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Konzilien des 15. Jahrhunderts und Zweites Vatikanisches Konzil ...

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9 2007 Jahrgang 103 THEOLOGISCHE REVUE Nr. 1 10Gröûte Wirkung war darin sicherlich der Studie <strong>des</strong> damals inSt-Germain-en-Laye lebenden de Vooght beschieden: ¹Le conciliarismeaux conciles de Constance et de Bâleª. Darin interpretierte erHaec sancta <strong>und</strong> Frequens als Dekrete von allgemeiner, durch MartinV. wie Eugen IV. anerkannter Gültigkeit <strong>und</strong> er glaubte diesen daskirchliche Leben befruchtenden ¹conciliarisme mitigØ et lØgitimeªKonstanzer Prägung gr<strong>und</strong>legend verschieden vom revolutionär<strong>des</strong>truktivenBasler <strong>Konzil</strong>iarismus, einer ¹machine de guerre contreRomeª, die den Papat zu einem Ehrenprimat ohne jurisdiktionelleKompetenzen herabwürdigen wollte. 30 Alberigo erkannte sogleichdie ausnehmende Bedeutung dieses ja 1960 erschienenen <strong>und</strong> damitzeitlich am Anfang der gesamten Diskussion stehenden <strong>und</strong> sie erstauslösenden Beitrags: ¹L'eccezionale importanza di questo studio edelle sue conclusioni › <strong>des</strong>tinato a rivoluzionare l'ecclesiologia tradizionaleª.31 Und er zog sogleich Konsequenzen: In die von ihm, demneuen Direktor <strong>des</strong> Bologneser ¹Istituto per le scienze religioseª, mitverantworteteSammlung ¹Conciliorum Oecumenicorum Decretaªwurden 1962, ganz im Gegensatz zu Denzingers ¹Enchiridionª, erstmalsdie Konstanzer Dekrete (<strong>und</strong> sogar die Basler bis zum Bruchzwischen <strong>Konzil</strong> <strong>und</strong> Papst 1437) aufgenommen ± mit Erfolg, da die¹CODª in der Folgezeit ( 4 1991) fast offiziöse Geltung erlangen sollten.32De Vooght durfte sich seinerseits bestätigt fühlen <strong>und</strong> griff dieThematik in der Folge immer wieder auf, wobei er seit 1965 auch fürden dogmatischen Charakter von Haec sancta eintrat. 33 Doch erstauntausgerechnet bei solchem durch seine ¹coraggiosa franchezzaª34 ausgezeichneten Autor eine derart harsche (<strong>und</strong> dann vonKüng übernommene) Ablehnung <strong>des</strong> Basler <strong>Konzil</strong>iarismus. Siescheint mir in<strong>des</strong> weniger in detaillierter Kenntnis der Materie begründet± deren genauere Erforschung sollte nicht zuletzt erst durchconciliare, in: Ephemeri<strong>des</strong> Theologicae Lovanienses 40, 1964, 82. ±Bezeichnend für die in Chevetogne damals gehegten Erwartungen ist einArtikel <strong>des</strong> Priors Dom O. Rousseau, Dans l'attente du Concile, in: IrØnikon33, 1960, 185±197. Darin heiût es: ¹Il semble bien que le prochain concileinsistera d'une mani›re particuli›re sur l'ØlØment collØgial de l'Église. C'estdans la pensØe rØflØchie du Saint-P›re de remettre en valeur cette vØritØ siprofondØment ØvangØlique. Et ainsi, le second concile du Vatican complØterapar un heureux dØveloppement dogmatique, le premierª (186). Dies entsprachim übrigen ganzden ekklesiologischen Vorstellungen eines YvesCongar, der die Tagung in Chevetogne wesentlich prägte (Le concile:75±109, 285±334; Das <strong>Konzil</strong>: 89±130, 331±390) <strong>und</strong> in jenen Jahren trotzseiner vatikanischen <strong>und</strong> Pariser Verpflichtungen eine Fülle einschlägigerStudien publizierte (verzeichnet bei Cornelis Th. M. van Vliet, Communiosacramentalis. Das Kirchenverständnis von Yves Congar . .. . Mainz1995,169 A. 81), die dann auch eingingen in Yves Congar, Die Lehre von der Kirche.Vom Abendländischen Schisma bis zur Gegenwart. (Handbuch derDogmengeschichte, III 3 d) Freiburg i. Br. 1971.30 In: Le concile (wie Anm. 29), 143±181 (Zitat: 174); dt. Ausgabe 165±210 (Zitat¹Kampfmittel gegen Romª: 201). Eine um die Ausführungen zu Baselgekürzte Fassung der deutschen Version übernahm Bäumer in den von ihmherausgegebenen Sammelband: Die Entwicklung <strong>des</strong> <strong>Konzil</strong>iarismus (wieAnm. 