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tion ein Produkt des zu beschreibenden Prozesses darstellt; zum anderen in seiner Genese -als Supplement, Säkularisierung und Transformation der Pneumatik (vgl. A. Diemw. Art.,GeisteswissenJchaften' in: Hist. Wb.) - seinerseits genauer Untersuchung bedürfte.7) Worauf die Hermeneutik lächelnd den Zirkel aus der Tasche zieht. Um kurz und vorgreifendzu antworten: die Konstatierung einer .Unaufhebbarkeit des Mißverständnisses"(Georg Llileacs. Heidelbwger Philosophie tkr l.Vmst. (Werke, Bd. 16) Darmstalk 11. Nellwied 1974,S. 29) nicht nur in der Kunst, welcbe allenfalls in der "paradoxe{n) und einzigartige[n) Stellungdes Kunstwerks, als des ewig gewordene{n) Mißverständniss[es)" (ebd., S. 37) eine gewisseBeruhigung finden kann, wird neidlos zugestanden. Doch ist sie ihrerseits Resultat einesVerständnisses von Verstehen, das mit seiner - ob einholbaren oder bloß regulativen -Forderung nach eineindeutiger Referenz der Begriffe und kommunikativer salva-veritate­Transformation selbst rationale Semantik darstellt. Die Hermeneutik operiert mit zwei Voraussetzungen:Sie basiert zum einen auf der Simultaneität des Textes wie seiner Rezeptionals eines Gebildes bzw. Vorgangs ohne zeitliche Extension; zum zweiten geht sie von einerHomogenität und Autonomie des textuellen Gebildes bzw. rezipierenden Bewußtseins aus.(0. h. sie geht von Text aus, nicht von Gespräch; Gespräch erscheint als Folge von Texten.)Die Unmöglichkeit des Verstehens ist die Unvermittelbarkeit zweier diskreter Gebilde.Beide, Konsistenz- wie Oiskretheitsaxiom, werden hier bestritten (s. u.).8) "Das Beywesenthliche muß nur als Medium, als Verknüpfung behandelt werden [ ... )" (Novalis.Schriften. Bd. 2: Das philosophische Werk 1. Hrsg. v. Richard Samuel. Darmstalk 1965,S. 283; Frg. 633). Die Thematisierung des (vermeintlich) Marginalen und Ephemeren in derblassen Alltäglichkeit (vgl. a. a. 0., S. 295, Fr. Nr. 662), fordert für die Betrachtung derTheorie ein, was auf materialer Ebene von Georg Simmel und in den zwanziger und dreißigerJahren von Walther Benjamin, Sigfried Kracauer und Ludwig Hohl thematisiert wurde,was aber bereits, wie Günter Oesterle wiederholt aufgezeigt hat, zu den konsticutionslogisehenPrinzipien romantischer Ästhetik gehört: Ernst-Nehmen der Alltäglichkeit und ihrerSprache (vgl. bes.: Günter Desterle. Arabesk. und Roman. Eine poetikgeschichtliche Rekonstruktionvon Fri.drich Schlegels ,Brie[ über den Roman'. In: Studien ZU" Ästhetik lind Literaturgeschicht. tkrIvmstperiode. Hrsg. v. Dirk Grathoff (Gießener Arbeiten zur N.ueren delltseben Literatur lind Lit.­raturwissenschaft, Bd. I) Frankfurt a. M.I Bem INew York 1985, S. 233-292).9) Vierhaus summiert: "Ob man das 18. Jahrhundert unter personengeschichtlichem oder untersozialgeschichtlichem Aspekt betrachtet, ob man seine politische Geschichte oder dieGeschichte seiner Ideen und Institutionen untersucht - immer trifft man auf Vielfalt, Spannung,Gegensätzlichkeit." (Vierhaus, Deutschland. In: Aufklärung, Absolutismus, S. 176)Zu einzelnen Entwicklungen vgl. Wilhelm Treu •. Wirtschaft, Gesellschaft _dTechnik tJOm 16.bis zum 18. Jahrhllndert. Stuttgart 1974 (Gebharlk. Handbuch tkr deutschen Geschicht. Bd. 12);Michael E,.be. D.utsche Geschicht. 1713-1790. DlI4lismus lind Aufgeklärter Absolutismus. StllltgartlBerlinl Kotnl Mainz 1985; Günter Barudio. Das Zeitalter des Absolutismus und tkr Aufklärllng.1648-1779 (Fischer W.ltgeschichte Bd. 25), FrankflIrt a. M. 1981.10) V gl. Volker Press. Der Merleantilismus und die Stäilt •. Einl.itung zu: Stäatewesen _d Merleanti/ismllsin Mitteleuropa. Hrsg. v. Volker Press. Köln/Wien 1983, S. 1-15; vgl. Reiner Wild.Stadtkultur, Bildllngswesen und Aufklärungsges.lIschaft. In: Hansers Sozialgeschichte, Bd. 3,S. 103-132; Treue, Wirtschaft, S. 150 u. 16lff.; Kopitzsch in: Aufklärung, Absolutismus,S. 28ff.; RudolfVierhaus. Stä'ndewesen und Staatsverwaltung in D.utschland im spä~en 18. Jahrhuntkrt.In: Ders., Deutschland, S. 33-49; Wehler, Gesellschaftsgeschichte, S. 202 ff. u.S. 225; Jose[ Kulischer. Allgemeine Wirtschaftsgeschichte des Mitt.lalters und tkr N'lIzeit. Bd. 2:Die Neuzeit. Darmstadt ' 1976 (Nachdruck Berlin / Miinchen 1929).11) Vgl. RolfEngeising. Sozial-lIndWirtschaftsgeschicht.Deutschlands. Go~ingen 1973, S. 84ff.12) Zu Landwirtschaft und Bevälkerungsentwicklung vgl. Palll Bairoch. Die Landwirtschaft unddi. Industrielle Revolution 1700-1914. In: EuropäIsch. Wirtschaftsg.schichte. Hrsg. v. Carlo M.Cipolla; lk. hrsg. v. K Borchard. Bd 3: Di. Industri.lI. RetJOlution. Stuttgartl New York 1976 (imFolgenden zitiert als: EWg), S. 297-332; Christof Dipper. D.utsche Geschicht. 1648-1789.Frankfurt a. M. 1991, S. 42ff. u. 103ff.; Engelsing, Sozialgeschichte, S. l00ff.; Treue, Wirtschaft,S. 134ff.; Wehler, Gesellschaftsgeschichte, S. 67ff. u. 159ff.; KieseVMünch, Gesell-335


schaft, S. 18. Zur allgemeinen europäischen Entwicklung vgl. Andre Armmgard. Die BeWtkerllngMiffeleuropas von 1700-1914. In: EWg, S. 11-46; zur Bedeutung der Mode des Ländlichenvgl. Thomas Lange. Idyllische lind e=tische Sehnsllcht. Formen bürgerlicher Nostalgie imSpiegel der LiteratIIr Je. 18. jahrhllnfkrfJ. Kronberg/Tallnlls 1976.13) Den Zusammenhang von ökonomisch-politischer Struktur und subjektiver Motivation betonteGarve in einer 1786 in Breslau erschienenen Schrift ,Ober den Charakter fkr Bamrn lindihr Verhältnis gegen den GlItsherren lind die Regierllng.· (In: Christian Garve. PopllilirphilosophischeSchriften über literarische, ästheriuhe lind gesel/uhaftliche Gegenstä'nde, Im Faksimiledrllck hrsg. v.lVIrt Wö'lfel. Bel. 2, Stllffgart 1974 (Nachdrllck Breslall1796), S. 799-1029.) Garve kommtzu dem Schluß: .. Die Kunst, mit den Bauern umzugehen, ist vielleicht das schwerste Stückbei einer großen Landwirtschaft." Zur Entwicklung in Süddeutschland vgl. Wolfgang vonHippel. Die Ballernbef""illng im Kiinigreich Würffemberg. Boppard am Rhein 1977, bes. Bd. 1:Darstellung, S. 278ff.; zu Norddeutschland und zur Position des Adels vgl.: Christian Degn.Die Stellllngnahme uhluwig-holsteinischer Glltsbuitur ZIIr Ballernbefreillng. In: Staatsdienst lindMenschlichkeit. Studien ZIIf' Adelskllltllr des spä'fnl 18. jahrhtlnderts in Schieswig-Hoistein lind Dä'­nemark. Hrsg. ". Christian Degn lind Dieter Loh"..ier. Nellmünster 1980, S. 77-88 (vgl. auchKiesel/Münch, Gesellschaft, S. 49; Wern..,. Conze. Art. ,Baller' in: GG, Bel. 1, S. 407-439,bes. 415ff.; Treue, Wirtschaft, S. 138f.; Wehler, Gesellschaftsgeschichte, S. 71ff.; Dipper,Geschichte, S. 103f. u. Leonhard Baller/Herbert MatiJ. Gebllrt der Nellzeit. Miinchen 1988,S. 126ff.14) Das 18. Jahrhundert ist in Deutschland die Zeit der Expansion des Beamtenapparates,eigentlich jene seiner Entstehung als zentrales politisches Instrument (vgl. Hans Haffenhall­..,.. Guchichte Je. Beamtentllms. (HandblIch Je. öffentlichen Dienst .. Bel. I) Köln / Berlin e. a. 1980;Michael Stol/eis. Geschichte lks öffentlichen Rechts in Delltuh/and. Erster Band: Reichspllblizistiklind PoliceywiJJemchaft 1600-1800. München 1988.) Zunächst gegen die traditionelle Feudalpyramidegerichtet, bot die Beamtenkarriere Nichtadligen - und gerade ,Kleinbürgern' -beste Aufstiegschancen, doch waren Spitzenpositionen von Beginn an nur schwer - und oftmalsnur durch Nobilitierung - zu erreichen; dabei eröffnet sich diese Möglichkeit vertikalerMobilität primär in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, während danach eine Feudalisierungdes Beamtenapparates einsetzt, so daß Reiner Wild von .. Rearistokratisierung desabsolutistischen Staates" spricht (Wild, Stadtkultur, S. 106, vgl. Michael Sto/ltis. Grllndzügeder Beamtenerhik (1550-1650). In: Die Verwaltllng, 13 (1980), S. 447-475, S. 457f.; HubertllSNellschäff..,.. Die Doppelrolle lks Alk!. als Gmsbesitzer lind Staatsdiener. In: Staatsdienst,S. 103-126; Wehler, Gesellschaftsgeschichte, S. 257ff.; Pikulik, Leistungsethik, S. 84ff.;Treue, Wirtschaft, 176ff.; Vierhaus, Deutschland in: Aufklärung, Absolutismus, S. 179ff.;KiesellMünch, Gesellschaft, S. 45ff.; dagegen: Dipper, Geschichte, S. 217).15) Besonders in Preußen wird die Aufklärung des Adel institutionalisiert, da Bildung, in concreto:ein Studium - möglichst der von Friedrich Wilhe1m 1. an der Universität Halle eingerichtetenKameralwissenschaften - Voraussetzung zur Beamtenkarriere war. Pikulikspricht von .. Verbücgerlichung von oben" (Pikulik, Leistungsethik, S. 87) und konstatiert:.Für seine (Friedrich Wihelrns 11 L. S.) Ambitionen war ihm eine Bildungsbewegung wiedie Aufklärung gerade recht." (ebd.) Dabei kann in der Differenzierung zwischen staatstragender.Bearntenaufklärung' im Absolutismus und bürgerlicher Aufklärung die Quelle derUnterscheidung zwischen politisch-sozialem und Bildungsbürgertum (vgl. Pikulik, Leistungsethik,S. 91) und damit die Quelle jener ,deutschen Misere' gesehen werden, dieVierhaus prägnat faßt, wenn er konstatiert: .Die deutsche Aufklärung war nicht egalitär,sondern bildungsaristokratisch!" (Vierhaus, Deutschland in: Aufklärung, Absolutismus, S.188; vgl. Wehler, Gesellschaftsgeschichte, S. 263f.) Zur .Verbürgerlichung' des Adels vgl.Dierer Lohmei..,.. Der Edelmann als Bürger. Ober die Verbürgerlichllng der Adelskmtllr im f/iinischenGesamtstaat. In: Staatsdienst, S. 127-150; zur Veradligung des Bürgers vgl. Otto Brlln".,..Zwei StIldien zlIm Verhä1tnis von Biirgertllm lind Adel. In: Ders. Nette Wege der Verfassungs- lindSozialgeuhichte. GÖffingen 1968, S. 242-280.16) Siehe Anm. 1 u. bes. Pikulik, I.eistungsethik, S. 127ff. Pikulik sieht das Bügertum als.. nichts Einheitliches" (a. a. 0., S. 68), aber auch als .. nicht völlig U neinheitliches (a. a. 0.,336


