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Kommunikation und Kommunikationstraining

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Arbeitsmaterial zum Seminar „Integrative Paarberatung“<strong>Kommunikation</strong> <strong>und</strong> <strong>Kommunikation</strong>straining<strong>Kommunikation</strong> <strong>und</strong> <strong>Kommunikation</strong>straining1. Warum beginnt die Beratung von Paaren mit der <strong>Kommunikation</strong>?Die <strong>Kommunikation</strong> des Paares ist direkt verb<strong>und</strong>en mit der Fähigkeit, Probleme <strong>und</strong> Konflikte zulösen, miteinander im Austausch zu sein <strong>und</strong> den heiklen Balanceakt zwischen sozialer Struktur(Partnerschaft) <strong>und</strong> einem „unordentlichen Gefühl“ (Liebe) bewältigen zu können. Bedeutsam fürPaarbeziehungen ist vor allem auch der Umstand, dass neben Sachbotschaften in jeder Nachrichtauch Beziehungsbotschaften liegen. Die Definition der Beziehung gegenüber dem Partner erfolgt alsomittels <strong>Kommunikation</strong>.Zahlreiche Studien belegen, dass unzufriedene Paare regelhaft eine dysfunktionale <strong>Kommunikation</strong>zeigen. Negative <strong>Kommunikation</strong>smuster erweisen sich sogar als Prädiktor desScheidungszeitpunktes. In diesem Artikel wird im Sinne der Zirkularität die dysfunktionale<strong>Kommunikation</strong> als Wirkung <strong>und</strong> Ursache von Problemen zu gleich gesehen. Paare kommunizierenauf problematische Weise weil sie Probleme haben <strong>und</strong> sie haben Probleme, weil sie problematischkommunizieren.Da die <strong>Kommunikation</strong> aber eben immer neue Realität schafft, ist es sinnvoll, mit einer anderen Artder <strong>Kommunikation</strong> eine andere Realität zu schaffen. In der hier dargestellten Methode des<strong>Kommunikation</strong>strainings wird dabei ein Unterschied erzeugt, bei der Partner möglichst unmittelbarerfahren, wie andere Arten der <strong>Kommunikation</strong> andere Wirkungen hervorbringen. So stellt zumBeispiel das offene Formulieren von Wünschen Nähe her, während Vorwürfe (also manipulativversteckte Wünsche) Distanz schaffen.Wichtig ist hierbei auch, dass, wenn wir zulassen, dass das Paar weiter seine dysfunktionale<strong>Kommunikation</strong> benutzt, Klärungsprozesse blockiert werden (Sachse) <strong>und</strong> die destruktive Dynamikfortgesetzt wird. Wichtig ist hierbei auch, dass in der Beratung nicht Interaktionsmuster etabliertwerden, die dysfunktional sind. Andernfalls ist der gesamte Beratungsprozess in Gefahr.Aus diesen Überlegungen folgt, dass Paartherapie mit dem Aspekt der Paarkommunikation beginnt<strong>und</strong> erst dann zu inhaltlichen Themen fortschreitet, wenn der Rahmen dafür passt.2. Die Haltung von TherapeutInnen beim <strong>Kommunikation</strong>strainingNatürlich gelten hier alle Aspekte von Haltung. Besonders zu betonen ist hier aber noch mal dieNeutralität <strong>und</strong> zwar in verschiedener Hinsicht:TherapeutInnen sollten sich davor hüten, einen Partner als den „<strong>Kommunikation</strong>sversager“zu beschreiben. An der Paarkommunikation sind immer beide beteiligt.TherapeutInnen sollten sowohl eine individuumszentrierte Sichtweise einnehmen, als aucheine systemische. Im ersten Fall stehen Kompetenzen <strong>und</strong> Grenzen einer Person im Fokus, imanderen Interaktionsmuster sowie sozialer <strong>und</strong> kultureller Kontext.Modul I – Wochenende II Seite 1


