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Christian Horn: Literaturverfilmungen - Filmrezension.de

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filmrezension.<strong>de</strong><strong>Christian</strong> <strong>Horn</strong><strong>Literaturverfilmungen</strong>Düsseldorf 2006Layout/Design: Tobias Vetter<strong>Horn</strong>: <strong>Literaturverfilmungen</strong> (filmrezension.<strong>de</strong>) 1


InhaltInhaltI. Filmsprache und filmische Zeichen 2II. Filmische Adaption von Literatur 61. Literatur und Film 62. Transformationsprozesse und Intermedialität 8filmrezension.<strong>de</strong>Literaturverzeichnis 10<strong>Horn</strong>: <strong>Literaturverfilmungen</strong> (filmrezension.<strong>de</strong>) 2


I. Filmsprache und filmische ZeichenI. Filmsprache und filmische Zeichen„Nicht weil das Kino eine Sprache ist, kann es uns so schöne Geschichtenerzählen, son<strong>de</strong>rn weil es sie uns erzählt hat, ist es zu einer Sprachegewor<strong>de</strong>n.“ 1filmrezension.<strong>de</strong>Gewöhnlicherweise rezipieren wir Film in erster Linie unbewusst über dievisuell-auditive Wahrnehmung, die stark an Emotionen gekoppelt ist. Einbewusstes Durchschauen filmischer Strukturen dagegen schließt einenintellektuellen Verständnisprozess mit ein. Film ist nicht Realität, son<strong>de</strong>rnein kreatives Konstrukt mit einer (mehr o<strong>de</strong>r weniger ersichtlichen)erzählen<strong>de</strong>n Instanz, das einen starken Realitätseindruck hinterlässt. Umeinen Film in seiner vollen Be<strong>de</strong>utung verstehen zu können, ist es alsonotwendig die filmischen Bil<strong>de</strong>r nicht bloß zu „sehen“, son<strong>de</strong>rn zu „lesen“. 2Im Kontext <strong>de</strong>r frühen Filmtheorie, die als Grundlage für die Emanzipation<strong>de</strong>s Films als Kunst neben <strong>de</strong>n klassischen Kunstarten dienen sollte,prägte <strong>de</strong>r russische Filmtheoretiker und Regisseur Sergej Eisenstein <strong>de</strong>nBegriff <strong>de</strong>r „Sprache <strong>de</strong>s Films“. Die „Filmsprache“ besteht aus <strong>de</strong>nunterschiedlichsten Komponenten wie Einstellungsgröße, Perspektive ,Kamera- und Objektbewegung, Beleuchtung, Bildkomposition, Beziehungzwischen Wort, Bild und Ton o<strong>de</strong>r Montage (<strong>de</strong>r wohl „filmischsten“Ausdrucksmöglichkeit <strong>de</strong>r Filmsprache). Diese gestalterischenMöglichkeiten <strong>de</strong>s Films weisen (im Kontext <strong>de</strong>s Inhalts gesehen) einenWeg zur Analyse und zum Verständnis <strong>de</strong>s jeweiligen Films. DemFilmemacher wird dadurch die Möglichkeit gegeben sich über dieAbbildung <strong>de</strong>r Realität hinaus auszudrücken und seine Interpretation <strong>de</strong>sStoffes geltend zu machen, <strong>de</strong>nn in „Wahrheit liegt die Dramatik <strong>de</strong>s Films,seine Anziehungskraft, nicht so sehr in <strong>de</strong>m, was gefilmt wird [...], son<strong>de</strong>rndarin, wie es gefilmt und präsentiert wird.“ 3 Dirk Blothner stellt dazu inseinem Buch „Erlebniswelt Kino“ folgen<strong>de</strong>s fest:„Die äußere Story ist nur eine Seite <strong>de</strong>s Filmerlebens. Für die Wirkungeines Filmes ist entschei<strong>de</strong>nd, welche teils bewussten und teilsunbewussten Inhalte und Entwicklungen damit im Erleben <strong>de</strong>s Zuschauerserzeugt wer<strong>de</strong>n. Unbewusste Wirkungen fesseln stärker als bewusste. ImKino entschei<strong>de</strong>t sich die Frage <strong>de</strong>r Wirksamkeit daher ganz wesentlichauf <strong>de</strong>r Ebene <strong>de</strong>r unbewussten Grundkomplexe.“ 41 Metz 1972, S. 73.2 Nicht umsonst heißt James Monacos Standardwerk <strong>de</strong>r Filmwissenschaft im Originaltitel „How toread a Movie“.3 Monaco 2002, S. 172.4 Blothner 1999, S. 96.<strong>Horn</strong>: <strong>Literaturverfilmungen</strong> (filmrezension.<strong>de</strong>) 3


