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Münsters mausetoter Bahnhof SPD und CDU im Interview - Draußen

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07 | 09<br />

1,80<br />

Straßenmagazin für Münster <strong>und</strong> Umland 0,70 Euro für den Verkäufer www.muenster.org/draussen<br />

<strong>Münsters</strong> <strong>mausetoter</strong> <strong>Bahnhof</strong><br />

<strong>SPD</strong> <strong>und</strong> <strong>CDU</strong> <strong>im</strong> <strong>Interview</strong>


2<br />

Editorial<br />

Liebe Leserinnen<br />

<strong>und</strong> Leser,<br />

Man sagt so leicht hin: Geld ist genug da, es ist nur nicht richtig<br />

verteilt! Und man sagt auch: Leistung soll angemessen, gerecht<br />

bezahlt werden! Soweit so gut.<br />

Da wechselt der Trainer des französischen Fußballspitzenreiters<br />

<strong>und</strong> erhält künftig sage <strong>und</strong> schreibe 250.000 Euro monatlich,<br />

da wechselt der in Köln so beliebte Trainer Christoph<br />

Daum in die Türkei <strong>und</strong> soll dort angeblich jährlich 3,5 Millionen<br />

erhalten = 291.666 Euro monatlich. Da wechselt der Fußballstar<br />

Kakà für 65 Millionen von Mailand nach Madrid <strong>und</strong><br />

bekommt 12 Millionen jährlich = 1 Mio. Euro monatlich <strong>und</strong>,<br />

letzte (Fußball-) Nachricht, Ronaldo wechselt für ein Jahressalär<br />

von 13 Mio. Euro von Manchester United zum selben Verein.<br />

Wenn man das liest, denkt man unwillkürlich an unsere<br />

Hartz-IV-Empfänger, die - folgt man dem Berliner Sozialsenator<br />

<strong>und</strong> einigen anderen gut verdienenden Koryphäen -<br />

eigentlich auch mit weniger Geld auskommen könnten! Da<br />

stellt sich für uns die Frage, wie diese Meinung zu den ständig<br />

steigenden Zahlen passt, die von den Wohlfahrtsverbänden zu<br />

den Tafeln gemeldet werden: Zur Zeit werden über eine Million<br />

Menschen in der B<strong>und</strong>esrepublik über die Tafeln zusätzlich<br />

versorgt, Anzahl steigend.<br />

Ein Hartz-IV-Empfänger bekommt monatlich 359 Euro hinzu<br />

kommen etwa 400 Euro für Miete. Ein Familienvater mit Frau<br />

Anzeige<br />

<strong>und</strong> zwei Kindern bekommt (je nach Alter der Kinder) 1.148<br />

Euro für den Lebensunterhalt <strong>und</strong> rd. 700 Euro für die Miete.<br />

Vom Monatsgehalt des „Geringverdienerbeispiels“ müsste der<br />

alleinstehende Hartz- IV-Empfänger 27 Jahre Leben! Die 4köpfige<br />

Familie vom Monatssalär von Christoph Daum <strong>im</strong>merhin<br />

13 Jahre. Wie lange ein Hartz-IV-Empfänger vom Monatseinkommen<br />

von Kakà leben müsste, mögen wir gar nicht<br />

mehr ausrechnen!<br />

Damit wir uns richtig verstehen, hier soll keine Attacke gegen<br />

Menschen geritten werden, deren besondere Leistungen auch<br />

besonders bezahlt werden - gerecht bezahlt werden!?! Wir<br />

möchten nur noch einmal das Kontrastprogramm aufzeigen<br />

<strong>und</strong> wir wünschen uns sehr, dass endlich Schluss ist mit dem<br />

Gerede, die Hartz-IV-Empfänger seien alle selber Schuld an<br />

ihrer Situation <strong>und</strong> sie sollten nur arbeiten gehen, dann ging<br />

es ihnen auch besser <strong>und</strong> sie hätten ja sowieso alle ein Auto<br />

<strong>und</strong> würden zusätzlich schwarz arbeiten - diese Verallgemeinerung<br />