Arbeitsmaterial zum Seminar „Integrative Paarberatung“<strong>Kommunikation</strong> <strong>und</strong> <strong>Kommunikation</strong>strainingTherapeutInnen sollten auch hier veränderungsneutral sein. Das bedeutet, dass dieEntscheidung, ob das Paar die <strong>Kommunikation</strong> ändern möchte oder nicht allein bei dem Paarliegt.TherapeutInnen sollten keine fixierte Vorstellung von „richtiger <strong>Kommunikation</strong>“ mitbringen.TherapeutInnen sollten nur intervenieren, wenn Sie wirklich allparteilich sind <strong>und</strong>allparteilich wahrgenommen werden.Je warmherziger, verständnisvoller <strong>und</strong> bestätigender TherapeutInnen hier sind, destobesser gelingt der Prozess.3. Empirische Bef<strong>und</strong>e zur dysfunktionalen <strong>Kommunikation</strong> bei Paaren:a) Charakteristika der Negativität bei unzufriedenen Paaren (empirische Erkenntnisse)Häufige Verallgemeinerungen <strong>und</strong> Generalisierungen („immer“, „nie“, „überall“)Häufige Charakterzuschreibungen („Du bist…“)Häufige Du-Botschaften (Kritik, Vorwürfe)Häufiges Abschweifen vom Thema in die Vergangenheit (Aufwärmen von alten Geschichten,Schuldzuweisungen)Beharren auf der eigenen Sicht <strong>und</strong> mangelndes Eingehen auf den Partner (geringeBereitschaft zuzuhören, dominantes Verhalten gekennzeichnet durch häufiges Unterbrechen,sich gegenseitig ins Wort fallen)Hohe Emotionalität (schneller Sprechrhythmus, lautes Sprechen, drohende Gebärden <strong>und</strong>verbale Drohungen)b) Problematische <strong>Kommunikation</strong>sweisen:Vorwürfe/ Kritik:Verhalten des Partners wird kritisiert, die Sicht auf das Negative gelenkt <strong>und</strong> der eigene Ärgerausgedrückt („Du kommst immer zu spät“, „Nie ist Verlass auf Dich“)Defensive <strong>Kommunikation</strong>:(Verteidigung, Abwehr, Verantwortungszurückweisung)Bei dieser Art der <strong>Kommunikation</strong> zieht sich der defensive Partner innerlich zurück, verteidigt sich,geht nicht auf den „wahren“ Gr<strong>und</strong> der Diskussion ein, sondern bezieht sich egozentrisch auf dieeigene Verteidigung ohne die Sicht des Partners ernst zu nehmen oder zu berücksichtigen. Die<strong>Kommunikation</strong> ist gekennzeichnet durch Entschuldigungen, Rechtfertigungen, Gegenanklagen, „Ja-Aber-Äußerungen, Entschuldigungen bei gleichzeitiger Beleidigung des Partners. Meist erfolgt diedefensive <strong>Kommunikation</strong> mit kleinlauter oder erhobener Stimme, einem verkrampften Lächeln,abgewandter Körperhaltung (z.B. mit verschränkten Armen), Wegrücken oder sich zur Seite ducken.Modul I – Wochenende II Seite 2


Arbeitsmaterial zum Seminar „Integrative Paarberatung“<strong>Kommunikation</strong> <strong>und</strong> <strong>Kommunikation</strong>strainingVerächtliche <strong>Kommunikation</strong>:(Abwertung des Partners, den Partner lächerlich machen, gemeine Bemerkungen machen)Mitteilung von mangelndem Respekt <strong>und</strong> Achtung des Partners. Sarkastische <strong>und</strong> zynischeBemerkungen, feindseliger Humor, sich über den Partner lustig machen, Beleidigungen, Augenverdrehen, Namensnennungen, Sachen, die dem Partner wichtig sind lächerlich machen oderabwerten. Bei der verächtlichen <strong>Kommunikation</strong> findet man häufig heruntergezogene M<strong>und</strong>winkel,verdrehte Augen, einen eisigen oder sarkastischen Tonfall oder Herabblicken auf den Partner.Dominante <strong>Kommunikation</strong>:(den Partner als Kind behandeln, ihm ins Wort fallen, dominieren)Bestreben