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"Vier Jahre Rot- Grün. Eine Umweltpolitische Bilanz"(PDF 43 ... - Sowi

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<strong>Vier</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Rot</strong>-<strong>Grün</strong><strong>Eine</strong> umweltpolitische Bilanz


InhaltEinleitung 3Nachhaltigkeitsstrategie 5Ökologische Steuerreform 7Gentechnik 10Landwirtschaft 15Energiepolitik 19Atomausstieg 21Verkehrspolitik 25Internationale Umweltpolitik 33Naturschutz 35Chemiepolitik 38Abfallpolitik 39Umweltinformationspolitik 422


EinleitungErste Schritte zur ökologischen M oderni sierung unter dem Dauerf euereiner Fundament alopposit ionWahlzeit ist Bilanzzeit. An die rot-grüne Bundesregierung knüpften die Umweltverbändeim Herbst 1998 hohe Erwartungen. Die Hoffnung bestand, den umweltpolitischenStillstand der Kohl-Regierung zu überwinden und endlich denSprung in ein zukunftsfähiges Deutschland zu schaffen. Die Regierungsparteienversprachen eine „entschlossene Reformpolitik“ für eine „ökologische Modernisierung“des Landes. „Wir orientieren uns am Leitbild der Nachhaltigkeit“ hießes in ihrer Koalitionsvereinbarung.Was ist daraus geworden? Was ist <strong>Rot</strong>-<strong>Grün</strong> gelungen? Was wurde verfehlt undversäumt? Was ist liegen geblieben und woran hat es gelegen?Die Regierung hat einige bedeutende Bausteine für eine nachhaltige Entwicklungin Deutschland geliefert:• Die entschiedene Förderung regenerativer Energien stellt einen großen Fortschrittin Richtung umweltfreundliche Energieerzeugung dar.• Mit der Ökologischen Steuerreform hat sie einen Wandel eingeläutet: Erstmalswurden externe Umweltkosten in die Energiepreise internalisiert, derAnreiz zu sparsamem Verbrauch wächst.• Die begonnene Wende in der Agrarpolitik unter Federführung von RenateKünast ist als bedeutender Durchbruch nach Jahrzehnten des agrarpolitischenDurchwurstelns zu werten. Endlich steht die Ökologisierung derLandwirtschaft auf der Tagesordnung, für deren Umsetzung schon viele Hebelin Gang gesetzt wurden.• Die umfassende Reform des Naturschutzgesetzes hat jahrzehntelange Forderungender Umweltverbände gesetzlich verankert.• Erfreulich ist die Stärkung umweltfreundlicher Verkehrsmittel durch dieSteigerung der Investitionen in die Bahn, die Gleichstellung der verschiedenenVerkehrsmittel bei der Entfernungspauschale und die Lkw-Maut.Viele Ansätze sind jedoch verbesserungsfähig und verbesserungsbedürftig.Vielfach handelt es noch um zarte Pflänzchen, die sehr gefährdet sind. So ist essehr bedenklich, wie große Teile der SPD die Ökosteuer zunehmend argwöhnischbetrachten. Das Gesetz zur Kraft-Wärme-Kopplung und die Energieeinsparverordnungsind unzureichend. Beide bleiben hinter dem politisch Machbarenund dem ökologisch Notwendigen zurück.Die Verkehrspolitik bietet eine sehr gemischte Bilanz. Die Rekordinvestitionenim Straßenbau und die Erhöhung der Entfernungspauschale konterkarieren dieStärkung umweltfreundlicher Verkehrsmittel. <strong>Eine</strong> strukturelle Wende hat dierot-grüne Bundesregierung in der Verkehrspolitik nicht herbeigeführt. Immerneue Straßen zerfressen unsere Landschaft; eine enorme Lärmbelastung mindertzunehmend die Lebensqualität vieler Menschen und schädigt ihre Gesundheit.Im Bereich der Biopolitik hat die Regierung ihre vierjährige Amtszeit nicht dazugenutzt, das Problem der drohenden gentechnischen Kontamination sämtlicher3


und Bürger herunterzubrechen, spiegeln die Maßnahmenkataloge in den zentralenHandlungsfeldern Energie, Landwirtschaft und Mobilität immer noch dieunterschiedlichen Interessen der einzelnen Ressorts deutlich wider. Währendim Bereich Landwirtschaft ein recht umfassendes Reformprogramm skizziertwird, ist der Klima- und Energieteil äußerst widersprüchlich: Zunächst beschreibter die politischen Herausforderungen zur Vermeidung gefährlicher Klimaveränderungenrichtig. Vor diesem Hintergrund erscheinen aber ein nationalstaatlichgedachtes Konzept von Versorgungssicherheit und das sture Festhaltenan den Kohlesubventionen als anachronistisch.Der gesamte Maßnahmenteil der Nachhaltigkeitsstrategie enthält fast nur Maßnahmen,die ohnehin schon beschlossene Politik der Bundesregierung sind. DieChance, die Strategie als Richtlinie für weitergehende und längerfristige Maßnahmenzu konzipieren, hat die Regierung nur ansatzweise genutzt. Es wirddaher darauf ankommen, die Kluft zwischen den beschlossenen Zielen und denMaßnahmen im Rahmen des Revisionsprozesses im Frühjahr 2004 zu schließen.6


Ökologische SteuerreformDer Einstieg in die ökologische Steuerreform war ein besonders heiß umstrittenesReformvorhaben. Das Thema hatte bereits im Wahlkampf 1998 die Wogenhoch schlagen lassen. Der Parteitagsbeschluss von Bündnis 90/Die <strong>Grün</strong>en, dieMineralölsteuer um 30 Pfennige pro Liter jährlich über zehn <strong>Jahre</strong> hinweg anzuheben,wurde von der Opposition und Teilen der Medien mit dem Schlagwort„5 Mark für den Liter Benzin“ karikiert und bekämpft. Der heftige Gegenwindveranlasste die <strong>Grün</strong>en und die SPD zum teilweisen Zurückrudern bereits vorden Bundestagswahlen: Gerhard Schröder kündigte an, 6 Pfennige seien für ihndas „Ende der Fahnenstange“.In den Koalitionsverhandlungen wurden zumindest für die erste Stufe der ökologischenSteuerreform konkrete Steuersätze festgelegt und ein verhältnismäßigehrgeiziges Gesamtziel für die Wahlperiode: die Lohnnebenkosten sollten ausdem Aufkommen der Ökosteuern von 42,3 auf unter 40 % gesenkt werden. Dieregulären Ökosteuersätze für Heizöl (4 Pf./l), Erdgas (0,32 Pf./kWh) und Strom(2 Pf./kWh) der ersten Ökosteuer-Stufe waren durchaus angemessen, wenn siekontinuierlich fortgeführt worden wären. Über die allzu zaghaften 6 PfennigeMineralölsteuer-Erhöhung pro Liter war der BUND enttäuscht, weil selbst dieRegierung Kohl Anfang der neunziger <strong>Jahre</strong> deutlich höhere Schritte gewagthatte.Als zwei Monate nach den Bundestagswahlen der Gesetzgebungsprozess begann,wurde der dominierende Einfluss der Industrielobby auf die Bundesregierungüberdeutlich: Das produzierende Gewerbe erhielt eine Ermäßigung derÖkosteuern auf Heizöl, Erdgas und Strom um 80 %. Für energieintensive Unternehmenwurden die Ökosteuern in vielen Fällen um mehr als 95 % ermäßigt.Als die erste Ökosteuer-Stufe am 1. April 1999 in Kraft trat, war die im Grundsatzrichtige Reform bereits von der Industrielobby durchlöchert worden.Die hohen Ermäßigungen für die Industrie, das Aussparen der Kohle und derKernbrennstäbe bei der Primärenergiebesteuerung und die zu geringe Mineralölsteuer-Erhöhungsind die heute noch gültigen Kritikpunkte. Dennoch erkenntder BUND den Einstieg in die ökologische Steuerreform als wichtige Weichenstellungan, denn Ökosteuern geben besonders wirksame und volkswirtschaftlicheffiziente Anreize zum Energiesparen. Auch das Prinzip der Aufkommensneutralität– die vollständige Rückgabe der Ökosteuern über Steuer- und Abgabensenkungenan die Bürgerinnen und Bürger – unterstützt der BUND. Allerdingstragen die Unternehmen aufgrund der hohen Ermäßigungen nur rund 40% der Steuerlast, profitieren aber zu 50 % von der Senkung der Rentenbeiträge.Diese Schieflage und der fehlende soziale Ausgleich für Sozialhilfeempfänger,Arbeitslose und Studierende stehen nach wie vor auf der Liste der notwendigenVerbesserungen.Bereits wenige Monate nach dem Inkrafttreten der ersten Ökosteuer-Stufemachte sich die Bundesregierung an die Gesetzgebung für die folgenden Stufen.In einem Gesetz wurden die zweite bis fünfte Ökosteuer-Stufe für die <strong>Jahre</strong>2000 – 2003 vorab festgelegt. Damit gelang es, die Kontinuität der Reform überdie Wahlperiode hinaus zu sichern und den VerbraucherInnen und InvestorInnenPlanungssicherheit zu geben. Diese sehr positive Entscheidung wurdedurch weitere Festlegungen getrübt: Es blieb bei den geringen Erhöhungs-7


schritten der Mineralölsteuer, und die Steuern auf Heizöl und Erdgas wurdeneingefroren.Dieses insgesamt zu niedrige Steuerniveau verfehlte auch die angestrebte Senkungder Lohnnebenkosten. Während der Beitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung1999 um 0,8 Prozentpunkte gesenkt wurde, waren es 2000 nur 0,2Punkte, und Anfang 2002 konnte dank der Ökosteuern nur noch ein ansonstennotwendiger Anstieg verhindert werden. Diese mangelnde Sichtbarkeit desRückgabemechanismus trug ebenfalls dazu bei, dass die Reform wenig Unterstützungin der Bevölkerung fand.In Verbindung mit den im Jahr 2001 stark ansteigenden Rohölpreisen beganndie Reform immerhin erste positive Wirkungen zu zeigen. Der Kraftstoffverbrauchging zwischen dem ersten Halbjahr 1999 und dem ersten Halbjahr 2001um 5 % zurück, während er die <strong>Jahre</strong> davor stetig angestiegen war. Auch wenndies nicht der Ökosteuer alleine zuzuschreiben ist, so sorgte doch die leidenschaftlicheAuseinandersetzung über die Reform zumindest in Ansätzen für einverändertes Verbrauchsverhalten und leicht erhöhte Zulassungsanteile relativsparsamer Fahrzeuge. Damit dieser Trend anhält und verstärkt wird, müssendie Steuererhöhungen nicht nur nach 2003 fortgesetzt werden, sondern auchdeutlicher ausfallen: 5-15 Cent pro Liter und Jahr in Abhängigkeit von denRohölpreisen und der Entwicklung in den Nachbarländern.CDU/CSU, FDP sowie Teile der Boulevardpresse nutzten die Aufmerksamkeitfür die Preise an der Zapfsäule mehrfach für polemische Anti-Ökosteuer-Kampagnen. Dabei vergaßen sie, dass sie selbst noch Anfang der neunziger<strong>Jahre</strong> für die ökologische Umgestaltung des Steuersystems eintraten. AnstattAlternativkonzepte zur Bundesregierung zu entwickeln, setzten diese Parteienauf Fundamentalopposition.Die in der SPD ohnehin uneinheitliche Unterstützung für die ökologische Steuerreformgeriet durch die Attacken der Opposition noch mehr ins Wanken. GerhardSchröder und Franz Müntefering gaben seit 2001 mehrfach die Losungaus, in der nächsten Wahlperiode gebe es keine Ökosteuer-Erhöhungen nachdem bisherigen Muster. Immerhin haben sich SPD-Parteitage nach wie vor fürdie Fortsetzung des Reformprojektes ausgesprochen. Bündnis 90/Die <strong>Grün</strong>ensind zur Zeit die einzige Partei, die sich deutlich zur ökologischen Finanzreformbekennen - ohne allerdings Detailvorstellungen zu nennen.Dass die Bundesregierung Auseinandersetzungen über die ökologische Steuerreformscheut, zeigte sich Anfang 2002 bei der Verlängerung der Ermäßigungenfür die Industrie. Obwohl es noch zu Beginn der Wahlperiode aus dem Bundesfinanzministeriumhieß, diese Ermäßigungen hätten nur für kurze Zeit bestand,wurden sie dann doch bis 2012 bei der EU-Kommission beantragt und größtenteilsauch genehmigt.Zu einer ökologischen Finanzreform gehören nicht nur die Ökosteuern, sondernauch der Abbau ökologisch schädlicher Subventionen. Auf diesem Gebiet gab esfast keine Fortschritte. Im Zusammenhang mit der Einkommensteuerreformund der Haushaltskonsolidierung kündigten Bundesfinanzminister Eichel undBundeswirtschaftsminister Müller zwar Subventionskürzungen an. Passiert istaber fast nichts. Die aus ökologischer Perspektive problematische Gasölbeihilfe8


für die Landwirtschaft wurde zwar schrittweise reduziert, aber gleichzeitig wurdeder Steuersatz für Agrardiesel auf 25,6 Cent/Liter anstatt 44 Cent/Liter festgelegt(2002). Beim Abbau der Steinkohlesubventionen wurden lediglich dienoch unter der Vorgängerregierung beschlossenen Schritte umgesetzt. Ein klaresKonzept, bis wann die Steinkohlesubventionen auslaufen, steht noch immeraus. Die Kilometerpauschale für Fahrten mit dem PKW zum Arbeitsplatz wurdezwar in eine verkehrsmittelunabhängige Entfernungspauschale umgewandelt,aber dabei auf 35 - 40 Cent/km angehoben, so dass der Anreiz zum verkehrsförderndenUmzug aus den Städten ins Umland noch verstärkt wurde.9