S. 93), wendet sich aber vor allem gegen Positionen, die ,Bürgerlichkeic' mit den mentalenDispositiv der ,Empfindsamkeit' identifizieren. (V gl. auch Horst Möller. Vernll"ft tmd Kritik.D~lIfsche Allfklärung im 17. und 18. jahrhundwt. Fra"kfllrl a. M. 1986, bes. S. 289ff.)17) V gl. Sc:olleis, Geschichte, S. 338ff.; Pikulik, Leistungsethik, S. 94fT.; BauerlMatis, Geburt,S. 186ff. - freilich relativierend: S. 287.18) Zum Absolutismus vgl. bes. die beiden Sammelbände Der au/geklärte Absollltismlls. Hrsg. 11.Otmar Freiherr 11. Anti". Giitersloh 1974 und: AbsollltismllJ. Hrsg. 11. Walther Hllbatsch. Darmstadt1973. (Weg~ der Forschll"g Bd. CCCXN) sowie Gerhard Oestreich. Stf'llkturproblef1U tks~lIropa'ischen Absollltismlls. I,,: Ders. G~ist lind Gestalt des jriihmodernen Staates. Berli" 1967,S. 179-197,. RlldoIfVierhalls. AbsollltismllJ. I,,: Ders., D~lItschla"d, S. 63--83, bes. 78ff.; Rei,,­hart Koselleck. Kritik und Krise. Ei,,~ StIldie zur Pathogmes~ der biirgerlichen Welt. Frankfurt a. M.31979, S. 11-32,. Hartmllt Llhma"". Das Zeitalter tks Abmlllfismlls. GOltesgnatkntllm lind Kriegs­"ot. Stllltgart/ Berli" .. a. 1980,. Wehler, Gesellschaftsgeschichte, S. 218--232. Zum Souveränitätsbegriff:F. A. Vo" Der Heydt •. Der Wa"deI tks SOllVera·nitiitsbegriffs. I,,: Stlldillm Genera/~10,3 (1957), S. 166-172; Horst Dreitzel. Protesta"tischer Aristotelismlls und absolllfer Staat. Di.,Politien' tks Hen"i"g ArniSMIIS (ca. 1575-1636). Wiesbatkn 1970, S. 212-244; vgl. auch:Friedrich Pohlma"". Po/jtisch~ Herrschaftssysteme der N,"zeit. Oplatkn 1988, S. 27ff.; E,."st Hi,,­richs. Das Fiirstmbildjea" Bodi"s lI"d die Kris. der fra"zösischen Rmaissa"cemonarchi •. I,,: Ders.A"cim Regime und Revollltio". Studien Zllr Verfassungsgeschicht. Fra"kr.ichs zwischen 1589 lI"d1789. Fra"kfurt a. M. 1989, S. 9-29,. RolfRichard Grauha". Der Staat tks Machia""i lind dermodern~ Begriff tks Politischm - Hypothesen für ei"e erneut. Oberpriifll"g. I,,: Res Pllblica. DolfSternberger zum 70. Gebllrtstag. Hrsg. 11. P.t.,. Hall"gs. Miinchen 1977, S. 115-140; RupperlBreitli"g. ZlIr Renaissa"c~ des Demokratieb~griffi im 18. jahrhll"dert. I,,: Res Pllblica, S. 37-52.Zum sog .• Königsmechanismus' der eine zeitweilige, prekäre Koalition von Souverän undBürgertum stiftet vgl. Norberl Elias. Ob.,. tkn Prozeß der Zivilisatio". Soziogmdische und psychogmetisch.U"t.,.sllChll"gm. 2 Btk., Fra"kfurt a. M. '1978, bes. S. 236ff.; vgl. Bauer/Matis,Geburt, S. 214ff. Zum Verbürokratisierungsprozeß der Herrschaft vgl. Hattenhauer, Beamtentum;Marti" Albrow. Biirokratie. Mii"chm 1972; Wehler, Gesellschaftsgeschichte,S. 254-267; Dipper, Geschichte, S. 208--223; Treue, Wirtschaft, S. 176f.19) Die Entwicklung der Familienstrukturen ist freilich ein komplexer, aus seinen sozialen undlokalen Parametern kaum zu generalisierender Sachverhalt. Über die neuere Forschung informiert:Wi"jried Fnitag. Hallshalt lI"d Famili~ i" traditionalen G~s~/lschaftm. Ko"zept., ProblemelI"d Perspektiven der Forschll"g. I,,: Geschicht~ lind Geullschaft, 14,1 (1988): Famili., HallshaltWohnen, hrsg. v. U. Wehler, S. 5-37. Schon Michael Mitterauer konstatierte trotZ der Verifikationsschwierigkeiteneine .Funktionsentlastung des ganzen Hauses im 17. und 18.Jahrhundert (Michael Milterall.,.. Vori"dllstrie/l~ Familimformm. ZlIr FII"ktionsmtlastung des,ga"zen Hallses' im 17. und 18. jahrhundert. I,,: Fiirst, Biirger, Mensch. U"tersllChll"gm Zll politischenund sozioklllturellm Wa"dlll"gsprozessen im vorrevollltionänn Europa. Hrsg. v. Friedrich E,,­gel-ja"osi, Gret. K!i"gmst.i" lind H.i"rich Llltz. Mii"chm 1975, S. 123-185). Auch Freitagstimmt letztlich dem Brunnerschen oikos-Konzept zu (vgl. Olto Bf'II"nw. Das ,Ga"ze HallS'lI"d die alt,"ropa'isch. ,Oko"omik'. I,,: Ders., N.u. W.g., S. 103-127): H Was die Vielfalt derAufgaben betrifft, scheint das Haus die umfassendste der traditionalen Sozialformen gewesenzu sein. Solange es weder einen bis auf die unterste Ebene und in die kleinsten Verästelungendurchgreifenden Staatsappatat noch Amtskirche{n}, Schulsysteme und außerhäuslicheArbeit in Büro, Fabrik oder Betrieb gab, waren in der Rolle des Haushaltsvorstandesoder ,pater familias' eine Vielzahl gesellschaftlicher Funktionen gebündelt. Er war Lehrherr,Chef, Erzieher und Ernährer in einer Person und fungierte als moralisch-religiöse Kontrollinstanz,welcher sich für das Betragen ihrer Leute auch außerhalb des Hauses verantwortlichwußte." (Freitag, a. a. 0., S. 20) An die Stelle dieses im Modell des Hauses substanzialisiertenund in der Figur des Hausvaters personalisierten aristotelischen Ordomodeliseiner gestuften sozialen Wirklichkeit tritt tendenziell ein komplexer, auf das sozialeAtom (Individuum) bezogener, natürlicbe wie juristische Personen gleichermaßen einbegreifenderRegel- und Normenappatat, der Macht zur abstrakten Relation zwischen demIndividuum und der Wirklichkeit jener abstrakten Begriffe, denen es subsumiert ist auf der337


