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Unternehmen Luxusindustrie - Lukas Hadorn

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<strong>Unternehmen</strong> <strong>Luxusindustrie</strong>Willkommen in Luzern: Am Schwanenplatz fühlen sich Chinesen wie daheim. Mit Spruchbändern vor den Uhrengeschäften ...42 BILANZ 5/2011


... werden sie in deren Räumlichkeiten gelockt – und dort beim Shopping von Landsleuten betreut.Kampf umdie ChinesenKeine Schweizer Stadt ist bei chinesischen Touristen beliebter alsLuzern. Den Verkäufern von Luxusuhren bescheren sie Rekordumsätze.Doch jetzt will das Berner Oberland Luzern das Geschäft abjagen.<strong>Lukas</strong> <strong>Hadorn</strong> text / Sandro Fiechter FotosEs ist kurz nach 8 Uhr morgens auf demSchwanenplatz in Luzern. Ein paar Einheimischeeilen zur Arbeit. Die Geschäftsfassadensind in goldenes Licht getaucht,und wer sie genauer betrachtet, stellt fest,dass hier vor allem Schmuck und Uhrenverkauft werden. Bucherer, Embassy,Gübelin – die grossen Namen der Branchesind allesamt vertreten. Sie haben sichbesonders herausgeputzt an diesem kaltenFebruarmorgen. Rote Lampions undSpruchbänder baumeln vor den Eingängenund in den Schaufenstern. GoldeneSchriftzeichen beschwören Wohlstandund Glück für das neue Jahr. Das chinesischeneue Jahr, wohlgemerkt.Es fällt auf, dass hier zahlreiche asiatischeGesichter zu sehen sind – unter denTouristen ebenso wie bei den Angestellten.In den luxuriösen Ladenlokalen lächelnchinesische Filmstars wie ZhangZiyi oder Chen Daoming für Omega undTAG Heuer von Plakatwänden, währendsich das Personal mit den Kunden aufMandarin über die richtige Uhrenwahlunterhält. Und böte zwischen den Geschäftennicht ein lokaler ConfiseurWassertürmli aus Schokolade feil, wähnteman sich glatt auf Pekings luxuriöserEinkaufsstrasse Wangfujing.Marcel Perren, Luzerns Tourismusdirektor,ist sich der Bedeutung diesesOrts bewusst: «Der Schwanenplatz •5/2011 BILANZ 43


Strukturwandel im China-Geschäft«Beim Übernachtenwird gespart»Kurt Haerri, Präsident der WirtschaftskammerSchweiz–China, über chinesische Touristen unddas Freihandelsabkommen mit China.BILANZ: Kurt Haerri, im SchweizerTourismus hofft man auf mehrWertschöpfung, wenn Chinesenstatt in Gruppen als Individualtouristenanreisen. Ist damit inabsehbarer Zeit zu rechnen?Kurt Haerri: Das wird ganz sicherpassieren, ja. Aber es dürfte nocheinige Zeit dauern. Heute reisenvornehmlich ältere Leute in dieSchweiz, die sich eine Europareiseleisten können. Aber das sind keineIndividualtouristen. InteressantKurt Haerri(48) war von1996 bis 2003für den LiftundRolltreppenherstellerSchindler inChina tätig.wird es, wenn die Jungen zu reisenbeginnen. Die zunehmende Kaufkraftder selbständigen, englischsprechendenChinesen wird diesenStrukturwandel herbeiführen.Warum reisen die jüngerenChinesen nicht schon heute?Viele junge Chinesen investierenzunächst in eine Wohnung oderein Auto. Das sind im Momentnoch dringlichere Bedürfnisse.Inwiefern behindern die bestehendenStrukturen diese Entwicklung?Die Veranstalter profitierenja heute von der Unselbständigkeitihrer Gäste.Die Reiseanbieter haben sicherlichkein grosses Interesse an einemStrukturwandel, aber aufhaltenkönnen sie ihn nicht. Hinzukommt, dass es auch in Zukunftimmer Gruppenreisende gebenwird. China wird sich noch jahrzehntelangin diesem