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CORE Nr. 04 (PDF) - Heyne Hardcore

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<strong>CORE</strong>MAGAZINNummer 4Sasha GreyHannes RåstamNelson JohnsonKarl MarlantesSophie AndreskyLeaf FieldingIrvine WelshDavid PfeiferRichard LaymonEyre PriceJames FreyHelmut Kuhn1


Editorial10 Fragen anRyan David Jahn<strong>CORE</strong>, die vierte. Inzwischen in vielen Zirkeln Pflichtlektüre,hat unser kleines Magazin einen erfreulichguten Ruf erlangt. Das spüren auch die Autoren, diemit viel Verve und Engagement Texte liefern und unsunterstützen. In dieser Ausgabe stellen wir die Titelaus den Herbstprogrammen vor, die bis ins Frühjahr2014 reichen. Und wir haben einige echte Highlightsan Land gezogen, auf die wir uns freuen. Wie immerist das Programm wild durchmischt. Das fängt bei unseremabsoluten Spitzentitel Die Juliette Society vonSasha Grey an, einem Erotikroman, in dem Klartextgesprochen wird. Das tut gut nach all der prüden undblumigen Hausfrauen-Erotik, mit der der Markt geradegeflutet wird. Dann haben wir mit David PfeifersSchlag weiter, Herz einen Roman, der uns sprichwörtlichumgehauen hat. Ein kraftvoller deutscher Erzähler,den wir gern auf vielen Jahresbestenlisten sehenwürden. Neu bei <strong>Heyne</strong> <strong>Hardcore</strong> ist Irvine Welsh, jawollja, er ist da angelangt, wo er hingehört. Und erhat mit Skagboys seinen vielleicht besten Romanaller Zeiten im Gepäck. Und so könnte ich jetzt dasganze Programm durchgehen, zu jedem Titel gibt eseine oder mehrere Geschichten. Neben dem <strong>CORE</strong>-Magazin haben wir bei <strong>Hardcore</strong> weitereneue Aktivitäten, um das Labelvoranzubringen. Erstmals gibt es eineeigene Verlagsvorschau, auf die wirganz besonders stolz sind. Und dannhaben wir einen eigenen <strong>Hardcore</strong>-Facebook-Kanal gestartet, auf demallerhand amüsante, interessante undungewöhnliche Dinge zu finden sind.Wir würden uns freuen, wenn Sie malvorbeischauen und unser »Freund«werden.Markus Naegele / Programmleiter( … dem Hunter S. Thompson allzeitkritisch über die Schulter guckt)336 Seiten, Broschur8,99 € [D] / 9,30 € [A] / 13,50 CHF (UVP)ISBN 978-3-453-43640-4Aus dem Amerikanischen von Ulrich ThieleBereits erschienen© Noel BassWie sind Sie aufgewachsen?Ich wurde in Arizona geboren, doch zu meinen frühestenKindheitserinnerungen zählt ein vier Hektargroßes Waldstück, das meine Eltern in einer Kleinstadtin Texas besaßen. Übrigens wurde The TexasChainsaw Massacre gleich in der Nähe gedreht. Ich wargern im Wald und spielte oft allein dort. Es war friedlich,und ich konnte meiner Fantasie freien Lauf lassen.Als Teenager wohnte ich dann mit meiner Mutter,meinen beiden Schwestern und meinem Brudersüdlich von Los Angeles. Ich geriet auf die schiefeBahn, fuhr Skateboard, beging Ladendiebstähle undverwüstete gemeinsam mit meinen Freunden fremdeHäuser. Inzwischen bin ich über diese Phase (größtenteils)weg. Sobald ich erwachsen wurde, zog ichin die Innenstadt von Los Angeles, wo ich bis zumeinem zweiunddreißigsten Lebensjahr wohnte. Momentanlebe ich in Louisville in Kentucky (obwohlich diese Frage in einem Hotelzimmer in Paris beantworte).Gibt es eine Person, die Ihr Leben entscheidend geprägt hat?Vielleicht mein Vater, weil ich ihm sehr ähnlichbin. Er beging im Jahr 20<strong>04</strong> Selbstmord, was michtief erschütterte. Eine Zeit lang hatte ich Angst, dassmich dasselbe Schicksal ereilen würde. Zum Glückliegt der Selbstmord nicht in unseren Genen. Daherversuche ich, die guten Eigenschaften meines Vaterszu würdigen und die schlimmen zu vergessen.Welcher Ort auf der Welt fasziniert Sie am meisten?Ist das menschliche Herz ein Ort? Das finde ichnämlich faszinierender als jeden geographischenPunkt.Wovor haben Sie Angst?Vor dem Tod. Ich weiß, dass es eine Zeit gab, inder ich nicht existierte – eigentlich existiere ich erstseit dreiunddreißig Jahren und davor Jahrmilliardenlang nicht –, doch der Gedanke daran, in die Nichtexistenzzurückzukehren, schnürt mir die Kehle zusammen.Rein verstandesmäßig weiß ich, dass ichmeine Nichtexistenz überhaupt nicht mitbekommenwerde und deshalb auch keine Angst davor habenmüsste, aber es ist ziemlich schwer, sich das vorzustellen,nicht wahr? Man geht unwillkürlich davonaus, dass man dieses Nichts bewusst erleben wird. Ichzumindest.Was macht Sie glücklich?Vor zehn Tagen habe ich eine wunderschöne Fraunamens Jessica Alt geheiratet (deren Mutter übrigensaus Bremen stammt). Sie macht mich glücklich. Außerdemmag ich blöde Witze und Marx-Brothers-Filme.Können Sie sich einen Tag ohne Musik vorstellen?Solche Tage habe ich schon erlebt – obwohl ichimmer Musik im Kopf habe. Meine Angst wäre, einesMorgens aufzuwachen und festzustellen, dass dieMusik in meinem Kopf aufgehört hat.Welche Rolle in einem Kinofilm hätten Sie gern gespielt?Eine Rolle zu spielen liegt mir nicht so, aber manchmalfühle ich mich ein bisschen wie Jim CarreysFigur aus Vergiss mein nicht.Wenn Sie nur noch $10,– übrig hätten, wofür würden Siesie ausgeben?Whiskey.Gibt es Himmel und Hölle?Nur wenn wir sie uns selbst erschaffen.Was ist wichtig im Leben?Liebe, Ehrlichkeit und das Lachen.3www.ryandavidjahn.com