einen, und der Gewalt zur Exekution eben dieser Begriffe auf der anderen Seite reduziert.Allen materialen Manifestationen und personalen Inkarnationen dieses abstrakten Zusammenhangskommt nur noch funktionale und d. h. mediale Bedeutung zu. Dieses Funktionsmodellgesellschaftlicher Wirklichkeit steht unausgesprochen im Hintergrund, wenn Freitagschreibt: . .Mit dem Ausbau des modernen Staates und s~iner Bürokratie hat das Hausdie Funktion, unterste Herrschaftsinstanz zu sein, eingebüßt. Schulpflicht und Industrialisierunghaben seine Ausbildungsaufgaben auf die der Sozialisation beschränkt und die modernenSozialversicherungen Familie und Verwandtschaft von der materiellen Sorge für ihreKranken, Invaliden und Alten entlastet. Mit diesen Veränderungen sind zwar überkommeneBindungen entfallen, andere, neue jedoch entstanden. Die sich unmittelbar an denEinzelnen wendenden Systeme öffentlicher Rechte und Pflichten haben ihm ein Korsett bislangunbekannter Art angelegt: Zivil- und Strafrechtliche Verantworrlichkeit, aktives undpassives Wahlrecht, Schulbesuch und Wehrpflicht wurden an ein bestimmtes Alter gebundenund fließende Übergänge wie die zwischen Ausbildung, Arbeitsleben und Ruhestanddurch starre Grenzziehungen ersetzt. Das Resultat dieser Neuerungen ist ( ... }, die ,Institutionalisierungdes Lebenslaufs." (Freitag, Haushalt, S. 21; Pikulik, Leistungsethik, S. 99ff.;Kiesel/Münch, Gesellschaft, S. 61ff.; Max Horkheimer. Autoritäi und Familie. In: Den Traditionelleund kriti5che Theorie. Frankfurt a. M. 1972. S. 162-230; kritisch: Wehler, S. 81ff.) Zuden ökonomischen, Verwerfungen der Übergangsphase vgl. Hans Medick. FamilienwirtJehaftals Kategorie historisch-politischer (jkonomie. Die hausindustrielle Familienwirtschaft in der Obergangsphasezum Kapitalismus. In: Historische Familienforschung. Hrsg. v. Michael Mitterauer undReinhard Sieder. Frankfurt a. M. 1982, S. 271-299. Lothar Pikulik beschreibt die lösung ausden oikos und die Genese der Kleinfamilie mit ihrer Dialektik von Innerlichkeit und Öffentlichkeitals bewußte Strategie preußischer Beamtenbildung (Pikulik, Leistungsethik,S. 113ff.; Richard van Dülmen. Kultur und AI/tag in der frühen Neuzeit. Bd. 1: Das Haus undseine Menschen. 16.-18. Jahrhundert. München 1990, bes. S. 229ff.)20) V gl. Wilfried Reininghaus. Gewerbe in der frühen Neuzeit. (Enzyklopä"die deutJeher GeJehichte.Hrsg. v. Lothar Ga//. Bd. 3) München 1990, S. 75-98; Dipper. Geschichte, S. 14Off.; Wehler,Gesellschaftsgeschichte, S. 9Off., bes. 118f.; Treue, Wirtschaft, 147ff.21) Vgl. Barry Supple. Der Staat und die Industrielle Revolution 1700-1914. In: EWg, S. 195-231,hier: 202f.; daneben: Erbe, S. 29ff.; Treue, Wirtschaft, S. 148f.; Kiesel/Münch, Gesellschaft,S. 37ff.; Bauer/Matis, Geburt, S. 352ff.22) Samuel Lilley kommt zu dem radikalen Schluß: "Die Anfange der industriellen Revolution- annähernd bis 1800 - bestanden hauptsächlich im Gebrauch mittelalterlicher Verfahren,die man bis an ihre Grenze trieb. ( ... } Der echte Bruch in der Entwicklung der Technik fandzu Beginn des Mittelalters statt, nicht im 18. Jahrhundert." (Samuel Lilley. TechniJeher Fortschrittund Industrielle Ret·olution 1700-1900. [,,: EWg, Bd. 3, S. 119-163,- hier: S. 121f.)Wehler betrachtet die Vorreiterrolle von Bergbau und Hüttenwesen als Spezifikum der Industrialisierungin Deutschland (Wehler, Gesellschaftsgeschichte, S. 101). Zur Vorgeschichteder Industrialisierung und zur Diskussion des sie bezeichnenden Begriffs der .Protoindustrie':Wo/fgang Mager. Protoindustrialisierung und Protoindustrie. Vom Nutzen und Nachteilzweier Konzepte. In: Geschichte und GesellJehaft. 14. ( 1988), 3: Sozialgeschichte in der Erweiterung.Hrsg. v. J. Kocka, S. 275-303,- Peter Mathias. Wer ent/esselte Prometheus? Naturwissenschaftund technischer Wandel von 1600-1800. In: Moderne Tedmikgeschichte. Hrsg. v. Karin Hausenund Reinhard Rürup. Kbtn 1975, S. 73-95,- Klaus Mauersberger. Technik im Umfeld der Naturerkenntnisvon Galilei bis NetVfon. In: Naturwissenschaftliche Revolution im 17. Jahrhundert. Hrsg. v.Günter Wendel. Berlin 1989, S. 179-212,- vgl. Reininghaus, Gewerbe, S. 75-91; Wehler,Gesellschaftsgeschichte, S. 97ff.; Bauer/Matis, Geburt, S. 277; Carlo M. Cipolla. Einleitungin: EWg, Bd. 3, S. 1-10.23) Jean Le Rond d'Alemberl. Einleitung zur ,Enzyklopä·die'. Hrsg. v. Günther Mensching. Frankfurta. M. 1989, S. 110. Nachdem er eine Topik der Beschreibung aufgestellt und die Verwendungvon Zeichnungen erläutert hat (ebd.), faßt d'Alembert das Darstellungsverfahren derEnzyklopädie zusammen: "Es gibt Begriffe, die fast Allgemeingut sind und über die in denKöpfen größere Klarheit herrscht. als mit einer Besprechung erzielt werden könnte. Außer-338


dem sind uns manche Gegenstände so vertraut, daß die Anfertigung von Zeichnungenlächerlich wirken würde. Die Künste bieten ferner Gegenstände, die derart zusammengesetztsind, daß ihre Darstellung nutzlos wäre. In den ersten beiden Fällen haben wir vorausgesetzt,daß unsere Leser nicht ganz des gesunden Menschenverstandes und einer gewissenErfahrung ermangeln; im letzteren Fall verweisen wir auf den Gegenstand selbst. In allemhaben wir nach einem goldenen Mittelweg getrachtet (...)" (a. a. 0., S. 111). D'Alembertrechtfertigt die Verkürzung der Darstellung heuristisch, geht aber von einer grundlegenden,wenngleich nicht zu antizipierenden Systematizität der Phänomene und Gegenständeaus. (Vgl. a. a. 0., S. 23ff.; 3Of. u. 87; vgl. Herbert Dieckmann. The concept of knl1Wledge in theEncyclopldie. In: Ders. Studien zur europiiischen Aufklärung. München 1974, S. 234-257.) Dieser,goldene Mittelweg', eine Mischkalkulation zwischen falscher, i. e. situativer sprachlicherPraxis, die auf einem Lexikon von common-sense-Typen beruht, und einer Rubrizierung imidealen System repräsentativer Benennung, die auf nichts als atomaren Prädikaten und logischenTransformationen aufbaut, ist, wenngleich in anderer Perspektive, Thema dieser Arbeit.(Zur Verflechtung von Bildungs- und Besitzdenken vgl. RudolfVierhaus. Umrisse einerSozialgeschichte der Gebildeten in Deutschland. In: Ders., Deutschland, S. 167-182; zur ,Sprachlosigkeitder Unterschichten vgl. Rudo/f Schenda. Orale und literarische Kommunikationsformenim Bereich von Analphabeten und Gebildeten im 17. Jahrhundert. In: Literatur und Volk im17. Jahrhundert. Probleme popula'rer Kultur in Deutschland. Hrsg. v. Wo/fgang Brückner .. PeterBlickle und Dieter Breuer. WolJenbüttel1985, S. 477-464.)24) Zu Buchproduktion, -distribution und -rezeption: RolfEngelsing. Analphabetentum und Lektiire.Zur Sozialgeschichte des Lesens in Deutschland zwischen feudaler und industrieller Gesellschaft.Stuttgart 1973, bes. S. 42ff.; KiesellMünch, Gesellschaft, S. 18Off. Da die Bedingungen derGenese und Formation der ,Gutenberg Galaxis' Thema dieser Arbeit sind, an dieser Stellenur einige spezielle Literaturhinweise: Rudo/f Stichweh. Derfrühmoderne Staat und die europäIscheUniversitär. Zur Interaktion von Politik und Erziehungssystem im Prozeß ihrer Ausdifferenzierung(16.-18. Jahrhundert). Frankfurt a. M. 1991; Bernhard Fabian. Im Mittelpunkt der Biicherwelt.Ober Gelehrsamkeit und gelehrtes Schrifttum um 1750. In: Wissenschaft im Zeitalter der Aufklä·rung.Hrsg. v. Rudo/fVierhaus. Gö'ttingen 1985, S. 249-274; Gunter E. Grimm. Vom SchulfllChszum Menschheitslehrer. Zum Wandel des Gelehrtentums zwischen Barock und Aufklärung. In:Ober den Prozeß der Aufklärung in Deutschland im 18. Jahrhundert. Hrsg. v. Hans Erich Böäekeru. Ulrich Herrmann. Göttingen 1987, S. 14-38; Rudo/fVierhalls. Der aufgeklä'rte Schriftsteller.Zur sozialen Charakertistik einer selbsternannten Elite. In: Ober den Prozeß der Aufklärung,S. 53-65; Herbert Jaumann. Ratio clausa. Die Trennung "on Erkenntnis und Kommunikation in gelehrtenAbhandlungen zur Respublica literaria um 1700 und der europäIsche Kontext. In: Res PublicaLiteraria. Die Institutionen der GelelJrsamkeit in der frühen Nellzeit. Hrsg. v. Sebastian Neumeisterund Conrad Wiedemann. (Wo/fenbüttler Arbeiten zur Barockforschu'lg, Bd. 14) Wiesbaden1984, S. 399-429: Herbert G. Göpfert. Bemerkungen über Buchhä'ndler und Buchhandel zur Zeitder Aufklä'rung in Deutschland. In: Wo/fenbüttler Studien zur Aufklizrung, Bd. 1 (1974),S. 69-83; Wo/fgang Martens. Die Geburt des Journalismus in der Aufklä·rilng. In: A. a. 0.,S. 84-98; Paul Raabe. Die Zeitschrift als Medium der Aufklä·rung. In: Wolfenbüttler Studien zurAufklärung, Bd. 1 (1974), S. 99-136; Peter KrallIs. Enzyklopä'dische Bildungsidee, frühe Aufklärungund WissenJchaftspopularisierung. ,Historie' im Pamassus Boicus (1722-1740). In: Universitärund Bildung. Festschrift Laetitia Boehm zum 60. Geburtstag. Hrsg. v. Winfried Müller,Wolfgang]. Smolka und Helmut Zedelmaier. München 1991, S. 223-234; Ruppert, Wandel,S. 118ff.; Rudo/f Schenda. Volk ohne Buch. Studien zur Sozialgeschichte der populä'ren Lesestoffe.Frankfurt a. M. 1970; Thomas Koebner. Lektiire in freier Landschaft. Zur Theorie des Le.reverhaltensim 18. Jahrhundert. In: Leser und Lesen im 18.Jahrhundert. Colloquium der Arbeitsstelle 18.Jahrhundertder Gesamthochschule W uppertal. Heidelberg 1977, S. 40-57; Helmut Kreuzer. Gefä'hrlicheLesesllCht. Bemerkungen zu politischer Lektürekritik im ausgehenden 18. Jahrhundert. In: A. a. 0.,S. 62-75; Jürgen Habermas. Strukturwandel der Offentlichkeit. Untersuchungen zu einer Kategorieder bürgerlichen Gesellschaft. Darmstadt / Neuwied 1962, S. 28ff; Rolf Grimminger. Aufklärung,Absolutismus und biirgerliche Individuen. Ober den notwendigen Zusammenhang von Literatur, Gesellschaftund Staat in der Geschichte des 18. Jahrhunderts. Einleitung i1l: Hamers Sozialgeschichte,339