des Partners, in der Diskussion die Oberhand zu behalten, den anderen klein zu machen,die eigene Position durchzusetzen, dem anderen keinen Raum zu lassen, sich auf Autoritäten zubeziehen <strong>und</strong> das verbale Territorium durch laute, eindringliche, jede Silbe betonende Aussprache zubehaupten. Dominante <strong>Kommunikation</strong> charakterisiert sich durch ununterbrochenes Reden. Derandere wird bevorm<strong>und</strong>et. Es wird Lehrer gespielt (Abwertungen oder herablassende Kritik, Zizierenvon Autoritäten, inflexible häufige Wiederholungen des eigenen Standpunktes ohne auf Argumentedes Partners einzugehen). Das Sprechtempo ist hoch. Häufig hebt der dominante Partner sein Kinnan, zeigt mit dem Indexfinger auf den Partner <strong>und</strong> betont gewichtig <strong>und</strong> arrogant die eigenenAussagen. Der Blick ist meist starr <strong>und</strong> intensiv. Der Blick ist meist starr <strong>und</strong> intensiv.Provokation:(den Partner provozieren, die Beziehung in Frage stellen etc.)Die provokative <strong>Kommunikation</strong> zeichnet sich vor allem durch rhetorische, meist unbeantwortbareFragen aus, die darauf abzielen, den Partner bloßzustellen, ihn oder sie zu erniedrigen <strong>und</strong> derLächerlichkeit preiszugeben. Der Partner fragt ungläubig nach, äfft den Partner fragend nach („HastDu das wirklich so gemeint?“) oder spielt intimes Wissen über die Partnerin oder den Partner aus.Das Kinn ist häufig nach vorn geschoben, der M<strong>und</strong> leicht geöffnet, die Finger trommeln auf denTisch, die Sprache wird grob <strong>und</strong> ordinär.Rückzug aus der <strong>Kommunikation</strong>:Abweisendes, ignorierendes Verhalten dem Partner gegenüber, so tun, als wäre der Partner nichtexistent, ihn nicht beachten oder auf ihn eingehen, Blickkontakt vermeiden, sich von ihm oder ihrwegdrehen, sich mit sich selber beschäftigen (Nägel kauen, Fingernägel betrachten, Gegenstände imRaum fixieren, etc.) <strong>und</strong> jegliches Feedback zu unterlassen. Der Partner wirkt angespannt <strong>und</strong>genervt, abweisend <strong>und</strong> unzugänglich, ja unerreichbar.Nonverbale Negativität:Nonverbale Zeichen des gegen den Partner gerichteten Unmuts, der Ablehnung, Abweisung, Kritik,welche sich in Kopfschütteln bzw. abschätziger Gestik <strong>und</strong> Mimik äußert (z.B. sich ärgerlichabwenden, unwirsche Gesten, grobe Gesten, drohende oder schimpfende Handbewegungen,Modul I – Wochenende II Seite 3


Arbeitsmaterial zum Seminar „Integrative Paarberatung“<strong>Kommunikation</strong> <strong>und</strong> <strong>Kommunikation</strong>strainingabschätzige Grimassen etc.). Ferner sind offensichtliche Langeweile (z.B. demonstrativesWegschauen, Gähnen bei seinen oder ihren Ausführungen, schadenfreudiges oder hämischesGrinsen etc.) Anzeichen von nonverbaler Negativität.c) Ungünstiges Verhältnis zwischen Positivität <strong>und</strong> Negativität in der <strong>Kommunikation</strong> (Balance-Theorie von Gottman):Eine wichtige Differenzierung hat die Betrachtung der dyadischen <strong>Kommunikation</strong> durch die Balance-Theorie von Gottman erfahren: Entscheidend ist dabei die Fähigkeit von Paaren, negative<strong>Kommunikation</strong> durch positive <strong>Kommunikation</strong> zu kompensieren. Gottman zufolge zeichnen sichzufriedene Paare durch ein Verhältnis von mindestens 5:1 (Positivität gegenüber Negativität) aus.Das bedeutet, das auch zufriedene Paare dysfunktionales <strong>Kommunikation</strong>sverhalten zeigen, es abermit deutlich mehr positivem Verhalten (Zuneigung, Lob, Komplimente, Versöhnungsgesten)abzufedern in der Lage sind. Ausgehend von dieser Theorie unterscheidet Gottman fünf Subgruppenvon Paaren:Paartyp Charakteristika PrognoseImpulsive PaareViel Zuwendung, Liebe, Begeisterungsfähigkeit Günstig<strong>und</strong> Leidenschaft, aber auch Lust zum Streiten.Lebendige, dynamische Partnerschaft.