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Die Nase - SK-9

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Menschen<strong>SK</strong>-9: <strong>Die</strong> Gründer Guido Müller, Ruedi Muggli,Mike Schönenberger (v. l.) mit drei Frauen, die mitihren Hunden die Ausbildung absolviert haben.<strong>Die</strong> <strong>Nase</strong>für AttentateEinzig Hunde haben den Spürsinn,Sprengstoff zu erschnüffeln. Zum Beispielan der Euro 08. Das braucht Training.Text Stefanie WernerFotos Martin GuggisbergJeder Laut und jede Bewegung könntentödlich sein. Denn Centi steht bewegungslosda. <strong>Die</strong> Hündin bellt nicht,schwänzelt nicht und blickt gebanntauf eine Stelle. So zeigt sie Ruedi Muggli,dass sie etwas gefunden hat – keine Guetsli.Sprengstoff.Centi ist ein Sprengstoff-Spürhund. IhrHalter Ruedi Muggli gründete vor zweiJahren mit Guido Müller und Mike Schönenbergerdie <strong>SK</strong>-9, die einzige privateFirma der Schweiz, die Sprengstoffsuchenanbietet und selbst Sprengstoffspürhundeausbildet (siehe Box Seite 13).Vor zehn Jahren wären Muggli undseine Kollegen schräg angeschaut worden.Bombenterror fand im Ausland statt. UndSprengstoff brauchte man hierzulande, umTunnels zu bauen oder alte Häuser zusprengen. Heute sieht das anders aus. «Wirmüssen realistisch sein», sagt Ruedi Muggli,48. «Das Risiko, dass auch in derSchweiz ein Sprengstoffanschlag passiert,ist da.» Gerade jetzt, so kurz vor der Fussball-Europameisterschaft,der Euro 08,werden alle Hebel in Bewegung gesetzt,damit es nicht zur Katastrophe kommt.Lautlose KommunikationWo die <strong>SK</strong>-9 während der Euro 08 zumEinsatz kommt, verrät Muggli nicht. Auchüber vergangene Einsätze schweigt er. Journalistendürfen nur beim Training dabeisein. Wo dieses stattfindet, darf aus Geheimhaltungsgründennicht veröffentlichtwerden. Ein Team der «Schweizer Familie»war bei einer Übung von <strong>SK</strong>-9 dabei.«Es gibt sechs Verstecke auf drei Böden»,sagt Guido Müller. Der ausgebildeteLawinen- und Militärhundeführer steht ineiner Lagerhalle und leitet das Training.In drei verschiedenen Räumen hat er jeweilszwei Sprengstoffproben versteckt.Dabei trug er Latexhandschuhe. Manchmalbenutzt er auch Plastikhandschuhe.Oder er arbeitet mit blossen Händen. Damitverhindert er, dass der SpürhundSprengstoffhunde sind in der Lage, 0,000000000001 Gramm Sprengstoff zu riechen – Mike Schönenberger mit Schäfer Jerock.plötzlich auf Latex-, Plastik- oder Menschengeruchanschlägt. Ausser Müllerweiss niemand, wo der Stoff versteckt ist.Würde der Hundeführer das Versteck kennen,könnte er seinen Spürhund beeinflussen.Ruedi Muggli führt seine Hündinvor die Tür der Lagerhalle – und wartet.Erst als Centi die Tür samt Falle von untenbis oben abgeschnüffelt hat, öffnet er. «<strong>Die</strong>Türfalle könnte im Ernstfall eine Bombeauslösen», flüstert er.<strong>Die</strong> Luft im Innern ist abgestanden.Sonst riecht es nach nichts – zumindestfür Menschennasen. Centi jedoch wittertdas trockene Holz der Regale entlang derWand und den Staub, der Kisten und Tonnenbedeckt. Sie riecht den Schweiss vonMenschen, die sich vor Wochen im Raumaufgehalten hatten, riecht Gummi, Eisen,Lack. Ihr Schnüffeln klingt in der Stilleungewöhnlich laut. 300-mal pro Minute 10 Schweizer Familie 20/2008 Schweizer Familie 20/2008 11