und einer gentechnikfreien Landwirtschaft. Wie diese Koexistenz aussehen soll,ohne dass es zu einer gentechnischen Kontamination von Saatgut und Erntegutkommt, lassen beide Parteien offen. Dringend notwendige Konzepte zur Sicherungder Gentechnikfreiheit von konventioneller und biologischer Landwirtschaftfehlen.SPD und <strong>Grün</strong>e bekennen sich in ihren aktuellen Wahlprogrammen zur Förderungund Ausweitung des Ökolandbaus und seiner durch die EU-Ökoverordnung festgeschriebenen Gentechnikfreiheit. Der Ansatz, die Gentechnikfreiheitallein des Ökolandbaus zu begrüßen und zu fordern, ist jedoch verkürzt.Zum einem wird übersehen, dass auch die Gentechnikfreiheit der konventionellenLandwirtschaft bewahrt bleiben muss, denn von gentechnischerVerunreinigung durch Auskreuzung oder Pollenflug sind konventionelle Bauernebenso betroffen wie Biobauern. Zum anderen wird die Sicherung der Gentechnikfreiheitden Biobauern abverlangt – also den Geschädigten des Problems.Gentechnische KontaminationBeide Regierungsparteien verschließen die Augen gegenüber dem vordringlichstenProblem im Bereich der <strong>Grün</strong>en Gentechnik: Die Biotech-Industrie ist nichtin der Lage und nicht willens, für eine Trennung von GVO-freien und GVOhaltigenWarenströmen zu sorgen (GVO = gentechnisch veränderte Organismen).Rückendeckung erhält sie dabei von politischer Seite: Weder auf EU-Ebene noch in Deutschland gibt es Bestrebungen, gesetzliche Rahmenbedingungenzu schaffen, die Hersteller und Anwender transgenen Saatguts verpflichten,ihre Produkte separat zu vermarkten und aus der Nahrungskette herauszuhalten.Nach geltender Gesetzeslage wird den Biotech-Firmen und denAnwendern von GVO vielmehr das Recht auf Belastung der gesamten Nahrungsketteeingeräumt. Dieses Nicht-Handeln der europäischen Politik begünstigtin erster Linie die USA als weltweit größten Exporteur von GVO: Im Jahr2001 wuchsen 68 % aller weltweit angebauten transgenen Pflanzen dort. Siegehen als Zutaten für Futtermittel oder Lebensmittel in den Export u.a. nachEuropa.Die SPD und die <strong>Grün</strong>en sind bisher ein Konzept schuldig geblieben, wie sie derzunehmenden Kontamination von Saatgut, Erntegut, Lebens- und Futtermittelndurch GVO begegnen wollen. Dass hier dringender Handlungsbedarf besteht,zeigen die auch in Deutschland bekannt gewordenen Fälle gentechnischerKontamination von konventionellem Saatgut und die durch experimentelle Freisetzungenverursachten Verunreinigungen von Feldern konventionell und biologischproduzierender Betriebe. Dasselbe gilt für Lebensmittel: Tests zeigen immerwieder Spuren von gentechnischer Verunreinigung.Die Sicherung der Null-Option, d.h. der Gentechnikfreiheit bei Saatgut, Erntegut,Lebens- und Futtermitteln für die Zukunft, ist nach Ansicht des BUND imBereich der <strong>Grün</strong>en Gentechnik das Gebot der Stunde. Bevor die „verantwortbarenInnovationspotenziale der Bio- und Gentechnologie systematisch weiterentwickeltwerden“, wie es die Koalitionsvereinbarung von 1998 fordert, ist zunächstdas Problem der gentechnischen Kontamination zu lösen.11


Kennzeichnung von gentechnisch veränderten LebensmittelnAuf EU- Ebene werden zur Zeit zwei Verordnungen diskutiert, die im Herbstverabschiedet werden sollen: die „Verordnung über die Rückverfolgbarkeit undKennzeichnung genetisch veränderter Organismen und über die Rückverfolgbarkeitvon aus genetisch veränderten Organismen hergestellten Lebensmittelnund Futtermitteln sowie zur Änderung der Richtlinie 2001/18/EG“ und die„Verordnung über genetisch veränderte Lebens- und Futtermittel“.Gegenüber der geltenden Gesetzeslage enthalten beide Verordnungen eine Reihevon Verbesserungen: So unterliegen endlich auch gentechnisch veränderteFuttermittel einem Zulassungsverfahren; die Kennzeichnungspflicht für GVO-Produkte ist nicht länger an die Nachweisbarkeit von Fremd-DNA oderFremdprotein im Endprodukt geknüpft; es wird ein Rückverfolgbarkeitssystemfür GVO eingeführt sowie für Lebens- und Futtermittel, die GVO enthalten, ausihnen bestehen oder hergestellt werden. Negativ jedoch ist, dass Produkte vonTieren, die mit GVO gefüttert werden, von der Kennzeichnungspflicht ausgenommensein sollen. Ein weiterer gravierender Mangel ist die Einführung vonSchwellenwerten für zulässige Kontaminationen von Lebens- und Futtermittelndurch GVO: In allen Lebens- und Futtermitteln sollen künftig GVO bis zu 1 %enthalten sein dürfen, ohne dass sie der Kennzeichnungs- oder Rückverfolgbarkeitspflichtunterliegen. Die Ein-Prozent-Grenze soll auch für solche GVO gelten,die bisher innerhalb der EU keine Zulassung zum Inverkehrbringen erhaltenhaben.Damit unterläuft diese Regelung sowohl das Vorsorgeprinzip als auch dieWahlfreiheit der Konsumenten, sich für oder gegen den Kauf eines GVO-Produkts zu entscheiden. Dass das BMVEL diesen Vorschlag mitträgt, wertenwir als eine politische Kapitulation vor den Sachzwängen, die die Industrie dadurchgeschaffen hat, dass sie nicht in der Lage ist, eine Trennung von GVOfreienoder GVO-haltigen Warenströmen zu gewährleisten.FreisetzungenIn der EU besteht seit Oktober 1998 das sogenannte de-facto-Moratorium fürNeuzulassungen von GVO und damit u.a. zum kommerziellen Anbau. Die Zahlder experimentellen Freisetzungen ist rückläufig. Mehrere Staaten der EU habenihre Zustimmung zu Neuzulassungen davon abhängig gemacht, dass diebeiden oben genannten Verordnungen verabschiedet werden bzw. in Kraft treten.Dieser Position haben sich auch Trittin und Künast angeschlossen und sieim Herbst 2001 in Briefen an die EU-Kommissare Wallström und Byrne zumAusdruck gebracht. Ab 2003 ist mit Neuzulassungen und damit kommerziellemAnbau von gentechnisch veränderten Pflanzen zu rechnen.Die revidierte Freisetzungsrichtlinie 2001/18, die bis zum 17. Oktober 2002 innationales Recht umgesetzt werden muss, enthält eine Reihe von Verbesserungen:so die Verpflichtung zu einem Anbauregister, in dem die Felder mit gentechnischveränderten Pflanzen verzeichnet werden müssen, und zum Langzeit-Monitoring für in Verkehr gebrachte GVO. SPD und <strong>Grün</strong>e haben sich daraufverständigt, die Richtlinie nicht mehr in dieser Legislaturperiode umzusetzen.Ihre Umsetzung böte die Möglichkeit, nationale Spielräume auszunutzen unddamit die Akzente entweder auf Vorsorgeprinzip und Verbraucherschutz oderauf Gentechnikfreundlichkeit zu setzen. Die Vertagung spiegelt daher den Kon-12


flikt zwischen den unterschiedlichen Interessenlagen der Koalitionspartner wider.HaftungDie Frage der Haftung für durch GVO verursachte Schäden ist sowohl auf nationalerEbene als auch auf EU-Ebene nicht gelöst. Die im deutschen Gentechnikgesetzvorgesehene Deckungsvorsorgeverordnung, über die durch den Einsatzder Gentechnik verursachte Schäden abgedeckt werden sollen (allerdingsnur für freigesetzte, nicht für in Verkehr gebrachte GVO), liegt auf Eis. DerEntwurf der EU-Richtlinie zur Umwelthaftung ist so gefasst, dass durch GVOverursachte Schäden (inklusive der Schäden durch Kontamination) praktischnicht in den Geltungsbereich der Richtlinie fallen. Hier sind beide Koalitionspartnersäumig, was im ersten Fall um so mehr überrascht, als sich SPD und<strong>Grün</strong>e in Oppositionszeiten für die Einführung der Deckungsvorsorge stark gemachthaben.Patente auf LebenDie Bundesregierung ist bei der Umsetzung der EU-Patentrichtlinie in Verzug:Sie hätte sie bis zum 30.7.2000 in nationales Recht umsetzen müssen. DerGrund für die Verzögerung: Die Richtlinie ist nach wie vor umstritten. In diesemFall bestehen jedoch auch Konflikte innerhalb der SPD, vor allem in bezug aufdie Reichweite des Patentschutzes von Gensequenzen. Deshalb hat sich dieBundesregierung im Oktober 2000 dafür ausgesprochen, auf EU-Ebene einen„Änderungsprozess“ der Richtlinie zu initiieren und für Verbesserungen undPräzisierungen einzutreten. Positiv bewertet der BUND, dass der Diskussionsprozessandauert und nicht zugunsten einer schnellen Umsetzung einerschlechten Richtlinie aufgegeben wird.GentechnikgesetzDie Entwürfe des BMG zur Änderung des Gentechnikgesetzes (GenTG) nehmenweitgehend die deregulierenden, d.h. industrie- und nutzerfreundlichen Regelungenauf. So sollen die bereits im novellierten GenTG 1993 weit abgesenktenAnforderungen in bezug auf Anzeige, Anmeldung und Genehmigung vor allem inden Sicherheitsstufen S1 und S2 noch weiter dereguliert werden. Darüber hinausist für die Sicherheitsstufe S2 eine Selbsteinstufung durch den Antragstellerund statt des bisherigen Anmeldeverfahrens ein bloßes Anzeigeverfahrenvorgesehen. Zusätzlich sollen bestimmte gentechnisch veränderte Organismenvom Geltungsbereich des GenTG ausgenommen werden. Diese Änderungenverletzten das Vorsorgeprinzip und sind daher aus Umwelt- und Verbrauchersichtein Rückschritt.Diskurs <strong>Grün</strong>e GentechnikDer Diskurs <strong>Grün</strong>e Gentechnik wurde im Dezember 2001 vom BMVEL gestartetund ist anders als die Kanzleramtsinitiative, in deren Mittelpunkt Anbau undMonitoring von gentechnisch veränderten Pflanzen stand, als „ ergebnisoffenerDiskurs“ von in das Thema involvierten Gruppen geplant (Industrievertreter,Verbraucher, Landwirte, Umweltverbände, Gewerkschaften etc.). In sogenanntenDiskursrunden sollen sie die relevanten Entwicklungen und Probleme derGentechnik erörtern. Noch im September 2002 will Künast einen Abschlußberichtmit politischen Handlungsempfehlungen präsentieren. Organisiert wirdder Diskurs durch eine externe Moderation und einen Lenkungsausschuss, demzehn Vertreter (fünf Befürworter und fünf Kritiker der Gentechnik) angehören13


sowie eine Vielzahl von Beamten der verschiedenen mit Gentechnik befasstenMinisterien. Dabei scheint das BMVEL massiven Interventionen seitens desKanzleramts zu unterliegen, oder die <strong>Grün</strong>en beugen sich dem, was sie für dienormative Kraft des Faktischen halten.14


LandwirtschaftSo viel Aufbruch war nie, aber anderthalb <strong>Jahre</strong> Künast machen nochkei ne Agr arwendeIm Januar 2001 kam es zu einem einschneidenden Wechsel im Landwirtschaftsressort:Die grüne Politikerin Renate Künast übernahm das „Ministeriumfür Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft“ (BMVEL) von ihremSPD-Vorgänger Funke. Angesichts der BSE-Krise proklamierte sie die Agrarwendeund formulierte als Leitlinien ihrer Politik „Klasse statt Masse“, die Ökologisierungder konventionellen Landwirtschaft und die Erhöhung des Anteilsökologisch bewirtschafteter Fläche auf 20 % bis zum <strong>Jahre</strong> 2010. Rückendeckungerhielt sie von Bundeskanzler Schröder, der die Abschaffung derAgrarfabriken forderte und sich zum Anwalt der durch BSE und MKS verunsichertenVerbraucher machte („Die neue Landwirtschaftspolitik muss von derLadentheke her gedacht werden“). Inzwischen betrachtet der Bundeskanzler dieNeuausrichtung der Agrarpolitik nicht mehr als Chefsache. Vielmehr muss MinisterinKünast ihren Kurs oft genug gegen die Widerstände des Koalitionspartnersdurchsetzen. Prominentes Beispiel: die Verordnung zur Hennenhaltung imHerbst 2001, die erst nach zähem Ringen mit SPD-regierten Bundesländern wieNiedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern durch den Bundesrat ging. Beispielhaftauch der Vorstoß des agrarpolitischen Sprechers der SPD-Bundestagsfraktion, der im März 2002 Bauern dazu aufrief, das zur Bekämpfungvon Feuerbrand im Obstbau eingesetzte Antibiotikum Plantomycin trotzVerbots weiter zu verwenden. Kurzum: Für den Bundeskanzler und die SPD wardie Rede von der Agrarwende ein populistisches Strohfeuer, das mit dem Verschwindender BSE-Krise aus der medialen Öffentlichkeit verglühte, für die Ministerinund die <strong>Grün</strong>en ist sie eine Herzensangelegenheit.Umstrukturierung des BMVEL und Neuorganisation der deutschenLebensmittelüberwachungDie neue Ministerin hat es versäumt, das seit Jahrzehnten von der Agrarlobbydominierte Ministerium grundlegend zu reformieren und große Teile des altenApparats auszutauschen. Wie problematisch es ist, neue Politik mit einem altenApparat machen zu wollen, zeigte zuletzt der Skandal um nicht weitergegebeneInformationen zu Fischmehl und Kalbfleisch, die mit in der EU nicht zugelassenenAntibiotika belastet waren. Künast selber geriet unter Druck, nachdemAnfang 2002 bekannt wurde, dass trotz Informationen der niederländischenBehörden zu kontaminierten Lebensmitteln über Wochen keine Reaktion desBMVEL erfolgte.Positiv zu bewerten ist dagegen Künasts Konzept einer Neuorganisation derdeutschen Lebensmittelüberwachung, mit dem sie die Empfehlungen des Wedel-Berichtsaufgreift, der unter Federführung der gleichnamigen Präsidentindes Bundesrechnungshofes verfaßt worden war. Danach soll ein Bundesinstitutfür Risikobewertung zuständig für die wissenschaftliche Erforschung von Risikenin der Lebensmittelproduktion sein und ein Bundesamt für Verbraucherschutzund Lebensmittelsicherheit die konkreten Kontrollen übernehmen. BeideBehörden befinden sich im Aufbau.Das magische SechseckDamit hat Künast gleich nach ihrem Amtsantritt die gesellschaftlichen Gruppenbezeichnet, die die Agrarwende voranbringen sollen: Verbraucher, Landwirte,15


