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Zeitpolitisches Magazin - Deutsche Gesellschaft für Zeitpolitik

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KINDERBETREUUNG RUND UM DIE UHRSchwerpunkt liegt auf Berliner Verhältnissen – selbst in dieserlokalen Begrenzung kann die vielfältige Praxis nur sehrunvollständig gespiegelt werden.Nachtkindereinrichtungen scheitern meistRasch wurde deutlich, dass die Sorge sich erübrigt, Nachtkindergärtenwürden sich infolge der zunehmenden Flexibilisierungvon Arbeitszeiten ausbreiten; denn soweit sich sehenlässt, können sich solche Einrichtungen in der Regel kaum odergar nicht halten, weil nicht genügend Eltern ihr Kind nachtsdorthin geben. Das geschah schon dem ersten Kinderhotel: Derpme Elternservice, inzwischen ein großes bundesweit agierendesUnternehmen, bietet seit Scheitern des ersten KinderhotelsAbend- und Nachtbetreuung nicht mehr in Kindereinrichtungen,sondern als Einzelbetreuung an (s. den Beitrag von DanielErler). Auch der 2005 gegründete und ebenfalls bundesweitagierende Elternservice AWO vermittelt <strong>für</strong> Rand-, Nacht- undNotzeiten allein Einzelbetreuung (s. den Beitrag von DagmarHowe). Sämtliche in Berlin in den letzten zwei Jahrzehnten eingeführtenErweiterungen des Kita-Betriebs rund um die Uhrsind mangels Nachfrage geschlossen worden. Selbst in einergroßen Tageseinrichtung am Berliner UniversitätsklinikumCharité, die klinikbezogen tagsüber von 5.45 bis 20.15 Uhr geöffnetist und wo 2008 ein von Bosch-Stiftung, Bund und EuropäischemSozialfonds finanziertes pädagogisch hochambitioniertes Modellprojekt zur Nachtbetreuung begonnenwurde. Die Nachfrage <strong>für</strong> die Nacht lag dort so weit unter derZielgrenze von zehn Kindern, dass nach Projektende die Nachtbetreuungeingestellt werden musste. (Schallenberg-Diekmannund Macha 2012). Ein entsprechendes Modellprojekt in Stendalförderte das Land Sachsen-Anhalt ab 2005 an einer Kita,die ebenfalls mit einem Krankenhaus kooperiert und Teil einerattraktiv situierten und ausgestatteten Mehrgenerationen-Einrichtungist. Trotz sehr spärlicher Nutzung (monatlich etwa einbis drei Betreuungsfälle nachts und fünf oder sechs an den offenenWochenenden) wird hier das Nachtangebot aufrecht erhalten.Die wenigen Nachfragen dort haben nicht nur beruflicheGründe, sondern auch private, etwa wenn Eltern mal an einerlangen Feier teilnehmen wollen.Es gibt auch Ausnahmen. Zwei sehr unterschiedliche werdenin dieser Ausgabe vorgestellt: In Schwedt, einer Industriestadtan der Oder, wird das Nachtbetreuungsangebot einer Kita vonschichtarbeitenden Eltern aus ökonomischer Notwendigkeitangenommen; sie hätten in dieser Gegend sonst keine Erwerbsmöglichkeit.(s. den Beitrag von Elke Großer) Wohl aufeine andere Sozialschicht ausgerichtet ist ein seit zehn Jahrenbestehendes eher teures „Kinderhotel“ einer Kita in Hamburg.Hier übernachten Kinder gelegentlich, wenn die Eltern beruflichoder privat beschäftigt sind (s. den Beitrag von YolandaKoller-Tejeiro).Wie ungern Eltern sich auf institutionelle Spät- und Nachtbetreuungihres Kindes einlassen, zeigen auch die Ergebnisseder aktuellen Befragung des <strong>Deutsche</strong>n Jugendinstituts zu denZeiten des Bedarfs an Kitaplätzen (s. den Beitrag von SandraHubert). Da es um den zu erwartenden Bedarf nach Inkrafttretendes neuen Kinderförderungsgesetzes ging, betreffen die Zahlenfreilich allein Ein- bis unter Dreijährige. Nach Alterdifferenzierte Statistiken würden vermutlich mehr Bedarf <strong>für</strong> abDreijährige zu Zeiten außerhalb der regulären Kitazeiten zeigen.Die Altersspanne der Kinder, auf die sich die in dieser Ausgabevorgestellten Betreuungsangebote zu außergewöhnlichen Zeitenrichten, reicht von wenigen Monaten bis zu zwölf Jahren.Warum scheuen ElternNachtbetreuungseinrichtungen?Es ist anzunehmen, dass es sehr viele Eltern gibt, vor allem alleinerziehende, denen es nur mit großen Anstrengungen gelingt,<strong>für</strong> den späten Abend oder über Nacht Betreuung zuorganisieren, während sie arbeiten müssen, kontinuierlich imSchichtdienst oder gelegentlich, wenn plötzlich Arbeit drängt.Warum scheuen Eltern dennoch vor Nachtkitas zurück?Oben habe ich zweierlei Beweggründe, Kinder in eine Kita zuschicken, unterschieden: solche, die aus elterlicher Erwerbsarbeitfolgen, und solche, die die Kinder direkt betreffen. Letzteres,das Lernen und das soziale Leben unter Kindern, gilt <strong>für</strong>den Kitaaufenthalt am Tag. Aber gilt es auch <strong>für</strong> die Abendeund die Nächte? Alles, was Kinder in der Kita tun, ist pädagogischermöglicht, angeregt und gelenkt, es wird ständig beobachtetund bewertet – auch wenn es eine freilassende,Selbstständigkeit fördernde Pädagogik ist. Denn Kinder sollenin der erwünschten Weise gebildet werden, sollen sich qualifizieren<strong>für</strong> ihr späteres Leben. Damit ist das Kitaleben, nichtanders als das Erwerbsleben der Eltern, eine gesellschaftlichnotwendige anstrengende Arbeit. Wie seine Eltern braucht einKind danach seine Ruhe, ohne sich ständig unter Anderen bewährenzu müssen. Der beste Ort da<strong>für</strong> ist in der Regel das Zuhause.(Hartmut Kupfer führt das im Interview aus.)Sind hier tradierte Vorstellungen von Familie und Kindheitwirksam, die heute nicht mehr zeitgemäß sind? SolcherartIdeologieverdacht wurde und wird gern erhoben, wo es darumgeht, dass Arbeitskraft ungestört durch private Aufgaben undBedürfnisse jederzeit verfügbar ist – ein Vorwurf, der wegendes einseitig ökonomischen Interesses, dem er dient, selbstideologisch ist. Wie sehr die Art der Sorge <strong>für</strong> Kinder ideologischsteuerbar ist, zeigt der Blick in die Geschichte. In denKibbuzim der ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts ließman die Kinder im Kinderhaus und nicht bei den Elternwohnen. Angesichts extremer Armut in der Anfangszeit sollteniemand durch Familienaufgaben am Arbeiten gehindertwerden. Zugleich war diese Praxis gerechtfertigt durch eineZPM NR. 23, DEZEMBER 2013 3


KINDERBETREUUNG RUND UM DIE UHRradikale sozialistische Gleichheitsdoktrin: Alle Kinder solltengleich und gemeinschaftsbewusst aufwachsen. Später, als dieökonomischen Verhältnisse sich besserten und zugleich dieideologische Bestimmung des Erziehungskonzepts schwächerwurde, erlangten Eltern zunehmend gemeinsame Zeit mit ihrenKindern, bis schließlich in den 1990er Jahren in keinemKibbuz mehr die Kinder im Kinderhaus schliefen. (s. den Beitragvon Helga Zeiher) Eine parallele Entwicklung ist bei denWochenkrippen in der DDR festzustellen. Auch diese entstandenaus der Verbindung von ökonomischer Not und der Absicht,die Kinderziehung möglichst umfassend im Sinne derherrschenden Ideologie zu steuern. Und auch hier machtendas im Laufe der Jahre immer mehr Eltern nicht mit. (s. denBeitrag von Elke Großer).Die Alternative <strong>für</strong> ungewöhnliche Zeiten:EinzelbetreuungFolgt man der Abstimmung der Eltern mit den Füßen sowieden Argumenten erfahrener Pädagogen, die in diesem ZpM zuWorte kommen, dann ist Einzelbetreuung zu Hause die besteAlternative zu institutioneller Spät- und Nachtbetreuung. InBerlin organisieren und vermitteln die Jugendämter (s. das Interviewin einem Berliner Jugendamt), die gewerblichenDienstleistungsträger (s. die Beiträge zu KidsMobil, ElternserviceAWO und pme Familienservice) sowie Selbsthilfevereineals Träger (s. den Beitrag von Kathleen Fischer) nurEinzelbetreuung <strong>für</strong> Rand-, Nacht- und Notzeiten.Wie in allen Beiträgen deutlich wird, liegen die Probleme derEinzelbetreuung zum einen in der Sicherung der Qualität derBetreuung und zum anderen in der Finanzierung von Betreuungspersonen.Jeder der hier vorgestellten Träger hat seine eigeneForm, um diesen Problemen zu begegnen.Die Qualitätssicherung geschieht überall durch Auswahlverfahren,zu denen immer die Prüfung formaler Voraussetzungen(z. B Erste-Hilfe-Kurs) gehört, sowie durch begleitendeGespräche zwischen Trägern und Betreuern bei Bedarf. In denModellprojekten der Berliner Selbsthilfevereine wurde zudembesonderes Gewicht auf Teambesprechungen und Weiterbildungsveranstaltungengelegt.Die Finanzierung der Einzelbetreuung ruht auf vier Säulen:Eltern, öffentliche Hand, Arbeitgeber und Ehrenamt.• Die Bundesländer sind sozialgesetzlich zur Sicherung ergänzenderKinderbetreuung in Notsituationen verpflichtet, regelndiese Aufgabe aber je anders (s. S. 13 und den Beitragvon Dagmar Howe). Das Land Berlin zahlt Eltern bei Bedarfsnachweiseinen einkommensabhängigen Zuschuss.• Große Unternehmen halten es zunehmend <strong>für</strong> wichtig, als„familienfreundlich“ zertifiziert zu sein (vor allem durchdie Hertie-Stiftung) und finanzieren den entsprechendenService <strong>für</strong> ihre Beschäftigten teils oder vollständig. Alle gewerblichenTräger arbeiten <strong>für</strong> große Unternehmen, weilsich ihre Arbeit nur dann rentiert.• Wer nicht in einem „familienfreundlichen“ Unternehmenbeschäftigt ist, und nicht wohlhabend genug ist, um eineKinderfrau, eine au-pair Arbeitende oder immer wieder Babysitterins Haus zu holen und vollständig selbst zu bezahlen,ist auf öffentlich teilfinanzierte Angebote angewiesen.Das Land Berlin zahlt <strong>für</strong> Betreuungspersonen denselbenPro-Kind-Stundenlohn wie <strong>für</strong> Tagesmütter. Da sie aber, außerbei Geschwistern, jeweils nur ein Kind betreuen, ist diesso wenig, dass Jugendämter und Selbsthilfevereine auf teilsoder ganz ehrenamtlich Arbeitende zurückgreifen müssen,die jedoch angesichts der ungewöhnlichen Zeiten nichtleicht zu finden sind. Trotz großen Engagements bei Jugendämtern(s. das Interview in einem Jugendamt), und Betroffenenvereinen,wie z. B. dem Verein Alleinerziehender(s. den Beitrag von Kathleen Fischer), finden Eltern oft nurschwerlich die benötigte Unterstützung.Das Problem dieser Finanzierungsverhältnisse liegt in der sozialenUngleichheit des Zugangs zu Kinderbetreuung in Notsituationen.Diese ihrerseits ist eine Folge der Tatsache, dass inDeutschland inzwischen zwar die Sicherung institutionellerTagesbetreuung <strong>für</strong> Kinder ab zwei Jahren als eine öffentlicheAufgabe gesehen, organisiert und gefördert wird, aber bei Betreuungsbedarfin den Zeiten vor und nach Kitaschließung oderin Notsituationen Eltern sich selbst überlassen sind und selbstherausfinden müssen, wo sie praktische und finanzielle Hilfefinden können (s. den Beitrag von Daniel Erler). Die einen Elternsind wohlhabend und/oder arbeiten in einem „familienfreundlichenUnternehmen“: Dann erfolgen Beratung undOrganisation in guter Qualität durch gewerbliche Dienstleisterund vom Unternehmen je nach Art des Bedarfs mehr oder wenigerganz finanziert. Die übrigen Eltern können sich – in Berlin– ans Jugendamt wenden oder auch an einen freien Träger.Hier sind die geringe Höhe der Senatszuschüsse und – in denJugendämtern – die geringe zeitliche Kapazität der Mitarbeiterein Problem. Betroffen sind besonders Eltern in prekärenArbeits- und Einkommensverhältnissen.Was ist zu tun?Ergänzende Einzelbetreuung sollte anerkannt werdenEinzelbetreuung von Kindern zu Hause am Abend oder garüber Nacht ist eine sehr verantwortliche und pädagogischpsychologischanspruchsvolle Tätigkeit. Sie sollte ebensoanerkannt werden wie die Betreuung am Tag, die Tagesmütter/väterleisten. Anerkennung sollte zum einen finanziellgeschehen, etwa indem der aus öffentlichen Mitteln gezahlteStundenlohn <strong>für</strong> ergänzende Einzelbetreuung an den Stunden-4 ZPM NR. 23, DEZEMBER 2013


KINDERBETREUUNG RUND UM DIE UHRlohn angeglichen wird, den eine Tagesmutter bei einer durchschnittlichenAnzahl betreuter Kinder erzielt. Nicht zuletzt istAnerkennung durch Qualitätsförderung wichtig: Kriterien <strong>für</strong>die Rekrutierung von Personen und Supervision ihrer Arbeitsowie Schulungs- und Weiterbildungsmaßnahmen sollten weiterentwickelt und allgemein verbindlich werden.Das Verhältnis von Erwerbsarbeit und Sorgearbeitsollte neu gedacht und gestaltet werdenWenn Unternehmen einen Vertrag mit einem Service-Trägerabschließen und sich als „familienfreundlich“ zertifizieren lassen,geht es ihnen vor allem darum, Beschäftigte von privatenSorgeaufgaben zu entlasten, damit sie zu den vom Betrieb gewünschtenZeiten unbeschwert arbeiten. Laut Webseite despme (= Partner <strong>für</strong> Mitarbeiter Effizienz) Familienservice gehtes um „effizienteres Arbeiten und daraus resultierend höhereProduktivität“, weniger Fehlzeiten, Betriebstreue und auchum „einen Wettbewerbsvorteil bei der Gewinnung und Bindungvon Fach- und Führungskräften“. „Familienfreundlichkeit“,wie sie hier verstanden wird, dient zwar dem Wohl derBeschäftigten, weil sie „zufrieden und motiviert“ werden, diesaber, weil es im Interesse ihrer Erwerbstätigkeit liegt. Dass ander Qualität der dort angebotenen Familienleistungen ständiggearbeitet wird und Eltern und Kinder, die in den Genuss solcherLeistungen kommen, dann tatsächlich zufrieden sind,verdankt sich wohl vor allem der Konkurrenz unter den anbietendenTrägerfirmen – immerhin wirkt der Markt hier qualitätsfördernd.Im Klartext: Private Sorgearbeit wird der Erwerbsarbeit nachgeordnet.Wir haben es hier mit einem Symptom der zunehmendenDominanz der Arbeitswelt im Leben der Menschen zutun und damit, dass sich diese Dominanz insbesondere im Bereichder privaten Sorgearbeit negativ auswirkt.Im Interesse der Kinder und ihrer Eltern reicht es nicht, an derkind- und familienorientierten Qualität von Betreuungsformensowie an der sozialen Gerechtigkeit der Zugangsmöglichkeitenvon Kinderbetreuung zu ungewöhnlichen Zeiten zuarbeiten . Notwendig ist, auch den Umfang des Bedarfs so weitals möglich einzuschränken, etwa durch weiteren Ausbau derFörderung verkürzter Arbeitszeit in der Familienphase sowiedurch Weiterentwicklung der Sensibilität auf Seiten derArbeitgeber. Unerlässlich ist, an die Wurzel des Problems –die Dominanz der Arbeitswelt – zu gehen: grundsätzlichesUmdenken des Verhältnisses von Erwerbsarbeit und Sorgearbeit,von Erwerbsarbeitszeit und Sorgezeit auf allen gesellschaftlichenEbenen ist nötig. Solches Umdenken sollte nichtbei der Verteilung der Gewichte von Arbeitszeit und privaterSorgezeit im Alltag stehen bleiben, sondern auch auf dieErmöglichung von Sorgezeitphasen im Lebensverlauf zielen.Ein solches grundsätzliches Umdenken hat in diesem Herbsteine Gruppe von Wissenschaftler/innen mit einem Manifestangemahnt: „Care.Macht.Mehr: Von der Care-Krise zur Care-Gerechtigkeit“, www.care-macht-mehr.com (s. auch S. 37).Hoffnung auf eine weitere„Abstimmung der Eltern mit den Füßen“Dass sich gegenwärtig immer mehr Unternehmen um dasMerkmal „Familienfreundlichkeit“ bemühen, spiegelt nichtnur die Zunahme zeitlicher Entgrenzungsprozesse in der Arbeitswelt,unter denen vor allem erwerbstätige Eltern zu leidenhaben. Es ist auch eine Reaktion auf ein beginnendesUmdenken: In Lebensentwürfen der jetzt nachrückenden Generation,„Generation Y“ genannt, wird das Verhältnis zwischenErwerbsarbeit und Sorgearbeit bereits neu gedacht:Viele der heute Unter- bis Mitte-Dreißigjährigen scheinen demprivaten Leben höheres Gewicht zu geben, als die Älteren esin diesem Alter taten. Viele der jetzt in den Arbeitsmarkt einsteigendenHochqualifizierten stellen entsprechende Erwartungenzur Zeitgestaltung an ihre Arbeitgeber: Sie wollen mehrprivate Zeit und sie wollen Zeit <strong>für</strong> Kinder. Sicherlich ist dieserst eine kleine privilegierte Gruppe und sicherlich würde auchdiese Gruppe solche Wünsche bei schlechten Arbeitsmarktbedingungenkaum durchsetzen können. Doch es macht Hoffnung,dass der Bedarf an Kinderbetreuung zu ungewöhnlichenZeiten nicht weiter ansteigen, vielleicht sogar abnehmen wird– sofern die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen es erlauben.Hoffnung auf eine weitere „Abstimmung der Eltern mitden Füßen“ – nicht mehr nur gegenüber <strong>für</strong> ungeeignet gehaltenenKinderbetreuungsangeboten, sondern auch gegenüber<strong>für</strong> ungeeignet gehaltenen zeitlichen Anforderungen aus derArbeitswelt. (Der Einstellungswandel der „Generation Y“ warThema des ZpM Nr. 21, Dezember 2012, www.zeitpolitik.de).HELGA ZEIHERJurczyk, K. (2013): Familienrealitäten heute: Vielfalt, Leistungen,Überforderungen. In: Förster, C., Höhn, K., Schreiner, S. A.(Hrsg.): Kindheitsbilder – Familienrealitäten. Herder: Freiburgu. a., S. 62-75).Schallenberg-Diekmann, R., Macha, K. (2012): Kita nach Bedarf.Qualität in Kitas mit familienfreundlichen Öffnungszeiten. Köln.ZPM NR. 23, DEZEMBER 2013 5


KINDERBETREUUNG RUND UM DIE UHRNachtkindertagesstätten: Öffentliche Kinderbetreuungrund um die Uhr – ohne Tabu?Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gehört auch nachvielen Jahren öffentlicher Debatte noch immer zu den großenungelösten politischen Aufgaben. Wenn in diesem Zusammenhangvon Politiker/innen und Verbandsvertreter/inneneinmal mehr der Vorschlag kommt, die Arbeitszeiten zu flexibilisieren,ist jedoch zumeist nicht klar, was gemeint ist: Sollensich die Unternehmen mit ihren Arbeitszeitangebotenstärker an den Bedürfnissen der Eltern bzw. denen ihrer Kinderausrichten oder müssen sich umgekehrt Mütter und Vätermit ihren Arbeitszeiten noch mehr als bisher an die betrieblichenErfordernisse ihres Arbeitgebers anpassen? Diese Fragestellt sich in neuer Schärfe spätestens dann, wenn von Elternerwartet wird, dass, während sie in Spät- und Nachtschichtenarbeiten, ihre Kinder derweilen aushäusig in einer Nacht-Kindertagesstätteübernachten.Damit, dass auch höchste politische und kirchliche Repräsentant/innenwie Katrin Göring-Eckart (in der Talk-Show MaybrittIllner, 22. 11. 2012), wenn auch in wohlmeinender Absicht,dem vermehrten Ruf nach mehr Betreuungseinrichtungen <strong>für</strong>die Nachtstunden nicht widersprechen, scheint eine rote Linieüberschritten. Eine breite öffentliche Debatte über die gesellschaftlicheAkzeptanz zeitlicher Rahmenbedingungen der Kinderbetreuungwird notwendig. Sie soll Staat, Unternehmen,Verbände und Kirchen zu einer Positionierung veranlassen, ob,soweit Kinder davon unmittelbar betroffen sind, nicht wenigstensdie Nachtstunden eine Tabugrenze <strong>für</strong> forcierte Flexibilisierungunserer Arbeits- und Lebenswelt darstellen müssten.Es steht zu be<strong>für</strong>chten, dass sich ansonsten eine schleichendeErosion weithin noch geltender zeitlicher Minimalstandardsdurchsetzt, an deren Ende unabsehbare Folgen <strong>für</strong> die psychosozialeGesundheit unserer Kinder stehen.Besonders <strong>für</strong> zwei Gruppen ist Betreuung rund um die Uhrvon Interesse: Zum einen <strong>für</strong> Eltern oder Alleinerziehende inWechsel- oder Dauernachtschicht, zum anderen <strong>für</strong> solche, dieaufgrund ihrer beruflichen Situation zu sehr unregelmäßigenZeiten arbeiten müssen oder möchten, wie etwa Beschäftigteim Gesundheits- oder Verkehrswesen, bei Medien oder Notdiensten.Dass dieser Bedarf steigt, hat mehrere Ursachen: dieAusdehnung von Betriebszeiten, die Zunahme Alleinerziehender,die zunehmende Erwerbstätigkeit der Frauen sowie arbeitsmarktbedingteregionale Mobilität, die zur Folge hat, dassFamilien seltener auf die traditionelle familiale Infrastrukturzurückgreifen können. Fehlen unter diesen Vorzeichen Betreuungsangebote,ist Berufstätigkeit bei Schichtdiensten,späten Spätdiensten Alleinerziehender oder beider Partnerimmer weniger möglich.Wenn solche Arbeitsbedingungen nun aber gängige Praxiswerden, geraten die öffentlichen und privaten Kinderbetreuungseinrichtungenunter einen starken Druck, sich dem anzupassen.Damit können die Betroffenen in das Dilemmakommen, eine Arbeit zu akzeptieren, die auch Spät- undNachtzeiten sowie Arbeit am Wochenende einschließt, unddamit einer Auswärtsunterbringung ihrer Kinder in solchenZeiten zustimmen zu müssen, oder aber möglicherweise keinenArbeitsplatz zu finden. Das Argument, „Wo soll ich meineKinder lassen?“ wird dann gerade <strong>für</strong> diejenigen Arbeitsverhältnisse,die landläufig als prekäre Arbeit bezeichnet werdenbzw. wenig qualifizierte Arbeitstätigkeiten kein besondersstarkes Argument sein. Prekäre Zeiten kommen vermittelthierüber nicht nur auf die Eltern, sondern auch auf die Kinderzu. Es zeigt sich immer häufiger, dass Kinder als eigenständigeTräger von Zeitinteressen gegenüber den Interessen der Erwachsenenviel zu wenig ins Spiel kommen.Man darf die Entscheidung Alleinerziehender oder Elternpaarein dieser Situation als ein ethisches Dilemma bezeichnen,das aber nicht nur sie betrifft, sondern die <strong>Gesellschaft</strong>als Ganzes. Zumal die Ausweitung von Spät- und Nachtarbeitnicht nur wirtschaftlichen Interessen folgt, wie im produzierendenGewerbe oder im Einzelhandel nach der Liberalisierungder Ladenschlusszeiten, sondern auch Bereiche umfasst,die durch ihren spezifischen Auftrag an sozialschädliche Arbeitszeiten(unsocial times) gebunden sind. So wird z. B. dieAusweitung von Rund-um-die-Uhr-Betreuungseinrichtungenauch in der Evangelischen Diakonie diskutiert, um <strong>für</strong> die inder Kranken- und Altenpflege in Spät- und NachtschichtenBeschäftigten die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern.Zunehmender Bedarf an Nacht-Kinderbetreuung ist abernicht nur monokausal auf eine ökonomisch bedingte Ausweitungder Nachtarbeit zurückzuführen, sondern hat zugleichmit der sozioökonomisch und soziokulturell bedingten Enttabuisierungtraditioneller gesellschaftlicher Zeitmuster undder damit verbundenen Aktivitätsmuster zu tun. Die Nacht alsZeit der Ruhe, in der die Familie an den heimischen Herd zurückkehrtund damit auch zum heimischen Bett, erscheint tendenziellals Relikt vergangener <strong>Gesellschaft</strong>sstrukturen.Insofern sind wir alle durch unser tägliches Zeitnutzungs-Verhalten an der Aufhebung zeitlicher Standards beteiligt. DieFrage stellt sich nun, ob solche Tendenz der Entgrenzung zwischenden zeitlichen Arealen Tag und Nacht tatsächlich eineüberkommene, romantisierende Vorstellung einer tendenziellkleiner werdenden Gruppe von überwiegend älteren Kohorten6 ZPM NR. 23, DEZEMBER 2013


2012SEPTEMBERLinda Williams, TCC professor of business administration, agreesto serve as the faculty lead for the project; Dr. Kimberly Bovee,associate vice president for college readiness, agrees to serve asthe lead for the Project Advisory Committee.TCC contacts David Wiley and Kim Thanos of Lumen Learning tohelp TCC launch the Z-Degree pilot. Lumen’s expertise includesidentification of existing OER content, faculty training, ensuringproper attribution of content, and development of courseanalytics.AUGUSTDr. Daniel DeMarte, TCC vice president for academic affairs andchief academic officer, attends the Virginia Community CollegeSystem (VCCS) Chancellor’s annual retreat and hears David Wiley,president of Lumen Learning, comment that no college or universitywas offering a degree exclusively using OER.OCTOBER - NOVEMBERThe faculty team is selectedand includes full-time andadjunct professors.OCTOBERData from TCC’s Office of InstitutionalEffectiveness and information on availableOER materials help guide the selectionof the Associate of Science in businessadministration as the pilot Z-Degree,including required and elective courses.JANUARYLumen provides initial training session for the faculty team onaccessing OER and building a cohesive course based on diverseOER offerings.2013TIMELINEZERO TO “Z” IN 12 MONTHSThe spark for the Z-Degree was ignited in August,2012 and moved from idea to implementation in aperiod of less than 12 months.UNTIL MAY 2013Faculty team members begin selecting appropriate OER tosupport the learning outcomes of each course. Professor Williamsand Lumen Learning provide faculty support, including locatingOER and helping faculty build the courses.FEBRUARYThe Project Advisory Committee (consisting of deans, student servicesrepresentatives, technology support, and key stakeholders) is established tocoordinate advising students, loading courses into TCC’s student informationsystem, and ensuring project success beyond the courses themselves.MARCHThe fall schedule of Z-courses is coordinated across the college’s fourcampuses to allow a student to take a full schedule of Z-Degree courses.Course delivery includes online as well as on-campus courses.APRILProfessor Williams makes presentations at all four TCC campusesto provide an overview of the pilot project to faculty.JUNETCC’s public announcement of the Z-Degree pilot (initially referredto as the “OpenTCC” project) receives widespread news coverage.All students who are seeking an A.S. degree in BusinessAdministration are sent a letter briefly e erst spät nach Hause und insBett zu kommen?Es gibt zwei Gesichtspunkte. Das eine ist: Kinder macheneine ganze Menge mit, wenn die Erwachsenen davon überzeugtsind. Wenn Eltern dem Kind die Sicherheit, das Gefühlvermitteln, das ist gut und richtig, wie das da läuft.„Die Erzieherin dort kenne ich, die macht es gut.“ Dann istes erstaunlich, was Kinder mitmachen und womit sie umgehenkönnen. Und wenn die Erzieherin sagt, „Mama mussja, da musst Du jetzt durch“. Wenn dieses Verhältnis gutist, geht sogar mal eine Übernachtung irgendwo.Das andere ist aber: Kinder bewegen sich in der Kita meistmit einem anderen Gefühl als in der eigenen Wohnung,auch wenn wir das nicht sehen. Bei vielen Kindern – nichtbei allen – ist eine gewisse Anspannung da, wenn sie in einerEinrichtung sind. Das ist nicht zu beobachten, auchnicht zu messen. Man sieht nur, wenn man sie gut kennt,dass sie sich ein bisschen anders geben. Das hat nicht nurmit Personen zu tun, sondern auch mit Räumen und mitSpielzeug. Zu Hause, das ist meins, da ist meine Ecke, dahabe ich meine Sachen. Aus dem vertrauten Umfeld heraussich entscheiden zu können, was mache ich jetzt? Sichmit etwas beschäftigen zu können, was da ist, mit eigenenSachen. Und vielleicht auch weiter machen zu können, wasam letzten Abend liegen geblieben ist. Die Kontinuität desLebens zu Hause weiterführen zu können, die ja immer8 ZPM NR. 23, DEZEMBER 2013


