summen, mit denen die USA ihren he<strong>im</strong>ischen<br />
Baumwollanbau subventioniert<br />
(knapp 4 Milliarden Dollar <strong>im</strong> Jahr),<br />
sind sie der größte Baumwollexporteur<br />
der Welt. Und dies, obwohl die Herstellung<br />
pro Pf<strong>und</strong> in Barkina Faso nach<br />
Angaben des International Advisory<br />
Comitee 0,21 Dollar kostet gegenüber<br />
0,73 Dollar in den USA.<br />
_Die Bevölkerung der ärmeren Regionen<br />
bekommen die Folgen unmittelbar zu<br />
spüren. Im westafrikanischen Benin<br />
führte der Verfall der Baumwollpreise<br />
(2001 sanken sie um 35 % ) dazu, dass<br />
weitere 4 % der Bevölkerung unter die<br />
Armutsgrenze rutschten. Im September<br />
2000 haben alle UNO-Mitglieder gemeinsam<br />
beschlossen, extreme Armut<br />
<strong>und</strong> Hunger zu bekämpfen. Bis zum Jahr<br />
2015 sollte der Anteil der Menschen, die<br />
Hunger leiden, halbiert werden. Inzwischen<br />
ist aber absehbar, dass dieses<br />
Ziel, vor allem in Afrika, nicht erreicht<br />
werden kann, obwohl heute mehr <strong>und</strong><br />
viel billigere Nahrungsmittel produziert<br />
werden als jemals zuvor. In den 'Entwicklungsländern'<br />
kommen jedes Jahr mehr<br />
als 20 Millionen Kinder mit Untergewicht<br />
auf die Welt <strong>und</strong> jedes dritte Kind<br />
hat in Folge von chronischer Unterernährung<br />
als irreversibel eingestufte<br />
Wachstumsstörungen. Die Welternährungsorganisation<br />
FAL stellt fest: Die<br />
Hungersnöte haben in den letzten Jahrzehnten<br />
zugenommen <strong>und</strong> zwar von<br />
durchschnittlich 15 pro Jahr in den<br />
1980er Jahren auf mehr als 30 um die<br />
Jahrtausendwende. Von dieser Zunahme<br />
sind vor allem die Länder Afrikas betroffen,<br />
wo sich die durchschnittliche Anzahl<br />
der Hungersnöte pro Jahr fast verdreifacht<br />
hat. Die Ausrichtung an neoliberalen<br />
Wirtschaftskonzepten, wie sie<br />
von Internationalen Währungsfonds (IWF)<br />
<strong>und</strong> der Weltbank mit Zust<strong>im</strong>mung der<br />
jeweiligen Regierungen der Länder<br />
durchgesetzt worden ist, ist in hohem<br />
Maß mitverantwortlich für den Rückgang<br />
der Nahrungsmittelsicherheit. Der Sicherheitsrat<br />
der Vereinten Nationen <strong>und</strong> der<br />
Nationale Sicherheitsrat der Vereinigten<br />
Staaten haben bereits darauf hingewiesen,<br />
dass die prekäre Ernährungslage in<br />
einer Reihe von Ländern, vor allem in<br />
Afrika, die politische Stabilität gefährden<br />
<strong>und</strong> somit den Interessen der USA zuwiderlaufen<br />
könnten.<br />
_Zusätzlich zu dieser Rohstoff-, Schulden-<br />
<strong>und</strong> Ernährungskrise werden die<br />
Menschen in den ärmeren Regionen<br />
auch noch von Krankheiten bedroht.<br />
Aids tötet jeden Tag 8000 Menschen,<br />
meistens junge Erwachsene, 3000 Kinder<br />
sterben täglich an Malaria, 6000 an<br />
Tuberkulose. Diese drei schl<strong>im</strong>msten<br />
Epidemien fordern zusammen jedes<br />
Jahr etwa 6 Millionen Todesopfer, insbesondere<br />
<strong>im</strong> subsaharischen Afrika.<br />
Und viele dieser Krankheiten befinden<br />
sich permanent auf dem Vormarsch.<br />
Dabei wäre das Geld für eine massive<br />
Hilfskampagne durchaus vorhanden,<br />
wenn man bedenkt, dass der Krieg <strong>im</strong><br />
Irak allein <strong>im</strong> Zeitraum von 2002 bis<br />
2005 etwa 250 Milliarden Dollar verschlungen<br />
hat. Dieser Betrag würde<br />
ausreichen, die medizinische Versorgung<br />
der Entwicklungsländer für sechs<br />
Jahre sicherzustellen.<br />
_Der Fall des Eisernen Vorhangs, das<br />
Ende des „realexistierenden Sozialismus“,<br />
markiert einen Wendepunkt in<br />
der Geschichte. Unter den seither entwickelten<br />
Theorien zu Zukunft der Welt<br />
erregte die vom Zusammenprall der Kulturen<br />
die meiste Aufmerksamkeit. Sie<br />
liefert die Rechtfertigung für eine Wiederkehr<br />
einer offen <strong>im</strong>perialistischen<br />
Rhetorik. #<br />
15
16<br />
Bericht | Text: Silke Fluchtmann | Foto: privat<br />
Dharma-Punx<br />
Der Weg zur inneren Rebellion<br />
Der Wunsch nach einem Sinn <strong>im</strong> Leben,<br />
nach Transzendenz ist das höchste<br />
<strong>und</strong> zugleich das am schwierigsten<br />
zu befriedigende Bedürfnis des Menschen.<br />
Denn viele Wege führen zu<br />
einem solch großen Gehe<strong>im</strong>nis. Punk<br />
sein <strong>und</strong> dem Weg Buddhas folgen,<br />
wie kann das zusammengehen <strong>und</strong><br />
sogar zu umgesetztem Handeln führen?<br />
Silke Fluchtmann berichtet über<br />
den Vater der Dharma-Punx-Bewegung,<br />
Noah Levine, <strong>und</strong> seine Idee von<br />
einem erfüllten Leben.<br />
_Was macht einen Punk aus? Irokesenschnitt,<br />
bunte Haare <strong>und</strong> Punk-Musik?<br />
Lange Haare machen auch keinen Hippie<br />
<strong>und</strong> ein Schafspelz noch lange kein<br />
Schaf. Im Ursprungsland der Punkbewegung,<br />
den USA, war sie vor allem eine<br />
Reaktion auf die Hippiebewegung. Sie<br />
sah in den Hippies Menschen, die zwar<br />
vom Frieden schwadronierten, aber<br />
nicht wirklich was änderten. Punks vertraten<br />
eine desillusionierte Position<br />
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<strong>und</strong> rebellierten offen gegen die Werte<br />
der Gesellschaft <strong>und</strong> das politische Establishment.<br />
_Einer von ihnen ist Noah Levine, Sohn<br />
des bekannten Meditationslehrers <strong>und</strong><br />
Traumaforschers Stephen Levine. Noah<br />
stellte sich schon früh gegen seinen Vater,<br />
der für ihn zur Hippie-Kultur gehörte.<br />
Er suchte auf der Straße bei der<br />
Punk-Rock-Bewegung den Halt, den er<br />
<strong>im</strong> elterlichen Haus nicht fand. Diese<br />
Rebellion gab ihm zunächst Kraft, doch<br />
verfehlte sie ihr Ziel. Er geriet in den<br />
Drogenstrudel <strong>und</strong> stürzte schließlich<br />
gänzlich ab. Beschaffungskr<strong>im</strong>inalität<br />
<strong>und</strong> Jugendarrestanstalt gingen Hand in<br />
Hand. Nach einem Selbstmordversuch<br />
begann er schließlich in einer 'Gummizelle'<br />
nach Anweisung seines Vaters zu<br />
meditieren. Nach <strong>und</strong> nach fand er so<br />
die Kraft, sich selber aus seiner Sucht<br />
<strong>und</strong> seinem kr<strong>im</strong>inellen Lebenswandel<br />
herausziehen.<br />
_Deshalb wandte sich intensiver den<br />
Lehren des Buddhismus zu. Von Buddha<br />
las er, dass er „gegen den Strom“ erwachte,<br />
die Illusionen des Daseins<br />
durchschaute, die Anhaftung an best<strong>im</strong>mte<br />
Werte <strong>und</strong> Bedürfniserfüllungen<br />
abstreifte. Noah erkannte für sich,<br />
dass diese buddhistische Gr<strong>und</strong>erfahrung<br />
einen Weg der inneren Rebellion<br />
beschrieb, in der er die Rebellion des<br />
Punk-Rock auf konstruktivem Wege leben<br />
kann. Ein Weg, der es möglich<br />
macht, sich erst einmal <strong>im</strong> eigenen Inneren<br />
zu verändern <strong>und</strong> in diesem Geist<br />
eine Revolution zu beginnen, die Tatsächliches<br />
bewirkt.<br />
_Welche Kräfte dies mobilisiert, kann<br />
jeder erfahren, der sich darauf einlässt.<br />
Zunächst einmal wird man allerdings<br />
bemerken, wie viele unruhige Gedanken<br />
<strong>im</strong> eigenen Kopf umherschwirren.<br />
Mit zunehmender Übung in der Meditationspraxis<br />
wird man dann gewahr,<br />
dass, wenn man alles in Ruhe betrachtet<br />
<strong>und</strong> dankbar wieder gehen lässt,<br />
sich allmählich eine gewisse Klarheit,<br />
ein tief empf<strong>und</strong>ene, innere Ruhe einstellt.<br />
_Noah ist schließlich wie <strong>und</strong> trotz seines<br />
Vater Meditationslehrer geworden<br />
<strong>und</strong> hat aus der Auseinandersetzung mit<br />
den Lehren Buddhas, aber auch aus seinem<br />
unbedingten Zugehörigkeitsgefühl<br />
zum Punk die Dharma-Punx-Bewegung<br />
ins Leben gerufen.<br />
_Dharma-Punx fühlen sich <strong>im</strong> weitesten<br />
Sinne der Punkrock-, Hardcore- oder<br />
alternativen Szene verb<strong>und</strong>en <strong>und</strong> haben<br />
gleichzeitig ein Interesse am Dharma,<br />
dem Verfolgen der buddhistischen<br />
Lebensweise, an Meditation <strong>und</strong> Revolution<br />
<strong>im</strong> eigenen Geist. In Amerika, wo<br />
Noah lebt <strong>und</strong> sich auch sozial engagiert,<br />
geht er in die Jugendarrestanstalten<br />
<strong>und</strong> bringt den Jugendlichen dort<br />
Meditation nahe. Außerdem gibt er regelmäßig<br />
Meditationskurse <strong>und</strong> reist<br />
zuweilen auch in andere Teile der Erde,<br />
um dort seinen Weg zu unterrichten.<br />
_2010 kommt er nach Deutschland,<br />
wann <strong>und</strong> wo steht noch nicht genau<br />
fest. Noahs Motto lautet: Against hatred,<br />
against greed, against the stream<br />
(Gegen Hass, gegen Gier, gegen den<br />
Strom). #<br />
Am 5. <strong>und</strong> 6. September 2009 findet<br />
in Neuss ein Dharma-Punx-Festival<br />
statt. Dies ist sehr günstig <strong>und</strong> unter<br />
www.dharmapunx.de <strong>im</strong> Internet<br />
kann man Programm <strong>und</strong> Veranstaltungsadresse<br />
finden. Es ist das erste<br />
seiner Art in Deutschland <strong>und</strong> zeigt<br />
den Dokumentationsfilm „Meditate<br />
and destroy“ von Sarah Fisher über<br />
den Weg Noahs. Dharma-Punx sind<br />
in Deutschland noch nicht organisiert,<br />
besitzen aber (s.o.) schon eine<br />
Webseite <strong>und</strong> sind froh über Mithilfe.<br />
Wer sich für Noahs abenteuerlichen<br />
Werdegang näher interessiert, kann<br />
das Buch „Dharma-Punk-Trips, Drogen<br />
<strong>und</strong> die Suche nach dem Sinn<br />
des Lebens“, <strong>im</strong> Goldmann Verlag erschienen,<br />
lesen. Ein weiteres Buch<br />
von ihm heißt „Hardcore-Zen“, ist<br />
allerdings nur englischsprachig<br />
erhältlich.