(Verhältnis Positivität zu Negativität 5:1)Wertschätzende PaareViel Wohlwollen, Empathie, Wertschätzung, GünstigEinfühlsamkeit <strong>und</strong> Verständnis für denPartner, faire Konfliktlösungen <strong>und</strong> Bemühenum Einbezug des Partners. WenigLeidenschaft. (Verhältnis Positivität zuNegativität 5:1)Vermeidende PaareWenig Konflikte <strong>und</strong> geringe Neigung zu GünstigStreitigkeiten bei gleichzeitig geringemaffektiven Austausch. Eher distanzierte <strong>und</strong>ruhige Partnerschaften. Beide Partner lasseneinander in Ruhe leben. (Verhältnis Positivitätzu Negativität 5:1)Hostile PaareHohes Konfliktniveau mit häufigenUngünstigVerletzungen <strong>und</strong> dysfunktionaler<strong>Kommunikation</strong> (häufiges Auftretenscheidungsrelevanter <strong>Kommunikation</strong>sfehlerwie Defensivität, provokative <strong>und</strong> verächtliche<strong>Kommunikation</strong> sowie Rückzug). Hitzige <strong>und</strong>eskalierende Streitgespräche. (VerhältnisPositivität <strong>und</strong> Negativität in Richtunghäufigere Negativität verlagert)Hostil – losgelöste Paare Nüchtern distanzierte Paare mit weniggemeinsamen Momenten, die zudem vonNegativität überschattet sindEmotionaleLoslösung bei gleichzeitig hoher negativerEmotionalität (Ablehnung, Verachtung, Hass).(Gestörtes Verhältnis Positivität zu Negativitätin Richtung hohe Negativität).UngünstigModul I – Wochenende II Seite 4


Arbeitsmaterial zum Seminar „Integrative Paarberatung“<strong>Kommunikation</strong> <strong>und</strong> <strong>Kommunikation</strong>strainingStudien von Bodenmann in der Schweiz zeigen, dass die „Beziehungstypen“ stark vom Alterabhängen. So zeigen junge Paare eher ein impulsives Muster, Paare die länger zusammen sind eineher wertschätzendes Muster <strong>und</strong> alte Paare eher ein vermeidendes. Aber auch diese Studienzeigen, dass diese drei Gruppen ihre Partnerschaft zufrieden erleben <strong>und</strong> das von Gottmanbeschriebene günstige Verhältnis von Positivität <strong>und</strong> Negativität aufweisen.4. Das <strong>Kommunikation</strong>straining in der VerhaltenstherapieZiel des <strong>Kommunikation</strong>strainings ist der Abbau von dysfunktionaler Interaktion <strong>und</strong> der Aufbaukonstruktiver <strong>Kommunikation</strong>.Überblick über das <strong>Kommunikation</strong>straining in der Verhaltenstherapie:ZielsetzungMethodeIndikationSettingTherapeutenverhaltenSitzungenAbbau von Du-Botschaften, Vorwürfen <strong>und</strong> <strong>Kommunikation</strong>sfehlern<strong>und</strong> Erlernen von persönlicher <strong>und</strong> emotionaler <strong>Kommunikation</strong>Strukturiertes <strong>und</strong> graduiertes Training von Sprecher- <strong>und</strong>ZuhörerregelnBei sämtlichen PaarenDyadisches SettingTherapeutIn in den ersten Übungen stark leitend (Prompting),anschließend mit wachsender Kompetenz des Paares Fading-Out.2. – 6. SitzungIm Gegensatz zu systemischen Ansätzen setzt die Verbesserung der <strong>Kommunikation</strong> beim einzelnenPartner an. Es werden also weniger Zirkularitäten beschrieben sondern individuelle Kompetenzen. ImSinne eines integrativen Vorgehens halte ich aber beide Perspektiven für wichtig.Im <strong>Kommunikation</strong>straining der Verhaltenstherapie werden beiden Partnern Fertigkeiten derSprecher- <strong>und</strong> der Zuhörerrolle vermittelt, die im Prinzip das konträre Verhalten zu dysfunktionaler<strong>Kommunikation</strong> darstellen.