KINDERBETREUUNG RUND UM DIE UHRwieder unterbrochen wird durch „Jetzt kommst du in dieKita“, „Jetzt kommst Du nach Hause“. Wenn das Leben einenRhythmus hat – ich bin abends zu Hause und gehemorgens in die Kita – das hat <strong>für</strong> Kinder einen hohen Wert.Ich denke, es hat viele Argumente <strong>für</strong> sich, zu sagen, lassdas Kind um fünf nach Hause und jemanden kommen, ummit dem Kind den Abend zu Hause zu verbringen, falls mandie Entscheidungsmöglichkeit hat.Wenn der Rhythmus von morgens um acht bisabends um acht oder neun ist, bleibt kaum Zeit <strong>für</strong> zuHause übrig.Die Familienkultur verarmt doch schnell. Dann bleibendas Zubettgehen und das Aufstehen, viel mehr nicht. Wirsehen das auch bei großen Kindern. Was passiert zu Hauseaußer Hausaufgaben nach den langen Tagen in der Ganztagsschuleund dann vielleicht Musikschule oder Sport?Die Großen blocken dann am Wochenende alles ab. Endlichhabe ich Zeit. Ich bin jetzt da, wo ich machen kann,was ich möchte – ein Gefühl, das viele Kinder in den Einrichtungenüberhaupt nicht haben. Obwohl das <strong>für</strong> Erzieher,<strong>für</strong> Fachpersonal so aussieht: „Du kannst dochmachen, was du willst. Guck mal, da und da und da. Dumachst doch gerade, was du willst“. Das Selbstgefühl ist,wie gesagt, nicht beobachtbar.Die Umgebung voller Angebote, die Menschen, dieimmer erwarten, dass man etwas tut, die anderenKinder, die gerade etwas machen – ist das nicht eingewisser Zwang?Das ist zu bedenken, aber es ist nicht zu verallgemeinern.Da laufen in der Kita vielleicht ein paar kleine Jungen herum,die zu Hause große Schwestern haben, und eher in derEinrichtung das Gefühl haben, sie können machen, was siewollen.Für kleine Kinder ist wichtig: Sie müssen einen Wechselihrer Lebensbereiche so erleben, dass sie in einen persönlichenRhythmus hinein kommen können. Sie müssen eineErwartung herausbilden können, wie der Tag morgen verlaufenwird. Und nicht ständig erleben, dass sie dann dochnoch irgendwo länger bleiben, oder dass sie herausgerissenwerden. Sie müssen nicht im Takt marschieren, abersie müssen selber Erwartungen herausbilden, wie der Taglaufen wird. Wenn jemand im Gefängnis sitzt und nichtweiß, wann das nächste Verhör stattfindet, und immer,wenn etwas vor der Tür zu hören ist, denkt „Wollen die jetztzu mir?“ Dann ist der gestresst. Ich glaube, ein Kind, dasnicht in einen Tagesrhythmus kommt, wird sich genausofühlen. Immer: „Kommt jetzt einer, gehe ich jetzt nachHause, bleibe ich noch hier?“Es gibt ja Untersuchungen, die zeigen, dass Kindernvor allem wichtig ist, sich darauf verlassen zu können,dass Eltern sie zu vereinbarter Zeit abholen. Siewollen verlässliche Zeiten.Die chronologischen Rhythmen müssen sich aufbauen.Mit einem Neugeborenen sollte man nicht gleich in den Urlaubfahren. Die brauchen ihren gleich bleibenden Wechselvon Hell und Dunkel in ihrem Umfeld, um bestimmteRhythmen zu etablieren.Unsere chronobiologischen Rhythmen sind ja kulturellüberformt. Das künstliche Licht hat den Tagder heutigen Menschen verschoben.Das muss passend gemacht werden. Beim Kind müssensolche Prozesse stattfinden, und die gelingen nur, wenneine gewisse Regelmäßigkeit im Leben ist. Wenn die Leuteimmer sagen, das Kind muss seinen eigenen Rhythmus finden– na klar, aber nicht aus sich selbst heraus, sondernaus dem Hin und Her mit der Umgebung.Es gibt Kinder, die gut damit zurechtkommen, abendsnoch in der Kita zu bleiben. Aber wenn etwa ein Zwei- oderDreijähriges um acht oder neun abgeholt wird – einenschönen Abend zu Hause hat es dann nicht mehr. Die Erziehermachen sich zwar bewusst, was Kinder am Abendzur Abendbrotzeit und danach brauchen. Aber in der Einrichtungwird das immer ein Stück weit von außen gedacht:Was brauchen Kinder, was müssen sie jetzt machen? Erzieherhaben ihre Qualitätskriterien <strong>für</strong> die Spätbetreuung.Aber das Entscheidende ist: Wie fühlt sich das Kind? Dabin ich mir nicht sicher, ob das immer ganz bedacht wird.Auch Einschlafgewohnheiten bilden sich über das täglicheWiederholen der Situation heraus. Wenn das geradeeingeübt wird und ein zweijähriges Kind dann <strong>für</strong> einenoder zwei Tage woanders schläft – ich kann mir das schwervorstellen. Kinder sind eben nicht nur von Personen abhängig,sondern vom Ganzen: von Räumen, vom Kuscheltier,von der Bettdecke, von der Lampe im Flur, die beimEinschlafen noch an ist. Unterstützung der Familien imhäuslichen Umfeld, indem man eine „erweiterte Tagespflegezu ungünstigen Zeiten“ übernimmt, das scheint mirein vernünftiges Modell zu sein, um in einen Rhythmus zukommen und ihn zu erhalten. Wobei, wenn das jeden Tagjemand anderes wäre, das wäre auch ungünstig. Dann lieberkonstant in einer Einrichtung. Alles hat seine verschiedenenSeiten.Wie ist das in Trennungsfamilien? Wenn das Kindam Wochenende oder auch im wöchentlichen Wechselzwischen den Eltern pendelt? Oder das Drei-Wohnungen-Modell,bei dem die Eltern abwechselnd inder Kinderwohnung sind?ZPM NR. 23, DEZEMBER 2013 9


KINDERBETREUUNG RUND UM DIE UHRLetzteres geht nun gar nicht. Aber kann man nicht dasKind bei Mama oder bei Papa lassen, und der andere Elternteilkommt von Zeit zu Zeit und klinkt sich in den Alltagdes Kindes ein? Man müsste das mal erforschen: Wasbedeutet getrennte Verantwortung auf längere Sicht <strong>für</strong> dieKinder? Was bedeutet es <strong>für</strong> das Verständnis von sozialenAbläufen, in was <strong>für</strong> Verantwortlichkeiten wachsen Kinderhinein? Wenn sich alle Gedanken machen, wie man denBedürfnissen des Kindes gerecht wird, dann könnte ich mirvorstellen, dass Kinder in eine Kundenrolle hineinwachsen.Bei manchen gut institutionell versorgten Kindernkann man ja beobachten: Der richtige Blick da<strong>für</strong>, wo Mithelfen,Mitarbeiten nötig wäre, fehlt. Wenn es im Lebengetrennte Welten gibt, was passiert dann? Wenn mal Stressist, wenn ich Mist gebaut habe, und ich bin die nächstenzwei Tage woanders, dann ist das unterbrochen. Was passiertdann damit? Ist das dann geregelt, wenn ich wiederkommeoder wird da weitergemacht, wo man drei Tagevorher aufgehört hat? Ich hatte das mit meinem Großen.Da wurden Konflikte nicht ausgetragen. Da fühlte er sichgebremst, das machte er nicht spontan, denn am nächstenTag ist der Vater ja nicht da. Und irgendwann heißt es dannvielleicht „Och, bei Papa ist es nicht so schön.“ Was heißtdas jetzt, wenn Kinder den Abend in einer Einrichtung verbringen?Sind da Leute, die auch mal was auf den Punktbringen? Oder geht es ihnen darum, die Kundschaft zufriedenzu stellen? Die Gegenseitigkeit von Verantwortung istim institutionellen Kontext nicht so leicht herzustellen. Inder Familie sagt dann einer: „So, jetzt reicht‘s mir aber.“Es ist <strong>für</strong> mich eine offene Frage, wie weit sich all die sozialenFähigkeiten auch im institutionellen Kontext vermittelnlassen. Das ist überhaupt nicht klar. Es gibtErfahrungen mit kulturellen Entwicklungen, die sehr starkauf Institutionen gesetzt haben, etwa die Sowjetunion. Esentstehen Menschen, die durchs Leben gehen, als würdensie zu Besuch sein. Das wird in der Literatur beschrieben.Man kann in das Gefühl der Identifikation vieles einbeziehen,was nicht nur „meine Zahnbürste“ ist. Aber man mussirgendwo anfangen. Nicht bei der gesamten großen Welt.Man muss irgendwo anfangen, wo man noch innerlich mitkommt,wo man noch wachsen kann. Die Bindungsdiskussionist – was Kindertagesstätten betrifft – sehr stark aufAktion und auf Befriedigung von Bedürfnissen oder auf feinfühligenUmgang, auf Mitgefühl mit den Kindern gerichtet.Aber es geht auch darum: Was erwarte ich von dir, was erwartestdu von mir? Das kann man kultivieren, persönlichwachsen lassen. Man kann nicht irgendwo hingesteckt werden:„So jetzt bist du hier, und überall kriegst du dein Essen.Also, was willst du denn? Nun hilf mal kräftig mit.“ Soscheint der Mensch nicht zu funktionieren. Oder er funktioniert,aber es geht ihm nicht gut dabei.Ich würde mit der Herausbildung von Erwartungen operieren.Es muss <strong>für</strong> ein Kind möglich sein, Vorstellungenzu haben davon, nicht nur wo ich bin, sondern auch waspassieren wird. Ob das nun eine große Schwester ist odereine Betreuerin, die von einer Serviceagentur geschicktwird. Ein Kind muss eine positive Erwartung daran knüpfenkönnen, das heißt, das Geschehen muss ihm nicht willkürlicherscheinen. Das Kind muss eine Chance haben, seinHerz dran zu hängen. Und dann kann die Form verschiedensein. Vielleicht genießen es manche Kinder, dass sieeinmal in der Woche bei der Freundin schlafen. Oder anderegenießen es ganz doll, dass irgendjemand zu ihnenkommt „Wir lesen noch das Buch, und die macht es immerso schön.“ Solche Prozesse müssen laufen. Dazu müssendie Kinder auch mitkommen, mitdenken, hineinkommenin die Rhythmen, was passiert und was passieren wird. Siemüssen Vertrauen und Erwartungen bilden, das ist dieHauptsache. Solche Rhythmen funktionieren, wenn dasKind das Gefühl hat, das passiert, weil ich mir das gewünschthabe.Eine Familie, die unter dem Druck steht, wohin mit demKind in der Nacht, braucht sicher eine Hilfe von außen oderein Betreuungsangebot, das sie nutzen kann. Wenn Agenturenjetzt weiter denken und wirklich gucken, was <strong>für</strong>welche Familie gut ist, dann ist das eine sehr schöne Entwicklung.Man muss das begleiten: Was ist <strong>für</strong> eureFamilie gut, womit kommt ihr zurecht?Das Gespräch führte Helga Zeiher.HARTMUT KUPFERErziehungswissenschaftler und Pädagoge,arbeitet als Fachberater <strong>für</strong> Kindertagesstättenhttp://www.lebenswelt-berlin.de10 ZPM NR. 23, DEZEMBER 2013


KINDERBETREUUNG RUND UM DIE UHRDer Bedarf an Randzeitenbetreuung <strong>für</strong> unter DreijährigeErgebnisse der KiFöG Elternbefragung 2012Im Folgenden werden Ergebnisse der durch das <strong>Deutsche</strong> Jugendinstitutdurchgeführten KiFöG (Kinderförderungsgesetz)Bundesländer-Befragung aus dem Jahr 2012 von Eltern,deren ältestes Kind unter drei Jahre alt ist, vorgestellt. Zielder Erhebung war es, differenzierte Informationen zur Inanspruchnahmevon Kindertagesbetreuung in Kindertageseinrichtungenund in der Kindertagespflege sowie zu denBetreuungsbedarfen (auf der Bundeslandebene) bereitzustellen.Die Befragung fand überwiegend telefonisch statt (CATI).Der Anteil aller durch CATI erfassten Personen liegt bei 83,8 %.Einige Eltern füllten den Online-Fragebogen aus (CAWI;2,2 %). Den übrigen Eltern (14 %) wurde ein Fragebogen zugesandt,den sie ausfüllten und an das befragende Institut zurückschickten(PAPI). Weiterhin wurde die Haushaltssituationerhoben und es wurden sozio-demografische Fragen zur Auskunftsperson– die Befragte war in 92 % aller Fälle die Mutterdes Kindes – und des Partners gestellt. Der Umfang der Beobachtungenliegt aufsummiert bei N=12.541. Die Befragungwurde zwischen dem 8. Mai und dem 9. Juli 2012 durchgeführt.Gewünschte Betreuungszeiten in Ost- und WestdeutschlandDie Grafik stellt dar, zu welcher Uhrzeit die Betreuung der Kinderbeginnen und zu welcher Uhrzeit sie enden soll. Die dazunotwendigen Informationen wurden <strong>für</strong> alle sieben Tage derWoche erhoben. Da sich bei der Betrachtung des Beginns unddes Endes der Betreuungszeit ein sehr gleichartiges Muster <strong>für</strong>alle Werktage ergeben hat, werden die zentralen Ergebnissehier am Beispiel des Montags dargestellt. Eine bedeutsame Abweichungzu diesem Muster findet man nur <strong>für</strong> den Freitag,an dem der Anteil der Kinder zunimmt, <strong>für</strong> die „an diesem Tagkeine Betreuung gewünscht“ wird.Ost- und Westdeutschland unterscheiden sich deutlich hinsichtlichdes Betreuungsbedarfs: Während er im Osten der Republikbei 56,1 % liegt, benötigen im Westen lediglich 35,3 %der Eltern Kindertagesbetreuung <strong>für</strong> ihre unter Dreijährigen.Gleichzeitig ist der zeitliche Umfang des Bedarfs im Ostendeutlich höher. Dies zeigt sich insbesondere in den AnfangsundEndzeiten der Betreuung. Betreuung in Ostdeutschlandsoll früher beginnen und deutlich später enden. Um 7 Uhr sollenbereits 45 % aller an diesem Tag zu betreuenden Kinder inder Kita angekommen bzw. von der Tagesmutter in Obhut genommensein (Westen: 15 %). In Westdeutschland wird dergleiche Prozentsatz erst 50 Minuten später erreicht. Am hierdargestellten Tag soll im Westen die Hälfte der Kinder nurbis höchstens 14 Uhr betreut werden, im Osten hingegen bis15.50 Uhr. Bedarf an Betreuung nach 18 Uhr ist im Osten wieim Westen mit 3 % gering ausgeprägt. Betreuungsbedarf nach20 Uhr bzw. Übernachtbetreuung wurde von so wenigen Elterngeäußert, dass er nicht in der Grafik dargestellt werdenkann. Er liegt bei unter 0,1 %.Zwischen Großstädten und anderen Besiedlungsgebieten bestehenkeine wesentlichen Unterschiede im Hinblick auf dieRandzeiten. Allenfalls der Anteil der Kinder, <strong>für</strong> die in GroßstädtenBedarf an Kindertagesbetreuung besteht, ist höher(41,9 % im Vergleich zu 32,4 %).Tabelle 1 zeigt, dass der Anteil an Single-Müttern unter denTABELLE 1Partnerschafts- % Bedarf mit % Randzeitbedarf % Totalstatus „normalen“ vor 7 Uhr bzw.Randzeiten nach 18 UhrVerheiratet 80,1 69,3 78,7Nichteheliche 14,2 21,0 15,0LebensgemeinschaftLiving apart together 2,3 2,8 2,4Single 3,5 6,9 3,9Total 100,0 100,0 100,0Anzahl der 5663 1068 6731BeobachtungenAufteilung auf Eltern 87,3 12,7 1,0mit Betreuungsbedarf(in %)Knapp 47% der Eltern mit einem Randzeitbedarf vor 7 Uhr bzw. nach18 Uhr stammen aus Ostdeutschland; 53% aus Westdeutschland(wenn man Berlin insgesamt herausrechnet).Eltern mit Randzeitbedarf vor 7 Uhr morgens und nach 18 Uhrabends doppelt so hoch ist wie im Hinblick auf Eltern mit reinemKernzeitbedarf. Dabei ist der Anteil der Singles an denEltern sehr kleiner Kinder deutlich geringer als in der Gesamtbevölkerung.ZPM NR. 23, DEZEMBER 2013 11


KINDERBETREUUNG RUND UM DIE UHRTABELLE 2Erwerbsumfang % Bedarf mit % Randzeitbedarf % Totalder Mutter „normalen“ vor 7 Uhr bzw.Randzeiten nach 18 UhrVZ 35+ Stunden 16,2 38,4 19,1lange Teilzeit 18,0 23,9 18,825-34 Stundenkurze Teilzeit 18,5 12,6 17,715-24 Stundengeringfügig 7,7 4,3 7,31-14 StundenNicht erwerbstätig, 36,1 19,8 34,0Wiedereinstieg geplantNicht erwerbstätig, 3,5 0,9 3,2Wiedereinstiegnicht geplantTotal 100,0 100,0 100,0Anzahl der Beobachtungen 5115 967 6082Anmerkung: das Erwerbsverhalten der Mütter ohne Betreuungsbedarfsieht selbstverständlich nochmals ganz anders aus. DieAnzahl der Beobachtungen ist hier deutlich geringer, weil wir denSchulabschluss nur bei der befragten Person erhoben haben. Die befragtePerson war nicht immer die Mutter, sondern manchmal auchder Vater.Tabelle 2 bringt zum Ausdruck, dass Randzeitenbedarf besondersausgeprägt ist, wenn die Mutter in Vollzeit, das heißtmindestens 35 Stunden wöchentlich, erwerbstätig ist. Mit abnehmendemErwerbsumfang nimmt auch der Bedarf ab. Aberauch ein geplanter (Wieder-)Einstieg in die Erwerbstätigkeitführt zu erhöhten Angaben zum Bedarfs an Betreuung über dieKernzeiten hinaus.TABELLE 3Wöchentlicher % Bedarf mit % Randzeitbedarf % TotalBedarfsumfang „normalen“ vor 7 Uhr bzw.der Eltern <strong>für</strong> Randzeiten nach 18 Uhrihr Kind gesamtGeringer Bedarf 15,9 4,6 14,5bis 15 StundenBedarf >15 25,4 4,7 22,8bis 25 StundenBedarf nach erweiterter 26,2 6,3 23,7Halbtagsbetreuung(>25 bis 35 Stunden)Bedarf 15,8 5,2 14,4>35 bis 41 StundenIntensiver Bedarf 16,7 79,2 24,6von 42+ StundenTotal 100,0 100,0 100,0Anzahl der Beobachtungen 5663 1055 6718Es ist naheliegend, dass mit steigendem Bedarfsumfang auchdie Wahrscheinlichkeit steigt, Randzeitenbedarf zu haben.Dies verdeutlicht Tabelle 3. Bei vier Fünfteln aller Eltern mitRandzeitenbedarf lässt sich dieser mit einem wöchentlichenBetreuungsbedarf von mindestens 42 Stunden begründen.Solch intensive Bedarfe lassen sich zum größten Teil auf Vollzeiterwerbstätigkeit(beider Eltern) und längere Pendelstreckenzur Arbeit zurückführen.Details zu den Stichprobenmodalitäten und zur Gewichtungerhalten Sie bei Anfrage an die Autorin.SANDRA HUBERT<strong>Deutsche</strong>s Jugendinstitut, Münchenhubert@dji.dewww.zeitpolitik.de – Die Webseite der DGfZPSchauen Sie doch mal herein!Sie finden dort unter anderem:die Termine der nächsten Veranstaltungen,Zeitpolitische Impulse,Informationen über die bisherigen Jahrestagungen,alle Ausgaben des Zeitpolitischen <strong>Magazin</strong>s,Texte zur <strong>Zeitpolitik</strong> zum Download…12 ZPM NR. 23, DEZEMBER 2013


KINDERBETREUUNG RUND UM DIE UHRErgänzende Betreuung im SozialgesetzbuchIm Sozialgesetzbuch VIII – Kinder- und Jugendhilfe – vom29.6. 1990 sichert § 20 „Betreuung und Versorgung des Kindesin Notsituationen“:(1) Wenn ein Elternteil „aus gesundheitlichen oder anderenzwingenden Gründen“ ausfällt, „soll der andere bei der Betreuungund Versorgung des im Haushalt lebenden Kindesunterstützt werden, wenn 1. er wegen berufsbedingter Abwesenheitnicht in der Lage ist, die Aufgabe wahrzunehmen,2. die Hilfe erforderlich ist, um das Wohl des Kindes zu gewährleisten,3. Angebote der Förderung des Kindes in Tageseinrichtungenoder in Kindertagespflege nicht ausreichen.“(2) wenn dies alles zutrifft, soll „das Kind im elterlichen Haushaltversorgt und betreut werden, wenn und solange es <strong>für</strong>sein Wohl erforderlich ist.“Die Bundesländer realisieren dies auf sehr unterschiedlicheWeise (s. den Beitrag von Jana Teske). Hier zwei Beispiele:BerlinIn der Ausführungsvorschrift des Landes Berlin (zuletzt geändertam 21. 12. 2009) ist „ergänzende Betreuung“ in besonderenBedarfsfällen außerhalb der von Kindertageseinrichtungen,Tagespflegestätten und Horten angebotenen Zeitenals Jugendhilfeleistung geregelt. Das Land Berlin trägt einenTeil der Kosten der „Randzeitenbetreuung“ <strong>für</strong> alle Kinder vomvollendeten ersten Lebensjahr bis zum Schuleintritt, sofern einBedarf da<strong>für</strong> anerkannt wird. Jugendämter der zehn Bezirkeprüfen Grund und Umfang des Bedarfs an ergänzender Betreuung,errechnen und setzen den nach Einkommen gestaffeltenelterlichen Kostenbeitrag fest und bescheinigen diesalles auf einem „Kita-Gutschein“ (s. S. 15). Die Eltern könnenwählen, ob sie beim zuständigen Jugendamt um Vermittlungeiner Person, die in deren oder in der elterlichen Wohnung dasKind zu den notwendigen ergänzenden Zeiten betreut, bitten,ob sie dem Jungendamt selbst jemanden vorschlagen oder obsie den Gutschein bei einem von der zuständigen Senatsstelleanerkannten Träger einlösen. Den Jugendämtern obliegt auchdie Prüfung der Eignung der vermittelten Pflegeperson unddie Kontrolle der von ihnen vermittelter Pflege. Der Senat zahlt<strong>für</strong> ergänzende Betreuung denselben Stundensatz pro Kind,der <strong>für</strong> Tagesbetreuung gilt. Letzteres ist freilich darauf ausgerichtet,dass Tagesmütter/väter jeweils gleichzeitig mehrereKinder betreuen.Die Senatsverwaltung kann diese Aufgaben auch an freie undgewerbliche Träger delegieren, die, um wirtschaftlich arbeitenzu können, mit Unternehmen zusammenarbeiten, die den privatenKostenanteil <strong>für</strong> ihre Beschäftigten tragen. Diese Träger(dazu gehören u. A. AWO (s. S. 22 und KidsMobil (s. S. 20)schließen dann die Verträge mit den Eltern. Zu den Unternehmen,die solche Verträge mit dem Senat haben, gehören u. a.die großen Kliniken und die Freie Universität.In östlichen Bezirken Berlins entstanden nach 1990 Kinderbetreuungsprojektevon Selbsthilfeinitiativen und Frauenvereinen,von denen die meisten sich 1995 zum „NetzwerkBerliner Kinderbetreuungsprojekte“ zusammenschlossen.(s. S. 18) Die Sozialämter der Bezirke sowie Vereine vermittelnehrenamtliche „Ersatzgroßeltern“ in Familien. Das DiakokonischeWerk Berlin-Brandenburg unterhält eine entsprechendeKontaktbörse <strong>für</strong> ehrenamtliche Betreuungspersonen.HELGA ZEIHERMünchenDas Referat <strong>für</strong> Bildung und Sport der Stadt München ist zuständig<strong>für</strong> die öffentliche Kinderbetreuung und somit auchAufsichtsbehörde <strong>für</strong> alle Freien Träger – sowohl <strong>für</strong> Kindertagesstättenals auch <strong>für</strong> die Eltern-Kind-Initiativen. NachAuskunft aus diesem Referat gibt es kein öffentliches Angebot<strong>für</strong> späte Abend- und Nachtbetreuung. Allerdings haben etwa90 % aller Freien Träger Öffnungszeiten bis 18-18.30 Uhr, einigeauch bis 19 oder 20 Uhr. Diese sind dann jedoch nicht abdem frühen Morgen, sondern erst ab dem späten Vormittaggeöffnet. Immer wieder haben Freie Träger auch spätereAbend- oder Nachtbetreuung beantragt. Dies führte jedochnie zu einer Ausweitung des Angebots, da die Kosten zu hochwaren, um den geforderten pädagogischen Standard <strong>für</strong> diese(Sonder-) Angebote zu gewährleisten.YOLANDA KOLLER-TEJEIROZPM NR. 23, DEZEMBER 2013 13


