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Stallerhof 3d - Schauspiel Stuttgart

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Große Bühne NORD*82 *109*85 *103 *92*84 *104 *110 *100 *101 *105 *106 *108 *96 *112 *118 *121 *137*87 *86 *88 *89 *90 *91 *102 *97 *107 *93 *94 *95 *98 *120 *99<strong>Stallerhof</strong>von Franz Xaver Kroetz<strong>3d</strong>von Stephan Kaluza<strong>Schauspiel</strong><strong>Stuttgart</strong>


ImpressumTextnachweis:Martin Hartmann, Das emotionale Tier, aus: DIE ZEIT Nr. 37, 6.9.2012;David B. Morris, Geschichte des Schmerzes, Frankfurt/M. u Leipzig1994; Helmut Däuker, Bausteine einer Theorie des Schmerzes, Münster2002; Tobias Hürter, Wer ist hier verrückt? aus der Philosophie-Zeitschrift »Hohe Luft«, Ausgabe 3: Juni 2012; Horst Petri, Verlassenund verlassen werden, Zürich 1991; Psyche-Sonderheft: Beschämung,Ressentiment, Vergeltung, September/Oktober 2008; StephanKaluza, Skizze zu 3 D; Dagmar von Hoff, Familiengeheimnisse. Inzest inLiteratur und Film der Gegenwart, Köln Weimar Wien 2003; Ursula Wirtz,Seelenmord. Inzest und Therapie, <strong>Stuttgart</strong> 2005; Ellen Bass, LauraDavis, Wege zur Selbstheilung für sexuell missbrauchte Frauen, 2001.Herausgeber:<strong>Schauspiel</strong> <strong>Stuttgart</strong> / Staatstheater <strong>Stuttgart</strong>Intendant:Hasko WeberRedaktion:Kekke SchmidtGestaltung:Strichpunkt, <strong>Stuttgart</strong> / Berlin / www.strichpunkt-design.deDruck:medialogik GmbH


<strong>Stallerhof</strong>von Franz Xaver KroetzRechte bei Franz Xaver Kroetz Dramatik,83352 Altenmarkt3Dvon Stephan KaluzaAufführungsrechte beim Suhrkamp Verlag BerlinUraufführungPremiere am 26. Oktober 2012 im NORD,Große Bühne.<strong>Schauspiel</strong><strong>Stuttgart</strong>www.schauspiel-stuttgart.de


Besetzung:STALLERHOF Staller: Sebastian KowskiStallerin: Marietta MeguidBeppi: Silja BächliSepp: Martin Leutgeb3D Albert: Elmar RoloffBette: Minna WündrichRegie: Stephan KimmigBühne: Oliver HelfKostüme: Annelies VanlaereLive-Video: Nils Gabelgaard /Dominik ApanowiczDramaturgie: Kekke SchmidtRegieassistenz: Caroline Burmeister /Sarah SchmidBühnenbildassistenz: Irmela SchwenglerKostümassistenz: Anna-Miriam JusselSouffleuse: Dorothea von DechendInspizienz: Thomas HoffmannRegiehospitanz: Leander Ripchinsky /Claudia SenneckeTechnische Direktion: Karl-Heinz Mittelstädt / TechnischeDirektion <strong>Schauspiel</strong>: Reiner Darr / Technische Einrichtung:David Wrobel / Ton: Frank Bürger, Monika Werner-Blosfeld /Video: Marina Bücheler, Yvonne Zackel, Martin Stolper / Licht:Sebastian Isbert / Requisite: Erol Papic, Alaoui Masbahi /Maschinerie: Hans-Werner Schmidt / Leitung Dekorationswerkstätten:Bernhard Leykauf / Technische Produktionsbetreuung:Monika Höger / Leitung Malsaal: Lisa Fuß /Bildhauerei: Maik Glemser / Dekorationsabteilung: HeidiLange / Schreinerei: Oliver Bundschuh / Schlosserei: PatrickKnopke / Leitung Maske: Markus Hoisl / Stv. Leitung Maske:Sabine Hellweg / Maske: Andrea Wagner, Frederika Höllriegl /Kostümdirektion: Werner Pick / Produktionsleitung Kostüme:Sabine Keller / Gewandmeisterinnen: Renate Jeschke (Damen),Anna Volk (Herren) / Färberei: Martina Lutz / Kunstgewerbe:Heidemarie Roos-Erdle, Daniel Strobel / Modisterei: EikeSchnatmann / Rüstmeisterei: Achim Bitzer / Schuhmacherei:Verena Bähr, Alfred BudenzWir danken Kästner Optik für die freundliche Unterstützung.2 3