ist schlicht <strong>und</strong> ergreifend blühender Unsinn!<br />

Eine Diskussion mit Augenmaß - die würden wir uns wünschen!<br />

Herzlich<br />

Ihr<br />

Horst Gärtner


4<br />

<strong>Münsters</strong> unendliche <strong>Bahnhof</strong>-Geschichte<br />

Fotos von Sigi Nasner zum Artikel von Michael Heß


Impressum<br />

Herausgeber<br />

„~“ e.V.<br />

Berliner Platz 8<br />

48143 Münster<br />

Redaktion<br />

Heinz Dalmühle<br />

Sabrina Kipp<br />

Sigi Nasner<br />

Carsten Scheiper (V.i.S.d.P.)<br />

Tel.: 0251 / 4909118<br />

E-Mail-Adresse<br />

draussen-redaktion@live.de<br />

Streetwork<br />

Sabrina Kipp<br />

draussen-kipp@hotmail.com<br />

Internetseite<br />

Administrator: Cyrus Tahbasian<br />

www.muenster.org/draussen<br />

An dieser Ausgabe haben mitgearbeitet<br />

Heinz Dalmühle, Neema Dalmühle, Roberto J.<br />

De Lapuente, Christian Döscher, Silke<br />

Fluchtmann, Patricia Gallagher, Horst Gärtner,<br />

Ingo Giesen, Michael Heß, Sabrina Kipp, Sigi<br />

Nasner, Marc Peschke, Jörg Pöpping, Annette<br />

Poethke, Carsten Scheiper, Marcel-Phillipp<br />

Werdier<br />

Fotos<br />

Heinz Dalmühle, Patricia Gallagher, Michael<br />

Heß, Sabrina Kipp, Sigi Nasner, Seelenfleck,<br />

Marcel-Phillipp Werdier, Preußen Münster<br />

Titelfoto<br />

Sigi Nasner<br />

Layout, Titelgestaltung<br />

Heinz Dalmühle<br />

Gestaltungskonzept<br />

Lisa Schwarz/Christian Büning<br />

Auflage 8000<br />

Druck<br />

Borgsmüller Druck<br />

unterstützt durch<br />

Siverdes-Stiftung<br />

Fontshop, Berlin (spendierte<br />

die Satzschrift FF Fago)<br />

Bankverbindung<br />

Sparkasse Münsterland Ost<br />

Konto-Nr. 33 878<br />

BLZ 400 501 50<br />

Paten-Spenden-Konto<br />

Sparkasse Münsterland Ost<br />

Konto-Nr. 34205427<br />

BLZ 400 501 50<br />

Wir danken allen Spendern!<br />

Bitte berücksichtigen Sie<br />

unsere Anzeigenpartner<br />

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Inhalt<br />

Zug endlich abgefahren?<br />

„Der <strong>Bahnhof</strong> ist mausetot“<br />

„Wir brauchen ein neues Politikmodell“<br />

<strong>SPD</strong>-Kandidat Heuer zum Wahlkampf<br />

Ein greises Nervenbündel<br />

Deutsche Geschwisterliebe<br />

„Die Sprache der Münsteraner sprechen“<br />

<strong>CDU</strong>-Kandidat Lewe <strong>im</strong> Gespräch<br />

Rohstoffe für die Welt<br />

Arme Länder ausgetrickst<br />

Dharma-Punx<br />

Gegen Hass, gegen Gier, gegen den Strom<br />

Streetworker in Münster<br />

Jugendhilfe an der Basis<br />

Reise durch die Kunstgeschichte<br />

Aussagen des Realismus<br />

Preußen Report<br />

Rückblick 100 Jahre Preußen Münster<br />

Fernweh nach dem Nahen Osten<br />

Bauchschmerzen inbegriffen<br />

Rezepte<br />

Nichts für Vampiere<br />

~ schafft Arbeitsplätze<br />

Neues Projekt braucht Unterstützung<br />

Anzeige<br />

5


6<br />

Bericht | Text: Michael Heß | Fotos: Sigi Nasner<br />

Zug endlich abgefahren?<br />

<strong>Münsters</strong> unendliche <strong>Bahnhof</strong>-Geschichte<br />

Seine besten Tage hat <strong>Münsters</strong> <strong>Bahnhof</strong><br />

lange hinter sich. In den zwanziger<br />

Jahren hoch gelobt als Paradebeispiel<br />

zeitgeistiger <strong>und</strong> funktionaler Architektur<br />

zugleich <strong>und</strong> nochmals nach<br />

dem Wiederaufbau in den 50ern. Seitdem<br />

ist der Lack ab, hat sich auch bei<br />

der Bahn viel verändert <strong>und</strong> mutieren<br />

Bahnhöfe zu umstrittenen Renditeobjekten.<br />

<strong>Münsters</strong> unendliche <strong>Bahnhof</strong>sgeschichte<br />

zeichnet ~-Autor Michael<br />

Heß nach.<br />

_Die Jahrzehnte lange Vorgeschichte für<br />

einen neuen <strong>Bahnhof</strong> ist hier nicht darstellbar.<br />

Beginnen wir mit dem scheinbaren<br />

Einbiegen auf die Zielgerade. Am<br />

24. Oktober 2007 entscheidet sich der<br />

Rat einst<strong>im</strong>mig für den Bauentwurf des<br />

Ettlinger Projektentwicklers TIMON. Nicht<br />

zum Zuge kommt nach harten Auseinandersetzungen<br />

das Essener Unternehmen<br />

MFI. Der entscheidende Unterschied<br />

besteht in der deutlich geringeren<br />

Fläche, die der TIMON-Entwurf für<br />

Einzelhandel vorsieht. Investoren, Politiker<br />

<strong>und</strong> Stadtverwaltung freuen sich<br />

mit Getöse, <strong>Münsters</strong> Einkaufszentrum<br />

mit Gleisanschluss rückt scheinbar in<br />

greifbare Nähe. Die Bagger könnten bestellt<br />

werden oder Münster habe 2010<br />

einen neuen <strong>Bahnhof</strong>, heißt es bei Stadt<br />

<strong>und</strong> Bahn opt<strong>im</strong>istisch. Weitere 12.000<br />

Quadratmeter Verkaufsfläche blühen<br />

der Stadt, das gesamte Finanzierungsvolumen<br />

erreicht 80 Millionen Euro <strong>und</strong><br />

von Finanzmarktkrise noch keine Spur.<br />

Hauptfinanzier neben der Bahn: die als<br />

äußerst solvent geltende Landesbank<br />

Baden-Württemberg LBBW.<br />

_Dabei waren von Anfang an die Verkaufsflächen<br />

der Knackpunkt des Konzeptes.<br />

Die private Investition ruft nach<br />

Rendite in einer Stadt, die r<strong>und</strong> um<br />

Münster-Arkaden <strong>und</strong> Stubengasse mit<br />

neuen Flächen bestens bestückt ist.<br />

Damit sich der <strong>Bahnhof</strong> rechnet, seien<br />

mindestens 30.000 Quadratmeter Verkaufsfläche<br />

nötig - so Branchenexperten.<br />

Also das Zweieinhalbfache der Planungen,<br />

für die TIMON den Zuschlag bekommt.<br />

Zum Vergleich bieten die Arkaden<br />

26.000 Quadratmeter, die Stubengasse<br />

9.400 <strong>und</strong> der jetzige <strong>Bahnhof</strong><br />

6.200. Es konnte einfach nicht<br />

klappen. „Der <strong>Bahnhof</strong> ist mausetot“,<br />

äußert ein Stadtplaner intern schon <strong>im</strong><br />

Herbst 2008.<br />

_Das absehbare Ende kommt auf leisen<br />

Sohlen. Im Spätsommer 2008 reduziert<br />

TIMON den Baukörper eigenmächtig um<br />

drei Etagen, da sich die dort vorgesehenen<br />

Büroflächen nicht mehr vermarkten<br />

lassen. Dafür wünscht TIMON mehr Verkaufsfläche.<br />

Die Stadt, den lokalen Einzelhandel<br />

<strong>im</strong> Nacken, antwortet: „Es<br />

gibt nichts zu verhandeln.“ Zeitgleich<br />

kündigt der damalige Bahnchef Mehdorn<br />

erste Bauarbeiten noch für dieses<br />

Jahr an. Die Gerüchteküche wabert <strong>und</strong><br />

die einsetzende Finanzmarktkrise tut<br />

ein übriges.<br />

_Denn der eigenmächtige Verzicht auf<br />

die Büroflächen durch TIMON ist gut begründet.<br />

Mit Schreiben vom 22. September<br />

2008 dankt die LBBW Stadtdirektor<br />

Schultheiß für die bisherige gute Zusammenarbeit,<br />

teilt kurz <strong>und</strong> knapp<br />

mit, „das Projekt...unter den gegenwärtigen<br />

Rahmenbedingungen nicht<br />

weiter zu verfolgen.“ Mit „gegenwärtigen<br />

Rahmenbedingungen“ sind steigende<br />

Kreditzinsen <strong>und</strong> Baupreise sowie<br />

sinkende Verkaufserlöse gemeint.<br />

Der eigentliche Skandal ist, dass sich<br />

die LBBW bereits zwei Monate zuvor, <strong>im</strong><br />

Juli 2008, von TIMON trennte. Dort hielt<br />

man es für nicht nötig, die Stadt Münster<br />

von der Entwicklung zu informieren.<br />

Fern von Münster, auf einem Immobilienkongress<br />

in München, äußern sich<br />

die Beteiligten zum neuen Sachstand.<br />

Erste Zweifel an der Seriosität des schwäbischen<br />

Projektentwicklers tauchen auf.<br />

Dessen Chef Günther Tetzner tönt indessen<br />

noch am 25. September 2008<br />

während eines Krisengipfels vor Ort, der<br />

LBBW-Ausstieg beeinträchtige das Projekt<br />

nicht. Das Problem ist einsichtig:<br />

Verkehrsanlagen (Bahn) <strong>und</strong> Empfangsgebäude<br />

(TIMON) können nur gemeinsam<br />

saniert bzw. neu gebaut werden.<br />

Isolierte Lösungen schaffen nur verbranntes<br />

Geld.<br />

_Das fortgesetzte Schielen auf die LBBW<br />

kann ebenso nichts mehr bringen. Eine<br />

Recherche bei der internationalen Wirtschaftsauskunftei<br />

Bloomberg offenbart<br />

zu diesem Zeitpunkt bis zu 45 Milliarden<br />

Dollar fauler Kredite, auf denen die LBBW<br />

sitzt. Kein W<strong>und</strong>er, wenn die Schwaben<br />

das Münsteraner Engagement abblasen.<br />

Es rechnet sich einfach nicht. Als die<br />

LBBW die Reißleine zieht, sind bereits<br />

300 Millionen Euro an Verlusten angehäuft.<br />

Und es ist sehr unwahrscheinlich,<br />

das sich die Situation mittelfristig<br />

zum Besseren wendet. Ohnehin seien<br />

die Finanzierungszusagen <strong>im</strong>mer nur<br />

Absichtserklärungen gewesen. Auf den<br />

Punkt bringt es die konservative Frankfurter<br />

Allgemeine am 22. November des<br />

vergangenen Jahres: „Unabhängig aber<br />

davon, welche Bilanzkosmetik man aufträgt,<br />

lässt es sich kaum länger schönreden:<br />

Auch die LBBW ist angeschlagen<br />

<strong>und</strong> arbeitet nach den Pleiten von Island<br />

<strong>und</strong> Lehmann mit Verlusten in hoher<br />

dreistelliger Millionenhöhe.“ In der<br />

Stuttgarter Katharinenstraße herrschen<br />

bis auf weiteres ganz andere Sorgen als<br />

am Münsteraner Pinzipalmarkt.<br />

_Der Ausstieg des Hauptfinanziers wirft<br />

zwangsläufig die Frage nach dem weiteren<br />

Prozedere auf. Mitte Januar 2009<br />

kündigt TIMON-Projektleiter Frank Köllner<br />

betont opt<strong>im</strong>istisch „Gespräche mit


drei Interessenten“ an, Namen werden<br />

trotz Nachfragen nicht genannt. Wenig<br />

überraschend, lösen sich diese „drei<br />

Interessenten“ auch wieder in Wohlgefallen<br />

auf. Möglich, es war erneut heiße<br />

Luft. TIMON hält die Öffentlichkeit jedenfalls<br />

weiterhin hin, die Deutsche Bahn<br />

stellt dafür <strong>im</strong> Februar TIMON den Stuhl<br />

vor die Tür. Als Gr<strong>und</strong> werden deutlich<br />

höhere Baukosten als bisher prognostiziert<br />

genannt. Es ist nach dem Ausstieg<br />

der LBBW sieben Monate zuvor der<br />

zweite Volltreffer auf das schillernde<br />

Vorhaben. Am 21. Februar prophezeit<br />

die <strong>Münsters</strong>che Zeitung nüchtern: „Die<br />

Sanierung ist vermutlich gescheitert.“<br />

Gleichwohl bekommt TIMON von der<br />

Bahn eine Gnadenfrist von vier Wochen<br />

für die Investorensuche. Mitte März tönt<br />

TIMON , ein „kapitalstarker Investor“ sei<br />

gef<strong>und</strong>en, wenn auch erneut kein Name<br />

genannt wird. Am 9. April klappt die<br />

Bahn endgültig das Kapitel TIMON zu<br />

<strong>und</strong> begräbt damit das <strong>Bahnhof</strong>sprojekt.<br />

„Die Zusammenarbeit ist beendet, das<br />

Projekt gescheitert“, heißt es lapidar<br />

aus Berlin. Das Desaster ist offenbar.<br />

_Die Lokalpolitik darf man vom Fehlschlag<br />

nicht freisprechen. Im Bestreben,<br />

sich <strong>im</strong> Superwahljahr zum Vater des<br />

Erfolges zu machen, überbieten sich<br />

<strong>Münsters</strong> Ratsparteien wechselseitig mit<br />

vorauseilenden Zusagen. Besonders dieser<br />

Erfolg soll viele Väter haben. Was<br />

dann auf der Ratssitzung am 7. Mai passiert,<br />

ist ein Lehrstück in Sachen Psychologie<br />

der Massen. Wer dabei war, hat<br />

erlebt, wie man sich gegenseitig besoffen<br />

reden kann. Ein Wort gibt das andere,<br />

man redet sich über Parteigrenzen<br />

in einen wahren Rausch <strong>und</strong> schwelgt<br />

in sich überbietenden <strong>Bahnhof</strong>sfantasien.<br />

Mittendrin kippt auch die UWG<br />

um, die noch am Vortag in der Lokalpresse<br />

städtische Gelder lieber in der<br />

Bildung <strong>und</strong> fürs Flicken maroder Strassen<br />

<strong>im</strong> Hansaviertel verwendet wissen<br />

wollte. Nur die LINKE bleibt standhaft<br />

<strong>und</strong> verwies auf die Pflichten der Eigentümerin<br />

Deutsche Bahn. Ungeachtet der<br />

schlechten Rahmenbedingungen wird<br />

der Beschlussvorlage V/0331/2008 fast<br />

einst<strong>im</strong>mig zugest<strong>im</strong>mt. Beschlossen<br />

wird, für die Sanierung des <strong>Bahnhof</strong>sgebäudes<br />

fünf Millionen Euro bereit zu<br />

stellen. Dafür sind schon geplante Sanierungen<br />

für Abwasserkanäle <strong>und</strong><br />

Strasßen in Handorf, in Mariental <strong>und</strong> in<br />

Roxel sowie <strong>im</strong> Hansaviertel aufzuschieben.<br />

Zur Erinnerung: Eigentümerin des<br />

<strong>Bahnhof</strong>sgebäudes ist die Deutsche<br />

Bahn <strong>und</strong> die strebt renditegetr<strong>im</strong>mt an<br />

die Börse.<br />

_Es ist schwierig, <strong>im</strong> Dickicht von Eigeninteressen,<br />

Prinzip Hoffnung <strong>und</strong> Wunschdenken<br />

das Wesen der Sache zu erkennen.<br />

Die Verfälschung beginnt schon bei<br />

der systematischen sprachlichen Übertreibung.<br />

„Marode“ sei der <strong>Bahnhof</strong>, so<br />

eine gängige Floskel. Eine Ruine stehe<br />

zwischen Berliner <strong>und</strong> Bremer Platz,<br />

nicht vorzeigbar - das sind noch die geringsten<br />

Bezeichnungen. Aber die ständigen<br />

Übertreibungen schaffen keine<br />

Fakten <strong>und</strong> „marode“ Bahnhöfe sehen<br />

anders aus. In der deutschen Provinz -<br />

in Ost wie West - kann man „marode“<br />

Bahnhöfe bestens studieren. Das sehr<br />

nahe Hiltrup gehört schon dazu. Der<br />

Hauptbahnhof hat unbestritten frische<br />

Farbe <strong>und</strong> einiges mehr nötig. „Marode“<br />

ist er deshalb noch lange nicht.<br />

_Falsche Aufgeregtheiten prägen auch<br />

die Debatte um die nicht vorhandenen<br />

Aufzüge <strong>und</strong> still gelegten Transportbänder<br />

fürs Gepäck. Die Aufzüge sind<br />

erst zu bauen <strong>und</strong> die Bänder wurden<br />

nach einem schweren Unfall <strong>im</strong> Kölner<br />

Hauptbahnhof still gelegt. Damit folgte<br />

das heftig kritisierte <strong>Bahnhof</strong>smanagement<br />

nur den gängigen Vorschriften. Es<br />

tat seine Pflicht, denn man stelle sich<br />

den Aufschrei vor, wenn an den weiterhin<br />

betriebenen Bändern ein erneuter<br />

Unfall passierte. Auf den Leserbriefseiten<br />

der Lokalpresse herrscht indes ein<br />

anderer Ton; das unsachliche „damit<br />

falle die Bahn in die Service-Wüste der<br />

Nachkriegsjahre zurück“ darf als Übertreibung<br />

des Jahres gelten. Kurzum, das<br />

<strong>Bahnhof</strong>smanagement gibt, eingeklemmt<br />

zwischen politisch instrumentalisierter<br />

Empörung <strong>und</strong> den Vorgaben seiner vorgesetzten<br />

Strukturen einmal mehr den<br />

Prügelknaben für Politik, Medien <strong>und</strong><br />

sch<strong>im</strong>pfwütige Bürger ab.<br />

_Dass in den <strong>Bahnhof</strong> lange Zeit nichts<br />

investiert wurde, st<strong>im</strong>mt als Aussage<br />

ebenso wenig. Seit 1985 wurden durch<br />

verschiedene öffentliche Finanziers,<br />

u.a. auch der Bahn, mehr als 52 Millionen<br />

Euro in <strong>und</strong> um den <strong>Bahnhof</strong> herum<br />

investiert. Der Ratsbeschluss vom 7.<br />

Mai packt weitere 5 Millionen Euro hinzu.<br />

Gelder flossen unter anderem in die<br />

Sanierung des ehemaligen DB-Direktionsgebäudes<br />

(11,1 Mio Euro), in den Bau<br />

der Fahrradstation (6,75 Mio Euro), in<br />

die Errichtung der 3-S-Zentrale <strong>im</strong><br />

Hauptgebäude (2,99 Mio Euro) oder in<br />

die Modernisierung der DB-Lokleitung<br />

(500.000 Euro). Eine detaillierte Auflistung<br />

dieser Investitionen umfasst 25<br />

Positionen.<br />

_Erstaunlich ist außerdem, wie konsequent<br />

sich die medialen <strong>und</strong> politischen<br />

Akteure <strong>Münsters</strong> dem entscheidenden<br />

Zusammenhang verweigern: Wer einen<br />

neuen <strong>Bahnhof</strong> (oder so gut wie neu)<br />

haben will, der braucht eine andere<br />

Bahn! Der braucht eine Bahn, deren<br />

höchste Priorität eben nicht der Gang<br />

an die Börse ist, wie seit zehn Jahren<br />

angestrebt. So unangenehm die Frage<br />

auch sein mag, steht sie <strong>im</strong> Raum <strong>und</strong><br />

harrt einer Antwort. Warum soll sich ein<br />

auf Gewinnmax<strong>im</strong>ierung getr<strong>im</strong>mtes<br />

privates Unternehmen mit Sitz am Potsdamer<br />

Platz in Berlin für die Belange<br />

einer 600 Kilometer entfernten Provinzstadt<br />

interessieren? Was kümmert es am<br />

Potsdamer Platz in Berlin, wie es am<br />

Berliner Platz in Münster aussieht? Von<br />

Münsteraner Lokalgrößen gebrauchte<br />

Begriffe wie „Stadtbild“ oder „Visitenkarte“<br />

vermögen den Vorstand der<br />

Deutschen Bahn nicht zu erwärmen.<br />

Der hat ganz anderes <strong>im</strong> Sinn, bei dem<br />

die Vokabel „Münster“ nur eine Störgröße<br />

bildet. Der Vorstand der Deutschen<br />

Bahn ist seinen Aktionären verpflichtet,<br />

nicht aber der Stadt Münster,<br />

die leider kein Aktionär der Bahn ist.<br />

Und noch konsequenter gefragt: Sind<br />

solche privaten Investitionen für Renditen<br />

<strong>im</strong> öffentlichen Raum, der der<br />

Daseinsvorsorge verpflichtet ist, überhaupt<br />

machbar?<br />

_Wie geht es nun weiter? Während auf<br />

Nebenschauplätzen wie Aufzug, Gepäckband<br />

<strong>und</strong> Co. heftig debattiert<br />

wird, herrscht zur Hauptsache beredtes<br />

Schweigen. Gesprächsanfragen bei der<br />

Bahn <strong>und</strong> bei der Stadtverwaltung verlaufen<br />

ergebnislos. Wohl keiner der Beteiligten<br />

in spe möchte sich zu weit aus<br />

dem Fenster lehnen. Erst recht nicht <strong>im</strong><br />

Dauerwahlkampf des Jahres 2009. Die<br />

Parteien stochern mit hilflosen Aussagen<br />

herum, wollen gar Bürger <strong>und</strong><br />

Banken <strong>und</strong> noch mehr als fünf Millionen<br />

ins Gelingen einbringen. Doch es<br />

gibt Fingerzeige auf eine bessere Zukunft<br />

jenseits aller Politkalküle. Der<br />

Umbau des Bochumer Hauptbahnhofes<br />

gehört dazu, der Leserbrief einer Münsteranerin<br />

in den WN vom 13. Mai 2009<br />

ebenfalls. Diese regt einen städtischen<br />

Ideenwettbewerb zur Sanierung unter<br />

Beibehaltung des jetzigen Charakters<br />

des Wiederaufbaus der 50er <strong>und</strong> 60er<br />

Jahre an. Es wäre nicht das Schlechteste:<br />

der <strong>Bahnhof</strong> als Denkmal aus besseren<br />

Tagen statt als Renditeobjekt. #<br />

7


8<br />

<strong>Interview</strong> | Text: Michael Heß <strong>und</strong> Sigi Nasner | Fotos: Sigi Nasner<br />

„Wir brauchen ein neues Politikmodell“<br />

<strong>Interview</strong> mit dem OB-Kandidaten <strong>und</strong> <strong>SPD</strong>-Ratsherren Wolfgang Heuer<br />

<strong>Münsters</strong> Rote haben es nicht leicht.<br />

Sie streiten beinhart für Erzieherinnen<br />

<strong>und</strong> für neue Gewerbegebiete <strong>und</strong> die<br />

Grünen sitzen ihnen <strong>im</strong> Nacken. Aber<br />

die <strong>SPD</strong>-Ratsfraktion gilt auch als pragmatische<br />

Opposition mit ernsthaftem<br />

Gestaltungsanspruch. Nach zehn Jahren<br />

in der Opposition rechnet man sich<br />

nun gute Chancen auf die Ratsmehrheit<br />

aus. Mit dem roten OB-Kandidaten<br />

Wolfgang Heuer unterhielten sich<br />

Michael Heß <strong>und</strong> Sigi Nasner.<br />

~: Herr Heuer, Sie sind vielleicht<br />

der nächste Oberbürgermeister der Stadt.<br />

Stellen Sie sich bitte einmal kurz vor.<br />

Wolfgang Heuer: Ich bin Jahrgang 1962<br />

<strong>und</strong> in Bad Neuenahr <strong>im</strong> Rheinland aufgewachsen.<br />