<strong>Kommunikation</strong> in der Sprecherrolle:Dysfunktionale <strong>Kommunikation</strong> seitens desSprechendenDu-Botschaften (Partnerkritik, Vorwürfe,Beleidigungen)Attackieren der Partner <strong>und</strong> Forderung nachVerhaltensänderungenGeneralisierungen (immer, nie)Abschweifen in die Vergangenheit (Zitierung vonfrüheren Fehlern des Partners)Regeln für eine funktionale <strong>Kommunikation</strong> desSprechendenIch-Gebrauch (bei sich sein <strong>und</strong> eigene Sicht derDinge darstellen)Gefühle äußern <strong>und</strong> aufzeigen, warum dasProblem relevant istKonkrete Beispiele (bezüglich Situationen <strong>und</strong>Verhalten)Im Hier <strong>und</strong> Jetzt bleibenModul I – Wochenende II Seite 5


Arbeitsmaterial zum Seminar „Integrative Paarberatung“<strong>Kommunikation</strong> <strong>und</strong> <strong>Kommunikation</strong>straining<strong>Kommunikation</strong> in der Zuhörerrolle:Dysfunktionale <strong>Kommunikation</strong> seitens desZuhörendenHäufige Unterbrechungen (ins Wort fallen)Nicht zuhören, auf eigene Position fixiert sein,den Standpunkt des Partners nicht aufnehmen(schnelle Antworten, dominante<strong>Kommunikation</strong>)Dem Partner die eigene Meinung <strong>und</strong> deneigenen Standpunkt aufdrängen, durch Fragen(z.B. provokative <strong>Kommunikation</strong>) in die Engetreiben <strong>und</strong> suggestiv Antworten in den M<strong>und</strong>legenRegeln für eine funktionale <strong>Kommunikation</strong> desZuhörendenAktives ZuhörenZusammenfassen <strong>und</strong> paraphrasieren (zuhören<strong>und</strong> verstehen wollen)Offene Fragen stellen (damit haben die Partnerdie Möglichkeit, sich frei <strong>und</strong> unbeeinflusstauszudrücken <strong>und</strong> das zu sagen, was wichtig ist<strong>und</strong> was sie mitteilen wollen)5. <strong>Kommunikation</strong> aus systemischer SichtWir haben schon erfahren, dass in der systemischen Sichtweise <strong>Kommunikation</strong> ein zirkulärer Prozessist. Das bedeutet, dass schon die Unterscheidung einer „Sprecherrolle“ <strong>und</strong> einer „Zuhörerrolle“nicht angemessen erscheint. Beide Partner senden gleichzeitig Botschaften <strong>und</strong> beide empfangengleichzeitig. Des Weiteren würde es in der systemischen Therapie nicht darum gehen, eineBeurteilung hinsichtlich der Kompetenz abzugeben.a) Wichtige Zirkularitäten sind Eskalationen. Eskalationen lassen in „je mehr …, desto mehr …“ Sätzenbeschreiben. Bateson (1999) unterscheidet zwischen symmetrischer <strong>und</strong> komplementärer Eskalation.Symmetrische Eskalation ist das Wettrüsten zwischen Partnern. Beide kommunizieren mitähnlichen Mitteln (beide schreien sich an, beide ziehen sich zurück).Komplementäre Eskalation bedeutet, dass die Partner verschieden reagieren, aber sichgleichsam ergänzen im Verhalten (der eine klammert, der andere zieht sich zurück).In der Praxis überlagern sich häufig verschiedene Eskalationsformen. So kann ein Paar, dass einInteraktionsmuster von Klammern <strong>und</strong> Distanzierung aufweist durchaus im