Bericht | Text: Patricia Gallagher | Foto: Patricia Gallagher<br />
Streetworker in Münster<br />
Kontaktangebot am <strong>Bahnhof</strong><br />
Dem einen oder anderen ist der Bulli<br />
mit dem Wolf als Kennzeichen montags<br />
vor dem Hauptbahnhof der Stadt Münster<br />
best<strong>im</strong>mt schon mal ins Auge gesprungen.<br />
Es handelt sich um ein niederschwelliges<br />
Kontaktangebot der<br />
Streetwork Münster, die nun schon seit<br />
1991 Jugendliche unterstützt, die auf<br />
der Straße leben. Patricia Gallagher<br />
sprach mit den SozialarbeiterInnen<br />
Petra Schlickbernd, Christoph Cramer<br />
<strong>und</strong> Stefan Scholz.<br />
~: Hallo erstmal, stellt euch doch<br />
kurz unseren Lesern vor.<br />
Streetwork: Mein Name ist Christoph<br />
Cramer, ich bin 40 Jahre alt, Diplom-<br />
Sozialpädagoge <strong>und</strong> seit fünf Jahren bei<br />
der Streetwork. Meine Schwerpunkte<br />
sind: aufsuchende Arbeit, soziale Gruppenarbeit<br />
<strong>und</strong> natürlich Einzelberatung.<br />
Mein Name ist Petra Schlickbernd, ich<br />
bin 40 Jahre alt, Diplom-Sozialarbeiterin<br />
<strong>und</strong> seit neun Jahren dabei, meine<br />
Schwerpunkte sind - als einzige Frau<br />
der Hauptangestellten - die Mädchenbzw.<br />
Frauenarbeit, aber natürlich mache<br />
ich auch aufsuchende Arbeit, soziale<br />
Gruppenarbeit <strong>und</strong> Einzelberatung.<br />
Mein Name ist Stefan Scholz, ich bin 41<br />
Jahre alt, seit vier Jahren in der Streetwork<br />
<strong>und</strong> habe die Teamleitung inne.<br />
Dadurch ist mein Schwerpunkt neben<br />
dem Tagesgeschäft der aufsuchenden<br />
Arbeit <strong>und</strong> der Einzelfallhilfe auch der<br />
ganze administrative Teil der Arbeit.<br />
~: Könnt ihr das Konzept der Streetwork<br />
mit ein paar Worten unseren Lesern<br />
vorstellen?<br />
Stefan: Wir sind eine Einrichtung der<br />
Stadt Münster, des Amtes für Kinder, Jugendliche<br />
<strong>und</strong> Familien, Abteilung Kinder<br />
<strong>und</strong> Jugendarbeit/Jugendsozialarbeit.<br />
Wir bieten für Jugendliche zwischen<br />
14 <strong>und</strong> 27 Jahren Hilfe in allen Lebenslagen.<br />
Schwerpunkt sind Jugendliche mit<br />
dem Lebensmittelpunkt Straße. Wir haben<br />
einen so genannten Schutzauftrag.<br />
Das heißt wir sorgen präventiv dafür,<br />
dass Jugendliche nicht in eine so genannte<br />
„Drogenszene“ abrutschen <strong>und</strong><br />
dadurch vielleicht eine schwere Abhängigkeit<br />
von legalen oder illegalen Drogen<br />
entwickeln. Der Zugang ist freiwillig<br />
<strong>und</strong> anonym <strong>und</strong> wir machen auch nur<br />
das, was der K<strong>und</strong>e* vorgibt. Wir bieten<br />
Alternativen <strong>und</strong> verschiedene Lösungswege.<br />
Den Weg geht aber der K<strong>und</strong>e<br />
selbst.<br />
~: Könntet ihr denn den Lesern<br />
noch etwas zu den Angeboten erzählen?<br />
Stefan: Die stehen sozusagen auf drei<br />
Säulen: aufsuchende Arbeit, die sogenannte<br />
„Gehstruktur“, offene Angebote<br />
in der Einrichtung, die so genannte<br />
„Kommstruktur“. Diese beiden Angebot<br />
dienen der unverbindlichen Kontaktaufnahme.<br />
Die dritte Säule ist, die Beratung<br />
<strong>und</strong> Einzellfallhilfe, die durch unsere<br />
starke Vernetzung mit anderen Institutionen,<br />
den K<strong>und</strong>en die Türen leichter<br />
öffnet, in dem wir vermittelnd tätig<br />
sind. Desweiteren haben wir noch<br />
stadtteilbezogene Angebote <strong>und</strong> wohnortnahe<br />
soziale Gruppenangebote für<br />
Jugendliche bis 21 Jahre.<br />
Christoph: Allen Angeboten ist gemeinsam:<br />
Sie dauern in der Regel zwei St<strong>und</strong>en<br />
<strong>und</strong> haben einen thematischen<br />
Schwerpunkt (siehe Kasten). Und sie<br />
sprechen für sich, sind selbsterklärend.<br />
~: Habt ihr denn seit Bestehen<br />
signifikante Unterschiede in der Besucherzahl<br />
wahrgenommen?<br />
Stefan: Die Besucherzahlen waren in<br />
den letzten Jahren zwar rückläufig, da<br />
die Szene nicht mehr so groß ist. Ich<br />
möchte aber direkt daran anschließen,<br />
dass die Problemlagen komplexer geworden<br />
sind <strong>und</strong> die Intensität der Beratung<br />
bzw. Betreuung zugenommen<br />
hat. Kurz: Quantitativ sind es weniger<br />
Personen geworden, die aber qualitativ<br />
einen viel intensiveren Einsatz fordern.<br />
Aktuell zeichnet sich wieder ein Anstieg<br />
der K<strong>und</strong>enzahl ab.<br />
Petra: Wir müssen den Einzelnen auch<br />
häufig über recht lange Zeiträume betreuen.<br />
~: Also hat sich etwas in der Arbeit<br />
verändert, haben sich eure K<strong>und</strong>en<br />
verändert?<br />
Christoph: Ich erlebe unsere K<strong>und</strong>en so<br />
ein bißchen wie die große Politik: Sie<br />
haben ganz viele Probleme <strong>und</strong> sie haben<br />
die Hoffnung <strong>und</strong> den Glauben,<br />
durch „Dort-ein-wenig-Ändern-<strong>und</strong>da-ein-wenig-Nachjustieren“<br />
sofort alle<br />
Probleme lösen zu können. Und genau<br />
mit dieser Intention kommen sie zu<br />
uns. Die große Herausforderung ist, erst<br />
eine Struktur zu schaffen, damit unsere<br />
K<strong>und</strong>en auch tatsächlich anfangen können<br />
etwas zu ändern, mit ihnen <strong>im</strong>mer<br />
wieder zurückzukehren <strong>und</strong> zu schauen,<br />
wo derjenige denn nun steht.<br />
Petra: Damit man überhaupt anfangen<br />
kann zu arbeiten, muss erstmal eine<br />
Einsicht erfolgen <strong>und</strong> zugleich eine Versachlichung<br />
der Situation. Es muss <strong>im</strong>mer<br />
wieder vermittelt werden zwischen<br />
Mitarbeitern z.B. der ARGE, weil sich<br />
unsere K<strong>und</strong>en persönlich angegriffen<br />
fühlen. Und wir setzen uns für den<br />
sachlichen Kontext ein, der einfach erklärt<br />
werden muss. Dadurch leisten wir<br />
oft die nicht geleistete Elternarbeit.<br />
~: Welche Gründe sind für die<br />
Veränderungen - neben der gesteigerten<br />
Intensität - in den letzten Jahren<br />
verantwortlich?<br />
Petra: Eine Veränderung der Klientengruppe<br />
ging einher durch die Schliessung des<br />
„Masy“, des Mädchen Sleep-In, <strong>und</strong> dem<br />
Wegfall seiner Angebote vor zwei Jahren.<br />
Das daraufhin eingerichtete Mädchenfrühstück<br />
wird inzwischen recht gut angenommen.<br />
Außerdem hat sich die<br />
qualifizierte Sprechst<strong>und</strong>e von Frau Dr.<br />
Schwarte, gezielt für junge Mädchen <strong>und</strong><br />
Frauen, sehr gut etabliert. Bei diesen offenen<br />
Angeboten ist der Mädchenanteil<br />
sogar um 10% zum Vorjahr gestiegen.<br />
Christoph: Durch die Ablösung der Punks<br />
vor vier/fünf Jahren, die in den Neunzigern<br />
so mit 17 Jahren eingestiegen waren,<br />
hat sich der Altersdurchschnitt<br />
mittlerweile auf 21 Jahre eingependelt.<br />
17
18<br />
Auch hat die Hartz IV-Gesetzgebung <strong>und</strong><br />
die Verschärfung durch die Unter 25 Jahre-Regelung<br />
eine Änderung des Bedarfs<br />
miteinhergebracht. Zuvor war es für<br />
junge Menschen einfacher an Geld zu<br />
kommen. Die Mitwirkungspflicht ist mit<br />
der noch vor ca. fünf Jahren bestehenden<br />
Mithilfe nicht zu vergleichen. Die<br />
Jugendlichen sollen - <strong>und</strong> das ist meine<br />
Meinung - funktionieren, wie sich das<br />
die ARGE vorstellt.<br />
~: Könnt ihr den Eindruck bestätigen,<br />
dass durch den erhöhten Stresslevel<br />
bzw. die schrumpfenden finanziellen<br />
Mittel von Eltern, Kinder <strong>und</strong> Jugendliche<br />
zunehmend zu euren Klienten<br />
werden?<br />
Stefan: Nein, weil unsere K<strong>und</strong>en nicht<br />
nur aus Familien kommen, die an der<br />
Armutsgrenze leben, sondern auch aus<br />
sogenanntem „guten Hause“ stammen<br />
<strong>und</strong> doch ganz ähnliche Problemlagen<br />
haben. Sie kommen mit ihren Eltern<br />
nicht zurecht, da das Wertesystem der<br />
Eltern mit ihrem eigenen kollidiert. Das<br />
ist einer der Hauptgründe, warum Jugendliche<br />
hier landen.<br />
Petra: Das „Nicht-mehr-Verstehen“, die<br />
Eskalation der Situation ist unabhängig<br />
von gesellschaftlichen Schichten, Geldeinnahmen,<br />
Bildung, etc.<br />
~ Sind psychische Erkrankungen<br />
der Jugendlichen verstärkt ein Thema<br />
für euch? Wie geht ihr damit um?<br />
Stefan: Allgemein ist ein Anstieg von<br />
psychosozialen Auffälligkeiten zu bemerken.<br />
Wir hatten <strong>im</strong> letzten Jahr alleine<br />
vier Jugendliche, die wir in Therapie<br />
bzw. in die LWL-Klinik begleitet haben.<br />
Durch Teamarbeit, Austausch untereinander<br />
<strong>und</strong> mit anderen Einrichtungen<br />
Anzeige<br />
lernen wir, wie wir mit best<strong>im</strong>mten Situationen<br />
umgehen können, welche Institutionen<br />
dem K<strong>und</strong>en helfen können.<br />
Das Thema „psychosoziale Auffälligkeiten“<br />
spiegelt sich auch in verschiedenen<br />
Facharbeitskreisen wider.<br />
Petra: Durch die Einzelfallhilfe lernen<br />
wir <strong>im</strong>mer wieder Kolleginnen <strong>und</strong> Kollegen<br />
kennen, die <strong>im</strong> psychiatrischen<br />
Bereich arbeiten, dadurch besteht ein<br />
Informationsnetz, an das wir anknüpfen<br />
können. Auffälligkeiten psychosozialer<br />
Art gehören einfach zu unserem Arbeitsalltag.<br />
~: Welche Überschneidungen gibt<br />