Transformationsprozessbefinden, aus demheraus die neue Mittelklasse entsteht.Und es wird noch langereiseunerfahrene Chinesen geben,die lieber mit einer Gruppe insAusland fahren.Und dafür so wenig wie möglichausgeben. Ist die Kritik an denknauserigen Pauschaltouristenberechtigt?Das ist der typisch chinesischePragmatismus. Ein Chinese sagtemir einmal: «Wenn ich abends dasLicht auslösche, ist es dunkel. Egalwie das Bett aussieht, in dem ichliege.» Beim Übernachten wird gespart,dafür wird beim Shoppingumso mehr Geld ausgegeben.Liegen bald keine Chinesen mehr inSchweizer Betten? Dem angestrebtenFreihandelsabkommen zwischender Schweiz und China sehenTouristiker mit Skepsis entgegen.Das ist verständlich. Man fürchtetsich davor, dass Schweizer Uhrenin China deutlich billiger werden.Aber die Schweiz hätte dannimmer noch den Vorteil, als fälschungsfreiesLand zu gelten. DieChinesen reisen nicht nur zumUhrenshopping in die Schweiz. Eswäre falsch, in der Nutzenanalyseeines Freihandelsabkommens nurden Tourismus zu betrachten.Wie schätzen Sie die Gefahrpolitischer Umwälzungen ein?Damit muss man immer rechnen,das ist ja die Eigenart des China-Geschäfts. Die Vorzeichen könnensich völlig überraschend ändern.Und neue Bestimmungen werdenschnell und rigoros durchgesetzt.Unterschwellig besteht die Gefahrvon Veränderungen immer, ganzegal in welcher Branche.• gehört mit der Place Vendôme in Parisund der Plaza 66 in Shanghai zu den Top 3des weltweiten Uhren- und Schmuckverkaufs.»Perren weiss auch, wem die Stadtdiese Ehre zu verdanken hat: den Chinesen.Spätestens seit dem Beitritt derSchweiz zum Schengen-Raum strömensie in immer grösseren Massen in dieLeuchtenstadt (siehe Grafiken auf Seite45). Obwohl eine Fahrt auf dem See undein Kurztrip zum Titlisgletscher zum festenProgramm einer chinesischen Reisegruppegehören, steht den Besuchern derSinn vor allem nach Uhrenshopping.«Uhrenshopping gehört zum Programm»,weiss Alex Wang, der für LuzernTourismus von Shanghai aus den chinesischenMarkt bearbeitet. «In der Schweizsind die Uhren erstens viel billiger als inChina und zweitens garantiert echt. Undwer sich in der Schweiz eine Markenuhrkaufen kann, demonstriert damit seinensozialen Status.» Um mehr Geld für teureLuxusgüter zu haben, sparen die Chinesenbei Kost und Logis. Laut SchweizTourismus verbringen sie im Schnittknapp eineinhalb Nächte in der Schweiz,und diese vorzugsweise in günstigenHotels an Autobahnen oder an der Grenze.Im Gegenzug geben sie täglich knapp450 Franken fürs Shopping aus und sinddamit nach den Besuchern aus den Golfstaatendie kauffreudigsten Touristen.Leute wie du und ich. Der 28-jährige ZhangZhe ist ein typisches Beispiel. Er ist ineiner 35-köpfigen Gruppe aus dem südlichvon Shanghai gelegenen Hangzhouangereist. «Sechs Länder in zwölf Tagen»,sagt er stolz. Gestern war man noch inParis, morgen stehen Florenz und Romauf dem Programm. In Paris habe mansich bei Louis Vuitton, Chanel und Guccieingedeckt, schwärmt er. In der Schweizwolle man nun frische Luft atmen, einenBerg besteigen und Uhren kaufen. PatekPhilippe hält er für das Nonplusultra.«Die Reise hat nur 10 000 Renminbi gekostet»,verrät eine Frau aus seiner Gruppeund reckt triumphierend den Daumenin die Höhe. Zwölf Tage Europa für unter1500 Franken.«Das ist die neue Mittelklasse», weissIvo Scala, Geschäftsführer des zum Bucherer-Imperiumgehörenden UhrengeschäftsSwiss Lion in Luzern. «In der Schweizdenkt man oft, das seien alles neureicheMultimillionäre. Aber eigentlich sind esLeute wie Sie und ich. Sie haben etwas44 BILANZ 5/2011


