Evangelisch-LutherischePaul-Gerhardt GemeindeHamburg-Winterhudein derE. Felix <strong>Moser</strong><strong>Pastor</strong>Gottesdienst zum 2. Sonntag nach Trinitatis3. Juli <strong>2011</strong>Predigttext: Matthäus 22,1-14:Und Jesus fing an und redete abermals in Gleichnissen zu ihnen und sprach: Das Himmelreichgleicht einem König, der seinem Sohn die Hochzeit ausrichtete. Und er sandte seineKnechte aus, die Gäste zur Hochzeit zu laden; doch sie wollten nicht kommen. Abermalssandte er andere Knechte aus und sprach: Sagt den Gästen: Siehe, meine Mahlzeit habe ichbereitet, meine Ochsen und mein Mastvieh ist geschlachtet, und alles ist bereit; kommt zurHochzeit! Aber sie verachteten das und gingen weg, einer auf seinen Acker, der andere ansein Geschäft. Einige aber ergriffen seine Knechte, verhöhnten und töteten sie. Da wurdeder König zornig und schickte seine Heere aus und brachte diese Mörder um und zündeteihre Stadt an. Dann sprach er zu seinen Knechten: Die Hochzeit ist zwar bereit, aber dieGäste waren's nicht wert. Darum geht hinaus auf die Straßen und ladet zur Hochzeit ein,wen ihr findet. Und die Knechte gingen auf die Straßen hinaus und brachten zusammen, wensie fanden, Böse und Gute; und die Tische wurden alle voll. Da ging der König hinein, sichdie Gäste anzusehen, und sah da einen Menschen, der hatte kein hochzeitliches Gewandan, und sprach zu ihm: Freund, wie bist du hier hereingekommen und hast doch kein hochzeitlichesGewand an? Er aber verstummte. Da sprach der König zu seinen Dienern: Bindetihm die Hände und Füße und werft ihn in die Finsternis hinaus! Da wird Heulen und Zähneklappernsein. Denn viele sind berufen, aber wenige sind auserwählt.Liebe Gemeinde!Von großen Festen muss man uns heute nichts erzählen. Wenn in Europas KönigshäusernHochzeit gefeiert wird, dürfen wir als Zaungäste dabei sein (die Medien machen’s möglich).Ob in England oder Monaco, ein Fest fällt prächtiger aus als das andere. Und auch der „kleineMann“ lässt sich nicht lumpen (das gilt auch für Jüngere): Das Feiern kennt keine Grenzen,möglichst jeden Tag und jede Nacht, an jedem x-beliebigen Ort mit einer x-beliebigenZahl von Menschen. Über Internetportale verabreden sich Menschen zu besonderen „Events“wie Geburtstagen und Abifeiern. Wer dann kommt, ist eigentlich egal. Sind es Hunderteoder sogar Tausende? Nur noch die Gesamtzahl interessiert; das macht die Schlagzeile,das erregt Aufsehen, das sorgt für Gesprächsstoff. Nicht selten enden solche Feste in Müllbergenund Vandalismus, in Alkoholexzessen und Schlägereien. Dabei ging es doch eigentlichnur ums Feiern!Auch Jesus spricht von einem großen Fest. Er nimmt es als Bild auf, um uns etwas vomReich Gottes zu erzählen. Schnell ist klar: Gott selber ist der Einladende. Die Gäste werdenpersönlich eingeladen; Boten machen sich auf den Weg, suchen die Gäste sogar mehrmalsauf. Aber das Unfassbare geschieht: Anstatt sich über eine derart exklusive Einladung zufreuen, schlagen alle die Einladung aus. Die einen behandeln die Boten wie Luft, zwei weiterenfällt ein, dass sie gerade noch wichtige Geschäfte zu erledigen haben. Der eine hat krisenfestin Ackerland investiert, der andere will seine Geschäftsidee auf den Werg bringen(wie Lukas berichtet). Die letzten reagieren sogar mit Gewalt.Wir sind schon an dieser Stelle schockiert. Eine Einladung nicht anzunehmen, ist das eine.Aber warum die Boten ermorden?!