es zu anderen Einrichtungen? Mit welchen<br />
Einrichtungen arbeitet ihr zusammen?<br />
Christoph: Ich scheue mich davor, von<br />
„Zusammenarbeit“ zu sprechen, da das<br />
aus K<strong>und</strong>ensicht so wirkt, als würden wir<br />
hinter dem Rücken ohne Kenntnis unseres<br />
K<strong>und</strong>en mit jemandem zusammenarbeiten.<br />
DAS TUN WIR NICHT! Gleichwohl<br />
haben wir Kontakt zu fast allen Hilfeeinrichtungen<br />
<strong>und</strong> Netzwerken geknüpft.<br />
Damit man mal schnell <strong>und</strong> vor<br />
allem unbürokratisch Hilfen installieren<br />
oder Informationen bekommen kann.<br />
Stefan: Um das Netzwerk bzw. die Kontakte<br />
zu pflegen, besuchen wir ver-<br />
schiedene Gremien. Dadurch können<br />
wir sicher stellen, dass uns die Ansprechpartner<br />
kennen, wir Tendenzen in<br />
der Stadt mitbekommen <strong>und</strong> ein Austausch<br />
sachdienlicher Informationen<br />
(z.B. kommunalpolitische Veränderung)<br />
stattfinden kann.<br />
~: Was würdet ihr euch für die<br />
Zukunft wünschen?<br />
Petra: Dass es weitergeht mit uns <strong>und</strong><br />
wir nicht Opfer von Kürzungen werden.<br />
Stefan: Na, dass es <strong>im</strong> Sinne unserer<br />
K<strong>und</strong>en weitergeht <strong>und</strong> mir meine Kollegen<br />
erhalten bleiben.<br />
* K<strong>und</strong>e wird bei der Streetwork anstatt<br />
Klient genutzt, da „K<strong>und</strong>e“ als ein Auftraggeber-<br />
auch für die Dienstleistung<br />
der Streetworker verstanden wird. #<br />
Wer mehr über die Geschichte <strong>und</strong><br />
Angebote der Streetwork erfahren<br />
möchte:<br />
Streetwork<br />
Hafenstraße 43<br />
48153 Münster<br />
Sprechzeiten:<br />
Di 9.00 - 12.00 Uhr - Do 15.00 -<br />
18.00 Uhr <strong>und</strong> nach Vereinbarung<br />
Tel. 02 51/4 92-58 60<br />
Fax 02 51/4 92-79 07<br />
E-Mail:<br />
streetwork@stadt-muenster.de<br />
http://www.muenster.de/stadt/street<br />
work<br />
Die offenen Angebote auf einen Blick:<br />
montags: 15.00 - 17.00 Uhr<br />
Streetworkmobil vor dem Hbf<br />
dienstags: 9.00 - 12.00 Uhr offenes<br />
Frühstücksangebot <strong>und</strong> Sprechzeit<br />
mittwochs: 14.30 - 16.30 Uhr<br />
Wohnungs- <strong>und</strong> Jobsucheangebot<br />
donnerstags: 15.00 - 18.00 Uhr offenes<br />
Caféangebot <strong>und</strong> Sprechzeit<br />
freitags: 10.00 - 12.00 Uhr Frühstück<br />
für Mädchen <strong>und</strong> junge Frauen<br />
freitags: 12.00 - 15.00 Uhr offenes<br />
Kochangebot
Bericht | Text: Christian Döscher<br />
Reise durch die Kunstgeschichte<br />
Der Beginn der Moderne in der Malerei - die Wege zu unserer Gegenwart<br />
Die Zeit des Klassizismus, in der die<br />
Kunst mit einigen seit langem bestehenden<br />
„Gesetzen“ brach, endete um<br />
1830. Die Bilder von Malern wie Jaques<br />
Louis David <strong>und</strong> Francisco Goya zeigen<br />
deutlich, dass man sich von allerhand<br />
Konventionen befreit hatte. Bereits<br />
hier beginnt die Moderne, jedoch nur<br />
vereinzelt in der bildenden Kunst. Im<br />
Ergebnis kam es zu einem fließenden<br />
Übergang in die folgende Zeit. Christian<br />
Döscher gibt einen kurzen Überblick<br />
zum Thema.<br />
_Mit Beginn des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts hat<br />
sich die Kunst so weit von den alten<br />
Zwängen <strong>und</strong> Lehrmeinungen befreit,<br />
dass man in der Darstellung dieser Zeit<br />
nicht einfach die nächste Epoche „anknüpfen“<br />
kann. Die Geschichte der<br />
Kunst ist längst eine Geschichte von<br />
Künstlern geworden. In den ungefähr<br />
h<strong>und</strong>ert Jahren zwischen dem Ende des<br />
Klassizismus <strong>und</strong> dem Anfang des Faschismus<br />
in Europa müssen wir, was<br />
Stilrichtungen betrifft, mit einer Reihe<br />
von Begriffen umgehen, die nicht <strong>im</strong>mer<br />
unmissverständlich sind: Realismus,<br />
Impressionismus, Naturalismus<br />
Lily <strong>und</strong> Teddy<br />
Lily ist mit ihren 3 Jahren eine sehr verspielte Katze, die sich jede Spielmaus<br />
schnappt <strong>und</strong> mit Begeisterung damit spielt. Beide raufen gerne<br />
zusammen, aber kuscheln dann gerne nach ihrer Rangelei <strong>und</strong> schlekken<br />
sich gegenseitig ab. Teddy (1 Jahr) braucht ein Vorbild, bei dem er<br />
sich den Umgang mit Mensch <strong>und</strong> Tier abgucken kann. Auf unserer Pflegestelle<br />
hat er schon viel gelernt <strong>und</strong> lässt sich schon mal be<strong>im</strong> Vorbeigehen<br />
streicheln. Gerne würden wir beide Tiere zusammen vermitteln.<br />
Sie sind beide kastriert <strong>und</strong> wünschen sich ruhige 'Dosenöffner' ohne<br />
Kinder in einer großen Wohnung mit Balkon. Natürlich kommen beide<br />
auch als Freigänger in einem adäquaten Umfeld in Frage.<br />
Kontakt<br />
Tel. 0251/8469757 oder<br />
www.katzenhilfe-muenster.de<br />
<strong>und</strong> Expressionismus sind nur einige<br />
von ihnen. Diese Worte taugen nicht<br />
oder kaum mehr als Epochenbegriffe,<br />
viel mehr dienen sie zur Bezeichnung<br />
von Stilrichtungen, die mitunter gleichzeitig<br />
existieren.<br />
_Realismus ist der ab etwa 1850 sichtbare<br />
Stil, der sich gegen die historisierenden<br />
<strong>und</strong> idealisierenden Darstellungen<br />
des Klassizismus <strong>und</strong> der Romantik<br />
wandte. Der französische Maler Gustave<br />
Courbet (1819-1877) prägte diesen<br />
Begriff 1855 auf der Pariser Weltausstel<br />
lung. Zum Selbstverständnis des Künstlers<br />
äußerte der Maler sich so: „Ein<br />
Künstler ist sein eigener Herr.“ „Ein<br />
Künstler muss in seiner eigenen Zeit<br />
verwurzelt sein.“ Für ihn ist „Malen…<br />
eine gegenständliche Kunst, die sich<br />
nur mit dem Realen <strong>und</strong> Sichtbaren<br />
beschäftigt, niemals mit dem, was nur<br />
in der Vorstellung existiert.“ „Schönheit<br />
liegt in der Natur <strong>und</strong> offenbart,<br />
einmal vom Künstler erkannt, ihre<br />
eigene Ausdruckskraft.“ An dieser Stelle<br />
ist es wichtig zu sagen, dass Realismus<br />
nicht die exakte Wiedergabe dessen<br />
meint, was unser Auge bei der Betrachtung<br />
einer Landschaft oder eines Ge-<br />
sichtes sieht, das nämlich wäre Naturalismus.<br />
Dem Realismus geht es um<br />
Aussagen, die sich auf Tatsachen beziehen.<br />
Deshalb ist Realismus oft politisch.<br />
Auch Courbets Begräbnis in Ornans<br />
(1849-1850) hat eine politische D<strong>im</strong>ension.<br />
Der Impressionismus ist eine weitere<br />
bekannte Stilrichtung der Epoche.<br />
Goya <strong>und</strong> Eugène Delacroix sind zwei<br />
seiner bekanntesten Vorläufer. Der<br />
wohl berühmteste Vertreter dieses Stils<br />
ist Claude Monet. Dieser Maler lebte von<br />
1840 bis 1926, sein Gemälde „Impression,<br />
soleil levant“ von 1872 gab der<br />
Bewegung ihren Namen, obwohl es<br />
<strong>im</strong>pressionistisches Malen auch schon<br />
vorher gegeben hat. Den Impressionisten<br />
kam es besonders darauf an die<br />
St<strong>im</strong>mung des Augenblicks einzufangen.<br />
Dabei spielte das Licht <strong>und</strong> dessen<br />
Einfluss auf das Motiv eine bedeutende<br />
Rolle, kräftige, helle Farben brachten<br />
das Dargestellte zur Geltung. Das Bild<br />
„Le déjeuner sur l'herbe“ (Das Frühstück<br />
<strong>im</strong> Grünen, 1863) von einem weiteren<br />
bekannten Maler dieses Genres,<br />
Edouard Manet, zeigt zudem die Vorliebe<br />
dieses Stils für Darstellungen unter<br />
freiem H<strong>im</strong>mel. #<br />
19
20<br />
Bericht | Text: Jörg Pöpping | Foto: „100 Jahre Preußen Münster (Festschrift)<br />
Preußen Report<br />
SC Preußen <strong>und</strong> der Aufstieg<br />
Klare Sache, in der kommenden Saison<br />
2009/2010 will der SC Preußen Münster<br />
um den Aufstieg spielen. Genau wie<br />
vor fast 100 Jahren, schon damals in<br />
den Anfängen Münsteraner Fußballgeschichte<br />
kämpfte der bis dahin als<br />
FC bezeichnete Verein erfolgreich um<br />
den Aufstieg in die A-Klasse. Jörg<br />
Pöpping berichtet mit fre<strong>und</strong>licher<br />
Unterstützung von Dieter Schulze-<br />
Marmeling.<br />
_Nachdem am 24. Juni 1907 <strong>im</strong> „Münsterischen<br />
Anzeiger“ folgende karge Anzeige<br />
zu lesen war: „Fußballsport: Seine<br />
Anzeige<br />
Presse <strong>und</strong> Informationsamt<br />
Tausend Fragen - eine Adresse<br />
Infos, Service <strong>und</strong> Veranstaltungstipps in muenster.de<br />
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Von Anmeldung bis Zeugnisbeglaubigung<br />
Exzellenz, Freiherr von Bissing, hat dem<br />
neuerdings gegründeten Fußballklub<br />
Preußen einen Spielplatz auf der Loddenheide<br />
zur Verfügung gestellt, auf<br />
welchem heute, um halb vier Uhr, ein<br />
Wettspiel zwischen der 1. Mannschaft<br />
des Fußballklub Osnabrück <strong>und</strong> der 1.<br />
Mannschaft des Fußballklub Preußen<br />
stattfinden wird“, wurde dieses erste,<br />
nicht allzu brisante Spiel klar mit 5:0<br />
gewonnen. Der zweite überlieferte Spielgegner<br />
der Preußen war eine Mannschaft<br />
aus Hamm. Die Preußen gewannen<br />
bei strömenden Regen 13:0 <strong>und</strong><br />
führten das Spiel so überlegen, dass es<br />
www.muenster.de/stadt/wohnungsamt<br />
Online-Mietspiegel, Wohnungs-Tipps, Wohngeld<br />
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Ihr gutes Recht auf Hilfe in vielen Lebenslagen<br />