Bd . .:3, S. 15-99; Wolfgang "on Ungern-Sternl-g. SchriftstJI ... und lit ... a,.isch ... Ma,.kt. In:a. a. 0., S. 13.:3-185; Wehler, Gesellschaftsgeschichte, S. 303ff.25) V gl. G ... ha,.d Michel. Die Welt als Schule. Ratlee, Comenius und die didaktische Beweglmg. Hanno­".../ Dot1mund e. a. 1978; Klaus Schal/ .... Die Piidagogik desJohann Amos Comenius und die Anfä'ngedes pä'dagogischen Realismus im 17. Jahrhundert. HeidJb ... g 1962, bes. S. 356ff.; GeorgesSnyders. Die große Wende der Pä'dagogik. Die Entdeckung des Kindes Imd die Rewlution der E,.ziehungim 17. Imd 18. Jahrhundert in Frank,.eich. Ob ... tragen und eingerichtet"on Ludwig Schmidts.Paderbom 1971; Ulrich Herrmann. Die Pädagogik der Philanthropen. In: Klassik ... der Pädagogik.Bd. 1: Von E,.asmus "on Rott ... dam bis H ... b ... t Spenc .... H,.sg. ". Hans Scheu ... l. München 21991,S. 135-158; ders. 01- ,biirgerliche Eniehung' in F,.ank,..,ich Imd Deutschland im 18. Jahrhlmdert.In: Aufklä·,.ungen. F,.ank,.eich und Deutschland im 18. Jahrhundert. 2 Bde. hrsg. ". Gerha,.d SauderImd Jochen S chlohbach. HeidJb ... g 1985, Bd. 1, S. 47-64; Horst K,.ause. Die al/gemeinbildendeDimension im Elementa,.werk Johann Bernha,.d Basedows (1724-1790). Zum Bildungskonzeptder Aufklärung. In: Zwischen Renaissance und Aufklärung. H,.sg. ". Klaus Gerber und Wi/j,.iedKiirschner. Amst ... dam 1988, S. 273-298; Ka,.1 Hel",.... D ... Wandel tks pä'dagogischen Denkens im17. Jahrhundert. In: Pädagogisches Denken"on den Anfängen bis zu,. Gegenwa,.t. H,.sg. ". WolfgangFisch ... Imd Diet ...-]ürgen Löwisch. Da,.",stadt 1989, S. 79-92; Ha,.tmllt Titze. Die Politisi"'lmgder E,.ziehung. Unt ... suchungen üb ... die soziale Imd politische Funktion der Eniehung"on der Aufklärung bis zum Hochkapitalismus. F,.ankfurt a. M. 197.:3, S. 12--86; Ludwig wn F,.itdJ,u"g. Bildungs,.ej_in Deutschland. Geschichte und gesJlschaftlich ... Widerspruch. F,.ankfun a. M. 1989(mit umfan8"'ichw Lit ... atu,.); Niklas Luhmann. Theoriesubstitution in der Eniehungswissmschaft:Von der Philanthropie zum NeuhumanismllS. In: D ... s., GesJlschaftsst,.uktur, Bd. 2, s. 105-194;Ulrich Herrmann. Aufklärung als pädagogischer Prozeß. Konzeptionen, Hoffnungen und Desillusioni... ungen im pä'dagogischen Denken der Spätaufklärlmg in Deutschland. In: Aufklärung, 2.2(1988), S. 35-56; HJga Glantschnig. Liebe als D,..,ssllf'. Kinderwziehung in der Aufklä·,.ung.F,.ankfu,.t a. M./ New York 1987; Philipp Aries. Geschichte der Kindheit. München/Wien 1975;F,.ied,.ich Paulsen. Aufklärung Imd Aufklärungspä'dagogik. In: Aufklärung, Absolutismus,S. 275-293; Möller, Vernunft, bes. S. 11Off.; Kiesel/Miinch, Gesellschaft, S. 67ff.; RudolfVi ...-haus. Aufklärung als Lernprozeß. In: Ders. Deutschland. Gijttingen 1987, S. 84-95; Wehler, Gesellschaftsgeschichte,S. 281ff. Carlo M. Cipolla. Einleitung in: EWg, Bd. 3, S. 9 resümiertlakonisch, in der Industriegesellschaft sei "kein Platz tür Analphabeten". Kardinal zur Psychogenesedes Bürgers in der Pädagogik der Aufklärung: Christian Begemann. Fu,.cht undAngst im p,.ozeß der Aufklärung. Zu Lit ... atu,. Imd Bewußtseinsgeschichte des 18. Jahrhunderts.F,.ankfurt a. M. 1987, bes. S. 165-255.26) Als Negativbeispiele mögen die gescheiterten Reformen Josephs 11 in Österteich-Ungarn,das Stecken bleiben der Reformen Karl Theodors in Bayern und auch die Reform Dänemarksdurch den Hamburger Arzt Struensee dienen; theorieloseren Projekten, wie z. B. die ReformenFriedrichs 11, dessen Wirtschaftspolitik sich "jahrzehntelang im Stadium des Probierensbefand" (Treue, Wirtschaft, S. 180) und den physiokratisch inspirierten ReformenMarkgraf Carl Friedrichs v. Baden, schien dagegen - wenn auch im Verzicht auf die ,reineLehre' - mehr Erfolg beschieden (vg!. GÜnt ... Birtsch. D ... ldealtyp des aufgeklärten Herrsch ... s.F,.ied,.ich der G,.oße, Ka,.1 Friedrich "on Baden undJoseph II im Vergleich. In: Aufklä,.ung 2.1(1987), S. 9-48; CI.",.". Zi~nn. ,Noth' Imd, Thellef'lmg' im badischen Unterland. Reformku,.sund K,.isenmanagement unter dem aufgeklärten Absolutismus. In: Aufklärung, 2.1 (1987),S. 95-120; Birger P. P,.iddat. Die Änderung der physiok,.atischen Konzeption 1775. Karl F,.iedrichsvon Baden-Durlach ,Abregt und Pierre-SamuJ Du Ponts de Nemours ,Table raison";". In:Aufklärung 2.2 (1988), s. 113-1.:34). Zum ,Reformabsolutismus', der den Begriff des ,aufgeklärtenAbsolutimus' teilweise verdrängt hat, vgl. die in Anm. 18 genannte Literatur,bes. Fritz Ha,.tung. D ... aufgeklä·,.te AbsolutismllS. In: Der aufgeklä'ne AbsolutismllS, S. 54-7.:3 undin: Absolutismus, S. 118-151 sowie in: Die Entstehung des modernen sou" ... änm Staates. Hrsg. ".Hans Hubwt Hofmann. Köln/ Berlin 1967; Geraint Parry. Aufgeklärte RegiH'llng und ihre Kritikerim Deutschland des 18. Jahrhunderts. In: D ... Aufgeklärte Absolutismus, S. 163-181; daneben:Wehler, Gesellschaftsgeschichte, S. 23Off.; Dipper, Geschichte, S. 223ff.27) Vgl. Treue, Wirtschaft, S. 147ff., bes. S. 156 u. 162f.; Dipper, Geschichte, S. 153ff.; Weh-340


leI', Gesellschaftsgeschichte, S. 9Of(., bes. S. 109. Beredtes, wenn auch extremes Beispielmöglicher Karriere ist der Aufstieg des Leipziger Kaufmanns Heinrich Karl Schimmelmann.Im siebenjährigen Krieg durch Verkauf ,eroberter' sächsischer Luxusgüter und durchGetreidelieferungen an die preußische Armee zu Wohlstand gelangt und zum GeheimenRat aufgestiegen, transferierte er sein Kapital in die sicherere Hansestadt Hamburg, ließsich aber nicht dort, sondern in der zum schleswig-holsteinisch-dänischen Reichsgebietgehörenden Konkurtenzgl'Ündung Altona nieder und begann, sich im Staat unverzichtbarzu machen, indem er Güter des verschuldeten Adels und defizitäre Unternehmungen derKrone aufkaufte. 1761 wird er Generalkommerzintendant und Resident im niederslichsischenKreis, ein Jahr später Freiherr, 1779 Graf. Mittlerweile ist er Chef der Schatzkammer,Deputierter des Kammerkollegiums, Mitglied der Finanz- und Handelskommision undChef der Steuerdirektion - d. h. er kontrolliert die Staatsfinanzen. Als er 1782 stirbt, trittsein Sohn Ernst die Nachfolge an. Die Epoche Schimmelmannscher ,Herrschaft' wird in derdänischen Geschichte ,die glänzende' genannt. (Vgl. Cbristian Degn. Die SchimmJ"""nns imatlantischen Dreiedeshandel. Gewinn II1Id Gewissen. Nellmiinster 1974; ders. Art. ,SchimmJ"""nnfamilie/Heinrich Ernst SchimmJ"",nn / Heinrich Carl Schimmerimann'. In: Biographisches Lexikonfm Schieswig-Hoistein lind LiibKk. Bd. 7, Nellmiimter 1985, S. 265-279.)28) Friedrich Pohlmann interpretiert den Merkantilismus politisch als "Versuch, eine ökonomischeBasis NI' das absolutistische Heer zu schaffen" (Pohlmann, Herrschaftssysteme,S. 53); dessen Unterhaltung verschlang, wie Geoffrey Parker nachweist, einen Großteil desStaatsbudgets (vgl. Geoffrey Parker. Die militiirische Revoilltion. Die Kriegskllmt lind der Allfstiegdes Wutms. Prankfurt a.M./New York 1990, S. 86ff.). Die Strategien merkantilistischerWirtschaftpolitik - nach Pohlmann: Unifizierung, Reglementierung und Privilegierung(Pohlmann, Herrschaftssysteme, S. 55) - dienten unmittelbar der Geldschöpfung und vermitteltder Errichtung eines Gewaltmonopols (vgl. a. a. 0., S. 53). Dieses Interesse an einerMonetarisierung der Gesellschaft stiftet eine prekäre Koalition zwischen Krone und Handel,die sich gegen ständische Privilegien - feudale wie zünftige - richtet (vgl. Bauer/Matis, Geburt,S. 216ff.; Treue, Wirtschaft, S. 151ff.; Vierhaus, Ständewesen). Geschäftsgrundlagedieses Bündnisses ist das Bestreben um Beschleunigung des Wertetransfers, auch wenn dieserauf der staatlichen Seite zunächst nur mittelbar der Produktion von Reichtum, unmittelbaraber der Produktion von Macht dient, während beim Kaufmann die Produktion vonReichtum unmittelbar, die Produktion von Macht aber über monetäres Kapital vermittelterfolgt. Mit der Durchsetzung kalkulatorischer Logik wird auf staatlicher Seite die feudalpersonaleMachtkaskade durch einen ,Verwaltungsapparat', auf gesellschaftlicher Seite zünftigeProduktion - tendenziell und über die Zwischenstufe des Verlagswesens - durch dieMechanik manufakture11er, später industrieller abgelöst. Beide Prozesse sind Ausdruck umfassenderDepersonalisierung: Im Produktions- wie im Verwaltungszusammenhangerscheint das Individuum nicht in der Ganzheit seiner Person, als Handels- bzw. Handelns­Partner, sondern als funktionales und funktionierendes Element des Gesamtmechanismus'.Gefordert ist weniger persönliches Engagement als Verläßlichkeit, welche die Bedürfnisseder Person den Interessen des Prozesses, in dem sie steht, jederzeit zu unterwerfen bereit ist,auch wenn diese nicht erkennbar sein oder widersinnig erscheinen sollten. Solche Verläßlichkeit-in-abstracto,die nur vermittelt Personen, unvermittelt aber der Regelhaftigkeitvon Prozessen gilt, ist konstitutives Produktionsmittel des Handels. In einer idealtypischenFormulierung, die aber, wie ich glaube, durchaus historisch diskutiert werden müßte: Vomfeudalen Spiel der Macht abgeschnitten, kehrt der Kaufmann den Rest ihm verbliebenerGewalt, i. e. seine eigene, gegen sich, um durch Selbst-Behertschung eine Ebene zu schaffen,die der Macht entzogen ist. Weil Gewalt in ihrem Diskurs nicht thematisiert werden kann,ist sie zugleich überall und dennoch nirgendwo zu fassen. Der Diskurs des Geldes entziehtsich der Exekutierung von Macht an den Subjekten, da diese die Gewalt, die man ihnenantun könnte, sich je schon angetan haben. (Der Tatsache, daß ,der schwache Mensch' dochvor ihm zugefügter Gewalt kapitulieren könnte, wird Rechnung getragen, indem mandie Personen von den Objekten der Begehrlichkeit, den Schätzen, trennt, diese an sicherenPlätzen lagert und nur noch virtuell zirkulieren läßt. Im ,Dialog' zwischen Macht und341