KINDERBETREUUNG RUND UM DIE UHRKinderbetreuung zu ungünstigen Zeiten –ungünstig <strong>für</strong> Kinder?Rechtsanspruch und staatliche Förderungin der PraxisDer demografische Wandel und die rasanten Entwicklungender Wissensgesellschaft, die Unternehmen heute zu bewältigenhaben, bringen zunehmend die Notwendigkeit der Beteiligungvon Frauen an der Erwerbsarbeit mit sich. Die darauserwachsenden konflikthaften Flexibilitätsanforderungen inBeruf und privater Fürsorge ziehen allerdings erheblicheVereinbarkeitsprobleme nach sich. Da die Grundstruktur dergeschlechtlichen Aufteilung von Haushalts- und Sorgearbeiterhalten geblieben ist, baut sich dieses Spannungsfeld unveränderthauptsächlich als ein Problem <strong>für</strong> die Frauen auf. Diebisherigen familienpolitischen Maßnahmen haben es nichtvermocht, diese drängenden Fragen der <strong>für</strong>sorglichen Praxiszu lösen.Ein Weg zur Auflösung dieses Spannungsfeldes wird in derAuslagerung der Fürsorgearbeit aus der Familie gesehen.Diese Strategie erfordert unter anderem den Aufbau einer verlässlichenInfrastruktur sozialer Einrichtungen und Dienste<strong>für</strong> Kinderbetreuung und Pflege. Der Ausbau der Kinderförderungsangeboteinsbesondere <strong>für</strong> Kinder unter drei Jahrenim Zusammenhang mit dem seit August 2013 geltendenRechtsanspruch auf Förderung in einer Kindertageseinrichtungoder in Kindertagespflege <strong>für</strong> Kinder ab dem vollendetenersten Lebensjahr folgt nicht zuletzt diesem Ziel. Fraglich istjedoch, wie weit dieser Rechtsanspruch quantitativ und qualitativgeht und gehen sollte. Dazu gibt es unterschiedlicheMeinungen, Rechtsgutachten und zunehmend auch Rechtsprechung.Bundesgesetzlich geregelt ist, dass Kinderförderung<strong>für</strong> einen Teil des Tages oder ganztägig, gegebenenfallsüber Nacht stattfinden kann. Die weitere Ausgestaltung dieserRegelung in den Bundesländern erfolgt dann uneinheitlichund Bestimmungen der örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfeführen zu einer weiteren Ausdifferenzierung derKinderbetreuungslandschaft.Zur Kinderförderung zu ungünstigen Zeiten, d. h. in den frühenMorgenstunden, den Abend- und Nachtstunden sowie anden Wochenenden und Feiertagen, finden sich in den wenigstenBundesländern entsprechende Regelungen. Das führtdazu, dass diese Formen, wie die Praxis zeigt, zum Teil trotzRechtsanspruch nicht öffentlich gefördert werden.Aber nicht nur deshalb sind diese Kinderförderungsangeboteselten. Ein anderer Grund wird in der hohen Flexibilität gesehen,die den Kinderbetreuungspersonen mit der oft unregelmäßigenBetreuung zu diesen ungünstigen Zeiten abverlangtwird und das bei einer so geringen laufenden Geldleistung,dass diese damit in der Regel nicht ihre Existenz sichern können.Darüber hinaus findet Kindertagespflege zu ungünstigenZeiten auch oft im Haushalt der Personensorgeberechtigtenstatt. Hier<strong>für</strong> benötigen diese Kinderbetreuer/innen in derRegel keine Erlaubnis zur Kindertagespflege im Sinne des SGBVIII, was in Bezug auf die Sicherstellung einer Mindestqualitätkritisch diskutiert wird. An dieser Stelle ließe sich nunvorschnell als Lösung fordern, dass die rechtlichen und finanziellenRahmenbedingungen <strong>für</strong> die Kindertagespflege zuungünstigen Zeiten verbessert werden und dass die Akteureder Arbeitsfelder Kindertagespflege und Kindertageseinrichtungenweitere Konzepte entwickeln müssen, die eine Kinderförderungjeder Zeit in einer hohen Qualität sicherstellen.Das Wohl des Kindes muss vorrangigberücksichtigt werdenDoch diese Forderungen greifen deutlich zu kurz und vernachlässigendie viel zu selten diskutierte Perspektive des Kindes.Nicht gefragt wird in diesem Zusammenhang, ob und inwieweit(in welchem Umfang, ab welchem Alter, an welchen Ortenusw.) es Kindern überhaupt zugemutet werden kann undsollte, zu ungünstigen Zeiten auch außerhalb der Familie betreutzu werden. Unerwähnt bleiben bei dieser Debatte häufigdie am Kindeswohl und an den Bedürfnissen der Familienorientierten Grundlagen, wie z. B. die UN-Kinderrechtskonvention,die in ihrem Art. 3 feststellt, dass das Wohl desKindes bei allen Maßnahmen, die Kinder betreffen, gleich obsie von öffentlichen oder privaten Einrichtungen der sozialenFürsorge, von Gerichten, Verwaltungsbehörden oder Gesetzgebungsorganengetroffen werden, vorrangig zu berücksichtigenist. In ihrer Präambel haben sich die Vertragsstaaten daraufverständigt, dass das Kind zur vollen und harmonischen Entfaltungseiner Persönlichkeit in einer Familie aufwachsen soll.Zudem beruht das Übereinkommen auf der Erkenntnis, dassder Familie als Grundeinheit der <strong>Gesellschaft</strong> und natürlicherUmgebung <strong>für</strong> das Wachsen und Gedeihen aller ihrer Mitglieder,insbesondere der Kinder, der erforderliche Schutz undBeistand gewährt werden sollte, damit sie ihre Aufgaben innerhalbder Gemeinschaft voll erfüllen kann. Die Konvention überdie Rechte des Kindes hat die Bundesrepublik Deutschland vor21 Jahren, am 5. 4. 1992, unterzeichnet.Darüber hinaus ist auf nationaler Ebene bereits mit dem Siebten(2006), spätestens jedoch mit dem Achten Familienbericht(2012) verdeutlicht worden, dass Familie als wichtigste Ressource<strong>für</strong> die kindliche Entwicklung (vgl. Becker-Stoll 2010)eine Herstellungsleistung ist, die u. a. nur erbracht werden undgelingen kann, wenn Eltern und Kinder gemeinsame Zeit am14 ZPM NR. 23, DEZEMBER 2013


KINDERBETREUUNG RUND UM DIE UHRgleichen Ort verbringen können. Im Achten Familienberichtwird daher ebenfalls davon ausgegangen, dass Familie „unverzichtbareLeistungen <strong>für</strong> unser Gemeinwesen“ erbringt. „DieseLeistungen werden aber nicht selbstverständlich erbracht. Umzu gewährleisten, dass Familien die ihnen zugeschriebenenAufgaben auch zukünftig erfüllen können, brauchen sie Schutzund Unterstützung durch Staat und <strong>Gesellschaft</strong>. Eines der wesentlichenUnterstützungsmerkmale, auf die Familien dabeiangewiesen sind, ist ein hinreichendes und verlässlich verfügbaresMaß an Zeit <strong>für</strong> Familie.“ (Achter Familienbericht 2012,S. 1). Folgerichtig wird daher konstatiert, dass eine moderneFamilienpolitik der Familie und ihren Mitgliedern ermöglichenmuss, „über ihren Zeitgebrauch souverän zu entscheiden.“(a. a. O.).Dazu benötigen Familien allerdings entsprechende sozial- undarbeitsrechtliche sowie gleichstellungsorientierte Rahmenbedingungen.Insoweit fordert die Arbeiterwohlfahrt (AWO)an dieser Stelle, dass die Kinder- und Jugendhilfe ihrer Anwaltsfunktiongerecht wird und bei der Realisierung von Kinderförderungsangebotenvorrangig das Wohl des Kindes undnicht die Interessen der Wirtschaft im Blick hat. Des Weiterensetzt sich die AWO in diesem Zusammenhang <strong>für</strong> eine familienbewussteNeuausrichtung arbeitszeitrechtlicher Grundlagenein, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf <strong>für</strong> Frauenund Männer gleichermaßen möglich macht. Es sollten zudemgezielt Maßnahmen gefördert werden, die eine partnerschaftlicheVerteilung der Familien- und Sorgearbeit unterstützen.(vgl. Arbeiterwohlfahrt Bundesverband e. V. 2012) (s. denBeitrag von Dagmar Howe).FazitDie Bereitstellung und Erhöhung der Qualität von Angeboten<strong>für</strong> Kinder zu ungünstigen Zeiten sowie die öffentliche Förderungdieser Angebote sind zu begrüßen. Die Ausrichtung dieserAngebote am Wohl des Kindes und der Zeitsouveränitätvon Familien ist dabei grundlegend. Dazu gehört es auch, diezunehmenden Erwartungen an die Flexibilität, Mobilität undVerfügbarkeit von Arbeitnehmer/innen bei gleichzeitig ansteigenderMüttererwerbstätigkeit kritisch zu diskutieren. Dennmit diesen Anforderungen wird die Herstellungsleistung Familieim Sinne des Kindeswohls von Vätern und Müttern undinsbesondere von den Alleinerziehenden zunehmend schwererzu realisieren sein. Um das Spannungsfeld der drängendenFragen <strong>für</strong>sorglicher Praxis aufzulösen, können und solltendaher sowohl die geschlechtergerechte Fürsorgearbeit in derFamilie mit monetären Leistungen und <strong>Zeitpolitik</strong> gefördertals auch eine am Kindeswohl orientierte quantitative und qualitativeEntwicklung von Angeboten der Fürsorgearbeit außerhalbder Familie unterstützt werden.JANA TESKEArbeiterwohlfahrt (AWO) Bundesverband e.V.Arbeiterwohlfahrt Bundesverband e. V. (2012): Weimarer Erklärung„Chancengerechtes Aufwachsen in gemeinsamer Verantwortung– (An)Forderungen an eine Politik <strong>für</strong> Kinder, Jugendlicheund Familie“, Berlin.Becker-Stoll: Kindeswohl und Fremdbetreuung, in Zeitschrift <strong>für</strong>das gesamte Familienrecht, 2/2010, S. 77 ff.BMFSFJ (2012): Achter Familienbericht: Zeit <strong>für</strong> Familie. Familienzeitpolitikals Chance einer nachhaltigen Familienpolitik, Berlin.BMFSFJ (2006): Siebter Familienbericht: Familie zwischen Flexibilitätund Verlässlichkeit, Berlin.„Man muss sich jeden Fall genau ansehen.“Gespräch in einem Berliner JugendamtWarum bietet der Bezirk keine Kitas mit verlängertenÖffnungszeiten an?Bis 2006 hat es Versuche gegeben, in jedem Teil des Bezirkseine Kita anzubieten, die bis 19.30 Uhr geöffnet war.Das haben zu wenige Eltern angenommen, was von denZeiten und vom Angebot her gut nachvollziehbar ist. Mit19.30 Uhr ist vielen nicht geholfen. Gebraucht werdenabends noch längere Betreuungszeit und Zeit am Wochenende.Und es ist eine Kostenfrage. Auch wenn nur drei Kinderda sind, müssen zwei Erzieherinnen da sein. Und esfragt sich, ob es <strong>für</strong> die Kinder nicht schöner ist, wenn jemandzu ihnen nach Hause kommt, weshalb die Elternstets versucht haben, das Angebot nicht in Anspruch nehmenzu müssen.Betreuen Tagesmütter auch zu ergänzenden Zeiten?Lassen sie das Kind dann länger bei sich?Das kommt bei sehr kleinen Kindern sehr selten vor. DieTagesmütter, die regulären Tagesbetrieb haben und meistensja um 7 Uhr anfangen, können nicht bis 21 Uhr arbeiten.Die hätten dann ja eine enorm lange Arbeitszeit. DieBetreuungspersonen, die ergänzend arbeiten, machen inder Regel keine Tagespflege.Wie erfahren die Eltern, dass das Jugendamt helfenkann?Wer es sich leisten kann, stellt <strong>für</strong> ungünstige Zeiten privateine Kinderfrau, einen Babysitter oder eine Au-pair-Person ein. Jeder versucht es erst mit privater Hilfe. Erst,ZPM NR. 23, DEZEMBER 2013 15


KINDERBETREUUNG RUND UM DIE UHRwenn sie niemanden finden, kommen sie her. Das läuft überdie Kita, über den Jugendgesundheitsdienst, den Sozialhilfedienst,das Bürgeramt. Oder sie erfahren das von einerTagesmutter oder von anderen Eltern. Aktive Werbung machenwir aber nicht. Weil wir gar nicht so viele Leute haben,können wir nicht viel anbieten. Aber wenn der Bedarfan ergänzender Betreuung regelmäßig ist, etwa dreimal inder Woche oder an den Wochenende, dann ist es schwierig,jemanden privat zu finden, außer vielleicht Großeltern.Eine andere Möglichkeit ist der ehrenamtliche Großelterndienst.Das vermitteln wir nicht, sondern das Bürgeramt.Betreuung privat zu bezahlen, scheitert bei geringem Einkommenan der Bezahlung. Manche finden auch niemanden.Denn zu so ungünstigen Zeiten möchte niemand sogern arbeiten. Auch Regelmäßigkeit ist eine große Belastung.Deshalb haben wir nicht viele Leute, die bereit sind,das zu machen. Die suchen wir. Wir haben einen kleinenStamm von Leuten, z. B. Rentnerinnen, die sich was dazuverdienen wollen, und auch Studenten. Wenn wir niemandenhaben, dann suchen die Mütter selbst: machen einenAushang in der Kita oder im Internet.Wir überprüfen die Person dann. Das ist eine abgespeckteForm der Überprüfung, die <strong>für</strong> Tagespflegepersonen üblichist. Die ergänzenden Betreuungspersonen benötigennicht die Grundqualifikation von 160 Stunden. Aber Führungszeugnis,ärztliches Attest, Erste-Hilfe-Kurs. In Gesprächenmachen wir uns ein Bild davon, ob man derPerson ein Kind anvertrauen kann und wir sprechen mitder Mutter, machen vielleicht auch einen Hausbesuch. Dasist aufwändig, bis es dann losgehen kann. Wir haben vielmehr Anfragen von an dieser Arbeit Interessierten als nachder Überprüfung bleiben (etwa die Hälfte). Wir prüfendann auch weiter, ob sich das Kind beim engen Kontaktmit der Betreuungsperson wirklich gut entwickelt. Wir machenHausbesuche, wir rufen an oder die rufen an. Das gehörtzu unseren Aufgaben. Es gibt auch Fälle, wo Elternmit dem Wunsch kommen, jemanden zu überprüfen, densie vielleicht über eine Annonce gefunden haben und dannaber selbst bezahlen. Sie wollen mehr Sicherheit. Wir habenhier mehrere Schauspieler und Sänger, die uns umÜberprüfung bitten.Für uns ist die ergänzende Betreuung ziemlich arbeitsintensiv.Nicht bei dem kleinen Stamm an Betreuern, diewir haben, aber bei denen, die die Eltern sich selbst aussuchen,ist eine hohe Fluktuation zu beobachten. Die springenschnell wieder ab, wenn sie sehen, wie ungünstig dieZeiten sind. Dann ist unser ganzer Prüfaufwand vergebens.Auch <strong>für</strong> die Kinder ist das ja eine Belastung, wenn immerwieder andere Leute kommen.Welche Eltern wollen und brauchen ergänzendeBetreuung <strong>für</strong> ihr Kind?Partner, die ihre Schichtzeiten abwechselnd legen können,regeln das selbst. Dass Ehepaare zur gleichen ZeitSchichtdienst haben, ist sehr selten. Viele, die zu uns kommen,sind alleinerziehend, etwa 90 %. Wir haben ganz seltenEltern, die die Betreuung selbst bezahlen können.Es gibt ziemlich viele Anfragen von Eltern. Wir könnennicht alle zufrieden stellen. Derzeit arbeiten hier 40 ergänzendeTagespflegepersonen, 43 Kinder werden betreut.Das ist im Berliner Vergleich etwa der Durchschnitt. DieNachfrage ist gestiegen wegen der veränderten Arbeitszeiten.Hier kommen viele Eltern, die in niedrig verdienendenBerufen arbeiten: Altenpflege, Krankenpflege,Security-Dienst - das sind Schichtdienste. Oder Wochenendarbeiten,wie bei Postdiensten. In manchen Fällen habenwir den Eindruck, es steht in keinem Verhältnis, sowenig zu verdienen und die Kinder nur untergebracht zuwissen. Das ist kein erstrebenswertes Familienkonzept!Wie viel müssen die Eltern zuzahlen?Bis zum dritten Lebensjahr zahlen die Eltern zu, ab demvierten bis zum Schulalter ist es frei. Die Beiträge sind nachdem Einkommen gestaffelt.In welchem Alter werden Kinder ergänzend betreut?Ab drei Jahren bis zum Grundschulalter, vor allem. Abermanchmal auch länger, es ist möglich bis zum Ende des 12.Lebensjahrs. Bei Älteren, wenn die Mutter – meistens istes ja die Mutter – nachts arbeitet. Bei unter dreijährigenKindern ist ein erhöhtes Augenmerk auf die Betreuungsstundenzu richten, um das Kindeswohl nicht zu gefährden.Nichtsdestotrotz darf die teilweise familienunfreundlicheArbeitssituation der Eltern (vor allem deralleinerziehenden Elternteile) nicht außer Acht gelassenwerden. Als Beispiel wäre ein Arzt zu nennen, der die Betreuungseiner zweijährigen Zwillinge auf Grund der Erkrankungder Kindesmutter allein verantwortlich regelnmusste. In diesem Fall waren Nachtdienste und Überstundenim Krankenhaus betreuungsmäßig abzudecken.Des Weiteren sind folgende Lebenssituationen besonderszu beachten: Einschulung, Trennung der Eltern, Geburt einesGeschwisterkindes, Tod in der Familie usw. Grundsätzlichbleibt festzuhalten, dass akut erkrankte Kinderkeiner bestehenden Betreuungsform (Kita, Kindertagespflegeoder ergänzende Betreuungsform) ausgesetzt werdendürfen. In diesen Fällen muss eine familiäre Betreuunggewährleistet sein. So unentbehrlich ist niemand!16 ZPM NR. 23, DEZEMBER 2013


KINDERBETREUUNG RUND UM DIE UHRWie viele Stunden werden Kinder ergänzendbetreut?Das Gros der Kinder hat ja nicht so viele ergänzende Stunden.Mal 80, mal 30 im Monat. Samstags, wenn die Mutterim Verkauf oder bei einem Postdienst arbeitet. Wenndas jeden Samstag ist, hat das Kind eine Sechstage-Woche.Hier ist zu bedenken: wenn ein Kind sehr viele Stunden betreutwird, Kita oder Hort, dann Schule, dann wieder Hortund dann noch ergänzende Betreuung, da muss eventuellnach anderen Modellen gesucht werden. Man muss vomKindeswohl her denken. Es gibt berufliche Situationen,durch die Eltern ihre Kinder kaum noch sehen. Zum Beispielim Security-Dienst, da müssen sie um vier Uhr anfangen,oder sie sind im Spätdienst bis 23 oder 24 Uhr.Solche Arbeitszeiten gehen eigentlich gar nicht, wenn mankleine Kinder hat! Wir haben einmal ausnahmsweise beieiner Afrikanerin mit mehreren Kindern, die unbedingt arbeitenwollte, eine ergänzende Tagespflege eingerichtet,weil wir gerade jemanden hatten. Das war ein Ehepaar, dassich engagieren wollte. Die gehen morgens in die Familieund wecken die Kinder oder sie holen abends die Kinderaus der Kita und bleiben bis Mitternacht dort. Wo aber niemandin die Familie geht, müssen die Kinder woandersschlafen. Eine solche Mutter kann ihr Kind nur eine Wocheim Monat sehen, wenn sie zwischen den Schichten eineWoche frei hat!Solche Arbeitszeiten sind schon nicht ganz kinderfreundlich.Das ist schon Stress <strong>für</strong> die Kinder. Eigentlich reichtes schon, wenn sie tagsüber den ganzen Tag betreut werden.Wenn ein Kind in den Frühhort oder die Kita um 6Uhr geht, und wenn Hort oder Kita um 18 Uhr schließt,dann sind das 12 Stunden außerhalb der Familie. Und vielleichtsind es dann nicht die Eltern, die abholen. Undmanchmal geht es dann noch woanders hin…Wirtschaftsunternehmen und Arbeitgeber sind diejenigen,an die Forderungen zu richten wären, dies abzuwenden.Eltern mit Kleinkindern sollten familienfreundlicheArbeitszeiten angeboten werden. Die Frauen sind oft sehrunter Druck. Sie haben vielleicht schon alles Mögliche versucht,auch mit dem Arbeitgeber gesprochen, oder mit denVätern, die sich aber weigerten. Sie haben Angst, dass sieihren Arbeitsplatz verlieren. Das tut uns dann sehr leid.Wir fühlen uns dann selbst unter Druck. Manche sagenauch, dass sie es zu Hause nicht mehr aushalten. Sie wollenarbeiten, weil sie vielleicht schon ein paar Jahre zuHause sind.In einigen Fällen aber, wenn es nicht so viele Stundensind, ist eine ergänzende Betreuung sogar ganz gut. Daskann sogar eine Bereicherung <strong>für</strong> alle Beteiligten sein. Esgibt viele Familien mit Müttern, die sehr isoliert leben. Wirhaben hier z. B. eine Frau, die in Rente ist und die Betreuungschon lange macht. Die hat dadurch auch Kontakt. Diefreut sich, und die Kinder freuen sich. Oft freunden sichdie Eltern mit der Tagespflegeperson an.Übernacht-Betreuung kommt meist nur gelegentlich vor,aber manchmal, bei Schichtdienst, regelmäßig. Wenn dieBetreuungsperson nicht bereit ist, in den Haushalt zu gehen,vielleicht hat sie ja selbst Kinder, dann schläft dasKind bei ihr. Dass Betreuer in der Wohnung schlafen, istselten. Denn irgendwann am Abend kommt Mutter oderVater ja nach Hause. Wir hatten eine Familie, da warenbeide Eltern Sänger, die oft auf Tournee gehen. Da habenwir dann erst eine Tagesmutter gefunden und dann anschließendeine ergänzende Betreuung, die in der Wohnungder Betreuungsperson stattfand. Denn die Elternhatten so schwierige Temperamente, dass sich keine Pflegepersonfand, die in die Familie gehen wollte. Aber dasläuft jetzt gut; das Kind fühlt sich da sehr wohl.Wenn ergänzende Betreuung notwendig ist, ist es am bestenin der eigenen Wohnung des Kindes. Die Kinder sindja den ganzen Tag lang in großen Gruppen, müssen sichständig anpassen und sich durchschlagen. Dann brauchensie Ruhe zu Hause und im günstigen Fall auch eine guteBeziehung zur Pflegeperson.Aber in manchen Fällen müssen wir dann sagen: „So wieSie sich das vorstellen, geht es nicht. Das können Sie sichund Ihrem Kind nicht antun. Das ist es nicht wert. Ganzschnell sind ein paar Jahre um und Sie werden es bedauern,sich und dem Kind nicht mehr Zeit gewidmet zu haben.“Solche Gespräche – das unterscheidet uns vongewerblichen Trägern. Wir haben ja eine ganz andereSichtweise. Wir haben die Kinder im Fokus, gleichwohlmöchten wir auch die Mütter unterstützen und gucken,dass es allen gut geht. Gerade die ergänzende Betreuungist sehr vielfältig. Man muss sich jeden Fall genau ansehen.Es ist ganz wichtig, dass es so bleibt.Das Gespräch führte Helga Zeiher.ZPM NR. 23, DEZEMBER 2013 17


KINDERBETREUUNG RUND UM DIE UHRIn Kooperation mit JobcenternEin Modell freier Träger zu ergänzender BetreuungIm bundesweiten Vergleich ist das Berliner System der Kinderbetreuungdifferenziert und flexibel. Dennoch: nicht immerbietet es passgenaue Kinderbetreuungslösungen. In einerStadt wie Berlin funktionieren großfamiliäre Strukturen oderandere private Netzwerke vergleichsweise nicht so wie anderswo.Deshalb sind private Lösungen oft nicht ausreichendvorhanden. Professionelle Dienstleistungen auf dem BerlinerMarkt der Kinderbetreuung sind <strong>für</strong> Familien mit Kindern oftnicht bezahlbar.Wer über moderne Möglichkeiten von Betreuungssettings zueher untypischen Zeiten redet, trifft „den Nerv der Zeit“. SolcheAngebote müssen nicht dem Kindeswohl widersprechen(ein häufig anzutreffendes Vorurteil). Sie können durchausdem kindlichen Bedürfnis nach Struktur und Kontinuitätgerecht werden. Auch der Beziehungsaufbau ist möglich. ImBewusstsein solcher Vorurteile in die Diskussion zu gehen, istZiel dieses Beitrages.Das „Netzwerk Berliner Kinderbetreuungsprojekte“Nach 1990 entstanden zunächst in den östlichen BezirkenBerlins wegen der großen Nachfrage nach Kinderbetreuungaußerhalb der Öffnungszeiten von Kita und Hort Kinderbetreuungsprojektevon Selbsthilfeinitiativen und Frauenvereinen.Alleinerziehende sollten gestärkt werden. Im Kontextdes Zeitstrukturwandels und der Zunahme von atypischenBeschäftigungsverhältnissen haben aber auch ZweielternfamilienBedarf an ergänzender Kinderbetreuung.In jenen Jahren entstand eine Studie zum Bedarf an flexiblenKinderbetreuungszeiten bei Einelternfamilien. Sie brachte dasProblem Zeit und Zeitdruck, insbesondere bei Einelternfamilien,auf den Punkt. Ziel der Studie war es, eine Ungleichheitsanalysevorzunehmen und bestehende Bedürfnisse möglichstumfassend darzustellen. Zentraler Lösungsvorschlag war dieEinführung flexibler Kinderbetreuungsformen, um dem immergrößer werdenden Bedarf an nicht regulären Betreuungszeitengerecht zu werden. Die Studie, die von der Jugend- undFamilienstiftung des Landes Berlin gefördert wurde, beschriebsehr konkret die Lebenslagen der Betroffenen. In Tiefeninterviewswurden typische Situationen hinsichtlich des Zeitbudgetsund der flexiblen Kinderbetreuungszeiten analysiert.(Fischer 1998).Es blieb nicht bei vereinzelten Initiativen: Freie Träger schlossensich 1995 berlinweit im „Netzwerk Berliner Kinderbetreuungsprojekte“zusammen, das es noch immer gibt (www.shiaberlin.de/Kinderbetreuung/Netzwerk).Zu ihm gehörte dasFrauenzentrum Paula Panke und der Verein SHIA, Selbst-HilfeInitiative Alleinerziehender, Landesverband Berlin, derdas Netzwerk von Anfang an koordiniert.In diesem Netzwerk wurden mehr als zwei Jahrzehnte langzwei Modelle praktiziert:• Zum einen handelt es sich um ein Modell mit Ehrenamtlichen.Familien wird eine Unterstützung im Alltag angeboten.Die ehrenamtliche Arbeit auf diesem Gebiet ist hilfreichund sehr zu schätzen. Geht es aber um die Vereinbarkeit vonFamilie und Erwerbstätigkeit und um regelmäßige Betreuungszeitenam frühen Morgen, am späten Abend oder in derNacht, dann sind Ehrenamtliche nicht die richtigen Ansprechpartner/innen.Diese Projekte können – auch nacheigener Einschätzung – hier keine zuverlässige und auchkeine passgenaue Lösung anbieten.• Zum anderen handelte es sich um ein (Auslauf)Modell, dasfinanziert wurde über Berliner Jobcenter. In Kooperationmit diesen konnte bis Ende 2011/Anfang 2012 von freienTrägern ergänzende Kinderbetreuung außerhalb der Öffnungszeitenvon Kita und Hort angeboten werden. DerFokus lag auf der Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit.Mehrheitlich älteren Frauen mit Familienkompetenzenund oft wenig Chancen auf dem ersten Arbeitsmarkteröffnete das Projekt eine zeitweilige Erwerbsperspektive.Heute ist die Finanzierung nicht mehr möglich, da – so dieBegründung – das Angebot von familienpolitischen Leistungennicht zu den originären Aufgaben der Jobcenter gehörten,sondern dies Aufgabe der Kommunen sei.Das Modell der Kooperation mit JobcenternFlexibilität und Mobilität im Erwerbssektor war auch in denBerufsgruppen spürbar, aus denen Eltern nach besonderemUnterstützungsbedarf suchten: Sie arbeiteten in der Gesundheitswirtschaft,der Altenpflege, der Dienstleistungsbrancheoder auch der Kreativwirtschaft. Aber auch Aus- und Weiterbildungwie Studium erforderten ergänzende Kinderbetreuung.Das Modell richtete sich an Alleinerziehende bzw.Zweielternfamilien vorwiegend aus sozial schwachen Einkommensgruppen.Je nach Möglichkeit und Rahmenbedingungwurde das Angebot angepasst und weiterentwickelt.Der Bedarf war ganz unterschiedlich: Konkret ging es um früheMorgen- oder frühe Abendstunden und um das Wochenende.Manchmal war eine Betreuung über Nacht nötig. Nachgefragtwurden die Betreuung in den Ferienzeiten oder auch Notfalllösungen.18 ZPM NR. 23, DEZEMBER 2013


