PRAXIS Continuous Medical Education Praxis 2007; 96: 2029–2036 2034Fallbericht <strong>Hämochromatose</strong>(<strong>hereditäre</strong>, <strong>«primäre»</strong> <strong>Hämochromatose</strong>)Anamnese des PatientenDer 28-jährige Patient meldete sich wegen Bauchschmerzen,Durchfall, Erbrechen und Fieber bis 39 °C seit vier Tagen. Er klagtezudem über Schnupfen, Kopfschmerzen, Schwindelgefühl,Gliederschmerzen und Müdigkeit.In der persönliche Anamnese hatte er vor ca. fünf Jahren eineAppendektomie. Die Systemanamnese war bis auf die aktuellenBeschwerden unauffällig. In der Familie waren laut Patient bisheralle gesund (Mutter 52 Jahre, Vater 56 Jahre alt, keine Geschwister).Weg zur Diagnose/KommentarDie Anamnese bei dem 28-jährigen bis anhin gesunden Patientenliess in erster Linie an einen viralen Infekt mit Beteiligungder oberen Luftwege und Gastroenteritis denken.Befunde des PatientenStatus28-jähriger Patient in leicht reduziertem AZ, adipösem EZ, 182 cm,100 kg (BMI 30 kg/m 2 ). Afebril 36.4 °C axillär. Orientiert, wach.Blutdruck beidseits 130/80 mmHg. Puls regelmässig, 68/Min. KeineGefässgeräusche, kardiopulmonal unauffällig. Abdomen ausladend,diffus leicht druckdolent, keine Peritonismuszeichen, regeDarmgeräusche, rektal unauffällig. Neurologie unauffällig. Integumentund Schleimhäute ohne Befund, keine Lymphknoten palpabel.Weg zur Diagnose/KommentarIm Status zeigten sich unspezifische Befunde. Mit der Verdachtsdiagnoseeines viralen Infektes entschloss man sich, denVerlauf abzuwarten, und kontrollierte den Patienten. Nach fünfTagen waren Bauchschmerzen, Diarrhoe, Erbrechen, Schnupfenund Schwindelgefühl bei bleibender ausgeprägter Müdigkeitabgeklungen. Die Müdigkeit persistierte im Verlauf (unspezifischesSymptom, DD postviral). Man entschied sich diesbezüglichnach einiger Zeit, eine Laboruntersuchung von Hämoglobin,Leber- und Nierenwerten durchzuführen.RoutinelaborGOT (AST) 85 U/l o ( 50)GPT (ALT) 242 U/l o ( 50)Alk. Phosphatase 53 U/l (30–115)(Blutbild, BSR und CRP, Kreatinin und Elektrolyte normal)Weitere AbklärungenSonographie Abdomen: normal grosse Leber mit feinkörnig erhöhterDichte, grenzwertig vergrösserte Milz. Ansonsten unauffälligeUntersuchung.Im Routinelabor zeigte sich eine Hepatopathie bei ansonstenunauffälligen Befunden. Zur Abklärung der Hepatopathie wurdenweitere Laboruntersuchungen (initial Hepatitisserologie,HIV, CMV und EBV, dann Coeruloplasmin, Serum-Eiweisselektrophoreseund Ferritin) und eine Sonographie des Abdomensveranlasst. Es bestand kein Äthylabusus.Die Sonographie des Abdomen zeigte eine normal grosse, verdichteteLeber und eine grenzwertig grosse Milz. Gallenblaseund Gallenwege (keine Konkremente) waren unauffällig.
PRAXIS Continuous Medical Education Praxis 2007; 96: 2029–2036 2035Fallbericht <strong>Hämochromatose</strong>(<strong>hereditäre</strong>, <strong>«primäre»</strong> <strong>Hämochromatose</strong>)Erweitertes LaborVirale Serologien unauffälligCoeruloplasmin, Serum-Eiweisselektrophorese unauffälligDie viralen Serologien, Zoeruloplasmin und Serum-Eiweisselektrophoresewaren normal.Diagnosesichernde UntersuchungFerritin 1550 µg/l oo (30–400)Eisen 43.9 µmol/l oo (11–28)Transferrin 25 µmol/l (25–50)Transferrinsättigung 86% oo ( 45%)GenotypbestimmungC282Y/C282Y (Norm: HFE-Wildtyp)LeberbiopsieHämosiderinpigmente in Leberzellen und z.T. in Gallengangsepithelien.Portalfelder mit milder Entzündung und Fibrose mitSeptenbildung, herdförmig beginnender zirrhotischer Umbau.Eisen im Lebertrockengewicht:1746 µg Fe/1 g Lebertrockengewicht o (530–900)Es zeigte sich ein stark erhöhtes Ferritin (bei normalem CRP!),was für eine <strong>Hämochromatose</strong> sprach. Die Transferrinsättigungwar mit 80% deutlich erhöht.Die Genotypbestimmung zeigte eine homozygote C282Y-Mutationdes HFE-Gens.Es wurde die Diagnose einer primären <strong>hereditäre</strong>n, HFEassoziierten<strong>Hämochromatose</strong> gestellt.Zur Standortbestimmung der Lebererkrankung wurde eineLeberbiopsie durchgeführt.Es zeigte sich eine zur <strong>Hämochromatose</strong> passende Histologie.Das Eisen im Lebertrockengewicht war erhöht.Therapie des PatientenEine Aderlasstherapie wurde begonnen mit dem Ziel, das Ferritinauf 50–100 µg/l zu senken. Der Patient vertrug die initial wöchentlichenAderlässe gut. Zur Erhaltung mussten 3–4 Aderlässepro Jahr durchgeführt werden.