13.07.2015 Aufrufe

Kennen Sie das WTZ-Journal? - Westdeutsches Tumorzentrum Essen

Kennen Sie das WTZ-Journal? - Westdeutsches Tumorzentrum Essen

Kennen Sie das WTZ-Journal? - Westdeutsches Tumorzentrum Essen

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

s c h w e r p u n k tw t z - j o u r n a l 4 · 2 0 1 3 · 5 . J gWarum liegen US-amerikanische Leitlinien und die derzeitigeDatenlage so weit auseinander? Ein wesentlicher Katalysatorfür die zurückhaltenden Empfehlungen aus den USA war <strong>das</strong>Statement der dortigen Gesundheitsbehörde, die sich bereitsim Oktober 2011 klar gegen <strong>das</strong> generelle PSA-gestützteScreening ausgesprochen hatte. Grund dafür wiederum warder sogenannte PSA-Missbrauch [3]. Tatsächlich wird in denUSA noch heute bei mehr als 40 Prozent der über 80-Jährigender PSA-Wert bestimmt. Männer mit erhöhten Werten unterziehensich dann einer weitergehenden Diagnostik undwerden in vielen Fällen auch therapiert. Neben der enormenökonomischen Belastung des Gesundheitssystems beklagenKritiker auch einen hohen Anteil von Komplikationen undNebenwirkungen der Therapie.Senkung der Mortalität um 39 ProzentTrotz dieser kritischen Einschätzung konnte für die USA gezeigtwerden, <strong>das</strong>s die Mortalität des Prostatakarzinoms nachEinführung des flächendeckenden PSA-Screenings im Zeitraumvon 1995 bis 2005 um 39 Prozent gesunken war. Zweigroße prospektive Studien sollten den genauen Effekt desScreenings überprüfen. In der US-amerikanischen PLCO-Studieließ sich kein Benefit für die Screeninggrupe nachweisen.Allerdings stellte sich später heraus, <strong>das</strong>s die Ergebnissewegen methodologischer Schwächen anzweifelbar waren.Die europäische ERSPC-Studie mit mehr als 180.000 teilnehmendenMännern dagegen belegte nach 11-jähriger Nach -beobachtung einen signifikanten Rückgang der prostata -karzinombedingten Sterblichkeit um 21 Prozent [7]. Aus denStudien zahlen lässt sich die Anzahl an Männern hochrechnen,die gescreent beziehungsweise behandelt werden müssen,um einen prostatakarzinom bedingten Todesfall zu verhindern.Die Number Needed to Screen (NNS) liegt den Autoren zufolgebei 1.055 Männern, die Number Needed to Treat (NNT) bei37 Männern (Abb. 1).Mit anderen Worten: 36 Männer müssen unnötigerweiseoperiert oder bestrahlt werden, um ein Leben zu retten. Ist <strong>das</strong>wirklich gerechtfertigt?Sterberisiko um 51 Prozent gesenktDie Rotterdamer Arbeitsgruppe um Fritz H. Schröder hatsich etwas intensiver mit den Zahlen auseinandergesetzt.<strong>Sie</strong> überprüfte ihre eigenen in ERSPC eingebrachten Datenvon 35.000 Männern noch einmal hinsichtlich Nichtteilnahmeam Screening und Kontamination (Abb. 2). Das Ergebnis:Das prostatakarzinombedingte Sterberisiko konnte in dieserUntergruppe nicht nur um 21, sondern gar um 51 Prozentgesenkt werden [2].ProstataspezifischeMortalitätsrate (%)0,90,8ITS-KontrollarmKorrigierter Kontrollarm0,70,6-51%0,50,4ITS-Screening-ArmKorrigierter Screeningarm0,30,20,101995 2000 2005 2010Abbildung 2: Europäische Früherkennungsstudie (ERSPC).Daten aus dem Rotterdam-Kollektiv. Nach Korrektur hinsichtlichNicht-Teilnahme und Kontamination ergibt sich im Screening-Arm nach median 13 Jahren ein mortalitätssenkender Effekt von51 Prozent. ITS, Intention To Screen. Modifiziert nach [2].Für den Stellenwert einer Screeningmaßnahme ist aber nichtnur die Lebensverlängerung, sondern auch die Gewinnungvon Lebensqualität ein entscheidendes Kriterium. DieselbeArbeitsgruppe hat deshalb anhand ihrer Daten mit einerMikrosimulationsanalyse errechnet, wie viele LebensqualitätsadjustierteLebensjahre sich durch ein PSA-Screening gewinnenlassen [4].Tausend Männer, die im Alter von 55 bis 69 Jahren gescreentwerden, gewinnen nach dieser Analyse ohne Berücksichtigungder Lebensqualität jährlich 73 Lebensjahre. Dieser Lebenszeitgewinnist hinsichtlich der Lebensqualität mit drei Parameternzu saldieren:5Kumulatives Risiko,am Prostatakarzinom zu sterben0,0140,0120,0100,0080,0060,0040,002ScreeninggruppeKontrollgruppe-21%00 2 4 6 8 10 12 14Jahre nach RandomisationAbbildung 1: Europäische Früherkennungsstudie (ERSPC):Nach 11 Jahren sind in der Screeningruppe 21 Prozent wenigerMänner am Prostatakarzinom verstorben. NNS (Number Neededto Screen): 1.055 Männer; NNT (Number Needed to Treat):37 Männer. Modifiziert nach [7].247 unnötig durchgeführte Biopsien,„Überdiagnostik“ bei 43 Prozent der Männer, <strong>das</strong> heißt,diese Männer hätten ohne die Diagnostik nie erfahren,<strong>das</strong>s sie ein Prostatakarzinom haben, weil sie zuvor aneiner anderen Erkrankung verstorben wären,Nebenwirkungen der Therapie.Adjustiert man die ursprünglich 73 gewonnenen Lebensjahreauf diese Weise, bleibt ein Nettogewinn von 56 lebensqualitätsadjustiertenLebensjahren, die durch <strong>das</strong> Screeningerreicht wurden. Extrapoliert man diese Daten auf die Lebensdauereines Mannes, so lassen sich die NNS und die NNTextrem reduzieren. Um einen prostatakarzinombedingtenTodesfall zu verhindern, sind dann nicht mehr 1.055, sondernnur noch 98 Screenings notwendig; und nicht mehr 37, sondernnur noch fünf Männer müssen sich therapieren lassen.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!