KINDERBETREUUNG RUND UM DIE UHRIm Fokus standen die Kinder (im Alter bis 10/12 Jahre) mitihren Bedürfnissen nach klaren Strukturen, nach Beziehungskontinuitätund mit einem Recht auf Verlässlichkeit. Ihre Elternwollten sie jeweils nicht länger als nötig betreuen lassen,sie wollten passgenaue Kinderbetreuung.Das Modell bot ergänzende Kinderbetreuungsbausteine nachBedarf: Die Kinder wurden nach telefonischer Kontaktaufnahmeund Bedarfsabschätzung <strong>für</strong> ergänzende Betreuung,dem obligatorischen Hausbesuch und persönlichem Kennenlernenim Haushalt der jeweiligen Familie betreut. Basis warein Betreuungsvertrag. Er enthielt: Personendaten, Festlegungenzu den Rahmenbedingung der Betreuung, Ansprechpartner/innenim Notfall usw. und fixierte den einkommensabhängigenElternbeitrag.Es gab zwei Bausteine der ergänzenden Kinderbetreuung:• Hausbetreuung: Wenn die Schauspielerin abends Vorstellunghatte, die Krankenschwester zum Frühdienst ging oderdie Studentin am Wochenende an ihrer Abschlussarbeit saß– dann kamen Kinderbetreuer/innen ins Haus. Auch Schließzeitender Kitas sowie dienstliche Notsituationen – unvorhersehbareÜberstunden, kurzfristig angeordnete Dienstreisen –oder auswärtige Vorstellungsgespräche, der krankheitsbedingteAusfall der Tagesmutter erforderten dies.• Begleitservice, damit Kinder therapeutische Maßnahmenwie Freizeitaktivitäten wahrnehmen oder an der Nachhilfeteilnehmen konnten.Kranke Kinder wurden nicht, Kinder in der Genesungsphasewurden gelegentlich betreut. Die Kinderbetreuuer/innenmischten sich nicht in den Erziehungsstil der Eltern ein. Fürdie Hausarbeit in den Familien waren sie nicht zuständig.Für die freien Träger – sie entschieden nach Zuweisung derJobcenter letztlich über die Einstellungen – waren bei derPersonalauswahl soft skills wie „kinderlieb sein“, Familienerfahrungenund entsprechende Kompetenzen maßgeblich.Oft arbeiteten in den Projekten Personen, die selbst Elternbzw. Großeltern waren. Mehrheitlich waren dies Frauen.Die Projektkoordinatorin organisierte dann regelmäßig Teamsitzungen,nach Bedarf gab es Fallbesprechungen im Teamoder auch Einzelgespräche mit den Kinderbetreuer/innen.Diese wurden zu grundlegenden rechtlichen, pädagogischenund pflegerischen Fragen der Kinderbetreuung geschult: ErsteHilfe, der Kinderschutz, die Freizeitpädagogik oder die Erzählkultur.Wenn es die Rahmenbedingungen zuließen, gab es pädagogischeSchwerpunkte in der Qualifizierung: Umwelterziehung,Medienpädagogik, interkulturelle Kommunikation oder Ernährungserziehung.Wenn ein Weiterbildner in die Qualifizierungeinbezogen werden konnte, erhielten die FrauenZertifikate.Es wurde Mischfinanzierung gewählt: Wie eingangs geschildert,waren öffentliche Geldgeber und einkommensabhängigeElternbeiträge Basis <strong>für</strong> die Finanzierung der ergänzendenKinderbetreuung. Es gab ein nach Einkommen der Eltern gestaffeltesPreissystem.Eine KurzbilanzVorteile des Modells• Unterstützung einkommensschwacher Alleinerziehenderund Zweielternfamilien. Das gestaffelte Preissystem ermöglichtees, dass staatlich getragene Kosten <strong>für</strong> Kinderbetreuungzu besonderen Zeiten Familien im unterenEinkommensbereich zugutekamen. Besser gestellte Familientrugen einen größeren Anteil der Kosten der Kinderbetreuungselbst.• Die ergänzende Kinderbetreuung minimierte Zeitprobleme.Für die Kinder ergab sich ein besonderer Mehrwert: Die ausschließlicheZuwendung einer erwachsenen Person mit vielZeit <strong>für</strong> sie.• Ausbildung, Studium, Fortbildung wie atypische Beschäftigungszeiten– viele Familien konnten aufgrund der passgenauerenKinderbetreuung ihre Stellung im Erwerbslebenverbessern. Entschleunigung im Erwerbsleben war <strong>für</strong> Elternein Gewinn. Betreuung von Kindern in der Genesungsphasereduzierte Fehlzeiten der Eltern und minimiertefehlzeiten-bedingte Entlassungen.Nachteile des Modells• Aufgrund der Förderbedingungen konnte kein berlinweitesAngebot unterbreitet werden.• Alle flexiblen Betreuungsangebote beruhten auf prekärerBeschäftigung bzw. wurden über den zweiten Arbeitsmarktfinanziert. Aufgrund der Rahmenbedingungen <strong>für</strong> die Projektarbeitbot sich keine langfristige Perspektive und Verlässlichkeit<strong>für</strong> die Familien.• Kurze Laufzeit der Kinderbetreuungsprojekte: Effektivitätsverlustedurch Anlauf- und Auslaufzeiten, wechselndeBezugspersonen <strong>für</strong> die Kinder – dies sind aus Sicht derfreien Träger Probleme des Modells.Ergänzende Kinderbetreuung – quo vadis?Bis heute kontaktieren Eltern die freien Träger und erkundigensich nach dem nicht mehr zur Verfügung stehendenAngebot (s. www.shia-berlin.de/beratung). Verstetigungsmöglichkeiten<strong>für</strong> die modellhafte Arbeit konnten bisher nichterschlossen worden. Es gibt Initiativen unterschiedlicher BerlinerAkteure, modellhafte Lösungen auf der Basis ressortübergreifenderZusammenarbeit zu entwickeln. Die Erfahrungender freien Träger fließen vielfach in der Zusammenarbeitmit solchen Akteuren ein.ZPM NR. 23, DEZEMBER 2013 19


KINDERBETREUUNG RUND UM DIE UHRFragen, die in diesem Kontext zu beantworten sind:• Welchen Bedarf an ergänzender Betreuung gibt es aktuelltatsächlich und wie führt man geeignete Bedarfsanalysendurch?• Welche Besonderheiten haben großstädtische Räume wieBerlin und wie kann diesen Rechnung getragen werden?• Welche qualitativen Anforderungen gibt es an Betreuungssettingsaußerhalb der Öffnungszeiten von Kita und Hort?Wie kann man dem Wohl und den Bedürfnissen der Kindergerecht werden?• Welche Partner – Unternehmen, Jugendämter, Anbieter/innen– müssen in die Diskussion einbezogen werden? Wie siehtes mit dem (Fach)Kräftebedarf an Kinderbetreuer/innen aus?• Welche Umsetzungs- und Finanzierungsvarianten gibt es?Welche sind perspektivisch denkbar? Wie sieht es mit denrechtlichen Rahmenbedingungen in Berlin aus, wo könntenachgebessert werden?Kathleen Fischer(1998): Leben auf der Überholspur? Einelternfamilienim gesellschaftlichen Zeitstrukturwandel. Ein Plädoyer<strong>für</strong> mehr Zeitsouveränität. Berlin.www.shia-berlin.de/Kinderbetreuung/Netzwerk. Die Broschüre„Vom Netzwerken der Frauen. – Das Beispiel des Netzwerks BerlinerKinderbetreuungsprojekte“ findet sich hier zum Download.Zusammengestellt von H. Z. aus Textenund mündlichen Mitteilungen vonKATHLEEN FISCHERProjektleiterin„Berlinweite ergänzende und flexible Kinderbetreuung“Kathleen.fischer@shia-berlin.deFür Kinder von Ärzten, Pflegern und ForschernNotfallbetreuung durch KidsMobilKrankenhäuser haben an 365 Tagen im Jahr 24 Stunden geöffnet.Ein Großteil der Beschäftigten arbeitet im Dreischicht-System. Ohne unterstützenden familiären Rahmen sindMitarbeiter/innen mit Kindern auf Betreuungssysteme angewiesen,die auch nachts oder an Wochenenden greifen.Wechselschicht-System, Fachkräftemangel und eine zunehmendeAnzahl an Alleinerziehenden führen dazu, dass BerlinerKlinikunternehmen sich seit Jahren um eine Verbesserungder Vereinbarkeit von Familie und Berufstätigkeit bei ihrenMitarbeiter/innen bemühen. Angesichts dieser Situation entstand2006 in Berlin KidsMobil (inzwischen in Trägerschaftder SOCIUS – die Bildungspartner GmbH) in Kooperation mitden Berliner Klinikunternehmen Vivantes – Netzwerk <strong>für</strong> GesundheitGmbH und Charité-Universitätsmedizin Berlin. Inzwischenmachen weitere Berliner Klinikbetreiber undBerliner Hochschulen (FU Berlin, Bereiche der Humboldt-Universität) von dem Angebot Gebrauch.Bedarf der KlinikenBeide Klinikunternehmen hatten im Jahr 2005 Mitarbeiterbefragungenu. a. zur Problematik der Kinderbetreuungdurchgeführt. Vivantes hatte damals zehn Klinikstandorte inBerlin mit ca. 13.000 Mitarbeiter/innen, die ca. 8000 Kinderim betreuungsbedürftigen Alter hatten. Die Charité hatte ca.14.500 Beschäftigte an vier Standorten. Neben den Beschäftigtenin Klinik- und Pflegereich, die in allen Kliniken im Dreischicht-Systemarbeiten, ging es bei der Bedarfsklärung derCharité auch um die Mitarbeiter/innen der Fakultät, die inWissenschaft, Forschung und Lehre nicht an traditionelleDienstzeiten und regelrechten Dienstschluss gebunden sind.Bedingt durch die Öffnungszeiten der regulären Kinderbetreuungseinrichtungenzeigten sich insbesondere bei Alleinerziehendenoder wenn beide Elternteile im Schichtdienst arbeitenBetreuungsengpässe während der Regeldienste des Klinikpersonalssehr früh morgens, am späten Nachmittag/frühenAbend, nachts und am Wochenende . Für diese Mitarbeiter/innen,die wie alle anderen die Kinderbetreuung während ihrerRegeldienste privat organisieren müssen, ist Arbeiten imSchichtdienst nur möglich, wenn ein funktionierendes sozialesSystem existiert, auf das die Mütter bzw. Väter zurückgreifenkönnen. Fallen privat organisierte Betreuungspersonenaus, kann die berufliche Existenz und die finanzielle Sicherungder Familie ins Wanken geraten. Daher ist es nachvollziehbar,dass Alleinerziehende eher unter der KidsMobil-Nutzungsoption„Ausfall der Regelbetreuung“ auf das Angebot KidsMobilzurückgreifen müssen. Das ist aber nur mit Einverständnisder Vorgesetzten möglich, also auch abhängig vom Verhältniszur vorgesetzten Person und deren Verständnis <strong>für</strong> die Situationund Kenntnis des Angebots KidsMobil.20 ZPM NR. 23, DEZEMBER 2013


KINDERBETREUUNG RUND UM DIE UHRDie Bedarfsanalysen zeigten außerdem, dass es bei der Betreuungkranker/genesender Kinder und bei Schließung (z. B. in denFerien) oder Ausfall der regulären Kinderbetreuungsangebotezu Engpässen kam, <strong>für</strong> die Lösungen zu finden waren.Bei der Charité gibt es bei den in Forschung und Lehre, bedingtdurch die oft zu frühen Schließzeiten der regulärenKinderbetreuungseinrichtungen, einen regelmäßigen Betreuungsbedarfam späten Nachmittag/frühen Abend.Alle festgestellten Bedarfe erforderten äußerst flexible, individuelleund passgenaue Angebote an Kinderbetreuung, um dieMitarbeiter/innen zu entlasten und den Arbeitsablauf imUnternehmen zu verbessern. Zudem sollte der Einsatz vonLeasing-Personal reduziert und Stammpersonal gezielter eingesetztwerden.Das Angebot von KidsMobilKidsMobil ist in dienstlichen Notsituationen Kinderbetreuungim elterlichen Haushalt. Es ist ein <strong>für</strong> die Mitarbeiter/innenkostenloser Kinderbetreuungsservice außerhalb der Regelbetreuungszeitdes Kindes. Die Betreuung von Kindern im Altervon 4 Monaten bis 12 Jahren kann an allen Tagen und zujeder Zeit zu Hause erfolgen, wenn das Kind krank war undnoch nicht wieder zur Schule oder in die Betreuungseinrichtungkann, die Regelbetreuung durch Kita oder Hort (z. B.durch Streik), Tagesmutter oder Babysitter unerwartet ausfälltoder wenn kurzfristig Dienste übernommen oder Überstundengemacht werden müssen (Einspringen <strong>für</strong> erkrankteKolleg/innen). Abhol- oder Bringedienste von und zur Betreuungseinrichtungund andere Betreuungsorte als die elterlicheWohnung, wie etwa Spielplatz, Schwimmbad oder Kino, lassensich schriftlich vereinbaren.Die Unternehmen erwerben Jahreskontingente an Kinderbetreuungsstunden,von denen sie Mitarbeiter/innen kostenloseStunden zur Verfügung stellen, wenn deren Anwesenheitaus dringenden betrieblichen Gründen erforderlich ist, derenKinder aber dann nicht betreut wären. Eine dienstliche Notsituationmuss also festgestellt werden und die jeweiligen Führungskräftemüssen den Auftrag an KidsMobil erteilt haben.Dienstliche Notsituationen liegen z. B. dann vor, wenn der Arbeitsablaufin Klinik oder Station durch den kurzfristigen Ausfallvon Mitarbeiter/innen gefährdet ist. Sie sind nicht zuverwechseln mit persönlichen Notsituationen. Nach derschriftlichen Auftragserteilung rufen die Eltern die Koordinationsstellevon KidsMobil an, die innerhalb kurzer Zeit eine/nBetreuer/in vermittelt. Eltern und Betreuungsperson besprechenden Betreuungsablauf. Es kann auch kurzfristig ein Vorstellungsgesprächim Haushalt der Familie vereinbart werden.Eltern und ihre Kinder haben so bereits im Vorfeld die Möglichkeit,Betreuer/innen kennen zu lernen.KidsMobil-Mitarbeiter/innen sind versichert, haben einenaktuellen Erste Hilfe-am-Kind-Kurs absolviert sowie Referenzenund ein erweitertes, polizeiliches Führungszeugnis vorgelegt.Es sind fast ausschließlich Honorarkräfte (zwischen 30und 50 Personen), die die Betreuungsarbeit als Nebentätigkeitneben Studium, Ausbildung (im pädagogischen Bereich) oderanderen freiberuflichen oder angestellten Beschäftigungenmachen. Je nach Auftragslage und eigener Flexibilität betreuensie ein, zwei oder auch viele Familien in unterschiedlichenBerliner Bezirken und zu sehr unterschiedlichen Zeiten.Die Arbeit erfordert ein hohes Maß an pädagogischer Erfahrungund Sensibilität <strong>für</strong> die Bedürfnisse unterschiedlichsterFamilien, Spontaneität, Flexibilität, Pünktlichkeit, Zuverlässigkeitund natürlich den einfühlsamen Umgang mit Kindernund Eltern.In den beteiligten Kliniken wird das Angebot von KidsMobilheute etwa zu gleichen Teilen von Ärzten/innen, und an derCharité Wissenschaftler/innen und Lehrbeauftragten einerseitsund Pflegepersonal und Funktionsdiensten der Klinikenandererseits wahrgenommen. Die großen Klinikbetreiber Vivantes-Netzwerk<strong>für</strong> Gesundheit und die Charité Universitätsmedizingarantieren inzwischen die Abnahme mehrererTausend Betreuungsstunden im Jahr. Im Winter, bedingtdurch mehr Erkältungskrankheiten bei Kindern, machen diesog. „Krankenbetreuungen“ etwa die Hälfte der KidsMobil-Einsätze aus, die andere Hälfte betrifft Früh-/Spät-, NachtoderWochenenddienstzeiten.Die Betreuung akut erkrankter Kinder übernimmt KidsMobilnicht. Betreuungen genesender Kinder werden häufiger vonÄrzten/innen und Wissenschaftlern/innen nachgefragt alsvon Mitarbeitern/innen aus dem Pflegebereich. Unter Letzterenscheint es eher normal zu sein, die „Kind-krank-Tage“ vollauszuschöpfen, während Ärzte/innen auf den Stationen nurschwer oder gar nicht ersetzt werden können und auch unterDruck von Kolleginnen und Vorgesetzten eher bereit sind, ihregenesenden Kinder fremd betreuen zu lassen.Bei kurzfristigen Dienstübernahmen – z. B. Einspringen <strong>für</strong>erkrankte Kollegen/innen oder bei kurzfristigem Ausfall derprivat geplanten Kinderbetreuung (Erkrankung/Absage vonBabysitter, Großeltern, Familienangehörigen, Tagesmütternoder einer ergänzenden Tagesbetreuung) können Vorgesetzteeine Betreuung durch KidsMobil veranlassen. Dieses Angebotwird häufiger von speziell qualifizierten und nur schwer durchLeasing-Personal ersetzbaren Mitarbeitern/innen aus demPflegebereich oder Ärzten/innen wahrgenommen: z. B. Hebammen,OP-Schwestern, Anästhesisten/innen.In jüngster Zeit hat in der Charité der Anteil von Wissenschaftler/innenaus DFG-geförderten Sonderforschungsbereichenzugenommen, deren Randzeiten-Betreuungsbedarf nicht un-ZPM NR. 23, DEZEMBER 2013 21


KINDERBETREUUNG RUND UM DIE UHRter die Notfalloptionen der KidsMobil-Betreuung fällt. Daherwerden die Kosten nicht über die Stundenkontingente derKlinik abgerechnet, sondern können aus dem DFG-Projekt-Budget <strong>für</strong> Gleichstellungskosten finanziert werden. Entsprechendesgilt <strong>für</strong> Wissenschaftler/innen in Sonderforschungsbereichender Freien Universität und der Humboldt-Universität.Deren regelmäßiger Bedarf am spätenNachmittag, 16.00-19.00 Uhr, oft mehrmals in der Woche,lässt sich mit dem KidsMobil-Notbetreuungkonzept jedochnur schwer vereinbaren und ist im Hinblick auf den Einsatzdes Betreuungspersonals nicht unproblematisch.An der Freien Universität betreibt das Studentenwerk eineKindertagesstätte mit mehr als 200 Betreuungsplätzen <strong>für</strong>Kinder im Alter von acht Wochen bis zum Schuleintritt, diewerktags von 7.30 Uhr bis 18.30 Uhr, mittwochs aber nur bis17 Uhr öffnet. Für unvorhersehbare Notsituationen bietet dasFU- Familienbüro den Kids Mobil-Service an.KidsMobil organisiert hier auch Konferenz-Kinderbetreuung,deren Finanzierung aber Teil der Tagungsplanung der jeweiligenProjekte und Fachbereiche ist. KidsMobil schickt auchmanchmal Betreuer/innen in die von den Familienbüros derFU und der HU eingerichteten „Familienzimmer“.Zur Entwicklung von KidsMobil seit 2006Selbst in sehr großen Unternehmen mit vielen Mitarbeitern/innen mit Kindern im betreuungsbedürftigen Alter ist immernur ein sehr kleiner Teil davon bereit, das Angebot KidsMobilzu nutzen. Gerade <strong>für</strong> Eltern kleiner Kinder ist es ein Problem,dass KidsMobil besonders in Zeiten großer Nachfrage nichtgarantieren kann, dass immer dieselbe vertraute Betreuungspersonden Einsatz macht. Eltern wünschen sich immer diegrößtmögliche Beziehungs- und Betreuungskontinuität <strong>für</strong>ihre Kinder. Da KidsMobil ein reines Notbetreuungsangebotist, kann es diese Kontinuität nicht garantieren. RegelhaftenBetreuungsbedarf außerhalb der Öffnungszeiten von Kita undHort abzudecken, passt zum einen nicht in das Konzept derdienstlich relevanten Notfallbetreuung, zum anderen wäreetwa eine regelhafte zweistündige Frühbetreuung auch zu wenigrentabel <strong>für</strong> einen gewerblichen Dienst wie KidsMobil.Hier<strong>für</strong> müssten andere Formen gefunden werden.Das Modell KidsMobil ist nur ein zusätzlicher Baustein zurbesseren Vereinbarkeit von Arbeit und Familie. Der Bedarf anflexibler ergänzender Betreuung ist groß. Er muss gesellschaftlichanerkannt werden. Es müssen flexible Regelbetreuungsangebotemit Finanzierungsformen entwickelt werden, die <strong>für</strong>alle Eltern passen, nicht nur <strong>für</strong> Mitarbeiter/innen engagiertergroßer Unternehmen. Seit Gründung von KidsMobil 2006hat sich hier bereits viel getan in der Bereitschaft von Firmenund in Kommunen.Im Überschwang der Flexiblisierungsdebatten darf man aberdas Kindeswohl nicht aus dem Auge verlieren. Eltern verlangenzu Recht Betreuung in einer vertrauten Umgebung durchfeste Betreuungspersonen. Die Entwicklung und Umsetzungentsprechender Konzepte und vor allem die Sicherung einerhohen Betreuungsqualität durch gut ausgebildetes und entsprechendbezahltes Betreuungspersonal müssen in dennächsten Jahren weiter vorangetrieben werden.Zusammengestellt von H. Z. aus Textenund mündlichen Mitteilungen vonCHRISTIANE RADKEGründerin und Leiterin von KidsMobil Berlinwww.diebildungspartner.de/kidsmobilAus der Wohlfahrtspflege hervorgegangenDer Eltern Service AWO GmbHDie gesamtgesellschaftlichen Veränderungen führen zu einerstetigen Verschärfung des Wettbewerbs im Bereich der sozialenDienstleistungen insgesamt. Der finanzielle Druck und diezunehmende Konkurrenz durch kommerzielle Anbieter fordernvon den Wohlfahrtsverbänden Veränderungen, wenn siesich im Wettbewerb behaupten wollen.Die AWO stellte sich diesen Herausforderungen frühzeitig undist Kooperationen mit neuen Partnern eingegangen. Die Gründungdes ElternService AWO im Jahr 2006 war weit mehr alsdie konsequente Fortsetzung des bisherigen Engagements zurVerbesserung der Lebenswirklichkeit von Familien. Es war einneuer Weg, der <strong>für</strong> einen Wohlfahrtsverband zu diesem Zeitpunktinnovativ und – wie es schien – gewagt war. Denn dasneue Dienstleistungsangebot richtete sich direkt und ausschließlichan die Arbeitgeber, die ihre Beschäftigten durcheine familienbewusste Personalpolitik bei der Vereinbarkeitvon Familie und Beruf unterstützen wollten und wollen.Ein Zeichen der hohen innerverbandlichen Akzeptanz bei allenVerbänden der AWO war die Gründung des ElternServiceals GmbH. <strong>Gesellschaft</strong>er wurden ausnahmslos alle 29 Be-22 ZPM NR. 23, DEZEMBER 2013


KINDERBETREUUNG RUND UM DIE UHRzirks- und Landesverbände der AWO, von denen inzwischenein großer Teil vertragliche Vereinbarungen mit dem Eltern-Service AWO geschlossen hat. Denn die AWO-Verbände sehensich als Arbeitgeber von über 150.000 Beschäftigten bundesweitauch in der Verantwortung, die eigenen Beschäftigten beider Betreuung der Kinder und/oder pflegebedürftigerAngehöriger zu unterstützen. Der erste externe Kunde derAgentur ElternService AWO wurde die <strong>Deutsche</strong> RentenversicherungBund. In den folgenden Jahren kamen weit über 200Unternehmen, Behörden und Institutionen hinzu. Dazu gehöreninzwischen auch große Konzerne, wie z. B. die <strong>Deutsche</strong>Telekom AG, die <strong>Deutsche</strong> Bahn, das WirtschaftsberatungsunternehmenKPMG, die IG Bergbau, Chemie und Energie undviele andere. Eine zentrale Anforderung aller Partnerunternehmenist ein bundesweites Beratungsnetz, damit alle Beschäftigtenvon den familienunterstützenden Leistungen unabhängigvon ihrem Wohn- oder Arbeitsort profitieren können.TätigkeitsbereichEines der wichtigsten Tätigkeitsfelder ist die Beratung zu Fragender Organisation von Kinderbetreuung und die Vermittlunggeeigneter Betreuungsangebote <strong>für</strong> Beschäftigte derPartnerunternehmen, wie z. B. Kindertageseinrichtungen,Kindertagespflege, Babysitter, Au-pair, Betreuungsangebote<strong>für</strong> Schulkinder u. a. Die Beratung und die Vermittlung in Kindertageseinrichtungengeschieht Träger übergreifend in denRegionalbüros durch qualifizierte Beraterinnen und Berater,die über fundierte Kenntnisse der regionalen Kinderbetreuungsangeboteund den rechtlichen Bedingungen vor Ortverfügen. Da die regionalen Gegebenheiten in der Kinderbetreuungsowie die Anforderungen seitens der Familien undKinder wie auch die Anforderungen an die Betreuungszeitensehr unterschiedlich sind, bietet der ElternService AWO bundesweitindividuelle Lösungen. Mit den Eltern gemeinsamwerden möglichst passgenaue Lösungen gesucht. Das Wohldes Kindes steht immer an erster Stelle. Nur wenn es dem Kindgut geht und es sich sicher und geborgen fühlt, können Elternwirklich sorgenfrei ihren Arbeitsalltag bewältigen. Leider korrespondierendie Erwartungen und Wünsche der Eltern nichtimmer mit dem Angebot und den Möglichkeiten vor Ort. (s.den Beitrag von Jana Teske)Die Steuerung der Anfragen erfolgt zentral über die ElternServiceAWO GmbH. Auf diese Weise kann sichergestellt werden,dass die mit den Vertragsunternehmen vereinbarten Leistungsmerkmale,Reaktionszeiten, Legitimationsverfahrenund Qualitätsstandards geprüft und eingehalten werden. DieBeschäftigten nehmen den Kontakt über eine zentrale Hotlineauf. Alle Anfragen werden von der Zentrale des ElternServiceAWO über ein modernes Datenbanksystem an das zuständigeRegionalbüro zur Bearbeitung weitergeleitet. Die kontinuierlicheÜberprüfung des Bearbeitungsstandes, die fachlicheUnterstützung der Regionalbüros und die Sicherung derQualitätsstandards sind Kernaufgaben der Zentrale des ElternServiceAWO.Randzeiten- und NotfallbetreuungFür die Betreuung von Kindern in den späten Abendstundenvermittel der ElternService AWO eine Betreuungsperson, diesich im häuslichen Umfeld intensiv um das Kind kümmernkann. Das Gleiche gilt <strong>für</strong> die Betreuung kranker Kinder, hierfalls nötig auch durch eine Krankenschwester.Viele Familien müssen aufgrund der starren Öffnungszeitenvon Betreuungsangeboten einen „Betreuungsmix“ planen undorganisieren. Oft werden die Großeltern, Nachbarn oder andereMütter in die Betreuung in den Randzeiten eingebunden.Familien, in denen beide Eltern eine Vollzeittätigkeit ausüben,oder alleinerziehende Eltern benötigen ein Höchstmaß an Flexibilitätund Organisationsgeschick, wenn unvorhersehbareEreignisse eintreten: Wenn die Kita schließt, die Tagesmutterkrank wird oder ein unvorhergesehener dienstlicher Einsatzaußerhalb der geregelten Zeiten nötig wird.Die „Notfall-Hotline“ stellt sicher, dass der ElternService AWOauch außerhalb der Dienstzeiten erreicht werden kann, fallseine schnelle Reaktion erforderlich ist. Diese kann sein:• Organisation und Vermittlung von Notfallplätzen in institutionellerBetreuung (Kita, Tagespflegegruppen, Mini-Kita,Hort, Betreute Spielzimmer ) mit Einbindung von„KitaPlus“in die Ausnahmebetreuung (Organisation von Betreuungvor und nach den Öffnungszeiten von Kindertagesstättenauch fremder Träger in der jeweiligen Einrichtung)• Organisation und Vermittlung von Notfallplätzen in einem„Kindernest“ (speziell geschulte Kindertagespflege)• Vermittlung von mobilen Betreuungspersonen, die eine Betreuungim Haushalt des Kindes übernehmen.Die Organisation einer kurzfristigen Notbetreuung von Kindernverlangt von den eingesetzten Betreuungspersonenbesondere Fähigkeiten. Die Anfragen erreichen die Beratungsbürosin der Regel sehr kurzfristig, so dass unter Umständennur ein erstes Kennenlernen zwischen Familie und Betreuungspersonenstattfinden kann. Die fehlende Eingewöhnungsphasemuss dann durch besondere Empathiekompensiert werden, damit die Kinder sich wohlfühlen undnicht traumatisiert werden. Die Anwerbung von qualifiziertenund flexiblen Betreuungspersonen durch eine kontinuierlicheAkquise und Öffentlichkeitsarbeit gehört zu den wichtigenAufgaben der Regionalbüros.DAGMAR HOWEFachliche Leitung ElternService AWO GmbHdagmar.howe@elternservice-awo.dewww.elternservice-awo.deZPM NR. 23, DEZEMBER 2013 23