I. Filmsprache und filmische Zeichenfilmrezension.<strong>de</strong>Um sich die Wirkungsmechanismen eines Films bewusst machen zukönnen, ist es von Vorteil die semiotischen Begrifflichkeiten <strong>de</strong>rSprachwissenschaft auf <strong>de</strong>n filmischen Text zu übertragen. Zunächst sollfestgestellt wer<strong>de</strong>n, dass es im filmischen Ausdruck keinen Unterschiedzwischen Signifikant und Signifikat gibt, was <strong>de</strong>n Nährbo<strong>de</strong>n für Kritikerdarstellt, die <strong>de</strong>r Meinung sind, dass Film als Kunstform zu augenscheinlichsei und die Vorstellungskraft <strong>de</strong>s Zuschauers völlig außer Acht lasse.Außer<strong>de</strong>m liegt in <strong>de</strong>r Gleichsetzung <strong>de</strong>s Films von Bezeichnen<strong>de</strong>m undBezeichnetem die Ursache dafür, dass es „offensichtlich nicht nötig [sei],ein intellektuelles Verständnis im Hinblick auf <strong>de</strong>n Film zu entwickeln, umihn genießen zu können“ 5 .Trotz<strong>de</strong>m kann <strong>de</strong>r Film Be<strong>de</strong>utung erzeugen, und zwar vorwiegend durchDenotation und Konnotation.Denotation meint die mit <strong>de</strong>m Zeichen (Wort, Bild) ausgedrückteSachbezeichnung, die direkte, unmittelbare Be<strong>de</strong>utung eines Wortes,Satzes o<strong>de</strong>r Textes. Je<strong>de</strong>s Filmbild hat – wie die Sprache, nur in höheremAusmaß – eine <strong>de</strong>notative Be<strong>de</strong>utungsebene, es „ist, was es ist, und wirmüssen uns nicht bemühen sie [die <strong>de</strong>notative Be<strong>de</strong>utung] zu erkennen“. 6Die konnotative Ebene <strong>de</strong>s Films ist weitaus komplexer, sie greift auf dieoben erwähnten filmgestalterischen Mittel zurück und weißt auf eineBe<strong>de</strong>utung, die über das gezeigte Bild hinausgeht. Denn viele Filmbil<strong>de</strong>rhaben mehr Be<strong>de</strong>utung, als die Summe ihrer Denotationen umfasst. Siemeinen mehr als das analog Abgebil<strong>de</strong>te, sie transportieren zusätzlicheBe<strong>de</strong>utungen, die sich häufig aus an<strong>de</strong>ren kulturellen Co<strong>de</strong>s speisen,gewinnen so symbolische Aussagekraft, die weit über das Denotathinausgeht. Diese konnotative Be<strong>de</strong>utungsebene ist keineswegs auf <strong>de</strong>nkünstlerischen Film beschränkt, son<strong>de</strong>rn kommt in ganz trivialen Unterhaltungsfilmen(wobei die Konnotationen allerdings häufig klischeehaft,völlig konventionalisiert erscheinen), beson<strong>de</strong>rs gehäuft auch inWerbespots vor. Zwei <strong>de</strong>r grundlegen<strong>de</strong>n Vorgehensweisen <strong>de</strong>s Filmbil<strong>de</strong>skonnotative Be<strong>de</strong>utung zu vermitteln, können mit <strong>de</strong>nliteraturwissenschaftlichen Begriffen Metonymie und Synekdoche gefasstwer<strong>de</strong>n:5 Monaco 2002, S. 152.6 Ebd., S. 162.<strong>Horn</strong>: <strong>Literaturverfilmungen</strong> (filmrezension.<strong>de</strong>) 4


