414 G lü c k a u f Nr. 12in regelmäßiger Lagerung. Das Bild ändert sich, wennes einen Rauchschaden zeigt (Abb. 8). Hier ist derInhalt der Zellen von den W änden gelöst und nachder Zellmitte zusammengezogen. In einzelnen Zellenerkennt man sogar im Querschnitt die von Sorauer imbar leeren, dickwandigen Zellen noch Inhalt haben,der den Zellwänden in verschiedenartigen Formenaufgetrocknet ist. Teilweise sind auch noch die freilichverquollenen Chlorophyllkörner wahrzunehmen.W ie das Zusammentrocknen vor sich geht, ersiehtman aus Abb. 6. Die Zellen trocknen danach derartzusammen, daß sie nur mit ihren Kopf- und Fußenden,die den nächsten Zellen anliegen, in ihrer normalenAusdehnung verbleiben, während sich der übrigeTeil nach der Zellmitte hin zusammenzieht. DieserVorgang in den Zellwänden ist sekundär. Zuerstschrumpft der Zellinhalt, das Protoplasma, zusammen,und danach erst passen sich die ihrer Spannkraft beraubtenZellwände der veränderten Gestalt des Protoplasmasan. Dadurch entsteht diel-Form , die Sorauerebenfalls als bezeichnend erkannt hat. In Abb. 7 sindmit Quellungsmitteln behandelte und stark vergrößerteEinzelzellen wiedergegeben. Der ZellinhaltAbb. 7. Mit Quellungsmitteln behandelte Einzelzellen.stellt sich hier als der Zellwand anliegendesMaschenwerk dar, welches dadurch entsteht, daß diebei plötzlichem Absterben der Zellen erhaltenenChlorophyllkörner aus der Einbettungsmasse stärkerhervortreten.Auf diesen Versuchsergebnissen habe ich mitdem Essener Biologen Dr. W a s s e r lo o s weitergebaut und noch andere bezeichnende Erkennungsmerkmalegefunden. In Abb. 4, dem Querschnitt einesunbeschädigten Blattes, bildet das Chlorophyll einegallertartige, durchsichtige, homogene Masse, und diedarin eingebetteten Chlorophyllkörner befinden sichAbb. 8. Querschnitt durch ein rauchbeschädigtes Blatt.Abb. 9. Verquellung des Chlorophylls.Längsschnitt festgestellte I-Form . Aber noch etwasKennzeichnenderes ist wahrzunehmen, was Sorauernicht deutlich erkannt hat, nämlich die Verquellungdes Chlorophylls, die Abb. 9 deutlicher zeigt. Durchdie vergiftende W irkung der schwefligen Säure verlierendie Chlorophyllkörner ihre scharfen Umrisse,nähern sich einander und nehmen wurst- oder biskuitartigeFormen an. Außerdem geht eine Veränderungdes grünen Farbstoffes nach schmutzig-gelb bis gelbbraunvor sich, eine Beobachtung, die bei allen durchSchwefeldioxyd beschädigten Blättern wahrgenommenworden ist.Diese Zellveränderungen wurden im Laboratoriumplanmäßig verfolgt, indem man Schwefelsäure oderschweflige Säure in flüssiger Form einem Blattquerschnittzuleitete und den Fortschritt der Zellveränderungendurch das Mikroskop genau beobachtete.Als Versuchsmaterial dienten teils quergeschnitteneBlätter, teils, der Einfachheit halber, einschichtigeMoospflänzchen oder Prothallien, Vorkeime derFarne. Diese Versuche wurden vielfach und mitallerlei Pflanzen wiederholt, damit jeder Irrtum ausgeschlossenwar. Sie ergaben stets dasselbe kennzeichnendeBild. Die Beschädigung geht im einzelnenfolgendermaßen vor sich. Zunächst verfärbt sichdas Chlorophyll und nimmt eine gelblich-brauneFarbe mit einem Stich ins Schmutzige an. Das Protoplasmalöst sich von der Zellwandung ab und zieht dieChlorophyllkörner mit in das Innere. Diese erfahreneine geringe Zusammenballung. Darauf quellen dieChlorophyllkörner und bilden in dem wolkig erscheinendenProtoplasma eine Art von Ketten oderwurst- und biskuitartige Formen. Am Rande desProthalliums oder des Moospflänzchens tritt die W irkungzuerst ein; hier findet sich das am meisten fortgeschritteneStadium. Die kennzeichnende Kettenbildungist augenfällig und auch schon W ie l e r1 aufgefallen.■a. a. o. s. 85.