Reichtum ist die argumentative Überlegenheit des letzteren außerdem gewährleistet, dader monetäre Diskurs überlegene Geschwindigkeit besitzt, weil weder die natürliche Topographiedes Tausches durchlaufen, noch die Masse seiner Güter bewegt werden muß; auchist bessere Tarnung - Mimikry an die Armut der Ohnmacht - möglich.) Die Antizipationvon Gewalt etabliert einen immanent gewaltlosen Diskurs, einen Diskurs, der auf der adäquatenund verlustfreien Transformation virtueller Entitäten basiert. Auch das Individuumkann an ihm nur als virtuelles, nicht als personales partizipieren: Es wird zum funktionalenOrt von Transformationen. Genau diese Eigenschaft qualifiziert es fUr Industrie wie Bürokratie,stellt es aber gleichermaßen in Opposition zur traditionellen personalen Machtkaskadewie zum körperschaftlichen Produktionszusammenhang der Zünfte. Wehler betrachtet"den Aufbau des frühneuzeitlichen Staates als einen .großen EnteignungsprozeB'zugunsten des Herrschers auf Kosten der alten Feudalrnächte." (Wehler, Gesellschaftsgeschichte,S. 221)29) V gl. Albert O. Hirschmann. Leidenschaft lind Interessen. Politische Begriindung des Kapitalismlls vorseinem Sieg. FrankflIrt a. M. 1984. Hirschmann beschreibt die reflektorische Aufarbeitung einesProzesses, der als praktischer, folgt man Rudolf zur Lippe, schon aus der italienischenFrührenaissance herreicht (vgl. Rlldolf zur Lippe. Naturbeherrschung am Menschen. Körpererfahrllngals Entfaltung von Sinnen lind Beziehllngen in der Ära des italienischen KalIfmannskapitals.2 Bde. FrankflIrt a. M. 1974; vgl. auch: Hennillg Eichberg. Geometrie als barocke Verhaltensnorm.Fortifikation lind Exerzitien. In: Zschr. f Hist. Forsch. 4 (l977J. S. 17-50; Bauer/Matis, Geburt,S. 232/f.). Zum Problembereich des von Gerhard Oesrreich als .Sozialdisziplinierung'bezeichneten Prozesses vgl. G. Oestreich. Strllkturprobleme des europiiischen Absolutismus. In:Ders., Geist, S. 179-197; Gessinger, Sprache; Paul Mog. Ratio und Gefiihlskllltllr. Studien zurPsychogenese lind LiteratIIr im 18. jaJJrhundert. Tiibingen 1967; Pikulik, Leistungsethik; Dipper,Geschichte, S. 202/f.30) Johann Gotdieb Fichte. Der geschlossene Handelsstaat. Philosophischer Entwurf als Anhangzur Rechtslehre und Probe einer künftig zu liefernden Politik. Jena 1800. In: FichtesWerke. Hrsg. v. Immanuel Hermann Fichte. Berlin 1845/f. (Nachdruck Berlin 1971),Bd. 3, S. 387-513; vgl. Bauer/Matis, Geburt, S. 276/f.31) Zur Etablierung eines staatsökonomischen Kalküls vgl. Michel FOllcault. Die Ordnung derDinge. Frankfurt a. M. 1971, S. 221 ff.; Ernst Hinrichs. Prodllit Net, Proprietaire, Cliitivateur.Aspekte des sozialen Wandels bei den Physiokratm und Tllrgot. In: Ders. Anaen Regime,S. 126-157; Vlrich MIiMack. PhJsiokratie ulld Absolutismlls in Frankrei"b und Deutschland. In:Zschr. f Hist. Forsch. 9 (1982), S. 15-46; Dietbelm Klippei. Der Einfluß der Pbysiokraten allf dieEntwicklung der liberalen politischen Tbeorie in Deutseb/and. In: Der Staat. 23 (1984).S. 205-226; Klaus Gerteis. Physiokratismus ulld allfgekliirte Reformpolitik. In: Aufkliirllng 2.1(1987), S. 75-94; Peter Biirger / Gerbard LeitbiiJlscr. Die Theorie der Physiokraten. Zum Problemder gesellschaftlichen Funktion wissenschaftlieber Theorien. In: Wolfenbiittler Studien Zllr Aufkliirung,Bd. 3, S. 355-376; Bauer/Matis, Geburt, S. 268/f. u. bes. 271f. Zu den allgemeinenVoraussetzungen im Verwaltungssystem vgl. Donald Wincb. Das Aufkommen der VolkswirtschaftslehrealsWissenschaft 1750-1870. In: EWg, Bd. 3. S. 333-378; Gabriella Valera. Statistik,Staatengeschichte, Geschichte im 18. jahrhllndert. In: Aufkliirung und Geschichte. Studien zurdeutschen Geschichtswissenschaft im 18. jahrhundert. Hrsg. v. Hans Erich Bö'deker, Gevrg G. Iggerse.a. Göttingen 1986, S. 119-143.32) So stellt der Bankier und Kaufmann Richard Cantillion, auf den Quesnay und Mirabeau,aber auch noch Adam Smith Bezug nehmen, 1755 fest: "Ich habe schon bemerkt, daß eineBeschleunigung oder eine größere Geschwindigkeit des Geldumlaufs im Tauschverkehr biszu einem gewissen Punkt wie eine Vermehrung des Bargelds wirkt." (Richard Cantillon. Essaysurla nature du commerce en gineral. (1755) Dt. als: Abhandlllng iiber die Natur des Handelsim allgemeinen. Mit einem Vorwort v. F. A. von HaJek.jena 1931, S. 104; zitiert nach: Bauer!Matis, Geburt, S. 295; vgl. Foucault, Ordnung, S. 211ff., bes. 234ff.; Bauer/Matis, Geburt,S. 249/f.; KieseUMünch, Gesellschaft, S. 3lff.; Treue, Wirtschaft, S. l00ff.)33) Vgl. Geoffrey Parker. Die Entstehung des modernen Geld- lind Finanzwesens in Europa.1500-1730. In: EWg, Bd. 3, S. 335-379. Die Rolle der Risikovorsorge hat Niklas Luhmann342


unlängst herausgestellt: .. Die Risiken sind nicht etwa systeminterne Abbilder von Gefahren,die in der Umwelt der Systeme bestehen. Sie sind im Gegenteil konstitutive Eigenleistungender Systeme im Umgang mit sich selbst. Vielleicht sinkt dadurch die Gefahrenschwelle,der ein System gegenüber seiner Umwelt ausgesetzt ist, weil man wirksamer vorbeugenkann. Jedenfalls aber steigt die interne Riskanz der Operationen des Systems. Schließlichgibt es zwar noch mehr oder weniger gut abgesicherte Entscheidungen, aber kein schlechthinrisikofreies Verhalten mehr. [ ... } Schäden werden prinzipiell auf Entscheidungen zugerechnet,Entscheidungen aber durch einen Risikoverbund der Organisationen so abgefedert,daß man Fehlentscheidungen schwer lokalisieren und Schadensfolgen verteilen kann. DieRisiken sind dann nicht mehr allzu riskant; aber sie werden auf indirekte Weise wieder zuGefahren für den, der an der Entscheidung nicht beteiligt ist, nichts mitriskiert, aber dieFolgen zu spüren bekommt. Man muß sich nicht wundern, wenn eine so operierende Gesellschaft:schließlich Angst vor sich selber bekommt." (Niklas Lllhmann. Die Wirtschaft derGesellschaft. FrankflIrt a. M. 1988, S. 269(.)34) Zur physiokratischen Theorie, die nach dem Modell des Blutkreislaufs zum ersten Male eingeschlossenes Modell des Wirtschaftskreislaufs entwickelte vgL Foucault, Ordnung,S. 241ff.; Hinrichs, Ancien Regime, a. a. 0.; Bauer/Matis, Geburt, S. 282ff.; exemplarisch:Birger P. Priddat. ,Wohldllrchdachte Tafel der Prinzipien der politischen Okonomie'. Obersetzung der,TabI. raisonnie des principes de I' economie politiqlle' des Pierre-Samllel DII Pont de Nemollrs ( 1775).In: Allfklä·rllng 2.1 (1987), S. 125-148; vgL Priddat, Änderung. Zum Modell eines sichselbst stabilisierenden Systems vgL auch: Otto Mayr. Uhru'erk und Waage. AutoritäT, Freiheitund technische Systeme in der frühen Neuzeit. München 1987, S. 197ff.35) Foucault, Ordnung, S. 247.36) Anne-Robert-Jacques Turgot, der gewöhnlich zum physiokratischen Lager gerechnet wird,aber eine relativ eigenständige Position vertritt, differenziert zwischen ästimativem und appreziativemWert. Ersterer ist, wie Foucault unterstreicht, .. absolut, weil er jede Ware inividuellund ohne Vergleich mit einer anderen betrifft; dennoch ist er relativ und verändertsich, weil er sich mit dem Appetit, dem Verlangen oder dem Bedürfnis der Menschen ändert."(Foucault, Ordnung, S. 248); der appreziative Wert bestimmt dagegen das Äquivalentdes Tausches. Dabei erscheint, wie Foucault unterstreicht - und damit ein Kernstückder Ideologie des Kommerzes markiert -, das im Tauschwert Äquivalente dem Rezipientenje als Wertvolleres und demzufolge der Tauschakt für beide Seiten gewinnbringend: .. Diese(appreziative) Gleichheit bedeutet aber nicht, daß man Nützlichkeit für Nützlichkeit inidentischen Portionen tauscht; man tauscht Ungleichheiten aus, das heißt, von bei den Seiten- und obwohl jedes Element des Geschäfts eine immanente Nützlichkeit hat - erhältman mehr Wert, als man besaß. Statt zweier unmittelbarer Nützlichkeiten hat man zweiandere, von denen die Ansicht herrscht, daß sie größere Bedürfnisse befriedigen." (Foucault,Ordnung, S. 249)Geht man von der Bedürfnisstruktur der Subjekte aus, so zeigt sich, daß dem Äquivalentdes Tauschwertes je subjektiver Zugewinn im Tausch entspricht. Aus dieser Trennung vonTauschwert und - zunächst noch: je persönlichem, d. h. subjektiv vermeintlichem - Gebrauchswertkann sich die Ideologie des Kaufmanns legitimieren. Doch ist die jeweilige Bedürfnisstrukturder Subjekte deren Privatangelegenheit nur dann, wenn sie das Funktionierender Tauschvorgänge nicht behindern und möglichst fördern, denn der optimale Grad angesellschaftlicher Bedürfnisbefriedigung wird dann ereicht, wenn ungehinderter Warenflußbestmögliche Distribution der Güter erlaubt. Damit aber schlägt der bloße Formalismusdes Tausches ins Inhaltliche um, denn jeder, der sich dem Tausch verweigert, ihn behindertoder Güter hortet, schädigt den Prozeß der Güterverteilung; die Funktionalität der Personimpliziert aber eine spezifische Strukrur ihrer Bedürfnisse. Deren Wertigkeit wird jedochnicht mehr im moralisch-theologischen Sprach spie! gedacht, sondern entweder begriffsverbrämtoder in unverblümtem Kalkül, auf jeden Fall aber utilitaristisch legitimiert. Der Begriff,Bedürfnis' selbst mit seiner spezifischen Arnalgamierung aus den traditionellen Begriffennecessitas - Notdurft - und appetitus - persönliches Streben - wird in der deutschenSprache in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts heimisch. Er ist eine Chiffre der funk-343