Futtermittelindustrie, Lebensmittelindustrie, Einzelhandel und Politik. Angestrebtwar die gemeinsame Suche nach Lösungen, wie Lebensmittelsicherheitgarantiert und Verbrauchervertrauen wiederhergestellt werden kann. Zwar bewertetder BUND das Bestreben positiv, die verschiedenen Akteure an einenTisch zu bringen. Kritisch jedoch sehen wir die Rolle des BMVEL, das sich zusehr auf die Rolle der Moderation beschränkt und auf einen unterstellten „gutenWillen“ der Beteiligten gesetzt hat. Dass sich die Vertreter des agroindustriellenKomplexes recht schnell vom Dialogprozess verabschiedet und mit dem QS-Siegel („Qualität und Sicherheit“) für Fleischprodukte ihr eigenes Gütesiegel fürkonventionelle Produkte geschaffen haben, zeigt deutlich die Grenzen des „magischenSechsecks“ und den Bedarf an politischer Steuerung.BSE-BekämpfungSah es zunächst so aus, als sei die BSE-Bekämpfung ein Beispiel für gelungenesKrisenmanagement, so sorgten mangelhaft durchgeführte BSE-Tests in einigenBundesländern im Frühjahr 2002 für Aufregung. Die Beanstandung von108.000 in privaten Labors durchgeführten Tests zeigte: Die staatliche Kontrollelässt zu wünschen übrig. Hier hätte die Ministerin von Beginn an stärker intervenierenmüssen: Zum einen wäre die Aufstockung von Personal seit dem Bekanntwerdenvon BSE-Fällen in Deutschland nötig gewesen. Zum anderen hättedie Debatte geführt werden müssen, ob nicht bestimmte Kontrollaufgaben imBereich der Lebensmittelsicherheit generell Sache des Staates sind und damitnicht an private Firmen ausgelagert werden dürfen. Positiv bewertet der BUNDdie klare Haltung des BMVEL, das Tiermehlfütterungsverbot EU-weit aufrechtzuerhalten.AgrarförderungHerzstück der Agrarwende ist die Agrarförderung, da über die Vergabe von Gelderndas Wünschenswerte befördert und das Unerwünschte zurückgedrängtwerden kann. Hier hat die neue Landwirtschaftsministerin mit dem Bohren dikkerBretter begonnen und wichtige Weichenstellungen vorgenommen:Über die Umgestaltung der Förderrichtlinien der „Gemeinschaftsaufgabe zurVerbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ werden zukünftigartgerechte Tierhaltung und ökologischer Landbau unterstützt. Hinzu kommtdie Einführung der Modulation, d.h. die Umschichtung von der ersten Finanzierungssäuleder Marktordnung zur zweiten Säule der Ländlichen Entwicklung, inHöhe von 2 % ab dem 1.1.2003. Darüber hinaus hat Künast ein Aktionsprogramm„Bäuerliche Landwirtschaft“ angekündigt, für das ebenfalls Gelder umgeschichtetwerden sollen.Der Wettbewerb „Regionen aktiv – Land gestaltet Zukunft“ hat sogenannte Modellregionenermittelt, in denen die Neuausrichtung der Landwirtschaftspolitikbeispielhaft vonstatten gehen soll: 18 Regionen erhalten bis 2005 eine Förderungvon insgesamt 62 Millionen Euro dafür, dass sie verbraucherfreundlichund umweltgerecht produzieren. Ein weiteres Auswahlkriterium war die Stärkungländlicher Räume und die Schaffung zusätzlicher Einkommensquellen fürLandwirte.Auch auf europäischer Ebene geht es um die Neuverteilung von Fördermitteln.In die Verhandlungen zur Halbzeitbewertung, die derzeit anlaufen, geht dieBundesregierung mit der richtigen Position: Sie will prüfen, ob anstelle derPrämien für unterschiedliche Kulturen und Flächennutzungen sowie der Tier-16


prämien eine einheitliche Grundprämie für alle landwirtschaftlichen Flächennutzungenoder eine Betriebsprämie gezahlt werden kann. Langfristig strebt siedie Einführung einer einheitlichen Flächenprämie als Entgelt für die Pflege undErhaltung der Kulturlandschaft an, deren Vergabe an ökologische und sozioökonomischeKriterien gekoppelt sein soll.Tierschutz<strong>Eine</strong>r der größten Künast-Erfolge ist sicherlich die neue Hennenhaltungsverordnung,die das Verbot von Legebatterien in Deutschland ab 2007 festschreibt(EU-weit ab 2012) und damit die „Agrarwende in der Nutztierhaltung“ eingeleitethat. Der BUND sieht hierin den Einstieg in den Ausstieg aus der industriellenTierproduktion und erwartet von der nächsten Bundesregierung die Verbesserungder gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Haltung von Schweinen,Puten und anderem Mastgeflügel.Auf eine wichtige Zielformulierung des Koalitionsvertrages ließ die Regierungkeine Taten folgen: „Zur Stärkung der flächengebundenen Tierhaltung wird dieneue Bundesregierung eine Neuabgrenzung zur gewerblichen Tierhaltung undden Abbau diesbezüglicher rechtlicher Privilegien für die gewerbliche Tierhaltungprüfen“. Die Regierung hat weder die flächengebundene Tierhaltung verbindlichfestgeschrieben noch das Privileg des Bauens im Außenbereich abgeschafft.Letzteres fällt in die Zuständigkeit des Bundesbauministeriums.Als Fortschritt bewertet der BUND eine vom BMVEL angestoßene Neuerung imAgrarinvestitionsförderungsprogramm, dem wichtigsten Förderprogramm imBereich Tierhaltung. Vorbehaltlich einer Genehmigung durch die EU-Kommission sind danach zukünftig bestimmte Intensivhaltungssysteme von derFörderung ausgeschlossen (bei Neubauten Anbindeställe für Rinder, Vollspaltenfür Rinder und Schweine und Käfighaltung für Legehennen), und Betriebe mitmehr als durchschnittlich zwei Großvieheinheiten pro Hektar erhalten nur nochbei Vorlage einer ausgeglichenen Nährstoffbilanz eine Förderung.Auf der Habenseite der Regierung steht die Aufnahme des Tierschutzes insGrundgesetz, die der Bundestag im Mai 2002 mit den Stimmen aller Parteienbeschlossen hat.Ökologischer LandbauPositiv bewertet der BUND den hohen Stellenwert, den Ministerin Künast demÖkolandbau beimisst. Um die Zielmarke von 20 % ökologisch bewirtschafteterFläche bis 2010 durch eine Reihe flankierender Maßnahmen zu erreichen, hatdas BMVEL das Bundesprogramm Ökolandbau aufgelegt, das für 2002 und2003 mit jeweils 35 Millionen Euro ausgestattet ist. Die Einführung eines einheitlichenBiosiegels für Produkte aus ökologischem Landbau und eine begleitendeImagekampagne soll die Verbrauchernachfrage stärken. Ob das Siegel,das auf der Basis der EU-Ökoverordnung vergeben wird, tatsächlich zur Ausweitungder einheimischen Produktion führt oder den Import ausländischerBioware nach Deutschland befördert, bleibt abzuwarten. Ein richtiges Signalsind die vom BMVEL forcierten Bestrebungen, die EU-Richtlinien für den ökologischenLandbau anzuheben und damit eine Gesamtbetriebsumstellung verpflichtendzu machen.17


VerbraucherinformationsgesetzDie koalitionsinternen Auseinandersetzungen um ein Verbraucherinformationsgesetzzeigen beispielhaft die unterschiedliche politische Ausrichtung der Koalitionspartner.Verbraucherschutzministerin Künast wollte zur Stärkung vonKonsumentenrechten beitragen. Der Bundeskanzler hat sich einmal mehr alsMann der Wirtschaft exponiert. Auf seine Intervention wurde der ursprünglicheGesetzesentwurf nach Protesten aus der Wirtschaft an entscheidender Stelle„entschärft“: Der zunächst vorgesehene Auskunftsanspruch der Kunden gegenüberUnternehmen, etwa zu Produktinhalten, wurde gestrichen. Stattdessensollten nur noch Behörden gegenüber Bürgern auskunftspflichtig sein. DerenAnsprüche auf Information seitens der Wirtschaft sollten allerdings nicht ausgeweitetwerden. Doch auch diese Version des Gesetzes lehnten die vonCDU/CSU und FDP regierten Länder im Mai 2002 im Bundesrat ab.18


EnergiepolitikDas Erneuerbare Energien Gesetz (EEG)Mit dem Erneuerbaren Energien Gesetz (EEG) vom April 2000, hat die Bundesregierungeinen Boom im Bereich erneuerbarer Energien ausgelöst, den soselbst optimistische Prognosen nicht erwartet hatten. Union und FDP hattendas Gesetz während der Beratungen im Bundestag und Bundesrat noch alsSubvention, Innovationen hemmend, ökologisch verfehlt, untauglich und ineffizientbezeichnet. Diese Anfeindungen haben sich als haltlos erwiesen – das EEGist ein wichtiger und durchschlagender Erfolg der rot-grünen Bundesregierungund sollte Ansporn für mehr sein.So hat Mitte 2001 die Anzahl von Windkraftanlagen die Marke von 10.000 überschritten.Während die allgemeinen Konjunkturdaten eher flau waren, nahmder Ausbau der Windkraft rasant zu. In den ersten sechs Monaten des <strong>Jahre</strong>s2001 gingen bundesweit 673 Windturbinen mit einer Gesamtleistung von 821Megawatt neu ans Netz, rund 50 % mehr als im vergleichbaren Zeitraum desVorjahres. Mittlerweile ist Deutschland weltweit führend in der Erzeugung vonStrom aus Windenergie. Und ein weiterer Erfolg dieses Gesetzes: Im Auslandwird es als Modell für ähnliche Regelungen herangezogen. Damit ist dieses Gesetzein wesentlicher Baustein für eine zukunftsfähige Energieversorgung undden Schutz des Klimas geworden.CDU und FDP haben spätestens mit ihren Beiträgen auf dem Neujahrsempfangdes Bundesverbandes Erneuerbarer Energien 2002 deutlich gemacht, dass miteinem Regierungswechsel das Ende des EEG zu erwarten ist. Die FDP fordert inihrem Wahlprogramm ausdrücklich die Abschaffung des Gesetzes.Die Energieeinsparverordnung (EnEV)Im Wärmemarkt hat die Bundesregierung mit der Energieeinsparverordnung(EnEV), in der Wärmeschutz- und Heizanlagenverordnung zusammengeführtwurden, eine Regelung vorgelegt, die weit hinter den Potenzialen zurückbleibt.So unterschreiten beispielsweise Niedrigenergiehäuser, die vor rund zehn <strong>Jahre</strong>ngebaut wurden, die Anforderungen der novellierten EnEV bereits um 20 bis30 %. Man darf also mit der in dieser Legislatur verabschiedeten EnEV wesentlichmehr verbrauchen als in einem Niedrigenergiehaus von Anfang der 90er<strong>Jahre</strong>. Damit hat die Regierung eine wichtige Chance zum Klimaschutz verspielt.Denn in der Modernisierung von Gebäuden und Heizungsanlagen liegteines der größten Potenziale für den Klimaschutz.Lediglich die Tatsache, dass die EnEV den zulässigen Energieverbrauch für Heizungs-und Warmwasseranlagen an der Primärenergie statt an der Endenergieals entscheidender Bezugsgröße festmacht, ist als wesentlicher Fortschritt zuwerten. Leider wurde diese Regelung im Bundesrat nochmals verwässert.Kraft-Wärme-Kopplung (KWK)Am 25. Januar 2002 hat die Regierungsmehrheit das KWK-Gesetz gegen dieStimmen der Opposition verabschiedet. Es ersetzt die Regelungen des bisherigen„KWK-Vorschalt-Gesetzes“.KWK ist allgemein als effiziente, umweltfreundliche und zudem kostengünstigeEnergietechnologie anerkannt. Andere europäische Länder, wie Dänemark, die19


Niederlande oder Finnland weisen einen Anteil des KWK-Stroms von 35 bis über50 % auf, Deutschland nur ca. 10 %. Noch im Juli 2000 hatte die Bundesregierungmit dem Beschluss, eine gesetzliche Quotenregelung für den Ausbau vonKWK einzuführen, die Erwartung geweckt, dass der KWK-Markt nachhaltig belebtund damit das mittelfristig bedeutendste Potenzial für den Klimaschutz aktiviertwerden könnte.In dem verabschiedeten Gesetz ist von einer Quotenregelung nichts mehr zufinden. Es baut auf einer Vereinbarung zwischen den Verbänden der Stromwirtschaftund dem Bundeswirtschaftsministerium auf. Die Regierung hat demDruck der Stromwirtschaft nachgegeben, statt auf den forcierten Ausbau vonKWK und Klimaschutz zu setzen. Im Gesetz findet sich eine Bonusregelung, dielediglich einer begrenzten Anzahl von KWK-Anlagen zu Gute kommt, die Modernisierungbestehender sowie den Bau neuer und dezentraler KWK-Anlagen aberweitgehend verhindert. Damit bleibt das Gesetz weit hinter den umweltpolitischenNotwendigkeiten zurück und sichert die Vormachtstellung der großenStromversorger ab. Fachverbände sprechen daher vom „KWK-Sterbehilfe-Gesetz“.Die Union nahm gegenüber KWK eine eher schwammige Haltung ein. Vereinzeltsind Äußerungen zu vernehmen, KWK sei grundsätzlich eine sehr sinnvolleTechnologie. Andererseits stellt sie in ihrem „Energieprogramm“ fest, dass eine„Politik, die sich bereits heute auf bestimmte einzelne Technologien festlegt undnur diese fördert (z. B. Kraft-Wärme-Kopplung), ... die Strukturen ohne Not fürmehrere Jahrzehnte auf den heutigen Stand der Technik“ festlege und das Problemder Überkapazitäten verstärke. Dabei übersieht sie, dass die Fixierung aufdie Atomkraft in den 60er <strong>Jahre</strong>n eine solche Festlegung auf eine einzelneTechnologie war. Bei KWK handelt es sich nicht um eine „einzelne“ Technologie,sondern um ein Spektrum unterschiedlicher Technologien und Anwendungstypen.Zudem legt KWK den Stand der Technik im Unterschied zur Fixierungauf Großkraftwerke nicht auf mehrere Jahrzehnte fest, sondern lässt sich imGegenteil bei sehr viel kürzeren Amortisationszeiten sukzessive verbessern.20