Mein Name ist Sasha Grey.Vielleicht kennen Sie mich aus Filmen wie Gang Bang My Face, Swallow My Childrenoder Blow Me Sandwich 11. Vielleicht haben Sie mich auch in Steven Soderberghs FilmThe Girlfriend Experience oder in dem Musikvideo gesehen, in dem ich Eminems Freundin spiele.Vielleicht haben Sie auch noch nie von mir gehört. Davon gehe ich einfach mal aus und fange ganzvon vorne an. Mein Name ist Sasha Grey, und ich war mal ein Pornostar.© privat6Shades of GreyMein Buch handelt von einer Frau, die ihre sexuellenFantasien nicht in dem Maße ausleben kann,in dem ich es tat, wie sie mit diesem Dilemma umgehtund wohin es sie führt. Ihr Name ist Catherine.Catherines Freund studiert Wirtschaft und arbeitetim Wahlkampfbüro eines dynamischen, jungen Kandidatenfür das Senatorenamt namens Bob DeVille.Eines Abends muss Jack länger arbeiten. Catherinebeschließt, mit ein paar Freundinnen in einen Clubzu gehen. Dort quatscht sie ein Typ an, doch anstattseine ganz offensichtliche, plumpe Anmache zu ignorieren,lässt sie sich darauf ein. Und schon bald läuftalles aus dem Ruder.Wenn ich Ihnen erzählen würde, dass es eine Geheimgesellschaftgibt, deren Mitglieder nur aus denmächtigsten Menschen der Welt besteht: Banker,Superreiche, Medienmoguln, Vorstandsvorsitzende,Anwälte, Richter, Waffenhändler, hochdekorierteMilitärs, Politiker, Regierungsbeamte, ja selbst prominenteVertreter der katholischen Kirche – würdenSie mir glauben?Und ich rede jetzt nicht von den Illuminaten. Oderder Bilderberg-Gruppe, den Treffen in BohemianGrove oder irgendwelchen klischeehaften Märchen,mit denen verlogene Verschwörungstheoretiker undIrre wie Alex Jones oder David Icke den Leuten dasGeld aus der Tasche ziehen.Nein. Dieser Club ist auf den ersten Blick viel unschuldigerund harmloser.Auf den ersten Blick.Aber nicht auf den zweiten.Henry Kissinger hat mal gesagt, dass Macht das ultimativeAphrodisiakum ist. Da hatte er schon langegenug an den Schaltstellen der Macht gesessen, umgenau zu wissen, wovon er sprach. Dieser Club istder Beweis.Man könnte ihn den Fortune 500-Fickerclub nennen.Die Liga der Unsterblichen Motherfucker.Den World Bang.Die Sexliga.Oder die Juliette Society.Die Juliette, nach der die Gesellschaft benannt wurde,ist eine von zwei fiktiven Schwestern (die andereheißt Justine), geboren (wenn man es denn so nennenwill) von Marquis de Sade, einem französischenAdeligen, der im 18. Jahrhundert lebte. Ein Freigeist,Schriftsteller und Revolutionär, dessen Bücher überseine sexuellen Abenteuer Kaiser Napoleon so sehrempörten, dass dieser ihn für seine Obszönitäten indie Bastille werfen ließ. Was im Nachhinein wohl einFehler war. Der Marquis saß in seiner Zelle und hatteden lieben langen Tag nichts anderes zu tun als sicheinen von der Palme zu schütteln. Da dachte er sichnatürlich nur noch mehr und gewaltigere Obszönitätenaus. Schon aus Prinzip. Während seiner Haftschrieb er den wichtigsten erotischen Roman derWelt: Die 120 Tage von Sodom. Das einzige Buch, das dieBibel in puncto sexueller Perversion und Gewalt nochübertrifft, wobei es nur unwesentlich kürzer ist.Juliette ist die unbekanntere der beiden Schwestern.Nicht, weil sie die Ruhigere ist, ganz im Gegenteil.Juliette lebt schamlos ihre Lust am Sex und am Tötenaus, und es gibt keinen fleischlichen Genuss, der ihrfremd ist. Sie fickt und tötet und fickt, und manchmaltut sie beides gleichzeitig. Und kommt immerungeschoren davon, muss niemals den Preis für ihreLaster und Verbrechen bezahlen.Sie verstehen, worauf ich hinauswill. Und jetzt kapierenSie auch, warum diese Geheimgesellschaft,die Juliette Society, nicht ganz so unschuldig ist, wiees den Anschein hat.320 Seiten, Hardcover19,99 € [D] / 20,60 € [A] / 28,50 CHF (UVP)ISBN 978-3-453-26886-9Aus dem Amerikanischen von Carolin MüllerOktober 2013»Ich verlasse das Badezimmer und trete in den schummrigenKorridor, der in den Club führt. Er wartet dort auf michin einer dunklen Nische.Erst sehe ich ihn gar nicht, doch als ich an ihm vorbeigehe,streckt er die Hand aus und packt meinen Unterarm.Er zieht mich zu sich. Ich lasse es geschehen.Er dreht mich herum, sodass ich mit dem Rücken zurWand stehe.Seine Hände liegen auf meiner Hüfte, umklammern mich.Er drückt seinen Unterleib gegen meinen.Er küsst mich sanft auf die Lippen. Seine Hände gleitenüber meinen Körper, über meinen Rücken und auf meineSchultern.Er beugt sich vor, und irgendwie entdeckt er diesen magischenPunkt auf meinem Hals zwischen dem Schlüsselbeinund meinem Ohr, eine erogene Zone, die mich willenlosmacht. Es fühlt sich so gut an. Kurz bevor das Dopaminmein Hirn erreicht, halte ich inne und denke: Wie hat er dasgeschafft?Er vergräbt die Nase hinter meinem Ohr und inhaliertmeinen Duft. Er drückt seine weichen, feuchten Lippen aufmeinen Hals, seine Zunge beschreibt suchende Kreise, gleitetdann langsam die Kurve zu meinem Ohr hinauf, dringtin die Ohrmuschel und zieht eine dünne Spur Speichel hintersich her. Er knabbert an meinem Ohrläppchen, beißt geradeso fest hinein, dass ich seine scharfen Zähne spüren kann.Ich stöhne auf. Das gefällt dir, flüstert er mir ins Ohr. Es isteher eine Feststellung als eine Frage, weil er genau weiß, waser tut, wohin er mich führt. Und wie er meinen Widerstandnach und nach zum Schmelzen bringt.«Ich bin jetzt vierundzwanzig. Ich habe mit einundzwanzigaufgehört – nach drei Jahren an der Spitzeder Branche. Nachdem ich in Hunderten von Pornofilmenmitgespielt habe, kann ich jetzt mit meinemBuch Die Juliette Society zum ersten Mal meine eigeneWelt, meine eigenen Figuren und meine eigeneGeschichte erschaffen. Und auch meiner eigenenVersion von Sex und Sexualität Ausdruck verleihen.Es soll ein Buch werden, das Sie beim Lesen anmacht –und mich beim Schreiben.7Aus dem Amerikanischen von Kristof Kurz