PASSIONSgeSchichtenWas verbindet ein vierzig Jahre altes, in bäurischenVerhältnissen angesiedeltes Sozialdrama von Kroetz miteinem weltläufig daherkommenden Konversationsstückvon heute?In beiden Stücken wird ein Mädchen geschändet, auf unterschiedlicheWeise und mit unterschiedlichen Auswirkungen.Die minderjährige Stallertochter Beppi, stark sehbehindertund von den Eltern als »zruckbliebn« etikettiert, erlebt densexuellen Übergriff des Knechts Sepp als jähen schmerzhaftenSchrecken, aber auch als heißes, heftiges Sinnenglück. Sie,die emotionale oder gar körperliche Nähe in ihrer Familie niegekannt hat, entdeckt in der plötzlichen Intimität mit demdurch Alter und Chancenlosigkeit markierten anderen Außenseiterdes Stückes eine neue Welt. Moralfrei betrachtet, alsounabhängig davon, dass man Sepps Tat nach Gesetzeslageund gesundem Menschenverstand verurteilen müsste, hinterlässtsie fatale, aber auch beglückende Folgen.Noch krasser ist die Ambivalenz im Falle der kleinen TochterClara in 3D, die jeden Abend von ihrem Vater »zu Bett gebrachtwurde« – mit allem, was sich dahinter verbirgt. Hier liegen dieDinge noch komplizierter, fällt moralische Neutralität nochschwerer. Erstens war Clara noch kleiner, wehrloser: ein Kindvon wenigen Jahren. Zweitens werden wir nicht wie bei BeppiZeugen des Geschehens, sondern bekommen es nur vielfachvermittelt über Erzählung und Erinnerung perspektivischgebrochen und häppchenweise serviert. Unsere Neigung, klarauf der Seite der missbrauchten Tochter zu stehen, wird gestörtdurch die Tatsache, dass wir uns kein objektives Bild vonden Dingen machen können, die vor zwanzig und mehr Jahrengeschehen sind – ein Fakt, der allerdings für die Beurteilungder meisten Fälle von Missbrauch, insbesondere von Inzest –»auch im Leben« gilt: Hin- und hergerissen zwischen zwei»Wahrheiten«, neigen wir dazu, entweder dem Opfer zu vertrauen– oder seine Geschichte als zu »phantastisch« in Frage zustellen – und damit womöglich die Erniedrigungsschleife zuwiederholen, die bereits der Missbrauch bei dem Opfer in Ganggesetzt hatte. 3D heißt: Es prallen zwei, drei oder mehrereWahrheiten aufeinander, und wir sind aufgefordert, uns unsereigenes Bild zu machen: in den Stockungen, Stauungen desRedeflusses, in den fast unmerklichen Irritationen der BegegnungMomente von Wahrheit aufzuspüren.In beiden Geschichten geht es um den Schmerz, den naheMenschen einander antun, und es geht um die Unverfügbarkeitdes Anderen – das meint zunächst ganz konkret: seines4 5


Körpers. Die Andersheit, die jeder Mensch für sich beanspruchenkann, ist in beiden Stücken symbolisch überhöht: In stallerhofin einem minderjährigen, minderbemittelten, kurzsichtigenMädchen – gleich mehrere Zeichen für seine Abgeschlossenheit,Unbegreiflichkeit, Schutzbedürftigkeit. In 3D personifiziert sichdas Andere in einem wehrlosen kleinen Kind im scheinbarabgeschotteten Raum seines Schlafzimmers, von dem es spätersagen wird: »Es hat diesen Raum nie gegeben«.»Es ist nicht schwer, größer als ein Kind zu sein, – stärker, kräftiger,mächtiger, ein Kind ist ja nur klein«, sagt Bette zu Albert. Nichtschwerer ist es für Sepp, die vom Jahr marktstaumel orientierungslosgewordene Beppi zu entjungfern. Beide schützt nichtnur die körperliche Überlegen heit, sondern auch die Hülle derVertrautheit mit der schutzbe fohl enen Person.Dass jemand vielleicht ein Leben braucht, um zu dem Maßstabzu finden, der für alle anderen zu gelten scheint.Doch was »im Leben« Passionsgeschichten wären, wird imoffenen Raum des Theaters zum lebendigen Aushandlungsprozess,in dem jeder Schritt, jeder Blick, jedes Wort immer allesverändern kann. Wir befinden uns nicht auf dem Bauernhof,auch nicht vor Gericht, sondern in der Spielsituation einesProbe-Raums.Kekke SCHMIDTWas die Übergriffe ausrichten, könnte dennoch unterschiedlichernicht sein. Beppis Absturz ist so vernichtend, wie ihrkurzer Höhenflug berauschend ist. Ihr Schicksal stellt die Frage,welche Gewalt den größeren Angriff auf ihr Wesen ausübt: diekörperliche des Knechts, oder die psychische durch Eltern, diealles Widerständige mit Konvention und Religion einschnürenund deckeln, da sie es nicht besser gelernt haben.An Clara hingegen geschieht eine unwiderrufliche Verrückungaller Maßstäbe, wie sie selbst es später beschreibt: Nichts kannje mehr groß sein, weil an ihrem Vater damals alles groß war:Hände, Körper, Geschlecht. Neben der körperlichen und seelischenVerletzung erscheint das als der eigentliche Skandal:6 7