AtomkraftDer sogenannte AtomausstiegBei diesem zentralen Thema von <strong>Rot</strong>-<strong>Grün</strong> ist die Bilanz äußerst ernüchternd.Der sofortige Ausstieg ist für den BUND keine unverbindliche Absichtserklärungsondern ein zentrales politisches Anliegen. Der BUND hatte von <strong>Rot</strong>-<strong>Grün</strong> stattder Suche nach Kompromissen mit der Atomindustrie eine klare und unzweideutigeAbkehr vom atomaren Irrweg und eine Umkehr zu einer konsequentenAusstiegspolitik erwartet.Mit dem sogenannten Konsens zwischen Bundesregierung und Atomindustrie,bei dessen Aushandelung die kritische Öffentlichkeit ausgeschlossen war, undder darauf aufbauenden Atomgesetz-Novelle erlitt die Erwartung, dass es einenraschen und unumkehrbaren Atomausstieg gebe, eine herbe Enttäuschung.Statt einen echten Ausstieg zu realisieren haben die VerhandlungspartnerRestlaufzeiten vereinbart, mit denen uns die Atomkraft rechtlich abgesichertnoch bis mindestens 2023 erhalten bleibt und eine echte Energiewende nachhaltigbehindert wird. Als besonderer Hemmschuh für den sofortigen Ausstieghat sich dabei die im Koalitionsvertrag getroffene Vereinbarung erwiesen, eineentschädigungsfreie Stilllegung zu erreichen.So haben Regierung und AKW-Betreiber nun eine Reststrommenge von rund2600 Terawattstunden vereinbart, die an Hand der fünf auslastungsstärksten<strong>Jahre</strong> seit 1990 berechnet wurde. Sie erhielt einen Zuschlag von 5,5 % und zudem107 Terawattstunden für das nie genehmigte und auch nicht genehmigungsfähigeAKW Mühlheim-Kärlich.Selbst die Anschläge vom 11. September 2001, welche die potenzielle terroristischeBedrohung auch von Atomkraftwerken unzweifelhaft vor Augen führten,hatten keine Auswirkungen auf die am 14. Dezember desselben <strong>Jahre</strong>s verabschiedeteAtomgesetz-Novelle. Und dies, obschon zu erwarten ist, dass ein gezielterAbsturz eines großen Linienflugzeugs auf ein Atomkraftwerk die Stahlbetonhülleder Reaktoren zerstören und so schwere Verwüstungen anrichtenwürde. Das Schmelzen des Reaktorkerns – und damit der Super-GAU – wäreunvermeidbar. Das würde wie bei Tschernobyl ungeheure Mengen an Radioaktivitätfreisetzen. Die Folgen wären auf Grund der höheren Bevölkerungsdichtein Deutschland allerdings weitaus katastrophaler: Während in den ersten Tagennach dem Super-GAU von 1986 in einem 30-Kilometer-Radius um das Kraftwerkrund 100.000 dort wohnende Menschen evakuiert wurden, leben in demselbenUmkreis um deutsche Atomkraftwerke zwischen 500.000 und zwei MillionenMenschen. <strong>Eine</strong> geordnete Evakuierung wäre hier unmöglich.Die Novelle des Atomgesetzes führt in der verabschiedeten Fassung nicht zu einemkurzfristigen Ausstieg aus der Atomkraft, sondern bestenfalls zu einemhochgefährlichen und für die Betreiber kostengünstigen, Jahrzehnte dauerndenAuslaufen. Der anfallende Atommüll verdoppelt sich gegenüber der bisher angefallenenMenge.Wie problematisch ein solch langfristiges Auslaufen sein kann, zeigte sich erstjüngst beim Atommeiler in Brunsbüttel: Dort ereignete sich am 14. Dezember2001 eine Wasserstoffexplosion, die eine Rohrleitung über etwa 3 Meter zerfetzte.Die Betriebsmannschaft sah den Unfall zunächst nur als „Leckage“ an. 67Tage mussten vergehen, bevor der Betreiber HEW – zudem erst auf Druck des21


schleswig-holsteinischen Energieministeriums – dazu bereit war, den Reaktorvom Netz zu nehmen, und das Schadensausmaß festgestellt werden konnte.Wäre die Rohrleitung nur wenige Meter weiter am Reaktordruckbehälter explodiert,hätte es einen Schaden gegeben, der den Zutritt zum Reaktor unmöglichgemacht hätte. Die Zuverlässigkeit der Betreiber ist auf dem Hintergrund solcherund ähnlicher Ereignisse erheblich in Zweifel zu ziehen.Die Union wollte noch am 10. September 2001 in einem Antrag vom Bundestagbeschließen lassen, dass der „Ausstieg aus der Nutzung der Kernenergie aussicherheitstechnischen <strong>Grün</strong>den nicht geboten und wirtschafts- wie umweltpolitischfalsch“ sei. Es lägen keine Anhaltspunkte vor, „die Zweifel an der Sicherheitder deutschen Kernkraftwerke begründen könnten.“ Die FDP hat diese Positionin weiten Teilen unterstützt. Beide Parteien halten in ihren Wahlprogrammenan der Atomkraft fest.AtommülltransporteIm Frühjahr 2001 hat die Bundesregierung das Atommüllkarussell wieder inGang gesetzt, indem die Transporte von abgebrannten Brennelementen in dieWiederaufarbeitungsanlagen erneut aufgenommen wurden. Diese Transporteliefern den Betreibern eine Garantie für den Weiterbetrieb der Atomkraftwerke,da es ihnen somit möglich ist, die im Atomgesetz vorgeschriebene Entsorgungvorzutäuschen. Tatsächlich ist weltweit kein Endlager für den hochradioaktivenMüll in Sicht, welches seinen Namen wirklich verdient.Im so genannten Atomkonsens haben die Vertragspartner vereinbart, dass mitdem 1. Juli 2005 der Transport abgebrannter Brennelemente in die WiederaufarbeitungsanlagenLa Hague und Sellafield enden wird. Allerdings besteht dieWiederaufarbeitung noch lange über 2005 hinaus, da sämtliches bis zu demZeitpunkt angelieferte Material aufgearbeitet werden kann.Die so genannte Wiederaufarbeitung verursacht zusätzliche gravierende Umweltprobleme,u.a. eine systematische radiologische Verseuchung von Ärmelkanal,Nordsee und Irischer See. Notwendig wäre daher ein sofortiger Stopp jeglicherTransporte in die Wiederaufarbeitungsanlagen gewesen.ZwischenlagerDie Errichtung dezentraler Zwischenlager an den Atomkraftwerk-Standortensoll den Ausstieg aus den Transporten in die Wiederaufarbeitung ermöglichen.Die Novelle des Atomgesetzes enthält sogar eine Pflicht zum Bau dieser Zwischenlagerund einen gesetzlichen Anspruch auf Genehmigung. Bereits eine„realistische Planung“ von Zwischenlagern reicht für den „Nachweis der geordnetenBeseitigung“ von bestrahlten Kernbrennstoffen und radioaktiven Abfällenaus (§9a Absatz 1b AtG neu).Zusammen mit dem geplanten Weiterbetrieb der Atomkraftwerke und der damitzukünftig noch weiter wachsenden Atommüllmenge erhöhen und verteilen sichdie Risiken der Freisetzung von Radioaktivität somit über alle Atomkraftwerk-Standorte in Deutschland.Die Interims- und Zwischenlager täuschen die Lösung der Entsorgungsproblemenur vor. Sie dienen dazu, dass die Atomkraftwerke ungehindert weiter laufenkönnen und damit weiteren Atommüll produzieren, der das Problem weiterverschärft, ein geeignetes Endlager zu finden.22


Endlagerfrage – Schacht Konrad und Salzstock GorlebenDer Konflikt um die Schachtanlage Konrad, die auf ihre Eignung als Endlagerfür schwach- und mittelradioaktive Abfälle geprüft wurde, geriet fast zum absurdenTheater: Bundesumweltminister Jürgen Trittin und der niedersächsischeUmweltminister Wolfgang Jüttner schoben einander gut zwei <strong>Jahre</strong> langdie Verantwortung für das Planfeststellungsverfahren zu. Ein endgültiges Ausfür Konrad wollte keiner von beiden verkünden. Statt dessen einigten sich dieBundesregierung und die Atomindustrie darauf, dass die zuständigen Behördenzwar das Planfeststellungsverfahren abschließen sollen, dass der Antragstellerdann aber keinen Gebrauch von der sofortigen Vollziehbarkeit mache, um einegerichtliche Überprüfung zu ermöglichen. Im März 2002 hat nun das Land Niedersachsenden Plangenehmigungsentwurf für die ehemalige Eisenerzgrube vorgelegt.Er reduziert das 1982 beantragte Einlagerungsvolumen auf Grund vonBerechnungen des Bundesamtes für Strahlenschutz von 650.000 auf 303.000Kubikmeter. Für den Sommer ist mit einem Abschluss des Planfeststellungsverfahrenszu rechnen.Statt den Schacht Konrad also für ungeeignet zur Lagerung radioaktiven Müllsund für nicht vereinbar mit der angestrebten „Ein-Endlager-Lösung“ zu erklären,werden die Mühe und die enormen Kosten einer Klage gegen den Planfeststellungsbeschlussauf betroffene Bürgerinnen und Bürgern sowie Kommunenund andere Institutionen abgewälzt (erwartete Prozesskosten: rund 125.000 Euro).Umliegende Gemeinden und die Braunschweigische Evangelische Landeskirchehaben bereits Klagen angekündigt.Auch um den Salzstock Gorleben entwickelte sich ein ähnlich destruktives Hinund Her zwischen Trittin und Jüttner. Erst im „Konsens“-Papier vereinbartenBundesregierung und Atomindustrie ein mindestens dreijähriges, höchstenszehnjähriges Moratorium. Allerdings betonen sie gleichzeitig, dass dieses Moratoriumnicht als Aufgabe von Gorleben als Standort für ein Endlager zu verstehensei.Zwar kam das Bundesumweltministerium mit der Einrichtung des ArbeitskreisesEndlager (AkEnd) der Forderung der Umweltverbände nach, dass es vorFestlegung eines Endlager-Standortes zunächst zur Erarbeitung wissenschaftlichvalider Kriterien kommen müsse. Allerdings bleibt die Kritik des BUND bestehen,dass die unmittelbar bevorstehende Genehmigung von Schacht Konraddie Bemühungen des AkEnd konterkariert, da er dann nicht mehr von einer„weißen Landkarte“ ausgehen kann und auch das Ein-Endlager-Prinzip durchbrochenwird, das eine Grundlage seiner Arbeit darstellt.Auch bei der Frage „Endlager“ ist von einem Regierungswechsel keine Verbesserungzu erwarten. So haben die Unionsfraktionen die Bundesregierung in demerwähnten Antrag vom 10. September 2001 aufgefordert, die Erkundung desSalzstockes Gorleben unverzüglich fortzusetzen und das Endlager „SchachtKonrad“ so zügig wie möglich zu genehmigen. Es ist zu erwarten, dass ein Regierungswechseldaher den begonnenen Versuch der Kriterienentwicklung fürein Endlager in Deutschland beenden würde. <strong>Eine</strong> andere Bundesregierungwürde auch die ungeeigneten Standorten Gorleben und Konrad gegen den Widerstandder dortigen Bevölkerung durchsetzen.23


Novelle der StrahlenschutzverordnungBei der Novelle der Strahlenschutzverordnung sind kaum Verbesserungen festzustellen.Die Chance, eine Strahlenschutzverordnung zu erarbeiten, die demStand der Wissenschaft entspricht, hat die Bundesregierung nicht genutzt. Esist beunruhigend, wenn die Expertinnen und Experten der BUND-Strahlen-Kommission feststellen müssen, dass die Novelle teilweise auf überholtem wissenschaftlichenErkenntnisstand beruht. Neuere Untersuchungen berücksichtigtsie nicht in ausreichender Weise – wie beispielsweise eine Neubewertung derstatistischen Daten der Atombombenopfer von Hiroshima und Nagasaki, dienachweisen, dass die schädliche Wirkung ionisierender Strahlung bislang weitunterschätzt wurde. Auch bezüglich der Grenzwerte bei beruflicher Strahlenbelastung,bei Freigabe und Freigrenze wären vorsichtigere Werte notwendig, umdas Ziel zu erreichen, Menschen vor den schädlichen Auswirkungen radioaktiverbzw. ionisierender Strahlung zu schützen.Die Novelle verschlechtert faktisch das Schutzniveau der beruflich strahlenbelastetenArbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und der Bevölkerung in wesentlichenPunkten. Beispielsweise war schwangeren Frauen bislang untersagt, inKontrollbereichen zu arbeiten. Nun lässt die Novelle dagegen ausdrücklich zu,dass Schwangere im Kontrollbereich arbeiten, wo Strahlendosen von 6000 Millisievertpro Jahr auftreten dürfen (Millisievert: Maß für die Wirkung radioaktiverStrahlung auf lebende Organismen). Dadurch wird der Schutz des ungeborenenLebens massiv verletzt.Besonders problematisch ist die sogenannte „Freigaberegelung“, d.h. die Behandlungvon schwach radioaktiven Reststoffen, die als „nicht radioaktiv“ deklariertund damit einer normalen Verwertung zugeführt werden können, da sieeine Strahlenbelastung von 10 Mikrosievert/Jahr unterschreiten). Die Strahlenschutzexpertendes BUND haben nachgewiesen, dass beim Vergleich zwischenden Werten in Deutschland und in den USA beispielsweise bei 71 der 79 beimMetallrecycling betrachteten Radionuklide die Strahlenbelastung über demGrenzwert von 10 Mikrosievert/Jahr liegen können, bei 6 Radionukliden sogarüber 1000 Mikrosievert/Jahr. Damit sind nach Ansicht des BUND die Berechnungenin der Strahlenschutzverordnung nicht sicher genug.Die Freigabe solchen radioaktiv belasteten Materials bedeutet, dass es nachMaßgabe der Novelle durch Wiederverwertung in den alltäglichen Produkt- undRecyclingkreislauf eingebracht werden oder auf herkömmlichen Deponien oderin Müllverbrennungsanlagen landen kann. Im Endeffekt führt das zu einer unnötigenzusätzlichen radioaktiven Belastung der Bevölkerung, die der BUNDnicht akzeptiert.24