I. Filmsprache und filmische Zeichen„Bei<strong>de</strong> treten beständig im Film auf. Die Indizes von Hitze, die obenerwähnt wur<strong>de</strong>n 7 , sind ein<strong>de</strong>utig metonymisch: Assoziierte Detailsbeschwören eine abstrakte I<strong>de</strong>e herauf. Viele <strong>de</strong>r alten Hollywood-Klischees sind synekdochisch (Nahaufnahme marschieren<strong>de</strong>r Füße, umeine Armee zu repräsentieren) und metonymisch (die fallen<strong>de</strong>nKalen<strong>de</strong>rblätter, die rollen<strong>de</strong>n Rä<strong>de</strong>r einer Lokomotive). Da metonymischeKunstgriffe sich so gut im Film verwen<strong>de</strong>n lassen, kann <strong>de</strong>r Film in dieserHinsicht eine größere Wirkung erzielen als die Literatur. AssoziierteDetails können innerhalb eines Bil<strong>de</strong>s geballt auftreten und so eineDarstellung von unerhörtem Reichtum bewirken. Metonymie ist eine Artfilmischer Stenographie.“ 8filmrezension.<strong>de</strong>Film hat in diesem Zusammenhang <strong>de</strong>n Vorteil alle an<strong>de</strong>ren Kunstformeneinzubeziehen. Literatur, Musik, Theater, Malerei – das Kino kann sich allertraditionellen Künste bedienen, um Be<strong>de</strong>utung zu erzeugen. Eine großeMöglichkeit <strong>de</strong>r Filmkunst besteht darin, diese Kunstformen miteinan<strong>de</strong>r zuverknüpfen und so ein Bild zusammenzusetzen, dass auf mehrerenEbenen ausdrücken kann. Diese Verknüpfung wird im wesentlichen durchzwei Fähigkeiten <strong>de</strong>s Films erreicht, nämlich die Möglichkeit mehrere Dingezur gleichen Zeit zu sagen, und die Montage, welche Alfred Hitchcock alsdie einzige neue Kunstform <strong>de</strong>s 20. Jahrhun<strong>de</strong>rts bezeichnet hat. Der Filmbil<strong>de</strong>t Realität also ab, erweitert diese bloße Abbildung aber durch eineVielzahl künstlerischer Mittel und erzeugt somit Be<strong>de</strong>utungen, die vomZuschauer entschlüsselt, gelesen wer<strong>de</strong>n können und – sofern sinnvolleingesetzt – auch eine unbewusste Wirkung auf diesen haben.7 Ebd., S. 166: „Wie können wir filmisch zum Beispiel die I<strong>de</strong>e von Hitze vermitteln? [...] Das Bil<strong>de</strong>ines Thermometers drängt sich schnell auf. Natürlich ist das ein In<strong>de</strong>x <strong>de</strong>r Temperatur. Aber es gibtauch subtilere Indizes: Schweiß ist ein In<strong>de</strong>x, sowie flimmern<strong>de</strong>, atmosphärische Schlieren und heißeFarben.“8 Ebd., S. 168.<strong>Horn</strong>: <strong>Literaturverfilmungen</strong> (filmrezension.<strong>de</strong>) 5


LiteraturverzeichnisII. Filmische Adaption von LiteraturZwei Ziegen stehen auf einer Wei<strong>de</strong> und fressen eine Filmrolle. Als siefertig sind, sagt die eine zur an<strong>de</strong>ren: „Das Buch war mir aber lieber.“ 9Wenn ein Film sich an einer literarischen Vorlage orientiert 10 , wird von einerfilmischen Adaption o<strong>de</strong>r einer Literaturverfilmung gesprochen. Bei<strong>de</strong>Begriffe sind problematisch: Während <strong>de</strong>r Begriff <strong>de</strong>r Ver-filmung eineein<strong>de</strong>utig negative Komponente aufweist 11 , wertet auch die BezeichnungAdaption das auf <strong>de</strong>r Vorlage basieren<strong>de</strong> Werk ab:filmrezension.<strong>de</strong>„Der Begriff Adaption (manchmal auch Adaptation) birgt schon von seineretymologischen Herkunft her <strong>de</strong>n Kern eines Missverständnisses in sich.Abgeleitet von lateinisch adaptare (= anpassen, passend herrichten)wur<strong>de</strong> er vornehmlich für physiologische Vorgänge (Anpassung <strong>de</strong>sAuges), später für die Anpassung elektronischer Systeme (Adapter)verwen<strong>de</strong>t. Der fachterminologische Gebrauch im übertragenen Sinne imBereich <strong>de</strong>r Künste ist daher von vornherein durch diese Alltagssemantikmitbestimmt: Adaption eines Werkes <strong>de</strong>r Kunst durch eine an<strong>de</strong>reKunstgattung o<strong>de</strong>r eine an<strong>de</strong>re Kunstform läuft immer Gefahr, lediglich alsAnpassung missverstan<strong>de</strong>n zu wer<strong>de</strong>n, was zugleich Hochschätzung <strong>de</strong>rVorlage und Abwertung <strong>de</strong>r Adaption impliziert.