Sparring mitDavid PfeiferDass Boxen mehr ist als sich gegenseitig dieFresse einzuschlagen, das weiß man irgendwie.Dass sich hinter den Boxern oft unglaubliche Lebensgeschichtenund Schicksale verbergen, daskennt man aus Kinofilmen. Dass Boxen aber nochsehr viel mehr sein kann, das beweist der JournalistDavid Pfeifer mit seinem Roman Schlag weiter,Herz, einer knallharten Liebesgeschichte, die imBoxmilieu spielt. Hier gibt er schon einmal ersteEinblicke in eine – für viele – fremde WeltBoxen ist eine Weltsprache ohne Worte. JederBoxer weiß, dass drei Minuten Sparring drei StundenGespräch ersetzen. Wenn man sich schlägt, erkenntman sich. Ob einer mutig, ängstlich, fair oder link ist,stolz, lustig, eitel oder verwegen, zeigt sich im Ring.Man verständigt und begreift sich, ohne einen Satzgesagt zu haben. Waldimir Klitschko, einer der wenigenBoxer, die ihren Beruf gut erklären können,drückt es so aus: »Boxen ist so alt wie die Philosophieund im Grunde hat es sich nicht verändert seit demalten Griechenland – ein Boxer kann sich nirgendwoverstecken. Er ist nackt. Die zwei Boxer sind Partner,keine Gegner. Sie führen eine uralte Konversation,und wer am Ende die schlagenderen Argumente hat,hatte recht.«Dabei ist es egal, ob man seine Argumente in RafaelTrejos Boxschule austauscht, die sich in HavannasAltstadt zwischen zwei verwitterte Häuser und Tribünenquetscht. Oder im »Wild Card Boxing Club«, denMickey Rourke sich in einem Hinterhof in Los Angeleseinrichtete, als er lieber Profi-Boxer statt Schauspielersein wollte, und den er dann an Freddie Roachverschenkte, der dort nun den Box-Superstar MannyPacquaio trainiert. Auch beim Post SV in Berlin-Mitte, dessen Box-Abteilung den Fall der Mauer überlebte,die Wiedervereinigung und die Gentrifizierungdes Viertels – überall baumeln Säcke, sirren dieSpringseile, hauen sich Männer und manchmal auchFrauen, um sich näher kennenzulernen.8 9Ob man das westliche Boxen in seiner heutigenForm nun auf die Griechen oder die Engländer zurückführt– auf jeden Fall wurde es in Deutschland352 Seiten, Hardcover19,99 € [D] / 20,60 € [A] / 28,50 CHF (UVP)ISBN 978-3-453-26885-2September 2013erst 1918 erlaubt, nach dem Ende des Ersten Weltkriegsund des Kaisers, der Boxen als barbarisch angesehenhatte. Die ersten deutschen Meister lerntendie Kampfkunst als Kriegsgefangene von den Engländern.Auch eine Form des Kulturaustausches. Bereitsin den 1920er-Jahren gab es in Berlin ein Kunstmagazinnamens Querschnitt, herausgegeben von AlfredFlechtheim, einem jüdischen Galleristen, den dieNazis später vertrieben. Der Querschnitt positioniertesich laut Untertitel als »Magazin für Kunst, Literaturund Boxsport«. Im Querschnitt stand zu lesen, das Magazin»hält es für seine Pflicht, den Boxsport auch inden deutschen Künstlerkreisen populär zu machen.In Paris sind Braque, Derain, Dufy, Matisse, Picasso,de Vlaminck begeisterte Anhänger und Rodin fehltbei kaum einem Kampf.« Flechtheim hatte sich inseiner Galerie-Wohnung einen Boxring aufbauen lassen,Bertholt Brecht war häufig in der Redaktion zu© Erik WeissGast und brachte Paul Samson-Körner mit, den deutschenSchwergewichtsmeister. Was die beiden sichzu erzählen hatten? Um Politik und Gesellschaft wirdes nicht gegangen sein – während Brecht später vorden Nazis floh, stellte Samson-Körner einen Aufnahmeantragbei der SA.Vielleicht gibt es eine tiefere Gemeinsamkeit zwischenBoxern und Künstlern, einen inneren Wahnsinn,der Verbündete sucht. Boxer und Künstler sindaufsich gestellt, arbeiten sich ab an einer Sache,deren Sinn nur sie allein erkennen, bis sie es zu einerPerfektion gebracht haben, für die andere Menschenzu zahlen bereit sind. Nur wenige schaffen es so weit.Dann stehen sie plötzlich unter Beobachtung, sehensich einem Hagel ungebetener Ratschläge ausgesetztund agieren weiter mit dem Selbstverständnis derer,die stets an sich geglaubt haben, gegen jede Logik.Denn bis sie dahin gekommen sind, mussten sie sichso quälend lange die immer selben Handlungen einimpfen,immer und immer wieder üben, sich prüfen,wiederholen, bis jeder Handgriff saß. Aus Gedankensind dann Reflexe geworden. Die Handlungen sindins Vegetative übergegangen, der Kopf wird nichtmehr gebraucht, um zu handeln, sondern kann freigestalten. Im besten Fall Außergewöhnliches schaffen.Der leidvolle Weg, der zum Boxen wie zur Kunstgehört, macht beide Disziplinen so wertvoll. Es setzteine sonderbare Mischung aus Demut und Größenwahnvoraus, so lange immer weiter zu gehen und ansich zu glauben, bis man es zur Meisterschaft bringt.Es gehört praktisch ins Portfolio von Oscar-Gewinnern,einen Boxer zu spielen (Robert De Niro, ChristianBale, Daniel Day-Lewis, Denzel Washington, HilarySwank usw.), weil sich im Boxring eben die großenDramen abbilden lassen – nicht nur im Film. GeorgGrosz malte Max Schmeling, Muhammad Ali undMike Tyson waren Betrachtungsgegenstand zahlloserBilder, Filme, Dokumentationen und Fotos, erwähntsei hier das »Sportfoto des Jahrtausends«, die Muhammed-Ali-Studievon Neil Leifer. Simon & Garfunkelhuldigten 1969 dem einfachen »Boxer« und ReverendAnd The Makers sangen 2007:I could‘ve been a contenderI could‘ve been a someoneCaught up in the rat raceAnd feeling like a no-oneCould‘ve been me in the papersWith the money and the girlsI could‘ve been the HeavyweightChampion of the WorldSo wie Zerrissenheit, das Leiden an sich selbstund Scheitern zur Künstler-Folklore gehören, prägendiese existentialistischen Pfeiler auch die Biografiedes Boxers. Es geht eine besondere Strahlkraft vonder Idee aus, sein Leben einer Sache zu verschreiben,die nur wenig Chancen auf Erfolg verspricht. Werboxt, mag größenwahnsinnig sein, doch wer nichtboxt, sehnt sich nach der Außerordentlichkeit, dievielleicht möglich wäre, würde man sich nur trauen.Die polnische Lyrikern und NobelpreisträgerinWislawa Szymborska erfasste diese Sehnsucht ineinem Gedicht:Muse, Kein Boxer zu sein, bedeutet gar nicht zu sein.Das brüllende Publikum hast du uns nicht gegönnt.Wer schreibt, will gelesen werden, wer boxt, will gesehenwerden. Boxkämpfe sind ein voyeuristischer Exzess.Noch heute, selbst in der tausendsten Wiederholung,läuft einem ein Schauer über den Rücken,wenn man sieht, wie Muhammad Ali und Joe Fraziersich 1975 in Manila bekämpften. Ein Ereignis wie eineMondlandung, aber mit dem Grusel des Gewaltaktes.Vielleicht fand der zarte Bertolt Brecht in Samson-Körnereine körperliche Entsprechung seiner Ausdruckshärte.Das würde auch erklären, warum der ebenfallsschmächtige Wolf Wondratschek sich Jahrzehnte späterin vielen Geschichten Im Dickicht der Fäuste mit Boxernbefasste. In diesem Sinn befindet sich ErnestHemingway durchaus in einer Linie mit Sylvester Stallone,der Rocky ja nicht nur gespielt, sondern ebenauch geschrieben hat. Schreiber kennen die Frustrationdes einsamen Schaffens, des elenden Sich-Abarbeitensan den immer gleichen Übungen. Sie spürendie Verbindung zum Boxen und suchen naturgemäßnach Worten dafür. Und was haben die Boxer umgekehrtdavon? Im besten Fall einen Ausdruck für das,was sie sonst nur fühlen. Worte, um das Glück zu beschreiben,das darin liegt, etwas so dämliches zu tun,wie sich freiwillig zu schlagen.