<strong>Unternehmen</strong> <strong>Luxusindustrie</strong>«Das ist die neue Mittelklasse», sagt Swiss-Lion-Geschäftsführer Ivo Scala (l.) über die Chinesen, die zu ihm ans Löwendenkmalund in die Läden am Schwanenplatz (M.) strömen. «Im Schnitt geben sie 3000 bis 5000 Franken pro Uhr aus.»Geld gespart, erfüllen sich jetzt einenTraum und möchten davon ein Souvenirmit nach Hause nehmen.» Zu 95 Prozentkämen sie in Gruppen. «In meinemGeschäft geben die Chinesen im Schnitt3000 bis 5000 Franken aus pro Uhr», sagtScala. «Da sind ganz viele, die eine Swatchkaufen, und ein paar wenige, die sechsstelligeBeträge ausgeben.» Die teuersteUhr in seinem Geschäft, eine Tourbillonvon Blancpain, kostet etwas über 100 000Franken. «Davon verkaufen wir alle paarMonate ein Exemplar», so Scala.Es ist nicht einfach, Luzerner Uhrenhändlerdazu zu bringen, offen über dasChina-Geschäft Auskunft zu geben.Branchenschwergewichte wie Buchererund Gübelin äussern sich aus Imagegründennicht zum Thema, während inden kleineren Läden meist nur hintervorgehaltener Hand geredet wird. Inter­essant ist, dass stets ein bisschen Fatalismusmitklingt, wenn vom Wahnsinnsgeschäftmit den chinesischen Touristendie Rede ist. Man könne nie wissen, wanndie Party vorbei sei, heisst es vielerorts.Kampf mit Prozenten. Welchen Kräftendie chinesischen Touristenströme ausgesetztsind, erfahren wir beim Besucheines Uhrenladens im Zentrum der Altstadtgleich selbst. Während wir uns mitdem Geschäftsführer unterhalten, betrittein adrett gekleideter junger Chinese dasGeschäft und händigt einer Angestellteneine Liste mit Namen, Geburtsdaten undPassnummern aus. «Das ist ein Reiseleiter»,erklärt der Geschäftsführer. «DiePersonen auf der Liste gehören zu seinerReisegruppe, also hat er Anrecht aufeinen Teil des Umsatzes, den diese Touristenin meinem Geschäft generieren.»In Luzern seien zehn Prozent Usus.Könnte er auch einfach die Zahlung verweigern?«Ja, könnte ich schon», lacht er.«Aber dann erzählt der Reiseleiter seinenTouristen ganz einfach, in meinem Shopwürden Fälschungen verkauft. Dannkommt garantiert keiner mehr vorbei.»Meist kehrten die Reiseleiter noch amselben Tag zurück, um ihren Anteil bareinzukassieren. Dank den rosaroten Formularen,welche die chinesischen Touristenausfüllen müssen, damit sie am Zolldie Mehrwertsteuer zurückfordern können,behalten sie jederzeit den Überblick,wer wo wie viel ausgegeben hat. «InLuzern erzählt man sich die Geschichtevon einer Chinesin, die am Schwanenplatzmehr als eine Million Franken liegenliess», grinst der Geschäftsführer.«Deren Reiseleiter hat darauf spontandrei Monate Ferien gemacht.»•Die 20 beliebtesten Destinationen von Chinesen in der SchweizRang2010 2009 Destination Logiernächte20101 1 Luzern 57 5412 2 Zürich 40 7453 3 Genf 32 1554 4 Ingenbohl 22 2115 5 Interlaken 20 2126 8 Opfikon 17 6627 7 Engelberg 13 0048 9 Lausanne 11 2399 11 Bern 10 82510 6 Meyrin 10 232Quelle: Bundesamt für Statistik / Tourismus SchweizRang2010 2009 Destination Logiernächte201011 10 Basel 9 12712 19 Rümlang 8 55513 15 Montreux 7 00614 24 Einsiedeln 6 14915 20 Grindelwald 5 84216 18 Biel 5 41117 34 Flüelen 5 09818 30 Chavannes-de-Bogis 4 93919 13 Zermatt 4 50720 12 Sisikon 4 440Traumdestination InnerschweizDie bei chinesischen Touristen beliebtestenRegionen der Schweiz.150 000 Logiernächte120 00090 00060 00030 000Zentralschweiz+30+71Region ZürichVeränderung 2009/10 in %+47Genf+62Berner Oberland+72Genferseegebiet(Waadtland)5/2011 BILANZ 45


