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Zeitpolitisches Magazin - Deutsche Gesellschaft für Zeitpolitik

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KINDERBETREUUNG RUND UM DIE UHRLetzteres geht nun gar nicht. Aber kann man nicht dasKind bei Mama oder bei Papa lassen, und der andere Elternteilkommt von Zeit zu Zeit und klinkt sich in den Alltagdes Kindes ein? Man müsste das mal erforschen: Wasbedeutet getrennte Verantwortung auf längere Sicht <strong>für</strong> dieKinder? Was bedeutet es <strong>für</strong> das Verständnis von sozialenAbläufen, in was <strong>für</strong> Verantwortlichkeiten wachsen Kinderhinein? Wenn sich alle Gedanken machen, wie man denBedürfnissen des Kindes gerecht wird, dann könnte ich mirvorstellen, dass Kinder in eine Kundenrolle hineinwachsen.Bei manchen gut institutionell versorgten Kindernkann man ja beobachten: Der richtige Blick da<strong>für</strong>, wo Mithelfen,Mitarbeiten nötig wäre, fehlt. Wenn es im Lebengetrennte Welten gibt, was passiert dann? Wenn mal Stressist, wenn ich Mist gebaut habe, und ich bin die nächstenzwei Tage woanders, dann ist das unterbrochen. Was passiertdann damit? Ist das dann geregelt, wenn ich wiederkommeoder wird da weitergemacht, wo man drei Tagevorher aufgehört hat? Ich hatte das mit meinem Großen.Da wurden Konflikte nicht ausgetragen. Da fühlte er sichgebremst, das machte er nicht spontan, denn am nächstenTag ist der Vater ja nicht da. Und irgendwann heißt es dannvielleicht „Och, bei Papa ist es nicht so schön.“ Was heißtdas jetzt, wenn Kinder den Abend in einer Einrichtung verbringen?Sind da Leute, die auch mal was auf den Punktbringen? Oder geht es ihnen darum, die Kundschaft zufriedenzu stellen? Die Gegenseitigkeit von Verantwortung istim institutionellen Kontext nicht so leicht herzustellen. Inder Familie sagt dann einer: „So, jetzt reicht‘s mir aber.“Es ist <strong>für</strong> mich eine offene Frage, wie weit sich all die sozialenFähigkeiten auch im institutionellen Kontext vermittelnlassen. Das ist überhaupt nicht klar. Es gibtErfahrungen mit kulturellen Entwicklungen, die sehr starkauf Institutionen gesetzt haben, etwa die Sowjetunion. Esentstehen Menschen, die durchs Leben gehen, als würdensie zu Besuch sein. Das wird in der Literatur beschrieben.Man kann in das Gefühl der Identifikation vieles einbeziehen,was nicht nur „meine Zahnbürste“ ist. Aber man mussirgendwo anfangen. Nicht bei der gesamten großen Welt.Man muss irgendwo anfangen, wo man noch innerlich mitkommt,wo man noch wachsen kann. Die Bindungsdiskussionist – was Kindertagesstätten betrifft – sehr stark aufAktion und auf Befriedigung von Bedürfnissen oder auf feinfühligenUmgang, auf Mitgefühl mit den Kindern gerichtet.Aber es geht auch darum: Was erwarte ich von dir, was erwartestdu von mir? Das kann man kultivieren, persönlichwachsen lassen. Man kann nicht irgendwo hingesteckt werden:„So jetzt bist du hier, und überall kriegst du dein Essen.Also, was willst du denn? Nun hilf mal kräftig mit.“ Soscheint der Mensch nicht zu funktionieren. Oder er funktioniert,aber es geht ihm nicht gut dabei.Ich würde mit der Herausbildung von Erwartungen operieren.Es muss <strong>für</strong> ein Kind möglich sein, Vorstellungenzu haben davon, nicht nur wo ich bin, sondern auch waspassieren wird. Ob das nun eine große Schwester ist odereine Betreuerin, die von einer Serviceagentur geschicktwird. Ein Kind muss eine positive Erwartung daran knüpfenkönnen, das heißt, das Geschehen muss ihm nicht willkürlicherscheinen. Das Kind muss eine Chance haben, seinHerz dran zu hängen. Und dann kann die Form verschiedensein. Vielleicht genießen es manche Kinder, dass sieeinmal in der Woche bei der Freundin schlafen. Oder anderegenießen es ganz doll, dass irgendjemand zu ihnenkommt „Wir lesen noch das Buch, und die macht es immerso schön.“ Solche Prozesse müssen laufen. Dazu müssendie Kinder auch mitkommen, mitdenken, hineinkommenin die Rhythmen, was passiert und was passieren wird. Siemüssen Vertrauen und Erwartungen bilden, das ist dieHauptsache. Solche Rhythmen funktionieren, wenn dasKind das Gefühl hat, das passiert, weil ich mir das gewünschthabe.Eine Familie, die unter dem Druck steht, wohin mit demKind in der Nacht, braucht sicher eine Hilfe von außen oderein Betreuungsangebot, das sie nutzen kann. Wenn Agenturenjetzt weiter denken und wirklich gucken, was <strong>für</strong>welche Familie gut ist, dann ist das eine sehr schöne Entwicklung.Man muss das begleiten: Was ist <strong>für</strong> eureFamilie gut, womit kommt ihr zurecht?Das Gespräch führte Helga Zeiher.HARTMUT KUPFERErziehungswissenschaftler und Pädagoge,arbeitet als Fachberater <strong>für</strong> Kindertagesstättenhttp://www.lebenswelt-berlin.de10 ZPM NR. 23, DEZEMBER 2013

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