Es gibtfalscheGefühle,aberkeinenfalschenSchmerz.Martin HartmannSchmerzSchmerz ist elementar – wie Feuer oder Eis. Wie die Liebe istSchmerz eine jener menschlichen Grunderfahrungen, die unszu dem machen, was wir sind. Am ähnlichsten ist der Schmerzder Liebe vielleicht darin, dass er wie von selbst kommt undgeht, scheinbar fast völlig unbekannten Gesetzen gehorchend.Doch dieser Mangel an Kenntnis weicht immer weiter zurück.Jedes Jahr, heutzutage manchmal jeden Monat, entdecken dieForscher neue Einzelheiten über das geheime Leben, das derSchmerz in uns führt. Es ist daher nicht schwer, zu glauben,was die Wissenschaft in den letzten hundert Jahren behauptet.Danach sind Schmerzen einfach besonders komplexe Signale,die die Nerven vom Ort einer Verletzung an das Gehirn weitergeben.Die Verletzung setzt praktisch den Schmerz in Gangund erhält ihn aufrecht, bis die Wunde geheilt ist. (…)Unsere Kultur – die moderne, westliche, industrielle, technokratischeGesellschaft – hat uns mit Erfolg überzeugt, dassSchmerzen einfach und ausschließlich ein medizinischesProblem darstellen. Der Gedanke an Schmerzen erweckt fastunmittelbar die Vorstellung von Ärzten, Medikamenten,Salben, Operationen, Krankenhäusern, Labors und Krankenscheinen.Die Ärzte, die hier als Vertreter für das moderneGesundheitssystem stehen können, spielen natürlich in derkulturellen Entwicklung von Schmerz eine große Rolle, da diewissenschaftliche Weltsicht der Medizin unsere Gesellschaftvollständig beherrscht. Aber die Geschichte vom Schmerz8 9


etrachtet sie heute noch so. Oder nehmen wir die »Hysterie«.Zu Zeiten Sigmund Freuds galt sie als verbreitetes Leiden unterFrauen. (…) Erst im Jahr 1980 schaffte das DSM die Hysterieoffiziell ab. Dafür kamen andere fragwürdige Diagnosen hinzu.Etwa die narzisstische Persönlichkeitsstörung (übertriebeneEitelkeit) oder die bipolare Störung bei Kindern (Launigkeit).Manche Diagnosen entwickeln sich dabei zu regelrechtenModen. In amerikanischen Großstädten ist gerade das Asperger-Syndromangesagt, eine milde Form des Autismus.Es ist cool, als ein bisschen »asperger« zu gelten, woraufhindie Asperger-Diagnosen rasant zugenommen haben. »Unterden jetzigen Regeln kann jeder Nerd, jedes zurückgezogene,bücherliebende Kind Asperger-Syndrom haben«, schrieb derSchriftsteller Benjamin Nugent, der selbst lange mit einerAsperger-Diagnose kämpfte, in der new york times. Dochwenn die Gesundheit von Werten der Gesellschaft abhängt,zieht der Kulturimperialismus psychohygienischen Imperialismusnach sich. »Wie ebnen die Landschaft der menschlichenPsyche ein«, warnt der amerikanische Journalist Ethan Watters– und zwar auf das Niveau seiner Heimatkultur. (…) Watters‘ungeheuerlicher Vorwurf ist, dass manche vermeintlichpsychisch kranke Menschen tatsächlich bloß die Standardsder westlichen Einheitskultur verletzen. Unsere Kultur, diesich gern als so offen und tolerant ansieht, geht mit Außenseiternunerbittlich um. (…)dass depressive Menschen die Einzigen sind, die die Weltunverfälscht so sehen, wie sie ist. Sie leiden also nicht etwaan einer übermäßig getrübten Sicht der Welt, sondern an einerrealistischen Sicht. Das bedeutet nicht, die Betroffenen mit ihrenSchwierigkeiten alleinzulassen. Es bedeutet aber vielmehr,ihnen genauer zuzuhören. (…)Sogar für die These, dass unsere Zivilisation dem psychischenPluralismus ihre Existenz verdankt, lässt sich argumentieren.»Ich glaube, dass einer der Gründe für den Erfolg des Homosapiens ist, dass unsere Vorfahren bereit waren, andersartigeMenschen in ihre Gemeinschaften aufzunehmen.« Mit dieserThese machte die britische Archäologin Penny Spikins vonsich reden. Man denke nur an Menschen mit Autismus oderSchizophrenie. Spikins ist überzeugt, dass der Mensch dieFähigkeit, Mitgefühl, Dankbarkeit und Bewunderung zuempfinden, auch deshalb entwickelt hat, um Exzentriker beisich zu tolerieren und von ihren Ideen zu profitieren.↘ ( Tobias Hürter )Denkweisen, die als krank gelten, können einen wertvollenFunken Wahrheit enthalten. Es gibt Forscher, die behaupten,12 13