Streit eine symmetrischeEskalation aufweisen.Die Zirkularität ist Paaren häufig nicht bewusst. Diese herauszuarbeiten kann dann entlastend sein,da die Partner das Geschehen häufig stark personalisieren <strong>und</strong> sich nutzlose Vorwürfe machen. AuchTherapeutInnen laufen Gefahr, diese Personalisierung mitzuvollziehen. Schwing <strong>und</strong> Fryszerschreiben hierzu: „Auch Helfer sind gefährdet zu personalisieren, denn wenn dieser zirkuläre Prozessschon etliche Zeit läuft, erscheinen die Akteure häufig nur noch als Karikatur ihrer selbst. Sieaktualisieren nur noch eingeschränkte Seiten ihrer Person <strong>und</strong> haben gelernt, andere völlig zuvergessen. Damit ziehen sie etikettierende Diagnosen regelrecht an.“b) Neben Eskalationen stellen red<strong>und</strong>ante Interaktionssequenzen eine andere wichtige Zirkularitätdar. Die Interaktion läuft in einer Familie immer wieder in ähnlicher Form ab, das Streitniveau nimmtnicht zu dabei. Es ist mehr wie ein festes Ritual, auf dessen Ablauf sich das Paar geeinigt hat.Modul I – Wochenende II Seite 6


Arbeitsmaterial zum Seminar „Integrative Paarberatung“<strong>Kommunikation</strong> <strong>und</strong> <strong>Kommunikation</strong>straining6. Das „<strong>Kommunikation</strong>straining“ in der Integrativen Paartherapiea) Prinzipien:Es sei nochmal zusammengefasst oder ergänzt, was die Prämissen des hier vertretenen Ansatzessind:1. Da problematische <strong>Kommunikation</strong> Probleme schafft, muss sie Gegenstand der Veränderungsein.2. Da problematische <strong>Kommunikation</strong> die Annäherung der Partner, das Aushandeln vonKompromissen, das sich Begegnen usw. behindert, muss diese Veränderung zu Beginn derTherapie stehen.3. Die Definition darüber, was problematisch sei, liegt bei dem Paar. Aufgabe vonTherapeutInnen ist, Hypothesen zu bilden <strong>und</strong> das Paar zu sensibilisieren.4. <strong>Kommunikation</strong> ist zirkulär, deshalb müssen Zirkularitäten beachtet werden. Sie ist aber auchErgebnis von Fähigkeiten <strong>und</strong> persönlichen Verhaltensweisen, abhängig von Bedürfnissen<strong>und</strong> Konzepten. Also muss auch die individuelle Perspektive eingenommen werden.5. <strong>Kommunikation</strong> über das Problem passiert vor unseren Augen. Das <strong>Kommunikation</strong>strainingarbeitet strikt im „Hier-<strong>und</strong>-Jetzt“. Es ist sehr wichtig, dass sich TherapeutInnen hier nichtvon der gerade sichtbaren <strong>und</strong> fühlbaren „Beziehungsebene“ weglocken lassen auf eine„Inhaltsebene“.Ein gr<strong>und</strong>legendes Prinzip des hier dargestellten <strong>Kommunikation</strong>strainings ist, die Unterscheidungvon „Inhaltsebene“ <strong>und</strong> „Beziehungsebene“ (Watzlawick, Schulz v. Thun). Es steht hier nicht imMittelpunkt was das Problem ist, sondern wie das Paar darüber spricht, wie es sich austauscht überdas Problem <strong>und</strong> was das für ihre Beziehung bedeutet (entferne n sie sich dadurch, nähern sie sichan, erleben sie Verletzungen oder Geborgenheit usw.?).Basis des Vorgehens sind ferner die Wirkprinzipien der Psychotherapie nach Grawe:1. Die Therapiebeziehung (wird hier nicht näher beschrieben)2. Ressourcenaktivierung3. Problemaktualisierung4. Klärung5. BewältigungZu 2) Ressourcenaktivierung: Es gilt, vorhandene Ressourcen <strong>und</strong> Kompetenzen zu nutzen. Diesekönnen auch in guten Absichten bestehen. Außerdem sollte im Sinne einer implizitenRessourcenaktivierung die Interventionsfolge