MenschenMenschenDas Ziel: Bewegungslos schaut der Kelpie den Feuerlöscher an –erst jetzt darf der Halter seinen Hund loben.<strong>Die</strong> Suche:Auf dem Wegzu seinemZiel, demSprengstoff,isoliert derKelpie etlicheGerüche.Das Versteck: Hinter dem Feuerlöscherbefinden sich 50 Gramm Gamsit.können Hunde ein- und ausatmen. RuediMuggli gibt derweil nur wenige Befehle.Ab und zu weist er Centi mit der Handden Weg. Eine lautlose Kommunikation,unaufgeregt und fliessend. Muggli kanndas Verhalten seiner Hündin lesen. Siewiederum versteht sofort, was ihr Herrchenausdrücken will. Es sind Vertrauenund Sicherheit, die das Verhältnis zwischenMensch und Hund bestimmen. Fürdie Arbeit, die Ruedi Muggli und Centileisten, sind diese Eigenschaften überlebenswichtig.Plötzlich hält die Hündin inne. Setztsich und blickt bewegungslos auf den Feuerlöscheran der Wand. Müller, der denSprengstoff versteckt hat, nickt. Erst jetztdarf Ruedi Muggli seinen Hund loben.Hinter dem Feuerlöscher befinden sich50 Gramm Gamsit.Sprengstoffspürhunde sind in der Lage,0,000000000001 Gramm Sprengstoffzu riechen – weniger als einStaubkorn. Ruedi Muggli erinnertsich, wie er und seineKollegen einst 20 GrammSprengstoff in einem Plastiksäckchenvakuumierten, dasPäckchen in einen Kaffeesatzsteckten und das Ganze ineinem grösseren Säckchennoch einmal vakuumierten.Dann liessen sie ihre Hunde danachsuchen. Alle fanden das Paket. «Hundenasensind unschlagbar», sagt Muggli. EinWunderwerk der Natur. Und der letzteSinn, den menschliche Erfindungen nochnicht übertreffen. Das Adlerauge ist kurzsichtigim Vergleich zu Statellitenkameras.Mikrofone fangen Töne auf, die fürMensch und Tier unhörbar sind. Dochelektronische <strong>Nase</strong>n, die das Riechorganeines Hundes schlagen, gibt es bis heutenicht.Keine Angst, aber RespektUm ein Sprengstoffspürhund zu sein,müssen Hunde aber zuerst lernen, denGeruch von Sprengstoff zuerkennen. Und ihre Haltermüssen wissen, wie siedie Tiere richtig führen.Drei Frauen und ihre«Ein Hund reagiert nur aufpositive erlebnisse, imGegensatz zum Menschen,der oft negative Erfahrungenbraucht, damit er etwas lernt.»Ruedi Muggli mit seiner Hündin CentiAusbildung für Sprengstoff-Spürhunde<strong>Die</strong> Männer von <strong>SK</strong>-9suchen mit ihren Spürhundenpräventiv nachSprengstoff. Auftraggebersind private Firmen:Hotels, Sportanlagen undandere Unternehmen, diestark auf Sicherheit bedachtsind. Ab Juni 2008Hunde haben die Ausbildung von <strong>SK</strong>-9bisher erfolgreich absolviert: Barbara Duss,Astrid Scheurer und Sibylle Hanisch.«Durch den Erfolg im Training habe ichgelernt, echtes Vertrauen in meinen Hundzu haben», sagt Barbara Duss, 53, aus EbikonLU. Astrid Scheurer, 53, aus GisikonLU erinnert sich an ihren schlimmstenFehler. Im Training habe sie einen Lichtschaltergedrückt, ohne vorher ihren RiesenschnauzerOrkan daran schnüffeln zulassen. Der Sprengstoff war im Lichtschalterversteckt. «Im Ernstfall wärs das gewesen.»Ihr ist bewusst, dass die Sprengstoffsuchekein Spiel ist. «Angst darf man keinehaben», sagt auch Sibylle Hanisch, 38, ausKriens LU, «aber Respekt ist wichtig.»<strong>Die</strong> drei Frauen haben es weit gebracht.Während der Euro 08 werden zwei vonihnen mit den Hunden unterwegs sein.Drei ihrer Kollegen verliessen die Ausbildungschon nach dem ersten Kursteil.