TRENNUNGDie Protestphase beim Erwachsenen ist die dramatischste Phasenach einer Trennung und kann sich über Wochen bis Monatehinziehen. In ihr werden unverkennbar kindliche Verhaltensmusterneu belebt, wie sie nach dem Verlust der Mutter auftreten.Zu ihnen gehören Schreien, Toben, Heulen, Brüllen, Beschimpfen,das Einschlagen auf Tische und Türen, das Zerschmeißenvon Geschirr, das Zerreißen von Wäsche, das Einstechen aufBetten, unruhiges Herumlaufen und Herumirren, die Zerstörungvon Eigentum des anderen und vieles andere. Die gesamteKörpermotorik, der Muskelapparat als Träger von Aggressionund Widerstand, von Angriff und Gegenangriff gerät in höchsteAlarmbereitschaft. Es ist eine wilde Entfesselung von Trotz,Wut,Hass und Vergeltung, um sich dem Trauma der Trennung entgegenzustemmen.Und doch drückt noch die größte Heftigkeitden verzweifelten Appell aus: »Komm wieder!« (…)bisher als »normaler« Protest bezeichnet wurde, die Grenze zurNormalität zu überschreiten? Die häufige Erfahrung, dass vieleansonsten stabile und von ihrer Umwelt menschlich geschätztePersonen in der akuten Trennungssituation alles Maß undalle Kontrolle verlieren können, stellt unseren Normalitätsbegrifferheblich in Frage. Unsere mitteleuropäische Sozialisation hateine Kultur der Angepasstheit geschaffen, bei der in Vergessenheitgeraten ist, über welche Urkräfte und dabei antisozialenTrieb- und Gefühlskräfte der Mensch verfügt. Wenn sie inErschein ung treten, werden sie als »dämonische« und »unmenschliche«Kräfte verdammt und in unserer zivilisierten Zeit mitKrankheitsbegriffen belegt. Offensichtlich erschüttert dasTrennungsdrama als existentielle Erfahrung die tiefstenSchichten der Person und wühlt ihren Orkus, ihre Hölle, ihrenUnterbau, oder welche Vergleiche man wählen mag, bis zurbesinnungslosen Entladung auf.↘ ( Horst Petri )Unabhängig von jeder Vorgeschichte stellt jede Trennung aucheinen Verrat dar. (…) Der Verrat stellt (…) in seiner umfassendenBedeutung eine Verletzung des Loyalitätsprinzips unddes Gerechtigkeitssinns dar. Damit wird er zu einem tief empfundenenUnrecht. Das Erleiden von Unrecht und Ungerechtigkeitkann aber, entsprechend der elementaren Verletzung, einearchaische, alle Grenzen sprengende Vergeltungsaggressionentfesseln. Erst mit dieser Ergänzung wird die ganze Dramatikund letztlich die Tragik der Protestphase nach einer Trennungverständlich. Scheint nicht aber doch vieles von dem, was14 15


Es wirdgesagt:Rache suchenist wieGift nehmenund daraufwarten, daSSder anderestirbt.Irwin Rosen3D – Skizze1 Ein Geheimnis kann man nicht für sich (allein) haben2 Ein Geheimnis besteht aus einem Wissen zwischen zweien,das kommuniziert wird, bzw. jederzeit kommuniziertwerden könnte3 Geheimnis ist Kommunikation4 Zwei Menschen, die ein Geheimnis miteinander haben,haben eine kommunikative Abhängigkeit; weil sie daswissen, haben sie ein besonderes Verhältnis5 Wenn einer bereits tot ist, ändert sich daran nichts,die gedachte Kommunikation zum toten Anderenbleibt bestehen6 Das eigene Bewusstsein benötigt die Konstruktioneines anderen Bewusstseins, die Kommunikation belegtdann nur die Existenz der Konstruktion7 Der/das jeweils andere wird nicht als »äußere Welt«vorgefunden, sondern durch die eigene Wahrnehmungselbst aktiv hergestellt; die Wahrnehmung von denDingen gestaltet erst die Dinge so, wie sie dann sind8 Der jeweils andere kann eine Konstruktion dereigenen Begierde sein9 Die persönliche Begierde von Menschen bestimmt denBezug zur Moral10 Die eigene Tat, ob moralisch oder nicht, ist somit aucheine Konstruktion und damit abhängig von der eigenenAkzeptanz (des eigenen Tuns)16 17


11 Deshalb ist eine solche Handlung immer eine selbstre‐-ferentielle Handlung und keine Reaktion auf die Handlunganderer12 Darin besteht die tiefere Verantwortung zur eigenen Tat13 Deshalb liegen alle Gründe für ein Tun ausnahmslosim eigenen Wollen14 Eine solch konstruktivistische Auffassung kann nichtmoralisch sein, - oder aber man müsste die Moral derKonstruktion entnehmen15 Die Moral ist ein allgemeiner Maßstab für ein gutes,bzw. ein schlechtes Handeln für das Zusammenleben aller:- Wenn sich einzelnes/vieles für alle ungünstig auswirkt,bezeichnet das etwas Schlechtes; -- Wenn sich einzelnes/vieles für alle positiv auswirkt,bezeichnet das etwas Gutes16 Eine gute Moral dient rein dem Fortbestand allerals Gruppe17 Mit einem individuellen Maßstab von Gut und Schlechtmuß das nicht zwangsläufig etwas zu tun haben (…)25 Das Geheimnis / die Abhängigkeit / die Kommunikation istein geschlossener Raum ohne Ausgang26 Wenn es einen Ausgang gibt, dann nur den des Erlöschensdes eigenen Bewusstseins27 Ein surrealer Raum vermittelt eine Sache auf einerzusätzlichen Ebene28 Ein surrealer Raum vermittelt das, was auf trainiertenEbenen nicht vermittelbar ist, ebenso wie dastrainierte Surreale nicht mehr surreal ist und wiederzum geschlossenen Raum wird29 Im Surrealen lebt sich das Andersartige aus, bzw.findet seinen Weg zur Selbsterkennung: (C will zwei Dinge:Rache und Liebe, - bislang hatte sie beides nicht (Raum 1und Raum 2), A will Liebe (2), sie finden ihre Synthese inRaum 3, der Erfüllung von 1 und 2)30 Der Pädophile wirkt abstoßend, weil er in seinen Opfernkeine adäquaten Gegner hat31 Hat er einen adäquaten Gegner, wird er zur lächerlichenFigur32 Wenn er liebt, ist er besonders lächerlich33 Das herkömmliche (Film-) Monster besticht durchphysische Stärke, Selbstbewusstsein und Liebenswürdigkeit.Das pädophile Monster hat nichts davon,es ist ein reales Monster34 Monster werden immer geliebt35 Liebe heißt, einem anderen Macht über einen zu verleihen↘ ( Stephan Kaluza )18 19