Studium der Politikwissenschaft<br />

<strong>und</strong> Soziologie in Marburg <strong>und</strong><br />

Münster, zunächst beschäftigt am Institut<br />

für Politikwissenschaft der Universität<br />

<strong>und</strong> danach Mitarbeiter bei der <strong>SPD</strong>-<br />

B<strong>und</strong>estagsfraktion. Seit 1998 arbeite<br />

ich in der Universitätsverwaltung <strong>und</strong><br />

bin heute zuständig für das Marketing<br />

der WWU. Ganz privat: Ich lebe mit meiner<br />

Partnerin <strong>im</strong> Kreuzviertel.<br />

~: Was treibt Sie denn auf den<br />

Gipfel der Kommunalpolitik?<br />

Wolfgang Heuer: Ich mache als Fraktionsvorsitzender<br />

der <strong>SPD</strong> nun <strong>im</strong> achten<br />

Jahr Politik an verantwortlicher Stelle<br />

<strong>und</strong> fühle mich Münster sehr verb<strong>und</strong>en.<br />

Das betrifft sowohl die Bürgerinnen<br />

<strong>und</strong> Bürger wie auch den Rat <strong>und</strong> die<br />

Stadtverwaltung. Ich möchte jetzt den<br />

nächsten Schritt tun <strong>und</strong> Oberbürgermeister<br />

unserer schönen Stadt werden.<br />

~: Ihr Konkurrent um das Amt, Markus<br />

Lewe, gilt als großer Moderator, während<br />

Sie die Dinge gerne auf den Punkt<br />

bringen. Handicap oder Vorteil für Sie?<br />

Wolfgang Heuer: Solche Klischees sollten<br />

Journalisten schon kritisch beleuchten.<br />

Denn beide Fähigkeiten sind wichtig<br />

<strong>im</strong> Amt eines Oberbürgermeisters.<br />

Richtig ist, dass ich die Dinge be<strong>im</strong><br />

Namen nenne.<br />

~: Wir haben verstanden. Ganz<br />

unbestritten ist aber Ihr rhetorisches Talent.<br />

Wo lernt man denn das?<br />

Wolfgang Heuer: Ich habe nie entsprechende<br />

Seminare besucht, das hat sich<br />

in der politischen Arbeit halt so ergeben.<br />

Danke für das Kompl<strong>im</strong>ent.<br />

~: Welche Politikfelder besetzen<br />

Sie <strong>im</strong> einzelnen?<br />

Wolfgang Heuer: Als Fraktionsvorsitzender<br />

bin ich in der Situation, zu jedem<br />

Thema Stellung nehmen zu können. Als<br />

Vorsitzender des Planungsausschusses<br />

besetze ich zwangsläufig die Schwerpunkte<br />

Stadtplanung <strong>und</strong> Standortentwicklung,<br />

aber auch die Frage der Finanzen.<br />

Letztlich sehe ich überall da,<br />

wo es um Existenzen in unserer Stadt<br />

geht, meine politische Kernverantwortung.<br />

~: Die <strong>SPD</strong> ist seit 1999 in der Opposition.<br />

Welche politischen Erfolge reklamiert<br />

die <strong>SPD</strong> dennoch für sich?<br />

Wolfgang Heuer: Ich möchte mich auf<br />

die letzte Wahlperiode seit 2004 beschränken.<br />

Es war hart genug, in der<br />

Opposition gewesen zu sein. Zu unseren<br />

Erfolgen zählen wir die Verhinderung<br />

eines Schulentwicklungsplanes, der sich<br />

ausschließlich an mathematischen Modellen<br />

der Raumnutzung orientierte.<br />

Kinder, Lehrer <strong>und</strong> Eltern kamen als Betroffene<br />

gar nicht vor. Auch die Frage<br />

der Schulbuchzuschüsse für Kinder aus<br />

einkommensschwachen Haushalten<br />

zähle ich zu unseren Erfolgen: Nach<br />

unserem entschiedenen Widerstand<br />

schwenkte die Ratsmehrheit um <strong>und</strong><br />

stellte die ursprünglich gestrichenen<br />

Zuschüsse doch wieder bereit. Eine ganz<br />

besonders bittere Niederlage war dagegen,<br />

dass wir 2007 die Art der Umstellung<br />

der Arbeitsverträge für Erzieherinnen<br />

auf den Tarifvertrag für den Öffentlichen<br />

Dienst TÖvD nicht verhindern<br />

konnten (den befristet beschäftigten<br />

Erzieherinnen wurde von der Stadt<br />

Münster nach altem BAT erst gekündigt,<br />

um sie nach 30 Tagen Arbeitslosigkeit<br />

nach neuem TÖvD zu deutlich schlechteren<br />

Konditionen wieder einzustellen -<br />

die Red.). Die Stadt Münster war eine<br />

der wenigen Städte, die zu diesem Mittel<br />

des Lohndumpings gegriffen hat.<br />

~: Liegt Ihnen noch die Unterstützung<br />

für die Musikhalle <strong>im</strong> Magen?<br />

Wolfgang Heuer: Nein, die Sache ist<br />

eindeutig entschieden <strong>und</strong> abgehakt. In<br />

Kenntnis des Ergebnisses ist heute klar,<br />

wie man unsere damalige Einschätzung<br />

bewerten muss.<br />

~: <strong>SPD</strong> <strong>und</strong> Grüne liegen in Münster<br />

beinahe gleichauf. Wie schätzen Sie<br />

das Verhältnis der <strong>SPD</strong> zum wahrscheinlichen<br />

Koalitionspartner Grüne ein? Was<br />

hat die <strong>SPD</strong> für deren Verzicht auf einen<br />

eigenen OB-Kandidaten zugestanden?<br />

Wolfgang Heuer: Zunächst ist unser Verhältnis<br />

zu Grün das zu einem normalen<br />

politischen Mitbewerber. Im Kern sehe<br />

ich aber ein zunehmend gutes Verhältnis.<br />

In manchen Fragen arbeiten wir eng<br />

zusammen, ich kann mir vorstellen,<br />

dass sich das noch weiter vertieft. Andererseits<br />

haben wir uns <strong>im</strong> Herbst 2008<br />

verständigt, den städtischen Anteil von<br />

ca. 40 Millionen Euro an dem <strong>im</strong> Bau<br />

befindlichen RWE-Steinkohlekraftwerk


in Hamm zu verkaufen. Das Geld wollen<br />

wir besser in die Stadtwerke Münster<br />

investieren, in ein kommunales Programm<br />

für Arbeitsplätze <strong>und</strong> nachhaltige Energiepolitik,<br />

um bezahlbare <strong>und</strong> erneuerbare<br />

Energie für die Bürger zu liefern.<br />

~: Sind Koalitionen mit anderen<br />

Parteien als Grün denkbar? Zum Beispiel<br />

mit den LINKEN?<br />

Wolfgang Heuer: Für mich ist eine Koalition<br />

mit der LINKEN aus heutiger Sicht<br />

nicht vorstellbar. Es handelt sich um<br />

eine neue Partei mit derzeit einem Ratsmandat<br />

<strong>und</strong> neuen Leuten auf der Ratsliste.<br />

Insgesamt muss man nach der<br />

Wahl sehen. Möglicherweise wird es<br />

wechselnde Mehrheiten <strong>im</strong> Rat geben,<br />

so wie jetzt schon in vielen anderen<br />

Städten.<br />

~: Tempol<strong>im</strong>it, <strong>Bahnhof</strong>, Ganztagsschulen<br />

- was sagt Ihre Partei zu<br />

diesen Projekten?<br />

Wolfgang Heuer: Experten weisen auf<br />

Unfallhäufungen an best<strong>im</strong>mten Strassenabschnitten<br />

aufgr<strong>und</strong> zu hoher Geschwindigkeiten<br />

hin. An diesen Stellen<br />

ist eine Absenkung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit<br />

erforderlich. Wir sind<br />

aber gegen eine Rasenmähermethode.<br />

Best<strong>im</strong>mte Straßen lassen auch weiterhin<br />

ein höheres Tempo zu, etwa Tempo<br />

70 auf der Umgehung. Der <strong>Bahnhof</strong> ist<br />

ein einziges Drama. Ich rechne aber damit,<br />

dass wir in der kommenden Wahlperiode<br />

mit bescheideneren Maßstäben<br />

als bisher eine Sanierung erleben werden.<br />

Der <strong>Bahnhof</strong>sumbau ist das wichtigste<br />

regionale Verkehrsprojekt <strong>und</strong> die<br />

kommunale Beteiligung an der Sanierung<br />

ist wohl weiterhin notwendig. Die<br />

Ganztagsschule ist für mich eines der<br />

herausragenden Themen in Münster. Wir<br />

sehen hier die Stadt in einer Kernver-<br />

antwortung, jedem Kind ein passendes<br />

Angebot zu machen. Außerdem müssen<br />

die Ganztagsangebote weiter professionalisiert<br />

<strong>und</strong> die Arbeitsbedingungen<br />

verbessert werden.<br />

~: Warum wird das Thema erst<br />

jetzt erkannt?<br />

Wolfgang Heuer: Das hat meines Erachtens<br />

mit einem veralteten Politikmodell<br />

zu tun. Dort waren nur die so genannten<br />

„harten Themen“ wie Finanzen,<br />

Stadtplanung <strong>und</strong> Verkehr wirklich wichtig.<br />

Bildung <strong>und</strong> Familie standen sehr<br />

lange Zeit am Rande, galten vielfach als<br />

„Gedöns“. Wir brauchen auch in Münster<br />

ein neues Politikmodell mit anderen<br />

Schwerpunkten. Die Ganztagsschule<br />

steht da ganz weit oben, ebenso Kinder<br />

<strong>und</strong> Frauen.<br />

~: Denkt die <strong>SPD</strong> auch an den Abbau<br />

des derzeitigen städtischen Schuldenberges<br />

von 750 Mio Euro?<br />

Wolfgang Heuer: Das ist eine der größten<br />

Herausforderungen der kommenden<br />

Wahlperioden. Beachten Sie bitte den<br />

Plural. Seit 1999 (Ende der rot-grünen<br />

Rathauskoalition - die Red.) hat sich der<br />

Schuldenberg fast verdoppelt. Das ist ein<br />

enormes Handicap für die Zukunft <strong>und</strong><br />

wie wir das meistern können, hängt leider<br />

wesentlich von Faktoren ab, die wir<br />

heute nicht vollständig einschätzen können,<br />

wie zum Beispiel die Wirtschaftsentwicklung<br />

<strong>und</strong> die Situation der städtischen<br />

Einnahmen.<br />

~: Ergeben sich daraus konkrete<br />

Schlussfolgerungen?<br />

Wolfgang Heuer: Neben klaren politischen<br />

Schwerpunkten <strong>und</strong> damit verb<strong>und</strong>enen<br />

Finanzentscheidungen müssen<br />

wir als Stadt auch zukünftig flexibel<br />

reagieren können. Es ist wenig überzeugend,<br />

in einer solchen Situation absolute<br />

Garantien für unveränderte Steuersätze<br />

auszusprechen.<br />

~: Welchen Stellenwert hat die<br />

Wirtschaftsförderung gegenüber Bürgerinteressen<br />

für die <strong>SPD</strong>? Stichworte<br />

Gewerbegebiet Amelsbüren <strong>und</strong> Zentrumserweiterung<br />

Kinderhaus?<br />

Wolfgang Heuer: Die Abwägung muss<br />

<strong>im</strong>mer <strong>im</strong> Einzelfall erfolgen. Münster<br />

braucht verkehrsgünstige Industrieflächen<br />

bei längerfristiger Flächenbevorratung<br />

<strong>im</strong> Sinne einer strategischen<br />

Stadtplanung. Der Beschluss pro Gewerbegebiet<br />

Amelsbüren ist für uns eine<br />

Entscheidung pro Münster <strong>und</strong> pro Arbeitsplätze.<br />

Bei der Zentrumserweiterung<br />

Kinderhaus muss der massive Bürgerprotest<br />

meines Erachtens Eingang<br />

finden in die Beschlussfassung des Rates.<br />

~: In den Außenbezirken ist Rot<br />

längst nicht so populär wie in der Innenstadt.<br />

Wie will die <strong>SPD</strong> diese Nuss<br />

knacken?<br />

Wolfgang Heuer: Das st<strong>im</strong>mt bislang.<br />

Aber die „ländlichen“ Wähler-Strukturen<br />

in den Außenbezirken sind in Auflösung<br />

begriffen, Stichwort Neubaugebiete.<br />

Es geht für uns darum, vor Ort<br />

bürgernah zu arbeiten <strong>und</strong> eine erkennbare<br />

sozialdemokratische Politik für die<br />

Außenstadtteile zu gestalten. Für viele<br />

9


10<br />

Bürger sind sie der Lebensmittelpunkt<br />

mit teilweise etwas anderen Interessenlagen<br />

als in der Innenstadt. Das haben<br />

wir in der politischen Arbeit zu beachten.<br />

~: <strong>Münsters</strong> Rote verfügen über<br />

charismatisches Führungspersonal<br />

(neben Wolfgang Heuer auch Svenja<br />

Schulze, Dr. Michael Jung <strong>und</strong> Christoph<br />

Strässer - die Red.) <strong>und</strong> sie gelten als<br />

vergleichsweise links. Dennoch Angst vor<br />

der LINKEN?<br />

Wolfgang Heuer: Angst ist keine Kategorie<br />

meiner politischen Arbeit.<br />

~: Was bedeutet „soziale Stadt“<br />

für die <strong>SPD</strong>?<br />

Wolfgang Heuer: Das F<strong>und</strong>ament unserer<br />

Politik. Es gilt der Gr<strong>und</strong>satz, über<br />

eine gerechte Politik möglichst vielen<br />

Bürgern Teilhabe zu ermöglichen. Dieser<br />

Gr<strong>und</strong>satz ist <strong>im</strong> Rat in den letzten zehn<br />

Jahren leider in den Hintergr<strong>und</strong> getreten,<br />

das will ich ändern.<br />

~: Die <strong>SPD</strong> befürwortet doch best<strong>im</strong>mt<br />

die Wiedereinführung des Münsterpasses?<br />

Wolfgang Heuer: Ganz klares Ja.<br />

~: Was soll der neue Münsterpass<br />

an Leistungen enthalten?<br />

Wolfgang Heuer: Der Münsterpass wird<br />

interessant durch die konkrete Ausgestaltung.<br />

Er soll Menschen mit geringem<br />

Einkommen durch verbilligte oder kostenlose<br />

Angebote wieder in das kommunale<br />

Leben einbeziehen. Was kostenlos<br />

<strong>und</strong> was vergünstigt angeboten<br />

werden kann, hängt unter anderem von<br />

der Haushaltslage der Stadt ab. Bäder,<br />

Diese Seite wurde gesponsert von Zoodirektor Jörg Adler<br />

Theater, Zoo <strong>und</strong> Nahverkehr sind die<br />

wichtigen Bereiche, um die es vor allem<br />

gehen wird.<br />

~: Unsere Standardfrage: Was<br />

möchte die <strong>SPD</strong> wohnungslosen Menschen<br />

in den nächsten fünf Jahren Gutes<br />

tun?<br />

Wolfgang Heuer: Die gut funktionierenden<br />

Hilfsangebote in der Stadt sind auszubauen<br />

<strong>und</strong> vor neuen „Rödl-Rädern“<br />

zu schützen. Damit aber erst niemand<br />

seine Wohnung verliert, sind auch in der<br />

Wohnungspolitik neue Akzente zu setzen.<br />

Der soziale Wohnungsbau ist in der<br />

neuen Wahlperiode deutlich zu verstärken<br />

<strong>und</strong> auch Einfachwohnungen - wie<br />

z.B. an der Grevener Straße - müssen<br />

erhalten bleiben. Kurz, unter anderem<br />

müssen wir kostengünstige Wohnungen<br />

schaffen, um Wohnungslosigkeit zu vermeiden.<br />

~: Wie viele Prozente <strong>und</strong><br />

Mandate möchte die <strong>SPD</strong> bei der<br />

Kommunalwahl gewinnen?<br />

Wolfgang Heuer: Wir wollen das<br />

Ergebnis von 2004 ausbauen. Ganz<br />

vorne soll eine Drei stehen, das wären<br />

ca. 25 Ratssitze oder mehr.<br />

~: Als möglicher Nachfolger noch<br />

ein Wort zu Ihrem Vorgänger Dr. Tillmann?<br />

Wolfgang Heuer: Ich schätze <strong>und</strong> respektiere<br />

ihn als fairen politischen Gegner.<br />

Er steht aber auch für eine sozial<br />

unausgewogene Politik <strong>im</strong> Rathaus. Hier<br />

werde ich künftig andere Inhalte setzen.<br />

~: Ganz herzlichen Dank für das<br />

interessante Gespräch <strong>und</strong> alles Gute für<br />

die <strong>SPD</strong> in den kommenden Wahlen. #


Satire | Text: Roberto J. De Lapuente<br />

Ein greises Nervenbündel<br />

Die Kunst des politischen Erinnerns<br />

Pünktlich zum Geburtstag dieses Landes,<br />

nun da die Republik einen Stock benötigt,<br />

um die Tonnenlast eines langen Lebens<br />

noch abstützen zu können, waschen<br />

die überschwänglichen Gratulanten<br />

den Lebensinhalt des Jubilars rein.<br />

Damals, <strong>im</strong> jugendlichen Alter, die BRD<br />

hatte gerade die Volljährigkeit überschritten,<br />

ließ man sich <strong>im</strong> jugendlichen<br />

Eifer zu Gewalt <strong>und</strong> Engstirnigkeit hinreißen,<br />

machte das Geburtstagskind<br />

Fehler, wie sie jeder zuweilen in jungen<br />

Jahren macht. Doch wie es so ist, wenn<br />

man alt wird, sent<strong>im</strong>ental zurückblickt,<br />

Revue passieren lassen will, schämt<br />

man sich seiner frühen Schandtaten,<br />

will das später so würdevoll begangene<br />

Leben nicht durch Schmutzflecke der<br />

einstigen Sturm- <strong>und</strong> Drangzeit, der<br />

einstigen Lotterzeit verunreinigt sehen.<br />

_Und siehe da, an der Geburtstagstafel<br />

sitzen liebevolle Fre<strong>und</strong>e, Menschen,<br />

die der BRD nahe stehen <strong>und</strong> nur das<br />

Beste für den Jubilar wollen, deswegen<br />

frühere Schattenseiten des einstigen<br />

Jünglings kaschieren, wenn man sie<br />

schon nicht ganz beseitigen kann. So<br />

wie viele Menschen dazu neigen, einen<br />

erbarmungslosen Streit mit Eltern, Fre<strong>und</strong>en<br />

oder der damaligen Fre<strong>und</strong>in umzudeuten,<br />

alle Schuld bei dem Kontrahenten<br />

zu plazieren, damit das damalige<br />

Schreien, Kratzen, Schlagen, dieser<br />

peinliche Akt <strong>im</strong> Jugendalter, wenigstens<br />

ein wenig erträglich auf den gealterten,<br />

nun souverän gewordenen Menschen<br />

wirkt, die damalige Schuld des<br />

jungen Naiven keinen Anstoß zur Diskussion<br />

mehr erregt, die Scham über<br />

kopflose Äußerungen oder ungestüme<br />

Ohrfeigen in eine berechtigte Handlung<br />

umschlägt, so wie sich zuweilen Menschen<br />

ihre Vergangenheit zurecht lügen,<br />

so baut sich die BRD eine neue Vergangenheit,<br />

für die sie sich nicht mehr zu<br />

genieren braucht.<br />

_Seitdem man lesen musste, dass der<br />

Ohnesorg-Mörder Kurras ein Mitarbeiter<br />

der Staatssicherheit war, so las man es<br />

jedenfalls zwischen den Zeilen, ist der<br />

Mord <strong>und</strong> alles, was an Verschärfung des<br />

damaligen Gesellschaftskonflikts folgte,<br />

kein Fehlverhalten des Geburtstagskindes<br />

mehr, sondern eine Intrige des<br />

schon verstorbenen Bruders. Zwischen<br />

den Zeilen - wie gesagt. Aber ganz frei<br />

von der Seele weg, äußert sich Springers<br />

Widerling Tiedje dazu, ganz ungeniert<br />

schreibt er, was andere unsichtbar zwischen<br />

ihre Sätze klemmen: „Massendemos,<br />

Unruhen <strong>und</strong> brennende Barrikaden,<br />

ja selbst der Tod von Rudi Dutschke<br />

haben ihren Ursprung direkt <strong>im</strong> Einfluss<strong>und</strong><br />

Auftragsbereich von Erich Mielke,<br />

dem Stasi-Minister der SED (heute Linkspartei).<br />

[...] Auch mit Kampagnen wie<br />

„Enteignet Springer!“ lagen sie falsch.“<br />

Hier soll gar nicht erst daran gezweifelt<br />

werden, ob die Birthler-Behörde wirklich<br />

stichhaltige Beweise hat, dass Kurras<br />

Stasi-IM war. Die hatte Birthler schon <strong>im</strong><br />

Falle Wallraffs, was aber kein Gericht<br />

dieses Landes je anerkannte.<br />

_Der Bruder hat das eigene Leben versaut,<br />

selbst war man <strong>im</strong>mer ein feiner<br />

Kerl, hat sich <strong>im</strong>mer vollkommen moralisch<br />

verhalten. Den Radikalenerlass haben<br />

wir Honecker zu verdanken, die Abhöraktionen<br />

in Stammhe<strong>im</strong>, als man Gespräche<br />

zwischen Mandanten <strong>und</strong> Anwälten<br />

abhörte, sind ein Produkt Mielkes<br />

<strong>und</strong>, was der BILD besonders stinkt, die<br />

Verantwortung für die verbrannten BILD-<br />

Ausgaben, die umgeworfenen, in Brand<br />

gesetzten Auslieferungsfahrzeuge, sind<br />

allesamt Ost-Berlin zuzuschreiben. Ja,<br />

das Geburtstagskind hat ein schweres<br />

Leben hinter sich, war <strong>im</strong>mer versucht,<br />

auch wirklich ein moralisches Leben zu<br />

führen, ein christliches Leben, in dem<br />

fromm gehandelt wurde, das aber vom<br />

exzessiven Bruder <strong>im</strong>mer gestört <strong>und</strong><br />

auf die Bahnen des Teufels gelenkt wurde.<br />

Der setzte einem zu, machte das<br />

eigene Dasein zu einer unmoralischen<br />

Hölle, so sehr, dass man noch heute an<br />

psychischen Spätschäden leidet, dass<br />

man noch <strong>im</strong>mer seelisch zerrüttet <strong>und</strong><br />

zerfressen ist, <strong>im</strong>mer noch <strong>im</strong> Hass auf<br />

das verstorbene Familienmitglied zurückblickt,<br />

<strong>im</strong>mer noch Beißreflexe<br />

zeigt, wenn man den Namen des Bruders<br />

auch nur erwähnt. Die in die Jahre<br />

gekommene Republik ist nervenkrank,<br />

gezeichnet von einem langen Leben, in<br />

dem man <strong>im</strong>mer unschuldig schuldig<br />

gesprochen wurde, obwohl es der Bruder<br />

mit geröteten Pausbäckchen war,<br />

der die Untaten vollbrachte. Diese zur<br />

Schuld gewordene Unschuld muss<br />

einem Gemüt einfach Schäden zufügen.<br />

_Wir sollten Rücksicht auf den alten<br />

Mann nehmen, sollten nicht zu arg mit<br />

dem greisen (es wird gemunkelt, das<br />

Geburtstagskind sei viel älter, nicht erst<br />

sechs Jahrzehnte alt, sondern mindestens<br />

Jahrgang 1933) Jubilaren umspringen,<br />

ihm nicht frech den Stock wegziehen.<br />

Das Leben hat ihm schwer zugesetzt,<br />

seine Nerven angegriffen, so sehr,<br />

dass eine Art geistige Verwirrtheit herauskam.<br />

Man muss nur ins Land hineinschauen,<br />

Selektionsdebatten von Ärzten<br />

in einer demokratischen Republik, Sterilisationsvorschläge<br />

innerhalb eines Sozial-<br />

<strong>und</strong> Rechtsstaates, ein bestätigter<br />

Sparkassendirektor als B<strong>und</strong>espräsident<br />

<strong>und</strong> soziales Gewissen des Landes, obwohl<br />

er mitverantwortlich für den Sozialabbau<br />

war, Rentenkassen ausbluten<br />

ließ! Wer könnte da noch leugnen, dass<br />

die BRD schwer krank ist, ein Nervenbündel<br />

mit schizophrenen Anwandlungen?<br />

Wer w<strong>und</strong>ert sich da, dass um die<br />

Festtafel nur Bekannte aus der Irrenanstalt<br />

sitzen? Bekannte, die Lobreden<br />

halten, den bösen Bruder verteufeln<br />

<strong>und</strong> ihre Republik, diese Republik, die<br />

so gut zu ihnen war, weil sie darin verdienen,<br />

ausbeuten <strong>und</strong> verhetzen durften,<br />

ohne dass man sie bestraft hat, als<br />

Paradies auf Erden darstellen; Bekannte,<br />

die täglich an die gummierten Wände<br />

ihres Obdachs stoßen <strong>und</strong> Missstände<br />

als Zustände, Betrügereien als Vernunft,<br />

Rückschritt als Fortschritt verkaufen.<br />

Der Jubilar <strong>und</strong> seine elitären Gäste,<br />

in Feierlaune, sich auf die Schulter<br />

klopfend, fressend, saufend, Musik hörend,<br />

während die gefeierten Zustände<br />

<strong>im</strong>mer mehr schwinden, aus der res publica<br />

eine Sache der Eliten <strong>und</strong> aus dem<br />

Gr<strong>und</strong>gesetz mehr <strong>und</strong> mehr ein Stück<br />

Exponat für ein Museum wird.<br />

_Ein langes Leben hinterlässt nun mal<br />

seine Spuren, der Senior scheint <strong>im</strong>mer<br />

mehr in Phantasiewelten abzugleiten...#<br />

11


12<br />

<strong>Interview</strong> | Text: Michael Heß <strong>und</strong> Sigi Nasner | Fotos: Sigi Nasner<br />

„Die Sprache der Münsteraner sprechen“<br />

<strong>Interview</strong> mit Markus Lewe, Bezirksbürgermeister <strong>und</strong> OB-Kandidat der <strong>CDU</strong><br />

Münster <strong>und</strong> <strong>CDU</strong> - dieses politische<br />

Paar ist, wenn auch mit Unterbrechungen,<br />

reif für die Eiserne Hochzeit.<br />

Ob es soweit kommt, entscheidet sich<br />

bei der Kommunalwahl am 30 August.<br />

Gr<strong>und</strong> genug für Schwarz, mit frischen<br />

Ideen <strong>und</strong> neuem Personal für eine<br />

weltoffene Kontinuität zu werben.<br />

Michael Heß <strong>und</strong> Sigi Nasner tranken<br />

mit dem schwarzen OB-Kandidaten<br />

Markus Lewe mehr als nur einen Kaffee<br />

<strong>und</strong> erlebten eine bemerkenswerte<br />

Bereitschaft, sich dem Wandel in der<br />

Stadt aktiv zu stellen.<br />

_~: Herr Lewe, Sie wollen mit Dr.<br />

Berthold Tillmann einen sehr beliebten<br />

Kommunalpolitiker als OB beerben? Wer<br />

ist der Mensch Markus Lewe?<br />

Markus Lewe: Berthold Tillmann hat<br />

nach zwei Amtsperioden als direkt gewählter<br />

Oberbürgermeister auf eine weitere<br />

Wiederwahl aus freien Stücken verzichtet.<br />

Daraufhin hat sich der Mensch<br />

Markus Lewe mit seinen Stärken <strong>und</strong><br />

Schwächen beworben. Ich bin 44 Jahre<br />

alt, verheiratet <strong>und</strong> Vater von fünf Kindern.<br />

Ich arbeite ich als Leiter Controlling<br />

be<strong>im</strong> Bistum. Seit zehn Jahren bin<br />

ich Bezirksbürgermeister <strong>im</strong> Stadtbezirk<br />

Südost (Angelmodde, Gremmendorf,<br />

Wolbeck - die Red.) <strong>und</strong> seit einigen<br />

Jahren auch Kreisvorsitzender der <strong>CDU</strong>.<br />

Ach so, ein begeisterter Fahrradfahrer<br />

bin ich außerdem!<br />

~: Im Vorfeld der Nominierung<br />

gab es einige Aufregung um Ihre Kandidatur.<br />

Was gab dann doch deutlich den<br />

Ausschlag zu Ihren Gunsten gegenüber<br />

Karl Jansen?<br />

Markus Lewe: Politik muss wieder leidenschaftlich<br />

werden. Es gab einen normalen<br />

innerparteilichen Wettbewerb,<br />

bei dem die große Mehrheit der <strong>CDU</strong>-<br />

Mitglieder mich zum Oberbürgermeisterkandidaten<br />

gewählt hat. Für meine Nominierung<br />

mit fast 1.500 Teilnehmern<br />

mussten wir <strong>im</strong> Hafen sogar ein Zelt aufbauen,<br />

weil kein verfügbarer Tagungsraum<br />

in Münster groß genug war.<br />

~: Was reizt Sie denn an der von<br />

Kleinkariertheit nicht <strong>im</strong>mer freien Lokalpolitik?<br />

Markus Lewe: Sie von Kleinkariertheit zu<br />

befreien. Ich glaube auch nicht, dass die<br />

vermeintlich große Politik davon freier<br />

wäre. In der Kommunalpolitik merkt<br />

man noch selber, was man macht, <strong>und</strong><br />

kennt viele, für die man sich einsetzt.<br />

~: Welche politischen Themen liegen<br />

Ihnen besonders?<br />

Markus Lewe: Das ist die Stadtentwicklung.<br />

Münster hat für mich das Zeug für<br />

die europäische Champions League, die<br />

vielen Preise der vergangenen Jahre zeigen<br />

es. Es geht um nachhaltiges Wachstum<br />

in einer offenen, toleranten Stadt.<br />

Es geht aber auch um unsere Kinder,<br />

deren Zukunft wir in unserer Gegenwart<br />

nicht verfrühstücken dürfen. Mir liegt<br />

mir alles am Herzen, was den menschlichen<br />

<strong>und</strong> sozialen Zusammenhalt in<br />

unserer Stadt stärkt.<br />

~: Zur Zeit sind Sie noch Bezirksbürgermeister<br />

<strong>im</strong> Stadtbezirk Südost.<br />

Dort gelten Sie als hervorragender Moderator<br />

mit Problemorientierung. Wird das<br />

auf der gesamtstädtischen Bühne genügen?<br />

Markus Lewe: Wichtig ist die Fähigkeiten,<br />

zuhören zu können, unterschiedliche<br />

Interessen auszugleichen <strong>und</strong> Entscheidungen<br />

zu treffen, wenn die Zeit<br />

reif ist.<br />

~: Sie treten in der OB-Wahl<br />

gegen Wolfgang Heuer an. Als redegewaltiger<br />

Fraktionsvorsitzender der <strong>SPD</strong><br />

verfügt er über langjährige Erfahrungen<br />

<strong>im</strong> Rat. Wie wollen Sie das kompensieren?<br />

Markus Lewe: Reden ist Silber, Handeln<br />

ist Gold. Ich bin alles andere als ein Apparatschik.<br />

Für mich findet Kommunalpolitik<br />

nicht vorrangig <strong>im</strong> Rathaus statt,<br />

sondern mit den Bürgerinnen <strong>und</strong> Bür-<br />

gern <strong>Münsters</strong>. So mache ich das in Angelmodde,<br />

Gremmendorf <strong>und</strong> Wolbeck<br />

<strong>und</strong> so geht das auch in ganz Münster.<br />

~: Welche Erfolge seit 2004 heftet<br />

sich die <strong>CDU</strong> ans Revers? Und welche<br />

Misserfolge liegen Ihnen besonders <strong>im</strong><br />

Magen?<br />

Markus Lewe: Wir sind die Welthauptstadt<br />

der Balance mit hervorragenden<br />

Werten bei der Stadtentwicklung. Dafür<br />

stehen die Titel als lebenswerteste Stadt<br />

der Welt, als Kl<strong>im</strong>ahauptstadt, als Fahrradstadt,<br />

die guten sozialen Kennzahlen.<br />

Alle wichtigen Parameter befinden<br />

sich in der Balance. Als konkretes Beispiel<br />

nenne ich die Wahlfreiheit für Eltern<br />

bei den vielen Betreuungsangeboten<br />

für Kinder. So ist Münster bei der<br />

u3-Betreuung führend in NRW. Unterm<br />

Strich haben wir alle Wahlversprechen<br />

gehalten. Münster ist eine der tollsten<br />

Städte, die es gibt. Das ist mit der <strong>CDU</strong><br />

erreicht worden, die seit vielen Jahren<br />

die maßgebliche politische Kraft <strong>Münsters</strong><br />

ist. Als Misserfolg bewerte ich ohne<br />

Wenn <strong>und</strong> Aber die mangelnde Sensibilität<br />

in manchen Bereichen. So war es<br />

nicht klug, vor zwei Jahren Erzieherinnen<br />

befristet zu kündigen <strong>und</strong> danach<br />

zu schlechteren Bedingungen wieder<br />

einzustellen. Das darf nicht wieder passieren.<br />

Vor allem müssen wir in Münster<br />

aufpassen, dass wir die Lorbeeren nicht<br />

an der falschen Stelle tragen <strong>und</strong> uns<br />

satt <strong>und</strong> selbstgerecht darauf ausruhen.<br />

~: Unterstellt, die Wahlen bestätigen<br />

die schwarz-gelbe Koalition. Was<br />

wollen sie in den kommenden fünf Jahren<br />

erreichen?<br />

Markus Lewe: Es sind ja drei Wahlen:<br />

die zum OB, die für den Rat <strong>und</strong> die für<br />

die Bezirksvertretungen. Als Oberbürgermeister<br />

möchte ich weiterhin Arbeitsplätze<br />

stabilisieren <strong>und</strong> eine starke<br />

Wirtschaft fördern. Reichliche Gewerbesteuereinnahmen<br />

werden zu Ausgaben<br />

der Stadt. Münster soll daneben nachhaltig<br />

werden als Ökohauptstadt <strong>und</strong> es<br />

soll eine Stadt für Kinder werden. Ich


will den Zusammenhalt in der Stadt<br />

stärken, gerade jetzt in der Krise, die<br />

nicht so rasch vorübergehen wird.<br />

~: Was schätzen Sie am Koalitionspartner<br />

FDP <strong>und</strong> was war der Preis für<br />

deren Verzicht auf eine gelbe OB-Kandidatin?<br />

Markus Lewe: Ich schätze ihre Beständigkeit<br />

<strong>und</strong> Zuverlässigkeit. <strong>CDU</strong> <strong>und</strong> FDP<br />