www.muenster.de/stadtteile<br />
Stadtteil-Portale - von Albachten bis Wolbeck<br />
sich die Verteidigung leisten konnte, die<br />
Angelegenheit mit aufgespanntem<br />
Schirm zu verfolgen. Anschließend forderten<br />
die Preußen den FC Münster 04<br />
heraus, der bereits dem Westdeutschen<br />
Spielverband (WSV) angehörte <strong>und</strong> somit<br />
am regulären Spielbetrieb teilnahm. Das<br />
Spiel wurde auf dem Sportplatz des FC<br />
am Landesbahnhof ausgetragen <strong>und</strong><br />
von den Preußen ebenfalls gewonnen.<br />
Die Preußen fühlten sich nun gerüstet,<br />
ihre Aufnahme in die Ligen des Verbands<br />
<strong>und</strong> hier in die 1. Klasse zu beantragen.<br />
Im Bezirk gab es damals drei<br />
Spielklassen. Doch der ältere Lokalrivale<br />
FC 04, der in der A-Klasse spielte, erhob<br />
be<strong>im</strong> Verband gegen den Antrag der<br />
Preußen Einspruch. Mit Erfolg, denn die<br />
Preußen wurden nur der dritten Klasse<br />
bzw. C-Klasse zugeordnet, mussten also<br />
ganz unten anfangen. Die Aufnahme<br />
des FC Preußen in den WSV, die am 8.<br />
August 1907 erfolgte, verlief dennoch<br />
relativ problemlos. Dies hing vermutlich<br />
mit der gutbürgerlichen Mitgliedschaft<br />
des Vereins zusammen, denn der WSV<br />
selbst galt als durch <strong>und</strong> durch bürgerlicher<br />
Verband, beherrscht von bürgerlichen<br />
Funktionären <strong>und</strong> Vereinen. Der<br />
WSV war am 23. Oktober 1898 in einem<br />
Düsseldorfer Hotel gegründet worden.<br />
WSV-Gründer waren ausschließlich bürgerliche<br />
Vereine, die in Bonn, Köln, Mönchengladbach,<br />
Düsseldorf, Duisburg,<br />
Rheydt <strong>und</strong> Düren behe<strong>im</strong>atet waren.<br />
Anders als die Preußen hatte beispielsweise<br />
der zwei Jahre ältere Arbeiterverein<br />
Schalke 04 erhebliche Probleme,<br />
dem elitären Kreis beizutreten. Sein<br />
Aufnahmegesuch wurde zunächst abschlägig<br />
beschieden. Deshalb traten die<br />
Blau-Weißen 1912 dem Schalker Turnverein<br />
von 1877 bei, der bereits be<strong>im</strong><br />
Verband registriert war. Noch 1925, als<br />
der DFB sein 25-jähriges Jubiläum beging,<br />
wurde Schalke 04 in einem Artikel<br />
über „30 Jahre Gelsenkirchener Fußball“<br />
schlichtweg totgeschwiegen.<br />
_In der ersten Saison 1907/08 wurden<br />
die Preußen in der C-Klasse auf Anhieb<br />
Meister. In der Endr<strong>und</strong>e der Meister der<br />
3. Klasse unterlag man in Hamm dem SV<br />
Gelsenkirchen-Heßler mit 2:1. Trotzdem
war man in die B-Klasse aufgestiegen.<br />
In der Saison 1908/09 gelang auch in<br />
der B-Klasse der Durchmarsch. In der<br />
Endr<strong>und</strong>e der Gruppensieger um die<br />
„B-Meisterschaft“ hatten die Preußen<br />
dieses Mal gegenüber Gelsenkirchen-<br />
Heßler die Nase vorn. Ein Entscheidungsspiel<br />
gewannen die Preußen souverän<br />
mit 6:0. In die Saison 1909/10 gingen<br />
die Preußen somit als A-Ligist <strong>und</strong> befanden<br />
sich hier in einer Staffel mit BV<br />
Gelsenkirchen, FC Dortm<strong>und</strong> 95, BV<br />
Dortm<strong>und</strong> 04, SuS Schalke 95, FC Hagen<br />
05 <strong>und</strong> FC Hamm 03. Aus den zwölf Begegnungen<br />
holten die Preußen nur sieben<br />
Punkte <strong>und</strong> wurden letzter. Nichtsdestotrotz<br />
waren die Preußen mittlerweile<br />
die Nummer eins in der Stadt <strong>und</strong><br />
blieben auch in der kommenden Saison<br />
erstklassig, denn die Bezirke wurden<br />
neu eingeteilt. Die sportlichen Erfolge<br />
<strong>und</strong> die Aufnahme in den WSV hatten<br />
bewirkt, dass der FC Preußen <strong>im</strong>mer<br />
mehr Anhänger <strong>und</strong> Aktive gewann <strong>und</strong><br />
eine gewisse Leistungskonzentration<br />
unter den Fittichen des Klubs stattfand.<br />
1910 zogen die Preußen von der Loddenheide<br />
zum „Feldschlösschen“ um.<br />
Dieser Ort ist identisch mit der heutigen<br />
Sportanlage Sentruper Höhe, die auch<br />
unter der Bezeichnung „Am Stübben“<br />
bekannt ist. Von den Jahren an der<br />
Sentruper Höhe abgesehen, lagen die<br />
Spielstatten der Preußen mit der Loddenheide,<br />
dem Münstermannplatz <strong>und</strong><br />
dem Preußenstadion allerdings stets<br />
südlich der Altstadt in der Umgebung<br />
der Hammer Straße. Die Saison 1910/11<br />
verbrachte der FC Preußen erneut in der<br />
A-Klasse u.a. mit dem Osnabrücker<br />
Klubs Olympia <strong>und</strong> BV ( Vorläufer des<br />
heutigen VFL Osnabrück), die die ersten<br />
beiden Plätze belegten. In der Saison<br />
1911/12 spielten die Preußen in der A-<br />
Frieda & Karlo<br />
Klasse Westfalen, Gruppe Ost, der neben<br />
den Osnabrücker Adressen auch die Bielefelder<br />
Klubs Arminia <strong>und</strong> VfB angehörten.<br />
Sie wurden mit vier Punkten Vorsprung<br />
auf dem VfB Bielefeld Meister.<br />
Als Meister der Gruppe Ost spielten die<br />
Preußen nun gegen den Sieger der Gruppe<br />
West um die Westfalenmeisterschaft.<br />
Dieser hieß SuS Schalke 96. Das Finale<br />
endete zunächst mit einem Remis (4:4).<br />
Die Neuauflage gewannen die Gelsenkirchener<br />
mit 3:2, doch die Preußen<br />
hatten sich nun unter den führenden<br />
Adressen in Westfalen etabliert. Bei attraktiven<br />
He<strong>im</strong>spielen kamen um die<br />
2.000 Zuschauer zum „Feldschlösschen“.<br />
1912/13 wurde der FC Preußen knapp<br />
hinter Arminia Bielefeld Vizemeister. Die<br />
Arminen waren als 1. Fußballclub Arminia<br />
ein Jahr vor den Preußen gegründet<br />
Das Kaninchenpaar Frieda & Karlo kam aus schlechter Haltung in das<br />
Tierhe<strong>im</strong> an der Kötterstraße. Beide waren extrem verwahrlost <strong>und</strong><br />
mussten zunächst einen Großteil ihres ehemals tollen Fells einbüßen.<br />
Mittlerweile sind sie durch die gute Pflege wieder hübsche Plüschkaninchen<br />
<strong>und</strong> stehen daher zur Vermittlung frei. Aufgr<strong>und</strong> des pflegeintensiven<br />
Fells sollen die knapp zweijährigen Langohren jedoch<br />
nur in Innenhaltung vermittelt werden. Trotz ihrer schlechten Erfahrungen<br />
sind beide lieb <strong>und</strong> zutraulich <strong>und</strong> machen viel Freude. Wer<br />
hat einen Platz für die kuscheligen Angoras?<br />
Kontakt<br />
Tierfre<strong>und</strong>e Münster e. V., Kötterstr. 198, 48157 Münster<br />
Telefon: 0251/ 32 50 58<br />
Öffnungszeiten: Samstags von 11.00 Uhr bis 17.00 Uhr<br />
<strong>und</strong> sonntags von 15.00 Uhr bis 18.00 Uhr<br />
www.tierfre<strong>und</strong>e-ms.de<br />
worden. Ihre Umbenennung in DSC Arminia<br />
erfolgte 1927. Sie wurden in dieser<br />
Saison auch noch Westfalenmeister, indem<br />
sie Borussia Dortm<strong>und</strong> mit 5:1 bezwangen.<br />
1913/14 musste der BV Münster<br />
die A-Klasse verlassen. Die Preußen<br />
hingegen hatten dieses Mal gegen die<br />
Bielefelder Konkurrenz die Nase vorn,<br />
als sie mit zwei Punkten Vorsprung vor<br />
den Arminen Meister wurden. Die Fußballrivalität<br />
zwischen Münster <strong>und</strong> Bielefeld<br />
ist also beinahe so alt wie die<br />
Preußen selbst. Die Meisterschaft in der<br />
A-Liga des Westfälischen Kreises war in<br />
dieser Saison gleichbedeutend mit der<br />
Westfalenmeisterschaft. Der Titelgewinn<br />
stellte den bis dahin größten Erfolg in<br />
der Vereinsgeschichte dar. #<br />
21
Anzeige<br />
22<br />
Bericht | Text <strong>und</strong> Fotos: Marcel-Philipp Werdier<br />
Fernweh nach dem Nahen Osten<br />
Vier Suchende in der Fremde<br />
Die Münsteraner Skulpturprojekte 2007,<br />
an der das ~-Team maßgeblich<br />
beteiligt war, war in vielerlei Hinsicht<br />
eine Bereicherung. Unter anderem<br />
eben auch darum, weil wir viele interessante<br />
Menschen kennen gelernt <strong>und</strong><br />
neue Fre<strong>und</strong>schaften geschlossen haben:<br />
Einer dieser treuen Fre<strong>und</strong>e ist<br />
Marcel-Philipp Werdier. Die Geschichte,<br />
die er in den folgenden Zeilen erzählt,<br />
handelt von einer Reise quer durch<br />
Osteuropa über die Pforte zum Orient,<br />
Istanbul, weiter bis ins Morgenland <strong>und</strong><br />
zurück.<br />
_Es stellt sich zunächst die Frage nach<br />
den Reisenden. Es geht es hier um mich,<br />
25 Jahre alt, Student der Philosophie,<br />
Arabistik <strong>und</strong> Geschichte <strong>und</strong> meinen<br />
treuen H<strong>und</strong> Leo, der die gesamte Strekke<br />
mit mir zurücklegte. Ich selbst, seit<br />
jeher getrieben von einer gewissen<br />
Rast- <strong>und</strong> Ziellosigkeit, suchte die Fremde,<br />
um vielleicht irgendwann die wahre<br />
He<strong>im</strong>at zu finden. Leos Wunsch war von<br />
klein auf der nach einem festen Platz<br />
<strong>und</strong> einem Rudel, das er auf ewig als<br />
sein Zuhause bezeichnen könnte.<br />
_Dieses Umherschweifen <strong>und</strong> Abgegebenwerden<br />
ließ unsere Wege in Münster<br />
kreuzen, wo besonders Leo dem ein<br />
oder anderen bekannt sein dürfte. Ob<br />
<strong>im</strong> 'Streichelzoo' der Skulpturprojekte<br />
2007 oder <strong>im</strong> Dreigespann mit dem<br />
H<strong>und</strong> Prince <strong>und</strong> dessen Besitzerin, der<br />
Sozialarbeiterin Patricia, machte er sich<br />
schon früh einen Namen. Schließlich<br />
fand er bei mir Unterschlupf <strong>und</strong> sich<br />