Dies ist die Geschichte des Serientäters ThomasQuick. Im Laufe von fast dreißig Jahren wird er runddreißig Menschen umbringen: Frauen, Männer, Halbwüchsige,Kinder. Im Alter von nur vierzehn Jahrentötet er das erste Mal, und seine Art zu töten gibt dasMuster vor für alle Morde, die folgen sollen. Es handeltsich um bestialische Sexualdelikte. Er vergewaltigt,quält, tötet und zerteilt seine Opfer. Er trinktihr Blut und verspeist Teile von ihnen. Wie Trophäennimmt er Körperteile an sich, um seine Fantasienzu befriedigen, bis er das nächste Opfer findet, undschließlich entledigt er sich der Überbleibsel, indemer sie zerhackt, vergräbt oder einfach ins Gebüschwirft.Mit gewöhnlichem kriminologischen Maß gemessen,ist Thomas Quick bezüglich der Bestialität undder Anzahl seiner Opfer kein durchschnittlicherSerientäter. In der gesamten Kriminalgeschichte derwestlichen Welt steht er ziemlich weit oben auf derListe ebenjener Täter, und was einige der Grausamkeitenbetrifft, die auf sein Konto gehen, ist er sogareinzigartig.Das Problem besteht jedoch vielmehr in dem Bildvon ihm, das in unseren Medien und in unseren Köpfenfünfzehn Jahre lang herumspuken soll: Dennnichts davon ist wahr. Alles war nur erfunden. ThomasQuick hat kein einziges seiner angeblichen Opferjemals getroffen, geschweige denn umgebracht. Derkorrekt, bisweilen ein leichtes Lächeln auf den Lippen,der für das Fernsehen drei Sendungen über unserenlandeseigenen Serienmörder gemacht und ihnin letzter Sekunde auch noch dazu bewegt hat, zuzugeben,dass er leider alles erfunden hat. Und sogarauch dazu, uns zu erklären, warum er das getan undwer ihn dazu gebracht hat.Wenn es Hannes Råstam nicht gegeben hätte, würdenviele mit nichts als ihren Zweifeln weiterlebenund sich damit trösten, während die meisten vonuns das Problem vermutlich lösen würden, indem sienicht mehr daran denken.Dass Hannes Råstam auch ein Stück schwedischeRechtsgeschichte geschrieben hat auf seinem Wegzur Wahrheit über Thomas Quick, traue ich michkaum zu sagen, ganz einfach deswegen, weil damitselten sonderlich große Lesefreude einhergeht. Indiesem Fall ist das umgekehrt. Råstams Buch istgut geschrieben und gut erzählt. Er schildert darineinen schwedischen Rechtsapparat, der von einermoralischen, juristischen und intellektuellen Kernschmelzeerfasst worden ist, und ein schwedischespsychiatrisches Gesundheitswesen, das Assoziationenweckt mit Ähnlichem in der frühen Sowjetunion,von dem wir bisher dachten, es geistere nurin Berichten herum. Und wenn wir doch einmal darüberlasen, so hatte das keinesfalls mit uns zu tun.Summa summarum: Wir haben ein Buch vor uns,Die wahreGeschichteDer Fall Thomas Quick hat nicht nurin Schweden hohe Wellen geschlagen,weltweit erhitzt dieser unfassbareJustizskandal die Gemüter. Inden Jahren zwischen 1992 und 2001gestand Thomas Quick dreißig Mordeund wurde für acht davon verurteilt.Im Zuge jahrelanger Ermittlungen kamder bekannte EnthüllungsjournalistHannes Råstam zu dem Schluss – undkonnte dies auch beweisen –, dassThomas Quick unschuldig ist.eines unfassbarenVerbrechens10 Serientäter Thomas Quick ist ein Fantasiegeschöpf, in dem berichtet wird, wie schwedische Polizeibe-11das dem Bösen ein Gesicht gegeben hat, und das in amte, Staatsanwälte, Anwälte und Richter – mit geneigtererster Linie von anderen und nicht von ihm selbst geschaffenUnterstützung diverser Ärzte, Psychologen,wurde.eines sogenannten Experten der GedächtnisfunktionNun hat Hannes Råstam die wahre Geschichte und viel zu vielen Journalisten und Gesichtern auserzählt. Die von Sture Bergwall, geboren 1950 in dem Kulturbereich – aus einem psychisch krankenKorsnäs bei Falun, der seit früher Kindheit massivMythomanen den schlimmsten Serienmörder deran physischen und psychischen Krankheiten litt, Kriminalgeschichte machten. Das ist furchtbar, dassein halbes Leben lang in der Psychiatrie behandeltist die Wahrheit, und das ist vollkommen phänome-wurde und seit früher Jugend schwer alkohol-, naler Lesestoff.drogen- und tablettenabhängig war. Råstam erzählt,wie die schwedische Justiz in Zusammenarbeit mit Leif GW Perssonder Psychiatrie aus einem psychisch schwer kranken (Professor der Kriminologie und einer derDrogenabhängigen und Mythomanen einen Serienmördererfolgreichsten schwedischen Krimiautoren)machen konnte.Ausnahmsweise ist es auch einfach einmal so, dassRåstam nicht nur ein Buch über das geschrieben hat,was wirklich passiert ist, sondern auch derjenige war,der dafür gesorgt hat, dass die Wahrheit ans Licht gekommenist.Zweifler und Skeptiker hat es sicherlich immergegeben, seit der Serienmörder Thomas Quick Anfangder Neunzigerjahre ungehindert in unseren480 Seiten, BroschurKöpfen sein Unwesen trieb. Rein zeitlich betrachtet,17,99 € [D] / 18,50 € [A] / 25,90 CHF (UVP)ist Hannes Råstam erst spät aufgetaucht. Ein hochgewachsener,ISBN 978-3-453-26881-4schlanker Journalist, nie laut und stets Aus dem Schwedischen von Nike Karen Müller / August2013


Vietnam NowMatterhornvon Karl Marlantes© Devon MarlantesÜber 30 Jahre lang hat der VietnamveteranKarl Marlantes an seinem OpusMagnum Matterhorn geschrieben unddamit eine monolithische Aufarbeitungdes Vietnamkriegs geschaffen – zugleichein aufwühlendes und berührendes Abenteuerepos.Basierend auf seinen eigenenErlebnissen erzählt er die Geschichtevon Lieutenant Waino Mellas, der mitseinem Bataillon an der nordvietnamesischenGrenze einen strategisch wichtigenKampfstützpunkt errichten soll. DenHügel, der dafür ausgewählt worden ist,taufen die Soldaten »Matterhorn«. Marlantes’gewaltiger Roman, der wie ein Filmvor dem inneren Auge des Lesers abläuft,Krieg und Schönheit können dicht beieinander liegen– diese verstörende ästhetische Perspektive istdie Grundlage für Francis Ford Coppolas ApocalypseNow (1979). Basierend auf Motiven von Joseph ConradsNovelle Heart of Darkness (erstmals 1899 veröffentlicht)erzählt der Film die Odyssee von CaptainWillard (Martin Sheen), der in den Kriegsherd geschicktwird, um den offensichtlich größenwahnsinniggewordenen Colonel Kurtz (Marlon Brando) auszuschalten.Es beginnt eine Reise nicht nur in denWahnsinn des Dschungelkriegs, sondern zugleich indie Psyche der Protagonisten. Coppola erzählt seineGeschichte in rauschhaften, visionären Bildern vonbetörender Farbenpracht. Nicht von ungefähr gemahnenTeile des Films an einen LSD-Trip: Drogenkonsumund Rockmusik waren Begleiter, mit denendie Soldaten ihre Angst bekämpften. Apocalypse NowFast eine Dekade später meldet sich der Vietnam-Veteran Oliver Stone zu Wort und legt mit Platoon(1986) einen Kassenschlager vor, der weniger durchseine konventionelle Dramaturgie als durch die prägnanteKameraführung sowie die überragende Präsenzvon Willem Dafoe und Tom Berenger lebt, beideIkonen des Actionkinos der achtziger Jahre, die indiesem Film über sich selbst hinauswachsen undzwei fast messianische Figuren verkörpern.Einen ganz anderen Zugang zum Thema findetBarry Levinson mit Good Morning Vietnam (1987), indem Robin Williams einen Radiocomedian spielt, derdie Soldaten an der Front mit seinen Gags vom ständigpräsenten Tod ablenken soll. Obwohl dies ein ganzanderer Film ist, schließt Good Morning Vietnam in gewisserWeise an Apocalypse Now an, da Levinson miteiner mitunter sehr nihilistischen Komik spielt, den12ist uns Anlass, einen Blick auf diebasiert auf einem Drehbuch des als militaristisch geltendenAnspruch des reinen Anti-Kriegsfilms also ähnlich 13interessantesten Vietnamfilme zu werfen.New-Hollywood-Regisseurs John Milius, der wie Milius und Coppola bricht.gerade dadurch, dass er nicht nur die Gräuel, sondernMit Matterhorn liegt jetzt eine literarische Visionauch die Faszination des Krieges thematisiert, des Vietnamkriegs vor, die ihre Faszination aus dereinen einmaligen Zugriff auf das Thema findet. Die Authentizität, dem unglaublichen Detailreichtumletzten gehauchten Worte von Colonel Kurtz, mit zieht und damit die Geschichte der amerikanischendenen der Film endet, bleiben unvergessen: »The Vietnamaufarbeitung fortführt. Wer sich zutraut,Horror – The Horror«.Matterhorn zu verfilmen, ist noch nicht bekannt –Klassischer und deutlicher als Anti-Kriegsfilm angelegtfest steht aber, dass dies der Stoff für den nächstenist Die durch die Hölle gehen (The Deer Hunter, großen Vietnamfilm ist.1978) des ebenso wie Coppola hochexzentrischenMichael Cimino. Der eigentliche Vietnamkrieg nimmt Tim Müllernur den Mittelteil des Films ein und wird von denberührenden Schicksalen der Hauptfiguren eingefasst.Bemerkenswert ist, dass Cimino die Arbeiterklassein den Mittelpunkt rückt: Seine Helden sindBerg- und Minenarbeiter, die in einer kargen Industriestadtversuchen, das Beste aus ihrem Leben zumachen – bevor der Krieg sie alle auf unterschiedlicheWeise zerstört. Die durch die Hölle gehen ist wohlder konsequenteste und erschütterndste Abgesangauf Amerikas Traum von Freiheit und Menschlichkeit.688 Seiten, KlappenbroschurObwohl alle Darsteller Meisterleistungen ablie-12,99 € [D] /13,40 € [A] / 18,90 CHFfern, ist vor allem Christopher Walken hervorzuheben,ISBN 978-3-453-67657-2der hier in der Form seines Lebens ist und dafür Aus dem Amerikanischen von Nikolaus Stinglzurecht mit einem Oscar ausgezeichnet wurde.Oktober 2013