TRAUMAEntzündet hat sich die Debatte um den sexuellen Missbrauchvor allem an der Frage, ob das traumatische Ereignis, daszumeist in die frühe Kindheit zurückreicht, erinnert werdenkann oder nicht. Das Trauma wird grundsätzlich als ein Ereignisim Leben des Subjekts verstanden, das durch seine Intensität,die Unfähigkeit des Subjekts, adäquat darauf zu antworten, dieErschütterung und die dauerhaften pathogenen Wirkungen, diees in der psychischen Organisation hervorruft, definiert wird.In der neuen psychoanalytischen Forschung zur Extremtraumatisierungrückt die Auflösung des Selbst, dem der Boden derSelbstvergewisserung entzogen wird, in den Mittelpunkt derBetrachtung. Dissoziation und Merkmale einer multiplenPersönlichkeits bildung werden diagnostiziert. Das Besondereaber nun ist, dass zugleich immer wieder betont wird, dass dasTrauma sich gegen Formen der Narration sperrt. Während Erinnerungen,die durch wiederholtes Erzählen regelrecht poliertworden sind, sich zur Anekdote verdichten, muss das Opfereines sexuellen Kindesmissbrauchs, um die Rückblenden seinertraumatischen Zustände zu beschreiben, zur Metapher greifen.»Trauma, das ist die Unmöglichkeit einer Narration. Trauma undSymbol stehen sich in gegenseitiger Ausschließlichkeit gegenüber;physische Wucht und konstruktiver Sinn scheinen die Polezu sein, zwischen denen sich unser Erinnerungen bewegen.« 1Das Trauma bindet sich also an die Vorstellung eines einschränkenden,bedrängenden Raums; entsprechend gehört zurTopographie des Traumas ein geschlossener Ort – die Ideevon einer Gefangenschaft. Analog zu den Räumen der Isolationkommt für die Zeitdimension des Traumas das Bild einer Stillstellungins Spiel. »Die chronologische Zeit wird wie von einemGummiband zurückgezogen in einen mentalen Zustand. DasTrauma bedeutet für die Zeitstrukturierung eine Zäsur, die sichals Blackbox zwischen die Zeit vor und nach dem traumatischenEreignis schiebt und uns als diskontinuierlich erleben lässt.Die Blackbox gewinnt die Gestalt eines zeitvernichtendenRaumes.« 2 Das Phänomen des Traumas erlaubt es, einen differentenBegriff von Geschichte zu entwickeln, der nicht unmittelbaran ein Verstehen gebunden ist. Das Trauma zersetztnämlich jeg liche historische Kohärenz und artikuliert sich somitgewisser maßen ›unartikuliert‹ als Zerstörung von Zeit, insofernnunmehr kein irgendwie bestimmbarer Zeitbegriff mehrexistiert.↘ ( Dagmar von Hoff )1 — Aleida Assmann2 — Gertrud Koch20 21