selbst unvermittelt wieder in der nun<br />
4-köpfigen Besatzung eines VW-T3<br />
Bullis mit dem Zielort Damaskus/Syrien.<br />
H<strong>und</strong> <strong>und</strong> Herrn begleiteten nämlich<br />
meine Fre<strong>und</strong>in Antonia <strong>und</strong> unsere<br />
gemeinsame Fre<strong>und</strong>in Nina. Wir alle<br />
drei studieren Arabistik <strong>und</strong> Islamwissenschaften<br />
<strong>und</strong> durch unsere Reise mit<br />
dem Bus hofften wir, einen gewissen<br />
Bezug zum Alltagsleben <strong>und</strong> seiner<br />
Veränderung herzustellen.<br />
_Ich hatte mir ein Praktikum <strong>im</strong><br />
Deutschen Archäologischen Institut in<br />
Damaskus organisiert, fieberte aber in<br />
erster Linie den fremden Kulturen <strong>und</strong><br />
vor allem dem alltäglich Leben entgegen,<br />
das mich unweigerlich erwarten<br />
sollte. Durch einen Vollzeitjob <strong>im</strong> bereits<br />
erwähnten Streichelzoo hatte ich<br />
so viel Geld verdient, dass es für den<br />
Kauf eines alten Polizeibullis reichte,<br />
der sich als eine absolute Kämpfernatur<br />
entpuppte <strong>und</strong> der deshalb am Ende<br />
der Reise den Namen „Phoenix“ verliehen<br />
bekam. Mit dem Geld, dass ich<br />
durch weitere Nebenjobs einnahm, bezahlte<br />
ich die Materialien für den Umbau,<br />
dessen Konzept von mir so erdacht<br />
wurde, dass es möglich war, vier Leute<br />
zu transportieren <strong>und</strong> dennoch drei<br />
Personen <strong>und</strong> einem H<strong>und</strong> eine Schlafmöglichkeit<br />
zu bieten. Obwohl man es<br />
durchaus als „kuschelige“ Atmosphäre<br />
bezeichnen konnte, so war es doch<br />
nicht nur der enge Raum, der so hartnäckig<br />
an unseren Nerven zehren sollte.<br />
Nach weiteren Monaten des Planens,<br />
der groben Routenbest<strong>im</strong>mung <strong>und</strong> des<br />
Zusammenklaubens der nötigen Ausrüstung,<br />
machten wir uns am 01. August<br />
2008 auf die Reise. Acht Wochen<br />
dauerte der 15.000 Kilometer lange Weg<br />
insgesamt <strong>und</strong> die Hinfahrt führte uns<br />
über sechs Etappen zum Zielort: Tschechien,<br />
Österreich, Ungarn, Rumänien,<br />
Bulgarien <strong>und</strong> die Türkei lagen auf der<br />
Strecke. Der Rückweg sollte uns dann<br />
über Griechenland, das Mittelmeer, Italien<br />
<strong>und</strong> die Schweiz nach Deutschland<br />
führen.<br />
_Das Wetter war großartig <strong>und</strong> das Fernweh<br />
trieb uns voran, selbst Leo fühlte<br />
sich bald mit uns dreien he<strong>im</strong>isch. Die<br />
erste Bewährungsprobe sollte in der<br />
tschechischen Hauptstadt auf uns warten.<br />
Prag hatte uns alle von Beginn an<br />
verzaubert. Wir waren in Hochst<strong>im</strong>mung<br />
<strong>und</strong> die warme Sommerluft schien uns<br />
den Verstand vernebelt zu haben, denn<br />
schon in der dritten Reisenacht waren<br />
wir so sorgenfrei, dass wir bei halbgeöffneten<br />
Fenstern <strong>im</strong> Zentrum der Innenstadt<br />
schliefen, die Rucksäcke aus<br />
Bequemlichkeit auf den Beifahrersitz<br />
gelegt, Papiere inklusive. Leo war der<br />
erste, der das Unheil witterte, doch<br />
außer einem leisen Knurren konnte er<br />
sich zu keiner weiteren Maßnahme<br />
durchringen. Vielleicht lag es aber auch<br />
an unserer dämlichen Idee ihm den<br />
Weg in die Fahrerkabine durch Näpfe<br />
<strong>und</strong> Taschen abzuschneiden. Antonia<br />
war es schließlich, die uns durch ein<br />
etwas unbeholfenes „Hehh!“ aus dem<br />
Schlaf holte, doch als ich aus dem Bus<br />
sprang, war der Dieb mit dem blauen<br />
Batik-Shirt schon verschw<strong>und</strong>en. Um es<br />
kurz zu machen, wir hatten unverschämtes<br />
Glück. Hörbücher auf CD <strong>und</strong><br />
schutzige Abschminktücher waren alles,<br />
was fehlte, <strong>und</strong> wir setzten unsere Tour<br />
mit stark geschärften Sinnen fort.<br />
_Ein sonniger Weg die Donau entlang,<br />
schöne Tage in Wien, am Balaton <strong>und</strong><br />
in Budapest ließen uns unseren Rhythmus<br />
finden <strong>und</strong> ein idyllischer Flecken<br />
Natur in einem kleinen, malerischen,<br />
rumänischen Dorf bot uns die Oase,<br />
nach der wir uns nach knapp anderthalb<br />
Wochen sehnten. Die Hitze lähmte<br />
unseren Tatendrang <strong>und</strong> auf einem<br />
Campingplatz, der an einem kühlen<br />
Bach gelegen war, ließen wir uns für
mehrere Tage nieder. Als wir am Ende<br />
unserer Rast feststellten, dass das kleine<br />
Dorf vielmehr eine mittelgroße Stadt<br />
war, freuten wir uns so über unsere<br />
eigene Unbeschwertheit, dass wir beschlossen<br />
unseren großartigen Trip mit<br />
einem Essen in einem Restaurant zu<br />
feiern. Leo kaute zu unseren Füßen,<br />
von den St<strong>und</strong>en des Tobens erschöpft,<br />
an einem getrockneten Schweineohr,<br />
während wir uns frittierten <strong>und</strong> gebratenen<br />
Köstlichkeiten hingaben. Am<br />
nächsten Morgen sollte es weiter an die<br />
Schwarzmeerküste gehen, nach Constanza,<br />
wo die erste Begegnung mit<br />
dem Meer auf uns wartete. Doch so<br />
weit sollten wir nicht kommen, auch<br />
wenn wir schon um 6 Uhr die Zelte<br />
abbrachen.<br />
_Nina hatte sich schon in der Nacht<br />
mehrere Male aus dem Bulli gestohlen<br />
<strong>und</strong> ihr gesamtes 'Festmahl' wieder erbrochen.<br />
Sie klagte über ungeheure<br />
Bauchschmerzen <strong>und</strong> wir beschlossen<br />
einen Arzt in der nächst größeren Stadt<br />
Brasov aufzusuchen. Wenn ich mich<br />
heute daran erinnere, erscheint mir die<br />
Stadt wie eine Hölle aus grauem Staub.<br />
Heiß <strong>und</strong> fiebrig <strong>und</strong> schon ihr Bild<br />
raubt mir den Atem. Wir kamen in der<br />
Mittagshitze an, 42°C. Der rumänische<br />
Verkehr war ein Moloch <strong>und</strong> die „Europastraße“,<br />
die uns hergebracht hatte,<br />
war streckenweise nur auf den Karten<br />
vorhanden gewesen. Nina hatte sich<br />
noch einige Male in diverse Tüten übergeben<br />
<strong>und</strong> lag nun zwischen Wach <strong>und</strong><br />
Schlaf auf dem Bett <strong>und</strong> auch bei Antonia<br />
<strong>und</strong> mir machten sich langsam<br />
Bauchschmerzen bemerkbar. Zu dritt<br />
machten wir uns zu Fuß auf den Weg in<br />
die Stadt. Nina blieb <strong>im</strong> Wagen, doch<br />
bei der brennenden Hitze <strong>und</strong> den <strong>im</strong>mer<br />
heftiger werdenden Krämpfen, gaben<br />
wir die Suche nach einem Arzt<br />
schnell auf <strong>und</strong> versuchten nun nur<br />
noch die Strecke zum Bus zurück zu<br />
meistern, um so bald wie möglich zu<br />
einem Campingplatz zu kommen, damit<br />
wir uns dort einige Tage auskurieren<br />
konnten. Als wir den Parkplatz erreichten,<br />
stand der Wagen bei wolkenfreiem<br />
Mittagsh<strong>im</strong>mel in der prallen Sonne.<br />
Nina weinte verzweifelt, weil sie inzwischen<br />
selbst die Kraft verloren hatte,<br />
sich eine Flasche Wasser zu holen, <strong>und</strong><br />
ich setzte mich schmerzverzerrten Gesichts<br />
hinters Lenkrad. Antonias Kreislauf<br />
verabschiedete sich <strong>und</strong> meine Gedanken<br />
rasten, wie der brodelnde Verkehr<br />
um mich herum: „Wo ist ein Krankenhaus?<br />
Was mache ich mit Leo? Schafft<br />
Antonia es wach zu bleiben? Warum tut<br />
mir mein Magen so verdammt weh?“<br />
_Auf einer riesigen Kreuzung schaute<br />
ich ein letztes Mal auf mein Armaturenbrett.<br />
Die Tanknadel sank mit rasender<br />
Geschwindigkeit in den roten<br />
Bereich <strong>und</strong> der Motor soff ab. Fluchend<br />
riss ich am Lenkrad herum, als könnte<br />
ich den Wagen dadurch vorantreiben,<br />
<strong>und</strong> wir kamen am Rand der Rechtsabbiegerspur<br />
zum Stehen. Nichts ging<br />
mehr! Ich schaffte noch das wichtigste<br />
Zeug aus dem Auto, die Mädels <strong>und</strong> Leo<br />
in einen Hauseingang <strong>und</strong> rief den rumänischen<br />
'ADAC'. Dann klappte auch<br />
ich mehr oder weniger<br />
zusammen. Es vergingen<br />
noch St<strong>und</strong>en, ehe wir<br />
ins Krankenhaus kamen,<br />
<strong>und</strong> beinahe wäre Leo<br />
von den beiden Fahrern<br />
des ADAC auf der Straße<br />
verschenkt worden. Doch<br />
ohne sie <strong>und</strong> ohne Paul,<br />
den dubiosen Taxifahrer<br />
<strong>im</strong> Netzhemd, der uns<br />
über zwei Tage ges<strong>und</strong><br />
pflegte, hätte diese Geschichte<br />
sicherlich auch<br />
kein gutes Ende genommen.<br />
_Es stellte sich heraus,<br />
dass wir bis auf Leo alle<br />
eine handfeste Lebensmittelvergiftung<br />
hatten.<br />
Der kleine Mischling war<br />
glücklicherweise davon<br />
verschont geblieben,<br />
auch wenn für ihn die<br />
Nacht bei Wildfremden,<br />
Bekannten der Abschlepp-<br />
fahrer, zu denen sie Leo schließlich gebracht<br />
hatten, mehr als ein Schock gewesen<br />
sein musste. Geht es den anderen<br />
gut? Bin ich schon wieder abgegeben<br />
worden? Dies mochten wohl seine<br />
Gedanken gewesen sein. Wir holten<br />
ihn, noch <strong>im</strong>mer geschwächt, nach<br />
einer Nacht in einem Hotel wieder ab.<br />
Das Gefühl ihn zu sehen, war das stärkste,<br />
was ich bis dahin erlebt habe. Seine<br />
Freude <strong>und</strong> die Gewissheit <strong>und</strong> Zuversicht,<br />