© Markus NaegeleWenn unsere liebste Erotikautorin in die Tasten haut, dann werden wir schon ganz weich in denKnien. Bei ihr gibt es keine falsche Zurückhaltung, da wird ausgesprochen, was Sache ist. Die Dingewerden beim Namen genannt. Wo andere sich in blumigen Beschreibungen winden, kommt Sophiedirekt auf den Punkt. Doch auch sie musste erst einmal lernen, wie das denn alles so geht mit demSexus. Hier erzählt sie uns, wie es bei ihr mit der Aufklärung ablief.16 17Von Schaumkronenund Gummitierenvon Sophie AndreskyIch weiß noch, wie meine Mutter mich aufgeklärthat. Ich war vier, und meine Eltern hatten den Schmuder Fünfzigerjahre, das Getuschel und Gemauschelsatt und wollten progressiv und sachlich sein. Sie liefennach dem Duschen nackig durchs Haus und sagtenSachen wie »Geschlechtsverkehr« und »Glied einführen«.Dabei zuckt mein Uterus heute noch vorUnbehagen zusammen. Meine Mutter hatte superpädagogischesMaterial besorgt, in dem man auf Comicbildchenvon nackten Kindern sehen konnte, wieJungs und Mädels so gebaut sind untenrum. Währendich mich vor Peinlichkeit wand, fragte sie michimmer wieder: »Hast du es jetzt verstanden? Worinunterscheiden sich Mädchen und Jungen?« Und ichsagte jedesmal wieder »an der Frisur«, denn das Mädchenauf der Zeichnung hatte Zöpfe und der Jungenicht. Mir war es einfach zu unangenehm. Abendshörte ich dann, wie meine Eltern beschlossen: »Sie isteinfach noch nicht so weit.« Von Liebe wurde in unseremkreuzkatholischen Haushalt auch sehr oft geredet.Von Lust nie.Dunkle Ecken gab es in meiner Kindheit natürlichauch. In einer saß der ältere Nachbarsjungeund wollte mir seinen Schniepel zeigen, was nichtklappte, weil er wegen einer behinderten Hand seineHose nicht selbst öffnen konnte und ihm auch immerjemand beim Pinkeln helfen musste. In einer anderensaß eine jüngere Freundin, die ich küssen wollte,woraufhin ich unglaublichen Ärger mit ihrer Mutterbekam, die mich sogar später als Erwachsene nie wiedergegrüßt hat.Zu meinem zwölften Geburtstag schenkte mir jemandein Sternzeichenbuch für Kinder, in dem eshieß: »Als Zwilling ist dein Sexualtrieb besondersstark. Unterdrücke ihn, so lange du kannst.« Ichhoffe, dieses Buch wurde mittlerweile als »für Jugendlichedesorientierend« aus dem Handel genommen.Andere Kinder verfügen ja bereits früh über einbeeindruckendes Fachwissen. Der kleine Sohn einerFreundin (er ist gerade mal zehn) fragte mich neulichnach meiner letzten Periode – weil er dann meinenEisprung ausrechnen könne. Ich wollte ihn nichtverwirren mit dem Hinweis, dass ich mir das allmonatlicheGeblute schon lange spare und stattdessendie Pille durchnehme. Ich vermute allerdings, dasser sich die Vorgänge in meinen Innereien sowiesovorgestellt hat wie einen Flipperautomaten, in demdie Eier mit Affengeschwindigkeit an den Organenvorbeischießen. So eine Art »Krieg der Sterne« imFrauentorso.Kinder haben ja nicht nur eine eigene Kinder-Sexualität,sondern auch eine Intimsphäre. Hallo Mom, ichhabe es z.B. immer gehasst, wenn du mir unters Kleidgegriffen hast, um die Strumpfhose zurechtzuziehen,während der blöde Patrick von nebenan zusah, mitdem ich in den Kindergarten gehen musste, obwohler mich regelmäßig zum Weinen brachte, indem erandrohte, er werde nachts in unseren Garten steigenund alle Bäume absägen. Als ich meinen Eltern endlichdavon erzählte, musste Patrick sich bei mir entschuldigen,was schon demütigend genug für ihn gewesenwäre, aber er saß zu diesem Zeitpunkt auchnoch im samstäglichen Wannenbad und hatte einenSchaumhut auf dem Kopf. Seitdem erscheinen mirfurchterregende Menschen weniger beängstigend,wenn ich sie mir planschend mit Quietscheentchenvorstelle.Visionen von Schaumkronen und Gummitierennutze ich übrigens auch gern, wenn mir beim Gelecktwerdender Orgasmus zu früh kommt – aber das istein anderes Thema.128 Seiten, Klappenbroschur€ 7,99 [D] / € 8,30 [A] / CHF 11,90 (UVP)ISBN 978-3-453-67639-8Oktober 2013


Stell dir vor, du bist in Las Vegas. Neonlichter, Sterne am Himmel, ein atemberaubendesWüstenpanorama. Das Problem ist nur, dass du von einem Balkonhoch oben über der Wüstenstadt hängst, gehalten von einem unberechenbarenMuskelprotz. Ja, du steckst in der Scheiße – und zwar richtig! Du hast dich mitden falschen Leuten eingelassen und Schulden gemacht. Doch zu Hause hastdu zum Glück noch eine eiserne Geldreserve. Leider stellst du dann fest, dassjemand den Safe geöffnet hat; du findest nichts mehr außer einer CD mit Blues-Songs. Aber die Songs sind eine Botschaft, die den Weg zu deinem Geld weist.Wären da nur nicht die verdammten Killer, die dir auf den Fersen sind …Unsere Neuentdeckung Eyre Price, der Meister des treffsicheren Dialogs undtiefschwarzen Humors, weiß, wovon er schreibt. Vor der Niederschrift vonRoadkill hat er sich zusammen mit seinem Sohn auf die Spuren des Bluesbegeben. Lassen wir ihn selbst zu Worte kommen.DerBluesHighwayBlues© Julie Meyers© Markus Naegele18Am besten stellt man sich den Highway 61 – denBlues Highway – als Asphaltschatten des Mississippivor. Beide entspringen in Minnesota und teilen dieUSA in der Mitte, winden sich mehr oder wenigerparallel über den Bauch der Nation bis ganz runternach New Orleans.Im letzten Frühjahr habe ich diese Straße mitmeinem achtjährigen Sohn bereist. Wir fuhrendurchs Mississippi-Delta, liefen über die Felder, aufdenen Charlie Patton und Son House unter der erbarmungslosenSonne schuften mussten, und wirsaßen auf der Veranda der Dockery Plantation, wosie vielleicht abends mit ihren Gitarren saßen unddie Architektur des Blues entwarfen. Ich stand ander Kreuzung, an der Robert Johnson angeblichseine Seele gegen übermenschliche Gitarrenkünsteeingetauscht hat. Da stand ich im Dreck, und der laueWind strich durch das Gras. Und ich hörte Stimmen.Wir liefen durch die Straßen von New Orleans, wosich einst der Blues mit dem Boogie Woogie des Jazzvermählte – mit Professor Longhair als Zeremonienmeister.Wir liefen durch Straßen, in denen seinerhythmische Melodie noch heute widerhallt. Undich hörte Stimmen.Wir machten Ausflüge: In Nashville lief ich durchdie kleine Gasse zwischen dem Ryman (der altenHeimat der Grand Ol’ Opry) und der weltberühmten»Tootsie’s Orchid Lounge«, auf Hank Williams’Spuren. In Memphis besuchten wir die Stax Studios,die Sun Studios und Graceland. In Chicago natürlichChess Records, wo Howlin’ Wolf und MuddyWaters, Etta James und Willie Dixon, Elmore Jamesund Chuck Berry Hof hielten.Wir reisten quer durch Amerika. Und überall, wowir waren … hörte ich Stimmen.Als wir schließlich wieder zu Hause waren undich mich ans Schreiben machte, waren die Stimmenimmer noch da und flüsterten mir ins Ohr.Ihr Geist findet sich auf diesen Seiten wieder. MeinName mag auf dem Umschlag stehen, aber eigentlichist es nicht allein mein Buch. Es ist das Produktzahlreicher Stimmen, die mir etwas eingeflüsterthaben. Ich hoffe, Sie haben Ihren Spaß beim Lesenvon Roadkill – und ich hoffe, dass auch Sie die Stimmenhören.Eyre Price(Aus dem Amerikanischenvon Kristof Kurz)480 Seiten, Paperback€ 12,99 [D] / € 13,40 [A] / CHF 18,90 (UVP)ISBN 978-3-453-67659-6Aus dem Amerikanischen von Jörn IngwersenFebruar 2014www.eyreprice.net19