KINDERBETREUUNG RUND UM DIE UHRKinderbetreuung in Ausnahmesituationen –ein privates Problem?Der pme familienservice GmbH…<strong>für</strong> die Familienpolitik: jaGerade in Westdeutschland wurde das Thema Kinderbetreuunglange Zeit als eine alleinige Aufgabe von Familien gesehen.Ausgehend von der Annahme, dass es das Beste <strong>für</strong> Mutterund Kind sei, die Vorschuljahre gemeinsam im trauten Heimzu verbringen, förderte die Politik bis Mitte der 90er Jahre primärden zumindest zeitweisen Austritt von Müttern aus demArbeitsmarkt. Gleichzeitig wurde der Ausbau von Kinderbetreuungsangebotenbewusst vernachlässigt, um nicht zusagen, verhindert. Nur in den ostdeutschen Bundesländerngab es schon vor der Wiedervereinigung ein, zumindest quantitativ,mehr als ausreichendes Angebot, das gezielt auf diezeitlichen Bedürfnisse berufstätiger Eltern zugeschnitten war.Auch aufgrund der Erfahrungen und Einflüsse der gänzlich anderenFrauen- und Familienpolitik der ehemaligen DDR kames im Laufe der 90er Jahre zu einem graduellen Umdenken inder gesamtdeutschen Familienpolitik. Die Einführung einesgesetzlichen Anspruchs auf einen (Teilzeit)-Betreuungsplatz<strong>für</strong> Kinder ab 3 Jahren im Jahre 1996 war ein erster wichtigerSchritt hin zu einer ausgewogeneren Familienpolitik, in derstaatliche Unterstützung <strong>für</strong> Familien nicht nur durch Zeit(= Elternzeit) und Geld (= Kindergeld), sondern auch durchInfrastruktur (= Kindertagesstätten) geleistet wird.Der im August 2013 eingeführte Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz<strong>für</strong> Kinder zwischen ein und drei Jahren ist somitdas Resultat eines langen und zum Teil sehr kontroversengesellschaftlichen und politischen Lernprozesses. Inzwischengibt es einen breiten politischen Konsens, dass die Bereitstellungflächendeckender Regelbetreuungsangebote <strong>für</strong> Kinderunter sechs Jahren eine wichtige staatliche Aufgabe darstellt.Diskussionen gibt es heute eher um die Frage, wie schnell derAusbau von Regelbetreuung erfolgen muss, welche Qualitätsstandardsdabei einzuhalten sind und ob der Staat auch privateKita-Träger fördern darf.Ganz anders sieht die Situation <strong>für</strong> die Betreuung in Randzeiten– also z. B. abends beziehungsweise außerhalb der üblichenKita-Öffnungszeiten – oder in Ausnahmesituationenwie dem kurzfristigen Ausfall der Regelbetreuung aus. In diesenFällen sind Eltern auch heute noch meist komplett auf sichallein gestellt und können sich glücklich schätzen, wenn bereitsim Ruhestand befindliche Großeltern in solchen Fällenaushelfen können. Doch familiäre Unterstützungsnetzwerkedieser Art werden aufgrund demographischer und gesellschaftlicherVeränderungen immer seltener und sind vor allemin Großstädten eine echte Rarität.Gerade Doppelverdiener, aber auch Alleinerziehende greifendeshalb schon lange auf private Kinderbetreuungslösungenzurück und versuchen durch eine Art Patchwork aus Babysittern,Freunden und Verwandten die kurzfristige oder Randzeitenbetreuungsicherzustellen. Dank einer wachsendenAnzahl von privaten Vermittlungsportalen können Elternheute relativ leicht Kontakt mit Babysittern und anderen privatenKinderbetreuungspersonen aufnehmen, sich also selbsthelfen. In der Realität ist der Aufwand <strong>für</strong> die Suche und Auswahleiner passenden Kinderbetreuungsperson aber weiterhinhoch, denn Eltern haben zwar heute dank solcher Portalemehr Auswahl, insbesondere in Städten. Aber ohne wirklichtransparente Qualitäts- und Kostenstandards ist die Suchenach einer geeigneten Betreuungsperson trotzdem sehr zeitundnervenintensiv.…<strong>für</strong> weitsichtige Unternehmen: neinGenau hier setzen die Angebote der pme FamilienserviceGruppe (pme = Partner <strong>für</strong> Mitarbeiter Effizienz) an. Schon inden 90er Jahren erkannten innovative Arbeitgeber, dass dieUnterstützung ihrer Beschäftigten im Falle von persönlichenHerausforderungen die Leistungs- und Innovationsfähigkeitdes Unternehmens fördern kann. Mit Hilfe von BMW wurdedeshalb 1991 der pme Familienservice gegründet, damals mitdem primären Ziel, Beschäftigte bei der Suche nach Regelbetreuungslösungenzu unterstützen. Heute ist die pme FamilienserviceGruppe der führende Anbieter betrieblicherKinderbetreuungseinrichtungen und bietet ergänzend dazuqualitätsgesicherte Betreuungslösungen <strong>für</strong> Ausnahmesituationenan. Eltern, die in Firmenvertragspartnern beschäftigtsind, können sich auch ganz kurzfristig an den pmeFamilienservice wenden und ihre Kinder in eines der über 20bundesweiten pme Back-up-Center – speziell auf Kurzzeitbetreuungausgerichtete Einrichtungen – bringen oder eineNotbetreuungsperson buchen.Dank des steigenden Angebots an öffentlich geförderten Regelbetreuungsplätzenist absehbar, dass berufstätige Eltern zukünftigweniger Sorgen haben müssen, eine geeigneteBetreuungslösung <strong>für</strong> den Alltag zu finden. Anders sieht es beider Suche privater Betreuungslösungen aus, gerade <strong>für</strong> Randzeitenoder Ausnahmefälle. Weitsichtige Arbeitgeber setzendeshalb auf Unterstützungsanbieter wie pme Familienservice.Doch der Staat könnte auch hier mehr tun, um die Qualität undden Zugang zu solchen Angeboten <strong>für</strong> alle Bürger zu erleichtern.Eine bessere steuerliche Absetzbarkeit von privaten Betreuungskostenoder unbürokratische staatlich geförderte24 ZPM NR. 23, DEZEMBER 2013


KINDERBETREUUNG RUND UM DIE UHRGutscheinmodelle wie in Frankreich könnten nicht nur dieNutzung solcher Angebote <strong>für</strong> Eltern finanziell erleichtern,sondern auch dabei helfen, private Betreuungsverhältnisse ausder chronisch unsicheren Welt der Schwarzarbeit zu befreien.Erler, D. (2009), “Germany: taking a Nordic Turn?”, in Kamerman,S. and Moss, P. (eds.) The Politics of Parental Leave Policies:Children, parenting, gender and the labour market. Bristol:Policy Press.DANIEL ERLERpme Familienservice GmbHLeitung IT & Unternehmenskommunikationwww.familienservice.deNachtkitas gibt es doch noch – <strong>für</strong> sehr Armeund <strong>für</strong> sehr ReicheDie Nachtkita „Schnatterenten“in Schwedt an der OderDies war 2003 die erste 24-Stunden-Kita, die in Deutschlanderöffnet wurde, weil in Schichten arbeitende Eltern Bedarf signalisierten.Seither wurde das Angebot beständig ausgebaut.Derzeit gibt es hier 25 Verträge mit Eltern <strong>für</strong> eine Nachtbetreuungihrer Kinder von einem Jahr bis zur Einschulung.Regelmäßig werden drei Kinder pro Nacht betreut, manchmalauch mehr. Wenn beispielsweise die Eltern bzw. MütterNachtschicht haben, auch mehrere Tage hintereinander. DenNachmittag verbringen die Kinder dann mit ihren Eltern zuHause. Eltern müssen regelmäßig ihren Schichtplan vorlegen,denn um ein „Abschieben“ der Kinder geht es hier nicht. Auchüberlegen die Eltern selbst ganz genau, wann sie ihr Kind inder Kita übernachten lassen oder lieber von anderen Bezugspersonensoweit möglich betreuen lassen, etwa den Großeltern.In der Kita selbst stehen die Bedürfnisse der Kinder im Vordergrund.Es gibt zwei zuverlässige Bezugspersonen, die dieKinder abends und nachts betreuen, das sind Oma Ilse undOma Ruth, zu denen die Kinder ein vertrautes Verhältnis ineinem sehr familiären räumlichen Umfeld haben. Oma Ilseund Oma Ruth, eigentlich schon im Ruhestand, arbeiten aufMinijob-Basis, weil es ihnen Freude bereitet.Seitens der Eltern und der Unternehmen gibt es sehr positiveStimmen zu dieser Form der Kinderbetreuung der Schnatterenten.Das hat durchaus seine Gründe:• In Schwedt und in der Umgebung gibt es kaum Alternativenauf dem Arbeitsmarkt. Eltern müssen die Arbeit annehmen,die sie bekommen, auch zu ungünstigen Arbeitszeiten, wennsie ihre Existenz nicht gefährden wollen. Viele Eltern müssenzudem pendeln und Teilzeitarbeit würde sich nicht lohnen,weil Fahrtkosten dann höher sind als das eigentlicheEinkommen. Eltern sind dann natürlich froh, wenn sie einBetreuungsangebot <strong>für</strong> ihre Kinder in der Nähe haben, dassie selbst zeitlich und psychisch entlastet.• Schwedt war zu DDR-Zeiten ein typischer Industriestandortund noch heute ist die PCK-Raffinerie der größte Arbeitgeberder Region, allerdings mit vielen Arbeitsplätzen inSchichtarbeit. Die PCK-Raffinerie unterstützt mittlerweiledas Nachtbetreuungsangebot der Kita Schnatterenten alsArbeitgeber. Zunehmend gehen viele ältere Arbeitnehmer inden Ruhestand und <strong>für</strong> Jüngere müssen Arbeitsplätze in Bezugauf Vereinbarkeit von Beruf und Familie attraktiv sein,denn zu viele junge Leute haben in den letzten Jahren derUckermark den Rücken gekehrt. Qualifizierte Arbeitskräftesind hier auf dem Markt rar geworden.Im November 2008 wurde das Projekt „Sternstundenbetreuung“gestartet. Unternehmen, die Stadt Schwedt und derLandkreis untersuchen die Rahmenbedingungen, räumlichwie personell, die notwendig sind, um <strong>für</strong> Eltern und ihreKinder eine bestmögliche Betreuung zu bieten, auch zu ungünstigenZeiten. Problematisch wird das Fehlen einer solidenFinanzierung der Nachtbetreuung bewertet. Eltern müssen einenBeitrag zahlen, wenn sie ihr Kind in der Kita übernachtenlassen. Finanzielle Unterstützungen seitens der Unternehmender Region, der Stadt Schwedt oder des Landkreises laufen auffreiwilliger Basis. Nach Meinung der Beteiligten müsse es gesetzlicheRegelungen zur finanziellen Unterstützung vonNachtbetreuungsangeboten <strong>für</strong> Kinder geben.Man ist aber auch der Meinung, dass eine Nachtkita nur einAusnahmefall, nur eine Möglichkeit der Kinderbetreuung vonvielen sein kann und nicht die generelle Form. Kinder sind inder Nacht am besten zu Hause bei ihren Eltern aufgehoben, solautet auch hier das generelle Urteil.ZPM NR. 23, DEZEMBER 2013 25


KINDERBETREUUNG RUND UM DIE UHRNachtbetreuungsangebote werden von den Schwedter Elternso angenommen, wie sie in der Öffentlichkeit dargestellt werden.Hier würden sehr starke Unterschiede zwischen Ost- undWestdeutschland bestehen. Anfragen zum Konzept der Einrichtungkommen aber aus ganz Deutschland.Ich bedanke mich <strong>für</strong> das sehr freundliche Telefonat mit derKita Schnatterenten. Im Internet ist die Kita unter http://www.schnatterenten.de zu finden.ELKE GROSSERDas Kinderhotel Bengel & Engel in HamburgIn Hamburg gibt es seit 2003 ein privates Kinderhotel, das sichvor allem an Eltern mit Kindern zwischen 10 Monaten und10 Jahren richtet, „die <strong>für</strong> Notfälle (Geschäftsreisen, unerwarteteNachtschichten, berufliche Abendveranstaltungen) einebesonders kindgerechte Unterkunftsmöglichkeit suchen“.Betont wird, dass es sich nicht um eine „Übernachtungskita…mit einer ständigen 24h-Betreuung“ handelt, was aus „pädagogischenGründen“ nicht gut geheißen wird.Mit 59,- € pro Kind – Geschwisterkinder 40,- € pro Nacht(18–09 Uhr) ist das Angebot relativ teuer und richtet sich aneine gehobene <strong>Gesellschaft</strong>sschicht: „Während Sie späte Arbeitssitzungenabsolvieren, im Theater der Kultur frönen, mitFreunden feiern oder sich einfach nur mal entspannen…“. Somitist das Kinderhotel keine Lösung <strong>für</strong> Eltern mit regelmäßigaußergewöhnlichen Arbeitszeiten, etwa in Schichtarbeit,die häufig Bedarf an Abend- und Übernachtbetreuung haben.Das Hotel ist tagsüber eine Kita und insbesondere ein Zusatzangebot<strong>für</strong> Kinder in der Tagesbetreuung. Genutzt wird das Angebotvor allem am Wochenende, auch von Hamburgbesuchern.Information Bengel & Engel, Nov. 2013YOLANDA KOLLER-TEJEIROBlick in andere LänderSchweden„ Einschlafen ohne Mami – in den „Nattis“ in Schweden funktioniertdas. Ob Musikerin oder Barkeeperin, die schwedischenMütter sind begeistert von den Nachtkindergärten. Bei Bedarfschläft eine Erzieherin neben dem Kind. Drei Erzieherinnen,davon je Tag zwei. Per SMS im Kontakt mit den Müttern: SMS,wenn das Kind eingeschlafen ist.“ (NDR 1, 3. 1. 2013)Schweden wird in Deutschland gern zum Musterland erklärt.Und die Wirklichkeit? Als der Reporter die Einrichtung inMalmö besuchte, waren zwar 14 Kinder zum Übernachtenangemeldet, aber nur zwei blieben in dieser Nacht. Wie inDeutschland bieten im ganzen Land nur vereinzelte „Dagis“(Tageseinrichtungen) auch „Nattis“-Plätze an, und diesewerden offensichtlich auch dort nur äußerst selten tatsächlichgenutzt. Vermutlich geschieht auch in Schweden Notfall-Nachtbetreuung wenn, dann eher in Tagesmutter-Arrangements,in denen 2012 die Hälfte aller Kinder tagsüber betreutwurden.Kinderbetreuungszeiten zwischen 19.00 und 6.00 Uhr sowiean Wochenenden sind in der amtlichen Statistik als „obekvämtid“ (unbequeme Zeit) zusammengefasst. Die behördliche Statistikenthält keine detaillierten Daten über die Lage der unbequemenZeiten, in denen Angebote gemacht und genutztwurden. Angebote bestanden im Herbst 2012 nur in der Hälftealler Kommunen, darunter jedoch in allen Großstädten. 27 %aller in Schweden betreuten Kinder wurden in irgendeinerForm und irgendeiner Dauer und Häufigkeit zu unbequemenZeiten betreut, davon fast zwei Drittel Ein- bis Fünfjährige. Esist zu erwarten, dass der Anteil weiter zunehmen wird, nachdemder Reichstag im Sommer 2012 beschlossen hatte, dieRegierung möge Kommunen bei der Einrichtung von Kinderbetreuungsplätzenzu unbequemen Zeiten unterstützen (allerdingsnicht, wie im Gesetzantrag von Sozialdemokraten undLinken vorgesehen war, zu verpflichten). Die Regierung hatdaraufhin 108 Mill. Kronen (12 Mill. €) <strong>für</strong> die Jahre 2013 bis2016 bereitgestellt, um Kommunen zu „stimulieren“, solcheBetreuung freiwillig anzubieten.In den Auseinandersetzungen der Parteien war – soweit im Internetersichtlich – nicht die Rede von Bedürfnissen der Kinder.Diese erschienen allen Parteien, auch denen, die einenZwang auf alle Kommunen ablehnten, offensichtlich ausreichendberücksichtigt durch die pädagogischen Qualitätskriterienund -Kontrollen der zuständigen Schulbehörde. DieInitiatoren argumentierten mit dem gesellschaftlichen Bedarfan zu unbequemen Zeiten arbeitenden Eltern und mit demRecht sämtlicher erwerbstätiger Eltern auf Arbeit. Die Gegnerstimmten dem zu, verlangten aber zunächst Bedarfsanalysen.HELGA ZEIHERhttp://www.skolverket.se/statistik-och-utvardering/statistik/annan-pedagogisk-verksamhet/omsorg-pa-obekvam-tid-1.14924426 ZPM NR. 23, DEZEMBER 2013


KINDERBETREUUNG RUND UM DIE UHRFinnlandItalienI found some small pieces of information at last. I cannot find(and I don’t think there is) any numbers on night care as such.Finnish day care statistics operate with the concept „vuorohoito“,in Swedish „obekväm tid“ (unbequeme Zeit), which includescare in evenings, nights and weekends; time that fallsoutside „normal“ working hours. In 2010 it is estimated (on thebasis of an inquiry to all municipalities) that 14 650 preschoolchildren were in vuorohoito in 2010, that is about 7 % of all childrenin public day care that year. In 2007 the figures were sligthlyhigher: approximately 15.000 children (8 % of all children in daycare that year). The need for care in evenings is biggest.This information is from the Statistic report of the Instituteof Health and Welfare: Kuntakyselyn osaraportti. Terveydenja hyvinvoinnin laitos, Tilastoraportti./Barnomsorgen 2010- Delrapport om kommunenkäten (Sorge <strong>für</strong> Kinder 2010-Teilbericht der Befragung der Kommunen)NorwegenHARRIET STRANDELL(lehrt an der Universität Helsinki)In opposite to Sweden which have included in the law that parentshave the right also to kindergarten that are open in theevening and nights, this is not the case in Norway. There aresome kindergartens in Norway that have this extended openinghours, but not many. Now and then this is debated.What I found when I searched on the internet was the following:• Children’s Ombudsman expressed in 2011 a skeptical attitudeto this.• Report from teachers in a couple of ‘night kindergarten’, arguingfor a need for this from some parents. They describeda close, caring and nice atmosphere, offering a better opportunityfor children than the parents would have been able tooffer. They also argue that single mothers and children oftenneed it, and that many are without network; grandparentsand relatives live far away.• The Student Organisation argue for the need to establishmore ‘night kindergarten’• An interview with an associate Professor at a University Collegeeducating teachers for kindergartens. He argues that heis skeptical.What I get from this short reading is that the discussion revealsdifferent opinions not anchored in any ‘in depth’ knowledgeor arguments, but values and opinions.ANNE TRINE KJÖRHOLT(lehrt an der Universität Trondheim und am NOSEB)Die Landschaft der Kinderbetreuungseinrichtungen ist sehrvielfältig und verändert sich ständig. Es gibt keine Gesetzgebung<strong>für</strong> Krippen <strong>für</strong> das ganze Land; manchmal – z. B. inden Regionen Sizilien, Sardinien, Val d’Aosta oder in den Provinzvon Trient und Bozen, die eine besondere Gesetzgebunghaben, gibt es besondere Gesetze <strong>für</strong> Krippen und Kindergärten<strong>für</strong> die ganze Gegend.Öffentliche Einrichtungen: In ganz Italien gibt es auch staatlicheKindergärten, die alle dieselbe Zeitverteilung haben: von8 bis 16 Uhr. Die Verwaltung der Krippen liegt in ganz Italienbei den Kommunen und ist u. a. von der jeweiligen Finanzkraftabhängig. So ist es auch bei denjenigen Kindergärten, die vonden Kommunen abhängig sind. Die Kommunen regeln dasVorschulwesen (Krippen und Kindergärten, die weder privatnoch staatlich sind) auf je eigene Weise. Krippen, in denen Kinderüber Nacht betreut werden, sind nirgends bekannt. Vor einigenJahren wurden Projekte <strong>für</strong> Nachtbetreuung inKrankenhaus-Krippen entwickelt, aber nie realisiert, weil dieGewerkschaften und auch die lokalen Verwaltungen dagegenwaren. Alle Kindergärten sind nur tagsüber offen. Es gibt jedochhier und da Krippen und auch Kindergärten, die von 7bis 19 Uhr offen sind. Doch lässt man dort ein jedes Kind nureinen Teil dieser verlängerten Zeit dort bleiben, etwa von 7 bis16 Uhr, oder von 12 bis 19 Uhr.Private Einrichtungen: Davon gibt es sehr viele und sehr unterschiedliche,darunter auch Tagesmutter-Modelle; es gibt auchmanche, so in den Gegenden von Trient und Bozen sowie in Vald’Aosta, die mit einer öffentlicher Verwaltung arbeiten. Manweiß sehr wenig über die Zeitverteilungen der privaten Krippen.Ob Kinder, deren Eltern auch spät abends arbeiten, bleiben können,hängt von der Einrichtung ab. Die Kindergärten sind meistwerktags von 8 bis 17 Uhr geöffnet. Wo im Sommer viele Touristensind, bleiben manche privaten Einrichtungen in den FerienmonatenJuli und August länger offen. Das geschieht auchin den öffentlichen Einrichtungen in der Region Val d’Aosta, inden Provinzen Trient und Altoadige sowie in der Gegend von Riminiund Riccione und in Bologna und Mailand. In manchenEinrichtungen werden Kinder arbeitender Eltern auch in derWeihnachtszeit betreut. Das gilt in denselben Gegenden auch<strong>für</strong> öffentliche (kommunale) Einrichtungen, meistens Krippen,aber auch Kindergärten. Es ist keine private Einrichtung bekannt,in der Kinder auch über Nacht bleiben.Immer folgt die Zeitverteilung der Überzeugung: Die Achtungdes Kindes hat Priorität. Die Zeiten der Erwachsenen sollenden Bedürfnissen des Kindes folgen, damit das Kind in einerstabilen Raum- und Zeitsituation lebt.EGLE BECCHI(lehrte an der Universität Pavia)LORENZO CAMPIONI(Vorsitzender des Coordinamento nazionale nidi e scuole dell’ infanzia)ZPM NR. 23, DEZEMBER 2013 27


KINDERBETREUUNG RUND UM DIE UHREine Auswertung internationaler StudienElterliche Arbeitszeiten am Abend, in der Nacht und an Wochenendenhaben vielfältige negative Auswirkungen auf Kinder.Das zeigt eine systematische Auswertung von Studien über dieletzten drei Jahrzehnte durch ein internationales Forscherteam,das von Jianghong Li, Forscherin am WissenschaftszentrumBerlin <strong>für</strong> Sozialforschung, geleitet wird.Die Autoren sind sich bewusst, wie schwierig es ist, die einzelnenEinflussfaktoren von ungewöhnlichen Arbeitszeiten auf daskindliche Wohlbefinden zu bestimmen. Viel hängt von der individuellenFamiliensituation ab. Aber 21 der 23 analysiertenUntersuchungen in entwickelten Ländern zeigten eine deutlicheTendenz: Arbeit außerhalb der üblichen Zeiten hat ungünstigeFolgen <strong>für</strong> die soziale und emotionale Situation derbetroffenen Kinder. Verhaltensauffälligkeiten, schlechtere kognitiveLeistungen (Sprechen, Lesen und Mathematik) undFettleibigkeit sind unter Kindern, deren Eltern zu diesen Zeitenarbeiten, weiter verbreitet als bei Kindern, deren Elternüberwiegend während der Normalarbeitszeit erwerbstätig sind.Zu den Gründen gehören depressive Symptome der Eltern,eine schlechtere Wahrnehmung der Erziehungsaufgaben, einverminderter Austausch zwischen Eltern und Kindern, einVerlust an Eltern-Kind-Nähe und der allgemeine Mangel anUnterstützung in der Familie. Wenn Eltern am Wochenendeund in den Abend- und Nachtstunden arbeiten, geht es besondersKindern aus sozial benachteiligten Familien schlechter,nämlich ärmeren Familien, Familien mit nur einem Elternteilund Familien, in denen Eltern in Vollzeit in der Nacht und amWochenende arbeiten.Die Autoren fordern mehr Unterstützung in der Familie undam Arbeitsplatz, vor allem <strong>für</strong> sozial schwächere Familien.Pressemitteilung des Wissensschaftszentrums Berlin<strong>für</strong> Sozialforschung (WZB)Jianghong Li, Sarah E. Johnson, Wen-Jui Han, Sonia Andrews,Garth Kendall, Lyndall Strazdins, Alfred Dockery (2013): Parents’nonstandard work and child wellbeing: A critical reviewof the literature. Journal of Primary Prevention (published onlinefirst 10.1007/s10935-013-0318-z)http://www.wzb.eu/sites/default/files/publikationen/postprints/li_parents_nonstandard_work_schedules_and_child_wellbeing.pdfKontakt: Jianghong Li Ph.D, jianghong.li@wzb.euWochenkrippen in der DDRFür die Betreuung von Säuglingen und Kleinkindern bis zumdritten Lebensjahr gab es in der DDR Tageskrippen, Wochenkrippenund Dauerheime. Die Betreuung von Kindern in Kinderkrippenbegann bis 1974 ab der 6. Lebenswoche, danach abder 12. Lebenswoche und nach 1976 mit der Einführung dessogenannten „Mütterjahres“ ab dem 12. Lebensmonat. In derPraxis hat sich diese Altersgrenze aber erst ab 1986 durchgesetzt,weil es bis dahin viele Eltern gab, die ihr Kind vorzeitigin eine Einrichtung geben wollten (vgl. Israel, 2008, 106).Wochenkinder wurden nicht täglich aus der Einrichtung abgeholt,sondern verblieben von Montag bis Freitag in derKrippe, also auch nachts. Ähnlich den Wochenkrippen gab esin der DDR auch Wochenkindergärten bzw. Wochenheime <strong>für</strong>Kinder ab dem dritten vollendeten Lebensjahr bis zum Eintrittin die Schule und Wochenhorte <strong>für</strong> Schulkinder bis zum10. Lebensjahr. (vgl. Israel 2008, 105; Jugel et al. 1978, 65).In Wochenkrippen wurden vor allem Kinder von Schichtarbeiterinnenund alleinstehenden Müttern, aber auch vonStudierenden betreut. Frauen gebaren in der DDR in der Regelzwischen dem 20. und 25. Lebensjahr ihr erstes Kind. Esgab eine hohe Anzahl lediger und geschiedener alleinstehenderMütter. 1989 waren etwa 80 % der Frauen mit Kindern berufstätig(vgl. Wolle 1999, 174).Wochenkrippen sollten einerseits Eltern bzw. Mütter dabeiunterstützen, ihre zeitlichen Arbeitsbedingungen und die Kindererziehungin Einklang zu bringen. Andererseits sollten siedie gewünschte Betreuung, Bildung und Erziehung der Kindergewährleisten (vgl. Jugel et al. 1978, 63). Möglichst frühzeitigeBetreuung von Kindern in öffentlichen Einrichtungensollte die Bildung und Erziehung der Kinder zu sozialistischenPersönlichkeiten schon im frühen Alter sichern.Entwicklung der WochenkrippenBis Ende der 1950er Jahre wurden Säuglinge und Kleinkindervorwiegend in der Großfamilie, in Heimen oder in Wocheneinrichtungenaufgezogen. Daneben begann der systematischeAufbau von Kinderkrippen. Der prozentuale Anteil an Wochenkrippenwar bald verhältnismäßig hoch. Schon 1950 gabes in der DDR 271 Einrichtungen mit 8500 Plätzen insgesamt,davon ca. 30 % <strong>für</strong> Wochenkinder, 50 % <strong>für</strong> Heimkinder undnur 20 % <strong>für</strong> Kinder in Tageseinrichtungen (vgl Israel 2008,S. 104; vgl. Zwiener, 1994, 15). Der Bedarf an Einrichtungenzur Betreuung von Säuglingen und Kleinkindern war in denNachkriegsjahren vor allem durch Mangel an Grundversorgungim alltäglichen Leben befördert worden. Viele Kinderwaren zudem elternlos oder kamen aus schwierigen Familien-28 ZPM NR. 23, DEZEMBER 2013