«Selbst ernannte Helden und Abenteurersind bei uns am falschen Ort», sagt RuediMuggli. Zu heikel sei die Arbeit mitSprengstoff. Muggli und seine Kollegenhaben die Sprengausbildung absolviertund sind im Besitz des SprengausweisesA. «Es ist uns bewusst, dass wir im Ernstfallohne Hund nach Hause kommen»,sagt Muggli, «oder gar nicht mehr.»Der 48-Jährige spricht überlegt. DasLeben muss für ihn kein Krimi sein. Während23 Jahren war er Lokführer. Bis er2003 auf dem Roller von einem Auto angefahrenwurde. Er erlitt ein schweresSchleudertrauma. Von einem Tag auf denanderen musste er seinen Beruf aufgeben.Doch Muggli ist keiner, der sich selbst aufgibt.«Da ich jeden Tag Schmerzen habe,setze ich meine Energie nur dort ein, wobietet <strong>SK</strong>-9 wieder Ausbildungsplätzean. Grundvoraussetzungenfür denHund sind gute Fitnessund Gesundheit, überdurchschnittlichesSpielundBeuteverhalten undkonfliktfreies Sozialverhaltenauch in Stresssituationen.Weiter müssen dieHunde auf Böden wie Gitterrostengehen könnenund dürfen keine Problemehaben mit extremenUmwelt- und Geräuscheinflüssen.Informationen:Telefon 079 520 20 20oder www.sk-9.chich etwas bewegen kann. Ich geniesse, wasich leisten kann, und traure nicht demnach, was ich nicht mehr schaffe.»Viel Lob, kein TadelBei <strong>SK</strong>-9 muss Muggli dort, wo Körpereinsatzgefragt ist, den Kollegen den Vortrittlassen. Sucheinsätze kann er aberweiterhin übernehmen, denn die Arbeiterledigt dort vor allem die Hundenase.«Für mich ist das ein Traumjob», sagtMuggli. Auch wenn er und seine Kollegenviel Verantwortung tragen. Vor der Lagerhalleöffnet Muggli zwei Kisten: roteschmale Stangen, die aussehen wie die Dynamitstangender Panzerknacker. BauchigeGläser mit Drehverschluss, darin verschiedenePülverchen oder einzelne bizarreBrocken. Schwarzpulver, Demolux, Tovex,Amolit oder Gamsit heissen die gefährlichenStoffe. In der zweiten Kiste sindSelbstlaborate. Stoffe, die in der Apothekeerhältlich sind und mit denen heute jederanhand einer Bauanleitung aus dem Internetseine Bombe basteln kann. «Es gibtfünfzig Grundstoffe», erklärt Muggli. Wennder Hund alle Stoffe kennt, findet er sämtlicheBomben, Rauchpetarden, Feuerwerkskörperund Waffen. Allerdings nur, wennihm das Schnüffeln auch Spass macht.«Wir nutzen den natürlichen Spiel- undSuchtrieb der Hunde», sagt Muggli. Er undseine Kollegen kämen nie auf die Idee, ihreTiere anzuschreien. Sie ignorieren negativeVerhaltensweisen. Wenn der Hund etwasrichtig macht, wird er gelobt – und zwarmit einem riesigen Tamtam. «Ein Hundreagiert nur auf positive Erlebnisse», sagtMuggli. «Im Gegensatz zum Menschen,bei dem es oft negative Erfahrungenbraucht, damit er etwas lernt.»Auf die Frage, was ihm sein Hund bedeutet,überlegt Muggli lange. «Wo soll ichanfangen, wo aufhören?» Drei Tage späterschickt er eine Mail, darin ein Zitat desenglischen Dichters Edward Hoagland:«Freude an einem Hund haben Sie erst,wenn Sie nicht versuchen, aus ihm einenhalben Menschen zu machen. Ziehen Siestattdessen doch einmal die Möglichkeitin Betracht, selbst zu einem halben Hundzu werden.»12 Schweizer Familie 20/2008 Schweizer Familie 20/2008 13

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