KollateraleAmokläufeBerlin, das ist die Welt im deutschenReagenzglas, und dieStadt, die Helmut Kuhn in seinemgroßen GesellschaftsromanGehwegschäden beschreibt,das Berlin des Jetzt undHeute, ist längst nicht jener OrtMann ersticht Job-Center-Frau. Vater exekutiert Familie.Rentner schläfert sich mit Hund ein.Wer in den Brutstätten des Raubritterkapitalismusgroß geworden ist, in einem Geisterquartiervon Detroit oder einem chinesischen Viertel in KualaLumpur, kennt es nicht anders. Wir aber erschreckenüber solche Meldungen. Wir in Vilshofen, Fulda oderBerlin, die wir das Pech hatten, in die soziale Marktwirtschaftder siebziger Jahre hineingeboren wordenzu sein.Lange hatten wir gehofft, das möge ein Vorteil sein.Jetzt erweist sich unsere gute Stube als menschlicherMakel wie wettbewerbsschädlicher Nachteil. Mitchristlichen Altlasten wie der Bergpredigt behaftetsind wir den neuen Herausforderungen des globalenMarktes nicht gewachsen. Unterm Strich zähl ich – lehrtdagegen der Slogan eines deutschen Geldinstitutes.Aber wir zweifeln noch. Wir verzweifeln sogar,daran, dass uns die Errungenschaften zweitausendjährigerKulturgeschichte abhandenkommen. Leise,langsam, Zahn um Zahn. Wir beginnen zu begreifen:Die einzige Errungenschaft, die bleiben wird,ist nicht die Festschreibung von Menschenrechten,nicht das Recht auf Streik, die Freiheit des Individuumsoder die Einführung der Sozialversicherung; esist die Sicherheit von Eigentum, der ungehinderteGenuss von Besitz.Das ist an sich nichts Schlechtes. Und genau genommenmachen wir bei dem Deal nicht mal wirklichMiese. Wir fallen lediglich auf den Stand derDinge der industriellen Revolution zurück. Es warnur eine Frage der Zeit, bis es die Insel der Überheblichenerreicht, Europa. Vielleicht liegt darin sogar einepoetische Gerechtigkeit. Trotzdem fürchten wir unsoder werden plötzlich zornig.Ist Hoffnung, Verzweiflung, Furcht, Überheblichkeit undZorn gleich Wut?In Strausberg bei Berlin hat man sich dazu Gedankengemacht. Unter dem Titel »Streitkräfte, Fähigkeitenund Technologien im 21. Jahrhundert – Umweltdimensionenvon Sicherheit, Teilstudie 1: Peak Oil,Sicherheitspolitische Implikationen knapper Ressourcen«hat das Dezernat Zukunftsanalyse des Zentrumsfür Transformation der Bundeswehr im Juli2010 den Teufel an die Wand gemalt. Es ist natürlichein Endzeit-Szenario, das niemals eintreffen wird:Irgendwann in der postfossilen Gesellschaft, prognostiziertder Think-Tank, werde der »Peak Oil«erreicht – der Tag, an dem die Tanke leer ist. In derFolge könne es zu sozialen Unruhen kommen, wassicherheitspolitische Auswirkungen habe, natürlichin Afrika, Russland oder anderswo.Zwischen den Zeilen aber mag man lesen: Irgendwannin der postsozialen Gesellschaft könnte auchder Peak Human Resource erreicht sein, der Moment,in dem es hier ungemütlich wird. Wer will, mag dieStudie als Botschaft verstehen: Liebe Nomenklatura,ihr werdet uns noch brauchen! Lasst die Personalständeder Bundeswehr nicht zu sehr ausdünnen,denn die Tage der Aufstände werden noch kommen.Ob Öl, ob Gas oder Mensch, ganz gleich. Ihr wisstdas. Dann wird das Heer wieder nach innen wirkenmüssen anstatt in der Ferne, und darüber werdet ihrnoch froh sein. Es ist eine Warnung. Ein Fanal der Generälean die ausgebüchsten Stände Volksvertretungund Hochfinanz: Wir seien, gewährt uns die Bitte, inEurem Bunde wieder der Dritte.Denn die Tage des Zorns nahen. Bereits gehabt inSpanien, Italien, Portugal, Belgien, Frankreich, Griechenland.Die ersten länderübergreifenden Streiks.Der ganz normale Grundhass steigt. Jeder spürt dasein bisschen. Die ersten drehen schon durch. Mannersticht Job-Center-Frau. Vater exekutiert Kinder. Dashäuft sich. Einzelne, kollaterale Amokläufe, völliggesunde darwinistische Reaktionen. Peanuts, verglichenmit der Leidensfähigkeit des russischen Volkes.Es knirscht im Gebälk, aber es kracht nicht. DieWut steht noch aus. Mein persönlicher Tagestipp: InvestierenSie in Jack-Wolfskin-Aktien, sobald das Unternehmenan die Börse geht. Warme Anoraks. Wirkriegen eine Eiszeit. Mahlzeit und Tschüß.20 21der unbegrenzten Möglichkeiten,für den es aus der Ferne gerngehalten wird. Es schwelt, esbrodelt. Immerhin ist es bislangnicht übergekocht. Wohl aberverdichten sich die Anzeichen,dass es bald so weit sein könnte.Und Helmut Kuhn hat eineVermutung, warum das so ist.Helmut Kuhn448 Seiten, Broschur€ 9,99 [D] / € 10,30 [A] / CHF 14,90 (UVP)ISBN 978-3-453-67664-0Dezember 2013© Laura Claudio Jay Sforza