“ 12Im folgen<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n mangels einer an<strong>de</strong>ren Begrifflichkeit bei<strong>de</strong>Bezeichnungen benutzt, um das Verhältnis zwischen Film und Literatursowie die Eigenarten <strong>de</strong>r Literaturverfilmung zu beschreiben.1. Literatur und Film„Das narrative Potential <strong>de</strong>s Films ist so ausgeprägt, daß er seine engsteVerbindung nicht mit <strong>de</strong>r Malerei und nicht einmal mit <strong>de</strong>m Drama,son<strong>de</strong>rn mit <strong>de</strong>m Roman geknüpft hat. Film und Roman erzählen bei<strong>de</strong>lange Geschichten mit einer Fülle von Details, und tun dies aus <strong>de</strong>rPerspektive <strong>de</strong>s Erzählers, <strong>de</strong>r oft eine gewisse Ironie zwischenGeschichte und Betrachter schiebt. Was immer gedruckt im Romanerzählt wer<strong>de</strong>n kann, kann im Film annähernd verbildlicht o<strong>de</strong>r erzähltwer<strong>de</strong>n.“ 13Seit <strong>de</strong>n Anfängen <strong>de</strong>r Filmgeschichte ist das Prinzip <strong>de</strong>rLiteraturverfilmung präsent. Bereits 1896 drehte <strong>de</strong>r französischeFilmpionier Louis Lumiére Filmmotive nach Goethes Faust, im folgen<strong>de</strong>nJahr folgten ebensolche von Georges Mélièrs. Allerdings können diese9 Frei nach einem Witz von Alfred Hitchcock.10 Natürlich abgesehen vom Drehbuch.11 Die Eigenschaft <strong>de</strong>s Begriffs wur<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r wissenschaftlichen Auseinan<strong>de</strong>rsetzung mit Literaturund Film häufig diskutiert, Vgl. Bauschinger 1984, S. 42ff.12 Gast 1993, S. 45.13 Monaco 2002, S. 45.<strong>Horn</strong>: <strong>Literaturverfilmungen</strong> (filmrezension.<strong>de</strong>) 6


I. Filmsprache und filmische Zeichenfilmrezension.<strong>de</strong>Ansätze aufgrund ihrer Kürze nur schwerlich als Literaturadaptionenverstan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n. 14 Als <strong>de</strong>r Film ab etwa 1909 aus seiner anfänglichenRolle als Jahrmarktsattraktion herauswuchs und sein Potential zumErzählen von Geschichten ent<strong>de</strong>ckte, bedienten sich die Filmemacherimmer mehr an literarischen Vorlagen, um ihren Durst nach Stoffen zustillen und <strong>de</strong>n Kunstanspruch <strong>de</strong>s Films zu legitimieren: „As soon as themovies learned to tell stories, they began to film the classics.“ 15Austausch zwischen Film und Literatur ist allerdings keineswegs eingleisig,auch die Literatur wird bis heute vom Film befruchtet; „<strong>de</strong>r Film wur<strong>de</strong>literarisch mo<strong>de</strong>rnisiert und die Literatur filmisch aktuell.“ 16 Dieser Prozessspiegelt sich etwa in Alfred Döblins Großstadtroman „Berlin Alexan<strong>de</strong>rplatz“(1929) wi<strong>de</strong>r und führt bis hin zu Patrick Roths Filmnovelle „Meine Reise zuChaplin“ (1997), in <strong>de</strong>r eine Szene aus Chaplins Stummfilm „Lichter <strong>de</strong>rGroßstadt“ (1931) minutiös nacherzählt wird.Der„Im Zeitalter von Medienwechseln und Intermedialität wäre es wenigsinnvoll, die Verfilmung von Literatur als Einbahnstraße zu begreifen:Längst wer<strong>de</strong>n nach Filmen und Fernsehspielen Romane geschrieben,Filmdrehbücher wer<strong>de</strong>n auf <strong>de</strong>r Bühne adaptiert. Die ‚Verbuchung’ vonFilmen läuft parallel zur Literaturverfilmung (in Kino und Fernsehen). [...]Solch intermediale Vernetzung hat natürlich auch Rückwirkungen auf <strong>de</strong>nBuchmarkt. Selbst von <strong>de</strong>n Gegnern <strong>de</strong>r Literaturverfilmung wird ihre oftauflagensteigern<strong>de</strong> Servicefunktion als angenehme Begleiterscheinungkonzediert.