19. M ärz 1927 G lü c k a u f 415Diese wichtige, schulmäßig erwiesene Tatsachewurde danach an Proben geprüft, die aus den Rauchschadengebietendes Ruhrbezirks in der Nähe vonKokereien reichlich zur Verfügung standen. Einigelehrreiche Abbildungen mögen kurz besprochenwerden.Abb. 10 zeigt den Übergang von völlig abgestorbenerBlattsubstanz zu noch im Absterben begriffener.In dem abgestorbenen Blatteil erkennt manin der tief dunkelbraunen Masse keine Zelle mehr; derAbb. 10. Übergang von abgestorbener zu noch im Absterbenbegriffener Substanz eines Birkenblattes.Blattquerschnitt ist auf etwa die Hälfte zusammengeschrumpft.Weiter nach rechts hebt sich noch einverkümmertes Beförderungsorgan in hellerm Braunheraus. Dann folgt eine Zone von heller schmutziggelblicherFarbe, in der sich wohl noch Zellwändeerkennen, jedoch Pallisadenzellen nicht mehr von denZellen der Schwammschicht unterscheiden lassen. DerZellinhalt zeigt Spuren von Chlorophyllkörnern undentspricht unter dem Mikroskop den W ahrnehmungenSorauers. Weiter nach rechts sieht man den geschrumpftenZellinhalt mit den vollständig verquollenenChlorophyllkörnern. Ein derartig geschädigtesBlatt ist selbstverständlich für den Aufbau der Pflanzeverloren.ln dem Querschnitt durch den völlig abgestorbenenTeil eines Birkenblattes (Abb. 11) erkennt man ander Unterseite zwei ehemalige Spaltöffnungen, dieAbb. 11. Querschnitt durch den völlig abgestorbenen Teileines Birkenblattes.weit geöffnete Buchten darstellen, und weiter im Blattinnernnoch Reste von Zellen, die aber ihre ursprünglicheForm vollständig verloren haben. Einzelnedavon zeigen in ihrem Innern auffallend scharfe,schwarze Formen, die noch keine klare Deutung zulassen.Es kann sich hier um Ausscheidungen handeln,die man öfter in Zellen abgelagert findet.Abb. 12, der Querschnitt durch ein geschädigtesHollunderblatt, ist deshalb besonders bemerkenswert,weil hier ganz deutlich wird, daß die schweflige Säurenur von der Blattunterseite, von den Spaltöffnungenher, in das Blattinnere eindringt. Man erkennt in derSchwammschicht in der Nähe der Spaltöffnungen, vondenen aber der Schnitt zufällig keine getroffen hat,eine deutliche Ablösung des Protoplasmas von denZellwänden mit verquollenen Chloropiasten, also eineschon ziemlich weit gehende Zerstörung dieses Zellverbandes.Je weiter man aber zu den Pallisadenzellenkommt, desto mehr macht sich eine Abnahme derAbb. 12. Querschnitt durch ein geschädigtes Hollunderblatt.Beschädigung geltend. Der obere Teil der Schwammschichtzeigt zwar verquollene Chloroplasten, abernoch keine Loslösung des Zellinhalts von den Zellwänden.Die Pallisadenschicht selbst ist noch ganzungeschädigt.Die Wissenschaft steht heute auf dem Standpunkt,daß mit der Beschädigung der Blätter durch Schwefeldioxydeine weitgehende Austrocknung des Zellinhaltsverbunden ist. Deshalb war die Frage zu prüfen, obnicht gleichartige Strukturänderungen bei der natürlichenAustrocknung des Blattes auftrelen. Beim Trocknentritt zunächst Plasmolyse, also Zusammenziehungdes Protoplasmas, ein, die Chloroplasten schrumpfendanach zusammen und bilden Haufen, jedoch fehltzwischen der vertrockneten Blattsubstanz und demnoch frischen Gewebe die Übergangszone (Abb. 13)Abb. 13. Austrocknungserscheinungen beieinem Kartoffelblatt.mit ihrem schmutzig gelbbräunlichen Ton, wie sie fürrauchbeschädigte Blätter kennzeichnend ist. Zudemverlieren die Chlorophyllkörner bei natürlicher Austrocknungihre Umrißlinien nicht, und es sind wederwurst- noch biskuitartige Gebilde wahrzunehmen.Eine Verwechslung unter dem Mikroskop ist daherausgeschlossen.Ermutigt durch die vorstehenden untrüglichenFeststellungen habe ich mit Dr. W a s s e r lo o s auchmit ändern Gasen Versuche vorgenommen, um festzustellen,ob wirklich die oben geschilderten Erkennungsmerkmalefür schweflige Säure kennzeichnendsind, oder ob andere Gase gleiche oder ähnlicheStrukturveränderungen des Blattinnern hervorrufen.Die Versuche sind zwar noch nicht abgeschlossen,haben aber doch schon grundlegendeErgebnisse gebracht, so daß darüber kurz berichtetwerden kann.Zunächst wurden die Einwirkungen von C h lo r gas auf verschiedene Pflanzenarten beobachtet.Abb. 14 zeigt eine unbeschädigte Zelle eines einschichtigenMoospflänzchens. Blättchen einer solchenPflanze wurden einem stark mit Chlor gemischtenLuftstrom bei 2 bis 300 sek Einwirkungsdauer ausgesetzt.Bei 2 sek war keine Veränderung der Zellenin der Mitte des Blattes wahrzunehmen; am Randezeigten einige Chloroplasten eckige Form (Abb. 15).Nach 5 sek war am Rande das Protoplasma von der