jetzt erst recht!Die BibelJames Frey gilt als Stern einer neuen Generationamerikanischer Schriftsteller, die sich denSchattenseiten unserer Gesellschaft widmen.Sein neues Buch Das letzte Testament derHeiligen Schrift verbindet die ironische Schärfeeines Bret Easton Ellis mit der Stimmung vonJim Jarmusch-Filmen. Doch wer ist James Freywirklich? Ist hier ein anarchistischer Atheistoder ein tiefgläubiger Mensch am Werke? Oderkeines von beiden? James Frey klärt auf.Ich glaube, dass die ersten beiden Teile der HeiligenSchrift, das Alte und das Neue Testament, eine Mischungaus Fakten und Fiktion sind. Sie sind gleichermaßenMythologie und Realität und handeln vomLeben, wie es ist und wie es sein sollte. Ich glaube,dass die Verfasser dieser Bücher unzuverlässige Erzählersind – genau wie die Autoren der Evangelien.Ich glaube, dass die ersten beiden Teile der Bibel vonLeuten wie mir geschrieben wurden: von Geschichtenerzählern,die durch ihre Arbeit die Welt erklärenund ein moralisches Gerüst errichten wollten, andem man sich in seinem Leben orientieren kann. Ichglaube, dass man diese Texte nicht für die buchstäblicheWahrheit halten sollte. Man muss die Bibel alsKunstwerk betrachten. Und wie jede große Kunst beeinflusstsie unser Leben, verändert es und verbessertes sogar – aber sie darf unser Leben nicht beherrschen.22 23Die Idee zu Das Letzte Testament der Heiligen Schrifthatte ich 1994. Damals arbeitete ich in Chicago imLager eines Bekleidungsgeschäfts. Der Geschäftsleiternannte mich »Schreiberling« und fragte regelmäßignach, womit ich mich gerade beschäftigte und welcheProjekte ich plante. Damals las ich fast täglichim Daodejing. Eines Nachmittags stellte er mir folgendeFrage: Wenn ich schreiben könnte, was ichwollte, welches Buch würde es dann sein? Inspiriertvom Dao antwortete ich: »Das große Buch desLebens«. Er lachte, schnippte mit den Fingern undsagte, dieses Buch gäbe es schon – Die Bibel. Ich lächelteund dachte insgeheim: Ja, das stimmt. Ungefährfünf Sekunden später überlegte ich mir: Warumsollte ich es nicht noch mal versuchen? Das Alte unddas Neue Testament existiert bereits, also schreibeich das Letzte. Diese Idee verfolgte mich, und 2009brachte ich das Ganze dann zu Papier.Mein Buch ist der Versuch einer Schilderung, waspassieren könnte, wenn der Messias oder wiedergekehrteChristus im 21. Jahrhundert in New York lebenwürde. Was wäre das für eine Person, woran würdesie glauben, wie würde sie leben, woher wüssten wir,dass sie göttlich ist? Für die Recherche sprach ich mitRabbis, katholischen Geistlichen, evangelischen Pastoren,Neurochirurgen, Unfallchirurgen, Anwälten,Polizisten und Psychiatern. Ich hatte nicht die Absicht,die Christus-Geschichte noch einmal zu erzählen.Das wurde ja bereits erfolgreich versucht. Nein,ich wollte eine neue Mythologie schaffen, die auchin einer Welt der Atomwaffen, der Naturwissenschaften,des Internet und der Gentests und ManipulationBestand hat. Einer Welt, die Homosexualität nicht alsfreie Entscheidung betrachtet. Mein Ziel war es, eineGeschichte zu erzählen und eine Mythologie und einKunstwerk zu erschaffen, die in einer Welt Sinn ergeben,in der Dinge bekannt sind, die die Menschen(und Schriftsteller) vor 2000 Jahren weder wissennoch sich überhaupt vorstellen konnten. Ob mir dasgelungen ist, werden die Leser und – mit der Zeit –auch die Geschichte entscheiden.James Frey(Aus dem Amerikanischen von Kristof Kurz)448 Seiten, Broschur€ 9,99 [D] / € 10,30 [A] / CHF 14,90 (UVP)ISBN 978-3-453-41<strong>04</strong>8-0Aus dem Amerikanischen von Harry Rowohlt, Juli Zeh,Kristof Magnusson u. a.November 2013© Terry Richardson


Als Leaf Fielding im Sommer 1967 zum ersten Mal LSD nimmt, ahnt er nicht, dass die Lieblingsdrogeder Hippies fortan sein Leben bestimmen wird. Doch anders als die meisten Freaks gibt Fielding sichnicht nur halluzinogenen Exzessen hin, sondern zieht mit einem unglaublichen Organisationstalentdie bis dato größte LSD-Maschinerie auf, um seine Brüder im Geiste zu versorgen. Ähnlich wieHoward Marks wird Fielding dabei nicht von Geldgier, sondern von seiner Freiheitsliebe gelenkt.Fielding träumt von einer besseren Welt – und landet schließlich in einer nur wenige Quadratmetergroßen Gefängniszelle. Doch lassen wir den Meister selbst sprechen.In unserer drogengeschwängerten Gegenwart istes wohl nur schwer vorstellbar, dass ich in einer Zeitaufwuchs, in der Drogen im öffentlichen Bewusstseinnicht existierten. In Großbritannien war der illegaleDrogenkonsum bis auf ein paar Marihuana rauchendeJamaikaner so gut wie unbekannt. Als ich1966 mein Studium an der Reading University aufnahm,hatte ich von Cannabis noch nicht einmal gehört.Die Hippie-Szene veränderte alles. Sie nahm ihrenZehn Jahre später, nach vielen Reisen und Abenteuernim Hippieuntergrund, dealte ich noch immermit LSD – nur in deutlich größeren Mengen, ungefährzweihunderttausend Pillen im Monat. Obwohlich immer noch an das glaubte, was ich tat, hatte einJahrzehnt der Gesetzlosigkeit seinen Tribut gefordert:Ich war mit den Nerven am Ende. Am 26. März1977 wurde ich um fünf Uhr morgens von fünf Polizistenaus dem Bett geholt. Auf dem Revier erfuhrich, dass sie auch alle meine Freunde geschnappt hat-24 Anfang in San Francisco und breitete sich schnell ten. Das große Spiel war vorbei.25über London aus. Im Sommer des Jahres 1967 (dem Dieses turbulente Jahrzehnt und die fünf darauffolgendenSommer der Liebe) erreichten die Drogen auch Reading.Jahre im Gefängnis beschreibe ich nun inDie Studenten in der Wohnung über mir verhieltenmeinen Memoiren mit dem Titel Hippie Business.sich plötzlich sehr merkwürdig und schie-nen einen Heidenspaß zu haben. Ich fragte sie, ob sie Leaf FieldingCannabis hätten. Nein, hätten sie nicht, aber etwas (Aus dem Englischen von Kristof Kurz)LSD, wenn ich das mal ausprobieren wollte – ichsagte Ja … ohne zu wissen, worauf ich mich einließ.Acht Stunden später war ich nicht mehr derselbe.Ich war achtzehn Jahre alt und hatte gerade den aufregendstenTag meines ganzen Lebens hinter mir.Voller Enthusiasmus besorgte ich mir ein Fläschchenmit LSD-Lösung und schickte nach und nachalle meine Freunde »auf den Trip«. Dasselbe passierteüberall in England. Auf einen Schlag hinterfragteeine ganze Generation nach dem Vorbild von Musikernund Künstlern wie Bob Dylan und den Beatlesdie Mechanismen, nach denen unsere Gesellschaftfunktionierte. Ich wusste, dass es illegal war, wasich da tat, aber das kam mir recht unbedeutend vor– schließlich stand die Zukunft unserer Gesellschaftauf dem Spiel. Ich war überzeugt davon, dass mirnichts Schlimmes passieren konnte, solange meineMotive edel und rein blieben …320 Seiten, Broschur€ 9,99 [D] / € 10,30 [A] / CHF 14,90 (UVP)ISBN 978-3-453-67662-6Aus dem Englischen von Marion Hertle · November 2013Hippiefreiheit,Drogen und Knast –Die Odyssee desLeaf FIELDING