sind faire <strong>und</strong> verlässliche Partner. Auf<br />

der anderen Seite steht ein Linksbündnis<br />

mit einer verzweifelten <strong>SPD</strong>, einer<br />

grünen Partei, die fast schon stärker<br />

<strong>und</strong> mit Sicherheit frischer ist als die<br />

<strong>SPD</strong>, <strong>und</strong> einer Linken, die noch nicht<br />

einmal ein Wahlprogramm hat. Die<br />

Linkstruppe ist sich ja noch nicht einmal<br />

in der Opposition einig.<br />

~: Sind Koalitionen mit anderen<br />

Parteien als der FDP realistisch?<br />

Markus Lewe: Nein.<br />

~: Tempol<strong>im</strong>it, <strong>Bahnhof</strong>, Ganztagsschulen<br />

- was sagt Ihre Partei zu<br />

diesen Projekten?<br />

Markus Lewe: Die ganze Stadt hat ein<br />

Tempol<strong>im</strong>it, Tempo 70 ist Ausnahme. Die<br />

L<strong>im</strong>its festzulegen ist laufendes Verwaltungsgeschäft<br />

<strong>und</strong> keine politische Frage.<br />

Überhaupt müssen wir wieder mehr<br />

unterscheiden zwischen Politik <strong>im</strong> Rat<br />

<strong>und</strong> laufender Verwaltung. Und wir<br />

müssen dabei die Sprache der Münsteraner<br />

reden <strong>und</strong> kein Politsprech. Der<br />

<strong>Bahnhof</strong> ist ein Top-Projekt <strong>und</strong> eine<br />

Visitenkarte für Münster. Es ist ein Trauerspiel,<br />

dass hier so wenig passiert.<br />

Be<strong>im</strong> <strong>Bahnhof</strong> muss die Bahn endlich in<br />

die Strümpfe kommen. Wir Münsteraner<br />

wollen nicht weiter vertröstet werden.<br />

Ganztagsschulen sind ein wichtiges<br />

Thema <strong>und</strong> sie müssen in beiden Formen<br />

(offene <strong>und</strong> geb<strong>und</strong>ene Ganztagsschule<br />

- die Red.) bedarfsgerecht ausgebaut<br />

<strong>und</strong> inhaltlich weiter entwickelt<br />

werden. Das Thema zeigt ganz besonders<br />

deutlich, dass Politik auch mit Gefühlen<br />

zu tun hat <strong>und</strong> nicht nur mit<br />

harten betriebswirtschaftlichen Kriterien.<br />

~: Wie will die <strong>CDU</strong> bei einem<br />

weiter zunehmenden Schuldenberg von<br />

750 Mio Euro die drohende Haushaltssperre<br />

verhindern?<br />

Markus Lewe: Ich mache keine großen<br />

Versprechungen, verweise aber auch auf<br />

die reiche kulturelle <strong>und</strong> soziale Szene<br />

<strong>Münsters</strong>. Das ist ein echtes Alleinstellungsmerkmal<br />

zu anderen Städten. Wir<br />

sind in NRW eine von zwei Großstädten,<br />

die noch nicht unter finanzieller Fuchtel<br />

der Kommunalaufsicht mit Haushaltssicherung<br />

steht. Das haben wir durch<br />

solide Politik geschafft, das muss so<br />

bleiben. Und das erreichen wir sicher<br />

nicht dadurch, dass wir jedem alles versprechen.<br />

Maßlosigkeit ist die Ursache<br />

der Finanz- <strong>und</strong> Wirtschaftskrise. Maßlose<br />

Ausgabenpolitik ist auch nichts anderes<br />

als der Sieg der Gier übers Hirn.<br />

~: Die <strong>CDU</strong> steht als größte Partei<br />

in Münster ganz besonders zwischen<br />

Bürger- <strong>und</strong> Investoreninteressen. Kann<br />

die <strong>CDU</strong> diesen Spagat dauerhaft bewältigen?<br />

Markus Lewe: Wir sind die Partei, die<br />

dafür sorgt, dass Investoren sich für<br />

Münster interessieren <strong>und</strong> nicht abgeschreckt<br />

werden. Wir können gar nicht<br />

genug Interessenten haben, die in<br />

Münster investieren wollen. Das nützt<br />

allen <strong>und</strong> ist sozial. Das muss den Bürgern<br />

aber <strong>im</strong> Detail erläutert werden,<br />

Projekte erklären sich nicht von selbst.<br />

Viele Menschen haben nichts gegen die<br />

Projekte, sondern gegen den Stil der<br />

Kommunikation. Das Wohnen am Wasser<br />

<strong>im</strong> Hafen oder die Gartenstadt auf<br />

dem alten Güterbahnhof sind für mich<br />

künftige Projekte, die nur gemeinsam<br />

mit Investoren <strong>und</strong> nur mit Zust<strong>im</strong>mung<br />

der Bürger realisiert werden können.<br />

~: Ein anderes strategisches<br />

Problem für die <strong>CDU</strong> ist die deutliche<br />

Diskrepanz zwischen Innenstadt <strong>und</strong><br />

ländlichen Außenbezirken bei den<br />

Wahlergebnissen. Ohne Innenstadt geht<br />

auf Dauer <strong>im</strong>mer weniger. Wie will die<br />

<strong>CDU</strong> die mehrheitlich rot-grüne Innenstadt<br />

„zurückerobern“?<br />

Markus Lewe: Die Unterschiede werden<br />

sich auf Dauer nivellieren, der Prozess<br />

läuft schon. Auch hier geht es wieder<br />

um die Balance zwischen Angeboten<br />

<strong>und</strong> Interessen der großstädtisch geprägten<br />

Innenstadt <strong>und</strong> den mehr dörflich<br />

geprägten Vororten. Wir haben in<br />

der Innenstadt eine Reihe junger Frauen<br />

<strong>und</strong> Männer als Kandidaten für Rat <strong>und</strong><br />

Bezirksvertretung, da sehen die anderen<br />

ziemlich alt gegen aus.<br />

~: <strong>Münsters</strong> <strong>CDU</strong> ist geprägt vom<br />

Geist der katholischen Soziallehre. Was<br />

unterscheidet die <strong>CDU</strong> denn vom sozialen<br />

Anspruch der LINKEN?<br />

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13


14<br />

Markus Lewe: Wir bauen nicht auf Sozialneid<br />

<strong>und</strong> Klassenkampf. Und wir versprechen<br />

nur, was wir halten. So bemühe<br />

ich mich seit einem Jahr vergeblich,<br />

konkrete Aussagen zu kommunalpolitischen<br />

Zielen der LINKEN zu erhalten.<br />

~: Machen wir die Probe aufs Exempel.<br />

Wie sieht für die <strong>CDU</strong> eine „soziale“<br />

Stadt aus?<br />

Markus Lewe: Eine soziale Stadt ist für<br />

uns geprägt durch das Subsidaritätsprinzip.<br />

Also Menschen helfen, damit sie<br />

sich selbständig helfen können statt auf<br />

andere angewiesen zu sein. Vor allem<br />

möchten wir Kinder in sicheren Verhältnissen<br />

aufwachsen lassen <strong>und</strong> soziale<br />

Stabilität auch für kommende Generationen<br />

sichern. Es geht schließlich auch<br />

darum, soziale Nischen zu erkennen <strong>und</strong><br />

zu gestalten.<br />

~: Steht für die <strong>CDU</strong> die Wiedereinführung<br />

des Münsterpasses zur Debatte?<br />

Markus Lewe: Es gab nach dem Ende<br />

von Rot-Grün 1999 gute Gründe für den<br />

Abschied vom Münsterpass. Heute wollen<br />

wir vernünftige Regelungen vor allem<br />

für Kinder schaffen wie die geplante<br />

KiM-Card (Kinder in Münster - die Red.)<br />

Hierbei übern<strong>im</strong>mt die Stadt für Kinder<br />

aus sozial schwachen Familien die Beiträge<br />

für Sportvereine. Neben der Ernährung<br />

spielt gerade Bewegung eine zentrale<br />

Rolle für das Wohl von Kindern.<br />

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~: Unsere Standardfrage: Was<br />

möchte die <strong>CDU</strong> wohnungslosen Menschen<br />

in den nächsten fünf Jahren Gutes tun?<br />

Markus Lewe: Es geht bei diesem Thema<br />

ganz besonders um Menschenwürde.<br />

Wir müssen sehen, dass über die bestehenden<br />

Hilfsangebote hinaus jeder ein<br />

Obdach bekommt. Das werden wir über<br />

einen bedarfsgerechten sozialen Wohnungsbau<br />

auch schaffen. Preiswerter<br />

Wohnraum für Familien darf dabei nicht<br />

vergessen werden.<br />

~: Liebäugeln Sie noch mit einer,<br />

wenn auch anders konzipierten Musikhalle?<br />

Markus Lewe: Das Thema ist durch.<br />

~: Welche Ergebnisse (Prozente,<br />

Mandate) strebt die <strong>CDU</strong> bei der Kommunalwahl<br />

an?<br />

Markus Lewe: Eine handlungsfähige<br />

bürgerliche Mehrheit gegen Links. Das<br />

bedeutet 40 Prozent plus X oder ca. 30<br />

Ratssitze (derzeit 27 Sitze - die Red.).<br />

~: Als möglicher Nachfolger noch<br />

ein Wort zu Ihrem Vorgänger Dr. Tillmann?<br />

Markus Lewe: Es ist schade, dass er geht.<br />

Als Mensch <strong>und</strong> Politiker ist er absolut<br />

sympathisch <strong>und</strong> hat Münster in den<br />

letzten Jahren nach vorn gebracht.<br />

~: Vielen Dank für das kurzweilige<br />

Gespräch <strong>und</strong> für die folgenden Wahlen<br />

wünschen wir Ihnen <strong>und</strong> der <strong>CDU</strong> viel<br />

Erfolg.<br />

Markus Lewe: Die Münsteraner nehmen<br />

Sie hoffentlich be<strong>im</strong> Wort. #<br />

In unserer Reihe „Parteien zu<br />

den Kommunalwahlen“ wurden<br />

<strong>im</strong> Heft 03/09 bereits DIE LINKE,<br />

<strong>im</strong> Heft 05/09 die UWG <strong>und</strong> <strong>im</strong><br />

Heft 06/09 die FDP <strong>und</strong> die GAL<br />

vorgestellt.


Bericht | Text: Ingo Giesen | Foto: www.seelenfleck.de<br />

Rohstoffe für die Welt<br />

Gerechtere Ressourcenverteilung längst überfällig<br />

Unser auf die Industrienationen ausgerichtetes,<br />

kapitalistisches Wirtschaftssystem<br />

ist auf Gewinnmax<strong>im</strong>ierung<br />

<strong>und</strong> Wachstum ausgerichtet. Ob dabei<br />

einzelne Menschen oder auch ganze<br />

Völker auf der Strecke bleiben, das<br />

spielt für jene, die für die Geld- <strong>und</strong><br />

Rohstoffverteilung dieser Welt verantwortlich<br />

sind, meist nur eine untergeordnete<br />

Rolle. Ingo Giesen hat sich<br />

eingehender mit diesem Thema auseinandergesetzt.<br />

_Die so genannten 'Entwicklungsländer'<br />

haben keine Wahl, sie stecken in der<br />

Schuldenspirale. Sie müssen einen Großteil<br />

ihrer Exporteinnahmen für den Schuldendienst<br />

aufbringen. Noch wie zu Kolonialzeiten<br />

exportieren sie deswegen<br />

nachwachsende Rohstoffe wie Kaffee,<br />

Kakao <strong>und</strong> Baumwolle oder Bodenschätze<br />

zur Weiterverarbeitung in die<br />

Industrienationen <strong>und</strong> haben trotzdem<br />

kaum eine reelle Chance ihre Schulden<br />

jemals abzuzahlen. Zum einen liegt die<br />

größte Gewinnspanne bei der Herstellung<br />

von Endprodukten <strong>im</strong> Bereich der<br />

Weiterverarbeitung ,des Weiterverkaufs<br />

<strong>und</strong> des Verkaufs,an den Verbraucher<br />

<strong>und</strong> von diesen Prozessen sind die Rohstoff<br />

exportierenden Länder weiterhin<br />

ausgeschlossen, zum anderen müssen<br />

diese Staaten es hinnehmen, dass die<br />

reichen Länder die Preise für die Rohstoffe,<br />

sei es durch Subventionierung<br />

der eigenen unrentablen Rohstoffproduzenten,<br />

sei es durch andere marktpolitische<br />

Tricks <strong>und</strong> Strukturen, zu drükken<br />

suchen. Angesichts ihrer exponentiell<br />

steigenden Verschuldung seit den<br />

1960/70 Jahren müssen die Länder des<br />

Südens <strong>im</strong>mer mehr exportieren, um an<br />

die für den Schuldendienst erforderlichen<br />

Devisen heranzukommen. Sie spezialisieren<br />

sich oft auf zwei oder drei<br />

Gr<strong>und</strong>stoffe, von denen sie <strong>im</strong> hohen<br />

Maße abhängig werden <strong>und</strong> verstoßen<br />

so gegen das Prinzip der Diversifikation.<br />

Zudem machen sich die Rohstoff exportierenden<br />

Länder häufig gegenseitig<br />

Konkurrenz, was die Kurse für die Exporte<br />

dramatisch einbrechen lässt. Dieser<br />

fatale Sachverhalt spielt eine entscheidende<br />

Rolle bei der Schuldenkrise<br />

der so genannten Dritten Welt, was den<br />

Kapitaleignern <strong>und</strong> den multinationalen<br />

Unternehmen hilft, den Weltmarkt weiterhin<br />

uneingeschränkt zu beherrschen.<br />

Diese so genannten Strukturanpassungsprogramme,<br />

die man den überschuldeten<br />

Ländern seit über 25 Jahren aufzwingt,<br />

haben deren Abhängigkeit von<br />

den Gr<strong>und</strong>stoffen <strong>und</strong> ihre wirtschaftliche<br />

Verw<strong>und</strong>barkeit weiter erhöht. Die<br />

Zerschlagung der internationalen Abkommen<br />

zur Preisregulierung von Rohstoffen<br />

wie Kaffee, Zinn oder Kautschuk<br />

tat ein übriges. Dass die Konferenz der<br />

Welthandelsorganisation WTO <strong>im</strong> September<br />

2003 <strong>im</strong> mexikanischen Cancun<br />

scheiterte, liegt jedoch an den überhöhten<br />

Agrarsubventionen der USA <strong>und</strong><br />

der EU, namentlich für Baumwolle, Zukker<br />

<strong>und</strong> Fleisch. Aufgr<strong>und</strong> der enormen<br />

Summen, mit denen die USA ihren he<strong>im</strong>ischen<br />

Baumwollanbau subventioniert<br />

(knapp 4 Milliarden Dollar <strong>im</strong> Jahr),<br />

sind sie der größte Baumwollexporteur<br />

der Welt. Und dies, obwohl die Herstellung<br />

pro Pf<strong>und</strong> in Barkina Faso nach<br />

Angaben des International Advisory<br />

Comitee 0,21 Dollar kostet gegenüber<br />

0,73 Dollar in den USA.<br />

_Die Bevölkerung der ärmeren Regionen<br />

bekommen die Folgen unmittelbar zu<br />

spüren. Im westafrikanischen Benin<br />

führte der Verfall der Baumwollpreise<br />

(2001 sanken sie um 35 % ) dazu, dass<br />

weitere 4 % der Bevölkerung unter die<br />

Armutsgrenze rutschten. Im September<br />

2000 haben alle UNO-Mitglieder gemeinsam<br />

beschlossen, extreme Armut<br />

<strong>und</strong> Hunger zu bekämpfen. Bis zum Jahr<br />

2015 sollte der Anteil der Menschen, die<br />

Hunger leiden, halbiert werden. Inzwischen<br />

ist aber absehbar, dass dieses<br />

Ziel, vor allem in Afrika, nicht erreicht<br />

werden kann, obwohl heute mehr <strong>und</strong><br />

viel billigere Nahrungsmittel produziert<br />

werden als jemals zuvor. In den 'Entwicklungsländern'<br />

kommen jedes Jahr mehr<br />

als 20 Millionen Kinder mit Untergewicht<br />

auf die Welt <strong>und</strong> jedes dritte Kind<br />

hat in Folge von chronischer Unterernährung<br />

als irreversibel eingestufte<br />

Wachstumsstörungen. Die Welternährungsorganisation<br />

FAL stellt fest: Die<br />

Hungersnöte haben in den letzten Jahrzehnten<br />

zugenommen <strong>und</strong> zwar von<br />

durchschnittlich 15 pro Jahr in den<br />

1980er Jahren auf mehr als 30 um die<br />

Jahrtausendwende. Von dieser Zunahme<br />

sind vor allem die Länder Afrikas betroffen,<br />

wo sich die durchschnittliche Anzahl<br />

der Hungersnöte pro Jahr fast verdreifacht<br />

hat. Die Ausrichtung an neoliberalen<br />

Wirtschaftskonzepten, wie sie<br />

von Internationalen Währungsfonds (IWF)<br />

<strong>und</strong> der Weltbank mit Zust<strong>im</strong>mung der<br />

jeweiligen Regierungen der Länder<br />

durchgesetzt worden ist, ist in hohem<br />

Maß mitverantwortlich für den Rückgang<br />

der Nahrungsmittelsicherheit. Der Sicherheitsrat<br />

der Vereinten Nationen <strong>und</strong> der<br />

Nationale Sicherheitsrat der Vereinigten<br />

Staaten haben bereits darauf hingewiesen,<br />

dass die prekäre Ernährungslage in<br />

einer Reihe von Ländern, vor allem in<br />

Afrika, die politische Stabilität gefährden<br />

<strong>und</strong> somit den Interessen der USA zuwiderlaufen<br />

könnten.<br />

_Zusätzlich zu dieser Rohstoff-, Schulden-<br />

<strong>und</strong> Ernährungskrise werden die<br />

Menschen in den ärmeren Regionen<br />

auch noch von Krankheiten bedroht.<br />

Aids tötet jeden Tag 8000 Menschen,<br />

meistens junge Erwachsene, 3000 Kinder<br />

sterben täglich an Malaria, 6000 an<br />

Tuberkulose. Diese drei schl<strong>im</strong>msten<br />

Epidemien fordern zusammen jedes<br />

Jahr etwa 6 Millionen Todesopfer, insbesondere<br />

<strong>im</strong> subsaharischen Afrika.<br />

Und viele dieser Krankheiten befinden<br />

sich permanent auf dem Vormarsch.<br />

Dabei wäre das Geld für eine massive<br />

Hilfskampagne durchaus vorhanden,<br />

wenn man bedenkt, dass der Krieg <strong>im</strong><br />

Irak allein <strong>im</strong> Zeitraum von 2002 bis<br />

2005 etwa 250 Milliarden Dollar verschlungen<br />

hat. Dieser Betrag würde<br />

ausreichen, die medizinische Versorgung<br />

der Entwicklungsländer für sechs<br />

Jahre sicherzustellen.<br />

_Der Fall des Eisernen Vorhangs, das<br />

Ende des „realexistierenden Sozialismus“,<br />

markiert einen Wendepunkt in<br />

der Geschichte. Unter den seither entwickelten<br />

Theorien zu Zukunft der Welt<br />

erregte die vom Zusammenprall der Kulturen<br />

die meiste Aufmerksamkeit. Sie<br />

liefert die Rechtfertigung für eine Wiederkehr<br />

einer offen <strong>im</strong>perialistischen<br />

Rhetorik. #<br />

15


16<br />

Bericht | Text: Silke Fluchtmann | Foto: privat<br />

Dharma-Punx<br />

Der Weg zur inneren Rebellion<br />

Der Wunsch nach einem Sinn <strong>im</strong> Leben,<br />

nach Transzendenz ist das höchste<br />

<strong>und</strong> zugleich das am schwierigsten<br />

zu befriedigende Bedürfnis des Menschen.<br />

Denn viele Wege führen zu<br />

einem solch großen Gehe<strong>im</strong>nis. Punk<br />

sein <strong>und</strong> dem Weg Buddhas folgen,<br />

wie kann das zusammengehen <strong>und</strong><br />

sogar zu umgesetztem Handeln führen?<br />

Silke Fluchtmann berichtet über<br />

den Vater der Dharma-Punx-Bewegung,<br />

Noah Levine, <strong>und</strong> seine Idee von<br />

einem erfüllten Leben.<br />

_Was macht einen Punk aus? Irokesenschnitt,<br />

bunte Haare <strong>und</strong> Punk-Musik?<br />

Lange Haare machen auch keinen Hippie<br />

<strong>und</strong> ein Schafspelz noch lange kein<br />

Schaf. Im Ursprungsland der Punkbewegung,<br />

den USA, war sie vor allem eine<br />

Reaktion auf die Hippiebewegung. Sie<br />

sah in den Hippies Menschen, die zwar<br />

vom Frieden schwadronierten, aber<br />

nicht wirklich was änderten. Punks vertraten<br />

eine desillusionierte Position<br />

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<strong>und</strong> rebellierten offen gegen die Werte<br />

