109 Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Leserinnen und Leser,
Im Gegensatz zu einer dauerhaften Erkrankung, einer dauernden
Leistungsunfähigkeit oder einer auf einem Grundleiden
beruhenden dauernden Krankheitsanfälligkeit liegt in diesem
Fall kein so genannter Dauertatbestand vor.
■ Landesarbeitsgericht Berlin
vom 07.04.2006, 13 Sa 94/06, Revision zugelassen
204. Außerordentliche Kündigung wegen Schlechtleistung,
§ 626 Abs. 1 BGB
Ist ein Personalreferent aufgrund einer Konzernbetriebsvereinbarung
verpflichtet, für freie Stellen vorrangig interne
Bewerber vorzuschlagen, können Nachlässigkeiten bei dieser
Verpflichtung ohne vorherige erfolglose Abmahnung nicht zu
einer außerordentlichen Kündigung führen.
■ Landesarbeitsgericht Köln
vom 15.05.2006, 14 (12) Sa 43/06, Revision nicht zugelassen
205. Fristlose Kündigung eines städtischen Bediensteten
wegen Drogenhandels mit Minderjährigen, § 626 Abs. 1
BGB
1. Gibt ein städtischer Bediensteter in seiner Freizeit in einer
Vielzahl von Fällen Drogen an Minderjährige ab und richtet
auf seinem Grundstück eine Art Drogentreff ein und wird deshalb
zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 4 Monaten ohne
Bewährung rechtskräftig verurteilt, stellt dies einen Grund für
eine fristlose Kündigung dar.
2. In einem solchen Fall ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet,
auf den Freigängerstatus des Arbeitnehmers hinzuwirken
und erst nach Scheitern solcher Bemühungen die Kündigung
auszusprechen.
■ Landesarbeitsgericht Köln
vom 13.02.2006, 14 (12) Sa 1338/05, Revision nicht zugelassen
206. Betriebsbedingte Kündigung wegen Betriebsstilllegung,
§ 1 Abs. 2 KSchG
Von einem ernsthaften und endgültigen Entschluss zur Betriebsstilllegung
kann nicht ausgegangen werden, wenn wenige
Tage vor Ausspruch der Kündigung eine Auffanggesellschaft
gegründet wird, die später in den ursprünglichen Räumen
und mit einem Teil des Personals die betrieblichen Arbeiten
fortsetzt.
■ Landesarbeitsgericht Köln
vom 30.01.2006, 14 (13) Sa 1359/05, Revision nicht zugelassen
207. Klagefrist bei behördlicher Zustellung, Postfachzustellung,
§ 4 S. 4 KSchG
1. Die Kündigungsschutzklage der Klägerin ist wegen Nichteinhaltung
der Klagefrist rechtswirksam geworden gemäß § 7
KSchG. Dies ergibt sich selbst dann, wenn man mit der Klägerin
davon ausgeht, dass im vorliegenden Fall für die Klagefrist
§ 4 Satz 4 KSchG maßgebend ist, wonach die Klagefrist dann,
soweit die Kündigung der Zustimmung einer Behörde bedarf,
02/07
Rechtsprechung
Kündigungsschutzrecht
erst ab Bekanntgabe der Entscheidung der Behörde an den
Arbeitnehmer läuft.
Ob in den Fällen, in denen es zur Wirksamkeit einer Kündigung
einer vorherigen behördlichen Zustimmung bedarf, § 4
Satz 4 KSchG anwendbar ist, ist nicht gänzlich unumstritten.
In der Rechtsliteratur werden an der Anwendbarkeit dieser
Bestimmung auf Konstellationen der vorliegenden Art Zweifel
geäußert (siehe Henssler/Willemensen/Kalb, Arbeitsrecht, 2.
Aufl., § 4 Rz 42), Danach wird die Auffassung vertreten, dass
bei einer nachträglichen Bekanntgabe einer bereits zuvor erteilten
behördlichen Zustimmung die Klagefrist nicht aus § 4
Satz 4 KSchG, sondern § 4 Satz 1 KSchG erfolgt, so dass die
Klagefrist wegen des Zugangs der Kündigung am 22.07.2004
zum Zeitpunkt der Klageerhebung am 28.08.2004 ohnehin
bereits abgelaufen gewesen wäre.
Demgegenüber folgt aus der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts
vom 07.03.2003 (- 2 AZR 487/02 – NZA 2003,
1335), dass bei Fällen der vorliegenden Art § 4 Satz 4 KSchG
anwendbar ist.
Dieser – für die Klägerin günstigeren – Auffassung folgend,
ergibt sich, dass auch die Klagefrist des § 4 Satz 4 KSchG im
vorliegenden Fall versäumt worden ist. Aus der Versäumung
dieser Klagefrist ergibt sich das Wirksamwerden der Kündigung
gemäß § 7 KSchG, da § 7 KSchG auch für die Fälle des
§ 4 Satz 4 KSchG gilt (vgl. Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht,
7. Aufl., § 7 KSchG Rz 1).
2. Erfolglos greift die Klägerseite in diesem Zusammenhang
die vom Arbeitsgericht vorgenommene Verteilung der
Darlegungs- und Beweislast an, § 4 Satz 4 KSchG ist eine
Ausnahmevorschrift von dem Regelfall, dass die Klagefrist
grundsätzlich mit dem Zugang der Kündigungserklärung des
Arbeitgebers beginnt, Das Bundesarbeitsgericht hat hierzu in
seiner Entscheidung vom 03.07.2003 (- 2 AZR 487/02 –, NZA
2003, 1335 ff.) unter II. 2. b) bb) ausdrücklich festgehalten,
dass es sich bei § 4 Satz 4 KSchG um eine Ausnahmevorschrift
handelt.
Demzufolge muss der Arbeitnehmer, der sich auf einen späteren
Klagefristbeginn als den Zeitpunkt des Zugangs der
arbeitgeberseitigen Kündigung gemäß § 4 Satz 4 KSchG berufen
will, die Voraussetzungen dieser Ausnahmevorschrift
darlegen. Zu den Voraussetzungen dieser Ausnahmevorschrift
gehört auch, darzulegen, wann die Bekanntgabe der behördlichen
Entscheidung erfolgt sein soll, wenn unstreitig ist, dass
es jedenfalls zur Bekanntgabe gekommen ist und nur der
Zeitpunkt der Bekanntgabe im Streit steht.
Entgegen dem Vorstehenden hat die Klägerin zu keiner Zeit
einen konkreten Zeitpunkt der Kenntnisnahme benannt. Dabei
ist unstreitig, dass die behördliche Entscheidung der Klägerin
jedenfalls am 21.07.2004 in ihr Postfach in Bonn eingeworfen
worden ist. Ab diesem Zeitpunkt war die behördliche
Entscheidung in den Machtbereich der Klägerin
gelangt und es bestand für die Klägerin die Möglichkeit der
Kenntnisnahme.
161