INZEST»Inzest liegt vor, wenn ein Familienmitglied in einer Machtpositionein Bedürfnis (z. B. Machtbedürfnis, Bedürfnis nachKörperkontakt, nach Anerkennung) bei einem anderen Familienmitgliedin einer schwächeren Position durch Sexualisierungzu befriedigen versucht. Sexualisierung kann hier alles sein, vonder Liebkosung, dem Kuss, wiederholten verbalen Bemerkungenüber Brüste oder andere Körperteile einer Person bis hin zumoralen, analen oder genitalen Geschlechtsverkehr und Masturbationmit dem Opfer oder vor den Augen des Opfers.« 1Ich denke, dass an den verschiedenen Begriffsbestimmungenbereits sehr deutlich geworden ist, dass Inzest mit Verrat zutun hat, mit Vertrauensmissbrauch von Seiten der Menschen,auf die das Kind emotional am stärksten angewiesen ist. Dort,wo das Kind ein Recht darauf hat, Wärme, Fürsorge undSchutz zu erwarten, wird es ausgebeutet. Das heißt, dass derMissbrauch in der Familie und im familiären Umfeld mitFreunden, Wohnpartnern, Nachbarn besonders schwer wiegt.Nach all diesen verschiedenen Definitionsversuchen möchteich auf eine Benennung verweisen, die mich persönlich ganzbesonders berührt hat, weil sie in die Tiefe geht und auf deninnersten Kern des Erlebens zielt. Ich denke an die Bezeichnung»Seelenmord« für Inzest. (…)Wenn ich Inzest mit Seelenmord in Verbindung bringe, dannmöchte ich damit sagen, dass ein Totalangriff auf das Menschseinerfolgt ist, dass das Kind nicht länger so denken undfühlen kann wie andere Kinder, dass alles Verhalten eine andereFärbung bekommen hat. Die Identität ist zentral verletzt wordenund zwar gerade auch die sexuelle Identität. Von daher ist gut zuverstehen, dass viele erwachsene Frauen sich dagegen wehren,ihren Tätern zu verzeihen. Sie gehen davon aus, dass es nichtmöglich ist, dem Menschen zu vergeben, der einem die Seelegemordet und jede Hoffnung auf Leben und Liebe geraubt hat.TäTER und OPFER»Inzest hat deshalb als ein Verbrechen zu gelten, für das derErwachsene voll verantwortlich ist. Die Bezeichnungen ›Täter‹und ›Opfer‹ geben die Situation exakt wieder, auch wennviele sich dagegen wehren. Die Verwendung dieser Begriffebedeutet nicht, dass komplexe menschliche Wesen auf bloßeKategorien reduziert würden. Ein Mann, der seine Tochtersexuell missbraucht, ist mehr als nur ein Täter; eine Frau, dieeine sexuelle Beziehung mit ihrem Vater gehabt hat, beziehtihre Identität nicht ausschließlich aus dem Opferstatus.« 2(…) Eine ganz andere Kritik am Täter-Opfer-Schema kommtaus dem familiendynamischen Lager. Die Autoren kritisieren,dass diese einfache Relation den komplexen interfamiliären Beziehungennicht angemessen sei, dass alle Familienmitglieder1 — E. Hildebrand2 — J. Herman22 23


kollusiv ihren Anteil an der Inzestdynamik haben, Vater, Mutter,Geschwister und das Opfer selbst. Die Familie stelle so etwaswie eine »kollaborative Einheit« dar, deren emotionale Defizitesich am besten in einem Modell der Opfer-Opfer-Interaktionbegreifen ließen.DIE VATER­TocHTER­BezIEHUNG als BESITzVERHäLTNISGanz zentral für das Verständnis von Vater-Tochter-Inzest istunsere kulturelle Sozialisierung. Es scheint mir unerlässlich,die väterliche Machtposition in der Familie genauer zu betrachtenund den Begriff »Pater familias« in seiner ursprünglichenBedeutung zu verstehen. Das bedeutet auch Abschied vom»Mythos Familie«, dem trauten Hort der Geborgenheit. Geradedie Familie ist zur Brutstätte von Gewalt geworden, ausgerechnetin der Familie ist Schutz und Sicherheit am wenigsten gewährleistet.Sexueller Missbrauch wird durch die soziale Isolierungder Kleinfamilie noch begünstigt. Die Familie ist nicht die Oaseder Zärtlichkeit und Geborgenheit, wie wir glauben möchten.Ich darf daran erinnern, dass das Wort »familia« ursprünglichdas Eigentum an Personen bezeichnete. Familie hatte vor allemmit einem Besitzverhältnis zu tun und bezeichnete ursprünglichgar kein Verwandtschafts- oder Abstammungsverhältnis, sondernein auf Macht und Eigentum gegründetes Herrschaftsverhältnis.(…)Aus den Rechtsvorschriften des Talmud geht, ähnlich wie ausder Bibel und dem Koran, hervor, dass eine käufliche Kindereheexistierte. Frauenkauf war eine Art Handel zwischen demVater und dem zukünftigen Ehemann. Die Tochter wechseltesozusagen den Besitzer, sie war ein Objekt. Vollzogen galt dieEhe immer erst dann, wenn das Mädchen sexuell in Besitzgenommen war. Aus diesem Verständnis heraus war Vergewaltigungauch keine Verletzung des Persönlichkeitsrechts, sonderneine Art Diebstahldelikt gegenüber demjenigen, der das Mädchen»besaß«. (…)Die Frau als Besitz, die Frau als Tauschobjekt, die Frau alsObjekt, dem kein eigenes Selbstbestimmungsrecht zukommt,das ist nicht nur Geschichte und veraltete Gesetzgebung,sondern schmerzliche, immer wieder auch heute erfahreneRealität. Ich denke an Pornographie, an Prostitution, anMädchenentführung und Zwangsverheiratung. (…)InzEST bei FREUD und JUNGInzest ist eine Realität und nicht nur ein innerpsychischerKonflikt, der mit Phantasien zu tun hat, die abgewehrt werdenmüssen. Die Frauen, die ich begleitet habe, sind krank geworden,weil der sexuelle Missbrauch tatsächlich stattgefunden hat.Mit dieser Überzeugung stehe ich außerhalb der psychoanalytischenTradition. Von Kollegen bin ich oft gefragt worden,ob ich denn wirklich allen Äußerungen meiner KlientinnenGlauben schenke, ob ich wirklich ganz sicher sei, dass dieFrauen in ihrer Kindheit tatsächlich verführt worden sind.Sie äußern die Vermutung, dass der sexuelle Missbrauch in24 25