VerkehrspolitikVolldampf bei der Schiene, Rekordinvestitionen im StraßenbauFörderung der umweltfreundlichen Verkehrsmitteln, aber noch keineökologische VerkehrswendeAus den vier <strong>Jahre</strong>n rot-grüner Bundesregierung gehen die umweltfreundlichenVerkehrsmittel – insbesondere die Schiene - deutlich gestärkt hervor:• die ökologische Steuerreform und die Einführung der Lkw-Maut ab 2003stellen ein Stück mehr Kostenwahrheit und damit fairere Wettbewerbsbedingungenfür umweltverträgliche Verkehrsmittel her• mit der Entfernungspauschale wurden die Nutzer verschiedener Verkehrsmittelendlich steuerrechtlich gleichgestellt (aus ökologischer Sicht allerdingsauf zu hohem Niveau, so dass die Pauschale letztlich zu mehr Zersiedelungbeiträgt)• die Bundesregierung hat die Investitionen in den Schienenverkehr um ca. 50% auf 4,5 Mrd. Euro erhöht und damit eine Modernisierungsoffensive eingeleitet.Die Regionalisierungsmittel für einen attraktiven Schienenverkehrwerden auch in den nächsten <strong>Jahre</strong>n weiter erhöht• für die Förderung des Radfahrens hat das Bundesverkehrsministerium einenNationalen Radverkehrsplan vorgelegt. Der Haushaltansatz für den Ausbauvon Fahrradwegen wurde bereits im Vorgriff verdoppelt.Diese Trendwende ist allerdings nicht in eine konsequente verkehrspolitischeStrategie für eine nachhaltige Mobilität eingebettet: <strong>Eine</strong> grundlegende Verkehrswendefand nicht statt. Weiterhin hält die vom „Autokanzler“ geführte Regierungam ungebremsten Ausbau von Straßen- und Luftverkehrskapazitätenfest. So erreichte der Straßenbauetat eine neue Rekordhöhe. Die Politik desBundesverkehrsministers richtet sich eher auf die Suche nach neuen Geldquellenstatt auf die effiziente und umweltgerechte Verwendung der vorhandenenMittel. Deutliche Maßnahmen gegen die Klima- und Umweltbelastungdurch den Straßenverkehr wie das zu Oppositionszeiten geforderte Tempolimitauf Autobahnen spielten keine Rolle mehr. Ein wirkungsvolles Gesetz zumSchutz der Gesundheit von Anwohnern vor Fluglärm scheiterte an der geballtenMacht der Luftverkehrs-Lobby.Die Ergebnisse dieser „Integrierten Verkehrspolitik“ mit dem gleichzeitigen Ausbaualler Verkehrsträger zeigen sich in den Verkehrsprognosen des Bundesministeriumsfür Verkehr, Bau- und Wohnungswesen für das Jahr 2015. UnterBerücksichtigung der von der Bundesregierung geplanten verkehrspolitischenMaßnahmen wird die Schiene zwar deutlich gestärkt und soll ihre Leistung imGüterverkehr verdoppeln, im Personenverkehr um 32 % steigern. Ebenso hinzugewinnenwird demnach der Öffentliche Personenverkehr. Gleichzeitig steigtaber die Verkehrsflut auf der Straße und in der Luft fast ungebremst: So sollder Straßengüterverkehr um 58 %, der Pkw-Verkehr um 17 %, der Luftverkehrgar um 100 % zunehmen. Trotz aller technischen Verbesserungen der Fahrzeugewird die CO 2-Belastung und der Lärm durch den Verkehr weiter steigen, dieUmwelt- und die Lebensqualität weiter abnehmen. Mit dem geplanten Ausbauder Verkehrsinfrastrukturen nimmt der Verkehr zudem immer mehr Flächen inAnspruch, die Zerschneidung der Landschaft durch Straßen setzt sich weiterfort.25


Die wichtigsten Impulse für eine Ökologisierung der Verkehrspolitik kamen ausden Regierungsfraktionen im Bundestag (z. B. Masterplan Radverkehr, Donauausbauohne Staustufen, Erhöhung der Regionalisierungsmittel, Umwandlungder Kilometerpauschale in eine Entfernungspauschale). Dabei trafen die Ansätzefür echte Strukturänderungen im Verkehr auf den massiven Widerstand derCDU/CSU- und FDP-Opposition, Wirtschaftsverbände und Teile der Medien,besonders deutlich in der Diskussion um die Ökologische Steuerreform. <strong>Eine</strong>breite Unterstützung auch der Opposition weist hingegen die Stärkung derSchieneninvestitionen auf. Dabei müssen CDU/CSU und FDP allerdings erklären,wie sie ihre umweltpolitisch kontraproduktiven Straßenausbaupläne ohneReduktion der Schieneninvestitionen verwirklichen wollen.<strong>Eine</strong> konsequente ökologische Verkehrspolitik im Sinne des BUND wird imBundestag weitgehend nur von der PDS eingefordert. Dabei setzte sie die Koalitionsfraktionenteilweise erheblich unter Erklärungsdruck, indem sie intelligentderen Anträge aus Oppositionszeiten aufgriff (z. B. Transrapid, Tempolimit,Bundesverkehrswegeplan). Die Erfahrungen ihrer Regierungsbeteiligung in denBundesländern lässt aber daran zweifeln, ob sie ihren umweltorientierten Ansatzbei Übernahme von Regierungsverantwortung auf Bundesebene im gleichenMaße fortführen würde.Faire Wettbewerbsbedingungen für umweltfreundliche VerkehrsmittelÖkologische Steuerreform: sowohl öko als auch logischDie ersten Erfolge der ökologischen Steuerreform, deren Wirkung erheblichdurch die zeitweise gestiegenen Rohölpreise unterstützt wurde, zeigen sich imVerkehr bereits heute: seit 1999 wird pro Jahr zwei Prozent weniger Auto gefahren.Menschen und Unternehmen sparen Verkehr ein oder steigen auf umweltfreundlicheVerkehrsmittel um. Außerdem werden die Autofahrerinnen undAutofahrer zu einer sparsameren Fahrweise und zum Kauf verbrauchsärmererAutos motiviert. Dies führt dazu, dass in den letzten beiden <strong>Jahre</strong>n der Mineralölabsatzund damit der CO 2-Ausstoß zurückgegangen sind. Ebenso trägt sie zurSchaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen bei. Die ökologische Steuerreformbeweist damit deutlich ihre Lenkungswirkungen – sie über das 2003 hinausfortzusetzen, ist daher sowohl öko als auch logisch (s. auch Abschnitt „ÖkologischeSteuerreform“).Lkw-Maut: der Straßengüterfernverkehr zahlt endlich seine WegekostenDas Schlüsselprojekt für das Einsparen volkswirtschaftlich ineffizienter Transporteund die Verlagerung von Gütern auf die Schiene ist die Lkw-Maut. DerenEinführung auf Autobahnen für Lkw ab 12 Tonnen zulässigem Gesamtgewichtim Jahr 2003 ist beschlossen. Die vom Bundesverkehrsminister geplante Einstiegshöhevon 15 Cent pro durchschnittlichem Lkw-Kilometer entspricht fastgenau den Forderungen des BUND zur Bundestagswahl 1998. Damit die Lkw-Maut ihre Lenkungswirkung für einen umweltverträglicheren Güterverkehrentfalten kann, darf das Straßengüterverkehrsgewerbe allerdings nicht wesentlichvon anderen Abgaben entlastet werden. Die derzeit diskutierte Größenordnungvon 300 Mio. Euro muss die absolute Obergrenze bleiben. Ökologischsinnvolle Entlastungsmöglichkeiten sind in diesem Rahmen Anreize für lärmundemissionsarme Lkw (z. B. in Form von Investitionsbeihilfen oder Abschreibungserleichterungen).Dagegen würde eine Senkung der Mineralölsteuer für26


Lkw den europäischen Subventionswettlauf anheizen und die ökologische Steuerreformkonterkarieren.Um einen echten Anreiz für eine stärkere Integration der Schiene in die Logistikder verladenden Wirtschaft zu schaffen sowie die Verlagerung von Güterverkehrauf das nachgeordnete Straßennetz und kleinere Lkw zu verhindern, muss dieLkw-Maut langfristig auf alle Straßen ausgedehnt werden und außer Wegekostenauch externe Kosten wie Umweltschäden und Unfallrisiken anlasten. Umso mehr ist es zu bedauern, dass die Bundesregierung bisher weder ein Konzeptfür die Ausdehnung der Mautpflicht auf das ganze Straßennetz und den gesamtengewerblichen Straßengüterverkehr noch für die Einbeziehung von Umweltkostenin die Maut vorgelegt hat. Ebenso fehlt eine umfassende Strategiezur ökologischen Entwicklung des Güterverkehrs.Entfernungspauschale: Gerechtigkeit zwischen den Verkehrsmitteln,aber mehr Subventionen für ZersiedelungMit der Umwandlung der Kilometerpauschale in eine verkehrsmittelunabhängigeEntfernungspauschale für Pendler hat die Bundesregierung endlich Nutzerder verschiedenen Verkehrsmittel steuerrechtlich gleichgestellt. Doch statt diePauschale für alle Pendler auf ein einheitliches Niveau zu senken, stärker aufdie tatsächlich Bedürftigen auszurichten und damit ihre Wirkung als Zersiedlungsprämiezu mindern, wurde sie als Zugeständnis an die Autofahrer in derheißen Phase der von Boulevardzeitungen, CDU/CSU und FDP inszenierten„Benzinwut“ angehoben.Eigenheimförderung: Verkehrsschaffende Zersiedelung wird weitergefördertDie Entfernung zwischen Wohnort und Arbeitsplatz sowie die durchschnittlicheLänge der Einkaufswege sind in den letzten <strong>Jahre</strong>n kontinuierlich gewachsen.Wesentliche Ursachen sind die zunehmende Zersiedelung der Landschaft, dieneben der Entfernungspauschale auch durch die Eigenheimförderung begünstigtwird. Damit wird der Unterschied der Miet- und Immobilienpreise zwischenInnenstadt und Umland vergrößert, der insbesondere junge Familien aus denStädten drängt und dadurch zum Wachstum des Autoverkehrs beiträgt. <strong>Eine</strong>Reform der Eigenheimförderung, die die Ansiedlung in Städten und entlang vonSchienenwegen begünstigt und der Zersiedelung begegnet, steht nach wie voraus.Flugverkehr: die indirekte Subventionierung des umweltschädlichstenVerkehrsmittels bleibt bestehenÖkologisch kontraproduktiv bleibt weiterhin die Befreiung des Flugverkehrs vonder Mineralöl- und Ökosteuer auf Kerosin sowie von der Mehrwertsteuer. KeinWunder, dass der Dumping-Wettbewerb der Fluglinien inzwischen teilweise dieBahnpreise unterbietet. <strong>Eine</strong>n nationalen Alleingang zumindest im innerdeutschenFlugverkehr lehnt die Bundesregierung aus Wettbewerbsgründen ab. Aufeuropäischer Ebene bestehen zwar Ansätze für die Einführung von Emissionsabgaben,die zwar von der Bundesregierung unterstützt, nicht aber mit Nachdruckvorangetrieben werden. Um so fataler ist, dass Vorschläge der bündnisgrünenFraktion zur Reduktion des Mehrwertsteuersatzes im Schienenpersonenverkehrals Ausgleich für diesen Wettbewerbsnachteil am Widerstand desFinanzministers scheiterten.27


Verkehrsinvestitionspolitik: Volldampf bei der Schiene, Rekordinvestitionenim StraßenbauBei den Verkehrsinvestitionen zeichnete sich zu Beginn der rot-grünen Regierungszeiteine Priorität für den Straßenbau ab. Der erste Entwurf für das Investitionsprogramm1999 - 2002 sah zunächst eine sich weiter öffnende Scherezwischen Straßen- und Schieneninvestitionen vor. Sie wurde erst nach der Interventionder Umweltverbände und des grünen Koalitionspartners wieder geschlossen.Das Ziel der Angleichung der Investitionen von Schiene und Straßekonnte die Koalition dann aber ab 2001 durch das aus den UMTS-Zinsersparnissen finanzierte Zukunftsinvestitionsprogramm Schiene annäherndumsetzen.Offensive für einen modernen SchienenverkehrBei der Aufstockung der Schieneninvestitionen auf das Rekordniveau von 4,5Mrd. Euro nahm die Bundesregierung gegenüber der Vorgängerregierung zweizentrale Strategiewechsel vor, die zusätzliche Impulse für die Modernisierungder Schiene geben. Die Umwandlung zinsloser Baudarlehen in Baukostenzuschüsseentlastet die Bilanz der DB Netz AG massiv und verhindert damit eineerneute Überschuldung des Unternehmens. Die Schwerpunktsetzung der staatlichenInvestitionen auf die Sanierung und Instandhaltung des maroden Bestandsnetzesund die Einführung einer modernen Leit- und Sicherheitstechnikermöglicht in Deutschland wieder einen flächendeckenden, attraktiven Schienenpersonen-und -güterverkehr. Insofern begrüßte der BUND den 1999 vonBundesverkehrsminister Franz Müntefering verkündeten Baustopp für dieHochgeschwindigkeitsstrecke Halle–Erfurt–Nürnberg als mutigen Schritt füreine Abwendung von überteuerten Prestigeobjekten. Mit der Ankündigung fürihren Weiterbau hat Bundeskanzler Schröder auf dem Ostparteitag der SPD imMärz 2002 diesen Erfolg dem beginnenden Bundestagswahlkampf geopfert.Statt in den flächendeckenden Ausbau des Schienennetzes in Sachsen, Thüringenund Bayern sollen nun doch wieder ca. 6 - 7 Mrd. Euro in die überteuerteund naturzerstörende Hochgeschwindigkeits-U-Bahn im Thüringer Wald fließen.Ebenso zwiespältig ist die Diskussion um den Transrapid zu beurteilen. DasAus für die Transrapid-Planungen für die Strecke Berlin – Hamburg im Februar2000 hat der BUND begrüßt. Der Ausbau der Schienenstrecken zwischen Hamburgund Berlin ermöglicht jetzt eine sinnvolle und betriebswirtschaftlich effizienteVerbesserung der Verbindungsqualität zwischen den beiden Städten.Um so fataler ist es, dass die SPD jetzt mit der gleichen Verve die Transrapid-Projekte in München und im Ruhrgebiet vorantreibt – immer in Angst, von derCDU/CSU-FDP-Opposition, Teilen der Wirtschaft und Medien in die Ecke derInnovationsfeindlichkeit gestellt zu werden. Dabei ist es für Mensch, Umweltund öffentliche Finanzen weitaus sinnvoller, die Attraktivität des vorhandenenNahverkehrs zu steigern. Das Beispiel München zeigt: Es ist verkehrspolitischpure Geldverschwendung, für mindestens 1,6 Mrd. Euro einen Transrapid vomHauptbahnhof zum Flughafen zu bauen, wenn der Ausbau einer Express-S-Bahn für 250 Mio. Euro nur fünf bis zehn Minuten langsamer ist. Darüber hinausstärkt jede öffentlich finanzierte Flughafenanbindung nicht den Nahverkehr,sondern kommt ausschließlich dem umweltschädlichen Flugverkehr zugute.28


