lationen des Mystikers über die Geheimnisse der Schöpfung und die Harmonie der Welten. Überallspürt man den Atem des hinter den Werken stehenden blutvollen Menschenlebens, und nochdas Hauptwerk mit dem selbstbewußten Titel „Neue Astronomie“ ist erfüllt von der Spannung,mit der der Verfasser den Leser teilnehmen läßt an all den Enttäuschungen und Beglückungen,die für ihn mit der Erringung der vortragenen Wahrheiten auf mehr oder weniger großen Umwegenverknüpft waren.Unvorstellbar, in dem Buch des Kopernikus eine Wendung zu finden wie diese, mit der Keplerder Begeisterung über die Entdeckung seines dritten Gesetzes in den „Harmonices mundi“Ausdruck verleiht: „Jawohl, ich überlasse mich heiliger Raserei. Ich trotze höhnend den Sterblichenmit dem offenen Bekenntnis: Ich habe die goldenen Gefäße der Ägypter geraubt, um meinemGott daraus eine heilige Hütte einzurichten, weitab von den Grenzen Ägyptens. Verzeiht Ihrmir, so freue ich mich. Zürnt Ihr mir, so ertrage ich es. Wohlan ich werfe den Würfel und schreibeein Buch für die Gegenwart oder die Nachwelt. Mir ist es gleich. Es mag hundert Jahre seinesLesers harren, hat doch auch Gott sechstausend Jahre auf den Beschauer gewartet.“Kopernikus hat ohne Zweifel den ersten entscheidenden Schritt getan zu einer Neuordnungder Welt. Er hat die Erde ihrer beherrschenden Stellung als ruhender Mittelpunkt der Weltentkleidet und an ihre Stelle die Sonne gesetzt. Damit war ein geometrisches System zur Diskussiongestellt, das nicht nur den Anspruch erhob, die beobachteten Bewegungen einfacherund sinnvoller zu erklären, als das innerhalb des ptolemäischen Systems möglich war, sonderndas für die wahre Ordnung der Dinge genommen werden wollte. Und doch war es nur ein ersterSchritt, dem noch andere folgen mußten, sollte ein wirklich tragfähiges Gebäude entstehen.Man hat den anonymen Vorbericht, den Osiander der ersten Ausgabe des Werkes des Kopernikusbeigefügt hat, mit Recht als eine Fälschung des Geistes des Verfassers bezeichnet, und der Freunddes Kopernikus, Bischof Giese von Culm, hat in einem Brief an Joachim Rheticus in schärfsterForm sich dagegen verwahrt, daß man die Theorie des Kopernikus als eine bloße Hypothesehinstellte, die „weder wahr noch auch wahrscheinlich zu sein brauche“ . Und doch wird man,auch wenn Kopernikus und seine Anhänger von der absoluten „Wahrheit“ des neuen Systemsüberzeugt waren, nicht umhin können zuzugestehen, daß die von Kopernikus selbst vorgebrachtenArgumente für die dem Geiste seiner Zeit Verhafteten nicht ausreichten, um mehr zubeweisen als eine gewisse Vereinfachung in der Darstellung der scheinbaren Bewegungender Himmelskörper.Solange man sich beschränkt auf eine reine Geometrie der Bewegungen, ist jeder Standpunktgleichberechtigt, ob man nun die Erde oder die Sonne zum ruhenden Bezugspunkt macht, undman kann durchaus verschiedener Meinung sein, ob die ruhende oder die um die Sonne bewegteErde die „anschaulichere“ ist. Wenn man als einzige Hilfsmittel zur Beschränkung der Bewegungenexzentrische Kreise und Epizykeln Zuläßt, dann mag es dahingestellt bleiben, ob dieHerabsetzung der Zahl der zu einer vollständigen Darstellung nötigen Kreise und Epizykelnvon 73 (in der letzten Ausarbeitung des ptolemäischen Systems von Fracastor 1538) auf 34 beiKopernikus (4 für den Mond, 3 für die Erde, 7 für den besonders unregelmäßigen Merkur, je 5für Venus, Mars, Jupiter und Saturn) als so wesentlich erachtet werden konnte, daß man daraufden völligen Umsturz eines Weltbildes gründen durfte.Schwerwiegender sind wohl die allgemeinen Überlegungen, die Kopernikus im ersten Buch seinesWerkes in den Kapiteln 6 (Über die Unermeßlichkeit des Himmels im Verhältnis zu der Größeder Erde), 7 (Warum die Alten geglaubt haben, die Erde ruhe in der Mitte der Welt, gleichsamals ihr Mittelpunkt) und 8 (Widerlegung der angeführten Gründe und ihre Unzulänglichkeit)68