die in seiner Begrüßung lagen,<br />
ließen mich für einen Moment alle Sorgen<br />
vergessen <strong>und</strong> auch den beiden<br />
Mädchen war anzusehen, dass sie sich,<br />
sobald sie ihn sahen, wieder zu Hause<br />
fühlten. Unser nächster großer Prüfstein<br />
sollte Syrien werden...<br />
(Fortsetzung <strong>im</strong> nächsten Heft) #<br />
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23
24<br />
Rumänien | Rezepte: Neema Dalmühle | Foto: Heinz Dalmühle<br />
Rumänische Küche<br />
Die rumänische Küche schmeckt herzhaft, die Gerichte werden häufig mit viel<br />
Fett <strong>und</strong> Knoblauch zubereitet. Das verwendete Gemüse ist meistens frisch<br />
<strong>und</strong> in der Regel biologisch angebaut. Leider wird das Gemüse aber oft zerkocht.<br />
Wir finden Einflüsse aus Italien, Russland, der Türkei <strong>und</strong> aus Sachsen.<br />
Auch ungarische <strong>und</strong> griechische Einflüsse lassen sich erkennen. Verschiedene<br />
Gerichte wie z.B. der schnittfeste Maisbrei „Mamaglia“, der an die italienische<br />
Polenta erinnert oder das ungarische Gulasch, das in Rumänien „tocanà“<br />
heißt, Garformen, wie z.B. das Grillen, das von den Türken übernommen<br />
wurde <strong>und</strong> Zutaten wie z.B. saure Sahne aus Russland <strong>und</strong> Sauerkraut aus<br />
Sachsen belegen den Einfluss anderer Kochtraditionen. #<br />
Ciorba de varza (Krautsuppe)<br />
Zutaten:<br />
Zutaten für sechs Personen<br />
200 g Rindfleisch<br />
200 g Schweinefleisch<br />
200 g Hühnerfleisch<br />
100 g geräucherter Schinken<br />
150 g geräucherte Wurst<br />
150 g Sauerkraut<br />
1,5 l Sauerkrautsaft<br />
1 kleine Zwiebel<br />
1 EL Mehl<br />
Öl<br />
Paprikapulver edelsüß<br />
2 EL Reis<br />
etwas Rahm<br />
Zubereitung:<br />
_Das Fleisch würfeln <strong>und</strong> mit wenig Wasser<br />
halbweich garen. Dabei das Rindfleisch<br />
etwas früher zum Kochen bringen,<br />
da die Garzeit etwas länger ist. Dann den<br />
Schinken <strong>und</strong> das Sauerkraut dazugeben,<br />
mit Sauerkrautsaft aufgießen <strong>und</strong> langsam<br />
kochen lassen, bis das Fleisch weich<br />
ist. Die Wurst nun in dünne Scheiben<br />
schneiden <strong>und</strong> dazu geben, Zwiebeln fein<br />
hacken, in heißem Öl andünsten, Mehl<br />
einrühren <strong>und</strong> die Suppe damit dicken.<br />
Mit Salz <strong>und</strong> Paprika abschmecken.<br />
_Den Reis separat kochen <strong>und</strong> in einer<br />
Schüssel anrichten. Sollte er in der Suppe<br />
mitgekocht werden, nur 1 EL Reis nehmen.<br />
Ein Tupfen Rahm in den Teller r<strong>und</strong>et<br />
den Geschmack ab.<br />
_Diese Suppe kann ein oder zwei Tage<br />
vorher gekocht werden. Krautgerichte<br />
schmecken aufgewärmt noch besser.<br />
Siebenbürger geschichtetes Kraut<br />
Zutaten:<br />
100 g Langkornreis<br />
2 Zwiebeln<br />
1 Knoblauchzehe<br />
250 g durchwachsener Speck, gewürfelt<br />
500 g Schweinegulasch<br />
4 Paar Debrecziner Würstchen<br />
Salz<br />
1 EL edelsüßes Paprikapulver<br />
750 g Sauerkraut<br />
100 ml Milch<br />
100 ml saure Sahne<br />
1 TL Rosenpaprika<br />
Zubereitung<br />
_Den Reis in 1 Liter Salzwasser 5 Minuten<br />
kochen <strong>und</strong> dann abgießen. Zwiebeln<br />
<strong>und</strong> Knoblauchzehe pellen <strong>und</strong> fein würfeln.<br />
Den Backofen auf 180 °C vorheizen.<br />
_In einer Pfanne den Speck bei mittlerer<br />
Hitze ausbraten, herausnehmen <strong>und</strong> in<br />
eine große Schüssel geben. Nur 2 EL von<br />
dem ausgelassenen Fett in der Pfanne<br />
lassen, darin die Gulaschstückchen braun<br />
anbraten, salzen <strong>und</strong> zu den Speckwürfeln<br />
geben.<br />
_Nun Zwiebeln <strong>und</strong> Knoblauch in der<br />
Pfanne goldgelb werden lassen <strong>und</strong> den<br />
edelsüßen Paprika unterrühren. In der<br />
Zwischenzeit die Würstchen in Scheiben<br />
schneiden. Zwiebelmischung zum Fleisch<br />
geben <strong>und</strong> die Würstchen anbraten.<br />
Diese ebenfalls zum Fleisch geben. Den<br />
Bratenfond in der Pfanne mit einer Tasse<br />
Wasser löschen <strong>und</strong> unter das Fleisch<br />
mischen. In eine feuerfeste Form zuerst<br />
das Sauerkraut, dann die Fleischmi-<br />
Neemas Tipp: Knoblauch nicht vergessen<br />
schung <strong>und</strong> zum Schluss den Reis<br />
schichten. Milch <strong>und</strong> saure Sahne verrühren<br />
<strong>und</strong> mit Salz <strong>und</strong> Rosenpaprika<br />
kräftig abschmecken. Über den Reis gießen<br />
<strong>und</strong> eine St<strong>und</strong>e <strong>im</strong> heißen Ofen<br />
garen. Nach 30 Minuten eine Tasse heißes<br />
Wasser nachgießen. #<br />
Mamaliga mit Schafskäse<br />
Zutaten:<br />
1 l Milch<br />
225 Gramm Maisgrieß<br />
80 Gramm Käse zerrieben, Fetakäse oder<br />
türkischer Frischkäse<br />
120 Gramm Butter<br />
1 Prise Salz<br />
Zubereitung:<br />
_Die Milch mit 40 g Butter aufkochen<br />
<strong>und</strong> den Maisgrieß dann unter ständigem<br />
Rühren dazugeben. Bei schwacher<br />
Hitze aufquellen lassen, bis ein dicker<br />
Brei entstanden ist. Den Reibekäse unterheben<br />
<strong>und</strong> nach Geschmack salzen.<br />
Die restliche gebräunte Butter wird über<br />
den Brei gegeben. Dazu isst man diverse<br />
Fleischsorten, aber auch Sauerkraut mit<br />
Würstchen.<br />
_Man kann die Mamaliga auch auf ein<br />
Blech schmieren <strong>und</strong> <strong>im</strong> Ofen mit ein<br />
bisschen Ratatouille <strong>und</strong> Käse überbakken.<br />
#<br />
Keine Angst vor Vampiren <strong>und</strong> einen<br />
guten Appetit wünscht Ihnen<br />
Neema Dalmühle
Buchtipps | Texte: Sigi Nasner <strong>und</strong> Marc Peschke<br />
Lesen!<br />
Roger Smith:<br />
Kap der Finsternis,<br />
Tropen<br />
Klett-Cotta Verlag 2009,<br />
356 Seiten,<br />
21,90 Euro,<br />
ISBN: 978-3-608-50202-2<br />
Bernhard Fuchs: Straßen <strong>und</strong> Weg.<br />
Mit einem Text von Heinz Liesbrock.<br />
Geb<strong>und</strong>en. 124 Seiten.<br />
54 Abbildungen. Koenig Books.<br />
ISBN 978-3-86560-623-5.<br />
38 Euro<br />
Auf der Flucht vor der Justiz hat es den<br />
Amerikaner Jack Burn mit seiner schwangeren<br />
Frau <strong>und</strong> seinem kleinen Sohn<br />
nach Kapstadt verschlagen. Dort lebt er<br />
in einer Gegend, die der reichen weißen<br />
Bevölkerung vorbehalten ist. Mit Blick<br />
aufs Meer <strong>und</strong> auf die weit weg liegenden<br />
Townships <strong>und</strong> Cape Flats, wie die<br />
Slums der südafrikanischen Metropole<br />
genannt werden. Durch die Kr<strong>im</strong>inalität<br />
in den Slums genießt Kapstadt den wenig<br />
schmeichelhaften Titel: Welthauptstadt<br />
für Vergewaltigung <strong>und</strong> Mord. Hier<br />
sterben jeden Tag mehr Menschen durch<br />
Gewaltverbrechen als in vielen Kriegsgebieten.<br />
Aus diesem Sumpf von Gewalt <strong>und</strong> Kr<strong>im</strong>inalität<br />
treibt es zwei völlig abgedrehte<br />
Drogendealer genau zu Jack Burns’<br />
Haus. Dies zwingt ihn zu einer Tat, die<br />
seiner aus Angst vor den Polizei peinlich<br />
gehüteten Anonymität ein jähes Ende<br />
setzt. Für ihn <strong>und</strong> seine Familie kommt<br />
„Straßen <strong>und</strong> Wege“, das ist der<br />
schlichte Titel des neuen Fotobuchs von<br />
Bernhard Fuchs. Und Straßen <strong>und</strong> Wege<br />
waren es auch, die ihn nach Oberösterreich<br />
zurückführten, von wo er in den<br />
neunziger Jahren nach Düsseldorf aufgebrochen<br />
war, um bei Bernd <strong>und</strong> Hilla<br />
Becher <strong>und</strong> später - in Leipzig - bei<br />
T<strong>im</strong>m Rautert Fotografie zu studieren.<br />
Es sind paradoxe Bilder in diesem fein<br />
in grünes Leinen geb<strong>und</strong>enen Buch,<br />
weil sie beides verbinden: den dokumentarischen,<br />
sachlichen Blick <strong>und</strong> ein<br />
inniges Gefühl von He<strong>im</strong>at. Die in <strong>und</strong><br />
um Linz entstandene Werkgruppe -<br />
einige Dutzend Landschaftsbilder, die<br />
eben Straßen <strong>und</strong> Wege zeigen - kann<br />
nur, so möchte man deuten, von einem<br />
gemacht worden sein, der die Gegend<br />
kennt. Und ja, Bernhard Fuchs kennt<br />
die Landschaft, er ist hier geboren <strong>und</strong><br />
hat sie oft <strong>und</strong> wiederholt durchwandert.<br />
#<br />
eine verhängnisvolle Entwicklung in<br />
Gang, in die <strong>im</strong>mer mehr Leute hineingezogen<br />
werden, so auch ein Exknacki<br />
<strong>und</strong> ehemaliger Bandenführer, der unfreiwillig<br />
Zeuge dieser Tat wird <strong>und</strong> bei<br />
dem das Messer recht locker sitzt, <strong>und</strong><br />
ein korrupter Polizist, dessen liebste<br />
Beschäftigung es ist, seinen Status dadurch<br />
zu stärken, dass er Leute erschießt,<br />
<strong>und</strong> der plötzlich seine Chance<br />
auf das große Geld wittert, nicht ahnend,<br />
dass ihm längst ein Beamter der<br />
Antikorruptionsbehörde <strong>im</strong> Nacken<br />
sitzt…<br />
Dieser packende <strong>und</strong> spannungsgeladene<br />
Roman, der einen von der ersten<br />
Seite an nicht mehr loslässt, ist das Erstlingswerk<br />
des Autors, der jedoch bereits<br />
als Regisseur, Drehbuchautor <strong>und</strong> Produzent<br />
einen Namen besitzt. Das Buch<br />
stellt ungeschminkt die Realität in den<br />