Wirklichkeit gar nicht stattgefunden habe, sondern eine bloßePhantasie sei. (…)Darum möchte ich noch einmal betonen: Inzest ist ein reales,schweres Trauma. Freuds Traumaverständnis hat sich als falscherwiesen. Die gegenwärtige Forschung, die sich an schwerenTraumen wie Holocaust, Folter und Vergewaltigungen orientiert,hat klar herausgearbeitet,dass nicht die unbewussten Phantasienfür die neurotischen Symptome verantwortlich sind, sondernreale Ereignisse, die die psychische Organisation verletzen undden Menschen krank machen können. Die psychoanalytischeFachliteratur zur Inzestthematik ist auf dem Hintergrund derFreudschen Lehre zu sehen. Im Zentrum steht die ödipaleThematik, die entweder am Beispiel des Vaters, der Mutter oderder Tochter aufgerollt wird. Das inzestuöse Verhalten des Vaterswird als ein ungelöstes ödipales Streben nach der Muttergedeutet. Die Ehefrau, von der der Vater sich abwendet,repräs entiert den negativen Aspekt der Mutter, die ihn für seinesexuellen Wünsche bestraft, während die Tochter für ihn denliebenden, gewährenden Aspekt der guten Mutter darstellt.Die psychoanalytischen Deutungen in Bezug auf die Tochterkreisen alle um den real in Szene gesetzten Ödipuskomplexdes Mädchens. (…)Jung lehnte auch Freuds Haltung dem Inzestproblem gegenüberals viel zu regressiv und reduktiv ab und stellte seine progressive,synthetische Auffassung dagegen. Für Jung ist das Inzestmotivein Bild der Ganzheit. Es geht um das ewige Verlangen desMenschen, wieder ein Ganzes zu werden und in den ursprünglichenZustand des Einsseins zurückzukehren. Dass es schwerist, nach der physiologischen Durchtrennung der Nabelschnurdiese auch im psychologischen Sinne zu durchschneiden, isteine allen Menschen vertraute Erfahrung. Inzestuös fixiert zusein, bedeutet für Jung ein infantiles Steckenbleiben in der tiefverwurzelten menschlichen Sehnsucht, ein Kind zu bleiben.Was Nietzsche den »tempelschänderischen Griff rückwärts«nannte, ist dieses Hängenbleiben der Libido an den erstenKindheitsobjekten. Für die Individualität des Menschen würdeaber die Erfüllung dieser regressiven Sehnsucht das Ende bedeuten.Darum gelte Inzest als ein Frevel, als Tod für den Geist. Essei die Funktion des Inzesttabus, diese Regression zu verhindern.Wenn dem Inzesttrieb die Verwirklichung »im Fleische«versagt wird, vergeistigt sich der Trieb. So schafft der menschlicheInstinkt, da er seine Triebe nicht direkt befriedigen kann,Bilder, die symbolisch die Vereinigung der Gegensätze ausdrücken.(…)Jung schreibt nicht über den realen sexuellen Missbrauch inder Familie, über gesellschaftsimmanente Strukturen vonGewalt, sondern über den Inzestarchetyp. Er versteht Inzestals »anstößiges Symbol für eine unio mystica« und bezieht sichdamit auf die sexuelle Vereinigung als einen heiligen Akt.↘ ( Ursula Wirtz )26 27