tionalen Reorganisation des Subjekts im Paradigma kalkulatorischer Logik (vg!.Johann BaptistMiiller. Art. ,Bedürfnis'. In: GG, Bd. 1, S. 440-489).37) Foucault, Ordnung, S. 243.37) Vg!. ebd.39) Jean-Nirolas Guenneau de Saint-Piravy. Journal d' agricultuNl. Dezember 1765; zitiert nach: Foucault,Ordnung, S. 243; vg!. Bauer/Matis, Geburt, S. 288. Dem steht die Selbsteinschätzungdes Kaufmanns gegenüber: Er versteht sich als reines Medium des Transfers. Vg!. FernandBraudei. Sozialgeschichte des 15.-18. Jahrhunderts. Bd. 2: Der Handel. Miinchen 1986 (zuerstParis 1979).40) Viaor Riqudi, Co",te de Mirabeau. Philosophie rurale. Amsterdam 1763, S. 8; zitiert nach:Foucault, Ordnung, S. 245.41) A. a. 0., S. 33; zitiert nach: Foucault, Ordnung, S. 245.42) Vg!. Bauer/Matis, Geburt, S. 291ff., bes. S. 192; KiesellMünch, Gesellschaft S. 33ff.;Bairoch, Landwirtschaft, S. 306f. Diesem Prozeß entspricht der Begriffswechsel von ,Bauer'zu ,Landwirt' (vg!. Conze, ,Bauer'; Bauer/Matis, Geburt, S. 291 u. 293; KiesellMünch, Gesellschaft,S. 35).43) Vg!. Conze, ,Bauer', S. 412ff.; KiesellMünch, Gesellschaft, S. 35; Press, Städtewesen, S. 9·44) "Man kann fast sagen," so Volker Press, "daß die sich formierende Territorialgewalt zugleichAutonomie und Finanzkraft der Städte aufsog." (Press, Städtewesen, S. 3. Zur Formierungdes Territoriums vg!. Gerhard Oestreich. Stcindetum und Staatsbildung in Deutschland.In: Ders., Geist, S. 277-289; ders., Strukturprobleme; Dietmar Willt>Weit. Rechtsgrund/agen derTerritorialgeschichte. Landesobrigkeit, Herrschaftsrecht. und Territorium in der Rechtswissenschaft derNeuzeit. Kötn/Wien 1975, bes. S. 274ff.) Dabei kam es zu territorialstaatlichen Konkurrenzgründungenin der Nachbarschaft freier Reichsstädte, deren Manufakturen zu den Produktender städtischen Zünfte in Konkurrenz traten; überdies wurden durch Zollschranken denReichsstädte der Zugang zu ihren traditionellen Märkten erschwert (vg!. Press, a. a. 0.,S. 12; zur Ökonomie der ,Knappheit' vg!. Niklas Luhmann. Knappheit, Geld lind bürgerlicheGesellschaft. In: Jahrbuch für Sozialwissenschaften, Bd. 23 {1972}, S. 186-210; Günther Nonnenmacher.Die Ordnung der Gesellschaft. Mangel und Herrschaft in der politischen Philosophie derNeuzeit: Hobbes, Locke, Adam Smith, ROlISseau. Weinheim 1989, S. 23ff. u. 84ff.; Erbe, S. 39[0.45) Während des 18. Jahrhunderts existierten eigentlich zwei parallele Münzordnungen: eine jeinnerstaatliche, die dem Zugriff des Souveräns unterlag, und jene des ,liberum commercium',die an den großen Handelsplätzen auf Messen durch die Bank- und Handelshäuserfestgelegt wurden (vg!. Hans Mallersberg. Die Wcihrllngspolitik der großen delltschen Handelsstcidtelind der fürstliche Flä'chenstaat Mittelellropas im Zeitalter des Absolutismus. In: Stadtewesen,S. 15-29; hier: S. 20). Erste Münzabsprachen auf deutschem Boden gab es in Frankfurt a. M.bereits 1585; im 18. Jahrhundert erfolgten Umrechnungen zumeist nach dem Leipziger,Messtaler' oder die Hamburger .Bankomark' (vg!. a. a. 0., S. 17, vg!. S. 22). Das Agio undDisagio, welches bei der Konvertierung auf gute bzw. schlechte Währungen erhoben wurde,war natürlich den staatlichen Finanzmanipulatoren ein Dorn im Auge. Dies fühere imFalle Hamburgs soweit, daß die Freie Hansestadt massiv bedroht wurde und durch Garantienanderer europäischer Staaten gestützt werden mußte (vg!. a. a. 0., S. 25f.; vg!. BemdSprenger. Das Geld der Demschen. Geldg.schichte Deutschlands. Paderborn, 1991; sowie: BertrandGille. Bankwesen und Industrie in Europa 1730-1914. In: EWg, Bd. 3, S. 165-194).46) Erste Gründungen von Seehandelsgesellschaft:en erfolgten im 16. Jahrhundert; bereits im17. ging man dazu über, das Risiko dieser kapitalintensiven Unternehmen durch Ausgabevon Aktien und Obligationen zu streuen, und so den Gesellschaft:en selbst zu großerer Beständigkeitzu verhelfen (vg!. Parker, Entstehung, S. 353ff.; BraudeI, Handel, S. 475ff.). Daszersplitterte deutsche Reich hinkte auch auf diesem Gebiet hinterher, so daß selbst die 1772gegründete preußische Seehandelsgesellschaft: fast zur Gänze aus königlichem Kapitalfinanziert werden mußte (vg!. Treue, Wirtschaft, S. 171).47) Auch der Begriff der ,Industrie' bezeichnet zunächst unscharf einen "Komplex moralischerund intellektueller Dispositionen" (Dietrich Hilger/ Lucian Hiilscher. Art. ,Industrie'. In: GG,Bd. 3, S. 237-304; hier: S. 240); zunächst allgemein als Kombillation von Fleiß und Fertig-344


keit - und als paradigmatisch kaufmännische Tugend - verstanden, wird in der zweitenHälfte des 18. Jahrhunderts der .Industrie' im Gegensatz zu bloßem, traditionsvethafteten,Fleiß' konstitutiv ein innovatorisches Moment zugesprochen (vgl. a. a. 0., S. 265ff.; vgl.Wehler, Gesellschaftsgeschichte, S. 113).48) .Landwirtschaft' iIt bäuerliche Wirtschaft nach rationaler, .wissenschaftlicher' Methode (vgl.Conze, Bauer).49) Bauer/Matis sprechen von •. räuberischen' Grundsätzen des Fernhandels·, denen merkantilistischeAußenpolitik folgt und belegen dies mit einer Äußerung Sir Joshua Childs: .JederHandel ist eine Art von Kriegsführung. « (Bauer/Matis, Geburt, S. 260; vgl. Kuliseher,Wirtschaftsgeschichte, Bd. I, S. 89[.) Im interterritorialen Zusammenhang betrachtet, erscheintdie gepriesene Pazifizierung des Inlandes - die, nebenbei, auch dort von reichlichzweifelhafter Natur ist - schlicht als Mobilmachung, als Funktionalisierung der Ressourcendes Herrschaftsgebietes zum Machtgewinn im kalten ökonomischen .Krieg', und, wenn sichdie Gelegenheit bietet, auch zum militärischen Coup. Am bequemsten ist ein solcher natürlich,wo dem aggressiven Begehren eine arglose Bevölkerung begegnet: Der Übergang vonHandelsbeziehung zu kolonialer landnahme ist fließend. Zum Krieg als Mittel der Politikvgl. Dipper, Geschichte, S. 292ff.50) V gl. Günther Buck. Se/bIterha/tung und HiItorizitiit. In: Subjektif'itiit und Se/bIterhaltung. HrIg.f'. Ham Ebe/ing. Beitragen zu einer DiagnoIe der Moderne. Frankfurt a. M. 1976, S. 208-302; zuCampe: vgl. Hilger/Hölscher, ,Industrie', S. 260.51) Friedrich Gedike. Ober Ber/in. Von einem Freunde. 18. Brief In: Ber/iniIche MonatJJchrift.1783-1796. HrIg. f'. Friedrich Gedike u. johann Erich BieJter. NachdrllCk (AuIwah/), hrIg. f'. PeterWeber Leipzig 1986, S. 68-74; hier: S. 72.52) Im Sinne von: Miche/ SerreJ. Der ParaIit. Frankfurt 21984.53) Heinrich Phi/ipp Sextroh. Ober die Bildung der jugend zur InduItrie. Gö"ttingen 1785, S. 35f.u. 37; zitiert nach: Hilger/Hölscher, ,Industrie', S. 265.54) JUItUI Mö:rer. Patriotische PhantaIien. Leipzig 1986, S. 128; vgl. dort die Krämer-DefinitionS.18.55) Auf die Frage, was er denn für sie tun könne, erhielt Colbert von den Lyoner Kaufleuten dieberühmte Antwort, man solle sie (nur) machen lassen: •.Laissez nous faire.« (zitiert nach:Bauer/Matis, Geburt, S. 243)56) Mercier de /a Rif'iere. L'ordre nat_el. 1846, S. 55; zitiert nach: Bauer/Macis, Geburt, S. 286.57) Zur kaufmännischen Mildtätigkeit und ihren Grenzen vgl. Martens, Botschaft, S. 318; Pikulik,Leistungsechik, bes. S. 160. Exemplarisch für den universellen Anspruch dieser Dispositionkann die Charakteristik Gleims von Goethe stehen: ..[E]in leidenschaftliches Wohlwollenlag seinem Charakter zugrunde, das er durch Wort und Tat wirksam zu machensuchte. Durch Rede und Schrift aufmunternd, ein allgemeines, rein menschliches Geruhl zuverbreiten bemüht, zeigte er sich, als Freund von jedermann, hülfreich dem Darbenden, armerJugend aber besonders forderlich. Ihm, als guter Haushalter, scheint Wohltätigkeit dieeinzige Liebhaberei gewesen zu sein, auf die er seinen Überschuß verschwendet. [...] Allesjedoch zusammengenommen, muß man ihm den eigentlichsten Bürgersinn in jedem Betrachtzugestehen; er ruhte als Mensch auf sich selbst, verwaltete ein bedeutendes öffentlichesAmt und erwies sich übrigens gegen Stadt und Provinz und Königreich als Patriot, gegendeutsches Vaterland als echten Liberalen. Alles Revolutionäre dagegen [...] ist ihmhöchlich verhaßt [...]" (f. W. Goethe. Werke. HrIg. f'. Erich Trunz e. a. {Hamburger AUIgabe}München 10 1974, Bd. 10, S. 488f.)58) Die Überlegungen von Gellerts .Menschenfreund' - Philanthrop - zeigen deutlich, daß hinterder Mildtätigkeit nicht christliche Armutsideale oder vanitas-Motive stehen, sondern dasKalkül einer auf - freilich: beschränkter - Sozialität gegründeten Existenz: .. Die Welt hatRecht genug zu meinem Wohlergehn./WaI ich nicht Je/bIt bedarf, muß ihr zu Dienstestehn.« (fohann Friedrich Geliert. Mora/iuhe Gedichte: Der Memchenfreund. In: DerI. SamtlicheSchriften. Bd. 2 {1764}. NachdrllCk Hi/deJheim 1968, Bd. 1, S. 7 I Hervorhebung: L. S.) WolfgangMartens faßt die Position der ,Moralischen Wochenschriften' folgendermaßen: .DerRechtschaffene teilt, wo es not tut, großmütig von seinem Reichtum mit. Im Umgang mit345