8), 177±197; vgl. zu diesem Vorgehen kritisch de Vooght selbst, in:RHE 73, 1978, 398 f.31 Note (wie Anm. 29), 93; s. auch Oakley, ¹Veriusª (wie Anm. 17), 21 f.; Frenken,Erforschung (wie Anm. 3), 367 mit A. 37.32 Der Gründer <strong>des</strong> Instituts, der ehemalige christdemokratische Politiker GiuseppeDossetti, <strong>und</strong> der frühere Jurist Alberigo, den auch Hubert Jedin inBonn auf seine Arbeit in diesem Zentrum für theologische Laienbildung vorbereitethatte, berieten damals mit Erzbischof Lercaro von Bologna den einzigendem <strong>Konzil</strong> wohl engverb<strong>und</strong>enen italienischen Kardinal. Das späternach Johannes XXIII. benannte Institut verstand sich stets als Hüter derErrungenschaften <strong>des</strong> II. Vaticanum. Vgl. die anschaulichen Schilderungenbei Congar, Mon Journal du Concile (wie Anm. 8) I, 361±364, 583±586;Jedin, Lebensbericht (wie Anm. 1), 205 f. ± Zu Dossetti: Giuseppe Dossetti:prime prospettive e ipòtesi di ricerca, a cura di Giuseppe Alberigo. (Testi ericerche di scienze religiose . . ., vol. 22) Bologna 1998.33 Paul de Vooght, Les pouvoirs du concile et l'autoritØ du pape au concile deConstance. Le dØcret Haec Sancta Synodus du 6 avril 14<strong>15.</strong> (Unam Sanctam,vol. 56) Paris 1965, 198. Die das Werk eröffnende, von Congar verfasste <strong>und</strong>mit ¹Les Øditeursª unterzeichnete ¹Note liminaireª lässt eine gewisseDistanzzum Vf. erkennen; vgl. auch Congar, Mon Journal du Concile (wieAnm. 8) II, 293 mit A. 5/6. Klar vertrat de Vooght seine Einschätzung ebenfallsin einer Besprechung von Bäumers <strong>Konzil</strong>iarismus-Sammelband: RHE73, 1978, 399. Es kann mithin keine Rede davon sein, er habe seine Bewertungvon Haec sancta später abgeschwächt, wie Paul Ourliac behauptete:Rez. v. Brandmüller, Papst <strong>und</strong> <strong>Konzil</strong> (1990), in: Francia 19/I, 1992, 337.De Vooght ergänzte <strong>und</strong> fasste seine Darlegungen allenfalls genauer, so etwa:Le conciliarisme aux conciles de Constance et de Bâle (complØments et prØcisions),in: IrØnikon 36, 1963, 61±75. Seine wichtigsten Publikationen,in<strong>des</strong> nur bis 1972, verzeichnet Frenken, Erforschung (wie Anm. 3), 485 f.34 Alberigo, Note (wie Anm. 29), 92 A.10.seine Studie mitausgelöst werden ± als von der generellen Überzeugunggeleitet, Theorie <strong>und</strong> Praxis der Basler Väter seien, ganzim Gegensatzzu Konstanz, einfach nicht mit den Beschlüssen von Vatikan Ivereinbar, was auch für ihn ein unverzichtbares Kriterium darstellte.Zudem hatten sie nach de Vooghts Ansicht zu einer Zeit, als ohnehinkaum mehr Bischöfe unter ihnen weilten, Eugens IV. Mühen umkirchliche Einheit mit den Griechen zu verhindern gesucht <strong>und</strong> damitSchuld auf sich geladen. 35 Hier kommt nun ein ganzspezielles,persönliches Element zum Tragen: Auch <strong>und</strong> gerade die Begegnungmit den Kirchen <strong>des</strong> Ostens wurde in Chevetogne bis in Architektur<strong>und</strong> Liturgie hinein gepflegt, <strong>und</strong> de Vooght war davon zudem aufseine ganzeigene Weise geprägt: 1932 hatte ihn der Orden mit derRestaurierung <strong>des</strong> Klosters BrÏevnov (Prag) beauftragt, <strong>und</strong> sein vierjährigerAufenthalt in der Tschechoslowakei lieû ihn zu einemThema finden, bei dem sich für ihn fortan Wissenschaft mit persönlichemEngagement verband <strong>und</strong> das wohl überhaupt erst sein Interessean den <strong><strong>Konzil</strong>ien</strong> von Konstanz <strong>und</strong> Basel weckte 36 : Hus <strong>und</strong>die Hussiten. Sicher nicht zufällig legte auch er (erst) 1960, dannaber in gleich zwei Büchern Studien vor, die letztlich zum Plädoyerfür die Rehabilitierung eines Mannes gerieten, dem er zwar die Qualitätensowohl eines nationalen Heros als auch eines groûen Theologen<strong>und</strong> originellen Denkers absprach, der für ihn aber ± zumeistauf dem Boden der katholischen Lehre bleibend ± als treuer Sohnder Kirche, als ¹homme droit et loyalª Anspruch auf gerechtes Urteilhatte. Das war gut gemeint <strong>und</strong> schlecht f<strong>und</strong>iert; mit seinen Thesenfand de Vooght kaum Anklang, wobei das tschechische Echo vonBartosÏ bis hin zu S Ï mahel besonders negativ ausfiel. 