<strong>Eine</strong> Stärkung erfährt die Weiterentwicklung des regionalen Schienenverkehrshingegen durch die auf Druck von Ländern, Verbänden, Bundesumweltministerium,Koalitionsfraktionen und Opposition beschlossene Erhöhung der Regionalisierungsmittelin den nächsten <strong>Jahre</strong>n. Bundesfinanzminister Eichel hattezunächst ein Einfrieren bzw. Absenken der Zuschüsse vorgesehen.Keine Wende im StraßenbauDie Offensive für die Schiene und umweltverträgliche Mobilität wird dadurchkonterkariert, dass der Straßenbauetat mit ca. 5 Mrd. Euro ein neues Rekordniveauerreicht hat. Die Einsicht, dass weiterer Straßenbau nur zu mehr Verkehrund damit neuen Staus führt, hat sich beim Bundesverkehrsminister unddem Großteil der SPD-Bundestagsfraktion noch nicht durchgesetzt – noch wenigerallerdings bei FDP, CDU/CSU und den Bundesländern, denen selbst diesesRekordniveau noch nicht ausreicht.In dieses Bild passt, dass die Prüfung umweltschonender und milliardensparenderAlternativlösungen zu besonders konfliktreichen Projekten wie der OstseeautobahnA 20, der Südharzautobahn A 38 oder der Thüringer WaldautobahnA 71/73 durch den Thüringer Wald abgelehnt wurde.Mit dem Schwerpunkt auf dem Ausbau der Straßeninfrastruktur hat die Bundesregierungdas vier Mrd. Euro teure „Bundesprogramm VerkehrsinfrastrukturNeue Bundesländer“ auf den Weg gebracht. Mit dem Bundesprogramm werdenzusätzlich 1,6 Mrd. Euro an EU-Mitteln für die Regionalförderung abgeschöpft.Damit wurden umstrittene Fernstraßenprojekte wie die Rügen-Anbindung, die A17 Dresden – Prag und die A 241 Schwerin – Wismar einer weiteren verkehrsundumweltpolitischen Überprüfung im Rahmen des Bundesverkehrswegeplansentzogen.Ökologisch und finanzpolitisch kontraproduktiv ist das zur Durchsetzung derLkw-Maut konzipierte Anti-Stau-Programm, das insbesondere den Ausbau vonAutobahnen enthält. Immerhin wurde in der Diskussion erreicht, dass 50 % derProgramm-Mittel für Schiene und Wasserwege bereitgestellt werden.In die falsche Richtung weist auch das mit 460 Mio. Euro ausgestatteteOrtsumfahrungsprogramm, mit dem die Bundesregierung das ZukunftsinvestitionsprogrammSchiene bei der Asphaltlobby „erkauft“ hat. Als kleinen Erfolgkonnten Umweltverbände und die bündnisgrüne Fraktion dabei die Streichungeiniger besonders umweltschädlicher Projekte aus der ursprünglichen Liste erwirken.Diese Neubauprogramme im Straßenbaubereich sind jedoch nicht nur aus Umweltsichtfatal, sondern auch finanzpolitisch nicht mehr tragbar, da bereitsheute das Geld für die Sanierung und Instandhaltung des bestehenden Straßennetzesfehlt. So zeigen erste Schätzungen über den finanziellen Spielraumdes neuen Bundesverkehrswegeplans: Zwei Drittel der bis 2015 zur Verfügungstehenden Mittel werden für den bei Straßen, Schienen und Wasserwegen jahrzehntelangvernachlässigten Bestandserhalt benötigt. Die restlichen Investitionsmittelsind weitgehend für die bereits in Bau befindlichen Projekte gebunden.Ein Politikwechsel zu Gunsten des Bestanderhaltes ist daher notwendig.Die Ankündigungen des Bundeskanzlers für den Bau der A 14 (Magdeburg –Schwerin) und der A 72 (Leipzig – Chemnitz) im März 2002 deuten aber eher29


darauf hin, dass vor der Bundestagswahl weitere Straßenbauprogramme aufgelegtwerden. Aus ökologischer ebenso wie aus Nutzersicht sinnvoller wäre einverkehrsträgerübergreifendes Anti-Schlagloch-Programm.Schutz lebendiger Flüsse versus Ausbau zu Wasserstraßen<strong>Eine</strong>r der größten verkehrs- und naturschutzpolitischen Erfolge dieser Legislaturperiodehinsichtlich einzelner Verkehrsprojekte ist der von den Koalitionsfraktionenim Februar 2002 beschlossene Verzicht auf den Bau von Staustufenin der Donau zwischen Passau und Vilshofen. Zur Verbesserung der Schiffbarkeitauf der Donau sollen nun die von den Umweltverbänden vorgeschlagenenflussbaulichen Maßnahmen realisiert werden – eine Entscheidung, gegen die diebayrische Staatsregierung mit einer Klage für die Durchsetzung der Staustufenund damit der Zerstörung des letzten freien Flussabschnittes der Donau droht.Für Flusssysteme wie die Elbe, Havel und Oder steht eine naturverträgliche Lösungvon Konflikten zwischen dem Erhalt naturnaher Flusslandschaften undden Interessen der Wasserstraßenbauern und Binnenschifffahrt dagegen nochaus. Während sich Bündnis 90/Die <strong>Grün</strong>en für die Anpassung der Schifffahrtan die natürlichen Flussbedingungen aussprechen, lavieren die SPD und ihrBundesverkehrsminister herum. CDU/CSU und FDP fordern, noch mehr Energieund Geld in die Naturzerstörung zu investieren – entgegen der noch zu ihrenRegierungszeiten von Bundesverkehrsminister Matthias Wissmann gemeinsammit den Umweltverbänden verabschiedeten Elbeerklärung.Überarbeitung des Bundesverkehrswegeplans von 1992In einem neuen Bundesverkehrswegeplan wollte die Bundesregierung die Investitionslinienfür die Bundesfernstraßen, -schienenwege und -wasserstraßen biszum Jahr 2015 festlegen. Seine Verabschiedung hat das Bundesministerium fürVerkehr, Bau- und Wohnungswesen auf die nächste Legislaturperiode verschoben.Damit hält es die Diskussion um 1.800 Einzelprojekte im Straßenbau, 216Projekte im Schienenverkehr und neun Wasserstraßenbauprojekte aus demWahlkampf heraus. Für die Verabschiedung eines realistischen Bundesverkehrswegeplanesist dies nach Einschätzung des BUND durchaus förderlich, dabereits jetzt abzusehen ist, dass sich ein Großteil der Straßenbauwunschlistender Länder nicht verwirklichen lässt. Dies ist allerdings im wesentlichen nichtder umwelt- und verkehrspolitischen Einsicht der größeren Regierungspartei,sondern den zunehmenden finanzpolitischen Restriktionen zu verdanken. Aufdiese Weise wird der Bundesfinanzminister indirekt zum wichtigen Verbündetenfür die Umweltverbände.Problematisch an der Verschiebung des neuen Bundesverkehrswegeplanes istallerdings, dass die Länder die Planungen für die Straßenbauprojekte mitHochdruck vorantreiben, um mit rechtsgültigen Planfeststellungsbeschlüssenden politischen Handlungsdruck für die Realisierung dieser Projekte zu erhöhenund sie somit einer gründlichen Überprüfung zu entziehen. Insofern ist es sehrlöblich, dass die rot-grüne Koalition dem Ansinnen der Länder und der Fraktionenvon CDU/CSU und FDP widerstanden hat, die Geltungsdauer von Planfeststellungsbeschlüssenauf zehn <strong>Jahre</strong> zu verlängern, denn dies hätte einer überzogenenVorratsplanung der Länder endgültig den Weg geöffnet.Bei der bisher vorliegenden Methodik für die Überarbeitung des Bundesverkehrswegeplanesfehlte den drei Bundesverkehrsministern dieser Legislaturpe-30


iode der Mut, sich von den alten Planungsansätzen zu lösen. Statt einer verkehrsträgerübergreifendenund netzbezogenen Optimierung der Bundesverkehrswegeim Hinblick auf ökologische, ökonomische und soziale Ziele stehtweiterhin die Bewertung der einzelnen Projektvorschläge im Vordergrund. DieEntwicklung einer umfassenden Investitionsstrategie für ein zukunftsfähigesVerkehrssystem steht damit weiterhin aus. Positiv ist immerhin, dass durch dieVerbesserung der Methodik der Einzelprojektbewertung jetzt eher die Chancebesteht, besonders umweltunverträgliche Projekte herauszufiltern.Flugverkehrspolitik bleibt nachhaltig unökologischDie Luftverkehrs- und Flughafenpolitik des Bundes ist in dieser Legislaturperiodefast unberührt von der Nachhaltigkeits- und Klimaschutzdebatte ihrenunökologischen Weg weitergegangen. Trotz technischer und betrieblicher Verbesserungensteigen die Umweltbelastungen (z. B. die Emission von Treibhausgasen)in Folge der enormen Wachstumsraten weiterhin massiv an. Auch derNachfrageeinbruch in Folge des 11. September 2001 dürfte sehr schnell wiederkompensiert sein. Während die EU-Kommission in ihrer Mitteilung „Luftverkehrund Umwelt“ zu dem Schluss kommt, dass dieser Trend nicht nachhaltig istund deshalb umgekehrt werden muss, greift die Bundesregierung diese Problematikim Konzept zur Flughafenpolitik nur unzureichend auf. Nach diesemKonzept hält sie grundsätzlich am nachfragefördernden Ausbau der Flughafenkapazitätenfest und überschätzt dabei massiv deren Wirkung auf regionaleEntwicklung, Unternehmensansiedlungen und Beschäftigung. Dagegen fehlt einGestaltungsszenario, das die Auswirkungen von Kurzstreckenflügen auf dieBahn, von Effizienzsteigerungen (z. B. durch Kooperation von Flughäfen) undvon Vermeidungsmaßnahmen wie die Anlastung externer Kosten berücksichtigt(s.o.).Verkehrslärm: etwas Schutz vor Schienenlärm, aber kein Schutz vorFluglärm<strong>Eine</strong>n Einstieg in einen effektiveren Schutz vor Lärm an bestehenden Verkehrsinfrastrukturenschaffte die Bundesregierung mit dem mit 51 Mio. Europro Jahr ausgestatteten Lärmsanierungsprogramm an Schienen, das die DB AGallerdings nur langsam umsetzt. <strong>Eine</strong> konsequente Weiterentwicklung diesesProgramms steht aber ebenso noch aus wie ein wirksames Verkehrslärmschutzgesetzund eine Lärmsanierungsstrategie für den Straßenverkehr. Statt vor allemauf passive Schallschutzmaßnahmen zu setzen, muss die Lärmbekämpfungan der Quelle im Vordergrund stehen.Gegen die geballte Macht der Flugverkehrslobby schaffte es die Bundesregierungnicht, ein wirkungsvolles Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm zu verabschieden.Das Bundesumweltministerium legte zwar im November 2000 einenNovellierungsentwurf für ein entsprechendes Gesetz vor. Obwohl von Umweltverbändenund Lärmbetroffenen als äußerste Kompromisslinie bezeichnet,scheiterte es jedoch am anhaltenden Widerstand der SPD-geführten Bundesministerienfür Verkehr, Verteidigung und Finanzen. Dabei hätten die mit demGesetz verbundenen passiven Lärmschutzmaßnahmen zum Schutz der Anwohnerlediglich zusätzliche Kosten von ca. 2 Euro pro Flugticket bedeutet.Tempolimit ohne ChanceObwohl in den Wahlprogrammen beider Regierungsparteien enthalten, hatte dieEinführung eines Tempolimits auf Autobahnen keine Chance: Weder temporär31


als Vorsorge gegen Sommersmog noch dauerhaft zum wirkungsvollen Schutzdes Klimas.Innerorts können Tempo-30-Zonen nach einer entsprechenden Novellierung derStraßenverkehrsordnung (StVO) leichter als bisher ausgewiesen werden. Allerdingsbleibt die Regelung weit hinter der Forderung der Umweltverbände zurück,Tempo 30 als innerörtliche Regelgeschwindigkeit einzuführen und Tempo50 generell auf Hauptverkehrsstraßen zu beschränken. Kontraproduktiv ist ander neuen Regelung zudem, dass klassifizierte Straßen nicht mehr in Tempo30-Zonen mehr einbezogen werden können.32


Internationale UmweltpolitikInternationaler KlimaschutzDie Bundesrepublik konnte in den letzten vier <strong>Jahre</strong>n ihre Vorreiterrolle im internationalenKlimaschutz halten und ausbauen. Insbesondere bei den Verhandlungenzum Kyoto-Protokoll in Bonn im Juli 2001 hatte die Bundesregierungeinen wesentlichen Anteil daran, dass die Verhandlungen zu einem erfolgreichenAbschluss kamen. Im März 2002 hat der Bundestag das Gesetz zur Ratifizierungdes Kyoto-Protokolls verabschiedet.Die bisherigen deutschen Leistungen zur Reduktion der CO 2-Emissionen von18 % erhöhen zwar die klimapolitische Glaubwürdigkeit der Bundesrepublik aufdem internationalen Parkett, reichen aber aus Sicht des BUND bei weitem nichtaus. Das nationale Klimaschutzprogramm, das die Bundesregierung im Oktober2000 beschlossen hat, ist international vorbildlich, da es jedes einzelne Ressortdazu zwingt, seinen Anteil zur nötigen Reduktion beizutragen. Dennoch geht esdem BUND in wichtigen Punkten nicht weit genug. Zum Beispiel fehlt in derVerkehrspolitik ein ökologisches Mobilitätskonzept. Mit den Selbstverpflichtungender deutschen Wirtschaft setzt das Klimaschutzprogramm zu sehr auf dasPrinzip Hoffnung.Vor allem hält das Programm nur an dem bisherigen Ziel der Reduzierung derCO 2-Emissionen um 25 % bis 2005 fest. Will Deutschland seine Vorreiterrolleim internationalen Klimaschutz in der nächsten Legislaturperiode halten, ist esaber zwingend notwendig, weitere langfristige Klimaschutzziele festzulegen. 40%weniger CO 2-Emissionen bis 2020 sind ein Ziel, das eine Verkehrs- und Energiewendebeschleunigen könnte und international ein klares Zeichen setzenwürde, dass Deutschland sich seiner internationalen Verantwortung stellt. Außerdemsollte die Bundesrepublik sich freiwillig verpflichten, die in den letzten<strong>Jahre</strong>n immer zahlreicher gewordenen Schlupflöcher des Kyoto-Protokolls nichtzu nutzen.EU-Politik: Nachhaltigkeit unzureichendDer BUND begrüßt, dass auch die EU im Juni 2001 in Göteborg eine Nachhaltigkeitsstrategieverabschiedet hat und beschlossen hat, in Zukunft eine regelmäßigeÜberprüfung der Nachhaltigkeit der EU-Politik durchzuführen. Damitwar die EU schneller als das rot-grün-regierte Deutschland, das erst im April2002 seine Nachhaltigkeitsstrategie vorlegte. Allerdings fehlt es der EU-Nachhaltigkeitsstrategie an quantitativen Zielen und klaren Zeitplänen für ihreUmsetzung.Die Bundesregierung machte sich auf EU-Ebene klimapolitisch unglaubwürdig,da sie durch massiven politischen Druck verhinderte, dass die europaweiteStreichung der Kohlesubventionen bis 2010 in die Nachhaltigkeitsstrategie aufgenommenwurde. Auch sonst spielte die Bundesregierung auf europäischerEbene oft die Rolle des Bremsers, insbesondere in der Chemikalienpolitik undbei Fragen des Zugangs zu Umweltinformationen. In der nächsten Legislaturperiodegilt es das Selbstverständnis der Bundesrepublik als ökologischer Vorreiterininnerhalb der EU stärker in die Tat umzusetzen.33


