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Die postrevolutionäre Möhre - Zeitpunkt

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<strong>Die</strong> <strong>postrevolutionäre</strong> <strong>Möhre</strong>Weitere Infos zum Thema:Schweiz:Verein Interkulturelle Gärten,www.interkulturelle-gaerten.chAG/SO: HEKS Neue Gärten Aargau/Solothurn, www.bit.ly/Ll25RuBS/BL: Urban Agriculture Basel,www.urbanagriculturebasel.chAgrico, Birsmattehof Therwil,www.birsmattehof.chBE: soliTerre, Bern, www.soliterre.chGemeinschaftsgarten «L’arbre àpalabres», Biel//Bienne,gemeinschaftsgarten@gmx.netZH: ortoloco – <strong>Die</strong> regionaleGartenkooperative, Zürich,www.ortoloco.chPflanzplatz Dunkelhölzli,Verein Stadtrandacker, Zürich,www.dunkelhoelzli.chSeed City Verein, ETH Zürich,www.seedcity.ethz.chUrban Farmers, Zürich,www.urbanfarmers.chXylem, Gmües Abo, Thalheim,www.xylem.chRomandie:Les Jardins de Cocagne, Bernex,www.cocagne.chDeutschland:Interkulturelle Gärten in Deutschland,Stiftung Interkultur, München,www.stiftung-interkultur.demeine ernte, Bonn,www.meine-ernte.deSolidarische Landwirtschaft, Kassel,www.solidarische-landwirtschaft.orgPrinzessinnengärten, Moritzplatz,Berlin, www.prinzessinnengarten.nethabe», radikal umsetzen, ist das gerade in der Landwirtschaftschwierig. Landnutzung ist ja vor allemdie Kunst, den richtigen <strong>Zeitpunkt</strong> zu erwischen.Da kann die Witterung uns zwingen, etwas zu tun,worauf wir gerade keine Lust haben. Der Druck wirdalso auch in einer nicht-kapitalistischen Gesellschaftnicht ganz verschwinden. Im letzten Jahr hatten wirzum Beispiel mit einer ungewöhnlichen Trockenheitzu kämpfen. Pflanzen warten nicht darauf, bisjemand Lust hat, sie zu bewässern. Und wo bleibtdie Lust, wenn alles vertrocknet und es nichts mehrzu ernten gibt? <strong>Die</strong> Balance zwischen Kollektiv undIndividuum muss also immer neu gefunden werden– ein ständiger Lernprozess.Fehlende Selbstorganisation im Netzwerk.Genauso wie wir Gärtner und -innen Aspekte der«arbeitssüchtigen Gesellschaft» verinnerlicht haben,werden die Begärtnerten nicht ganz von einer Konsumhaltungloskommen. Der freiwillige monatlicheBeitrag kann diese Haltung verstärken. Währendsich einige ein radikales Experiment gegen denKapitalismus wünschen, reicht es für andere, ihrGemüse auf «alternative» Weise zu beschaffen. UmEnttäuschungen vorzubeugen, ist es wichtig, dassProduzenten und Begärtnerte eine gemeinsame Visionformulieren. Daran anknüpfend kann jeder eineAufgabe übernehmen – selbstbestimmt, aber verantwortlich.<strong>Die</strong>se Vision könnte auch eine Ausweitungder schenk-ökonomischen Prinzipien auf andereLebensbereiche beinhalten, etwa durch Vernetzungmit anderen umsonst-ökonomischen Projekten. Eswäre auch möglich, die Bedürfnisse der Gärtnerund -innen nicht durch Geld, sondern durch andereLeistungen zu decken. So könnte ein Begärtnerter,der gleichzeitig Arzt ist, andere in der Gemeinschaftumsonst behandeln.Wer hat Zugang zu den Erzeugnissen? Nicht-kapitalistischesGemüse ist unter den jetzigen Verhältnissenein begrenztes Gut. <strong>Die</strong> Wartelisten von Höfen,die ähnlich produzieren wie wir, zeigen: Das Problemlässt sich nicht einfach mit der Neugründung weitereroder der Vergrösserung bestehender Projekte lösen.<strong>Die</strong>s wäre die ideale Lösung und ihr sollte die meisteEnergie zufliessen. Wer soll also bevorzugt Zugangzu den Erzeugnissen haben? <strong>Die</strong>jenigen, die als ersteda waren? <strong>Die</strong> mit den besseren persönlichen Beziehungen?<strong>Die</strong>jenigen, die am meisten zahlen? Oderjene, die die brauchbarsten Fähigkeiten einbringen?All diese Lösungen befriedigen nicht. Schliesslichgeht es bei unserem Projekt auch um die Entkoppelungvon Geben und Nehmen. <strong>Die</strong> Frage abschliessendzu beantworten, ist schwer. Klar scheint nur:<strong>Die</strong> unvermeidlichen Kosten des Projektes müssengedeckt werden. Und alle Beteiligten sollten mit derLösung glücklich sein. In der Praxis bedeutet daswohl wie in allen ähnlichen Fällen: Man muss esaushandeln.Weitere Infos: www.solidarische-landwirtschaft.orgGrüner Spuk zwischen Beton und Asphalt«Ein Gespenst geht um in Europa, ein fröhlichesbuntes Gespenst mit Dreck unter den Fingernägeln:der Neue Gärtner. Aufgetaucht aus demNichts, hat er in kürzester Zeit die Städte erobert».<strong>Die</strong>ses Gespenst beschreibt Martin Rasper inseinem Buch «Vom Gärtnern in der Stadt – <strong>Die</strong> neueLandlust zwischen Beton und Asphalt». Es regt nichtnur dazu an, den Spaten gleich selbst in die Handzu nehmen, sondern auch die Stadt und nicht zuletztdie Gesellschaft neu zu denken. Gärtnern bedeutetnicht nur die Auseinandersetzung mit natürlichen Ressourcenwie Luft, Wasser, Boden und Nahrung. Es istauch eine Form der Selbstermächtigung. Rasper stelltGartenprojekte, Initiativen und Menschen vor, die derLebensmittelproduktion und Saatgutherstellung in denHänden mächtiger transnationaler Konzerne den Kampfangesagt haben.In leichtfüssiger Sprache führt uns Rasper durch denGarten als Ort des Wachstums, aber auch der Begegnungund des Lernens. Er macht uns die Sortenvielfalt von Obstund Gemüse schmackhaft, die durch die Monokulturender industriellen Lebensmittelerzeugung bedroht sind,und erzählt von der Notwendigkeit, die lokalen Stadt-Umland-Beziehungenproduktiver zu gestalten. Stadtgärtnerund solche, die es werden wollen, finden zudem vieleTipps für die Praxis.In einer Zeit, in der unsere natürlichen Ressourcenknapp werden und der Begriff der Nachhaltigkeit nichtmehr wegzudenken ist, sagt Rasper zu Recht: «Ohneein Verständnis von ökologischen Zusammenhängenwerden wir in Zukunft nicht mehr zurechtkommen. Wirwerden weder die Städte der Zukunft managen könnennoch die Welt als Ganzes.»MKMartin Rasper: Vom Gärtnern in der Stadt –die neue Landlust zwischen Beton und Asphalt.oekom, 2012. 208 S., Fr. 27.80 / 19,95 Euro.<strong>Zeitpunkt</strong> 120 41

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