KINDERBETREUUNG RUND UM DIE UHRverhältnissen. Eltern gaben ihre Kinder häufig in eine Krippeneinrichtung,weil sie dort besser verpflegt, medizinisch und hygienischversorgt wurden (vgl. Zwiener 1994,15; Bendt 2001ff,5). Für berufstätige Mütter waren „die Wegezeiten oft noch vomWohnort zur Krippe so weit (…), dass ein tägliches Bringen undAbholen nicht möglich war.“ (Schmidt-Kolmer 1977, 24).Ab Mitte der 1960er Jahre begann der gezielte Ausbau von Tageseinrichtungen.Der Anteil der Kinder in Wochenkrippennahm jetzt ab, wie Abb. 1 zeigt.Abb 1: Prozentualer Anteil der Plätze in Tages-, Wochen-,und Saisonkrippen sowie Dauerheimen an der Gesamtzahlder Plätze (aus: Schmidt-Kolmer, 1977, 25)das Töpfen und das Waschen. Die im konkreten Tagesablaufplanfestgelegte zeitliche Abfolge der Tätigkeiten war von denKrippenerzieherinnen einzuhalten (vgl. Israel 2008; Zwiener1994; Bendt 2001 ff.). Als verbindliche Arbeitsgrundlage dientedas „Programm <strong>für</strong> die Erziehungsarbeit in Kinderkrippen“,dass u. a die Inhalte und Aufgaben <strong>für</strong> die täglichen Spiel- undBeschäftigungseinheiten vorgab und festschrieb, welche Fähigkeitenund welches Wissen die Krippenkinder wann und wieerlernen sollten. An den Wochenenden sollten sich auch die Elternan den Regeln der Krippenarbeit orientieren (vgl. Zwiener1994, 19). In Wochenkrippen gab es viele Kinder aus sogenannten„ungünstigen“ Familienbedingungen: Hier wurden mehrKinder alleinstehender lediger (40 %) oder geschiedener (25 %)Mütter, mehr Kinder von Vätern bzw. Müttern ohne Berufsabschlusssowie ein höherer Anteil von Kindern kinderreicher Familienals in Tageskrippen betreut. Zudem gab es hier relativmehr Säuglinge (Schmidt-Kolmer 1977, 69ff).Um dem Mangel an gemeinsamer Zeit von Eltern und Kindernentgegenzuwirken, wurde <strong>für</strong> Schichtarbeitereltern täglichesBeisammensein mit ihren Kindern in der arbeitsfreien Zeitgefördert. Es war in vielen Wochenkrippen möglich, ein Kindtagsüber abzuholen, auch wenn es nur <strong>für</strong> kurze Zeit war. DieZeiten da<strong>für</strong> orientierten sich dabei einerseits am Schichtsystemder Eltern bzw. Mütter und andererseits an der zeitlichenTagesstrukturierung in der Krippe. Tägliche Abholzeitendurch die Eltern durften den festgesetzten regelmäßigen Tagesablaufder Krippe nicht „stören“. Daher führte täglichesBeisammensein zu zahlreichen „Problemen“ und zeigte sichbesonders in der Spätschichtwoche der Eltern als eine eher„ungünstige Handhabung“:Der Anteil der Wochenkrippen ging vor allem deshalb zurück,weil schon in den 1950er Jahren empirische Untersuchungenzur körperlichen und geistigen Entwicklung von Säuglingenund Kleinkindern gezeigt hatten, dass die Unterbringung ineiner Wochenkrippe von vielen Kindern nicht verkraftet wurdeund zu Verzögerungen in der Entwicklung der Kinder und zuhäufigeren Erkrankungen führte (vgl. Arndt 2001, 73). Zur Zeitder »Wende« 1989 gab es in der DDR 360.000 Krippenplätzeinsgesamt, aber nur noch 1,3 % davon waren Wochenplätze(vgl. Zwiener 1994, 15).Kinder-Alltag in der WochenkrippeKinder in Wochenkrippen wurden in der Regel montags ab6 Uhr in die Einrichtung gebracht, verblieben in der Wocheauch nachts in der Krippe und wurden dort bis freitags 18 Uhr,und eventuell auch am Wochenende betreut. Der Tag war wiein allen Krippen zeitlich straff nach Plan strukturiert. Es gabfestgelegte Zeiten <strong>für</strong> den Tages- bzw. Mittagsschlaf, denNachtschlaf, die Mahlzeiten, <strong>für</strong> Beschäftigung, Spiel- undBewegungstätigkeiten und <strong>für</strong> hygienische Maßnahmen, wie„So mussten zum Zeitpunkt unserer Untersuchung in einerWochenkrippe in Schwedt die Kinder täglich abgeholt werden.In der Früh- und Nachtschichtwoche war das <strong>für</strong> dieSchichtarbeitereltern kein Problem; in der Spätschichtwochejedoch brachte das obligatorische Abholen (8.30 Uhr) undBringen (10.30) erhebliche Belastungen <strong>für</strong> die Eltern und unterUmständen eine Beeinträchtigung in der Erziehungsarbeitder Kindereinrichtung (bedingt durch das ständigeKommen und Gehen in den Vormittagsstunden, die gewöhnlichder planmäßigen Bildungsarbeit in der Kindergruppegehört). Daher sollten die Kinder – zunächst versuchsweise– in der Spätschichtwoche ausschließlich in der Wochenkrippebetreut werden. Eine derartige Lösung ist auch inAnbetracht der Entlastung, die sie <strong>für</strong> die Eltern bringt, zube<strong>für</strong>worten.“ (Jugel et al. 1978, 64)Diese Störung der „Kontinuität der Erziehungsarbeit“ durchAbwesenheit von Kindern während der arbeitsfreien Zeit derEltern wurde auch im Wochenhort kritisiert. So blieben Kinderhier manchmal bis zu drei Wochen ununterbrochen imWochenhort.ZPM NR. 23, DEZEMBER 2013 29


KINDERBETREUUNG RUND UM DIE UHREinerseits gab die fest vorgegebene Tagesstrukturierung sowieder Bildungs- und Erziehungsplan Eltern wie Erziehern undzum Teil auch den Kindern einen stabilen zeitlichen Rahmen<strong>für</strong> den Tagesablauf, den Wochen- und Jahresrhythmus vor,der Struktur, Orientierung und Verlässlichkeit im Alltag bot,andererseits konnten in diesem straffen, von der Vorstellungder Planbarkeit der Erziehung geleiteten Zeitkorsett individuelleBedürfnisse, der Wunsch nach kontinuierlicher emotionalerZuwendung durch wichtige Bezugspersonen sowieunterschiedliche Entwicklungstempi einzelner Kinder nichtausreichend berücksichtigt werden ( hierzu auch Israel, 2008).Empirische Studien zur Entwicklungder Kinder in der WochenkrippeEmpirische Studien zur Unterbringung von Kleinkindern inden verschiedenen Betreuungsformen wurden seit dem systematischenAufbau der Kinderbetreuung in den 1950er Jahrendurchgeführt. Von Anfang an zeigten die Ergebnisse, dass Kinder,die in Heimen oder in Wochenkrippen betreut wurden,deutliche Entwicklungsrückstände gegenüber den sogenanntenTageskindern oder Kindern, die in der Familie aufwuchsen,hatten.In einer Studie, deren Daten zwischen 1971-1974 an 6.425Säuglingen und Kleinkindern erhoben worden waren(Schmidt-Kolmer 1977), wurden Entwicklungsmerkmale insechs verschiedenen Bereichen – Selbstbedienung, motorischeEntwicklung, Spieltätigkeit, Sprache und Denken, musischeEntwicklung und soziales Verhalten – untersucht. DieErgebnisse sind in Abb. 2 dargestellt.Abb.2 Einfluss des Tages- und Wochenaufenthaltes derKinder auf ihre Entwicklung in den einzelnen Bereichen(aus: Schmidt-Kolmer 1977, 170)Erfasst wurden daneben die soziale Situation des Kindes, dieFamilienverhältnisse, und Merkmale der Krippen, in denendie Kinder untergebracht waren.Auffallend waren die sozialen Unterschiede der Kinder, die inWochenkrippen betreut wurden. In den Wochenkrippen gabes zudem den höchsten Prozentsatz an erkrankten Kindern.Schmidt-Kolmer sah die Ursachen von Entwicklungsverzögerungenvor allem in der Isolierung der Wochenkinder von derFamilie und dem gesellschaftlichen Alltag, aber auch in derBildungs-und Erziehungsarbeit in den Einrichtungen.1985-1988 wurde erneut eine repräsentative Untersuchungvon Entwicklungsstand und Gesundheitszustand von Kindernin verschiedenen Betreuungseinrichtungen durchgeführt(Zwiener 1994). Auch hier zeigte sich, dass tägliche Aufenthaltsdauernvon mehr als 9,5 Stunden entwicklungsbeeinträchtigendwirkten. Dieses Datenmaterial ist erst zumTeil ausgewertet und könnte <strong>für</strong> weitere entwicklungspsychologischeund sozialwissenschaftliche Forschungen zur Betreuungszeitvon Kleinkindern genutzt werden (vgl. Rathje 2004).ELKE GROSSERArndt, G. (2001): Das wissenschaftliche Werk Eva Schmidt-Kolmers(25. 06. 1913–09. 08. 1991) unter besonderer Berücksichtigungihrer Beiträge zum Kinder- und Jugendgesundheitsschutzin der DDR. Diss. Univ. Greifswald. http://ub-ed.ub.uni-greifswald.de/opus/volltexte/2006/235/[Datum des Zugriffs:12. 10. 2013].Bendt, U. (2001 ff): Wochenkrippen und Kinderwochenheime inder DDR. In: Krenz, A. (Hrsg.): Handbuch <strong>für</strong> Erzieherinnen inKrippe, Kindergarten, Kita und Hort. Ausgabe 65.Israel, A. (2008): Frühe Kindheit in der DDR. In: Kinderanalyse.Zeitschrift <strong>für</strong> die Anwendung der Psychonanalyse in Psychotherapieund Psychiatrie des Kindes- und Jugendalters. 16. Jg.H. 2., 100-127.Jugel, M., Spangenberg, B., Stollberg, R. (1978): Schichtarbeitund Lebensweise. Berlin.Krenz Arnim (Hrsg.) (2001 ff): Handbuch <strong>für</strong> Erzieherinnen inKrippe, Kindergarten, Kita und Hort.Rathje, U. (2004): Kinderkrippen in der DDR – Daten aus einemForschungsprojekt. http://www.ssoar.info/ssoar/bitstream/handle/document/5036/ssoar-hsr-2004-no_1__no_107-rathjekinderkrippen_in_der_ddr_-.pdf?sequence=1.[Datum des Zugriffs:01.10.2013]Schmidt-Kolmer, E. (Hrsg.) (1977): Zum Einfluss von Familie undKrippe auf die Entwicklung von Kindern in der frühen Kindheit.Berlin.Wolle, S. (1999): Die heile Welt der Diktatur. Alltag und Herrschaftin der DDR 1971-1989. Berlin.Zwiener, K. (1994): Kinderkrippen in der DDR. Materialien zum5. Familienbericht. Band 5. DJI München.30 ZPM NR. 23, DEZEMBER 2013


KINDERBETREUUNG RUND UM DIE UHRSchlafen im KinderhausEin Blick in die Kibbuz-VergangenheitDer Anfang: Gleichheitsideal und Armut„The kibbutz is known as being one of the very few utopianexperiments that have succeeded in establishing a radicallydifferent way of living and of raising children” (Aviezer u. a.1949, 99). Collectiv sleep arrangements (…) constitute probablythe most distinctive characteristics of kibbutz practices incollective child raising” (ebd. 101). Diese Praxis, so die Autoren,habe sich jedoch als zu radikal erwiesen (113). Sie wurdeseit Mitte des vorigen Jahrhunderts in mehr und mehr Kibbuzimabgeschafft.In den Kibbuzim, ländlichen Kommunen, die seit 1909 zur jüdischenBesiedlung des Landes gegründet wurden, sollte dasIdeal der Gleichheit voll verwirklicht werden. Das Aufwachsender Kinder in Kinderhäusern, anfangs wegen der Primitivitätder Behausungen, dem Bedarf an Arbeitskräften bei der Kultivierungdes Landes sowie zum Schutz und zur ausreichendenVersorgung der Kinder notwendig, wurde bald bewusstesMittel zur Verwirklichung einer sozialistischen Utopie. In denersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts wurden die Kibbuz-Kinder gleich nach der Geburt im Säuglingshaus betreut, dieMütter kamen nur in den ersten sechs Monaten zum Stillenins Babyhaus. Die Zwei- bis Vierjährigen, die Fünf- bis Siebenjährigensowie die Acht- bis Zwölfjährigen wohnten in altershomogenorganisierten Kinderhäusern. Danach wechselte dieAltersgruppe zusammen ins Jugendhaus. Gemeinsam aßenund schliefen, spielten und lernten die Kinder. Bei den Elterndurften sie nur zwei Stunden am Nachmittag verbringen.„Wenn die Kinder, so meinten die Gründer, nicht mehr imemotionalen Mittelpunkt der Mütter stehen würden, könnteder Konflikt zwischen emotionaler Bindung der Mütter anihre Kinder einerseits und dem Streben nach Selbstverwirklichungim Beruf andererseits endlich positiv gelöst werden.Denn diesen inneren Konflikt sahen sie als wichtigstes Hindernisauf dem Weg zur Gleichheit an“. (Vonholdt 2009).Der Wandel: „Gegenrevolution der Mütter“Wie veränderte sich dieses Kindheitsprogramm im Laufe derJahrzehnte, woran scheiterte es schließlich? Schon in den1920er Jahren gab es Eltern, die Bedenken gegen die langeTrennung von ihren Kindern äußerten und den wöchentlichenWechsel der Nachtwachen kritisierten. Anfang der 1950erJahre, als Spiro (1958) seine Beobachtungsstudien in mehrerenKibbuzim begann, konnte er bereits von einer Gegenrevolutionder Mütter, die schon im Kibbuz aufgewachsenwaren („Sabra“-Mütter) , sprechen. Diese Mütter – die Väterwerden in der hier zitierten Literatur nicht erwähnt – verändertendann in den 1960er und 1970er zunehmend die Formder Betreuung der Kinderbetreuung. „Die Mütter setzten esdurch, dass ihre Kinder nicht mehr gleich nach der Geburt insBabyhaus kamen, sondern von den Müttern zuhause versorgtwurden, bis sie acht Monate alt waren. Die Mütter reduziertenihre Arbeitszeit und nahmen zusätzlich <strong>für</strong> alle Kinder imVorschulalter noch eine Stunde Extra-Arbeitspause, die„Stunde der Liebe”, wie man es nannte. Anders als in den erstenJahrzehnten durften die Eltern jetzt jederzeit in die Kinderhäuserkommen, um ihre Kinder zu sehen. Verbrachtendie Kinder anfangs täglich zwei Stunden mit ihren Eltern, sowaren es 1975 täglich vier bis fünf Stunden, in denen dieEltern ihren Kindern ungeteilte Aufmerksamkeit gaben. AmAbend aßen die Kinder auch nicht mehr im Kinderhaus, sonderngemeinsam mit den Eltern im Gemeinschaftsraum.Samstags und feiertags verbrachten sie den ganzen Tag mitihren Eltern und oft auch mit den Großeltern. Am Abendbrachten die Eltern, und nicht mehr die Erzieherinnen, dieKinder zu Bett. (…) Die Frauen taten jetzt Dinge, die eine Generationzuvor noch undenkbar gewesen waren: Sie machtenden Kindern auch an ihrem freien Tag das Frühstück,nähten <strong>für</strong> sie und backten Kuchen <strong>für</strong> die Familie. Anders alsdie Gründer sahen die Sabras die Fürsorge <strong>für</strong> ihre Familieund Kinder nicht mehr als Hindernis auf dem Weg zur Emanzipation,sondern als Quelle tiefer Selbsterfüllung“ (Vonholdt2009, im Anschluss an Spira).Das kollektive Schlafen wurde in den 1970er und 1980er Jahrenzunehmend abgeschafft. Zu Beginn der 1990er Jahreschliefen die Kinder nur noch in drei der damals 260 Kibbuzimim Kinderhaus (Aviezer u. a.1994, 101). Die Kinder verbrachtenjetzt nicht mehr von ihrer täglichen Zeit imKinderhaus als Kinder in anderen israelischen Kindertagesstätten.Damit verlagerte sich auch mehr Verantwortung <strong>für</strong>die Kinder von den Erziehern zu den Eltern.In ihrem Rückblick auf den Wandel der Kibbuzerziehung erklärenAriezer u. a.(1994) den Wandel zum einen mit der besserenökonomischen Situation der Kibbuzim, die sich auch inbesseren Wohnungen auswirkte, und zum anderen mit geringererIdentifikation mit der Kibbuz-Ideologie sowie einemTrend zur Familienorientierung bei den nachwachsenden Generationen.Zum anderen weisen sie auf den Zusammenhangmit dem internationalen Wandel der Erziehungskonzepte hin.Während bis in die 1940er Jahre die Kibbuz-Erziehung auf versorgungspraktischeund spirituelle Ziele konzentriert war, tratenspäter die Bedürfnisse der Kinder und die Wahrnehmungdes Kindes als Subjekt in den Vordergrund. Die KibbuzimZPM NR. 23, DEZEMBER 2013 31


KINDERBETREUUNG RUND UM DIE UHRerhielten „the character of a child centered community… inwhich psychological theory came to influence educationalconceptualisation and practises” (ebd., 100).Realexperiment <strong>für</strong> wissenschaftliche ForschungIn den ersten Jahrzehnten wurde das Schlafen im Kinderhausauch mit psychonalytischen Theorien begründet: frühe engeEltern-Kind-Beziehungen könnten pathologische Folgen haben.Der amerikanische Kinderpsychologe Bruno Bettelheim,der in den 1960er Jahren einige Wochen in einem Kibbuz lebte,wog in seinem viel beachteten Buch „Children of the Dream“(1996) Vor- und Nachteile ab, die es hatte, dass Kibbuzkinderin den ersten Lebensjahren nicht bei den Eltern, sondern inder Gemeinschaft der Kinder lebten. Er war positiv beeindrucktvon den Vorteilen des Kibbuz-Modells, glaubte abernicht, „dass sich etwas Ähnliches in unserer <strong>Gesellschaft</strong> entwickelnließe“. In den 1980er Jahren entdeckten Psychologendie Erziehung in den Kibbuzim, in denen Kinder noch im Kinderhausschliefen, als Real-Experiment <strong>für</strong> die Bindungsforschung.Groß angelegte quantitative Vergleichsstudien zurEntwicklung der Bindungsfähigkeit wurden durchgeführt, derenErgebnisse dann – so Ariezer u. a. – Einfluss auf die Abkehrvom Schlafen im Kinderhaus hatten. Im Folgenden eineknappe Zusammenfassung von Ergebnissen, zitiert nach Ariezeru.a. (1994, 106-109) sowie nach Ariezer/Sagi (1999):Bei Kindern, die im Kinderhaus schliefen, wurde geringereBindung an ihre Mütter gemessen als bei Kibbuz-Kindern, diein der Familie schliefen (Sage u. a., 1994 in press). Kinder, dieim Kinderhaus schliefen, waren häufiger ängstlicher als andereKibbuz-Kinder und auch als israelische Kinder außerhalbder Kibbuzim. Erklärung der Autoren: Die Eltern waren nichtkonsistent verantwortlich (Ainsworth u.a. 1978). Laut Bronson(1968) und Spitz (1965) sind schwaches Sicherheitsbewusstseinund Angst vor Fremden auch auf den wöchentlichenWechsel der Nachtwächter (zwei <strong>für</strong> alle null- bis zehnjährigenKinder des Kibbuz) zurückzuführen. Sage et al. (1985) ermitteltenspäter, dass dies in besonderem Maß der Fall beisolchen Kindern war, deren Mütter bereits im Kinderhausaufgewachsen waren. Auch in Schlafstudien zeigte sich dasSchlafen im Kinderhaus als eher ungünstig: Kinder, die imKinderhaus schliefen, hatten häufiger Schlafunterbrechungenals Kinder, die in der Familie schliefen. (Ophir-Cohen u. a.1994 in press) Bei Ein- bis Sechsjährigen, die zunächst im Kinderhausgeschlafen hatten und ein Jahr später in der Familie,hatten sich die Durchschlafzeiten verlängert, obwohl die Familienwohnungenüberbelegt waren (Epstein 1992).Ariezer u.a. 1994 (104) ziehen aus ihren Literaturstudien denSchluss, das Kinderbetreuungskonzept der Kibbuzbewegungsei nur in Bezug auf das kollektive Schlafen gescheitert, habesich in den Vergleichsstudien der 1990er Jahre aber im Übrigender Praxis in anderen israelischen Betreuungseinrichtungenüberlegen gezeigt. Diese Forschungen fanden freilich statt,als das ursprüngliche Modell der Kibbuzerziehung bereits sehrweitgehend reformiert war. Eine eindrucksvolle Auseinandersetzungmit diesem Modell findet sich im jüngsten Buch vonAmos Oz (2013), in dem Oz Lebensbilder einzelner Menschenin einem Kibbuz der späten 1950er Jahre zusammenfügt. Einesdavon zeigt an einer Episode aus dem Alltag eines Kindesdie Macht der erbarmungslos prinzipientreuen Pädagogik.Keine wissenschaftliche Untersuchung reicht an diese facettenreicheKritik jener Lebenswirklichkeit heran.HELGA ZEIHERBettelheim, B. (1969): The Children of the Dream. London.Ariezer, O. u. a. (1994): “Children of the Dream” Revisited: 70Years of Collective early Child Care in Israeli Kibbutzim. In: PsychologicalBulletin, 116/1, 99-116.Ariezer, O., Sagi, A. (1999): The Rise and Fall of Collective Sleepingand its impact on the relationships of Kibbutz Children andParents. In: Fölling, W., Fölling-Albers, M. (Hrsg.): Transformationof Collective Education in the Kibbutz. Frankfurt a. M./Berlin,192-211.Oz, A. (2013): Unter Freunden. Berlin.Spiro, M. E. (1958): Children of the Kibbutz. Cambridge, Mass.Vonholdt, Ch. R. (2009): Die radikale Reformbewegung der Kibbuzfrauen.In: Bulletin DIJG, Nr. 17, 2009, 23-34. (http://www.dijg.de/gender-mainstreaming/geschlechterstereotypenreformbewegung/)Für Literaturhinweise danke ich Maria Fölling-Albers, UniversitätRegensburg.Bitte vormerken:Jahrestagung 2014 der DGfZPGesundheit und Zeit24. und 25. Oktober 2014 in Berlin32 ZPM NR. 23, DEZEMBER 2013


AUS DER DGfZPAus der DGfZPLiebe Mitglieder der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> <strong>für</strong> <strong>Zeitpolitik</strong>Wie immer kurz vor der Jahreswende schicke ich Ihnen einenBrief, der die besten Wünsche <strong>für</strong> Weihnachten und dasNeue Jahr vom DGfZP-Vorstand und mir persönlich übermittelnund dies mit ein paar Reflexionen zu unseren zeitpolitischenAktivitäten soll.Es ist das Jahr Elf der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> <strong>für</strong> <strong>Zeitpolitik</strong>.Ich habe den Eindruck, dass wir mit dem (oder besser: den)zeitpolitischen Anliegen – salopp ausgedrückt – an einem ganzdicken Brett bohren. Wir können beobachten, wie der Begriffder „<strong>Zeitpolitik</strong>“ unerwartet auftaucht, Fuß zu fassen scheintund dann doch irgendwie schnell wieder verschwindet – aberSpuren hinterlässt. Zuletzt hat <strong>Zeitpolitik</strong> sich in Deutschlandam deutlichsten in der Familienpolitik niedergeschlagen. DieFrage der Vereinbarkeit mit ihren vielfältigen Ausprägungen– familienfreundlichere Arbeitszeiten, gleiche Chancen <strong>für</strong>Männer und Frauen, Betreuungsinfrastruktur, Räume undZeiten <strong>für</strong> Kinder, ein Zeitverständnis, das aufnahmefähig ist<strong>für</strong> sozialen, intergenerationalen und ethnischen Zusammenhalthat sich weit in den Vordergrund geschoben. Zarte Ansätzeeiner neuen zeitbezogenen Stadtkultur – in Gestalt vonFamilienministerium geförderten Projekten einer lokalen Familienzeitpolitik– entwickeln sich.In die Zentren, in denen politische Entscheidungen fallen, hatsich eine zeitpolitische „Denke“ eingeschlichen. Denken Sie andie im ZpM 23 ausführlich zitierten Worte von Martin Schulz,dem Präsidenten des Europaparlaments („Den Primat derPolitik durchzusetzen, das strategische Interesse einesgeeinten Europas angesichts weltpolitischer und weltwirtschaftlicherGewichte-Verschiebungen nicht aus dem Blick zuverlieren – das erfordert eine Rückkehr zur Langfristigkeit“)oder des Sächsischen Ministerpräsidenten Stanislav Tillich(„Dieses Mehr an Zeit [der Politik] soll sicherstellen, dass diePolitik bei wichtigen Zukunftsfragen den richtigen Kurs einschlägtund die Entscheidungen demokratisch legitimiertsind.“), denken Sie an die Worte des scheidenden Bundestags-Vizepräsidenten Wolfgang Thierse („Ich lobe auch die Langsamkeitder Demokratie. … Ich wünsche dem <strong>Deutsche</strong>nBundestag, dass er sich mehr und energischer, als es in den vergangenenJahren verschiedentlich der Fall war, dem Beschleunigungsdruckvon Märkten und Medien widersetzt.“). Offenbarwerden auch die „Macher“ sich zumindest des Problemdrucksbewusst, den das radikal veränderte Zeitregime unserer Tageauf die demokratische Entscheidungspraxis ausübt.Das war auch der Grund, warum wir die diesjährige DGfZP-Jahrestagung dem Thema „Demokratie braucht Zeit“ gewidmethatten. Gewiss soll <strong>Zeitpolitik</strong> sich den einzelnen Feldernzuwenden, auf denen zeitrelevante Entscheidungen getroffenwerden (Erwerbsarbeit, Gesundheit, Familie, Pflege, Schule,Stadt etc.). Sie muss sich aber auch öffnen da<strong>für</strong>, wie die politischenEntscheidungsprozesse über solche Gestaltungsfragenverlaufen – wer da mit welchen zeitlichen Erwägungsressourcennachhaltige (oder im negativen Falle: äußerst kurzfristigeund -sichtige) Entscheidungen trifft. Über die Jahrestagungwird im folgenden Beitrag berichtet. Ein Ergebnis der Tagungwar, dass sich zeitpolitische Erwägungen und Vorschläge zuVerfassung und Perspektiven der Demokratie im Beziehungsdreieckvon repräsentative, direkter und partizipativer Demokratiebewegen sollten. Die repräsentative Demokratie musssich die Zeit nehmen, sich mehr zur direkten und zur partizipativenDemokratie öffnen, als sie derzeit tut. Nicht nur ausstaats- und demokratietheoretischen, sondern auch aus zeitpolitischenGesichtspunkten…Jüngst haben die Politische und die Evangelische AkademieTutzing den Ball aufgenommen und die Frage gestellt, waseigentlich die Rolle der Massenmedien bei der zeitlichenStrukturierung des Politikbetriebs und der demokratischenEntscheidungsprozesse ist („Live dabei. Echtzeitjournalismusim Multi-Media-Zeitalter“, 6. - 8. Dezember 2013). Da öffnetsich wahrlich ein Tor <strong>für</strong> neue zeitpolitische Reflexion und Intervention(s. auch ZpM 18, Juli 2011).Irgendwie unbewegt vom zeitpolitischen Gedankengut bleibtfreilich derzeit die weltweite Ökologie der Zeit. Wir erlebenweltweite Katastrophen, die mit fehlender Nachhaltigkeit undKlimaveränderung zusammenhängen – der „Echtzeitjournalismus“trägt sie uns allabendlich ins Haus. Aber die entscheidendenAkteure der Weltpolitik lassen die Nachhaltigkeitsfrageleerlaufen. Die gerade gescheiterte Weltklimakonferenzin Warschau lehrt einen das Grauen....Wahrhaftig ein dickes Brett, an dem wir <strong>Zeitpolitik</strong>er/innenbohren!Ich hoffe, ich habe Sie mit diesem Brief nicht traurig gemacht,und verbleibe mit den besten WünschenIhrULRICH MÜCKENBERGERVorsitzender der DGfZPZPM NR. 23, DEZEMBER 2013 33