Cape Flats <strong>und</strong> den Townships von Kapstadt<br />
heutzutage dar. #<br />
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26<br />
Rechtstipps | Text: Rechtsanwältin Annette Poethke<br />
Neues aus dem Familienrecht<br />
Ermittlung der Anteile beider Eltern am Volljährigenunterhalt<br />
Be<strong>im</strong> Volljährigenunterhalt wird nicht mehr unterschieden zwischen<br />
Barunterhalt <strong>und</strong> Naturalunterhalt (tatsächlicher Betreuungsleistung).<br />
Denn be<strong>im</strong> volljährigen Kind sind beide Eltern anteilig zum Barunterhalt<br />
verpflichtet.<br />
Der BGH hatte vor kurzem folgenden Fall zu entscheiden:<br />
Die volljährige Tochter Viola verlangt von Ihrem Vater Viktor Ausbildungsunterhalt.<br />
Die Mutter Marta ist ebenfalls leistungsfähig.<br />
Der Vater Viktor ist Lehrer. Nach Abzug der konkret nachgewiesen berufsbedingten<br />
Aufwendungen von Viktor sind zunächst seine sonstigen Unterhaltsverpflichtungen<br />
abzuziehen. Er ist einem minderjährigen Kind<br />
Miriam zum Unterhalt verpflichtet, das vorrangig vor der volljährigen<br />
Tochter Viola zu berücksichtigen ist. Außerdem schuldet er seiner zweiten<br />
(aktuellen) Ehefrau Eleonore Familienunterhalt, dessen Höhe durch<br />
nachrangige Unterhaltspflichten eingeschränkt werden kann. Deshalb ist<br />
bei der Bemessung des Familienunterhalts für die zweite Ehefrau<br />
Eleonore der auf den Vater entfallende Anteil des Unterhalts für die volljährige<br />
Tochter Viola zu berücksichtigen.<br />
Da der Volljährigenunterhalt für Viola anteilig<br />
nach dem Einkommen des Vaters Viktor <strong>und</strong><br />
dem Einkommen der Mutter Marta erst noch<br />
ermittelt werden muss, ergibt sich für die Berechnung<br />
des Familienunterhalts der aktuellen<br />
Ehefrau Eleonore ein Problem, denn der zu berücksichtigende<br />
Unterhaltsanteil des Vaters Viktor<br />
steht ja gerade noch nicht fest.<br />
Nach der aktuellen Entscheidung des BGH (BGH-<br />
Urteil vom 21.01.2009, in Beck RS 2009,09197)<br />
wird dieses Problem wie folgt gelöst:<br />
Bei der Ermittlung des Familienunterhalts für<br />
Eleonore wird der bisher titulierte Unterhalt für<br />
die volljährige Tochter Viola angesetzt mit der<br />
Begründung, dass der bisher bezahlte Unterhalt<br />
für Viola Viktor <strong>und</strong> Eleonore auch bisher für<br />
ihren Lebensunterhalt tatsächlich nicht zur<br />
Verfügung stand.<br />
Be<strong>im</strong> Volljährigenunterhalt ist also festzuhalten,<br />
dass die Unterhaltsleistung nicht mehr<br />
durch Betreuung erbracht werden kann, sondern<br />
beide Eltern anteilig nach ihren Einkommensverhältnissen<br />
barunterhaltspflichtig sind<br />
unter der Voraussetzung, dass sie auch leistungsfähig<br />
sind. Der Selbstbehalt beträgt in<br />
diesem Falle gegenüber Volljährigen 1.100,00<br />
Euro. Wird dieser Einkommensbetrag von einem<br />
der Elternteile unterschritten, so ist der andere<br />
allein unterhaltspflichtig.<br />
Der Unterhalt kann ab Volljährigkeit ausschließlich<br />
nur noch von dem volljährigen Kind selbst<br />
eingefordert werden. Die Zahlung ist auch<br />
direkt an das volljährige Kind zu leisten.<br />
Redaktionssitzung:<br />
Jeden Dienstag um 14:00 Uhr findet die Redaktionssitzung<br />
statt. Freie Mitarbeiter sind<br />
<strong>im</strong>mer willkommen!<br />
Tauschrausch:<br />
~-Tauschaktion <strong>im</strong>mer noch aktuell:<br />
www.muenster.org/draussen/tauschrausch.html<br />
Schlafsäcke:<br />
~ sucht dringend für Bedürftige<br />
einige Schlafsäcke. Te. 0251-4909118
Bericht | Text: Silke Fluchtmann | Schlussakkord <strong>und</strong> Nachruf | Texte: Horst Gärtner<br />
'Harte' Drogen auf Rezept<br />
Heroinabhängige, die nicht mehr von<br />
der Droge los kommen, haben jetzt die<br />
Möglichkeit sich mit Diamorphin - pharmazeutisch<br />
reinem Heroin <strong>im</strong> Gegensatz<br />
zum gestreckten Straßenstoff - behandeln<br />
zu lassen. Der Gesetzentwurf zur<br />
Legalisierung ärztlich kontrollierter Abgabe<br />
von Heroin wurde am 28.05.2009<br />
vom B<strong>und</strong>estag erlassen. Best<strong>im</strong>mte Bedingungen<br />
sind allerdings daran geb<strong>und</strong>en:<br />
So müssen die Patienten mindestens<br />
23 Jahre alt <strong>und</strong> bereits seit fünf<br />
Jahren opiatabhängig sein sowie schwerwiegende<br />
psychische <strong>und</strong> körperliche<br />
Probleme aufweisen, die für die Vergabe<br />
zuständigen Ärzte benötigen eine besondere<br />
Zusatzausbildung. Sie dürfen<br />
Diamorphin nur in ganz best<strong>im</strong>mten<br />
Einrichtungen <strong>und</strong> das bis zu dre<strong>im</strong>al<br />
täglich verabreichen, da die Wirkung<br />
des Heroins nach etwa acht St<strong>und</strong>en<br />
nachlässt. Gr<strong>und</strong>lage für diese politische<br />
Entscheidung bildete eine Studie mit<br />
1000 Schwerstopiatabhängigen über<br />
mehrere Jahre, die den Erfolg der diamorphingestützten<br />
Behandlung aufzeigte.<br />
Der Ges<strong>und</strong>heitszustand der Probanden<br />
verbesserte sich nachhaltig, so<br />
Schlussakkord<br />
Alles schon mal da gewesen: In der<br />
Weltwirtschaftskrise 1929 (Oktober /<br />
schwarzer Freitag) riss der Börsenzusammenbruch<br />
in den USA Börsen <strong>und</strong><br />
Banken der meisten Welthandelsstaaten<br />
mit in den Strudel. In Deutschland<br />
stieg 1932 die Zahl der Arbeitslosen auf<br />
6 Millionen, in den USA erreichte sie<br />
ein Jahr später die Rekordhöhe von<br />
13,6 Millionen.<br />
_Seit Oktober des vergangenen Jahres<br />
kursiert <strong>im</strong> Internet - aber nicht nur<br />
dort - ein scharfsinniges Gedicht über<br />
die Mechanismen der Finanzkrise (<strong>und</strong><br />
die Gewinner <strong>und</strong> Verlierer), das - eben<br />
weil es so messerscharf <strong>und</strong> satirisch ist<br />
- dem Meistersatiriker der Zeit Kurt Tucholsky<br />
zugeschrieben wurde. Dieser<br />
habe es 1930 in der „Weltbühne“ veröffentlicht,<br />
kolportiert man ergänzend zu<br />
den Versen: „Damit sei ihm schon 1930<br />
ein prophetischer Vorausblick auf die<br />
aktuelle Finanzkrise gelungen“.<br />
dass sie teilweise sogar wieder fähig<br />
waren, einer geregelten Arbeit nachzugehen.<br />
Ebenso sank die Mortalitätsrate<br />
innerhalb der Probandengruppen, denn<br />
wenn ein Abhängiger stirbt, dann zumeist<br />
an schlecht gestreckter oder überdosierter<br />
'Schore'. In einer Begleitstudie<br />
wurde ermittelt, dass die Kr<strong>im</strong>inalitätsrate<br />
deutlich sank <strong>und</strong> die Zahl der Inhaftierungen<br />
sich signifikant verringerte.<br />
Insgesamt konnten durch die Vorteile<br />
der medizinisch kontrollierten Gabe von<br />
Diamorphin Kosten von 4460 Euro pro<br />
behandeltem Patienten eingespart werden.<br />
#<br />
Schriftsteller, ruhige Natur,<br />
Nichtraucher, viel unterwegs<br />
(Lesungen), sucht stilles,<br />
behagliches Kämmerlein<br />
in Münster (zentral) zum<br />
Schreiben <strong>und</strong> Schlafen.<br />
Gerne möbliert (8-16 qm²)<br />
zu sofort!<br />
Tel.: 0176-64699709<br />
_Das Gedicht stammt aber nicht von Tucholsky,<br />
sondern es wurde 2008 vom<br />
Wiener Autor Richard Kerschhofer geschrieben.<br />
Weil das Gedicht aber so gut<br />
zu Kurt Tucholsky gepasst hätte, haben<br />
angesehene Medien es so weiterverbreitet:<br />
„Ein Kuckucksei“ wie sich herausstellte.<br />
Auch ich wäre darauf hereingefallen,<br />
wenn ich mich nicht in letzter<br />
Sek<strong>und</strong>e be<strong>im</strong> Vorsitzenden der Tucholsky-Gesellschaft<br />
vergewissert hätte.<br />
_Wenn man sich allerdings die Ereignisse<br />
vor <strong>und</strong> nach der Weltwirtschaftskrise<br />
1929 <strong>und</strong> die Abläufe ein wenig näher<br />
ansieht, dann kommt man schon zu<br />
dem Schluss: Nichts dazugelernt! - Oder<br />
etwa doch? - Für die Zukunft?<br />
_P.S.: Ich habe versucht, mit dem Wiener<br />
Autor telefonisch <strong>und</strong> via E-Mail<br />
„grünes Licht“ für die Veröffentlichung<br />
seines sehr lesenswerten Gedichtes zu<br />
bekommen; leider bis zum Redaktionsschluss<br />
kein „grünes Licht“. #<br />
t<br />
Seit Jahren arbeiten wir<br />
mit der Firmengruppe<br />
Eckholt | Borgsmüller | Klingenfuß<br />
zusammen.<br />
Mit Familie Eckholt trauern wir<br />
um den Kaufmann <strong>und</strong><br />
Geschäftsführer<br />
Christian Eckholt<br />
* 23.10.1961 + 01.06.2009<br />
Gutes können wir<br />
von ihm erzählen:<br />
Er war uns <strong>im</strong>mer ein verständnisvoller,<br />
entgegenkommender<br />
Geschäftspartner <strong>und</strong> ein stets<br />
hilfreicher Mensch. Wir werden<br />
oft an ihn denken <strong>und</strong> <strong>im</strong>mer<br />
nur gut von ihm sprechen.<br />
Eine Redakteurstelle<br />
für die ~<br />
www.uwg-ms.de<br />
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Redaktionsschluss<br />
ist der 13. Juli<br />
Die neue ~<br />
erscheint am 31. Juli<br />
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Unabhängige Wählergemeinschaft für Münster<br />
27
28<br />
Anzeige<br />
~ schafft Arbeitsplätze<br />
Übernehmen Sie eine Patenschaft<br />
Ihren Lieblings ~-Verkäufer kennen<br />
Sie best<strong>im</strong>mt <strong>und</strong> sicher wissen<br />
Sie auch, wann Sie wen wo antreffen.<br />
Das hat seinen Gr<strong>und</strong>, denn viele unserer<br />