Evangelisch-Lutherische Seite 2 E. Felix <strong>Moser</strong>Paul-Gerhardt Gemeinde<strong>Pastor</strong>Hamburg-Winterhude Predigt am 03.07.11Aber es kommt noch schlimmer: Als der König davon erfährt, eskaliert die Gewalt. Er schicktSoldaten aus, lässt die Mörder töten und zündet ihre Städte an. „Ein schrecklich Evangelium!“sagt Luther und wir stimmen ihm spontan zu. Denn immerhin spricht Jesus hier vonGott und vom Reich Gottes! Lässt sich das mit unserem Gottesbild vereinbaren?Jesus spricht hier sehr menschlich von Gott. Gott ist grenzenlos enttäuscht. Immer wiederhat er eingeladen, die Besonderheit der Einladung hat er hervorgehoben, alles hat er liebevollvorbereitet, den Geladenen seine besondere Zuneigung erwiesen … und dennoch sindsie der Einladung nicht gefolgt. Seine Geduld ist endgültig am Ende, als der die Gründe (oderbesser Nicht-Gründe) für die Absagen erfährt - Desinteresse, Alltagsgeschäfte, Ausreden… Das ist der Punkt, wo Gottes Enttäuschung in Zorn umschlägt. Sehr menschlich, allzumenschlich vielleicht. Wir kennen das nur zu gut: Jede Enttäuschung entwickelt ihre Dynamik.Da gibt es die einen, die sich zurückziehen, ganz still, vielleicht sogar depressiv werden.Bei anderen dagegen erschrecken wir vor der Kraft des Zorns, die aus der Enttäuschungwächst und was uns bei Menschen schon erschrecken lässt, gilt erst recht bei Gott. GottesZorn kann furchtbare Kraft entwickeln. Nichts anderes sagt Jesus hier, und da wird manchervon uns sein allzu einfaches und bequemes Bild vom „lieben“ Gott korrigieren lassen müssen.Noch aber gilt: Gott lädt unverdrossen weiter ein, zur Not zum zweiten oder dritten Mal. Immerneu schickt er Boten aus. Seine Einladung kennt keine Grenzen. Sie geht an Menschenin aller Welt, an Reiche und Arme, Nahe und Ferne, Gute und Böse. Vor allem aber: Sie gehtauch an jeden einzelnen von uns, und wir müssen uns auch einmal fragen: Wie reagieren wirdarauf?Allzu bequem wäre es, sich zurückzulehnen und selbstzufrieden festzustellen: „Ich bin getauft;mein Platz an Gottes Festtafel ist sicher.“ Das ist „christliche Sattheit“, von der HelmutThielicke einmal gesagt hat, sie sei schlimmer als „hungriges Heidentum“. Nein, wir müssenschon genauer hinschauen. Wie viele gibt es (auch bei uns), die ganz und gar eingefangensind von ihren Alltagsgeschäften! Die ihr eigenes Leben (ihren „Acker“, ihre Geschäfte) fürdas Allerwichtigste auf der Welt halten, nicht nach rechts und links schauen (und schon garnicht nach oben). „Es wird einem nichts geschenkt“, lautet die Lebensdevise. Und so boxtman sich als Einzelkämpfer durch, rafft, was man kann und klammert sich daran, Wer solebt, wird taub für Gottes Einladung und blind für die, die neben ihm leben. Er sieht die Traurigennicht mehr; hat keinen Blick mehr für die, die im Arbeitsprozess oder in der Schulenicht mehr mitkommen, verliert die Kranken und die Schwachen aus den Augen, Von denKriegen dieser Welt, von den Opfern von Hunger und Vertreibung will er schon gar nichtsmehr hören. Lass mich in Ruhe! Ich muss selber sehen, wie ich durchkomme. Meine Kraftbrauche ich, meinen Acker zu bestellen.Segensworte hat Jesus nicht für die Betreffenden. Im Gegenteil: Seine Seligpreisung giltdenen, die hungert und dürstet nach Gerechtigkeit. Ihnen verspricht er, „satt“ zu werden,„satt“ freilich in ganz anderem Sinne als wir es gemeinhin gebrauchen.Und dennoch sehe ich ein gutes Evangelium in dem, was Luther ein „schreckliches“ nennt;eine gute Botschaft für die, die allzu sehr um sich selber und ihren „Acker“ kreisen. In jedemeinzelnen, behaupte ich, ist auch eine Sehnsucht da, die Sehnsucht, frei zu sein von derAlltagswelt der Zwänge. Gott will mit seiner Einladung genau diese Sehnsucht einlösen. Werdie Einladung annimmt (durch Gottesdienstbesuche, einen Pilgerweg, eine geistliche Rüstzeit…), wird ein Fest der Freiheit erleben inmitten einer Welt der Zwänge; wird erleben, nichtmehr nur der Sorge um sich selbst verfallen zu sein; wird sich frei erleben von dem Druck„Ich habe keine Zeit“.Die Zweiteingeladenen machen es uns vor. Als sie ihre Plätze an der Festtafel einnehmen,haben sie die Notwendigkeiten ihres Alltags zurückgestellt. Ihr Lohn ist eine ungeahnte Festfreude;eine neue Freiheit, die weit über das Fest hinaus in den Alltag hinausstrahlt.