Armen vorzüglich kann sich seine Tugend bewähren. / Daß Wohltun dennoch mit Maß undZiel erfolgen soll, unvernünftige Barmherzigkeit, allzu zärtliches Mitleid von Übel seinkönnen, vergessen die Wochenschriften nicht zu erwähnen. Bedingung,Ylose Mildtätigkeitist nicht Sache des Vernünftigen." (Martens, Botschaft, S. 318; vgl. Pikulik, Leistungsethik,S. 157) .. Deswegen hat mir ja Gott Geld gegeben, daß ich anderen damit dienen soll." entschuldigtder Kaufmann Herrmann, ideale Elternfigur des erfolgreichen ,Moralischen Elementarbuches'des Philantrophen Salzmann, seinen Reichtum (Christian Gotthi/fSalzmann.Moraliuhel Elementarbuch. HrJg. v. Huberr GiibelJ. Nachdruck der Auflage von 1785. Dorfmund1980, S. 400; vgl. John W. Van Cleve. Th. Merchant in German Literature. Chappel Hili / London1986). Ernst Cassirer formuliert implizit jenen Konnex der Logiken von Vernunft undGeld, den Salzmanns Modellbürger als religiös legitimierten ethischen Auftrag - und damitim Sinne Webers - behauptete /Ur die Aufklärung: .. Die Vernunft ist weniger ein Besitz alssie eine bestimmte Form des Erwerbes ist. Sie ist nicht das Ärar, nicht die Schatzkammerdes Geistes, in der die Wahrheit, gleich einer geprägten Münze, wohlverwahrt liegt;" (Cassirer,Philosophie, S. 16) Lucien Goldmann interpretiert den merkantilen Habitus als Folgeeines objektiven ökonomischen Prozesses: "Die wichtigste Folge in der Entwicklung derMarktwirtschaft ist in der Tat diejenige, daß das Individuum, welches in der Produktionund Zirkulation der Güter nur ein Element des gesellschaftlichen Gesamtprozesses bildet,jetzt in seinem eigenen Bewußtsein und im Bewußtsein der Mitmenschen als ein autonomesElement, als eine Art Monade, als ein Anfang erscheint. Der Gesamtprozeß besteht zweifellosweiter und impliziert natürlich eine bestimmte Regelung der Produktion und des Austauschs;in den früheren Gesellschaftformen war er aber nicht nur objektiv da, sondern auchbewußt in der Form der traditionellen, religiösen, rationalen etc. Vorschriften, die das Handelnder Menschen bestimmten. Jetzt verschwinden alle diese Vorschriften immer mehr ausdem Bewußtsein. Die Regelung setzt sich auf dem Markte implizit durch das blinde Spieldes Angebotes und der Nachfrage durch." (Goldmann, Bürger, S. 22/ Hervorhebungen imOrginal) Von der Interdependenz und Kongruenz beider Ebenen wird auch hier ausgegangen,doch kommt es dieser Arbeit nicht darauf an, die Primordialität einer Ebene zu begründen,sondern der auf dem pädagogischen Gebiet von Begemann untersuchten Prozeßder ,Verbergung' soll in seinen semantischen Implikationen erfaßt werden.59) Produktiv muß natürlich auch Armut verwaltet werden und auch Verbrechen ist gesellschaftlichfruchtbar zu machen. Während seit dem Mittelalter Armut allgemein ein Zustandwar, der Hilfe verdiente, wird jetzt differenziert zwischen in Not geratenen Arbeitswilligen- ihnen ist zu helfen, wie z. B. durch die 1756 auf Anregung]. G. Büschs undG. H. Sievekings gegründete ,Patriotische Gesellschaft in Hamburg - und Arbeitsunwilligen,das sind oft jene, die ihre traditionellen Lebensweisen nicht disziplinieren, d. h. derdurch die Erfordernisse manufaktureller Produktion bewirkten Disziplinierung anpassenwollen. "Diese zahlreiche, bei allem Zusammenhalt untereinander stark differenzierteSchicht, wurde jetzt von dem neuen Arbeitsethos der Aufklärung und des absolutistischenStaates erfaßt, wobei Philanthropie und Profit bald Hand in Hand arbeiteten. Der KameralistJusti formulierte zeitgemäß: ,Es sei die Pflicht aller Menschen, dem Staate durch fleißund Arbeit nützlich zu werden; niemand dürfe ein unnützes Mitglied des gemeinen Wesenssein'. Das Betteln und der Müßiggang,]ahrhunderte lang zumindest geduldet, wurde jetztals sozialer Mißstand empfunden, ja sogar als strafwürdige Handlung, auf die der Staat mitdem Arbeits- bzw. Zuchthaus antwortete." (RudolfEndre.r. Das Armenproblem im Zeitalter deJAbsolutismus. In: Aufkliirung, Absolutismus, S. 220-241; hier: S. 226. [Binnenzitat: j. H. G.vonjusti. Staatswirfhschaft. Bd. 1, Leipzig 1755, S. 384.) Vgl. Werner Conze. Art. ,Arbeit'. In:GG, Bd. 1, S. 154-215; bes. 165-181; Bronislaw Geremek. Geschichte der Armut. Elend undBarmherzigkeit in Europa. München/ Zürich 1988; vgl. Bauer/Matis, Geburt, S. 327ff.) Konsequentwird auch die Strafe, bisher als Rache der Gesellschaft für das an ihr begangene Verbrechenzelebriert, dem investiven Prinzip des Nutzens unterworfen: sie soll weniger Sühneals Instrument der Besserung und Abschreckung sein. Richard van Dülmen charakterisiertdas nun abgelehnte Strafrirual: "Die früh neuzeitliche Strafpraxis ahndete Delikte mit einemkomplizierten System von Ehren-, Körper- und Todesstrafen. Es gab zwar auch Geld- und346


Gefängnisstrafen, doch im Mittelpunkt standen die Strafen, die den Delinquenten in seinerEhre oder an seinem Körper sichtbar trafen. Nicht der Verbrecher stand ja im Vordergrund,sondern das Verbrechen, das zur Wiederherstellung der Ordnung am Körper des Delinquent


Kommunikation mit - und entzieht sich ihr." (A. a. 0., S. 160; vgl. den Soziale SYiteme.Grundriß einer allgemeinen Theorie. Frankfurt a. M. 1984, S. 286--346.). Trotz verschiedenerEinwände der Literaturwissenschaft gegen die Anwendung dieses Modells auf den Bereichder Freundschaft ü~rhaupt (vgl. Eckhardt Meyer-Krentler. Der Bürger ab Freund. Ein iozialethiichtJProgramm und ieine Kritik in der neueren deUfJchm Erziihlliteratur. Miinchen 1984; deri.Freundichaft im 18. Jahrhundert. Einführung in die ForJChungidiikujjion. In: Frauenfreundichaft­Miinnerfreundichaft. Literariiche DiJkurJt im 18. Jahrhundert. HrJg. v. Wolfram Mauier und BarbaraBecker-Cantarino. Tiibingen 1991, S. 1-22) und gegen auf grund des hauptsächlich französischenQuellen entnommenen Materials für Deutschland zu frühe Datierungen (vgl. JuttaGreiJ. Drama Liebe. Zur EntitehungigtJchichte der modernen Liebe im Drama dei 18. JahrhunderfJ.Stuttgart 1991, S. 9-13. Greis' zusätzlicher Einwand - S. 11 -, Luhmann verkenne diecodekritischen Strukturen der Liebessemantik des 18. Jahrhunderts resultieren aus Unvertrautheitmit dem systemtheoretischen Ansatz.) scheint mir der Luhmannsche Ansatz stimmigund wertvoll, denn er entwickelt eine Dialektik des Zeichens und ~schreibt die diskursiveVerschiebung des Begehrens, ohne auf Lacansche Metaphysizismen rekurrieren zumüssen. Eine allgemeingültige und konstante Form der Vermittlung des erotischen Interessesist die rur die frühe Aufklärung konstitutive Uropie einer vernunttgemäßen Funktionalisierungdes affektischen Potentials; eine solche kann freilich nur dekretiert oder erschlichenwerden. Tatsächlich zielt Kants Ehedefinition unter den Bedingungen der rationalenEpisteme aufs Pornographische: auf Befriedigung ohne Seele, funktionale Lusterregung und-abfuhr, selbst wenn diese ihrerseits als Verfahren und Möglichkeit des Subjekts zur Re-Generationseiner Vernunft legitimiert werden kann. Erotik hat Platz entweder in der perhorreszierten- und darum faszinierten - Form des Verlustes der Selbstmächtigkeit: als Verführung,oder sie wird mystifiziert in der Dialektik von Transgression und Restitution. Inder Praxis des gesunden Bürgers hingegen wäre Erotik Verschwendung, denn sie brauchtZeit, und, wie der Bürger weiß, diese ist Geld. In der Weiblichkeitsmetaphorik des Triviums,nach der affektiven .Logik' der Rhetorik, formuliert, birgt die selbst~wußte, schöneFrau Rhetorik am meisten Gefahr; funktional ist das Beschlafen der dürren Grammatik desAlltags; dane~n - und im Geheimen - jedoch unterhält der Bürger eine sado-masochistischeBeziehung zur geharnischten Logik der Lust. Vernünftige Selbst-Behauptung, derPriapismus bürgerlicher Existenz, ist .. in .. Zeichens auch Schmerz der Lust und Lust amSchmerz.61) .. Ich ha~ ~r mit Bedacht gesaget, daß ein Mann mit einer mittelmäßigen Schönheit könnezufrieden seyn. Denn gar zu schöne Weiber sind deren Nachstellungen unterworfen unddeswegen caresiren sie ihre Männer nicht sonderlich, sondern wollen angebetet seyn. Einemittelmäßig schöne Frau a~r suchet dasjenige, so noch an ihrer Schönheit mangelt, durchcaresiren zu ersetzen, und erwecket auch dem Manne nicht so viel Eifersucht." (ChriJfophAuguJt Heumann. Der politiJChe PhiloJoph,lJ. Dm ist t'trnun/ftmiißige AnweiJung zur Klugheit imgemeinen Lehen. (Nachdruck Frankfurt I Leipzig 1724) Frankfurt a. M. 1972, S. 93f.; vgl. Pi kulik,Leistungsethik, S. l06ff.; vgl. GÜnt., Saße. Die aufgeklä'rte Familie. Untersuchungen zurGenese, Funktion und Realitä~sbezogenheit des familialen WertsystemJ im Drama der Aufklä·rung.Tiibingen 1988)62) .. Ein tummes Frauen-Zimmer, wenn es auch noch so schön und reich ist, ist einem Schafegleich. welches ein güldenes Fell hat." (Heumann, Politischer Philosophus, S. 88.) Heumannempfiehlt .Temperamento melancholico-sanguineo', denn: ..[...} wer also eine Frau~kömmet von diesem Temperament, der wird wohl wenig Ursach haben, sich zu ~schweren,oder sich seines Kauffes gereuen zu lassen. [ ... } Denn ~yde Temperamente halten guthaus, und sind auch in puncto sexti getreu." (A. a. 0., S. 89; vgl. 94ff.) Literatur zu der Rolleder Frau in der Aufklärung sowie zu den Themen Körper und Lie~ in: Dai AchtzehnteJahrhundert. 14,2 (1990): Die Aufklärung und ihr Körper. Beiträge zur Leibesgeschichte im18.Jahrhundert. Hrlg. v. Carlten Zelle.63) Laut Heumann .. muß ein Frauenzimmer gesund und stark seyn. Denn sonst bekömmet sieunfehlbar schwache und krankliehe Kinder." (Heumann, Politischer Philosophus, S. 9lf.).Doch empfiehlt sich Gesundheit nicht nur als Kriterium der generationenü~rgreifenden,348