der Gesellschaft <strong>und</strong> das politische Establishment.<br />

_Einer von ihnen ist Noah Levine, Sohn<br />

des bekannten Meditationslehrers <strong>und</strong><br />

Traumaforschers Stephen Levine. Noah<br />

stellte sich schon früh gegen seinen Vater,<br />

der für ihn zur Hippie-Kultur gehörte.<br />

Er suchte auf der Straße bei der<br />

Punk-Rock-Bewegung den Halt, den er<br />

<strong>im</strong> elterlichen Haus nicht fand. Diese<br />

Rebellion gab ihm zunächst Kraft, doch<br />

verfehlte sie ihr Ziel. Er geriet in den<br />

Drogenstrudel <strong>und</strong> stürzte schließlich<br />

gänzlich ab. Beschaffungskr<strong>im</strong>inalität<br />

<strong>und</strong> Jugendarrestanstalt gingen Hand in<br />

Hand. Nach einem Selbstmordversuch<br />

begann er schließlich in einer 'Gummizelle'<br />

nach Anweisung seines Vaters zu<br />

meditieren. Nach <strong>und</strong> nach fand er so<br />

die Kraft, sich selber aus seiner Sucht<br />

<strong>und</strong> seinem kr<strong>im</strong>inellen Lebenswandel<br />

herausziehen.<br />

_Deshalb wandte sich intensiver den<br />

Lehren des Buddhismus zu. Von Buddha<br />

las er, dass er „gegen den Strom“ erwachte,<br />

die Illusionen des Daseins<br />

durchschaute, die Anhaftung an best<strong>im</strong>mte<br />

Werte <strong>und</strong> Bedürfniserfüllungen<br />

abstreifte. Noah erkannte für sich,<br />

dass diese buddhistische Gr<strong>und</strong>erfahrung<br />

einen Weg der inneren Rebellion<br />

beschrieb, in der er die Rebellion des<br />

Punk-Rock auf konstruktivem Wege leben<br />

kann. Ein Weg, der es möglich<br />

macht, sich erst einmal <strong>im</strong> eigenen Inneren<br />

zu verändern <strong>und</strong> in diesem Geist<br />

eine Revolution zu beginnen, die Tatsächliches<br />

bewirkt.<br />

_Welche Kräfte dies mobilisiert, kann<br />

jeder erfahren, der sich darauf einlässt.<br />

Zunächst einmal wird man allerdings<br />

bemerken, wie viele unruhige Gedanken<br />

<strong>im</strong> eigenen Kopf umherschwirren.<br />

Mit zunehmender Übung in der Meditationspraxis<br />

wird man dann gewahr,<br />

dass, wenn man alles in Ruhe betrachtet<br />

<strong>und</strong> dankbar wieder gehen lässt,<br />

sich allmählich eine gewisse Klarheit,<br />

ein tief empf<strong>und</strong>ene, innere Ruhe einstellt.<br />

_Noah ist schließlich wie <strong>und</strong> trotz seines<br />

Vater Meditationslehrer geworden<br />

<strong>und</strong> hat aus der Auseinandersetzung mit<br />

den Lehren Buddhas, aber auch aus seinem<br />

unbedingten Zugehörigkeitsgefühl<br />

zum Punk die Dharma-Punx-Bewegung<br />

ins Leben gerufen.<br />

_Dharma-Punx fühlen sich <strong>im</strong> weitesten<br />

Sinne der Punkrock-, Hardcore- oder<br />

alternativen Szene verb<strong>und</strong>en <strong>und</strong> haben<br />

gleichzeitig ein Interesse am Dharma,<br />

dem Verfolgen der buddhistischen<br />

Lebensweise, an Meditation <strong>und</strong> Revolution<br />

<strong>im</strong> eigenen Geist. In Amerika, wo<br />

Noah lebt <strong>und</strong> sich auch sozial engagiert,<br />

geht er in die Jugendarrestanstalten<br />

<strong>und</strong> bringt den Jugendlichen dort<br />

Meditation nahe. Außerdem gibt er regelmäßig<br />

Meditationskurse <strong>und</strong> reist<br />

zuweilen auch in andere Teile der Erde,<br />

um dort seinen Weg zu unterrichten.<br />

_2010 kommt er nach Deutschland,<br />

wann <strong>und</strong> wo steht noch nicht genau<br />

fest. Noahs Motto lautet: Against hatred,<br />

against greed, against the stream<br />

(Gegen Hass, gegen Gier, gegen den<br />

Strom). #<br />

Am 5. <strong>und</strong> 6. September 2009 findet<br />

in Neuss ein Dharma-Punx-Festival<br />

statt. Dies ist sehr günstig <strong>und</strong> unter<br />

www.dharmapunx.de <strong>im</strong> Internet<br />

kann man Programm <strong>und</strong> Veranstaltungsadresse<br />

finden. Es ist das erste<br />

seiner Art in Deutschland <strong>und</strong> zeigt<br />

den Dokumentationsfilm „Meditate<br />

and destroy“ von Sarah Fisher über<br />

den Weg Noahs. Dharma-Punx sind<br />

in Deutschland noch nicht organisiert,<br />

besitzen aber (s.o.) schon eine<br />

Webseite <strong>und</strong> sind froh über Mithilfe.<br />

Wer sich für Noahs abenteuerlichen<br />

Werdegang näher interessiert, kann<br />

das Buch „Dharma-Punk-Trips, Drogen<br />

<strong>und</strong> die Suche nach dem Sinn<br />

des Lebens“, <strong>im</strong> Goldmann Verlag erschienen,<br />

lesen. Ein weiteres Buch<br />

von ihm heißt „Hardcore-Zen“, ist<br />

allerdings nur englischsprachig<br />

erhältlich.


Bericht | Text: Patricia Gallagher | Foto: Patricia Gallagher<br />

Streetworker in Münster<br />

Kontaktangebot am <strong>Bahnhof</strong><br />

Dem einen oder anderen ist der Bulli<br />

mit dem Wolf als Kennzeichen montags<br />

vor dem Hauptbahnhof der Stadt Münster<br />

best<strong>im</strong>mt schon mal ins Auge gesprungen.<br />

Es handelt sich um ein niederschwelliges<br />

Kontaktangebot der<br />

Streetwork Münster, die nun schon seit<br />

1991 Jugendliche unterstützt, die auf<br />

der Straße leben. Patricia Gallagher<br />

sprach mit den SozialarbeiterInnen<br />

Petra Schlickbernd, Christoph Cramer<br />

<strong>und</strong> Stefan Scholz.<br />

~: Hallo erstmal, stellt euch doch<br />

kurz unseren Lesern vor.<br />

Streetwork: Mein Name ist Christoph<br />

Cramer, ich bin 40 Jahre alt, Diplom-<br />

Sozialpädagoge <strong>und</strong> seit fünf Jahren bei<br />

der Streetwork. Meine Schwerpunkte<br />

sind: aufsuchende Arbeit, soziale Gruppenarbeit<br />

<strong>und</strong> natürlich Einzelberatung.<br />

Mein Name ist Petra Schlickbernd, ich<br />

bin 40 Jahre alt, Diplom-Sozialarbeiterin<br />

<strong>und</strong> seit neun Jahren dabei, meine<br />

Schwerpunkte sind - als einzige Frau<br />

der Hauptangestellten - die Mädchenbzw.<br />

Frauenarbeit, aber natürlich mache<br />

ich auch aufsuchende Arbeit, soziale<br />

Gruppenarbeit <strong>und</strong> Einzelberatung.<br />

Mein Name ist Stefan Scholz, ich bin 41<br />

Jahre alt, seit vier Jahren in der Streetwork<br />

<strong>und</strong> habe die Teamleitung inne.<br />

Dadurch ist mein Schwerpunkt neben<br />

dem Tagesgeschäft der aufsuchenden<br />

Arbeit <strong>und</strong> der Einzelfallhilfe auch der<br />

ganze administrative Teil der Arbeit.<br />

~: Könnt ihr das Konzept der Streetwork<br />

mit ein paar Worten unseren Lesern<br />

vorstellen?<br />

Stefan: Wir sind eine Einrichtung der<br />

Stadt Münster, des Amtes für Kinder, Jugendliche<br />

<strong>und</strong> Familien, Abteilung Kinder<br />

<strong>und</strong> Jugendarbeit/Jugendsozialarbeit.<br />

Wir bieten für Jugendliche zwischen<br />

14 <strong>und</strong> 27 Jahren Hilfe in allen Lebenslagen.<br />

Schwerpunkt sind Jugendliche mit<br />

dem Lebensmittelpunkt Straße. Wir haben<br />

einen so genannten Schutzauftrag.<br />

Das heißt wir sorgen präventiv dafür,<br />

dass Jugendliche nicht in eine so genannte<br />

„Drogenszene“ abrutschen <strong>und</strong><br />

dadurch vielleicht eine schwere Abhängigkeit<br />

von legalen oder illegalen Drogen<br />

entwickeln. Der Zugang ist freiwillig<br />

<strong>und</strong> anonym <strong>und</strong> wir machen auch nur<br />

das, was der K<strong>und</strong>e* vorgibt. Wir bieten<br />

Alternativen <strong>und</strong> verschiedene Lösungswege.<br />

Den Weg geht aber der K<strong>und</strong>e<br />

selbst.<br />

~: Könntet ihr denn den Lesern<br />

noch etwas zu den Angeboten erzählen?<br />

Stefan: Die stehen sozusagen auf drei<br />

Säulen: aufsuchende Arbeit, die sogenannte<br />

„Gehstruktur“, offene Angebote<br />

in der Einrichtung, die so genannte<br />

„Kommstruktur“. Diese beiden Angebot<br />

dienen der unverbindlichen Kontaktaufnahme.<br />

Die dritte Säule ist, die Beratung<br />

<strong>und</strong> Einzellfallhilfe, die durch unsere<br />

starke Vernetzung mit anderen Institutionen,<br />

den K<strong>und</strong>en die Türen leichter<br />

öffnet, in dem wir vermittelnd tätig<br />

sind. Desweiteren haben wir noch<br />

stadtteilbezogene Angebote <strong>und</strong> wohnortnahe<br />

soziale Gruppenangebote für<br />

Jugendliche bis 21 Jahre.<br />

Christoph: Allen Angeboten ist gemeinsam:<br />

Sie dauern in der Regel zwei St<strong>und</strong>en<br />

<strong>und</strong> haben einen thematischen<br />

Schwerpunkt (siehe Kasten). Und sie<br />

sprechen für sich, sind selbsterklärend.<br />

~: Habt ihr denn seit Bestehen<br />

signifikante Unterschiede in der Besucherzahl<br />

wahrgenommen?<br />

Stefan: Die Besucherzahlen waren in<br />

den letzten Jahren zwar rückläufig, da<br />

die Szene nicht mehr so groß ist. Ich<br />

möchte aber direkt daran anschließen,<br />

dass die Problemlagen komplexer geworden<br />

sind <strong>und</strong> die Intensität der Beratung<br />

bzw. Betreuung zugenommen<br />

hat. Kurz: Quantitativ sind es weniger<br />

Personen geworden, die aber qualitativ<br />

einen viel intensiveren Einsatz fordern.<br />

Aktuell zeichnet sich wieder ein Anstieg<br />

der K<strong>und</strong>enzahl ab.<br />

Petra: Wir müssen den Einzelnen auch<br />

häufig über recht lange Zeiträume betreuen.<br />

~: Also hat sich etwas in der Arbeit<br />

verändert, haben sich eure K<strong>und</strong>en<br />

verändert?<br />

Christoph: Ich erlebe unsere K<strong>und</strong>en so<br />

ein bißchen wie die große Politik: Sie<br />

haben ganz viele Probleme <strong>und</strong> sie haben<br />

die Hoffnung <strong>und</strong> den Glauben,<br />

durch „Dort-ein-wenig-Ändern-<strong>und</strong>da-ein-wenig-Nachjustieren“<br />

sofort alle<br />

Probleme lösen zu können. Und genau<br />

mit dieser Intention kommen sie zu<br />

uns. Die große Herausforderung ist, erst<br />

eine Struktur zu schaffen, damit unsere<br />

K<strong>und</strong>en auch tatsächlich anfangen können<br />

etwas zu ändern, mit ihnen <strong>im</strong>mer<br />

wieder zurückzukehren <strong>und</strong> zu schauen,<br />

wo derjenige denn nun steht.<br />

Petra: Damit man überhaupt anfangen<br />

kann zu arbeiten, muss erstmal eine<br />

Einsicht erfolgen <strong>und</strong> zugleich eine Versachlichung<br />

der Situation. Es muss <strong>im</strong>mer<br />

wieder vermittelt werden zwischen<br />

Mitarbeitern z.B. der ARGE, weil sich<br />

unsere K<strong>und</strong>en persönlich angegriffen<br />

fühlen. Und wir setzen uns für den<br />

sachlichen Kontext ein, der einfach erklärt<br />

werden muss. Dadurch leisten wir<br />

oft die nicht geleistete Elternarbeit.<br />

~: Welche Gründe sind für die<br />

Veränderungen - neben der gesteigerten<br />

Intensität - in den letzten Jahren<br />

verantwortlich?<br />

Petra: Eine Veränderung der Klientengruppe<br />

ging einher durch die Schliessung des<br />

„Masy“, des Mädchen Sleep-In, <strong>und</strong> dem<br />

Wegfall seiner Angebote vor zwei Jahren.<br />

Das daraufhin eingerichtete Mädchenfrühstück<br />

wird inzwischen recht gut angenommen.<br />

Außerdem hat sich die<br />

qualifizierte Sprechst<strong>und</strong>e von Frau Dr.<br />

Schwarte, gezielt für junge Mädchen <strong>und</strong><br />

Frauen, sehr gut etabliert. Bei diesen offenen<br />

Angeboten ist der Mädchenanteil<br />

sogar um 10% zum Vorjahr gestiegen.<br />

Christoph: Durch die Ablösung der Punks<br />

vor vier/fünf Jahren, die in den Neunzigern<br />

so mit 17 Jahren eingestiegen waren,<br />

hat sich der Altersdurchschnitt<br />

mittlerweile auf 21 Jahre eingependelt.<br />

17


18<br />

Auch hat die Hartz IV-Gesetzgebung <strong>und</strong><br />

die Verschärfung durch die Unter 25 Jahre-Regelung<br />

eine Änderung des Bedarfs<br />

miteinhergebracht. Zuvor war es für<br />

junge Menschen einfacher an Geld zu<br />

kommen. Die Mitwirkungspflicht ist mit<br />

der noch vor ca. fünf Jahren bestehenden<br />

Mithilfe nicht zu vergleichen. Die<br />

Jugendlichen sollen - <strong>und</strong> das ist meine<br />

Meinung - funktionieren, wie sich das<br />

die ARGE vorstellt.<br />

~: Könnt ihr den Eindruck bestätigen,<br />

dass durch den erhöhten Stresslevel<br />

bzw. die schrumpfenden finanziellen<br />

Mittel von Eltern, Kinder <strong>und</strong> Jugendliche<br />

zunehmend zu euren Klienten<br />

werden?<br />

Stefan: Nein, weil unsere K<strong>und</strong>en nicht<br />

nur aus Familien kommen, die an der<br />

Armutsgrenze leben, sondern auch aus<br />

sogenanntem „guten Hause“ stammen<br />

<strong>und</strong> doch ganz ähnliche Problemlagen<br />

haben. Sie kommen mit ihren Eltern<br />

nicht zurecht, da das Wertesystem der<br />

Eltern mit ihrem eigenen kollidiert. Das<br />

ist einer der Hauptgründe, warum Jugendliche<br />

hier landen.<br />

Petra: Das „Nicht-mehr-Verstehen“, die<br />

Eskalation der Situation ist unabhängig<br />

von gesellschaftlichen Schichten, Geldeinnahmen,<br />

Bildung, etc.<br />

~ Sind psychische Erkrankungen<br />

der Jugendlichen verstärkt ein Thema<br />

für euch? Wie geht ihr damit um?<br />

Stefan: Allgemein ist ein Anstieg von<br />

psychosozialen Auffälligkeiten zu bemerken.<br />

Wir hatten <strong>im</strong> letzten Jahr alleine<br />

vier Jugendliche, die wir in Therapie<br />

bzw. in die LWL-Klinik begleitet haben.<br />

Durch Teamarbeit, Austausch untereinander<br />

<strong>und</strong> mit anderen Einrichtungen<br />

Anzeige<br />

lernen wir, wie wir mit best<strong>im</strong>mten Situationen<br />

umgehen können, welche Institutionen<br />

dem K<strong>und</strong>en helfen können.<br />

Das Thema „psychosoziale Auffälligkeiten“<br />

spiegelt sich auch in verschiedenen<br />

Facharbeitskreisen wider.<br />

Petra: Durch die Einzelfallhilfe lernen<br />

wir <strong>im</strong>mer wieder Kolleginnen <strong>und</strong> Kollegen<br />

kennen, die <strong>im</strong> psychiatrischen<br />

Bereich arbeiten, dadurch besteht ein<br />

Informationsnetz, an das wir anknüpfen<br />

können. Auffälligkeiten psychosozialer<br />

Art gehören einfach zu unserem Arbeitsalltag.<br />

~: Welche Überschneidungen gibt<br />

es zu anderen Einrichtungen? Mit welchen<br />

Einrichtungen arbeitet ihr zusammen?<br />

Christoph: Ich scheue mich davor, von<br />

„Zusammenarbeit“ zu sprechen, da das<br />

aus K<strong>und</strong>ensicht so wirkt, als würden wir<br />

hinter dem Rücken ohne Kenntnis unseres<br />

K<strong>und</strong>en mit jemandem zusammenarbeiten.<br />

DAS TUN WIR NICHT! Gleichwohl<br />

haben wir Kontakt zu fast allen Hilfeeinrichtungen<br />

<strong>und</strong> Netzwerken geknüpft.<br />

Damit man mal schnell <strong>und</strong> vor<br />

allem unbürokratisch Hilfen installieren<br />

oder Informationen bekommen kann.<br />

Stefan: Um das Netzwerk bzw. die Kontakte<br />

zu pflegen, besuchen wir ver-<br />

schiedene Gremien. Dadurch können<br />

wir sicher stellen, dass uns die Ansprechpartner<br />

kennen, wir Tendenzen in<br />

der Stadt mitbekommen <strong>und</strong> ein Austausch<br />

sachdienlicher Informationen<br />

(z.B. kommunalpolitische Veränderung)<br />

stattfinden kann.<br />

~: Was würdet ihr euch für die<br />

Zukunft wünschen?<br />

Petra: Dass es weitergeht mit uns <strong>und</strong><br />

wir nicht Opfer von Kürzungen werden.<br />

Stefan: Na, dass es <strong>im</strong> Sinne unserer<br />

K<strong>und</strong>en weitergeht <strong>und</strong> mir meine Kollegen<br />

erhalten bleiben.<br />

* K<strong>und</strong>e wird bei der Streetwork anstatt<br />

Klient genutzt, da „K<strong>und</strong>e“ als ein Auftraggeber-<br />

auch für die Dienstleistung<br />

der Streetworker verstanden wird. #<br />

Wer mehr über die Geschichte <strong>und</strong><br />

Angebote der Streetwork erfahren<br />

möchte:<br />

Streetwork<br />

Hafenstraße 43<br />

48153 Münster<br />

Sprechzeiten:<br />

Di 9.00 - 12.00 Uhr - Do 15.00 -<br />

18.00 Uhr <strong>und</strong> nach Vereinbarung<br />

Tel. 02 51/4 92-58 60<br />

Fax 02 51/4 92-79 07<br />

E-Mail:<br />

streetwork@stadt-muenster.de<br />

http://www.muenster.de/stadt/street<br />

work<br />

Die offenen Angebote auf einen Blick:<br />

montags: 15.00 - 17.00 Uhr<br />

Streetworkmobil vor dem Hbf<br />

dienstags: 9.00 - 12.00 Uhr offenes<br />

Frühstücksangebot <strong>und</strong> Sprechzeit<br />

mittwochs: 14.30 - 16.30 Uhr<br />

Wohnungs- <strong>und</strong> Jobsucheangebot<br />

donnerstags: 15.00 - 18.00 Uhr offenes<br />

Caféangebot <strong>und</strong> Sprechzeit<br />

freitags: 10.00 - 12.00 Uhr Frühstück<br />

für Mädchen <strong>und</strong> junge Frauen<br />

freitags: 12.00 - 15.00 Uhr offenes<br />

Kochangebot


Bericht | Text: Christian Döscher<br />

Reise durch die Kunstgeschichte<br />

Der Beginn der Moderne in der Malerei - die Wege zu unserer Gegenwart<br />

Die Zeit des Klassizismus, in der die<br />

Kunst mit einigen seit langem bestehenden<br />

„Gesetzen“ brach, endete um<br />

1830. Die Bilder von Malern wie Jaques<br />

Louis David <strong>und</strong> Francisco Goya zeigen<br />

deutlich, dass man sich von allerhand<br />

Konventionen befreit hatte. Bereits<br />

hier beginnt die Moderne, jedoch nur<br />

vereinzelt in der bildenden Kunst. Im<br />

Ergebnis kam es zu einem fließenden<br />

Übergang in die folgende Zeit. Christian<br />

Döscher gibt einen kurzen Überblick<br />

zum Thema.<br />

_Mit Beginn des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts hat<br />

sich die Kunst so weit von den alten<br />

Zwängen <strong>und</strong> Lehrmeinungen befreit,<br />

dass man in der Darstellung dieser Zeit<br />

nicht einfach die nächste Epoche „anknüpfen“<br />

kann. Die Geschichte der<br />

Kunst ist längst eine Geschichte von<br />

Künstlern geworden. In den ungefähr<br />

h<strong>und</strong>ert Jahren zwischen dem Ende des<br />

Klassizismus <strong>und</strong> dem Anfang des Faschismus<br />

in Europa müssen wir, was<br />

Stilrichtungen betrifft, mit einer Reihe<br />

von Begriffen umgehen, die nicht <strong>im</strong>mer<br />

unmissverständlich sind: Realismus,<br />

Impressionismus, Naturalismus<br />

Lily <strong>und</strong> Teddy<br />

Lily ist mit ihren 3 Jahren eine sehr verspielte Katze, die sich jede Spielmaus<br />

schnappt <strong>und</strong> mit Begeisterung damit spielt. Beide raufen gerne<br />

zusammen, aber kuscheln dann gerne nach ihrer Rangelei <strong>und</strong> schlekken<br />

sich gegenseitig ab. Teddy (1 Jahr) braucht ein Vorbild, bei dem er<br />

sich den Umgang mit Mensch <strong>und</strong> Tier abgucken kann. Auf unserer Pflegestelle<br />

hat er schon viel gelernt <strong>und</strong> lässt sich schon mal be<strong>im</strong> Vorbeigehen<br />

streicheln. Gerne würden wir beide Tiere zusammen vermitteln.<br />

Sie sind beide kastriert <strong>und</strong> wünschen sich ruhige 'Dosenöffner' ohne<br />