Welthandel: ökosoziale Rhetorik und neoliberale PolitikAuch die rot-grüne Bundesregierung hat die wirtschaftliche Globalisierung weitervorangetrieben. Sie bekundete zwar ihren Willen, die Globalisierung ökologischund sozial gestalten zu wollen, ihre Politik auf internationaler Ebene erfülltediesen Anspruch aber nicht. Zwar sprach sich das Bundesministerium fürwirtschaftliche Zusammenarbeit für eine Besteuerung der internationale Spekulationsgewinneaus (Tobinsteuer), doch die gesamte Bundesregierung versäumtees, sich hinter diese Forderung zu stellen.Immerhin: Bei den WTO-Verhandlungen in Katar im November 2001 gab esnach massivem zivilgesellschaftlichen Druck zumindest formale Fortschritte:Die WTO wird in Zukunft explizit über Umweltthemen verhandeln. Bei den internationalenVerhandlungen unterstützte die Bundesregierung aber eine ökologischund sozial bedenkliche Freihandelspolitik und die weitere Liberalisierungzentraler Dienstleitungen und Naturressourcen. Der BUND lehnt weitereLiberalisierungsschritte ab, solange keine grundlegende Analyse der Folgen dergegenwärtigen Freihandelspolitik erfolgt ist. Auf der Basis dieser Analyse ist eineumwelt-, entwicklungs- und sozialverträgliche Reform des Welthandelsregimesnötig, die die wichtigsten Grundsätze der Umweltpolitik, das Vorsorgeprinzipund das Verursacherprinzip, anerkennt.34


NaturschutzIm Natur- und Landschaftsschutz konnte die rot-grüne Bundesregierung zweider wichtigsten Vorhaben ihrer Koalitionsvereinbarung erreichen: Erstens dieReform des Bundesnaturschutzgesetzes, womit nach 20 <strong>Jahre</strong>n naturschutzrechtlichemStillstand Aussicht auf einen besseren Schutz der heimischen Naturbesteht. Zweitens die Änderung des Vermögensrechtsergänzungsgesetzes,das es ermöglicht, wertvolle ostdeutsche Naturschutzflächen vor einer wirtschaftlichorientierten Privatisierung zu sichern. Zudem wurden positive Signalein der Öffentlichkeits- und Projektarbeit gesetzt.Dies darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass für den Erhalt der biologischenVielfalt weiter dringender Handlungsbedarf besteht, beispielsweise bei derSicherung weiterer Naturschutzflächen, der nationalen Umsetzung der Biodiversitäts-Konventionund der Reduzierung des Flächenverbrauches. Ihren Vorsatz,das Umweltrecht in einem effizienten Umweltgesetzbuch zusammenzuführen,konnte die Regierung bislang nicht umsetzten.Reform des BundesnaturschutzgesetzesDie Modernisierung des Naturschutzrechtes, an der die vorherige Bundesregierungmehrmals scheiterte, ist ein Erfolg, den die rot-grüne Koalition gegen massiveWiderstände aus Landwirtschaft und Industrie durchgesetzt hat. Die Nachbesserungenim parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren und die Beibehaltungwesentlicher Vorschriften zur Landschaftsplanung, Verbandsklage undLandwirtschaft im Vermittlungsausschuss sind zu begrüßen.Mit dem neuen Gesetz hat die Bundesregierung nicht nur die Vorgaben ihrerKoalitionsvereinbarung umgesetzt, sondern auch langjährige Forderungen derUmweltbewegung realisiert: beispielsweise die Einführung eines Biotopverbundesauf 10 % der Landesfläche und die Möglichkeit der Verbandsklage auf Bundesebene.Zu den wesentlichen Neuerungen zählen auch die Verpflichtung zurflächendeckenden Landschaftsplanung, die Erweiterung des Umweltmonitoringsund des Gebietsschutzes sowie die Möglichkeit, europäische Schutzgebiete imMeeresbereich auszuweisen. Erstmals beinhaltet das Gesetz naturschutzfachlicheKriterien für die sogenannte „gute fachliche Praxis“ der Land-, Forst- undFischereiwirtschaft – ein wichtiger Impuls auch für die Agrarwende.Gleichwohl gibt das nicht zustimmungspflichtige Rahmengesetz in vielen Bereichennur vage Rechtsvorgaben. Die Vorschriften zum Biotopverbund hättenstrikter ausfallen müssen und die Beteiligungs- und Klagemöglichkeiten derNaturschutzverbände umfassen nur Mindeststandards. Als Rückschritt bewertetder BUND die Flexibilisierung der Eingriffsregelung. Inwieweit es durch dieMitwirkungsrechte der Sportorganisationen zu einem erfolgreichen Interessenausgleichmit dem Naturschutz kommt, wird die Praxis zeigen.Insgesamt stellt das neue Gesetz eine Verbesserung gegenüber der bestehendenRechtslage dar und bietet eine neue Chance für den Schutz unserer Natur –jetzt auch um ihrer selbst willen und als Lebensgrundlage für kommende Generationen.35


Sicherung wertvoller NaturschutzflächenDas Ziel der Koalitionsvereinbarung, den Ausverkauf national bedeutsamerNaturschutzflächen in den neuen Bundesländern durch die Bodenverwertungsund-verwaltungs GmbH (BVVG) zu stoppen, hat die Bundesregierung weitgehendeingelöst. Die Änderung des Vermögensrechts-ergänzungsgesetzes ermöglichtes, 50.000 Hektar Naturschutzflächen den Bundesländern oder von ihnenbenannten Stiftungen und Verbänden kostenlos zu übertragen und weitere50.000 Hektar durch Flächentausch oder zum Verkehrswert zu erwerben. Währenddie kostenlosen Flächenübertragungen bereits abgeschlossen sind, wirdein Flächenerwerb von Seiten der Stiftungen und Verbände aus <strong>Grün</strong>den derFinanzierbarkeit nur in Einzelfällen angestrebt.Im Konzept zur Sicherung des nationalen Naturerbes unberücksichtigt bliebbislang die Privatisierung ehemaliger Truppenübungsplätze und Bergbaufolgelandschaften,obwohl auch hier in großem Umfang Naturschutzflächen zur Dispositionstehen. So besitzt die öffentliche Hand ca. 250.000 Hektar freiwerdendemilitärische Liegenschaften; hinzu kommen ca. 50.000 Hektar Bergbaufolgelandschaften.Für den Naturschutz sind diese Flächen aufgrund ihrer Naturausstattungund Großflächigkeit von herausragender Bedeutung. Als durchgängigerBiotopverbund ist das Gebiet des ehemaligen innerdeutschen Grenzstreifens,das „<strong>Grün</strong>e Band“, besonders schutzwürdig. Hier fördert das Bundesamtfür Naturschutz ein vom BUND durchgeführtes Projekt zur naturschutzfachlichenBestandsaufnahme, dessen Ergebnisse als Grundlage für weitereSchutzkonzepte dienen sollen.Bei der Sicherung wertvoller Naturschutzflächen muss der Staat auch in Zukunftseiner nationalen Verantwortung gerecht werden. Da die Privatisierungnaturschutzrelevanter Flächen weiter voranschreitet, muss er die notwendigengesetzlichen und finanziellen Grundlagen für ihren Schutz zügig schaffen.Förderung der GroßschutzgebieteDie Förderung bestehender und die Ausweisung neuer Großschutzgebiete zählenzu den wichtigsten Naturschutzaufgaben der Länder und des Bundes. Einbegrüßenswertes Beispiel ist das Moratorium zum Nationalpark Hainich in Thüringen,mit dem vorerst auf den geplanten Holzeinschlag verzichtet wird. GroßräumigeNaturschutzmaßnahmen führen häufig zu gesellschaftlichen und politischenKontroversen, bei denen sich der Bund vermehrt für die Umsetzung vonSchutzzielen einsetzen muss. <strong>Eine</strong> bundesweite Öffentlichkeitsarbeit sollte weiterhinzur Imageverbesserung der Großschutzgebiete beitragen. Ein Beispieldafür ist die vom Bundesumweltministerium geförderte Informationsbroschüreüber die deutschen Nationalparke sowie die Entwicklung naturverträglichertouristischer Angebote.Positiv zu vermerken ist, dass die Deutsche Bundesstiftung Umwelt auf Initiativeder <strong>Grün</strong>en ihre Förderaktivitäten um den Bereich „Naturschutz“ erweiterthat. Allerdings darf dies nicht mit einer Reduzierung direkter staatlicher FörderundForschungsmittel einhergehen. Wichtig ist, dass sich der Bund stärker alsbisher an der Bereitstellung ausreichender Finanzmittel zur fachgerechtenDurchführung der Schutz- und Bildungsaufgaben in national bedeutsamenGroßschutzgebieten beteiligt.36


Reduzierung des FlächenverbrauchesBei der Reduzierung des Flächenverbrauches und der Landschaftszerschneidungbesteht dringender Handlungsbedarf: Täglich wird eine Fläche von ca. 130Hektar versiegelt. Die Verkehrsfläche umfasst bereits 4,7 % der Landesfläche.Die für die Legislaturperiode vorgesehene Überarbeitung der Bodenschutz- undAltlastenverordnung, bei der ein Konzept zur Entsiegelung und Renaturierungvon Flächen einbezogen werden sollte, hat die Bundesregierung nicht verwirklicht.Auch im neuen Bundesnaturschutzgesetz hat sie keine Vorschriften zurVerringerung des Flächenverbrauchs verankert. Der BUND fordert ein schlüssigesKonzept, mit dem auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene die notwendigenSchritte zum Freiflächenschutz eingeleitet werden.Umsetzung der europäischen NaturschutzrichtlinieDie Schaffung des ökologischen Netzwerkes NATURA 2000 im Rahmen der europäischenFlora-Fauna-Habitat-Richtlinie lässt nach wie vor zu wünschen übrig.Auch wenn dessen Realisierung überwiegend Ländersache ist, darf sich dieBundesregierung hier nicht aus der Verantwortung stehlen. Die Direktiven dereuropäischen Kommission im Hinblick auf die rechtliche Umsetzung der Richtliniesind ernst zu nehmen. Sie ist auch im neuen Bundesnaturschutzgesetzunzureichend. Erfreulich ist hingegen die Unterstützung der Naturschutzverbändeseitens des Bundesamtes für Naturschutz durch ein Projekt, das eineBerücksichtigung der sogenannten „Schattenlisten” bei den europäischen Auswahlverfahrenermöglicht.Integration der Konvention über die biologische VielfaltDer politische Wille zur Umsetzung der Biodiversitäts-Konvention wächst langsam.Dennoch ist die Bereitschaft, die Ziele und Handlungsvorgaben des Übereinkommensin die verschiedenen Bereiche der nationalen Politik zu integrieren,noch viel zu gering. <strong>Eine</strong> nationale Strategie mit konkreten Maßnahmen zurUmsetzung der Konvention steht weiterhin aus. Die Initiierung der bundesweitenÖffentlichkeitskampagne „Leben braucht Vielfalt“ anlässlich des zehnjährigenBestehens des Übereinkommens ist zwar ein erster Schritt, reicht abernicht aus.Erfreulich ist, dass die Bundesregierung die Blockadehaltung der Kohl-Regierung beendete und begonnen hat, sich für angemessene Sicherheitsvorschriftenin den weltweiten Verhandlungen zum Biosafety-Protokoll einzusetzen.Allerdings lässt Deutschland den Zeitpunkt der Ratifizierung bislang noch offen,während die meisten europäischen Staaten diese bis zum Weltgipfel für NachhaltigeEntwicklung im September 2002 vorgesehen haben. Zu begrüßen ist dasvom BMZ aufgelegte Programm zur „Zusammenarbeit mit Entwicklungsländernzur Umsetzung des Cartagena Protokolls über biologische Sicherheit“.37


ChemiepolitikDas 2001 verabschiedete Chemikalienweißbuch der EU beinhaltete Planungenfür eine Neuausrichtung der Chemikalienpolitik mit teilweise klareren und besserenRegelungen. Der Bundeskanzler und der Bundesumweltminister nahmendazu gegensätzliche Positionen ein: Gerhard Schröder war der Überzeugung,das Weißbuch stelle eine Gefährdung der deutschen Chemieindustrie dar, wennes in der vorliegenden Version umgesetzt werden sollte. Jürgen Trittin sprachsich dafür aus.Die Einschätzung des Kanzlers ist falsch. Umweltverbände, Chemieindustrieund Behörden sind sich in vielen grundsätzlichen Punkten sogar einig (z. B.keine Vermarktung von Chemikalien ohne entsprechende Daten über die Eigenschaftender Stoffe). In vielen Fällen sind Regelungen beim Handel der Chemieindustriebereits selbstverständlich, sonst wäre das seit <strong>Jahre</strong>n laufende VCI-Programm „responsible care“ zur Verpflichtung zu sicheren und nachhaltigenProdukten nur eine PR-Aktion. <strong>Eine</strong> Reglementierung der gefährlichen Chemikalienist angesichts von Gesundheitsschäden, Allergien und Umweltbelastungennotwendig. Dies hat auch Bundesumweltminister Trittin beim großen NationalenForum zum Weißbuch deutlich gemacht.Biozid-GesetzDie lange überfällige Umsetzung der EU-Richtlinie zu Bioziden hat die Bundesregierungerst 2002 geleistet. <strong>Eine</strong> restriktive Umsetzung der Richtlinie wäregerade vor dem Hintergrund der Tragödie des Holzschutzmittelskandals wünschenswertgewesen. Doch sowohl einzelne Bundesländer als auch die Bundesregierungwollten nur eine zurückhaltende Umsetzung. Besonders das Risikoeiner Vermarktung von ungeprüften und unbekannten Holzschutzmitteln in dermehrjährigen Übergangsfrist des Gesetzes, bis zur EU-weiten Zulassung derStoffe, wäre vermeidbar gewesen. Die EU-Richtlinie bot hier Handlungsspielraum,den die Bundesregierung nicht genutzt hat.38