37In<strong>des</strong> brachte er beide Themenkomplexe ± <strong>Konzil</strong>iarismus wieHus <strong>und</strong> Hussitismus ± während der nächsten Jahre in ein Forschungsgesprächein, in das er weiter einbezogen blieb, so auchdurch zwei Beiträge zu der groûen, von der Theol. Fak. der FreiburgerUniversität verantworteten Festschrift zur 550-Jahrfeier <strong>des</strong> Constantiense,an der er im übrigen selbst die auûerordentliche Wirkung seinerThesen zum Konstanzer <strong>Konzil</strong>iarismus ablesen konnte, warendoch gerade deutsche Kirchenhistoriker wie August Franzen <strong>und</strong>Remigius Bäumer hier mit groûem Aufwand um deren Widerlegungbemüht. 38 Was de Vooght wiederum später zu einer Feststellung veranlasste,die auch heute noch gültig ist: ¹Au stade actuel <strong>des</strong> rechercheshistoriques et thØologiques sur le concile de Constance, uneenti›re identitØ de vues ne pouvait †tre atteinteª. 3935 a) (Un)Vereinbarkeit mit Vatikan I: Paul de Vooght, Der derzeitige Stand derhistorischen Erforschung <strong>des</strong> <strong>Konzil</strong>iarismus, in: Concilium 7, 1971, 302 f. ±b) Behinderung der Unionsbemühungen Eugens IV.: Rez. v. Das <strong>Konzil</strong> vonKonstanz. Beiträge zu seiner Geschichte <strong>und</strong> Theologie (1964), in: RHE 60,1965, 897.36 Bascour, Nachruf (wie Anm. 27), 924 f.37 Paul de Vooght, L'hØrØsie de Jean Huss. (Bibl. de la RHE, fasc. 34) Löwen1960 (Zitat: 480) ± Hussiana. (Bibl. de la RHE, fasc. 35) Löwen 1960. 1975erschien eine teilweise veränderte <strong>und</strong> erweiterte Neuauflage beider Werkeunter dem Titel <strong>des</strong> ersten B<strong>des</strong>: L'hØrØsie de Jean Huss. (Bibl. . . ., fasc. 34 bis ±35 bis ). ± Zur tschechischen Kritik: FrantisÏek M. BartosÏ trug mit de Vooghteine Kontroverse in der Zeitschrift ¹Communio viatorumª aus: 8, 1965,65±74 (Apologie de M. Jean Huss contre son apologiste), 235±238 (de Vooght:Jean Huss tel qu'en lui-m†me); 9, 1966, 175±180 (RØponse à la rØponse de M.Paul de Vooght). FrantisÏek S Ï mahel fasste in seiner Besprechung der 2. Auflage<strong>des</strong> Buchs kurzdie katholische, protestantische <strong>und</strong> marxistische Kritikdaran zusammen <strong>und</strong> hob einleitend die ± der Sache selbst nicht unbedingtzugute kommende ± ¹polemische Betrachtungsweise, die bezaubernde Eloquenz<strong>und</strong>das tiefe moralische Pathosª <strong>des</strong> Autors hervor: AHC 9, 1977, 425ff. (Zitat: 425). ¾hnlich zuletzt noch ders., in: Die Hussitische Revolution, Bd1. (Schriften der MGH, Bd 43/I) Hannover 2002, 44 f.38 Das <strong>Konzil</strong> von Konstanz (wie Anm. 18: Riedlinger). Darin die Beiträge vonPaul de Vooght, Jean Huss et ses juges ± Le cardinal Cesarini et le concile deConstance, 152±173, 357±380; diejenigen von Franzen <strong>und</strong> Bäumer 69±112,187±213. Auch später wurde de Vooght keineswegs exkludiert; so verfassteer noch für die von Remigius Bäumer 1972 herausgegebene Festgabe fürAugust Franzen ¹Von Konstanz nach Trientª einen Beitrag: Les Hussites etla ¹Reformatio Sigism<strong>und</strong>iª (199±214).39 Paul de Vooght, Rez. v. Das <strong>Konzil</strong> von Konstanz (wie Anm. 35 b), 900. Dassdem ± ungeachtet der vorzüglichen Analysen von Morrissey, Alberigo oderRiedlinger (s. oben Anm. 18) ± so ist, scheint mir in der Formulierung vonHaec sancta selbst zu gründen: Im Dekret verdichten sich gleichsam inKurzform konziliare Lehren, Erfahrungen <strong>und</strong> Kompetenzen aus der Zeit<strong>des</strong> Groûen Schismas in einer Weise, die über ein situationales Verständnis<strong>des</strong> Wortlauts hinaus gewollt <strong>und</strong> kunstvoll auch die Möglichkeit einer Lesartim Sinne permanenter Gültigkeit offenzuhalten scheint. Darin spiegeltsich im übrigen das Ringen der im März/ April 1415 in KonstanzvorwaltendenKräfte: In der konkreten Situation nach der Flucht Johannes' XXIII.intendierten die Kardinäle im Bewusstsein der potentiellen Sprengkrafteiner Festschreibung auf Dauer nur eine Notmaûnahme, während die Natio-

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