so geplant werden, dass beide Partner ihre Ressourcendafür nützen können.Explizite Nutzung von Ressourcen: Wir achten mindestens so stark auf das, was gut läuft, wieauf die problematischen Interaktionssequenzen. Wenn der Partner zuhört, nachfragt, sichöffnet, sich um Verständnis bemüht, versucht anders zu reagieren – dann ist es wichtig, dassdas gesehen <strong>und</strong> gewürdigt wird. Am besten sollte das der Partner tun: „Ich habe denEindruck, dass Ihr Mann Ihnen gerade sehr geduldig zuhört. Nehmen Sie das auch so war?Ja?“ Wenn diese Bestätigung durch den Partner gerade nicht aussichtsreich erscheint, sollteModul I – Wochenende II Seite 7


Arbeitsmaterial zum Seminar „Integrative Paarberatung“<strong>Kommunikation</strong> <strong>und</strong> <strong>Kommunikation</strong>strainingman das vorerst stellvertretend für die Partner tun. Gemeint ist aber auch, dassTherapeutInnen hier gr<strong>und</strong>legende Kompetenzen der Partner bezüglich der <strong>Kommunikation</strong>würdigen <strong>und</strong> nutzen. Hier lassen sich oft auch sehr verschiedene Kompetenzen der Partnerim Sinne einer „Wertschätzung von Unterschieden“ benennen. Der eine ist extremeinfühlsam, der andere bringt die Dinge auf den Punkt, der eine ist sehr vorsichtig, derandere redet nicht lange um den heißen Brei herum usw..Implizite Nutzung von Ressourcen: Über Ressourcen zu sprechen, sie „beim Namen zunennen“, ist nur eine der Möglichkeiten, wie wir mit Ressourcen arbeiten können. Die andereist, den ganzen Prozess auf die vorhandenen Ressourcen abzustellen. Dies kann beeinflussen,ob wir eher verbal oder eher nonverbal arbeiten, künstlerisch, spontan, geplant oderanalytisch. Wir können Partnern unterschiedliche Rollen zuweisen, sie unterschiedlichansprechen, je nach ihrem bevorzugten „Kanal“ usw..Zu 3) Problemaktualisierung: Sie ergibt sich dann, wenn Partner in ein problematischesInteraktionsmuster hineinkommen, das sie kennen. Wichtig ist hier schematheoretisch gesehen, dasses zu einer Aktivierung der Schemata kommt (also auch zu affektiver Beteiligung), dass gleichzeitigaber auch noch eine Bearbeitung möglich ist. Das bedeutet, dass Muster in der Paarberatung sichtbarwerden sollen, aber Eskalationen schnell gestoppt werden müssen.Merke: Eine Veränderungsintervention macht nur dann Sinn, wenn es eine Problemaktualisierunggibt.Zu 4) Klärung: Klärung bezieht sich hier sowohl auf intrapsychische als auch auf systemische Aspekte.Partner sollten klären, was ihre affektive Reaktion in dem gerade stattfindenden Problemmuster ist,welche Bedürfnisse sie gerade schützen oder verwirklichen wollen, welche Annahmen, Erwartungen<strong>und</strong> Bewertungen gerade eine Rolle spielen. Dabei ist die Klärung des einen immer auch eine(Er)Klärung für den anderen. Aspekt der Klärung ist aber auch das zirkuläre Muster, das Aufzeigenvon Spielen <strong>und</strong> Prozessen. Und bezieht sich im <strong>Kommunikation</strong>straining immer auf das Hier-<strong>und</strong>-Jetzt. Das sollte dem Paar auch immer wieder durch die Formulierungen deutlich gemacht werden(Wenn Sie das jetzt so hören von Ihrem Mann – was geht Ihnen da durch den Kopf?)Zu 5) Bewältigung: Am Ende sollte nicht nur die Idee einer Bewältigung stehen (manchmal istallerdings nur das erreichbar), sondern eine Bewältigungserfahrung. Es soll, selbst wenn das mitstarker Moderation passiert, möglich geworden sein, eine andere Art der <strong>Kommunikation</strong> zu finden<strong>und</strong> die Wirkung derselben im Unterschied zur Wirkung der problematischen <strong>Kommunikation</strong> zuspüren. Es geht also letztlich im <strong>Kommunikation</strong>straining darum, dass das Paar erkennt: „Wir könnenes auch so <strong>und</strong> das fühlt sich wirklich besser an!