AUS DER DGfZPNach-Gedanken zu „Demokratie braucht Zeit“Die Jahrestagung hat den Sinn und die Notwendigkeit deutlichgemacht, unter zeitpolitischen Aspekten über Zustand undPerspektiven des demokratischen Gemeinwesens nachzudenken.Als zeitpolitisch interessanter Bezugsrahmen hat sich das„Beziehungsdreieck“ zwischen repräsentativer, direkter undpartizipativer Demokratie (unten 1.) herausgestellt. Die Zeitdimensionlegt da<strong>für</strong> eine neuartige Analytik frei (unten 2.).Sie präzisiert vor allem die normativen Zugänge zeitpolitischenAbwägens (unten 3.).1. Beziehungsdreieck repräsentativer,direkter und partizipativer DemokratieZeitpolitische Erwägungen und Vorschläge zu Verfassung undPerspektiven der Demokratie bewegen sich im Beziehungsdreieckvon repräsentativer, direkter und partizipativer Demokratie.Die repräsentative Demokratie muss sich mehr zurdirekten und zur partizipativen Demokratie öffnen, als sie derzeittut. Nicht nur aus staats- und demokratietheoretischen,sondern auch aus zeitpolitischen Gesichtspunkten bedarf eseiner genauen Wertung und Zuordnung dieser drei Aspekte.Das Repräsentativsystem ist ein Instrument <strong>für</strong> politischeWillensbildung unvermeidlicher Zeitorganisation. Mit Wahlzyklenund Parteienprinzip sowie Zeitrahmen von Legislaturperiodenverzeitlicht es Herrschaft. Mit Mehrheitsprinzip,Redezeitbegrenzung, Fraktionsbindung setzt es demokratischlegitimer Deliberation zeitliche Grenzen und erlaubt damit(u. U. eilbedürftige) Entscheidungen. Die Institutionen desRepräsentativsystems erlauben zeitsparende Routinisierungvon Entscheidungsherbeiführung, -findung und -überprüfung,ohne die ein ausdifferenziertes Gemeinwesen im Regelfallnicht auskommt.Anzeichen sprechen da<strong>für</strong>, dass der routinisierte repräsentativePolitiktyp <strong>für</strong> inkrementelle politische Innovation, nichtjedoch <strong>für</strong> radikale gesellschaftliche Umsteuerungen geeignetist. Heute stehen wir vor oder in einer Reihe solcher Umsteuerungen– sie reichen von ethischen Fragen wie Präimplantationsdiagnostiküber gesellschaftspolitische wie Ausstieg ausder Kernenergie und globale wie Komplexe der Euro-Rettungoder der Flüchtlingsfrage. Charakteristisch <strong>für</strong> diese Umsteuerungsfragenist zweierlei: Erstens brechen Konflikte und Protestwellenaußerhalb der Repräsentativsysteme um dieseFragen auf, zweitens rekurrieren gewählte Vertreter hier oftmalsselbst auf die Notwendigkeit von Volksentscheiden oderverstärkter Bürgerbeteiligung. Die Zeitstruktur des routinisiertenPolitikbetriebes ist diesen Umsteuerungen offenbarnicht gewachsen: weder erlangt ihre Erörterung angemesseneZeiten und Räume, um zu qualitativ tragenden Lösungen zuführen; noch finden zuweilen dezisionistisch getroffene Umsteuerungengenügend Akzeptanz und Rückhalt, um nachhaltigLegitimität zu gewinnen.Zeitpolitisch ist angezeigt, an diesen Umsteuerungspunktensozusagen den parlamentarischen Routinemodus der Zeitorganisationwenn nicht zu verlassen – das geht schon ausstaatstheoretischen Gründen nicht – so doch durch einen zeitintensiverenDeliberationsmodus zu bestärken und zu „unterfüttern“,der durch seine Zeitorganisation sowohl fundamentalereAbwägungs- als auch nachhaltigere Legitimitätsressourcenerschließen hilft. Dazu gehören innerinstitutionelleAd hoc-Vorkehrungen – wie Enquête-Kommissionen,Ausschüsse oder „Konvente“ – , die aber aus verschiedenenGründen die Probleme des Repräsentationsmodus nicht wirklichlösen. Dazu gehören Vorkehrungen direkter und partizipativerDemokratie.Volksentscheide sind ein Rekurs des Repräsentativsystems aufdirekte Demokratie. Sie erhöhen möglicherweise Legitimitätschancen,weil bei ihnen der Souverän selbst, nicht nur Repräsentanten,tätig werden. Sie erhöhen aber nicht unbedingt auchdie Abwägungsressourcen, können sogar im populistischenSinne „kurzen Prozess“ mit Umsteuerungen machen. Zeitpolitischspricht hier einiges <strong>für</strong> die dreistufige direkte Demokratie:Volksinitiative – Bürgerbegehren – Volksentscheid. Diese„verlängert“ automatisch den Entscheidungsprozess und erlaubtöffentliches Abwägen von Pro und contra, <strong>für</strong> das dasbloße Repräsentativsystem keine Zeitressourcen besitzt. Jedochwird hier „Zeit“ als bloßes Potenzial verbraucht, nicht systematisch<strong>für</strong> öffentliche Deliberation eingesetzt, die Qualitätund Nachhaltigkeit der getroffenen Entscheidung verbürgt.Partizipative Demokratie kann demgegenüber – da<strong>für</strong> existierenzahlreiche Beispiele wie der Große Ratschlag, das choicework-Verfahren,die Zukunftskammer, die Planungszelle, dieZukunftswerkstatt – eine die öffentliche Deliberation systematischfördernde Zeitorganisation sicherstellen. Sie kann dieFundierung des Abwägens sicherstellen und mit ihr die Qualitätder demokratischen Entscheidung erhöhen. Sie kann abernennenswerte Legitimitätsressourcen kaum erschließen helfen,da weder der Souverän selbst noch dessen durch Wahlenlegitimierte Repräsentativstruktur tätig sind. Partizipationmuss mit politischen Entscheidungsprozessen strukturell verkoppeltsein – das ist meist nicht der Fall, beim Großen Ratschlagwird es mitgedacht – , um ihre Rationalitätsressourcenachhaltig wirksam machen zu können.Das Beziehungsdreieck von repräsentativer, direkter und partizipativerDemokratie ist also <strong>für</strong> die Perspektive der Demokratieperspektivreich, wenn auch noch reflexionsbedürftig. Indiesem Beziehungsdreieck bestehen zeitpolitische Varianten,ZPM NR. 23, DEZEMBER 2013 35


AUS DER DGfZPdie <strong>für</strong> Qualität, Effektivität und Legitimität zu treffender Entscheidungengroßes Gewicht haben.2. Die Zeitdimension in der Demokratie-AnalytikDer wissenschaftlichen Betrachtung bietet das Verhältnis vonZeit und Demokratie noch ungeahnte Felder. Einige kamen aufder Jahrestagung immer wieder auf – keines konnte (undsollte) vertieft werden. Zu diesen Themen gehören:• Das Verhältnis von <strong>Zeitpolitik</strong> zu Machtfragen in der vorhandenenDemokratie. Macht führt Zeitenge u. U. bewusstherbei – und beschneidet danach gleich wieder die Zeitressourceneiner ergebnisoffenen öffentlichen Deliberation.• Die public choice-Forschungen machen deutlich, dass öffentlicheRepräsentanten u. U. gar nicht Gemeinwohl-, sondernhöchst partikulare Ziele (Wiederwahl, finanzielleVorteile u. ä.) im Sinn haben.• Politische Errungenschaften (genannt wurden Gleichstellungsbeauftragte)haben oftmals eine eigene „Zeitlichkeit“,indem sie Gefahr laufen, sich mit ihrer Etablierung von ihrenUrsprungsintentionen und -bewegungen zu entfernen.• Selbst wenn politische Verhältnisse beteiligungsfreundlichsind, bleibt die Zeit <strong>für</strong> Beteiligung bei den Subjekten begrenzt.• Ein zeitpolitisches Problem ersten Ranges bleibt die „Diskontierung“von Zeit – je weiter entfernt eine Zeiteinheit ist,umso (subjektiv) geringerer Wert wird ihr eingeräumt. Washeute oder morgen geschieht, interessiert mich mehr, alswas in hundert Jahren sein wird. Diskontierung ist wahrscheinlichlebenspraktisch unumgänglich. Aber gibt es sozusageneine angemessene „Diskontrate“, die nachhaltigenUmgang mit Zeit erlaubt?• Fundamental ist auch die Frage, was das Brandt’sche „MehrDemokratie wagen“ heißt. Erweitert es nur das demokratischePostulat in den gesellschaftlichen Raum hinein? Oderbesteht nicht auch ein Wagnis darin abzuschätzen, was beieinem Mehr an Demokratie real herauskommt? Diese Fragemüsste sich auch demokratische <strong>Zeitpolitik</strong> stellen.3. Die Rolle der <strong>Zeitpolitik</strong> bei derEntwicklung des DemokratischenWenn heute Politiker zeitpolitische Motive aufnehmen (s. ZpM22), drücken sie häufig einen Wunsch nach „Verlangsamung“des politischen Geschehens und Erwägens, manchmal auchden Wunsch nach Befreiung aus dem „Hamsterrad“ der beschleunigtenpolitischen Routinebetriebe und nach Rückgewinnungoffener reflexiver Räume und Zeiten aus. Das istsicher ein berechtigtes zeitpolitisches Anliegen.Auch in direktdemokratischen Gestaltungsanliegen drückensich zuweilen zeitpolitische Anliegen – in Gestalt des Bedarfsnach Reflexionszeiten – aus. „Mehr Demokratie“ favorisiertz. B. das dreistufige Volksentscheidsverfahren (s. oben 1.). Dieseserlaubt mehr Zeit <strong>für</strong> kontroverse alltägliche Diskussionund dauert insgesamt länger als eine bloße Volksabstimmung(es hat einen Verlaufszyklus, dessen Länge der „Große Ratschlag“nicht überschreiten wird). „Mehr Demokratie“ unterscheidetauch zwischen dem „Ob“ und dem „Wie“ von zutreffenden Entscheidungen. Ob-Entscheidungen seien volksentscheidungsfähig,die Wie-Findung nicht: Sie braucht Mittelund Zeiten partizipativer Demokratie. Das deutet auf einenzeitpolitischen Zusammenhang (s. oben 1.) hin.Zu bestimmen bleibt der systematische Zusammenhang zwischenZeit <strong>für</strong> Beteiligung an und Qualität von demokratischenEntscheidungsprozessen. Auch wenn Zeitmangel der Qualitätvon Entscheidungen generell abträglich sein dürfte, trägtbloßer Zeitverlauf natürlich nicht zu dieser Qualität bei. Zeitpolitischgeboten ist vielmehr, dass <strong>für</strong> öffentliche EntscheidungenZeiten der Deliberation eingeräumt werden, dienotwendig sind, um die Entscheidung rational begründbarund legitim zu machen – und dass dann von diesen Zeitenentsprechender Gebrauch gemacht wird. Es muss eine Zeitorganisationermittelt werden, die dem jeweiligen EntscheidungsprozessBegründetheit und Annehmbarkeit sichernkann. Das wird bei weichenstellenden Entscheidungen ein wesentlicherheblicherer Zeitaufwand sein, als er derzeit üblichist. Begründetheit und Annehmbarkeit bei strukturbildendenEntscheidungen (Umsteuerungen, Weichenstellungen) setztVielfalt und Heterogenität von Blickwinkeln auf sowie Einsichtenin den Entscheidungsgegenstand und die daran beteiligtenInteressen voraus, was Beteiligung in einem umfassendenSinne impliziert. Notwendig ist die Zeit <strong>für</strong> diese Beteiligungin doppeltem Sinne: Zeit des politischen Entscheidungsprozesses<strong>für</strong> diese Beteiligung und Zeit der zu Beteiligenden <strong>für</strong>Teilhabe. Wenn diese Zeiterfordernisse eingehalten sind, kanneine Entscheidung als demokratisch bezeichnet werden. Ob siequalitativ „richtig“ ist, kann damit nicht mit Sicherheit gesagtwerden – es verbleibt insoweit bei dem unter 2. genannten„Wagnis“ der Demokratie.Um diese Zeitkontingente <strong>für</strong> unter Beteiligung verlaufendeöffentliche Deliberationsprozesse verfügbar zu machen, bedarfes der Konzentration von Zeit auf weichenstellende Entscheidungenund, wo das nicht der Fall ist, entsprechendeEntlastung. Und es bedarf der „Unterfütterung“ staatlichrepräsentativerEntscheidungen mit gesellschaftlicher Willensbildung,so wie sie der „Große Ratschlag“ vorsieht. EinVolksentscheid kann als letztes Mittel nicht ausgeschlossenwerden. Speziell im gesellschaftlichen Bereich bedarf es darüberhinaus kompensierender Maßnahmen, um Zeitmangeloder mangelnde Kompetenz im Zeitgebrauch zu überbrücken.Das ist in der Darstellung des „Großen Ratschlags“ ausgeführt.ULRICH MÜCKENBERGER36 ZPM NR. 23, DEZEMBER 2013


VERANSTALTUNGEN, PROJEKTE, INFORMATIONENVeranstaltungen, Projekte, InformationenCare.Macht.Mehr: Von der Care-Krise zur Care-GerechtigkeitEine Initiative engagierter Wissenschaftler/innenDie <strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong> <strong>für</strong> <strong>Zeitpolitik</strong> unterstützt eine Initiative,die darauf aufmerksam macht, dass Care in allen Facettensich heute in einer umfassenden Krise befindet. Zu Caregehören unverzichtbare Tätigkeiten wie Fürsorge, Erziehung,Pflege und Unterstützung, bezahlt und unbezahlt, in Einrichtungenund in privaten Lebenszusammenhängen, bezogen aufGesundheit, Erziehung, Betreuung u. v. m. – kurz: die Sorge<strong>für</strong> andere, <strong>für</strong> das Gemeinwohl und als Basis die Sorge <strong>für</strong> sichselbst, Tag <strong>für</strong> Tag und in den Wechselfällen des Lebens. Careist Zuwendung und Mitgefühl ebenso wie Mühe und Last.Gleichwohl ist Care keine Privatangelegenheit, sondern einegesellschaftliche Aufgabe. Auch wenn derzeit einzelne Themenöffentlich verhandelt werden (Kita-Ausbau, Pflegenotstand,Burnout etc.), sind grundsätzliche Lösungen nicht in Sicht.Das Ausmaß der Krise zeigt sich erst, wenn alle Care-Bereichezusammen gedacht werden.Eine Gruppe engagierter Wissenschaftler/innen aus unterschiedlichenBereichen in Deutschland, Österreich und derSchweiz – Margrit Brückner (Frankfurt/Main), Claudia Gather(Berlin), Karin Jurczyk (München), Frank Luck (Basel),Katharina Pühl (Berlin), Maria S. Rerrich (München), BarbaraThiessen (Landshut) – wenden sich mit einem Care-Manifestan die Öffentlichkeit, weil sie den Zusammenhalt unserer<strong>Gesellschaft</strong>, der über wechselseitige Sorge (Care) gewährleistetwird, gefährdet sehen. Denn es gibt zwar genügend differenzierteAnalysen der Schwierigkeiten in unterschiedlichenCare-Bereichen, dringlich erscheint aber das Anliegen, weitereÖffentlichkeiten zu erreichen, um auf die Notwendigkeit umfassendveränderter Strukturen von Sorge und Versorgunghinzuweisen. Mit dieser Initiative soll Sorge, Zuwendung, Unterstützung,Pflege - kurz gesagt „Care“ - als Grundlage einesguten Lebens in den Mittelpunkt gesellschaftlicher Aufmerksamkeitgerückt werden. Trotz einzelner Schritte, wie etwadem in Deutschland inzwischen bestehenden Rechtsanspruchauf einen Kinderbetreuungsplatz auch vor dem dritten Lebensjahr,klaffen zwischen Angeboten und Bedarfen immernoch gravierende Lücken. Betreuungsplätze sind nur ein Aspektdes weiten Feldes von Care; überall entwickeln sich in derbezahlten und unbezahlten Sorge <strong>für</strong> Kinder sowie <strong>für</strong> kranke,behinderte und alte Menschen zusätzlich zu bislang nichtgeschlossenen Versorgungslücken neue und gravierende Mangellagendurch Privatisierungspolitiken, Sparprogramme,Finanzierungsengpässe in Städten und Gemeinden u. a. m.Die Initiator/innen möchten hier<strong>für</strong> zunächst eine größereZahl von Unterstützer/innen einer solchen Initiative gewinnen.Ein zweiter Schritt wird dann ein offener Brief an wichtigePersonen und Institutionen (Politik, Wohlfahrtsverbände,Fachöffentlichkeit u. a.) in Deutschland, Österreich und derSchweiz sein, die mit der Organisation öffentlicher und privaterCare-Strukturen befasst sind. In Deutschland soll das nochvor Weihnachten geschehen. Darüber hinaus sind vielfältigeFormate geplant, mit denen dieses Anliegen vertieft, mit mehrMenschen diskutiert und weiterentwickelt werden kann, auchum daraus konkrete Forderungen und Änderungsvorschlägezu entwickeln. Formen hier<strong>für</strong> könnten Fachgespräche, kommunaleInitiativen, länderübergreifende Workshops undArbeit mit den Medien sein. Ziel ist es, vor allem Menschen inder erweiterten Öffentlichkeit zu erreichen, denen angemesseneMöglichkeiten von Care-Versorgung ebenfalls ein Anliegensind.Ihre Unterschrift ist wichtig!Wer das Care-Manifest unterzeichnen möchte, schickt bitteeine entsprechende Nachricht an folgende email-Adresse:info@care-macht-mehr.com, oder trägt sich ein auf unsererWebsite www.care-macht-mehr.com. Für die geplante Verschickungeines offenen Briefes wird gleichzeitig um das Einverständnis,Ihren Namen (ggf. auch Titel, Funktion und Ort)als Unterzeichner/in nennen zu dürfen. Die Bekanntmachungder Initiative und die Verbreitung des Care-Manifestes an weiterePersonen und in andere Öffentlichkeiten sind sehr erwünscht.Für weitere Ideen sind die Initiator/innen offen undladen ein, ihren Kreis zu erweitern.ZPM NR. 23, DEZEMBER 2013 37


VERANSTALTUNGEN, PROJEKTE, INFORMATIONENRHYTHMUS DES LERNENS – ZEITEN DER BILDUNGTagung in der Ev. Akademie Tutzing16. bis 18. Mai 2014Zeitdruck bestimmt vielfach das Lernen, Halbwertszeiten des Wissens werden kürzer, <strong>Gesellschaft</strong>und Arbeitswelt flexibler. Wie können Schulen diesen Anforderungen gerecht werden? WelchenRaum geben sie den individuellen Eigenzeiten und den Rhythmen des Lernens, dem Innehaltenund der Reflexion?www.ev-akademie-tutzing.deNeue LiteraturNeue Veröffentlichungen von MitgliedernBitte senden Sie Informationen über Ihre Veröffentlichungen an helga.zeiher@gmail.comMartin Held, Franz Hölker und Beate Jessel (Hrsg.)Schutz der Nacht – Lichtverschmutzung, Biodiversität und NachtlandschaftGrundlagen, Folgen, Handlungsansätze. Beispiele guter Praxis2013BfN-Skripten 336kostenlos bei: Bundesamt <strong>für</strong> Naturschutz, Konstantinstr. 110, 53179 Bonn,Download: www.bfn.de/fileadmin/MDB/documents/service/Skript_336.pdfDie zusammen 43 Beiträge des Bandes, an denen 46 Autorinnenund Autoren aus fünf Ländern mitgewirkt haben, vermittelneine breite Übersicht zum Thema Lichtverschmutzung.Die dunkle Nacht ist nicht nur die Hälfte des Tages, sondern siebetrifft zeitlich betrachtet auch die Hälfte des Naturschutzes.Dennoch ist das Thema Lichtverschmutzung bislang kaum imöffentlichen Bewusstsein präsent, und dies, obwohl Beeinträchtigungendurch nächtliches Licht mittlerweile dramatischeAusmaße angenommen haben: Neben Folgen <strong>für</strong> diemenschliche Gesundheit sowie Aspekten des Klima- und Ressourcenschutzestreten Beeinträchtigungen zahlreicher Artenund Ökosysteme. Die vielen Facetten des Themas Lichtverschmutzungsowie Handlungsmöglichkeiten zeigt ein aktuellerSkriptenband des Bundesamtes <strong>für</strong> Naturschutz (BfN) auf, derin Zusammenarbeit mit der Evangelischen Akademie in Tutzingund dem Forschungsverbund „Verlust der Nacht“ am Leibniz-Institut <strong>für</strong> Gewässerökologie (IGB) in Berlin entstanden ist.Licht ist unser wichtigster Zeitgeber und als Grundrhythmusdem Lebensablauf des Menschen und zahlreicher Lebeweseneingeprägt. In verschiedenen Artengruppen, etwa bei den Wirbellosen,ist sogar der überwiegende Teil der Arten nachtaktiv.Unsachgemäße Beleuchtung kann einen regelrechten„Staubsaugereffekt“ auf die Insekten in einem weiteren Umfeldausüben, etwa auf Wasserinsekten wie Köcherfliegen, dievon Straßenlampen magisch angezogen werden und qualvollverenden. Aber auch Fische, Vögel und Fledermäuse werdendurch unsachgemäße Beleuchtung beeinträchtigt.Die Beiträge in dem Band „beleuchten“ eingehend die Bedeutungvon Licht nicht nur <strong>für</strong> verschiedene Artengruppen, sondernauch <strong>für</strong> die menschliche Gesundheit. Quellen, Intensitätund spektrale Zusammensetzung künstlicher Lichtquellenwerden beschrieben, die Folgen <strong>für</strong> verschiedene Organismengruppen,Ökosysteme und Biodiversität sowie die Gesundheitdargestellt. Breiten Raum nehmen Handlungsansätze ein, dievon technischen Möglichkeiten, einem bewussten Umgang mitLicht, Gesetzen und Verordnungen sowie planerischen Ansätzenwie sogenannten Lichtmasterplänen reichen.Deutlich wird dabei: Die Belange von Lichtverschmutzung undSchutz der Nacht reichen weit über den Naturschutz hinausund berühren vielfältige Interessen auch der Astronomie, desKlimaschutzes, der Beleuchtungstechnik ebenso wie des Tourismusund der Stadtgestaltung. Handlungsmöglichkeitensind gegeben, und es bestehen große Potenziale, bereits mitvergleichsweise einfachen Möglichkeiten wie einer richtigenAnordnung und spektralen Zusammensetzung von Lampendie Auswirkungen von Beleuchtung zu optimieren und zumKlimaschutz beizutragen.(Text des Bundesamts <strong>für</strong> Naturschutz)38 ZPM NR. 23, DEZEMBER 2013


NEUE LITERATURSabine Schmidt-Lauff (Hg.)Zeit und Bildung.Annäherungen an einezeittheoretische Grundlegung.2012Münster: Waxmann VerlagRezension: Es ist in der Tat erstaunlich,dass die Pädagogik erst Anfang des 21.Jahrhunderts entdeckte, dass sie sich intensivermit dem Zusammenhang ihrerDisziplin mit dem Thema Zeit beschäftigenmüsse. Doch „…wenn man … ersteinmal auf das Zeitproblem gestoßen ist,wird es zunehmend faszinierender undwichtiger. Selbstverständlichkeiten brechenauf. Verblüfft stellt man dann fest,wie wenig dies in der Diskussion derErziehungs- und Bildungswissenschaftbeachtet worden ist. Ausgerechnet dieBildungstheorie, die es doch mit Entwicklungund Entfaltung zu tun hat, unterschlägtdie Tatsache, dass alle Bildungin der Zeit stattfindet.“ (S. 76) So PeterFaulstich in seinem Beitrag <strong>für</strong> den Sammelband„Zeit und Bildung“, den SabineSchmidt-Lauff, Pädagogik-Professorinan der Uni Chemnitz, herausgegebenhat. Der Sammelband soll diesem Mangelabhelfen und einen Baustein zu einer„Zeittheorie der Pädagogik“ beitragen.Wer nun einen breit angelegten Dialogüber die Bildungspraxis der bestehendenErziehungsinstitutionen und ihreZeitstrukturen erwartet, wird zunächstüberrascht, dass es, entsprechend demgesetzten Anspruch, primär um Grundsatzproblemeder Bildungstheorie geht –wenn man so will, um die grundsätzlichsten,die man sich vorstellen kann. Dennwenn Bildung ein Prozess ist, dann findetsie stets in der Zeit statt und dann istdas Zeitliche tatsächlich konstitutiv <strong>für</strong>jeden organisierten Bildungsprozess,zumal wenn er sich über einen ganzenLebenszyklus erstreckt oder erstreckensoll. Und er weist stets in die Dimensionder Zukunft hinein, hat damit notgedrungenauch ein enormes utopischesPotential – wo komme ich her und wowill ich hin? Diese Erkenntnis ist in dieserAllgemeinheit denn wieder dochnicht so neu, bereits Rousseau undSchleiermacher haben hier wichtige Vorarbeitengeleistet. Insofern geht es indem Sammelband eigentlich darum, einTheoriegebäude zu begründen, das imstandeist, unterschiedliche zeitgenössischeStrömungen bzw. Fragestellungenin sich aufzunehmen und zu einer konsistenteren,(post-) modernen Sichtweiseder Dinge beizutragen.Die Herausgeberin kommt aus derErwachsenen- und Weiterbildungsforschungmit dem SchwerpunktLebenslanges Lernen und Biografie-Forschung (hierzu auch: dies., Zeit <strong>für</strong>Bildung im Erwachsenenalter, Münster2008), und daher zieht sich diesesThema nicht zufällig durch die gesamtensechs Beiträge, wenngleich nur als einAspekt unter mehreren und mit unterschiedlicherGewichtung. Damit ist auchgesagt, dass der Band andere pädagogischeBereiche weitgehend unberücksichtigtlässt, etwa den Bereich derJugendarbeit. Auch hier spielen Zeitmaßeund -strukturen eine mitentscheidendeRolle. (vgl. Rinderspacher, JürgenP., Zeitwohlstand und Jugendarbeit. In:Das Baugerüst <strong>für</strong> Jugend- und Bildungsarbeit,Nr.3/12, S. 62-70). Das istkein Mangel, aber eine Einschränkung,auf die hingewiesen werden sollte.Ein hoch komplexes Mehr-Ebenen-Modellentwickelt Schmidt-Lauff, um dasAufeinandertreffen unterschiedlicherZeitlogiken im Erziehungsprozess zuverdeutlichen. In diesem Zusammenhangpostuliert sie unterschiedliche„zeitliche Grundbezüge“, wie dem derGeschichtlichkeit, der transformativenDynamik, der Anthropogenität, der Zeitdimensionalität,der Emotionalität, derFlüchtigkeit von Zeit und einige weitere.Damit entsteht ein sehr brauchbarerBaustein <strong>für</strong> eine „Zeittheorie der Pädagogik“.Allerdings braucht es hier wieauch an einigen anderen Stellen des Bandesdoch einige Anstrengung, um dietheoretischen Ansätze der Autor/innenin der vorliegenden, stark komprimiertenForm des Aufsatz-Formats zu verstehen.In mehreren Beiträgen scheint essich dabei um eine Zusammenfassungausführlicherer Darstellungen in Monografienzu handeln. InsbesondereNicht-Pädagogen werden hier ihreSchwierigkeiten haben. Ihnen sei zurVertiefung etwa die oben zitierte Arbeitder Herausgeberin empfohlen.Dass bei einer so grundsätzlichen Fragestellungkein philosophischer und sozialwissenschaftlicherAnsatz, derelementare Aussagen über das Wesender Zeit enthält, fehlen darf, ist klar. Sobleibt zwischen Aristoteles und Foucault,zwischen Elias und der jüngerenzeitgenössischen Garde praktisch keinerder üblichen Verdächtigen unerwähnt,aber auch einige, von denen man es aufden ersten Blick nicht unbedingt vermutethätte. Damit bietet der Band nebenbeieine gute Einführung in die Diversitätgegenwärtig rezipierter Zeittheorien undbelegt damit zugleich die enorme Vielfalt,wohl auch Heterogenität des bisherigenDiskurses über philosophische undsozialwissenschaftliche Zeit.In der Tat soll hier, wie ja auch beiDörpinghaus und Uphoff (s. Rezensionunten), einer „Trivialforschung“ im zeitpädagogischenDiskurs – etwa der bloßenVermessung von Bildungsprozessennach rein äußerlichen Zeitkriterien wieetwa Flexibilität (S. 61) – eine qualitativetemporalpädagogische Perspektive zurSeite gestellt werden. Eine These ist, dass„Verzögerung“ eine der zentralen Kategoriendes Lernens bzw. von Bildung sei.Demgemäß soll „Verzögerndes Denken“ermöglicht werden, das ein fragendesZPM NR. 23, DEZEMBER 2013 39