ENTHÜLLUNG UND KonfrontationEs gibt viele Gründe, den Täter zur Rede stellen oder darübersprechen zu wollen, was er getan hat. Vielleicht willst du, dassjemand bestätigt, dass diese Dinge wirklich passiert sind, vielleichtjemand aus deiner Familie, der/die ebenfalls missbrauchtworden ist oder deinen Missbrauch bezeugen kann. Vielleichtsuchst du konkrete Informationen, die dir helfen, deine Erinnerungenzu ergänzen. Vielleicht willst du, dass der Täter oderdie Eltern, die dich nicht beschützt haben oder andere dieBedeutung erkennen, was mit dir geschehen ist. Vielleicht willstdu, dass sie leiden. Vielleicht willst du dich rächen. Vielleichtwillst du das Schweigen brechen. (…)Es gibt keine Richtlinie, wie du dabei vorgehen sollst. Denrichtigen Zeitpunkt, die richtige Art, es zu sagen, gibt es nicht.Niemand kann dir sagen, ob es richtig oder falsch ist, zu reden.(…)Bei allem, was du tust, darfst du nicht vergessen, dass du es fürdich selbst tust. Überleg dir deine Entscheidung sorgfältig undegal, wie du dich entscheidest, wähle den Weg, der die größteGewähr dafür bietet, dass du es schaffst, deinen Anspruch aufOffenheit und Ehrlichkeit durchzusetzen.DIE ENTScHEIDUNG treffenEs gibt einige Fragen, die du dir stellen kannst und die dirbei deiner Entscheidung helfen können: (…)— Was erhoffe ich mir von dieser Konfrontation?Sind meine Erwartungen realistisch?— Was sind meine Motive für diese Konfrontation / Enthüllung?— (…)— Was hab ich zu gewinnen? Was zu verlieren?— Setze ich etwas aufs Spiel, was ich noch von meinerFamilie haben will? Eine Arbeit im Familienunternehmen?Eine Erbschaft?— Könnte ich damit leben, wenn mich meine Familie vonFamilientreffen ausschließen würde?— (…)— Bin ich stark und ausgeglichen genug, um aushaltenzu können, dass sie sagen, ich sei verrückt?— Werde ich es schaffen, bei meinen Überzeugungen zubleiben, auch wenn sie alle den Missbrauch abstreiten?— Komme ich gegen den Zorn an, der mir wahrscheinlichentgegenschlägt?— Was mach ich, wenn gar keine Reaktion kommt?— Hab ich genug Rückendeckung, Personen, die vor,während und nach der Konfrontation zu mir halten?— Kann ich mir das schlimmste mögliche Resultat und auchdas bestmögliche Ergebnis realistisch vorstellen?— Könnte ich mit beidem leben?— Bin ich auf die Konfrontation vorbereitet?28 29


jetzt wird er mich endlich lieben,ich bin ganz sicHERWenn du erwägst, den Täter zur Rechenschaft zu ziehen oderihn bloßzustellen, musst du dir die möglichen Reaktionenrealistisch vor Augen führen. Jemand, der dich in der Vergangenheitmissbraucht hat, wird wohl kaum plötzlich Verständnis fürdeine Bedürfnisse entwickeln. Vielleicht erfährst du etwasMitgefühl und Anteilnahme, aber normalerweise sprengt dieAufdeckung von Missbrauch ein Familiensystem gemeinsamenLeugnens. (…)dich auf eine Konfrontation vorbereitest, solltest du stets darandenken, dass Konfrontationen (…) für dich da sind. Nimm dirZeit, dich vorzubereiten. Du bestimmst den Ablauf: Du steckstdas Feld ab, bestimmst den Zeitplan, suchst den Ort aus.↘ ( Ellen Bass, Laura Davis, Wege zur Selbstheilung für sexuell missbrauchte Frauen )Es ist daher unbedingt notwendig, dass du dich vor und beijeder Konfrontation vor allem auf dich selbst konzentrierst:darauf, was du willst oder sagen musst, wie du mit der Situationumgehen willst, und nicht auf irgendeine Reaktion, die du dirvielleicht erhoffst. Du solltest nicht so naiv sein und erwarten,dass du jetzt, wenn du alles erzählst, endlich all das bekommenwirst, was du als Kind nicht hattest. Oder dass dir, wenn dualles »richtig« erzählst, die Hilfe und Liebe zukommt, auf die dueinen Anspruch hast. Und doch erhoffen sich viele Überlebende,bewusst oder unbewusst, genau diese Reaktion. Du musst dirdarüber klar sein, sonst bringst du dich wieder in eine Situation,in der du im Stich gelassen wirst. Du solltest dem Täter nurgegenübertreten oder gegenüber der Familie deinen Missbrauchaufdecken, wenn du beschlossen hast, die Illusionen aufzugebenund offen zu machen, was Realität ist. Du musst dich vonder Vorstellung verabschieden, deine Familie wolle nur deinBestes. Deine eigenen Bedürfnisse haben Vorrang. Wenn du30 31


franz xaver kroetz,1946 in MÜNCHEN geboren, SCHAUSPIELER,REGISSEUR, SCHRIFTSTELLER, wurde zuerstDURCH seine DRAMEN der 1970ER bekannt,DARUNTER »WILDWECHSEL«, »HEIMARBEIT« (1970),»STALLERHOF« und dessen FORTSETZUNG»GEISTERBAHN« (1971), in denen er MenschenSCHILDERT, die durch ihr soziales ELENDSPRACHLOS werden und scheitern.Seine STÜCKE wurzeln in einer läNDLICHEN,BAYRISCHEN UMGEBUNG oder der sichwandelnden ARBEITSWELT und greifen diekritische VOLKSTHEATERTRADITION AUF.DER mit vielen PREISEN ausgezeichneteAUTOR lebt bei MÜNCHEN und in TENERIFFA.STEPHAN KALUZAwurde 1964 in BAD IBURG geboren undstudierte GESCHICHTE und PHILOSOPHIEsowie KUNSTGESCHICHTE. NEBEN seinenPROJEKTEN in der BILDENDEN KUNST, mitdenen er in deutschen und AUS LäNDISCHENGALERIEN und MUSEEN vertreten ist,VERöFFENTLICHTE er BEREITS MEHRERETHEATERSTÜCKE im SUHRKAMP VERLAG.KALUZA lebt und arbeitet in DüsseldorfUND BERLIN.32

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