“ Es wird ein Unterschied gebildet zwischen dem„Muster“ <strong>und</strong> einer anderen Art der Interaktion. Dies ist auch mit unterschiedlichen Gefühlenverb<strong>und</strong>en. Sowohl der Unterschied sollte deutlich herausgearbeitet sein als auch das, was denUnterschied möglich gemacht hat.Modul I – Wochenende II Seite 8


Arbeitsmaterial zum Seminar „Integrative Paarberatung“<strong>Kommunikation</strong> <strong>und</strong> <strong>Kommunikation</strong>strainingb) Vorgehen:Bevor die eigentliche Interventionsfolge beginnt, sollte der Therapeut ein Modell bilden: Was tun diePartner wie, welche Gefühle könnten beteiligt sein, welche Bedürfnisse <strong>und</strong> Konzepte? Und welcheRessourcen sind erkennbar?1. Markieren: Therapeut macht einen deutlichen Einschnitt: „Ich möchte Sie bitten, dass wirdas Thema, über das sie gerade sprechen, für einen Moment zur Seite stellen. Ich will Ihnenetwas zeigen dazu, wie ich sie beide gerade erlebe. In Ordnung?“2. Beschreiben des Musters: Möglichst klare Beschreibung des Sichtbaren. Hier kann auch eineImpact-Technik stehen, dann erfolgt die Markierung erst nach der Impact-Technik.3. Relevanz erfragen: Sehen die Partner das auch so <strong>und</strong> kennen sie das?4. Auftrag abholen: „Wären Sie interessiert daran, dass wir uns das mal anschauen, was da beiihnen passiert <strong>und</strong> wie das auf Sie beide wirkt?“5. Klären: Ist-Zustand der Gefühle, Bedürfnisse (die Bedürftigkeit)<strong>und</strong> Konzepte (Erwartungen,Glaubenssätze usw.) klären (unbedingt bei beiden Partnern) <strong>und</strong> bezogen auf das „Hier-<strong>und</strong>-Jetzt“ aktive <strong>Kommunikation</strong>smuster.6. Bewältigungserfahrung schaffen: Je nachdem, was die Klärung ergibt, schafft der Therapeutdie Möglichkeit, anders darüber zu reden. Es werden keine Regeln erläutert, sondern es wirdeine Erfahrung ermöglicht. Hier sollten unbedingt Ressourcen aufgenommen werden, die dieKlienten zeigen. Nochmal anders gesagt: Es geht hier nicht um eine Lösung von Konflikten,sondern darum, anders als bisher darüber zu sprechen. Besonders kommen hier dieTechniken der „direkten Ansprache“, der VW-Regel, des „Ich-Gebrauchs“, des„Konkretisierens“ <strong>und</strong> des „Paraphrasierens <strong>und</strong> Zusammenfassens“ zum Zug.7. Erneute „Klärung“ des „neuen Gefühls“, das sich in der anderen <strong>Kommunikation</strong> ergebenhat.8. Reflexion: Unverzichtbar ist dann die Reflexion der Partner darüber, was sie beobachtethaben, was anders war <strong>und</strong> wie sie das geschafft haben. Es stellt sich die Frage nach demAlltagstransfer. Hier wäre auch der Platz, wo zirkuläre Hypothesen nochmals ihren Platzfinden können. Es sollte unbedingt eine Visualisierung dieser Ergebnisse erfolgen oder ein„Impact-Gegenstand“ genommen werden.9. „Vertrag“ des Paares über eine Verhaltensänderung, über die Beobachtung von Verhaltenoder über ein „Nichtverändern“.Literatur: „Klärungsorientierte Psychotherapie“ <strong>und</strong> „Klärungsorientierte Psychotherapie mit Paaren“ (Sachse),„Verhaltenstherapie mit Paaren (Bodenmann), „Systemisches Handwerk“ (Schwing/ Fryszer)Modul I – Wochenende II Seite 9

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