Mitarbeiter haben einen festen<br />
Stammplatz. Die Salzstraße, die Bücherei,<br />
die Wochenmärkte, die Post<br />
<strong>und</strong> der Hauptbahnhof gehören zu<br />
den bekanntesten Plätzen. Schon<br />
mancher ~-Verkäufer ist mittlerweile<br />
zu einem festen Haltepunkt geworden.<br />
Durch die regelmäßige Präsenz<br />
kann sich zwischen Käufer <strong>und</strong><br />
Verkäufer eine gute Beziehung entwickeln.<br />
Für viele Verkäufer eine wichtige<br />
Kommunikationsmöglichkeit mit<br />
der bürgerlichen Gesellschaft!<br />
_Einerseits ist Münster in einer glücklichen<br />
Lage: Dank der viele Wohnprojekte,<br />
Unterkünfte <strong>und</strong> Hilfsangebote leben<br />
hier nur noch ganz wenige wirklich auf<br />
der Straße, andererseits aber wird die<br />
Kluft zwischen Arm <strong>und</strong> Reich <strong>im</strong>mer<br />
tiefer <strong>und</strong> die Mittelschicht bröckelt. In<br />
der Vergangenheit kamen meist obdachlose<br />
Menschen zu uns, um ~<br />
zu verkaufen. Nun kommen <strong>im</strong>mer mehr<br />
arme, langzeitarbeitslose Menschen, die<br />
zwar eine Wohnung, aber sonst fast<br />
nichts mehr haben. Auch ihnen bietet<br />
der Verkauf der ~ eine Chance,<br />
zumindest einen Teil ihrer Probleme zu<br />
lösen. Sie profitieren nicht nur finanziell<br />
davon, sondern kommen „unter die<br />
Leute“, können die ganze Palette unserer<br />
Hilfsangebote in Anspruch nehmen.<br />
Über den Verkauf der Zeitschrift erhält<br />
der Verkäufer die Gelegenheit, Kontakte<br />
zu knüpfen <strong>und</strong> sich so ein tragfähiges<br />
soziales Umfeld zu schaffen. In unseren<br />
Büroräumen erhält er Beratung <strong>und</strong> Unterstützung<br />
bei kleinen <strong>und</strong> großen Sorgen<br />
des Alltags. Auf Wunsch sind wir als<br />
Vermittler z.B. bei Behörden, Gerichten<br />
<strong>und</strong> freien Trägern tätig.<br />
_Ein neues Ziel von ~ ist es, für<br />
die Verkäufer, die außerhalb des Projekts<br />
keine Arbeit finden, unbefristete,<br />
sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze<br />
zu schaffen. Denn nur so kommen<br />
sie aus dem Teufelskreis der Arbeits-<br />
<strong>und</strong> Wohnungslosigkeit raus,<br />
können sich ges<strong>und</strong>heitlich <strong>und</strong> finan-<br />
ziell sanieren <strong>und</strong> wieder gesellschaftlich<br />
integriert werden.<br />
_Vielen anderen Straßenzeitungen in<br />
Deutschland ist es inzwischen gelungen,<br />
durch ein Patenschaftsmodell einen Teil<br />
des Gehaltes, den angestellte Straßenzeitungs-Verkäufer<br />
nicht selbst erwirtschaften<br />
können, durch Patenschaften<br />
zu ergänzen. Diese Paten-Spendengelder<br />
werden nur für die Festanstellung<br />
<strong>und</strong> die Wiedereingliederung von langzeitarbeitslosen<br />
Menschen verwendet.<br />
Dazu können z.B. auch Zuzahlungen zur<br />
Zahnsanierung, zur Wohnungseinrichtung<br />
oder zur Entschuldung gehören.<br />
Das Straßenmagazin Biss aus München<br />
konnte auf diese Weise inzwischen über<br />
30 Verkäufern eine neue Perspektive<br />
eröffnen.<br />
_In München seit Jahren erfolgreich<br />
praktiziert, bedeutet das Projekt für<br />
Münster etwas völlig Neues; aber wir<br />
wollen anfangen: Für die Dauer von jeweils<br />
einem Jahr unterstützt die Arbeitsagentur<br />
<strong>im</strong> Einzelfall unser Vorhaben.<br />
Bereits in Kürze werden die ersten beiden<br />
Verkäufer eingestellt. Dabei wollen<br />
wir es jedoch nicht bewenden lassen.<br />
Wir möchten noch mehr sozialversicherungspflichtige<br />
Voll- <strong>und</strong> Teilzeit-Arbeitsplätze<br />
dauerhaft fördern <strong>und</strong> erhalten.<br />
Dafür brauchen wir schon jetzt<br />
Ihre Hilfe. ~ kann die Verkäufer<br />
nur weiterhin fest anstellen, wenn auch<br />
Sie uns durch eine Patenschaft unterstützen.<br />
Übernehmen Sie den Teil des<br />
Gehaltes, den weder der Verkäufer noch<br />
~ ohne die Gelder der Arbeitsagentur<br />
selbst erwirtschaften kann. Das<br />
sind durchschnittlich ca. 600 Euro pro<br />
Verkäufer <strong>und</strong> Monat. Selbstverständlich<br />
sind auch kleine Teilpatenschaften<br />
möglich. Schon kleinste Beträge können<br />
helfen, wenn Sie über einen längeren,<br />
für uns fest kalkulierbaren Zeitraum erfolgen.<br />
Sie erhalten jährlich eine Patenurk<strong>und</strong>e<br />
<strong>und</strong> eine Spendenquittung.<br />
_Früher stand <strong>im</strong> Paragrafen 72 BSHG<br />
(B<strong>und</strong>essozialhilfegesetz) zu lesen, dass<br />
die Hilfe zur Überwindung sozialer Schwierigkeiten<br />
alle Maßnahmen umfassen<br />
soll, die notwendig sind, um die<br />
Schwierigkeiten abzuwenden, zu be-<br />
seitigen, zu mildern oder ihre Verschl<strong>im</strong>merung<br />
zu verhüten. Dazu gehörten<br />
die Hilfe zur Ausbildung, Erlangung<br />
<strong>und</strong> Sicherung eines Arbeitsplatzes<br />
sowie Maßnahmen zur Beschaffung<br />
<strong>und</strong> Erhaltung einer Wohnung.<br />
Bei geeigneten Fällen war es<br />
erforderlich, einen Gesamtplan zu<br />
erstellen.<br />
_Seit Hartz IV setzt man bei der materiellen<br />
Gr<strong>und</strong>sicherung von Amts wegen<br />
auf Pauschalierung, jeder <strong>und</strong><br />
alles soll in einen gesetzten (engen)<br />
Rahmen passen. Sachbearbeiter haben<br />
seither fast keinen Spielraum mehr, <strong>im</strong><br />
Einzelfall individuell über Beihilfen<br />
oder Förderungen zu entscheiden. Das<br />
ist sehr zu bedauern! Denn die Betroffenen<br />
sind doch gerade deswegen in<br />
soziale Schwierigkeiten geraten, weil<br />
sie oft nicht in den Rahmen gepasst<br />
haben. Der ~-Rahmen soll individuell<br />
zugeschnitten sein. Wir bieten<br />
flexible Wege zur Lösung von Problemen<br />
an.<br />
_Die mit professionellem Anspruch<br />
gemachte Zeitschrift stellt existenzielle<br />
Themen in den Mittelpunkt <strong>und</strong> gibt<br />
den Betroffenen Raum für eigene Artikel.<br />
So entsteht ein Produkt, mit dem<br />
sich die Verkäufer identifizieren können<br />
<strong>und</strong> das den Lesern neue Blickwinkel<br />
aufzeigt. Die Zeitschrift, die die<br />
Glaubwürdigkeit des Projekts widerspiegelt,<br />
versteht sich als Lobby für<br />
Bürger in sozialen Schwierigkeiten. Sie<br />
weckt das öffentliche Interesse an<br />
Themen wie Armut <strong>und</strong> Obdachlosigkeit<br />
<strong>und</strong> bietet den Lesern auch konkrete<br />
Möglichkeiten zu einem finanziellen<br />
Engagement. Motivierte Verkäufer<br />
<strong>und</strong> verlässliche Fre<strong>und</strong>e <strong>und</strong><br />
Gönner sind die beiden wichtigen<br />
Voraussetzungen für eine kontinuierliche,<br />
erfolgreiche Arbeit.<br />
_Es kommt <strong>im</strong> Leben eben nicht aufs<br />
Hinfallen an, sondern auf das Wieder-<br />
Aufstehen! „Hilfe zur Selbsthilfe“ heißt<br />
unsere Devise <strong>und</strong> „Arbeit ist ein ganz<br />
wichtiger Lebensinhalt“. Schenken Sie<br />
das Beste, das man für Geld kaufen<br />
kann: Schenken Sie einen Arbeitsplatz!<br />
#
~<br />
Für Ihre<br />
Patenschaft<br />
unser<br />
Patenspendenkonto:<br />
Kto 34205427<br />
BLZ 40050150<br />
Sparkasse Münsterland Ost<br />
Anzeige<br />
Ihre Unterstützung ist Hilfe, die direkt ankommt<br />
Jeder Euro wird sinnvoll <strong>und</strong> verantwortungsvoll genutzt, um Obdachlosen <strong>und</strong> schwer<br />
vermittelbaren Langzeitarbeitslosen neue Chancen zur Verbesserung ihrer Lebenssituation<br />
zu bieten. Helfen Sie mit, es gibt vielfältige Möglichkeiten:<br />
Kaufen <strong>und</strong> Weiterempfehlen der ~ ist die direkte Hilfe zur Selbsthilfe für<br />
die VerkäuferInnen (kleines Zubrot, Akzeptanz, Eröffnung neuer<br />
Perspektiven) <strong>und</strong> steigert die Auflage der Zeitung. Preis: 1,80 Euro.<br />
Seitensponsoring ist eine besondere Form, die Druckkosten einer Seite in der<br />
~ direkt zu finanzieren. Preis: ab 50,-Euro. (Kto 33878, BLZ 40050150)<br />
Werbung in ~ unterstützt die laufenden Betriebskosten <strong>und</strong> zeigt außerdem<br />
Ihr gesellschaftliches Engagement <strong>und</strong> Ihre soziale Verantwortung. Preis ab<br />
58,- Euro (incl. MwSt.) (Kto 33878, BLZ 40050150)<br />
Spenden sind wichtig für den Erhalt des Projektes. Summe: beliebig (Kto 33878,<br />
BLZ 40050150)<br />
Patenschaften ermöglichen uns die Finanzierung von Voll- <strong>und</strong> Teilzeitstellen<br />
für Verkäufer. Summe: langfristig + beliebig
Anzeigen<br />
Rüdiger Sagel<br />
Landtagsabgeordneter<br />
Hier liegen Sie richtig!<br />
Original sozial, konsequent ökologisch!<br />
DIE LINKE. Münster steht für eine soziale, ökologische<br />
<strong>und</strong> solidarische Politik. Im reichen<br />
Münster gibt es eine fortschreitende soziale<br />
Spaltung in Arm <strong>und</strong> Reich. Menschen, die für<br />
Niedriglöhne arbeiten müssen oder erwerbslos<br />
sind, verb<strong>und</strong>en mit Verarmung <strong>und</strong> Spaltung,<br />
Ausgrenzung <strong>und</strong> Demütigung.<br />
Wir kämpfen dafür, dass niemand in die soziale Isolation<br />
gedrängt <strong>und</strong> dass Münster ökologischer wird.<br />
ORIGINAL SOZIAL - DIE LINKE. MÜNSTER<br />
Mehr Infos: www.die-linke-muenster.de
Das Kräuterplakat kann für 24 Euro in der<br />
~-Redaktion erworben werden.<br />
Anzeigen<br />
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