NEUE LITERATURDenken sei und sich vom Fremdbezug herbegreife: Verzögerung als der Übergangvom Vorreflexiven zum Reflexiven.„Denken wird zum Nach-Denken, das …sich in der Zeit erstreckt und vor allemein selbstständiges Durch-Denken ist.“(S. 66) Daraus ergibt sich dann das Problem,wie sich in einer „Kontrollgesellschaft“ein solcher Anspruchverwirklichen lasse. „Der Habitus desLebenslangen Lernens, der permanentenWeiterbildung als das Nichtfertigwerdenschlechthin wird zum Lebens- zeitregime“heißt es kritisch (ebd.). Dörpinghausund Uphoff kontrastieren diesengängigen Anspruch mit einer fundiertenKritik, in der sich das Unbehagen unsererEpoche an der Vereinnahmung desLebens durch die Zeit, das heißt durch einengmaschiges Netz infiniter zeitlicherAnsprüche, wiederfindet. Freiheit wirddamit zu einem wichtigen Topos.Dabei wird deutlich, wie sehr es beimLernen auf Zeitkompetenzen ankommt.Schäffter versteht Lernzeit als Übergangszeit.„Die temporale Struktur vonÜbergangszeiten, in denen erst dieBedingungen <strong>für</strong> zukunftsfähigeAnschlussmöglichkeiten geschaffenwerden müssen, unterliegt einem modalphilosophischenSpannungsverhältniszwischen „Potentialität“ und„Possibilität.“ (S. 137). Diese Begriffeweisen auf Ernst Bloch hin und damit aufdie Problematik, wie aus dem Möglichendas tatsächlich Wirksame werden kann.Schäffter postuliert weiter, dass dasmögliche Maß an Bildung einer Personnicht eine von vornherein gesetzte Größeist, sondern dass das Potential, das diesemzugrunde liegt, gesellschaftlich undindividuell erst entwickelt, hergestellt,evoziert werden muss – selbstredenddurch Lernprozesse. In diesem Prozessder permanenten Steigerung des Möglichkeitsrahmensdurch die Lernbedingungenselbst spielen viele Subprozesseeine Rolle, auch das wechselseitige Ineinandergreifenungleichzeitiger Entwicklungenim Subjekt. Diese Vorgängesucht der Autor mit einen systemtheoretischenAnsatz der „Formation Trajectory“auf die Spur zu kommen – einemProzess, der einer „Verzwirnung“ ebenjener vielschichtigen Komponentengleicht, die in sachlicher, sozialer undzeitlicher Hinsicht im Bildungsprozesseine Rolle spielen.Bildung ist stets geprägt von Kontinuitätund Kontingenz, von Dauer und Wandel,von Brüchen und Übergängen. UrsulaPfeiffer unternimmt eine systemtheoretischeKlärung dieser Zusammenhängein Bildungsprozessen auf der Basis derKategorien von Niklas Luhmann. ImAnschluss an Benner werden dann dasPrinzip der Bildsamkeit und die Aufforderungzur Selbsttätigkeit im Horizontzeittheoretischer Reflexion gedeutet.Konstitutiv sei dabei ein „Doppelcharakterder Zeit“ (S. 94), der aus dem Nebeneinandervon Dauer und Wandel sowievon Notwendigkeit und Möglichkeit entstehe,verbunden mit der Frage, wiediese „jenseits einer sich ausschließendenAlternative gedacht werden“ könnten(ebd.). Pfeiffers oben erwähntesModell benennt hierzu Kategorien, mitdenen soziale (Bildungs-)Prozesse imHinblick auf ihre Zeitlichkeit beschriebenwerden können (S. 106).Ohne sich damit gegen die anderen Beiträgeabzugrenzen, wählt Faulstich einenbetont kritisch-pragmatischen Ansatz.Er stellt den Begriff des Handelns insZentrum seiner Theorie, der zugleicheingebunden sei in die Kontinuität vonVergangenheit und Zukunft wie auch geöffnet<strong>für</strong> die Möglichkeiten, die sich imin der Gegenwart konkretisierten (S.76).So brauchten Lernerfolge den rechtenAugenblick und diesem müsse auch inden äußeren Rahmenbedingungen desLehrbetriebes Rechnung getragen werden;mit Copei rekurriert er auf den„fruchtbaren Moment des Bildungsprozesses“(S. 84). Faulstich gelangt so zudem Ergebnis, dass die Entschleunigungaller Tätigkeiten angesagt sei. Wasinzwischen als eine Allerweltsweisheitder Zeit-Diskussion gilt, wird in diesemBeitrag, der sowohl in Richtung abstraktererBildungstheorie als auch in Bezugauf die Institutionen der Bildung anschlussfähigist, hier noch einmal in Bezugauf Bildungsprozesse überzeugendhergeleitet.Mit den Begriffen der Artikulation, Synchronisationund Asynchronisation bietetKathrin Berdelmann Planungs- undReflexionskategorien, die über reinpragmatische Fragen des effektiven Zeitmanagementsin Bildungsprozessen hinausgehen.Auf der Grundlage einerempirischen Untersuchung wendet siesich kritisch gegen allzu einfacheSchlussfolgerungen von den Theoriender Entschleunigung auf die Pädagogik.So könne es nicht einfach darum gehen,die didaktischen Zeitstrukturen an dieEigenzeit des Lernenden anzupassen.Von „produktiver Asynchronisation“ istin diesem Zusammenhang die Rede (S.169). Damit gibt dieser Beitrag wichtigeImpulse <strong>für</strong> die dringend notwendigeDifferenzierung bei der Umsetzung vielerinzwischen weithin etablierter zeitpolitischerNormen.Ich habe dieses Buch mit großem Gewinngelesen. Allerdings: Es eignet sich nicht<strong>für</strong> den Nachttisch oder die langen Winterabende,sondern ist – erfreulicherweisemal wieder – ein wissenschaftlichanspruchsvolles Werk zum Thema Zeit.Man sollte sich unbedingt damit weiterbeschäftigen – vielleicht auch auf einerder kommenden Jahrestagungen derDGfZP?JÜRGEN P. RINDERSPACHER40 ZPM NR. 23, DEZEMBER 2013


NEUE LITERATURBeiträge von DGfZp-Mitgliedern in Sammelbänden und ZeitschriftenHenckel, Dietrich (2013):Es werde Licht … und es wurde Licht: Künstliche Beleuchtung und die Kolonisierung der Nacht.In: Held, Martin; Hölker, Franz; Jessel, Beate (Hrsg.) (2013): Schutz der Nacht. Lichtverschmutzung, Biodiversitätund Nachtlandschaft, Berlin, S. 31-34 (BfN-Schriften, Nr. 336).Henckel, Dietrich; Meier, Josiane; Pottharst,Merle; Wukovitsch, Florian (2013):Verlust der Nacht in der 24-Stunden-<strong>Gesellschaft</strong>.In: Posch, T. u. a.(Hrsg.): Das Ende der Nacht. Lichtsmog: Gefahren – Perspektiven – Lösungen. Berlin, Wiley-VHC.Jurczyk, Karin (2013):Familienrealitäten: Vielfalt, Leistungen, Überforderungen.In: Förster, C., Höhn, K., Schreiner, S. A. (Hrsg.): Kindheitsbilder - Familienrealitäten.Prägende Elemente in der pädagogischen Arbeit. Herder: Freiburg/Basel/Wien. S. 62-75.Zeiher, Helga 2013):Kindheit im Zeitraster - Altersnormen strukturieren den Verlauf.In: C. Förster, K. Höhn, S. A. Schreiner (Hrsg.): Kindheitsbilder - Familienrealitäten.Prägende Elemente in der pädagogischen Arbeit. Herder: Freiburg/Basel/Wien. S. 34-40.Empfehlenswerte Neuerscheinungen anderer AutorenAndreas Dörpinghausund Ina Katharina UphoffDie Abschaffung der Zeit.Wie man Bildung erfolgreich verhindert2012Darmstadt:Wissenschaftliche Buchgesellschaft160 SeitenRezension: Zwei Fragen werden durchden Titel und Untertitel aufgeworfen:Was ist mit der Abschaffung der Zeit gemeint?Welche Verknüpfung bestehtzwischen der Abschaffung der Zeit undder Verhinderung von Bildung? Aufbeide Fragen geben Andreas Dörpinghausund Ina Katharina Uphoff, beideBildungswissenschaftler an der UniversitätWürzburg, bereits im Einleitungssatzeine erste Antwort: „Die Abschaffungder Zeit ist die Abschaffung desAllzumenschlichen, es ist die Abschaffungder Schwäche und der Leidenschaftzum Leben und zur Welt, die wir seit jeherBildung (Hervorhebung im Original)nennen.“ (S. 9)Zeitexperten werden unschwer erkennen,dass das Autorenpaar von der Gegenüberstellungder subjektiven bzw.der erlebten und lebendigen Zeit einerseitsund der objektiven, naturwissenschaftlichenZeit andererseits ausgeht,und den zunehmenden Verlust der lebendigenZeit beklagt. Die Abschaffungder Zeit bedeutet, so die Autoren, dassder Mensch die Herrschaft über die Zeitausübt. Dabei seien primär nicht die äußerenZeitstrukturen determinierend,sondern vielmehr die Verinnerlichungvon – u. a. im Bildungssystem zwanghaftvermittelten – Zeitpraktiken wie Pünktlichkeit,Schnelligkeit und zeiteffizientesarbeiten. Dadurch sei Zeit nicht mehran Erfahrungen, natürliche Rhythmen,Bewegungen usw. geknüpft, sondern anRationalitätsformen wie Kontrolle, Effizienz,Zukunftsorientierung und Fortschrittsgläubigkeit.Die Abschaffung derZeit sei somit ein soziales und keineswegsein zeitphysikalisches Problem unddamit ein Ausdruck von Macht, die Beschleunigungstatt Langsamkeit erzeuge.Nachdem dieser Grundgedanke zur Abschaffungder Zeit im ersten Kapitel anschaulichentfaltet worden ist, stellen dieVerfasser zunächst einige philosophischeZeitkonzepte (u. a. Aristoteles, Augustinus,Kant und Merleau-Ponty) vor.Anschließend geben sie einen Überblicküber die Geschichte der Zeitmessung, die<strong>für</strong> das Autorenduo darin mündet, dassdie objektiv gemessene Zeit zu einemHerrschaftsinstrument geworden ist, dieuns Menschen als laufende, getakteteund perfekt funktionierende Uhren erscheinenlässt.Gegen diese Tendenzen stellen Dörpinghausund Uphoff die „andere Zeit derDinge“ (Kap.6). Dinge sind <strong>für</strong> sie mate-ZPM NR. 23, DEZEMBER 2013 41


NEUE LITERATURrielle Bedeutungsträger, die <strong>für</strong> komplexeSachzusammenhänge wie auch <strong>für</strong>einzelne Dinge stehen. Dinge seien unbestimmtvielfältig und ihnen komme„eine Würde der Selbstzweckhaftigkeit“(S. 98) zu, die sich der bloßen Verwertungwidersetze. „Die Dinge können unssubtile Formen des Lebensrhythmusaufzwingen. Alltagsgegenstände schaffenunmerklich Zeitrhythmen und Zeitsteuerungen.Sie geben uns ihre Zeit vor– Eigen- und Gebrauchszeit.“ (S. 98).Sich auf die Dinge einzulassen bedeute,ihnen und ihrer Zeit ausgesetzt zu sein.Wir brauchen die Dinge, so die Autoren,<strong>für</strong> das, was wir Bildung nennen, undda<strong>für</strong> benötigen wir Zeit. Daher seienVerzögerung, Warten, Schauen, Aufmerksamkeitund Wiederholungen zentraleVoraussetzungen und Bestandteilevon Bildung. „Verzögerungen sind Entlastungenvom Seinmüssen und Hinwendungenzum Seinkönnen, mit demsich neue Denkbewegungen eröffnen.“(S. 122).Mit Seneca plädieren Dörpinghaus undUphoff <strong>für</strong> das aktive Erleben und Gestaltender Zeit. Gleichzeitig verweisensie auf die Bedeutung der Gelassenheit,die sie als die „Freundschaft mit der Zeit“(S. 136) und als das Gegenteil von Kontrollebeschreiben. Kritisch bewerten siedie gegenwärtig allerorten erhobeneForderung nach einem lebenslangenLernen, da diese ein Nichtfertigwerdenunterstelle und zum fremdbestimmtenLebenszeitregime werde.Zum Abschluss setzen sich die Autorenkritisch mit aktuellen Reformtendenzenin unserem Bildungssystem auseinander,die aus ihrer Sicht eine permanenteAnpassung an vorgegebene Ordnungsmusterund die Ausbildung von Kompetenzen<strong>für</strong> solche Anpassungsleistungenbeförderten. Ein derartiges Bildungsverständnisführe dazu, dass Lernende zuObjekten werden, und unterstütze letztlichein unpolitisches Bildungssystem,das aus Zeitdisziplinaranstalten bestehe.Die gegenwärtig in den Bildungsdiskursenhoch gelobten Bildungsstandardsmachten mit einer fest vorgegebenenZeitstruktur den Fortschritt evaluierbar,Bildung verkomme so zu zum Erzeugervon Humankapital. „Die Nutzbarmachungvon Bildung und ihre Unterordnungunter das ökonomische Gesetz desProfits befördern Bildung jedoch nicht –im Gegenteil.“ (S. 148)Andreas Dörpinghaus und Ina KatharinaUphoff gelingt es überzeugend, die Bedeutungder durch ökonomisches Effizienzdenkengeprägten Zeitstrukturen<strong>für</strong> die Verhinderung von Bildung zuerklären. Die aus einer vor allem kulturkritischenBetrachtungsweise vorgetrageneKritik betont die negativen Folgender heutigen Akzelerationsprozesse.Dabei bewegen sich die Autoren durchgehendauf einer hohen abstraktenbildungswissenschaftlichen und bildungsphilosophischenEbene, ohne dassdie Lesbarkeit dadurch beeinträchtigtwird. Allerdings werden dem Leser keinekonkreten Beispiele aus der Alltagsweltals Argumentationsstützen oder konkrete– zeitpolitische! – Vorschläge, wieman die negativen Folgen verändertergesellschaftlicher Zeitstrukturen auf dieindividuelle Entwicklung verhindernkann, vorgelegt.LUDWIG HEUWINKELCrary, Jonathan (2013):24/7. Late Capitalism and the Ends of Sleep.Verso (ISBN: 1781680930)Zimbardo, Philip and Boyd, John (2013):The Time Paradox: The New Psychology of Time That Will Change Your Life2008 , 2013 als Taschenbuch42 ZPM NR. 23, DEZEMBER 2013


NEUE LITERATURAssmann, Aleida (2013):Ist die Zeit aus den Fugen?Aufstieg und Fall des Zeitregimes derModerne.München: Carl Hanser Verlag.ISBN: 9783446243422Rezension: „Dieses Buch erzählt dieGeschichte dieses Zeitregimes. Es handeltvon seiner Entstehung, seiner Geschichteund seiner Krise.“ Die Autorinbringt so den Inhalt kurz und prägnantauf den Punkt, und es ist der rote Faden,der das Buch insgesamt durchzieht. Indieser systematischen Untersuchung istdas temporale Zeitgefüge von Vergangenheit,Gegenwart und Zukunft einerspezifisch modernen Zeitordnung derzentrale Gegenstand.Seit den 1980er Jahren befindet sich nundieses Zeitgefüge in einer Krise und umdie Jahrtausendwende haben sich Kontureneiner neuen Zeitorientierung herausgebildet,so die These.Die Zukunft habe „an Glanz“ verloren, alsRessource tauge sie nicht mehr viel unddie Gegenwart schrumpfe bis auf einen„Jetztpunkt“. Die Vergangenheit allerdingserlebe eine Renaissance in Formeiner kulturellen Aufwertung und sei inihrer Bedeutung angewachsen. Sie brechegeradezu in Gegenwart und Zukunftherein. Die Krise bestehe aus einer Desorientierungund Unsicherheit in Bezugauf den Umgang und der Erfahrung mitdieser Orientierung von Zeit, denn Vergangenheit,Gegenwart und Zukunft habendamit ihre temporale lineareOrdnung und ihre klaren Trennbereicheverloren.Was sind die Ursachen dieser Verschiebungder Zeitordnungen, welche Bedingungenhaben dazu geführt und welcheProbleme und Chancen sind mit diesem„Wandel in der Erfahrung und Empfindungder Zeit“ verbunden? Die Autorinversucht sich an einer historischen undphänomenologischen Erklärung. „KulturellesZeitregime“ ist der zentraleGrundbegriff, den die Autorin benutzt,um das Thema Zeit nicht nur zuhistorisieren, sondern umfassenderauch zu kulturalisieren. <strong>Gesellschaft</strong>enhaben ihre je eigene Position in der Zeitund sie gehen jeweils unterschiedlich mitihrer Vergangenheit, Gegenwart und Zukunftum. Kulturelle Vorannahmen undWerte steuern menschliches Wollen,Handeln, Fühlen und Deuten. Aus dieserBegriffskonstruktion heraus wird einBild des modernen Zeitregimes zusammengefügt,um dessen historischeBedeutung zu beschreiben und zu bewerten.Die Autorin „mutet es den Lesernzu“, Beispiele aus der Geschichte, Kultur,Kunst und Literatur lesend zu betrachten,aus deren einzelnen Fragmentensich genau dieses Bild aufbaut. Diese„Zumutungen“ lockern die sonst sehranspruchsvollen theoretischen Diskurseauf und machen das Buch insgesamt einerflüssigen Leseweise zugänglich.Ein Essay von Baudelaire als Beispieldient als Einstieg und mit der Frage:„Wie lange dauert die Gegenwart?“ wirddas Gegenwärtige ins Blickfeld gerückt,um sich dem Zusammenhang zwischenZeit und Moderne zu nähern. Das moderneZeitregime wird in einer kritischenAuseinandersetzung u. a. mit der neuerenGeschichtstheorie, dem Fortschrittsbegriffoder der Modernisierungstheoriehistorisch rekonstruiert und analysiert,dabei immer abschweifend mit literarischenoder historischen Exkursen, wiebeispielsweise dem modernen Zeitromanoder der radikalen Zukunftsorientierungeiner amerikanischenImmigrationspolitik bis in die 1980erJahre hinein. In diesem Zusammenhangkommt die Autorin zu dem Schluss, „dassnämlich das moderne Zeitregime keinneutraler oder natürlicher Rahmenmenschlichen Handelns ist, sonderneine spezifische ,Politik der Zeit‘ darstellt.“Wie das moderne Zeitregime insgesamtden Alltag der Menschen und diewestliche Kultur beeinflusst hat, wird anhandvon fünf Komponenten beschrieben.Die Autorin setzt sich daneben mitverschiedenen theoretischen Positionenauseinander, die die Krise des modernenZeitregimes zum Inhalt haben, sprichtaber auch von Chancen, die aus dieserNeuorientierung von Zeit bestehen.Aus zeitpolitischer Sicht wird nun einganz anderes spezifisches Feld von <strong>Zeitpolitik</strong>aufgegriffen, das eines bewussterenkulturellen Umgangs mitVergangenheit, Gegenwart und Zukunft,denn <strong>Gesellschaft</strong>en erzeugten eben auchihre eigene Vergangenheit und Zukunft,mit der sie lernen müssen umzugehen.Vergangenheit sei ein wichtiger Teil persönlicherwie kollektiver Identität, die sowohldurch positive als auch negativeErfahrungen, Erinnerungen und Gefühlegeprägt sei und als Entschleunigunginseltauglich sein könne. Zukunft wird durchden Menschen nicht nur zerstört, sondernkann durch ökologische und kulturelleNachhaltigkeitskonzepte wiederneu erzeugt werden. Die Autorin plädiertdaher <strong>für</strong> eine Neubestimmung dieserdrei Zeitorientierungen und <strong>für</strong> neueFormen des Umgangs mit der Zeit. Siesieht eine wichtige gesellschaftliche Herausforderungdarin, diese in ein „ausgewogenesVerhältnis“ zu bringen. Wiegenau das aussehen könnte, wird dem Leserallerdings vorenthalten. Es scheinteine zukünftig zu lösende zeitpolitischeAufgabe zu sein. Das Thema der Jahrestagungder DGfZP 2012 „Was wird ausder Zukunft“ kann m. E. als ein Ausgangspunktda<strong>für</strong> gesehen werden.ELKE GROSSERZPM NR. 23, DEZEMBER 2013 43


ANTRAG AUF MITGLIEDSCHAFTKonzeptwerk Neue Ökonomie e.V. (2013):Zeitwohlstand: Wie wir anders arbeiten, nachhaltig wirtschaften und besser leben.oekom Verlag. München.(unter: http://www.zeitwohlstand.info kostenfrei herunter zu laden)Sie sind noch nicht Mitglied der DGfZP?So können Sie es werden:Bitte schicken Sie Ihre Anmeldung an die Geschäftsstelle der DGfZP:Prof. Dr. Dietrich HenckelTechnische Universität BerlinInstitut <strong>für</strong> Stadt- und RegionalplanungFG Stadt- und RegionalökonomieHardenbergstr. 40a - 10623 BerlinDer jährliche Mitgliedsbeitrag beträgt 75,00 €, ermäßigt 40,00 €.Er ist zu überweisen auf das Konto: <strong>Zeitpolitik</strong> e.V.:IBAN: DE83 1001 0010 0533 0481 05, BIC: PBNKDEFFDie DGfZP ist als Gemeinnütziger Verein anerkannt.✁Mitgliedschaft in der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> <strong>für</strong> <strong>Zeitpolitik</strong>Hiermit beantrage ich die Mitgliedschaft in der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> <strong>für</strong> <strong>Zeitpolitik</strong> e.V.NAMEINSTITUTIONSTRASSE UND HAUSNUMMERPOSTLEITZAHL UND ORTTELEFONFAXE-MAILDATUM UND UNTERSCHRIFT44 ZPM NR. 23, DEZEMBER 2013


<strong>Deutsche</strong><strong>Gesellschaft</strong> <strong>für</strong><strong>Zeitpolitik</strong><strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong> <strong>für</strong> <strong>Zeitpolitik</strong>Gemeinnütziger e.V.Geschäftsführender Vorstand:Prof. Dr. Ulrich Mückenberger,Bremen und HamburgDr. Jürgen P. Rinderspacher, HannoverProf. Dr. Dietrich Henckel, BerlinDr. Helga Zeiher, BerlinBeratender Vorstand:Dr. Uwe Becker, DüsseldorfDipl.-Ing. Etta DannemannProf. Dr. Christel Eckart, KasselBjörn Gernig, BremenDr. Karin Jurczyk, MünchenDr. Christiane Müller-Wichmann, BerlinGeschäftsstelle:Prof. Dr. Dietrich HenckelTechnische Universität BerlinInstitut <strong>für</strong> Stadt- und RegionalplanungFG Stadt- und RegionalökonomieHardenbergstraße 40a · 10623 BerlinTel.: 030 / 314 280 89(Sekretariat Friederike Finke)Fax: 030 / 314 281 50d.henckel@zeitpolitik.deKontoverbindung: <strong>Zeitpolitik</strong> e.V.Postbank BerlinIBAN: DE83 1001 0010 0533 0481 05BIC: PBNKDEFFwww.zeitpolitik.deImpressumDas Zeitpolitische <strong>Magazin</strong> (ZpM) <strong>für</strong> die Mitglieder der <strong>Deutsche</strong>n<strong>Gesellschaft</strong> <strong>für</strong> <strong>Zeitpolitik</strong> e.V. und <strong>für</strong> Interessierte imUmfeld erscheint mehrmals im Jahr. Es wird von der DGfZPherausgegeben. Es ist kostenfrei und wird als PDF-Datei pereMail verschickt. Bestellung und Abbestellung bitte formlos andie Redaktion.ISSN 2196-0356Verantwortlich <strong>für</strong> Inhalt (V.i.S.d.P. und gemäß § 10 Absatz 3MDStV): Helga Zeiher.Redaktion:Dr. Helga Zeiher - helga.zeiher@gmail.com (Koordination)Etta Dannemann, Dipl-Ing. (Arch.) - ettadannemann@web.deElke Großer, M. A. - elke-grosser@t-online.deDr. Martina Heitkötter - heitkoetter@dji.deProf. Albert Mayr - timedesign@technet.itProf. Dr. Yolanda Koller-Tejeiro - koller-t@gmx.deSatz: Anna von Garnier - post@annavongarnier.deNamentlich gekennzeichnete Artikel geben nicht notwendigerweisedie Meinung der Redaktion wieder. Das ZpM ist alsGesamtwerk urheberrechtlich geschützt. Das Copyright liegtbei der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> <strong>für</strong> <strong>Zeitpolitik</strong> e.V., das Urheberrechtnamentlich gekennzeichneter Artikel liegt beideren Verfasser/innen.Das Zitieren aus dem ZpM sowie die Übernahme namentlichnicht gekennzeichneter Artikel ist gestattet, solange solcheInhalte keiner kommerziellen Nutzung dienen und die <strong>Deutsche</strong><strong>Gesellschaft</strong> <strong>für</strong> <strong>Zeitpolitik</strong> e.V. als Quelle genannt wird. Die Redaktionbittet um Zusendung eines Belegexemplars.Das ZpM wird mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt; Links aufWebseiten von Dritten werden auf Funktionalität geprüft. MitUrteil vom 12. Mai 1998, Aktenzeichen 312 0 85/98 „Haftung<strong>für</strong> Links“, hat das Landgericht Hamburg entschieden, dass mandurch die Anbringung eines Links die Inhalte der verlinktenWebseite ggf. mit zu verantworten hat. Dementsprechenddistanziert sich das ZpM ausdrücklich von allen Inhalten derWebseiten von Drittanbietern, auf die ein Link gelegt wird. Wirmachen uns deren Inhalte nicht zu eigen.Verletzungen von Urheberrechten, Markenrechten, Persönlichkeitsrechtenoder Verstöße gegen das Wettbewerbsrecht auffremden Webseiten waren nicht augenscheinlich und sind derRedaktion eben so wenig bekannt wie eine dortige Erfüllungvon Straftatbeständen.

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