Kinder in einer großen Wohnung mit Balkon. Natürlich kommen beide<br />

auch als Freigänger in einem adäquaten Umfeld in Frage.<br />

Kontakt<br />

Tel. 0251/8469757 oder<br />

www.katzenhilfe-muenster.de<br />

<strong>und</strong> Expressionismus sind nur einige<br />

von ihnen. Diese Worte taugen nicht<br />

oder kaum mehr als Epochenbegriffe,<br />

viel mehr dienen sie zur Bezeichnung<br />

von Stilrichtungen, die mitunter gleichzeitig<br />

existieren.<br />

_Realismus ist der ab etwa 1850 sichtbare<br />

Stil, der sich gegen die historisierenden<br />

<strong>und</strong> idealisierenden Darstellungen<br />

des Klassizismus <strong>und</strong> der Romantik<br />

wandte. Der französische Maler Gustave<br />

Courbet (1819-1877) prägte diesen<br />

Begriff 1855 auf der Pariser Weltausstel<br />

lung. Zum Selbstverständnis des Künstlers<br />

äußerte der Maler sich so: „Ein<br />

Künstler ist sein eigener Herr.“ „Ein<br />

Künstler muss in seiner eigenen Zeit<br />

verwurzelt sein.“ Für ihn ist „Malen…<br />

eine gegenständliche Kunst, die sich<br />

nur mit dem Realen <strong>und</strong> Sichtbaren<br />

beschäftigt, niemals mit dem, was nur<br />

in der Vorstellung existiert.“ „Schönheit<br />

liegt in der Natur <strong>und</strong> offenbart,<br />

einmal vom Künstler erkannt, ihre<br />

eigene Ausdruckskraft.“ An dieser Stelle<br />

ist es wichtig zu sagen, dass Realismus<br />

nicht die exakte Wiedergabe dessen<br />

meint, was unser Auge bei der Betrachtung<br />

einer Landschaft oder eines Ge-<br />

sichtes sieht, das nämlich wäre Naturalismus.<br />

Dem Realismus geht es um<br />

Aussagen, die sich auf Tatsachen beziehen.<br />

Deshalb ist Realismus oft politisch.<br />

Auch Courbets Begräbnis in Ornans<br />

(1849-1850) hat eine politische D<strong>im</strong>ension.<br />

Der Impressionismus ist eine weitere<br />

bekannte Stilrichtung der Epoche.<br />

Goya <strong>und</strong> Eugène Delacroix sind zwei<br />

seiner bekanntesten Vorläufer. Der<br />

wohl berühmteste Vertreter dieses Stils<br />

ist Claude Monet. Dieser Maler lebte von<br />

1840 bis 1926, sein Gemälde „Impression,<br />

soleil levant“ von 1872 gab der<br />

Bewegung ihren Namen, obwohl es<br />

<strong>im</strong>pressionistisches Malen auch schon<br />

vorher gegeben hat. Den Impressionisten<br />

kam es besonders darauf an die<br />

St<strong>im</strong>mung des Augenblicks einzufangen.<br />

Dabei spielte das Licht <strong>und</strong> dessen<br />

Einfluss auf das Motiv eine bedeutende<br />

Rolle, kräftige, helle Farben brachten<br />

das Dargestellte zur Geltung. Das Bild<br />

„Le déjeuner sur l'herbe“ (Das Frühstück<br />

<strong>im</strong> Grünen, 1863) von einem weiteren<br />

bekannten Maler dieses Genres,<br />

Edouard Manet, zeigt zudem die Vorliebe<br />

dieses Stils für Darstellungen unter<br />

freiem H<strong>im</strong>mel. #<br />

19


20<br />

Bericht | Text: Jörg Pöpping | Foto: „100 Jahre Preußen Münster (Festschrift)<br />

Preußen Report<br />

SC Preußen <strong>und</strong> der Aufstieg<br />

Klare Sache, in der kommenden Saison<br />

2009/2010 will der SC Preußen Münster<br />

um den Aufstieg spielen. Genau wie<br />

vor fast 100 Jahren, schon damals in<br />

den Anfängen Münsteraner Fußballgeschichte<br />

kämpfte der bis dahin als<br />

FC bezeichnete Verein erfolgreich um<br />

den Aufstieg in die A-Klasse. Jörg<br />

Pöpping berichtet mit fre<strong>und</strong>licher<br />

Unterstützung von Dieter Schulze-<br />

Marmeling.<br />

_Nachdem am 24. Juni 1907 <strong>im</strong> „Münsterischen<br />

Anzeiger“ folgende karge Anzeige<br />

zu lesen war: „Fußballsport: Seine<br />

Anzeige<br />

Presse <strong>und</strong> Informationsamt<br />

Tausend Fragen - eine Adresse<br />

Infos, Service <strong>und</strong> Veranstaltungstipps in muenster.de<br />

www.muenster.de/stadt<br />

Virtuelles Rathaus, Online-Dienste, Formulare<br />

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News aus erster Hand, Münster in Bild, Film, Ton<br />

www.muenster.de/stadt/buergeramt<br />

Von Anmeldung bis Zeugnisbeglaubigung<br />

Exzellenz, Freiherr von Bissing, hat dem<br />

neuerdings gegründeten Fußballklub<br />

Preußen einen Spielplatz auf der Loddenheide<br />

zur Verfügung gestellt, auf<br />

welchem heute, um halb vier Uhr, ein<br />

Wettspiel zwischen der 1. Mannschaft<br />

des Fußballklub Osnabrück <strong>und</strong> der 1.<br />

Mannschaft des Fußballklub Preußen<br />

stattfinden wird“, wurde dieses erste,<br />

nicht allzu brisante Spiel klar mit 5:0<br />

gewonnen. Der zweite überlieferte Spielgegner<br />

der Preußen war eine Mannschaft<br />

aus Hamm. Die Preußen gewannen<br />

bei strömenden Regen 13:0 <strong>und</strong><br />

führten das Spiel so überlegen, dass es<br />

www.muenster.de/stadt/wohnungsamt<br />

Online-Mietspiegel, Wohnungs-Tipps, Wohngeld<br />

www.termine.muenster.org<br />

Veranstaltungskalender, Kinos, Weiterbildung<br />

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Pr<strong>im</strong>a Kl<strong>im</strong>a: Umwelttipps, Service, Beratung<br />

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Ihr gutes Recht auf Hilfe in vielen Lebenslagen<br />

www.muenster.de/stadtteile<br />

Stadtteil-Portale - von Albachten bis Wolbeck<br />

sich die Verteidigung leisten konnte, die<br />

Angelegenheit mit aufgespanntem<br />

Schirm zu verfolgen. Anschließend forderten<br />

die Preußen den FC Münster 04<br />

heraus, der bereits dem Westdeutschen<br />

Spielverband (WSV) angehörte <strong>und</strong> somit<br />

am regulären Spielbetrieb teilnahm. Das<br />

Spiel wurde auf dem Sportplatz des FC<br />

am Landesbahnhof ausgetragen <strong>und</strong><br />

von den Preußen ebenfalls gewonnen.<br />

Die Preußen fühlten sich nun gerüstet,<br />

ihre Aufnahme in die Ligen des Verbands<br />

<strong>und</strong> hier in die 1. Klasse zu beantragen.<br />

Im Bezirk gab es damals drei<br />

Spielklassen. Doch der ältere Lokalrivale<br />

FC 04, der in der A-Klasse spielte, erhob<br />

be<strong>im</strong> Verband gegen den Antrag der<br />

Preußen Einspruch. Mit Erfolg, denn die<br />

Preußen wurden nur der dritten Klasse<br />

bzw. C-Klasse zugeordnet, mussten also<br />

ganz unten anfangen. Die Aufnahme<br />

des FC Preußen in den WSV, die am 8.<br />

August 1907 erfolgte, verlief dennoch<br />

relativ problemlos. Dies hing vermutlich<br />

mit der gutbürgerlichen Mitgliedschaft<br />

des Vereins zusammen, denn der WSV<br />

selbst galt als durch <strong>und</strong> durch bürgerlicher<br />

Verband, beherrscht von bürgerlichen<br />

Funktionären <strong>und</strong> Vereinen. Der<br />

WSV war am 23. Oktober 1898 in einem<br />

Düsseldorfer Hotel gegründet worden.<br />

WSV-Gründer waren ausschließlich bürgerliche<br />

Vereine, die in Bonn, Köln, Mönchengladbach,<br />

Düsseldorf, Duisburg,<br />

Rheydt <strong>und</strong> Düren behe<strong>im</strong>atet waren.<br />

Anders als die Preußen hatte beispielsweise<br />

der zwei Jahre ältere Arbeiterverein<br />

Schalke 04 erhebliche Probleme,<br />

dem elitären Kreis beizutreten. Sein<br />

Aufnahmegesuch wurde zunächst abschlägig<br />

beschieden. Deshalb traten die<br />

Blau-Weißen 1912 dem Schalker Turnverein<br />

von 1877 bei, der bereits be<strong>im</strong><br />

Verband registriert war. Noch 1925, als<br />

der DFB sein 25-jähriges Jubiläum beging,<br />

wurde Schalke 04 in einem Artikel<br />

über „30 Jahre Gelsenkirchener Fußball“<br />

schlichtweg totgeschwiegen.<br />

_In der ersten Saison 1907/08 wurden<br />

die Preußen in der C-Klasse auf Anhieb<br />

Meister. In der Endr<strong>und</strong>e der Meister der<br />

3. Klasse unterlag man in Hamm dem SV<br />

Gelsenkirchen-Heßler mit 2:1. Trotzdem


war man in die B-Klasse aufgestiegen.<br />

In der Saison 1908/09 gelang auch in<br />

der B-Klasse der Durchmarsch. In der<br />

Endr<strong>und</strong>e der Gruppensieger um die<br />

„B-Meisterschaft“ hatten die Preußen<br />

dieses Mal gegenüber Gelsenkirchen-<br />

Heßler die Nase vorn. Ein Entscheidungsspiel<br />

gewannen die Preußen souverän<br />

mit 6:0. In die Saison 1909/10 gingen<br />

die Preußen somit als A-Ligist <strong>und</strong> befanden<br />

sich hier in einer Staffel mit BV<br />

Gelsenkirchen, FC Dortm<strong>und</strong> 95, BV<br />

Dortm<strong>und</strong> 04, SuS Schalke 95, FC Hagen<br />

05 <strong>und</strong> FC Hamm 03. Aus den zwölf Begegnungen<br />

holten die Preußen nur sieben<br />

Punkte <strong>und</strong> wurden letzter. Nichtsdestotrotz<br />

waren die Preußen mittlerweile<br />

die Nummer eins in der Stadt <strong>und</strong><br />

blieben auch in der kommenden Saison<br />

erstklassig, denn die Bezirke wurden<br />

neu eingeteilt. Die sportlichen Erfolge<br />

<strong>und</strong> die Aufnahme in den WSV hatten<br />

bewirkt, dass der FC Preußen <strong>im</strong>mer<br />

mehr Anhänger <strong>und</strong> Aktive gewann <strong>und</strong><br />

eine gewisse Leistungskonzentration<br />

unter den Fittichen des Klubs stattfand.<br />

1910 zogen die Preußen von der Loddenheide<br />

zum „Feldschlösschen“ um.<br />

Dieser Ort ist identisch mit der heutigen<br />

Sportanlage Sentruper Höhe, die auch<br />

unter der Bezeichnung „Am Stübben“<br />

bekannt ist. Von den Jahren an der<br />

Sentruper Höhe abgesehen, lagen die<br />

Spielstatten der Preußen mit der Loddenheide,<br />

dem Münstermannplatz <strong>und</strong><br />

dem Preußenstadion allerdings stets<br />

südlich der Altstadt in der Umgebung<br />

der Hammer Straße. Die Saison 1910/11<br />

verbrachte der FC Preußen erneut in der<br />

A-Klasse u.a. mit dem Osnabrücker<br />

Klubs Olympia <strong>und</strong> BV ( Vorläufer des<br />

heutigen VFL Osnabrück), die die ersten<br />

beiden Plätze belegten. In der Saison<br />

1911/12 spielten die Preußen in der A-<br />

Frieda & Karlo<br />

Klasse Westfalen, Gruppe Ost, der neben<br />

den Osnabrücker Adressen auch die Bielefelder<br />

Klubs Arminia <strong>und</strong> VfB angehörten.<br />

Sie wurden mit vier Punkten Vorsprung<br />

auf dem VfB Bielefeld Meister.<br />

Als Meister der Gruppe Ost spielten die<br />

Preußen nun gegen den Sieger der Gruppe<br />

West um die Westfalenmeisterschaft.<br />

Dieser hieß SuS Schalke 96. Das Finale<br />

endete zunächst mit einem Remis (4:4).<br />

Die Neuauflage gewannen die Gelsenkirchener<br />

mit 3:2, doch die Preußen<br />

hatten sich nun unter den führenden<br />

Adressen in Westfalen etabliert. Bei attraktiven<br />

He<strong>im</strong>spielen kamen um die<br />

2.000 Zuschauer zum „Feldschlösschen“.<br />

1912/13 wurde der FC Preußen knapp<br />

hinter Arminia Bielefeld Vizemeister. Die<br />

Arminen waren als 1. Fußballclub Arminia<br />

ein Jahr vor den Preußen gegründet<br />

Das Kaninchenpaar Frieda & Karlo kam aus schlechter Haltung in das<br />

Tierhe<strong>im</strong> an der Kötterstraße. Beide waren extrem verwahrlost <strong>und</strong><br />

mussten zunächst einen Großteil ihres ehemals tollen Fells einbüßen.<br />

Mittlerweile sind sie durch die gute Pflege wieder hübsche Plüschkaninchen<br />

<strong>und</strong> stehen daher zur Vermittlung frei. Aufgr<strong>und</strong> des pflegeintensiven<br />

Fells sollen die knapp zweijährigen Langohren jedoch<br />

nur in Innenhaltung vermittelt werden. Trotz ihrer schlechten Erfahrungen<br />

sind beide lieb <strong>und</strong> zutraulich <strong>und</strong> machen viel Freude. Wer<br />

hat einen Platz für die kuscheligen Angoras?<br />

Kontakt<br />

Tierfre<strong>und</strong>e Münster e. V., Kötterstr. 198, 48157 Münster<br />

Telefon: 0251/ 32 50 58<br />

Öffnungszeiten: Samstags von 11.00 Uhr bis 17.00 Uhr<br />

<strong>und</strong> sonntags von 15.00 Uhr bis 18.00 Uhr<br />

www.tierfre<strong>und</strong>e-ms.de<br />

worden. Ihre Umbenennung in DSC Arminia<br />

erfolgte 1927. Sie wurden in dieser<br />

Saison auch noch Westfalenmeister, indem<br />

sie Borussia Dortm<strong>und</strong> mit 5:1 bezwangen.<br />

1913/14 musste der BV Münster<br />

die A-Klasse verlassen. Die Preußen<br />

hingegen hatten dieses Mal gegen die<br />

Bielefelder Konkurrenz die Nase vorn,<br />

als sie mit zwei Punkten Vorsprung vor<br />

den Arminen Meister wurden. Die Fußballrivalität<br />

zwischen Münster <strong>und</strong> Bielefeld<br />

ist also beinahe so alt wie die<br />

Preußen selbst. Die Meisterschaft in der<br />

A-Liga des Westfälischen Kreises war in<br />

dieser Saison gleichbedeutend mit der<br />

Westfalenmeisterschaft. Der Titelgewinn<br />

stellte den bis dahin größten Erfolg in<br />

der Vereinsgeschichte dar. #<br />

21


Anzeige<br />

22<br />

Bericht | Text <strong>und</strong> Fotos: Marcel-Philipp Werdier<br />

Fernweh nach dem Nahen Osten<br />

Vier Suchende in der Fremde<br />

Die Münsteraner Skulpturprojekte 2007,<br />

an der das ~-Team maßgeblich<br />

beteiligt war, war in vielerlei Hinsicht<br />

eine Bereicherung. Unter anderem<br />

eben auch darum, weil wir viele interessante<br />

Menschen kennen gelernt <strong>und</strong><br />

neue Fre<strong>und</strong>schaften geschlossen haben:<br />

Einer dieser treuen Fre<strong>und</strong>e ist<br />

Marcel-Philipp Werdier. Die Geschichte,<br />

die er in den folgenden Zeilen erzählt,<br />

handelt von einer Reise quer durch<br />

Osteuropa über die Pforte zum Orient,<br />

Istanbul, weiter bis ins Morgenland <strong>und</strong><br />

zurück.<br />

_Es stellt sich zunächst die Frage nach<br />

den Reisenden. Es geht es hier um mich,<br />

25 Jahre alt, Student der Philosophie,<br />

Arabistik <strong>und</strong> Geschichte <strong>und</strong> meinen<br />

treuen H<strong>und</strong> Leo, der die gesamte Strekke<br />

mit mir zurücklegte. Ich selbst, seit<br />

jeher getrieben von einer gewissen<br />

Rast- <strong>und</strong> Ziellosigkeit, suchte die Fremde,<br />

um vielleicht irgendwann die wahre<br />

He<strong>im</strong>at zu finden. Leos Wunsch war von<br />

klein auf der nach einem festen Platz<br />

<strong>und</strong> einem Rudel, das er auf ewig als<br />

sein Zuhause bezeichnen könnte.<br />

_Dieses Umherschweifen <strong>und</strong> Abgegebenwerden<br />

ließ unsere Wege in Münster<br />

kreuzen, wo besonders Leo dem ein<br />

oder anderen bekannt sein dürfte. Ob<br />

<strong>im</strong> 'Streichelzoo' der Skulpturprojekte<br />

2007 oder <strong>im</strong> Dreigespann mit dem<br />

H<strong>und</strong> Prince <strong>und</strong> dessen Besitzerin, der<br />

Sozialarbeiterin Patricia, machte er sich<br />

schon früh einen Namen. Schließlich<br />

fand er bei mir Unterschlupf <strong>und</strong> sich<br />

selbst unvermittelt wieder in der nun<br />

4-köpfigen Besatzung eines VW-T3<br />

Bullis mit dem Zielort Damaskus/Syrien.<br />

H<strong>und</strong> <strong>und</strong> Herrn begleiteten nämlich<br />

meine Fre<strong>und</strong>in Antonia <strong>und</strong> unsere<br />

gemeinsame Fre<strong>und</strong>in Nina. Wir alle<br />

drei studieren Arabistik <strong>und</strong> Islamwissenschaften<br />

<strong>und</strong> durch unsere Reise mit<br />

dem Bus hofften wir, einen gewissen<br />

Bezug zum Alltagsleben <strong>und</strong> seiner<br />

Veränderung herzustellen.<br />

_Ich hatte mir ein Praktikum <strong>im</strong><br />

Deutschen Archäologischen Institut in<br />

Damaskus organisiert, fieberte aber in<br />

erster Linie den fremden Kulturen <strong>und</strong><br />

vor allem dem alltäglich Leben entgegen,<br />

das mich unweigerlich erwarten<br />

sollte. Durch einen Vollzeitjob <strong>im</strong> bereits<br />

erwähnten Streichelzoo hatte ich<br />

so viel Geld verdient, dass es für den<br />

Kauf eines alten Polizeibullis reichte,<br />

der sich als eine absolute Kämpfernatur<br />

entpuppte <strong>und</strong> der deshalb am Ende<br />

der Reise den Namen „Phoenix“ verliehen<br />

bekam. Mit dem Geld, dass ich<br />

durch weitere Nebenjobs einnahm, bezahlte<br />

ich die Materialien für den Umbau,<br />

dessen Konzept von mir so erdacht<br />

wurde, dass es möglich war, vier Leute<br />

zu transportieren <strong>und</strong> dennoch drei<br />

Personen <strong>und</strong> einem H<strong>und</strong> eine Schlafmöglichkeit<br />