AbfallpolitikAbfallvermeidungNachdem sich die vom BUND bevorzugte Abgaben-Lösung nicht durchsetzenließ, unterstützen wir die zweitbeste Lösung: das Pflichtpfand. Die Novelle vonBundesumweltminister Trittin scheiterte im Bundesrat vor allem am Widerstandder unionsgeführten Länder. Sie hätte zumindest die unsinnige Unterscheidungin Getränkesegmente aufgehoben, die die Ex-Umweltministerin Merkel1998 mit der letzten Novelle eingeführt hatte. Die Bundesregierung hat allerdingsden Vorschlag abgelehnt, der im Bundesrat eine Mehrheit fand (Ersatzder Mehrwegquote durch einen Mehrweganteil, der so niedrig liegt, dass nurnoch rund 66 % der Getränke hätten in Mehrwegverpackungen abgefüllt werdenmüssen). Daher wird nun das „Merkel-Pfand“ kommen. Es wird zunächst nurBier, Mineralwasser und kohlensäurehaltige Erfrischungsgetränke treffen. Abersobald Säfte und Wein unter ihre Anteile von 1991 rutschen, unterliegen auchsie der Pfandpflicht. Bei weiterem Absinken des Mehrweganteils gibt es also einesukzessive Ausdehnung des Einweg-Pflicht-Pfandes auf alle Getränkesegmente.Je mehr Einwegverpackungen mit Pfand belegt werden, desto deutlicher zeigtsich zusätzlich ein positiver Effekt auf das sogenannte Littering-Problem: In derLandschaft herumliegende Einwegverpackungen werden nach Einführung einesEinwegpfandes der Vergangenheit angehören.Nach dem 1997 erfolgten Unterschreiten der Mehrwegquote sind bereits mehrmalsdie neuen Zahlen zum Mehrweganteil vorgelegt worden, aus denen klarhervorgeht, dass sich Mehrweg weiter im Sturzflug befindet (1999 bereits bei69 %, 2002 wahrscheinlich bei etwa 60 %). Die Einweg-Industrie klagte jedochgegen die Veröffentlichung dieser Zahlen. Das Oberverwaltungsgericht Berlinhat die Klage inzwischen zurückgewiesen, so dass die Nacherhebung der Zahlen,die für das Auslösen der Sanktion veröffentlicht werden müssen, voraussichtlichzum 1. Juli 2002 bekannt gemacht wird. Zwangsläufig tritt dann diePfandpflicht zum 1. Januar 2003 in Kraft. Die Einweg-Industrie erhebt jetzt jedochauf Landesebene erneut Klagen gegen die Pfandpflicht. Ob diese wiederabgewiesen werden, lässt sich noch nicht mit Sicherheit abschätzen.Im Wahlprogramm von Bündnis 90/Die <strong>Grün</strong>en von 1998 war noch zu lesen:„Die oberste Prämisse unserer Abfallpolitik ist die Vermeidung von Abfällen.“Dieser Prämisse ist die Bundesregierung nicht konsequent gefolgt.Im Koalitionsvertrag hieß es: „Zur Abfallvermeidung und Stärkung der Produktverantwortungsind vor allem ökonomische Anreize notwendig.“ Diesen Ansatzgilt es konsequent umzusetzen.Mit der Verpackungsabgabe, wie sie der BUND dem BMU in verschiedenen Variantenvorgeschlagen hat, liegt ein sinnvolles und wirksames ökonomischesLenkungsinstrument vor, das ein großes Potenzial zur Abfallvermeidung ausschöpfenkönnte.Auch das im Koalitionsvertrag verankerte Ziel, das System des <strong>Grün</strong>en Punktes„ökologisch und ökonomisch sinnvoll“ umzugestalten, hat die Bundesregierungnur bedingt erreicht. Zwar haben sich in den letzten <strong>Jahre</strong>n neue Sortier- undVerwertungsverfahren etabliert, ein relativ hoher Anteil der Verpackungsabfällewird jedoch immer noch nur rohstofflich verwertet. <strong>Eine</strong> verstärkte Durchfüh-39


ung ökologisch sinnvoller werkstofflicher Verwertung ist zur Ressourcenschonunganzustreben. Zudem bietet das System des <strong>Grün</strong>en Punktes nach wie vorzu wenig Anreiz zur Abfallvermeidung.Die Bundesregierung muss aufpassen, dass sie die Produktverantwortung beiVerpackungen, wie sie im Grundsatz im Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzfestgeschrieben ist, nicht leichtfertig verspielt. Das wäre ein verheerendes Signalfür alle anderen Bereiche der Abfallwirtschaft.Dagegen gelang es mittlerweile dem BUND, in der Novelle der Technischen AnleitungSiedlungsabfall – inzwischen Abfallverordnung und 30. Bundesimmissionsschutzverordnung– die ursprüngliche Absicht des Umweltbundesamtes abzuschwächen,die Müllverbrennung als einzig sinnvolle Restmüll-Behandlungvorzuschreiben. Sie richtet sich mittlerweile an Anforderungen aus, die nichtnur Müllverbrennungsanlagen erreichen können, sondern auch hochwertigemechanisch-biologische Anlagen. Letztere sind aus Sicht des BUND der Müllverbrennungvorzuziehen. Allerdings fanden nicht alle Vorstellungen des BUNDEingang in die Verordnung.Altfahrzeug-GesetzDie EU-Richtlinie zu Altautos und die deutsche Altautoverordnung haben sichteilweise parallel entwickelt. Nach längerer Diskussion im Vorfeld hatte sich eigentlichEnde 1998 der Umweltministerrat informell weitgehend geeinigt. Alsjedoch der Tagesordnungspunkt im März 1999 unter deutscher Präsidentschaftzur Verabschiedung anstand, gab die deutsche Regierung kurz vorher zu verstehen,dass sie der Altautorichtlinie nicht zustimmen würde. Grund hierfürwar eine direkte Intervention des VW-Vorstandsvorsitzenden und Präsidentendes Europäischen Automobilverbands Ferdinand Piëch beim deutschen Bundeskanzlermit dem Ziel, die Pflicht zur kostenfreien Rücknahme insbesonderedes bereits vor Inkrafttreten der Richtlinie zugelassenen Kfz-Altbestandes abdem Jahr 2003 zu verhindern. Bundeskanzler Schröder veranlasste daraufhin,dass die Verabschiedung der Altfahrzeugrichtlinie zunächst bis zum nächstenUmweltministerrat im Juni 1999 verzögert wurde. Dort gelang es Deutschlanddann, Spanien und Großbritannien – mit entsprechenden Deals – für eine qualifizierteMinderheit gegen die Richtlinie zu gewinnen und die Verabschiedungein weiteres Mal zu verschieben. Erst unter finnischer Präsidentschaft wurde imJuli 1999 ein neuer Kompromiss verabschiedet. Bei der Rückgabe wurde dasPrinzip „kostenlose Rückgabe“ aufgeweicht: die Mitgliedsstaaten können sichnun entscheiden, ob die Hersteller alle Kosten der Rückgabe tragen müssenoder ob eine Kostenspaltung zwischen Hersteller und Letztbesitzer vorgenommenwird.Zur Umsetzung der EU-Altfahrzeugrichtlinie in nationales Recht hat die Bundesregierungein Altfahrzeuggesetz vorgelegt. Der Bundesrat muss noch zustimmen.Das neue Gesetz soll an die Stelle der bisherigen Kombination ausfreiwilliger Selbstverpflichtung und Altautoverordnung treten. Grundsätzlich zubegrüßen ist die in der EU-Richtlinie und im Gesetz angelegte Ausweitung derProduzentenverantwortung bei der Entsorgung von Altfahrzeugen. Dies dürftezu verstärkten Aktivitäten bei der Recycling-gerechteren Entwicklung von Fahrzeugenführen. Auch ist mit dem Gesetz die Absicht verbunden, die Vollzugsproblemeder noch geltenden Altautoverordnung abzubauen. Hier werden einzelneRegelungen Besserung bringen, aber an Grundübeln wie der Entsorgung40


ins (nicht den Stand der Technik praktizierende) Ausland oder der legalen oderhalblegalen Tricks zum Umgehen des Entsorgungsnachweises nichts ändern.Verwertung von AltholzDie Altholzverordnung soll abfallwirtschaftlich die Beseitigung und Verwertungvon Industrie- und Gebrauchtholz regeln. Die Bundesregierung hat diese notwendigeund sinnvolle Verordnung beschlossen, der Bundesrat muss noch zustimmen.Die Details dieser Regelung sind jedoch noch mit Mängeln behaftet.Dies betrifft den Begriff der stofflichen Verwertung und, damit zusammenhängend,den Geltungsbereich der Verordnung sowie Teile der inhaltlichen Standardsfür die Verwertung. Die Regelungen verhindern nicht, dass bei der Ausfuhrvon Altholz ins Ausland der Entsorgung bzw. Verwertung ausgewichenwird. <strong>Eine</strong> EU-Regelung wäre wünschenswert.Biomasse-VerordnungDie Biomasse-Verordnung regelt die Einbeziehung der Biomasse in das Gesetzzur Förderung der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien. Dies ist ausenergie- und umweltpolitischen <strong>Grün</strong>den zweifellos ein großer Fortschritt undwird eine ähnlich innovative Entwicklung wie bei der Sonnenenergienutzungauslösen. Dennoch sind auch hier Mängel zu verzeichnen.Die Biomasseverordnung hätte so formuliert werden müssen, dass die Förderungder Verstromung von Althölzern mit halogenorganischen Verbindungenoder mit problematischen Holzschutzmitteln ausgeschlossen wird. Diese hochbelastetenAlthölzer sind besonders überwachungsbedürftige Abfälle, bei derenthermischer Behandlung die Schadstoff-Beseitigung im Vordergrund stehenmuss. Der BUND befürchtete, dass bei einer deutlichen Förderung der Verstromungdieser Althölzer eine Vielzahl neuer Feuerungsanlagen gebaut werdenkönnten. Die im Gesetzgebungsverfahren noch erreichte Begrenzung der Förderungist nicht ausreichend, war aber ein Schritt hin zur Differenzierung zwischenEnergieträger Altholz und entsprechendem Sonderabfall.41


UmweltinformationspolitikInformationszugang für Bürger zu Umweltdaten (Aarhus-Konvention)Die Aarhus-Konvention ist das Übereinkommen über den Zugang zu Informationen,die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugangzu Gerichten in Umweltangelegenheiten. Als die neue BundesregierungEnde 1998 die Konvention unterzeichnete, bestand die Hoffnung, dass die unrühmlicheGeschichte des deutschen Widerstandes gegen die in der Konventionvorgesehenen Informations- und Beteiligungsrechte beendet sei. Diese Hoffnungwurde enttäuscht durch die Änderung des Umweltinformationsgesetzes imRahmen des Artikelgesetzes, die internen Diskussionen mit dem Bundesumweltministeriumund die Haltung der Bundesregierung bei den Verhandlungenzur Umsetzung der Aarhus-Konvention.In der defensiven Umsetzung zeigt sich: Die Grundgedanken der Aarhus-Konvention sind vielen Entscheidungsträgern in Deutschland nach wie vorfremd. Deutschland verfolgt eine Strategie der restriktiven Umsetzung, die möglichstnicht über das eindeutig zwingend Gebotene hinausgehen soll. Dabeiwerden die auch von der früheren Bundesregierung durchgesetzten Aufweichungendes Konventionstextes nicht nur extensiv genutzt, sondern auch dieKonventionspflichten in teilweise unhaltbarer Weise restriktiv interpretiert.Dies ist keine Informations- und Transparenzoffensive, auch wenn man beachtet,dass die Bundesregierung die Interessen der Bundesländer aus verfassungsrechtlichen<strong>Grün</strong>den berücksichtigen muss. Aber dort, wo eigenständigePositionierungen möglich und eine aktive Rolle notwendig gewesen wären,zeichnete sich die Regierung durch Zaudern und Mutlosigkeit aus. <strong>Eine</strong>s vonvielen Beispielen ist die Gebührenregelungen zum Umweltinformationsgesetz.Die Bundesregierung hätte ohne Beteiligung der Länder für ihren Verwaltungsbereicheine eigene Gebührenregelung erlassen können, die sich z.B. an der positivenRegelung in Nordrhein-Westfalen hätte orientieren können. In NRW sinddie Bürgerinitiativen und anerkannten Naturschutzverbände, die dieses Instrumenthäufiger nutzen, von den Gebühren befreit. Gleichzeitig hätte manzumindest für alle Bürger verbesserte Informationsmöglichkeiten durch einendeutlich niedrigeren Gebührenrahmen ermöglichen können (jetzt immerhin ca.500 Euro Gebührenhöchstsatz).InformationsfreiheitsgesetzIn der Koalitionsvereinbarung war eine über den Umweltbereich hinausgehendegesetzliche Verankerung eines allgemeinen Informationszugangsrechts vorgesehen.Nachdem die Arbeit an einem Bundes-Informationsfreiheitsgesetz, mit demdiese Ankündigung eingelöst werden soll, über mehrere <strong>Jahre</strong> nicht zu vorzeigbarenErgebnissen gelangt war, liegt inzwischen ein Gesetzentwurf vor. Er war–auch dies eine begrüßenswerte Neuerung – im Internet zur Diskussion gestellt.Bislang ist nicht klar, ob dieses Vorhaben bis Ende der Legislaturperiode abgeschlossenwird. (Zum Verbraucherinformationsgesetz s. Abschnitt „Landwirtschaft“.)EmissionsregisterDer Rat der OECD hat 1996 Leitlinien für Schadstoffemissions- und -transferregister (pollutant release and transfer registers, PRTR) vorgelegt undden Mitgliedstaaten empfohlen, Register nach diesen Leitlinien einzurichten. Die42


Agenda 21 nennt unter den beispielhaft aufgeführten Regierungsaktivitäten, umdie von bestimmten Chemikalien ausgehenden Gefahren zu minimieren, auchdie Erstellung von Emissionskatastern. Im Juli 2000 hat das Umweltdirektoratder OECD einen Bericht über die Umsetzung der PRTR-Empfehlung vorgelegt.Danach verfügten bis Juni 1999 acht Mitgliedstaaten über ein solches Register,in acht weiteren war ein Register geplant. Deutschland ist unter diesen Ländernnicht vertreten. Die Bundesregierung nimmt bei der Einführung des EuropäischenEmissionsregisters eine defensive Haltung ein.<strong>43</strong>

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