“ 17Die enge „Urverknüpfung von Wort und Zelluloidstreifen“ 18 führte <strong>de</strong>nnochzu einem Konkurrenzverhältnis <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n Kunstformen, vor allem genährtvon Seiten <strong>de</strong>r Literaten im Hinblick auf die hohe Anzahl <strong>de</strong>r Verfilmungenliterarischer Texte. Bertolt Brecht sprach im sogenannten„Dreigroschenprozess“ um die Adaption seiner Opernparodie sehr zynischvon einer „Abbauproduktion“ von Literatur für <strong>de</strong>n Filmmarkt. 19Filmbranche wer<strong>de</strong>n bis heute Vorwürfe dahingehend gemacht, „daß sieWerke <strong>de</strong>r Dichtung <strong>de</strong>montiere und plün<strong>de</strong>re, um dadurch eine Image-und Niveausteigerung ihrer Produkte zu erzielen“. 20Die Literaturverfilmung ist ambivalent, sie befin<strong>de</strong>t sich in <strong>de</strong>mSpannungsverhältnis <strong>de</strong>r literarischen Vorlage gerecht wer<strong>de</strong>n zu müssenDer14 Vgl. Albersmeier 1989, S. 16.15 Zitiert nach: Bauschinger 1984, S. 20.16 Ebd., S. 22.17 Albersmeier 1989, S. 17.18 Ebd., S. 18.19 Vgl. Schanze1996, S. 74.20 Schachtschabel 1984, S. 9.<strong>Horn</strong>: <strong>Literaturverfilmungen</strong> (filmrezension.<strong>de</strong>) 7


I. Filmsprache und filmische Zeichenund gleichzeitig als Film zu funktionieren. Noch 1984 stellte GabySchachtschabel in ihrem Buch „<strong>Literaturverfilmungen</strong>“ fest:„So ist <strong>de</strong>nn auch <strong>de</strong>r Maßstab für die Bewertung filmischer Adaptionennach wie vor <strong>de</strong>r zugrun<strong>de</strong>liegen<strong>de</strong> Text, <strong>de</strong>ssen Interessenvertretervornehmlich danach fragen, inwieweit <strong>de</strong>r Film <strong>de</strong>r For<strong>de</strong>rung nachWerkreue entspricht. Auf dieser Beurteilungsbasis herrschte in <strong>de</strong>nanhalten<strong>de</strong>n Auseinan<strong>de</strong>rsetzungen zwischen bei<strong>de</strong>n Lagern aufliterarischer Seite bis vor nicht langer Zeit ten<strong>de</strong>nziell eine pauschaleAbwertung <strong>de</strong>r Literaturverfilmung als Plagiat <strong>de</strong>r qualitativ stetshochwertiger eingeschätzten Vorlage vor.“ 21Diese Werktreue-Diskussion wur<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r wissenschaftlichen Literatur zumThema ausgiebig diskutiert und gilt heute weitgehend als überholt:filmrezension.<strong>de</strong>„Es kann also nicht um die Frage gehen, wie gerecht <strong>de</strong>r Film <strong>de</strong>mliterarischen Werk wird, von <strong>de</strong>m er als Stoff- und Motivquelle ausgeht.Auszugehen ist vielmehr von <strong>de</strong>r Übersetzung <strong>de</strong>s Stoffes in ein an<strong>de</strong>resMedium mit eigenen Gesetzen.