Auch Jürg Schmid, dem obersten Touristikerdes Landes, sind diese Grabenkämpfebekannt. Er spricht von einer «natürlichenKonkurrenz zwischen denSchweizer Leistungsträgern». An denKommissionen stört er sich nicht: «Ineinem preissensitiven Markt wie China istder Konkurrenzdruck zwischen den Anbieternim Reisemarkt sehr gross», schreibter. «Dementsprechend spielen Kommissionenfür den Veranstalter bei der Produktgestaltungeine wichtige Rolle.»Es ist aber nicht nur der Standortwettbewerb,der den vom China-Geschäftzunehmend abhängigen Touristikernund Fachhändlern Sorgen bereitet. Vielschlimmer ist die Vorstellung, die Touristenströmeaus China könnten plötzlichmagerer werden oder sogar ganz versiegen.Neben politischen Veränderungenund neuen Gesetzen, die ganz plötzlich inKraft treten können und rigoros durchgesetztwerden, fürchtet man insbesondereden Freihandel. Derzeit profitiert derSchweizer Tourismus davon, dass Luxusproduktein Europa deutlich billiger sindals auf dem chinesischen Festland – fürviele Chinesen ein gewichtiges Argumentfür einen Europatrip. Fällt die Luxussteuerim Rahmen eines Freihandelsabkommensweg, dürften die Besucherzahlendarunter leiden.Hoffen auf Individualtouristen. «China istsicherlich einer der Märkte mit den grösstenFragezeichen», fasst Luzerns TourismusdirektorMarcel Perren zusammen.«Man kann viel gewinnen, muss aberauch einiges riskieren.» Trotzdem ist erzuversichtlich, dass Luzern die Spitzenpositionverteidigen kann. Die Strategiesehe so aus, dass neben der Kooperationmit den Veranstaltern auch der direkteKontakt mit den Chinesen angestrebtwerde – via Grossanlässe, aber auch mittelsMedienarbeit und PR. «Das Ziel ist,dass die Chinesen ganz gezielt nach Luzernund nach der Zentralschweiz alsReisedestination fragen», so Perren. Nurso könne die Abhängigkeit von den Reiseveranstalternverringert werden.Eine nachhaltige Veränderung erhoffter sich auch vom langsam aufkommendenIndividualtourismus. Im Vergleich zumdünnmargigen Gruppengeschäft weisenIndividualtouristen eine deutlich höheretouristische Wertschöpfung auf, was insbesondereder Hotellerie zugute komme.Nach Ansicht von Perrens China-Repräsentantendürften die selbständig Reisendenaber noch eine Weile auf sich wartenlassen. «Im Moment ist der Anteil Individualreisenderimmer noch sehr, sehrklein», sagt Alex Wang. «Aber der Trendgeht schon in diese Richtung. Immermehr Chinesen haben die Möglichkeit,eine solche Reise zu machen, und derAnteil jener, die das unabhängig tun wollen,wächst.» Kurt Haerri, Präsident derWirtschaftskammer Schweiz–China, siehtdas genau gleich: «Die zunehmendeKaufkraft der selbständigen, englischsprechendenChinesen wird diesenStrukturwandel herbeiführen», ist erüberzeugt (siehe Interview auf Seite 44).Vorläufig geht die Party weiter, ob inLuzern oder Interlaken. Getreu demSpruch, der auf dem 1599 erbauten Hauszu lesen ist, in dem Jürg Kirchhofer seinechinesischen Kunden betreut: «Lassetuns am Alten, so es gut ist, halten.» •BIL_05-11_Swiss-Hedge_1-2q-ra 3.3.2011 10:22 Uhr Seite 1ANZEIGE

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