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Zwei Elternfragebögen

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DLVaktuell 1/2012 Ergänzung zum Artikel Gesten Autor: Andreas Zimmermann<strong>Zwei</strong> <strong>Elternfragebögen</strong> zum frühkindlichen Spracherwerb im VergleichDer ELFRA-2 (Grimm & Doil, 2000) und der FRAKIS/-K (Szagun et al., 2009) messen denproduktiven Wortschatz – sind aber unterschiedlich konzipiert. Gerade die unterschiedlicheDefinition von Late Talker, also Kindern mit spätem Sprechbeginn, muss berücksichtigt werden.Als alleinige Instrumente zur Identifikation von Risikokindern für eine SpezifischeSpracherwerbsstörung (SSES) reichen beide <strong>Elternfragebögen</strong> nicht aus.Unterschiedliche FalldefinitionenDas Entscheidungskriterium für einen untypischen Spracherwerb steht am Anfang jeglicherDiagnostik. Bislang herrscht Uneinheitlichkeit hinsichtlich der Falldefinition „Late Talker“. Beide hiervorgestellten Verfahren berücksichtigen nur den expressiven Wortschatz. Die Voraussetzung fürdie Feststellung von verzögerter Entwicklung muss die Kenntnis der Spannbreite (Variablilität) vontypischer Entwicklung sein.Im FRAKIS wird der Normbereich aufgrund von empirischen Normwerten festgesetzt. Dieuntersten 10% der Kinder einer Altersgruppe werden als unterdurchschnittlich klassifiziert und alsLate Talker bezeichnet. Das 10%-Kriterium ist streng gewählt d.h. die Abweichung vomDurchschnitt muss gross sein, um als Late Talker bezeichnet zu werden. Im Gegensatz dazubezeichnet der ELFRA-2 die untersten 20% der Kinder als Late Talker, also doppelt so viele. Das20%-Kriterium bzw. das 50-Wort-Kriterium des ELFRA-2 ist aus amerikanischen Untersuchungen(Rescorla, 1989) abgeleitet. Problematisch ist die fehlende Geschlechtsspezifität des Verfahrens,da die (produktive) Sprachentwicklung bei Jungen langsamer verläuft (Suchodoletz, 2010). ZurAussagekraft des 50-Wort-Kriteriums meint Schlesiger (2009, 72), dass dies einer „eherpauschalen Late-Talkers-Definition“ entspricht und „der ‚Meilenstein der 50 Wörter’ lediglich alsgrobe Orientierungshilfe dient.“Ungenaue Identifikation von Risikokindern für eine SSESDie Beziehung zwischen spätem Sprechbeginn und einer späteren SSES ist unklar.Langzeitstudien konnten bisher nicht eindeutig belegen, dass und welche Late Talker im weiterenVerlauf eine Spracherwerbsstörung entwickeln. Doil (2002, 248) bestätigt dies für den ELFRA-2:„Wenn nur der produktive Wortschatz [...] überprüft wird, ist es unmöglich vorherzusagen, ob dasKind ein Jahr später zu den Aufholern gehören wird oder nicht.“ Für Late Talker im Alter von zweiJahren gilt, dass sie eine heterogene Gruppe sind und eine Aufteilung in Subgruppenempfehlenswert wäre. Etwa 50% der Late Talker im Alter von zwei Jahren entpuppen sich als LateBloomer und die andere Hälfte entwickelt eine Spracherwerbsverzögerung, eine SSES oder auchandere (kognitive) Störungsbilder (Grimm, 2002, 11). Das heisst, ohne zusätzliche Kriterien wieSprachverständnis, symbolische Entwicklung etc. kann nicht zuverlässig entschieden werden, obein Late Talker eine SSES ausbilden wird oder nicht.


FazitDer FRAKIS betont die individuelle Variabilität des frühkindlichen Spracherwerbs und erreicht mitder Normierung ein angemessenes und sorgfältiges Verständnis der produktiven Leistungen derKinder. Zudem ist die adäquate geschlechtsspezifische Einschätzung der Leistungen möglich. DerFRAKIS bzw. FRAKIS-K kann als Screening eingesetzt werden.Der ELFRA-2 wurde im Sinne eines Präventionsgedankens konzipiert und kann als Gegenpol zur„wait and see“ Haltung betrachtet werden. Das Verfahren berücksichtigt die Variabiliät desSpracherwerbs nicht genügend. Bei der Auswertung sind die geschlechtspezifischen Normen zuberücksichtigen (nachgeliefert von Sachse & Suchodoletz, 2007). Das „magische“ 50-Wort-Kriterium ist (zu) pauschal. Mit dem ELFRA-2 werden viele Kinder fälschlicherweise als auffällig(falsch positiv) klassifiziert.Die vereinfachte Kausalität, dass Late Talker eine SSES entwickeln, trifft so nicht zu. Andererseitsweisen Kinder mit spätem Sprechbeginn ein beträchtliches Risiko für die Entwicklung einer SSESauf. Für beide Verfahren gilt, dass der Wortschatzumfang für eine Einschätzung derSprachentwicklung und als Prädiktor für eine SSES zu unspezifisch ist. Aufgrund dieserÜberlegung scheint es angebracht, einen vorsichtigen Umgang mit dem Label „Risikokind“ im Altervon zwei Jahren zu pflegen. Erst aufgrund diagnostischer Befunde zu mehreren Sprachebenen isteine derartige Klassifizierung sinnvoll.

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