“ 22Versucht man die Beziehung zwischen Literatur und Film zu beschreiben,kann <strong>de</strong>r Vergleich zwischen Vorlage und Verfilmung jedoch nicht gänzlichausgeblen<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>. Nur durch die Analyse <strong>de</strong>s Films vor <strong>de</strong>m Hintergrund<strong>de</strong>s zugrun<strong>de</strong> liegen<strong>de</strong>n Textes wer<strong>de</strong>n die Beson<strong>de</strong>rheiten und Eigenarten<strong>de</strong>r filmischen Adaption von Literatur <strong>de</strong>utlich. Die Anfor<strong>de</strong>rung an einegelungene Literaturverfilmung liegt darin, zwischen <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n Polen„Werktreue“ und „Film ist Film“ einen geeigneten Mittelweg zu fin<strong>de</strong>n;filmische Adaption ist somit immer ambivalent, sie befin<strong>de</strong>t sich in einem„Wi<strong>de</strong>rstreit <strong>de</strong>r For<strong>de</strong>rungen nach Werktreue und Demonstration <strong>de</strong>rEigenständigkeit; sie verlangen von ihr einerseits ein Aufgeben eigenerkommunikativer Intentionen an<strong>de</strong>rerseits aber <strong>de</strong>ren Durchsetzung.“ 232. Transformationsprozesse und Intermedialität„Das Problem <strong>de</strong>s Verhältnisses von ‚Vorlage’ und ‚Film’ ist, wie dieAdaptionsdiskussion ergeben hat, wesentlich ein semiotisches. Der Ko<strong>de</strong><strong>de</strong>r ‚Vorschrift’ ist digital, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>s bewegten Bil<strong>de</strong>s von <strong>de</strong>r Wahrnehmungher analog.“ 24Da Literatur und Film sich in ihren Zeichensystemen unterschei<strong>de</strong>n, mussbeim Übergang eines literarischen Werkes in einen Film ein Prozess <strong>de</strong>rTransformation stattfin<strong>de</strong>n; die Zeichen <strong>de</strong>s Textes müssen in die21 Schachtschabel 1984, S. 9.22 Braun 2006, S. 9.23 Schachtschabel 1984, S. 12.24 Zitiert nach Schanze 1996, S. 80.<strong>Horn</strong>: <strong>Literaturverfilmungen</strong> (filmrezension.<strong>de</strong>) 8


I. Filmsprache und filmische Zeichenfilmischen Zeichen übertragen wer<strong>de</strong>n. Irmela Schnei<strong>de</strong>r hat in ihrem Buch„Der verwan<strong>de</strong>lte Text“ <strong>de</strong>n Begriff <strong>de</strong>r Transformation in diefilmanalytische Diskussion eingeführt, <strong>de</strong>r seit<strong>de</strong>m eine wichtige Rolle in<strong>de</strong>r Bewertung und Analyse von <strong>Literaturverfilmungen</strong> spielt.„Transformation soll heißen, daß nicht nur die Inhaltsebene ins Bildübertragen wird, daß vielmehr die Form-Inhalts-Beziehung <strong>de</strong>r Vorlage, ihrZeichen- und Textsystem, ihr Sinn und ihre spezifische Wirkungsweiseerfaßt wer<strong>de</strong>n und daß im an<strong>de</strong>ren Medium, in <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Kunstart und<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Gattung aus einem an<strong>de</strong>ren Zeichenmaterial ein neues, abermöglichst analoges Werk entsteht. Diese Analogie erfor<strong>de</strong>rt nicht, daß <strong>de</strong>rDialog wörtlich genommen wird, im Gegenteil: Sie kann erfor<strong>de</strong>rn, daß ergeän<strong>de</strong>rt wird, um gera<strong>de</strong> dadurch im Kontext <strong>de</strong>s Films eine analogeFunktion auszuüben.“ 25filmrezension.<strong>de</strong>Das Verfahren <strong>de</strong>r Transformation literarischer Stoffe in ein visuellesMedium kann verschie<strong>de</strong>nen Schwerpunkte setzen, ist aber immer eineInterpretation <strong>de</strong>s Regisseurs. Ein in <strong>de</strong>r Forschung als Adaptionvorgestelltes Konzept <strong>de</strong>r Verfilmung meint die sehr literaturnaheUmsetzung eines Buchs in ein filmisches Produkt, zielt also auf <strong>de</strong>n Aspekt<strong>de</strong>r Werktreue ab, während die Theorie <strong>de</strong>r Transformation die„grundsätzliche Verschie<strong>de</strong>nheit <strong>de</strong>r Zeichensysteme“ 26 formuliert. In <strong>de</strong>nmeisten Fällen nimmt eine Literaturverfilmung eine Zwischenstellungzwischen bei<strong>de</strong>n Konzepten ein, stellt also eine Mischform dar: „DieGrundverfahren unterschei<strong>de</strong>n sich ten<strong>de</strong>nziell, in <strong>de</strong>r Praxis gehen sieineinan<strong>de</strong>r über. Eine Qualitätsaussage ist dabei nicht gegeben.