zu bieten. Obwohl man es<br />

durchaus als „kuschelige“ Atmosphäre<br />

bezeichnen konnte, so war es doch<br />

nicht nur der enge Raum, der so hartnäckig<br />

an unseren Nerven zehren sollte.<br />

Nach weiteren Monaten des Planens,<br />

der groben Routenbest<strong>im</strong>mung <strong>und</strong> des<br />

Zusammenklaubens der nötigen Ausrüstung,<br />

machten wir uns am 01. August<br />

2008 auf die Reise. Acht Wochen<br />

dauerte der 15.000 Kilometer lange Weg<br />

insgesamt <strong>und</strong> die Hinfahrt führte uns<br />

über sechs Etappen zum Zielort: Tschechien,<br />

Österreich, Ungarn, Rumänien,<br />

Bulgarien <strong>und</strong> die Türkei lagen auf der<br />

Strecke. Der Rückweg sollte uns dann<br />

über Griechenland, das Mittelmeer, Italien<br />

<strong>und</strong> die Schweiz nach Deutschland<br />

führen.<br />

_Das Wetter war großartig <strong>und</strong> das Fernweh<br />

trieb uns voran, selbst Leo fühlte<br />

sich bald mit uns dreien he<strong>im</strong>isch. Die<br />

erste Bewährungsprobe sollte in der<br />

tschechischen Hauptstadt auf uns warten.<br />

Prag hatte uns alle von Beginn an<br />

verzaubert. Wir waren in Hochst<strong>im</strong>mung<br />

<strong>und</strong> die warme Sommerluft schien uns<br />

den Verstand vernebelt zu haben, denn<br />

schon in der dritten Reisenacht waren<br />

wir so sorgenfrei, dass wir bei halbgeöffneten<br />

Fenstern <strong>im</strong> Zentrum der Innenstadt<br />

schliefen, die Rucksäcke aus<br />

Bequemlichkeit auf den Beifahrersitz<br />

gelegt, Papiere inklusive. Leo war der<br />

erste, der das Unheil witterte, doch<br />

außer einem leisen Knurren konnte er<br />

sich zu keiner weiteren Maßnahme<br />

durchringen. Vielleicht lag es aber auch<br />

an unserer dämlichen Idee ihm den<br />

Weg in die Fahrerkabine durch Näpfe<br />

<strong>und</strong> Taschen abzuschneiden. Antonia<br />

war es schließlich, die uns durch ein<br />

etwas unbeholfenes „Hehh!“ aus dem<br />

Schlaf holte, doch als ich aus dem Bus<br />

sprang, war der Dieb mit dem blauen<br />

Batik-Shirt schon verschw<strong>und</strong>en. Um es<br />

kurz zu machen, wir hatten unverschämtes<br />

Glück. Hörbücher auf CD <strong>und</strong><br />

schutzige Abschminktücher waren alles,<br />

was fehlte, <strong>und</strong> wir setzten unsere Tour<br />

mit stark geschärften Sinnen fort.<br />

_Ein sonniger Weg die Donau entlang,<br />

schöne Tage in Wien, am Balaton <strong>und</strong><br />

in Budapest ließen uns unseren Rhythmus<br />

finden <strong>und</strong> ein idyllischer Flecken<br />

Natur in einem kleinen, malerischen,<br />

rumänischen Dorf bot uns die Oase,<br />

nach der wir uns nach knapp anderthalb<br />

Wochen sehnten. Die Hitze lähmte<br />

unseren Tatendrang <strong>und</strong> auf einem<br />

Campingplatz, der an einem kühlen<br />

Bach gelegen war, ließen wir uns für


mehrere Tage nieder. Als wir am Ende<br />

unserer Rast feststellten, dass das kleine<br />

Dorf vielmehr eine mittelgroße Stadt<br />

war, freuten wir uns so über unsere<br />

eigene Unbeschwertheit, dass wir beschlossen<br />

unseren großartigen Trip mit<br />

einem Essen in einem Restaurant zu<br />

feiern. Leo kaute zu unseren Füßen,<br />

von den St<strong>und</strong>en des Tobens erschöpft,<br />

an einem getrockneten Schweineohr,<br />

während wir uns frittierten <strong>und</strong> gebratenen<br />

Köstlichkeiten hingaben. Am<br />

nächsten Morgen sollte es weiter an die<br />

Schwarzmeerküste gehen, nach Constanza,<br />

wo die erste Begegnung mit<br />

dem Meer auf uns wartete. Doch so<br />

weit sollten wir nicht kommen, auch<br />

wenn wir schon um 6 Uhr die Zelte<br />

abbrachen.<br />

_Nina hatte sich schon in der Nacht<br />

mehrere Male aus dem Bulli gestohlen<br />

<strong>und</strong> ihr gesamtes 'Festmahl' wieder erbrochen.<br />

Sie klagte über ungeheure<br />

Bauchschmerzen <strong>und</strong> wir beschlossen<br />

einen Arzt in der nächst größeren Stadt<br />

Brasov aufzusuchen. Wenn ich mich<br />

heute daran erinnere, erscheint mir die<br />

Stadt wie eine Hölle aus grauem Staub.<br />

Heiß <strong>und</strong> fiebrig <strong>und</strong> schon ihr Bild<br />

raubt mir den Atem. Wir kamen in der<br />

Mittagshitze an, 42°C. Der rumänische<br />

Verkehr war ein Moloch <strong>und</strong> die „Europastraße“,<br />

die uns hergebracht hatte,<br />

war streckenweise nur auf den Karten<br />

vorhanden gewesen. Nina hatte sich<br />

noch einige Male in diverse Tüten übergeben<br />

<strong>und</strong> lag nun zwischen Wach <strong>und</strong><br />

Schlaf auf dem Bett <strong>und</strong> auch bei Antonia<br />

<strong>und</strong> mir machten sich langsam<br />

Bauchschmerzen bemerkbar. Zu dritt<br />

machten wir uns zu Fuß auf den Weg in<br />

die Stadt. Nina blieb <strong>im</strong> Wagen, doch<br />

bei der brennenden Hitze <strong>und</strong> den <strong>im</strong>mer<br />

heftiger werdenden Krämpfen, gaben<br />

wir die Suche nach einem Arzt<br />

schnell auf <strong>und</strong> versuchten nun nur<br />

noch die Strecke zum Bus zurück zu<br />

meistern, um so bald wie möglich zu<br />

einem Campingplatz zu kommen, damit<br />

wir uns dort einige Tage auskurieren<br />

konnten. Als wir den Parkplatz erreichten,<br />

stand der Wagen bei wolkenfreiem<br />

Mittagsh<strong>im</strong>mel in der prallen Sonne.<br />

Nina weinte verzweifelt, weil sie inzwischen<br />

selbst die Kraft verloren hatte,<br />

sich eine Flasche Wasser zu holen, <strong>und</strong><br />

ich setzte mich schmerzverzerrten Gesichts<br />

hinters Lenkrad. Antonias Kreislauf<br />

verabschiedete sich <strong>und</strong> meine Gedanken<br />

rasten, wie der brodelnde Verkehr<br />

um mich herum: „Wo ist ein Krankenhaus?<br />

Was mache ich mit Leo? Schafft<br />

Antonia es wach zu bleiben? Warum tut<br />

mir mein Magen so verdammt weh?“<br />

_Auf einer riesigen Kreuzung schaute<br />

ich ein letztes Mal auf mein Armaturenbrett.<br />

Die Tanknadel sank mit rasender<br />

Geschwindigkeit in den roten<br />

Bereich <strong>und</strong> der Motor soff ab. Fluchend<br />

riss ich am Lenkrad herum, als könnte<br />

ich den Wagen dadurch vorantreiben,<br />

<strong>und</strong> wir kamen am Rand der Rechtsabbiegerspur<br />

zum Stehen. Nichts ging<br />

mehr! Ich schaffte noch das wichtigste<br />

Zeug aus dem Auto, die Mädels <strong>und</strong> Leo<br />

in einen Hauseingang <strong>und</strong> rief den rumänischen<br />

'ADAC'. Dann klappte auch<br />

ich mehr oder weniger<br />

zusammen. Es vergingen<br />

noch St<strong>und</strong>en, ehe wir<br />

ins Krankenhaus kamen,<br />

<strong>und</strong> beinahe wäre Leo<br />

von den beiden Fahrern<br />

des ADAC auf der Straße<br />

verschenkt worden. Doch<br />

ohne sie <strong>und</strong> ohne Paul,<br />

den dubiosen Taxifahrer<br />

<strong>im</strong> Netzhemd, der uns<br />

über zwei Tage ges<strong>und</strong><br />

pflegte, hätte diese Geschichte<br />

sicherlich auch<br />

kein gutes Ende genommen.<br />

_Es stellte sich heraus,<br />

dass wir bis auf Leo alle<br />

eine handfeste Lebensmittelvergiftung<br />

hatten.<br />

Der kleine Mischling war<br />

glücklicherweise davon<br />

verschont geblieben,<br />

auch wenn für ihn die<br />

Nacht bei Wildfremden,<br />

Bekannten der Abschlepp-<br />

fahrer, zu denen sie Leo schließlich gebracht<br />

hatten, mehr als ein Schock gewesen<br />

sein musste. Geht es den anderen<br />

gut? Bin ich schon wieder abgegeben<br />

worden? Dies mochten wohl seine<br />

Gedanken gewesen sein. Wir holten<br />

ihn, noch <strong>im</strong>mer geschwächt, nach<br />

einer Nacht in einem Hotel wieder ab.<br />

Das Gefühl ihn zu sehen, war das stärkste,<br />

was ich bis dahin erlebt habe. Seine<br />

Freude <strong>und</strong> die Gewissheit <strong>und</strong> Zuversicht,<br />

die in seiner Begrüßung lagen,<br />

ließen mich für einen Moment alle Sorgen<br />

vergessen <strong>und</strong> auch den beiden<br />

Mädchen war anzusehen, dass sie sich,<br />

sobald sie ihn sahen, wieder zu Hause<br />

fühlten. Unser nächster großer Prüfstein<br />

sollte Syrien werden...<br />

(Fortsetzung <strong>im</strong> nächsten Heft) #<br />

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23


24<br />

Rumänien | Rezepte: Neema Dalmühle | Foto: Heinz Dalmühle<br />

Rumänische Küche<br />

Die rumänische Küche schmeckt herzhaft, die Gerichte werden häufig mit viel<br />

Fett <strong>und</strong> Knoblauch zubereitet. Das verwendete Gemüse ist meistens frisch<br />

<strong>und</strong> in der Regel biologisch angebaut. Leider wird das Gemüse aber oft zerkocht.<br />

Wir finden Einflüsse aus Italien, Russland, der Türkei <strong>und</strong> aus Sachsen.<br />

Auch ungarische <strong>und</strong> griechische Einflüsse lassen sich erkennen. Verschiedene<br />

Gerichte wie z.B. der schnittfeste Maisbrei „Mamaglia“, der an die italienische<br />

Polenta erinnert oder das ungarische Gulasch, das in Rumänien „tocanà“<br />

heißt, Garformen, wie z.B. das Grillen, das von den Türken übernommen<br />

wurde <strong>und</strong> Zutaten wie z.B. saure Sahne aus Russland <strong>und</strong> Sauerkraut aus<br />

Sachsen belegen den Einfluss anderer Kochtraditionen. #<br />

Ciorba de varza (Krautsuppe)<br />

Zutaten:<br />

Zutaten für sechs Personen<br />

200 g Rindfleisch<br />

200 g Schweinefleisch<br />

200 g Hühnerfleisch<br />

100 g geräucherter Schinken<br />

150 g geräucherte Wurst<br />

150 g Sauerkraut<br />

1,5 l Sauerkrautsaft<br />

1 kleine Zwiebel<br />

1 EL Mehl<br />

Öl<br />

Paprikapulver edelsüß<br />

2 EL Reis<br />

etwas Rahm<br />

Zubereitung:<br />

_Das Fleisch würfeln <strong>und</strong> mit wenig Wasser<br />

halbweich garen. Dabei das Rindfleisch<br />

etwas früher zum Kochen bringen,<br />

da die Garzeit etwas länger ist. Dann den<br />

Schinken <strong>und</strong> das Sauerkraut dazugeben,<br />

mit Sauerkrautsaft aufgießen <strong>und</strong> langsam<br />

kochen lassen, bis das Fleisch weich<br />

ist. Die Wurst nun in dünne Scheiben<br />

schneiden <strong>und</strong> dazu geben, Zwiebeln fein<br />

hacken, in heißem Öl andünsten, Mehl<br />

einrühren <strong>und</strong> die Suppe damit dicken.<br />

Mit Salz <strong>und</strong> Paprika abschmecken.<br />

_Den Reis separat kochen <strong>und</strong> in einer<br />

Schüssel anrichten. Sollte er in der Suppe<br />

mitgekocht werden, nur 1 EL Reis nehmen.<br />

Ein Tupfen Rahm in den Teller r<strong>und</strong>et<br />

den Geschmack ab.<br />

_Diese Suppe kann ein oder zwei Tage<br />

vorher gekocht werden. Krautgerichte<br />

schmecken aufgewärmt noch besser.<br />

Siebenbürger geschichtetes Kraut<br />

Zutaten:<br />

100 g Langkornreis<br />

2 Zwiebeln<br />

1 Knoblauchzehe<br />

250 g durchwachsener Speck, gewürfelt<br />

500 g Schweinegulasch<br />

4 Paar Debrecziner Würstchen<br />

Salz<br />

1 EL edelsüßes Paprikapulver<br />

750 g Sauerkraut<br />

100 ml Milch<br />

100 ml saure Sahne<br />

1 TL Rosenpaprika<br />

Zubereitung<br />

_Den Reis in 1 Liter Salzwasser 5 Minuten<br />

kochen <strong>und</strong> dann abgießen. Zwiebeln<br />

<strong>und</strong> Knoblauchzehe pellen <strong>und</strong> fein würfeln.<br />

Den Backofen auf 180 °C vorheizen.<br />

_In einer Pfanne den Speck bei mittlerer<br />

Hitze ausbraten, herausnehmen <strong>und</strong> in<br />

eine große Schüssel geben. Nur 2 EL von<br />

dem ausgelassenen Fett in der Pfanne<br />

lassen, darin die Gulaschstückchen braun<br />

anbraten, salzen <strong>und</strong> zu den Speckwürfeln<br />

geben.<br />

_Nun Zwiebeln <strong>und</strong> Knoblauch in der<br />

Pfanne goldgelb werden lassen <strong>und</strong> den<br />

edelsüßen Paprika unterrühren. In der<br />

Zwischenzeit die Würstchen in Scheiben<br />

schneiden. Zwiebelmischung zum Fleisch<br />

geben <strong>und</strong> die Würstchen anbraten.<br />

Diese ebenfalls zum Fleisch geben. Den<br />

Bratenfond in der Pfanne mit einer Tasse<br />

Wasser löschen <strong>und</strong> unter das Fleisch<br />

mischen. In eine feuerfeste Form zuerst<br />

das Sauerkraut, dann die Fleischmi-<br />

Neemas Tipp: Knoblauch nicht vergessen<br />

schung <strong>und</strong> zum Schluss den Reis<br />

schichten. Milch <strong>und</strong> saure Sahne verrühren<br />

<strong>und</strong> mit Salz <strong>und</strong> Rosenpaprika<br />

kräftig abschmecken. Über den Reis gießen<br />

<strong>und</strong> eine St<strong>und</strong>e <strong>im</strong> heißen Ofen<br />

garen. Nach 30 Minuten eine Tasse heißes<br />

Wasser nachgießen. #<br />

Mamaliga mit Schafskäse<br />

Zutaten:<br />

1 l Milch<br />

225 Gramm Maisgrieß<br />

80 Gramm Käse zerrieben, Fetakäse oder<br />

türkischer Frischkäse<br />

120 Gramm Butter<br />

1 Prise Salz<br />

Zubereitung:<br />

_Die Milch mit 40 g Butter aufkochen<br />

<strong>und</strong> den Maisgrieß dann unter ständigem<br />

Rühren dazugeben. Bei schwacher<br />

Hitze aufquellen lassen, bis ein dicker<br />

Brei entstanden ist. Den Reibekäse unterheben<br />

<strong>und</strong> nach Geschmack salzen.<br />

Die restliche gebräunte Butter wird über<br />

den Brei gegeben. Dazu isst man diverse<br />

Fleischsorten, aber auch Sauerkraut mit<br />

Würstchen.<br />

_Man kann die Mamaliga auch auf ein<br />

Blech schmieren <strong>und</strong> <strong>im</strong> Ofen mit ein<br />

bisschen Ratatouille <strong>und</strong> Käse überbakken.<br />

#<br />

Keine Angst vor Vampiren <strong>und</strong> einen<br />

guten Appetit wünscht Ihnen<br />

Neema Dalmühle


Buchtipps | Texte: Sigi Nasner <strong>und</strong> Marc Peschke<br />

Lesen!<br />

Roger Smith:<br />

Kap der Finsternis,<br />

Tropen<br />

Klett-Cotta Verlag 2009,<br />

356 Seiten,<br />

21,90 Euro,<br />

ISBN: 978-3-608-50202-2<br />

Bernhard Fuchs: Straßen <strong>und</strong> Weg.<br />

Mit einem Text von Heinz Liesbrock.<br />

Geb<strong>und</strong>en. 124 Seiten.<br />

54 Abbildungen. Koenig Books.<br />

ISBN 978-3-86560-623-5.<br />

38 Euro<br />

Auf der Flucht vor der Justiz hat es den<br />

Amerikaner Jack Burn mit seiner schwangeren<br />

Frau <strong>und</strong> seinem kleinen Sohn<br />

nach Kapstadt verschlagen. Dort lebt er<br />

in einer Gegend, die der reichen weißen<br />

Bevölkerung vorbehalten ist. Mit Blick<br />

aufs Meer <strong>und</strong> auf die weit weg liegenden<br />

Townships <strong>und</strong> Cape Flats, wie die<br />

Slums der südafrikanischen Metropole<br />

genannt werden. Durch die Kr<strong>im</strong>inalität<br />

in den Slums genießt Kapstadt den wenig<br />

schmeichelhaften Titel: Welthauptstadt<br />

für Vergewaltigung <strong>und</strong> Mord. Hier<br />

sterben jeden Tag mehr Menschen durch<br />

Gewaltverbrechen als in vielen Kriegsgebieten.<br />

Aus diesem Sumpf von Gewalt <strong>und</strong> Kr<strong>im</strong>inalität<br />

treibt es zwei völlig abgedrehte<br />

Drogendealer genau zu Jack Burns’<br />

Haus. Dies zwingt ihn zu einer Tat, die<br />

seiner aus Angst vor den Polizei peinlich<br />

gehüteten Anonymität ein jähes Ende<br />

setzt. Für ihn <strong>und</strong> seine Familie kommt<br />

„Straßen <strong>und</strong> Wege“, das ist der<br />

schlichte Titel des neuen Fotobuchs von<br />

Bernhard Fuchs. Und Straßen <strong>und</strong> Wege<br />

waren es auch, die ihn nach Oberösterreich<br />

zurückführten, von wo er in den<br />

neunziger Jahren nach Düsseldorf aufgebrochen<br />

war, um bei Bernd <strong>und</strong> Hilla<br />

Becher <strong>und</strong> später - in Leipzig - bei<br />

T<strong>im</strong>m Rautert Fotografie zu studieren.<br />

Es sind paradoxe Bilder in diesem fein<br />

in grünes Leinen geb<strong>und</strong>enen Buch,<br />

weil sie beides verbinden: den dokumentarischen,<br />

sachlichen Blick <strong>und</strong> ein<br />

inniges Gefühl von He<strong>im</strong>at. Die in <strong>und</strong><br />

um Linz entstandene Werkgruppe -<br />

einige Dutzend Landschaftsbilder, die<br />

eben Straßen <strong>und</strong> Wege zeigen - kann<br />

nur, so möchte man deuten, von einem<br />

gemacht worden sein, der die Gegend<br />

kennt. Und ja, Bernhard Fuchs kennt<br />

die Landschaft, er ist hier geboren <strong>und</strong><br />

hat sie oft <strong>und</strong> wiederholt durchwandert.<br />

#<br />

eine verhängnisvolle Entwicklung in<br />

Gang, in die <strong>im</strong>mer mehr Leute hineingezogen<br />

werden, so auch ein Exknacki<br />

<strong>und</strong> ehemaliger Bandenführer, der unfreiwillig<br />

Zeuge dieser Tat wird <strong>und</strong> bei<br />

dem das Messer recht locker sitzt, <strong>und</strong><br />

ein korrupter Polizist, dessen liebste<br />

Beschäftigung es ist, seinen Status dadurch<br />

zu stärken, dass er Leute erschießt,<br />

<strong>und</strong> der plötzlich seine Chance<br />

auf das große Geld wittert, nicht ahnend,<br />

dass ihm längst ein Beamter der<br />

Antikorruptionsbehörde <strong>im</strong> Nacken<br />

sitzt…<br />

Dieser packende <strong>und</strong> spannungsgeladene<br />

Roman, der einen von der ersten<br />

Seite an nicht mehr loslässt, ist das Erstlingswerk<br />

des Autors, der jedoch bereits<br />

als Regisseur, Drehbuchautor <strong>und</strong> Produzent<br />

einen Namen besitzt. Das Buch<br />

stellt ungeschminkt die Realität in den<br />

Cape Flats <strong>und</strong> den Townships von Kapstadt<br />

heutzutage dar. #<br />

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25


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26<br />

Rechtstipps | Text: Rechtsanwältin Annette Poethke<br />

Neues aus dem Familienrecht<br />

Ermittlung der Anteile beider Eltern am Volljährigenunterhalt<br />

Be<strong>im</strong> Volljährigenunterhalt wird nicht mehr unterschieden zwischen<br />

Barunterhalt <strong>und</strong> Naturalunterhalt (tatsächlicher Betreuungsleistung).<br />

Denn be<strong>im</strong> volljährigen Kind sind beide Eltern anteilig zum Barunterhalt<br />

verpflichtet.<br />

Der BGH hatte vor kurzem folgenden Fall zu entscheiden:<br />

Die volljährige Tochter Viola verlangt von Ihrem Vater Viktor Ausbildungsunterhalt.<br />

Die Mutter Marta ist ebenfalls leistungsfähig.<br />

Der Vater Viktor ist Lehrer. Nach Abzug der konkret nachgewiesen berufsbedingten<br />

Aufwendungen von Viktor sind zunächst seine sonstigen Unterhaltsverpflichtungen<br />

abzuziehen. Er ist einem minderjährigen Kind<br />

Miriam zum Unterhalt verpflichtet, das vorrangig vor der volljährigen<br />

Tochter Viola zu berücksichtigen ist. Außerdem schuldet er seiner zweiten<br />

(aktuellen) Ehefrau Eleonore Familienunterhalt, dessen Höhe durch<br />

nachrangige Unterhaltspflichten eingeschränkt werden kann. Deshalb ist<br />

bei der Bemessung des Familienunterhalts für die zweite Ehefrau<br />

Eleonore der auf den Vater entfallende Anteil des Unterhalts für die volljährige<br />