Scharfe Kunst:Die wunderbareWelt des RichardLaymonAnatomie eines Mordes: Der Titel des meisterhaftenGerichtsfilms von Otto Premingerkönnte programmatisch auch für das Werk vonRichard Laymon stehen. Freilich gibt es beiLaymon mehr als nur einen Mord, dafür steht inseinen Büchern immer wieder die (bevorzugtweibliche) Anatomie im Zentrum der literarischenBetrachtung. In bester Exploitation-»Heute ist die Jacht explodiert.« So lautet der ersteSatz in Laymons Die Insel, einem seiner erfolgreichstenBücher. Wozu andere Autoren mehrereSeiten brauchen, benötigt Laymon nur wenigeschlichte Worte. Unmittelbarkeit, Setting, Konflikt,ungewöhnliche Erzählperspektive, Leseerwartungwerden in diesem ersten Satz etabliert. Aber Laymonbeherrscht auch die Kunst der Zerdehnung. In26Das Spiel begleiten wir die Protagonistin nach einemManier zelebriert Laymon die weibliche Brust,spannenden Romanauftakt über viele hundert Schließen wir in bester Laymonscher Verknappungwas ihm mitunter deutlich wichtiger ist als derSeiten durch ihr Alltagsleben, das mehr und mehr mit den Worten seines Protegés und Freundes Steve27eigentliche Gang der Handlung. Aber Laymonzusammenfällt. Aber jedes Mal, wenn man glaubt, Gerlach: Richard Laymon Kills!ist kein Sexist: Immer wieder behaupten sichjetzt kommt’s, passiert – nichts. Und dann wiederbei ihm weibliche Figuren gegen die schonungslosenichts. Laymon schafft es, den Leser mit Minimaldo-Tim MüllerGewalt, der sie ausgesetzt sind; anasenan Plot und Spannung gerade so bei der Stangelog dazu wird das Personal der Psychopathenzu halten, dass er unbedingt wissen will, wie esund Killer nicht vom Patriarchat dominiert.weitergeht. Dann, gerade wenn deine Augendeckelsich langsam zu senken beginnen, reißt LaymonGleiches Recht (und Sterben) für alle. Laymonauf den nächsten zwei Seiten plötzlich alle Grenzengilt als Böser Bube der Thriller- und Horrorliteraturund, ja: Er ist ein Literatur-Anarchist,ein. Der Schock sitzt, du bist hellwach und denkst:Verdammt, er hat es wieder geschafft …Sittenstrolch und Anti-Künstler par excellence.Vor allem aber ist Laymon ein brillanter Stilist.© privatLaymon ist vor allem deswegen ein Anarchist, weiler sämtliche Gesetze von Spannungsaufbau, Erzählperspektiveund Handlungsführung genüsslich mitFüßen trifft. Nie weiß der Leser, was ihn auf dennächsten drei Seiten erwartet; nie ist eine Laymon-Geschichte zu Ende, bevor du das letzte Wort gelesenhast.Gleiches lässt sich auch von Laymons souveränspontanem Umgang mit Genremustern sagen.Der Ripper ist Horrorgeschichte, Serienkillerplot,Coming-of-Age, Entwicklungsroman, Western undLiebesgeschichte in einem – und doch geht alles auf.Dabei hat Der Ripper eines der schönsten Laymon-Endenüberhaupt (keine Ironie!). In der neuen VeröffentlichungDie Klinge vereint Laymon die psychologischeinfühlsame Studie verschiedener Schicksaleim akademischen Milieu mit einer American-PsychoartigenRoad-Story. Auch hier gilt: Vorsicht vor demEnde!Die literarische Welt wäre ohne Laymon um einigessicherer – aber auch um einiges langweiliger.416 Seiten, Broschur€ 9,99 [D] / € 10,30 [A] / CHF 14,90 (UVP)ISBN 978-3-453-67650-3Aus dem Amerikanischen von Marcel HäußlerMärz 2014www.richardlaymon.de


EIN BUCH – EIN SATZSTEFANBREUERSVEN-ERICWEHMEYERCLAUDIAKRAUSTIMMÜLLERSTEFANBREUERSVEN-ERICWEHMEYERCLAUDIAKRAUSTIMMÜLLERSasha besorgt es allen!Der vielleicht derbsteund klügsteSchweinkram seitDie 120 Tage von Sodom.Von Sasha würde ichprinzipiell alles lesen,aber das hier ist sogarrichtig gut.Sasha Grey, die größteIkone des Porno-Kinos,wird die erotische Literaturrevolutionieren.Da draußen gibt es nochwas anderes als»Apocalypse Now«.Den ultimativen Filmüber den Vietnamkrieggibt es nicht, wohl aberendlich den ultimativenRoman, nämlich – punktausschlussfertig– diesen.Uff!Ein großes Epos überMenschlichkeit, Mut undden Kampf ums Überleben.Authentisch und essenziell!Eine links-rechts-linksKombination, die mannicht vergisst, ein echtesSchwergewicht.Tiefer als in diesem milieukenntnisgesättigtenUppercut von einemRoman kann man sichin die Welt des Boxenskaum hineinwagen.Mitten ins Herz.Pfeifer schreibt klar, unpathetischund mit emotionalerWucht: diesesWerk sucht seinesgleichen.Wie sang schon IanDury: Sex and drugs androck’n’ roll.Ein neuer fetter Eintragim Pflichtkanon der Drogenliteraturund ein belebenderArschtritt fürallzu naive Blumenkinder.Und das ist wirklich alleswahr??Take a little Trip …Und dazu Iggy Pop´s»Lust for life« in denPlayer, großes Kino.Literarische Punkrock-Granate und viel mehrals das Trainspotting-Prequel.Endlich wieder Sick Boy,Begbie und die Gang.Das größte Drogen-Eposaller Zeiten!Jesus Christ Superstarlive on stage. Und wirklichsuper übersetzt.13 Stimmen bezeugenaufs Frechste und Rührendstedie Rückkehr desMessias.Wie könnte ich meineBegeisterung besser beschreibenals mit»BEGEISTERUNG«?Lieblingsbuch 2013!Jesus als Underdog: DieserRoman schmerzt undbefreit!Wie true manchmal crimeist, beängstigend.Wie man aus einem Mythomaneneinen Serienmördermachte – nichtsals die Wahrheit.Investigativjournalismusat it’s best.Abgründiger und faszinierenderals jede Fiktion- vergesst HannibalLecter!Bahnhof Zoo, mein Zugfährt ein, ich steig aus,gut wieder da zu sein …Ich fühl mich gut, ichsteh auf Berlin!Das kaputte, groteske,falsche urbane Leben:der große Berlin-Romanfür die Gegenwart.»Am Anfang und amEnde einer normalenBerliner Straße tauchtein Wort auf:Gehwegschäden.«Ein großes literarischesBerlin-Porträt: für unsereAkademiker ...Echter Gangster-Stoff,nicht dieses Abziehbildzeugsvon heute.Die dunkle GeschichteAtlantic Citys, adaptiertals eine der spektakulärstenHBO-Serien ever.And he took the loavesand fishes, looked at hisdisciples and said,»Fuck it. We’re goinginto the whiskey business«.Boardwalk Empire erzählteine große amerikanischeGeschichte – Politikist Gangstersache.Die Corner-Regeln:Hol dir den Kick.Sag niemals nie.Also: Lesen!Vorlage der besten Fernsehseriealler Zeiten –ein Blick in die ganzund gar nicht jenseitigeHölle.Endlich neuer Stoff ausBaltimore.David Simon ist deshalb sowichtig, weil er den Ausgegrenzteneine Stimmegibt – und gehört wird!Das ist mal ein echtesRock’n’ Roll Road-Movie,drive/read on!Der Bluesrock, die Mafiaund das äußerste Maß anVerletzungen, das Durchschnittsmenschenglaubwürdigerweiseertragenkönnen – nuff said?Schwarzer Humor, einegute Story – könnte JoshBazell glatt Konkurrenzmachen.Habt ihr schon mal im20. Stock am Balkon gehangen?Nein? Dann lestdieses Buch!Versaute Sophie, odernicht?Diese konsequent undkräftig durchvögelteWeihnachtskreuzfahrtmacht nicht nur angenehmrote Ohren, sondernauch irren Spaß.Schon mal eine erotischeGeschichte mit Huhn gelesen?Na also, dann los.Der/die Beste kommtzum Schluss.


PERLENVOR DIESÄUEZu gut für diese Welt?Bücher, die es (noch) zu entdecken gilt176 Seiten, Pappband€ 14,99 [D] / € 15,50 [A] / CHF 21,90 (UVP)ISBN 978-3-453-26779-4Aus dem Amerikanischen von Bernd Gockel351 / 89917Impressum: Wilhelm <strong>Heyne</strong> Verlag in der Verlagsgruppe Randomhouse GmbH, Bayerstr. 71-73, 80335 MünchenTel.: 089-4136-0 · E-Mail: info@heyne-hardcore.de · Mitarbeiter: Udo Brenner, Andreas Henze, Claudia Kraus,Kristof Kurz, Berni Mayer, Tim Müller, Kirsten Naegele, Markus Naegele, Oskar Rauch, Markus Röleke, Sven-Eric Wehmeyer

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