“ 27Vor <strong>de</strong>m Hintergrund <strong>de</strong>r Transformation und damit <strong>de</strong>r Anerkennung <strong>de</strong>rVerschie<strong>de</strong>nheit <strong>de</strong>r Zeichensysteme, ist Intermedialität also „nicht dasVerhältnis einer Hierarchie, son<strong>de</strong>rn einer gleichberechtigten Interaktion<strong>de</strong>r Künste.“ 28 Es geht um das „ästhetische Potential, das sich für ‚Film’ und‚Literatur’ aus <strong>de</strong>r wechselseitigen Reibung ergeben kann.“ 2925 Kreuzer 1981, S. 37.26 Schanze 1996, S. 87.27 Schanze 1996, S. 86. Neben Adaptions- und Transformationstheorie kennt die Forschung noch diebei<strong>de</strong>n Mo<strong>de</strong>lle <strong>de</strong>r Transposition und <strong>de</strong>r Transfiguration. Transposition bezeichnet die selektiveUmsetzung <strong>de</strong>r Vorlage; es wer<strong>de</strong>n nur bestimmte Szenen o<strong>de</strong>r Motive im Film verwen<strong>de</strong>t. DieTransfiguration ist das Verfahren, welches sich am meisten von <strong>de</strong>r Vorlage entfernt. In diesemKonzept wird auf das Literarische <strong>de</strong>r Vorlage verzichtet: „Als Metamorphosen von Gestalten, gelöstaus <strong>de</strong>m konkreten dramatischen und epischen Zusammenhang, oft nur vage als solche erkennbar,erinnern sie an die mythische Qualität aller Fiktion.“ (Vgl. Schanze 1996, S. 85ff.)28 Braun 2006, S. 8.29 Ebd.<strong>Horn</strong>: <strong>Literaturverfilmungen</strong> (filmrezension.<strong>de</strong>) 9


LiteraturverzeichnisLiteraturverzeichnis1. Albersmeier, Franz-Josef und Volker Roloff (Hrsg.):<strong>Literaturverfilmungen</strong>. Frankfurt am Main 1989.2. Arnheim, Rudolf: Film als Kunst. Frankfurt am Main 1979.3. Bauschinger, Siegrid u.a. (Hrsg.): Film und Literatur.Literarische Texte und <strong>de</strong>r neue <strong>de</strong>utsche Film. München 1984.4. Blothner, Dirk: Erlebniswelt Kino. Wirksame Filmthemen.Bergisch Gladbach 1999.5. Braun, Michael und Werner Kamp (Hrsg.): Kontext Film.Beiträge zu Film und Literatur. Berlin 2006.6. Gast, Wolfgang: Grundbuch Film und Literatur. Frankfurt amMain 1993.filmrezension.<strong>de</strong>7. Hickethier, Knut: Film- und Fernsehanalyse. Weimar 2001.8. Kreuzer, Helmut: Medienwissenschaftliche Überlegungen zurUmsetzung fiktionaler Literatur. Motive und Arten <strong>de</strong>r filmischenAdaption. In: E. Schaefer (Hrsg.): Medien und Deutschunterricht.Vorträge <strong>de</strong>s Germanistentages Saarbrücken 1980. Tübingen1981.9. Metz, <strong>Christian</strong>: Semiologie <strong>de</strong>s Films. München 1972.10. Monaco, James: Film verstehen. Reinbek 2002.11. Schachtschabel, Gaby: Der Ambivalenzcharakter <strong>de</strong>rLiteraturverfilmung. Mit einer Beispielanalyse von TheodorFontanes Roman Effi Briest und <strong>de</strong>ssen Verfilmung von RainerWerner Fassbin<strong>de</strong>r (Diss.). Frankfurt am Main 1984.12. Schanze, Helmut (Hrsg.): Fernsehgeschichte <strong>de</strong>r Literatur.München 1996.13. Schnei<strong>de</strong>r, Irmela: Der verwan<strong>de</strong>lte Text. Wege zu einer Theorie<strong>de</strong>r Literaturverfilmung. Tübingen 1981.<strong>Horn</strong>: <strong>Literaturverfilmungen</strong> (filmrezension.<strong>de</strong>) 10

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