anstellt. Denn hier wird auf echte mechanische Schwierigkeiten hingewiesen, die dem geozentrischenSystem erwachsen aus den großen Geschwindigkeiten, die danach der Sphäre der Fixsternezugeschrieben werden müßten.Aber einmal sind die mechanischen Begriffe der Zeit vor Galilei noch recht unklar und weitentfernt von wirklich dynamischem Denken. Man erkennt die ganze Größe des Abstandes, wennman bei Kopernikus Sätze wie diese liest:„Daher kommt dem einfachen Körper eine einfache Bewegung zu (was sich vornehmlich ander Kreisbewegung erweist), solange der einfache Körper an seinem natürlichen Ort und m seinerEinheit verharrt. An diesem Ort ist nämlich die Bewegung keine andere als die kreisförmige,die ganz in sich bleibt, als ob der Körper ruhte. Die geradlinige Bewegung dagegen ergreift alledie Körper, die von ihrem natürlichen Ort weggegangen oder weggestoßen werden oder aufirgendeine Weise außerhalb ihrer selbst geraten sind. Denn nichts widerstrebt der Ordnung undder Form des Ganzen so sehr wie das Außerhalb-seiner-selbst-sein. Die geradlinige Bewegungtritt also nur ein, wenn die Dinge sich nicht richtig verhalten und nicht vollkommen ihrer Naturgemäß sind, indem sie sich von ihrem Ganzen trennen und seine Einheit verlassen.“ „Die kreisförmigeBewegung verläuft immer gleichmäßig, da sie eine nicht nachlassende Ursache hat.Jene aber (die steigenden und fallenden Bewegungen nämlich) nehmen in der fortschreitendenBewegung ab, in welcher sie, wenn sie ihren Ort erreicht haben, aufhören, schwer oder leichtzu sein, und deshalb hört die Bewegung auf.Zum ändern konnte die Kraft der Argumente erst wirksam werden, wenn die bis dahin in unbestimmterEntfernung als Ganzes schwebende Fixsternsphäre aufgelöst wurde in Einzelsternevon der Art der Sonne. Dazu fehlten zunächst noch Möglichkeit und Anlaß. Die eigentliche Welterschöpfte sich im Planetensystem. Das übrige gestirnte Firmament war nur der Hintergrund,auf dem die Bewegungen der Sonne, des Mondes und der Planeten sich abzeichneten; die Fixsternewaren Marken, die nur dazu dienten, die Bewegungen der Wandelsterne festzulegen.Schließlich darf man nicht vergessen, daß im System des Kopernikus zwar die richtige Ordnungder Planeten hergestellt war — die sich nur durch die Vertauschung von Erde und Sonne vonder alten unterschied — , daß aber die wahren Abstände noch unbekannt bzw. falsch waren,solange man nicht die richtige Verhältniszahl für die Entfernungen von Sonne und Mond kannte.Die von Hipparch bestimmte Zahl 19 für dieses Verhältnis hatte sich durch den Almagest desPtolemäus bis auf die Zeit des Kopernikus erhalten. Aus ihr folgte eine Entfernung der Sonnevon 1150 Erdradien. Kopernikus hat diese Entfernung zwar auf 1500 Erdradien verbessert,bleibt damit aber immer noch weit hinter dem wahren Wert zurück, der nahe 16mal größer ist(23500 Erdradien). Noch Tycho Brahe hielt an der Zahl „19“ des Hipparch fest; Kepler stiegenZweifel an ihrer Richtigkeit auf, aber auch er hatte noch keine ausreichenden Unterlagen für einewesentliche Verbesserung. Erst gegen Ende des 17. Jahrhunderts kam man durch systematischangestellte Beobachtungen in die Gegend des wahren Wertes für die Entfernung Sonne-Erdeund damit zu richtigen Vorstellungen über die Weite der planetarischen Raume und die Großeder Geschwindigkeiten der Planeten in ihren Bahnen.So war durch Kopernikus wohl das Tor zu einer neuen Zeit aufgestoßen und der Blick freigegebenauf eine unendlich weite W elt; um durch dieses Tor aber hindurchzuschreiten und aufden neuen Wegen zu wandeln, durfte man sich nicht begnügen mit dem bloßen Anschauengeometrischer Figuren. Die Frage nach den Ursachen der Bewegung, nach den Kräften hinterdiesen geometrischen Figuren, die bei Kopernikus nur ganz am Rande gestreift wird, mußtezum Zentralproblem werden, sollte der Übergang vollzogen werden von einer Geometrie zu69
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gebührenden Platz bei der Durchset
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Die harten Äußerungen Luthers und
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So mußte also G alilei auch für d
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zuerst über die Jupitertrabanten g
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Grundsätze nicht nötig gewesen, d
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eschritten, indem er das Vatikan-Ma
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nicht beweiskräftig, weil die Unte
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Durch diesen Dialog wurde der zweit
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P lo tin s besonders wirkungsweitem
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Heyse P ., s. Leopardi.Hilgers J.,
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Schottenloher K ., Bibliographie zu
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Schürmann, A . W . Der deutsche Os
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