Tochter Viola zu berücksichtigen.<br />

Da der Volljährigenunterhalt für Viola anteilig<br />

nach dem Einkommen des Vaters Viktor <strong>und</strong><br />

dem Einkommen der Mutter Marta erst noch<br />

ermittelt werden muss, ergibt sich für die Berechnung<br />

des Familienunterhalts der aktuellen<br />

Ehefrau Eleonore ein Problem, denn der zu berücksichtigende<br />

Unterhaltsanteil des Vaters Viktor<br />

steht ja gerade noch nicht fest.<br />

Nach der aktuellen Entscheidung des BGH (BGH-<br />

Urteil vom 21.01.2009, in Beck RS 2009,09197)<br />

wird dieses Problem wie folgt gelöst:<br />

Bei der Ermittlung des Familienunterhalts für<br />

Eleonore wird der bisher titulierte Unterhalt für<br />

die volljährige Tochter Viola angesetzt mit der<br />

Begründung, dass der bisher bezahlte Unterhalt<br />

für Viola Viktor <strong>und</strong> Eleonore auch bisher für<br />

ihren Lebensunterhalt tatsächlich nicht zur<br />

Verfügung stand.<br />

Be<strong>im</strong> Volljährigenunterhalt ist also festzuhalten,<br />

dass die Unterhaltsleistung nicht mehr<br />

durch Betreuung erbracht werden kann, sondern<br />

beide Eltern anteilig nach ihren Einkommensverhältnissen<br />

barunterhaltspflichtig sind<br />

unter der Voraussetzung, dass sie auch leistungsfähig<br />

sind. Der Selbstbehalt beträgt in<br />

diesem Falle gegenüber Volljährigen 1.100,00<br />

Euro. Wird dieser Einkommensbetrag von einem<br />

der Elternteile unterschritten, so ist der andere<br />

allein unterhaltspflichtig.<br />

Der Unterhalt kann ab Volljährigkeit ausschließlich<br />

nur noch von dem volljährigen Kind selbst<br />

eingefordert werden. Die Zahlung ist auch<br />

direkt an das volljährige Kind zu leisten.<br />

Redaktionssitzung:<br />

Jeden Dienstag um 14:00 Uhr findet die Redaktionssitzung<br />

statt. Freie Mitarbeiter sind<br />

<strong>im</strong>mer willkommen!<br />

Tauschrausch:<br />

~-Tauschaktion <strong>im</strong>mer noch aktuell:<br />

www.muenster.org/draussen/tauschrausch.html<br />

Schlafsäcke:<br />

~ sucht dringend für Bedürftige<br />

einige Schlafsäcke. Te. 0251-4909118


Bericht | Text: Silke Fluchtmann | Schlussakkord <strong>und</strong> Nachruf | Texte: Horst Gärtner<br />

'Harte' Drogen auf Rezept<br />

Heroinabhängige, die nicht mehr von<br />

der Droge los kommen, haben jetzt die<br />

Möglichkeit sich mit Diamorphin - pharmazeutisch<br />

reinem Heroin <strong>im</strong> Gegensatz<br />

zum gestreckten Straßenstoff - behandeln<br />

zu lassen. Der Gesetzentwurf zur<br />

Legalisierung ärztlich kontrollierter Abgabe<br />

von Heroin wurde am 28.05.2009<br />

vom B<strong>und</strong>estag erlassen. Best<strong>im</strong>mte Bedingungen<br />

sind allerdings daran geb<strong>und</strong>en:<br />

So müssen die Patienten mindestens<br />

23 Jahre alt <strong>und</strong> bereits seit fünf<br />

Jahren opiatabhängig sein sowie schwerwiegende<br />

psychische <strong>und</strong> körperliche<br />

Probleme aufweisen, die für die Vergabe<br />

zuständigen Ärzte benötigen eine besondere<br />

Zusatzausbildung. Sie dürfen<br />

Diamorphin nur in ganz best<strong>im</strong>mten<br />

Einrichtungen <strong>und</strong> das bis zu dre<strong>im</strong>al<br />

täglich verabreichen, da die Wirkung<br />

des Heroins nach etwa acht St<strong>und</strong>en<br />

nachlässt. Gr<strong>und</strong>lage für diese politische<br />

Entscheidung bildete eine Studie mit<br />

1000 Schwerstopiatabhängigen über<br />

mehrere Jahre, die den Erfolg der diamorphingestützten<br />

Behandlung aufzeigte.<br />

Der Ges<strong>und</strong>heitszustand der Probanden<br />

verbesserte sich nachhaltig, so<br />

Schlussakkord<br />

Alles schon mal da gewesen: In der<br />

Weltwirtschaftskrise 1929 (Oktober /<br />

schwarzer Freitag) riss der Börsenzusammenbruch<br />

in den USA Börsen <strong>und</strong><br />

Banken der meisten Welthandelsstaaten<br />

mit in den Strudel. In Deutschland<br />

stieg 1932 die Zahl der Arbeitslosen auf<br />

6 Millionen, in den USA erreichte sie<br />

ein Jahr später die Rekordhöhe von<br />

13,6 Millionen.<br />

_Seit Oktober des vergangenen Jahres<br />

kursiert <strong>im</strong> Internet - aber nicht nur<br />

dort - ein scharfsinniges Gedicht über<br />

die Mechanismen der Finanzkrise (<strong>und</strong><br />

die Gewinner <strong>und</strong> Verlierer), das - eben<br />

weil es so messerscharf <strong>und</strong> satirisch ist<br />

- dem Meistersatiriker der Zeit Kurt Tucholsky<br />

zugeschrieben wurde. Dieser<br />

habe es 1930 in der „Weltbühne“ veröffentlicht,<br />

kolportiert man ergänzend zu<br />

den Versen: „Damit sei ihm schon 1930<br />

ein prophetischer Vorausblick auf die<br />

aktuelle Finanzkrise gelungen“.<br />

dass sie teilweise sogar wieder fähig<br />

waren, einer geregelten Arbeit nachzugehen.<br />

Ebenso sank die Mortalitätsrate<br />

innerhalb der Probandengruppen, denn<br />

wenn ein Abhängiger stirbt, dann zumeist<br />

an schlecht gestreckter oder überdosierter<br />

'Schore'. In einer Begleitstudie<br />

wurde ermittelt, dass die Kr<strong>im</strong>inalitätsrate<br />

deutlich sank <strong>und</strong> die Zahl der Inhaftierungen<br />

sich signifikant verringerte.<br />

Insgesamt konnten durch die Vorteile<br />

der medizinisch kontrollierten Gabe von<br />

Diamorphin Kosten von 4460 Euro pro<br />

behandeltem Patienten eingespart werden.<br />

#<br />

Schriftsteller, ruhige Natur,<br />

Nichtraucher, viel unterwegs<br />

(Lesungen), sucht stilles,<br />

behagliches Kämmerlein<br />

in Münster (zentral) zum<br />

Schreiben <strong>und</strong> Schlafen.<br />

Gerne möbliert (8-16 qm²)<br />

zu sofort!<br />

Tel.: 0176-64699709<br />

_Das Gedicht stammt aber nicht von Tucholsky,<br />

sondern es wurde 2008 vom<br />

Wiener Autor Richard Kerschhofer geschrieben.<br />

Weil das Gedicht aber so gut<br />

zu Kurt Tucholsky gepasst hätte, haben<br />

angesehene Medien es so weiterverbreitet:<br />

„Ein Kuckucksei“ wie sich herausstellte.<br />

Auch ich wäre darauf hereingefallen,<br />

wenn ich mich nicht in letzter<br />

Sek<strong>und</strong>e be<strong>im</strong> Vorsitzenden der Tucholsky-Gesellschaft<br />

vergewissert hätte.<br />

_Wenn man sich allerdings die Ereignisse<br />

vor <strong>und</strong> nach der Weltwirtschaftskrise<br />

1929 <strong>und</strong> die Abläufe ein wenig näher<br />

ansieht, dann kommt man schon zu<br />

dem Schluss: Nichts dazugelernt! - Oder<br />

etwa doch? - Für die Zukunft?<br />

_P.S.: Ich habe versucht, mit dem Wiener<br />

Autor telefonisch <strong>und</strong> via E-Mail<br />

„grünes Licht“ für die Veröffentlichung<br />

seines sehr lesenswerten Gedichtes zu<br />

bekommen; leider bis zum Redaktionsschluss<br />

kein „grünes Licht“. #<br />

t<br />

Seit Jahren arbeiten wir<br />

mit der Firmengruppe<br />

Eckholt | Borgsmüller | Klingenfuß<br />

zusammen.<br />

Mit Familie Eckholt trauern wir<br />

um den Kaufmann <strong>und</strong><br />

Geschäftsführer<br />

Christian Eckholt<br />

* 23.10.1961 + 01.06.2009<br />

Gutes können wir<br />

von ihm erzählen:<br />

Er war uns <strong>im</strong>mer ein verständnisvoller,<br />

entgegenkommender<br />

Geschäftspartner <strong>und</strong> ein stets<br />

hilfreicher Mensch. Wir werden<br />

oft an ihn denken <strong>und</strong> <strong>im</strong>mer<br />

nur gut von ihm sprechen.<br />

Eine Redakteurstelle<br />

für die ~<br />

www.uwg-ms.de<br />

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Redaktionsschluss<br />

ist der 13. Juli<br />

Die neue ~<br />

erscheint am 31. Juli<br />

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Unabhängige Wählergemeinschaft für Münster<br />

27


28<br />

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~ schafft Arbeitsplätze<br />

Übernehmen Sie eine Patenschaft<br />

Ihren Lieblings ~-Verkäufer kennen<br />

Sie best<strong>im</strong>mt <strong>und</strong> sicher wissen<br />

Sie auch, wann Sie wen wo antreffen.<br />

Das hat seinen Gr<strong>und</strong>, denn viele unserer<br />

Mitarbeiter haben einen festen<br />

Stammplatz. Die Salzstraße, die Bücherei,<br />

die Wochenmärkte, die Post<br />

<strong>und</strong> der Hauptbahnhof gehören zu<br />

den bekanntesten Plätzen. Schon<br />

mancher ~-Verkäufer ist mittlerweile<br />

zu einem festen Haltepunkt geworden.<br />

Durch die regelmäßige Präsenz<br />

kann sich zwischen Käufer <strong>und</strong><br />

Verkäufer eine gute Beziehung entwickeln.<br />

Für viele Verkäufer eine wichtige<br />

Kommunikationsmöglichkeit mit<br />

der bürgerlichen Gesellschaft!<br />

_Einerseits ist Münster in einer glücklichen<br />

Lage: Dank der viele Wohnprojekte,<br />

Unterkünfte <strong>und</strong> Hilfsangebote leben<br />

hier nur noch ganz wenige wirklich auf<br />

der Straße, andererseits aber wird die<br />

Kluft zwischen Arm <strong>und</strong> Reich <strong>im</strong>mer<br />

tiefer <strong>und</strong> die Mittelschicht bröckelt. In<br />

der Vergangenheit kamen meist obdachlose<br />

Menschen zu uns, um ~<br />

zu verkaufen. Nun kommen <strong>im</strong>mer mehr<br />

arme, langzeitarbeitslose Menschen, die<br />

zwar eine Wohnung, aber sonst fast<br />

nichts mehr haben. Auch ihnen bietet<br />

der Verkauf der ~ eine Chance,<br />

zumindest einen Teil ihrer Probleme zu<br />

lösen. Sie profitieren nicht nur finanziell<br />

davon, sondern kommen „unter die<br />

Leute“, können die ganze Palette unserer<br />

Hilfsangebote in Anspruch nehmen.<br />

Über den Verkauf der Zeitschrift erhält<br />

der Verkäufer die Gelegenheit, Kontakte<br />

zu knüpfen <strong>und</strong> sich so ein tragfähiges<br />

soziales Umfeld zu schaffen. In unseren<br />

Büroräumen erhält er Beratung <strong>und</strong> Unterstützung<br />

bei kleinen <strong>und</strong> großen Sorgen<br />

des Alltags. Auf Wunsch sind wir als<br />

Vermittler z.B. bei Behörden, Gerichten<br />

<strong>und</strong> freien Trägern tätig.<br />

_Ein neues Ziel von ~ ist es, für<br />

die Verkäufer, die außerhalb des Projekts<br />

keine Arbeit finden, unbefristete,<br />

sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze<br />

zu schaffen. Denn nur so kommen<br />

sie aus dem Teufelskreis der Arbeits-<br />

<strong>und</strong> Wohnungslosigkeit raus,<br />

können sich ges<strong>und</strong>heitlich <strong>und</strong> finan-<br />

ziell sanieren <strong>und</strong> wieder gesellschaftlich<br />

integriert werden.<br />

_Vielen anderen Straßenzeitungen in<br />

Deutschland ist es inzwischen gelungen,<br />

durch ein Patenschaftsmodell einen Teil<br />

des Gehaltes, den angestellte Straßenzeitungs-Verkäufer<br />

nicht selbst erwirtschaften<br />

können, durch Patenschaften<br />

zu ergänzen. Diese Paten-Spendengelder<br />

werden nur für die Festanstellung<br />

<strong>und</strong> die Wiedereingliederung von langzeitarbeitslosen<br />

Menschen verwendet.<br />

Dazu können z.B. auch Zuzahlungen zur<br />

Zahnsanierung, zur Wohnungseinrichtung<br />

oder zur Entschuldung gehören.<br />

Das Straßenmagazin Biss aus München<br />

konnte auf diese Weise inzwischen über<br />

30 Verkäufern eine neue Perspektive<br />

eröffnen.<br />

_In München seit Jahren erfolgreich<br />

praktiziert, bedeutet das Projekt für<br />

Münster etwas völlig Neues; aber wir<br />

wollen anfangen: Für die Dauer von jeweils<br />

einem Jahr unterstützt die Arbeitsagentur<br />

<strong>im</strong> Einzelfall unser Vorhaben.<br />

Bereits in Kürze werden die ersten beiden<br />

Verkäufer eingestellt. Dabei wollen<br />

wir es jedoch nicht bewenden lassen.<br />

Wir möchten noch mehr sozialversicherungspflichtige<br />

Voll- <strong>und</strong> Teilzeit-Arbeitsplätze<br />

dauerhaft fördern <strong>und</strong> erhalten.<br />

Dafür brauchen wir schon jetzt<br />

Ihre Hilfe. ~ kann die Verkäufer<br />

nur weiterhin fest anstellen, wenn auch<br />

Sie uns durch eine Patenschaft unterstützen.<br />

Übernehmen Sie den Teil des<br />

Gehaltes, den weder der Verkäufer noch<br />

~ ohne die Gelder der Arbeitsagentur<br />

selbst erwirtschaften kann. Das<br />

sind durchschnittlich ca. 600 Euro pro<br />

Verkäufer <strong>und</strong> Monat. Selbstverständlich<br />

sind auch kleine Teilpatenschaften<br />

möglich. Schon kleinste Beträge können<br />

helfen, wenn Sie über einen längeren,<br />

für uns fest kalkulierbaren Zeitraum erfolgen.<br />

Sie erhalten jährlich eine Patenurk<strong>und</strong>e<br />

<strong>und</strong> eine Spendenquittung.<br />

_Früher stand <strong>im</strong> Paragrafen 72 BSHG<br />

(B<strong>und</strong>essozialhilfegesetz) zu lesen, dass<br />

die Hilfe zur Überwindung sozialer Schwierigkeiten<br />

alle Maßnahmen umfassen<br />

soll, die notwendig sind, um die<br />

Schwierigkeiten abzuwenden, zu be-<br />

seitigen, zu mildern oder ihre Verschl<strong>im</strong>merung<br />

zu verhüten. Dazu gehörten<br />

die Hilfe zur Ausbildung, Erlangung<br />

<strong>und</strong> Sicherung eines Arbeitsplatzes<br />

sowie Maßnahmen zur Beschaffung<br />

<strong>und</strong> Erhaltung einer Wohnung.<br />

Bei geeigneten Fällen war es<br />

erforderlich, einen Gesamtplan zu<br />

erstellen.<br />

_Seit Hartz IV setzt man bei der materiellen<br />

Gr<strong>und</strong>sicherung von Amts wegen<br />

auf Pauschalierung, jeder <strong>und</strong><br />

alles soll in einen gesetzten (engen)<br />

Rahmen passen. Sachbearbeiter haben<br />

seither fast keinen Spielraum mehr, <strong>im</strong><br />

Einzelfall individuell über Beihilfen<br />

oder Förderungen zu entscheiden. Das<br />

ist sehr zu bedauern! Denn die Betroffenen<br />

sind doch gerade deswegen in<br />

soziale Schwierigkeiten geraten, weil<br />

sie oft nicht in den Rahmen gepasst<br />

haben. Der ~-Rahmen soll individuell<br />

zugeschnitten sein. Wir bieten<br />

flexible Wege zur Lösung von Problemen<br />

an.<br />

_Die mit professionellem Anspruch<br />

gemachte Zeitschrift stellt existenzielle<br />

Themen in den Mittelpunkt <strong>und</strong> gibt<br />

den Betroffenen Raum für eigene Artikel.<br />

So entsteht ein Produkt, mit dem<br />

sich die Verkäufer identifizieren können<br />

<strong>und</strong> das den Lesern neue Blickwinkel<br />

aufzeigt. Die Zeitschrift, die die<br />

Glaubwürdigkeit des Projekts widerspiegelt,<br />

versteht sich als Lobby für<br />

Bürger in sozialen Schwierigkeiten. Sie<br />

weckt das öffentliche Interesse an<br />

Themen wie Armut <strong>und</strong> Obdachlosigkeit<br />

<strong>und</strong> bietet den Lesern auch konkrete<br />

Möglichkeiten zu einem finanziellen<br />

Engagement. Motivierte Verkäufer<br />

<strong>und</strong> verlässliche Fre<strong>und</strong>e <strong>und</strong><br />

Gönner sind die beiden wichtigen<br />

Voraussetzungen für eine kontinuierliche,<br />

erfolgreiche Arbeit.<br />

_Es kommt <strong>im</strong> Leben eben nicht aufs<br />

Hinfallen an, sondern auf das Wieder-<br />

Aufstehen! „Hilfe zur Selbsthilfe“ heißt<br />

unsere Devise <strong>und</strong> „Arbeit ist ein ganz<br />

wichtiger Lebensinhalt“. Schenken Sie<br />

das Beste, das man für Geld kaufen<br />

kann: Schenken Sie einen Arbeitsplatz!<br />

#


~<br />

Für Ihre<br />

Patenschaft<br />

unser<br />

Patenspendenkonto:<br />

Kto 34205427<br />

BLZ 40050150<br />

Sparkasse Münsterland Ost<br />

Anzeige<br />

Ihre Unterstützung ist Hilfe, die direkt ankommt<br />

Jeder Euro wird sinnvoll <strong>und</strong> verantwortungsvoll genutzt, um Obdachlosen <strong>und</strong> schwer<br />

vermittelbaren Langzeitarbeitslosen neue Chancen zur Verbesserung ihrer Lebenssituation<br />

zu bieten. Helfen Sie mit, es gibt vielfältige Möglichkeiten:<br />

Kaufen <strong>und</strong> Weiterempfehlen der ~ ist die direkte Hilfe zur Selbsthilfe für<br />

die VerkäuferInnen (kleines Zubrot, Akzeptanz, Eröffnung neuer<br />

Perspektiven) <strong>und</strong> steigert die Auflage der Zeitung. Preis: 1,80 Euro.<br />

Seitensponsoring ist eine besondere Form, die Druckkosten einer Seite in der<br />

~ direkt zu finanzieren. Preis: ab 50,-Euro. (Kto 33878, BLZ 40050150)<br />

Werbung in ~ unterstützt die laufenden Betriebskosten <strong>und</strong> zeigt außerdem<br />

Ihr gesellschaftliches Engagement <strong>und</strong> Ihre soziale Verantwortung. Preis ab<br />

58,- Euro (incl. MwSt.) (Kto 33878, BLZ 40050150)<br />

Spenden sind wichtig für den Erhalt des Projektes. Summe: beliebig (Kto 33878,<br />

BLZ 40050150)<br />

Patenschaften ermöglichen uns die Finanzierung von Voll- <strong>und</strong> Teilzeitstellen<br />

für Verkäufer. Summe: langfristig + beliebig


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Rüdiger Sagel<br />

Landtagsabgeordneter<br />

Hier liegen Sie richtig!<br />

Original sozial, konsequent ökologisch!<br />

DIE LINKE. Münster steht für eine soziale, ökologische<br />

<strong>und</strong> solidarische Politik. Im reichen<br />

Münster gibt es eine fortschreitende soziale<br />

Spaltung in Arm <strong>und</strong> Reich. Menschen, die für<br />

Niedriglöhne arbeiten müssen oder erwerbslos<br />

sind, verb<strong>und</strong>en mit Verarmung <strong>und</strong> Spaltung,<br />

Ausgrenzung <strong>und</strong> Demütigung.<br />

Wir kämpfen dafür, dass niemand in die soziale Isolation<br />

gedrängt <strong>und</strong> dass Münster ökologischer wird.<br />

ORIGINAL SOZIAL - DIE LINKE. MÜNSTER<br />

Mehr Infos: www.die-linke-muenster.de


Das Kräuterplakat kann für 24 Euro in der<br />

~-Redaktion erworben werden.<br />

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