sondern gleichermaßen als egoistische Investition: .So ist es auch ein elendes Thun um eineschwache und ungesunde Frau, indem sie ihre Schönheit vor der Zeit verlieret, und demManne mehr Sorgen, als Vergnügen machet." (A. a. 0., S. 92)64) V gl. Pikulik, Leistungsethik, S. l06f u. 152f. Eine knappe methodische Reduktion in derAufklärung oft latenter Tendenzen des Frauenbildes bietet der Fichtesche ,GnmJriß Ja Fa­",i/imrec!Jts' (E,.ster Anhang ZII tim ,G,.,."d/agm des NatllN'«hts ""eh den Prinzipien tkr Wissenschaftslehre.'(ZlIerst: Je1UI I Leipzig 1796) In: Werke, Bel. 3, S. 304-368). Er gipfelt im Satz:.Im unverdorbenen Weibe äußert sich kein Geschlechtstrieb, sondern nur Liebe, und dieseLiebe ist der Naturtrieb des Weibes, einen Mann zu befriedigen." (A.a.O., S. 311). Dieseplatonistische Metaphysizierung des Geschlechterverhältnisses aus der Perspektive patriarchalischerHerrschaft erkennt im Mann als Zeugendem das begrifTssetzende, in der Frau alsEmpfangender hingegen ein rein materiales Prinzip: Wenn die Aufklärung sich ,dem Weiblichen'zuwendet, ist sie primär um funktionale Separadwdifierung des ,anderen Geschlechts'bemüht; ,Identität' wird ihr vom Mann zugewiesen.65) Die vernünftige Tadlerin 1,24; zitiert nach: Manens, Botschaft, S. 315; vgJ. Saße, Familie,S. 5-27. Doch gilt ebenso: .. Wer also keine eigenen Mittel hat, und auch sonst keine starckeHofTnung hat, reich zu werden, der mut weißlich, wenn er sich nach einer Person umsiehet,die jenes Philosoph i Symbolum sich nicht zueignen kann: Omnia mea mecum porto. Undgewißlich, wenn ein Paar arme Leute einander hcyrathen, so kann man ihnen das untrüglichePrognosticon aus der I. Corinth. VII,28 steHen: Sie werden leibliche Trübsal haben."(Heumann, Politischer PhiJosophus, S. 96f.)66) In Anbetracht der im ersten Teil des Kapitels namhaft gemachten ökonomischen und sozialenVerhältnisse mag es geradezu als Charakeristikum der Aufklärung in der zweiten Hälftedes 18. Jahrhunderts erscheinen, daß die Propagierung und Durchsetzung des mentalenHabitus der Änderung realer Verhältnisse vorausgeht. Doch ist es genauso problematisch,die Exposition des Diskurses mit seiner geseHschafdichen Etablierung gleich(zeitig)zusetzen,denn damit wäre wiederum die Existenz einer struktureH homogenen Episteme zugrundegelegt,und eine derartige ,Universalkodifizierung' der Gleichzeitigkeit ist, wie sichheraussteHen wird, keineswegs selbstverständlich, sondern eben erst Resultat des hier in denBlick genommenen Prozesses. Zu konstatieren aber ist erstens, daß das rationale Denkeneben diesen Anspruch nicht nur erhebt, sondern betreibt, indem es immer weitere Bereicheder Wirklichkeit in seinem Sprachspiel rekonstruiert; und zweitens, daß es bereits stark genugist, die eigenen Normen als verbindlich für die Besetzung gesellschaftlicher FührungsundMultipIikatorenfunktionen durchzusetzen. Zum Wandlungsprozeß der Sprache bes.Eric A. Blackall. Die Entwicklllng Ja Dmtsehm zu,. Literatursprache 1700-1775. Mit ein..", Be­,.icht über nell4 Ftwschll1lgsergebnisse 1955-1964 von Dieler Ki",pJ. Stllltga,.t 1966; vgJ. auch Ir",­ga,.d Weithase. Zur Geschichte tkr gesprochenen Sprache. 2 B


den Rand der Welt gedrückt, in deren Micce sich institutionalisierte Regeln wie ein perpecuummobile im Automatismus ihrer Selbsterzeugung bewegen, schon in den Ordnungssysternendes 18. Jahrhunderes ist das mindestens angestrebt." (Grimminger, Ordnung, S. 59;zur Nihilismusangst des Rationalismus und ihrer Manie, das Subjekt einer .objektiven' Systematikzu verpflichten vgl. Kondylis, Aufklärung, S. 360). Dabei verdeckt die Verve derGrimmingerschen Formulierung ein Problem und markiere es in eins: Welche Logik undwelches Interesse installierte diesen .Selbscläufer'? Wolfgang Hübener z. B. setzt die Geschichteder narzißtischen Kränkungen und der Dezentrierung des Subjekts weit früher, imAusgang des Mittelalters an (vgl. Wo/fgang Hüben .... D ... dreifache Tod de.t modernen SubjektJ.In: Die Frage nach dem Subjekt. HrJg. von M. Frank, G. Raulet 11. W. van Reijen. Frankfurt a. M.1988, S. 101-127). Im Renaissance-Kapitel wird eine Genealogie der intellektuellen Figurneuzeiclichen Denkens versucht werden, welche die Grimmingersche ,Dezentrierung' desIndividuums vor dem System als Rettungsversuch und pragmatische Überwindung der Erfahrungsemantischer Kontingenz deutet.70) Pikulik, Leiscungsethik, S. 147ff., bes. 153f.; vgl. Ordnung, Fleiß und SparJamkeit. Texte undDokumente zur EntJtehung der ,bürg... lichen Tugenden'. HrJg. v. Paul Münch. München 1984;Vierhaus, Aufstieg. Zur Geselligkeit vgl. Claudia SchmölderJ. Die KNmt deJ Ge.rprächJ. Textezur GeJchichte der europälJchen KonverJation. München 1979; Wo/fgang Mau"r. ,Ge.re/ligkeit'. In:Aufklä'rung 4.1 (1989), S. 5-36; ErneJto GraJJi. Die Macht der PhantaJie. Zur GeJChichte deJabendlä'ndiJchen Denkem. KönigJtein 1979, S. 217-232. Zum Geselligkeitsbegriff der Frühaufklärung,der freilich kein Zivilisationsideal benennt, sondern ein der Sozialität vorausliegendesPrinzip eines ,appetitus societatis' schreibt W. Schneiders: "Geselligkeit bleibt imNaturrecht des 17. Jahrhunderts ein vieldeutiges und mißverständliches Prinzip. Bei Grotiusmeint sie ein natürliches Streben nach der Gesellschaft und eine natürliche Sorge umdie Gesellschaft, bei Pufendorf nur ein gesellschafclich diszipliniertes Verhalten, das demnatürlichen Egoismus abgefordert werden muß." (Wemer Schneiden Naturrecht und Liebe­Jethik. Zur Ge.rchichte der praktiJchen PhiloJophie im Hinblick auf ChriJtian ThomaJiuJ. Hilde.theim/Neu' York 1971, S. 75; vgl. schon: Ham M. Wolf!. Die WeltanJchauungder deutJchen Aufklärungin geJchichtlich ... Entwicklung. Bern/ München 21963, S. 34ff.). Daß derare verstandeneGeselligkeit nur vernünftig sein kann, wird vorausgesetzt (vgl. Schneiders, Naturrecht,S. 75f.). Bei Christian Thomasius wird aus dem bisher wesentlich abstrakt-theoretischemPrinzip ein zivilsatorisches und soziales Agens, denn: "Bezogenheit auf andere Menschen isteine Haupteigenschaft der menschlichen Vernunft. Der Mensch ist nicht etwa als bloßes Lebewesengesellig (animal sociale) und dann noch überdies vernünftig (animal rationale), sondernvielmehr durch seine Vernunft selber, d. h. sein Denkvermögen, wahrhaftig gesellig.Das Denken nämlich geschieht - wie Thomasius mehrfach betont als eine innere Rede, diedurch ihre Bindung an die allgemeine Sprache Gespräch ist. Vernunft ist daher gesellschaftsbezogenud gemeinschaftsgebunden. Vernunft ist schon als bloße Potenz zu denkeneine Neigung zur Kommunikation in der Gesellschaft. Als Kommunikationsvermögen hatsie die Tendenz, das friedliche Zusammenleben aller als ihre eigene Voraussetzung zu realisieren."(Schneiders, Naturrecht, S. llO; vgl. Friedrich Vo/lhardt. FreundJchaft und Pflicht.NaturrechtlicheJ Denken und literariJcheJ Freu",hchaftJideal im 18. Jahrhundert. In: Frauenfreund­Jchaft - Mä'm ... jreundJchaft, S. 293-309) Die Kultur der Geselligkeit ist jedoch in der Aufklärungimmer schon ergänzt und .korrigiert' durch Selbstreflexion in Einsamkeit (vgl.Ham Erich Bö'deker. Aufklä'rung aIJ KommunikationJprozeß. In: Aufklärung, 2.2 (l987 J,S. 89-111, S. 94f.; zum semantischen Spiel zwischen Einsamkeit und Sozialität vgl. auchKapitel 3). Im praktischen Gebrauch vereint der Begriff der ,Geselligkeit' drei differenteFormen sozialer Zusammenkünfte: 1.) Den pragmatischen Interessenszusammenhang derKaffeehäuser, Clubs und Lesegesellschaften (vgl. Richard van Dülmen. Die GeJelhchaft derAufklärer. Zur biirgerlichen Emanzipation und aufkläreriJchen KNltur in DeulJchland. Frankfurta. M. 1986; Vlrich 1m Hof DaJ geJellige Jahrhundert. GeJellJchaft und GeJellJchaften im Zeitalterder Aufklärung. München 1982; Rohert Galitz. LiterariJChe BaJiJö!fentlichkeit alJ politiJche Kraft.Frankfurt a. M. / Bem / New York 1986; HabermaJ, Strukturwandel, S. 48ff.); 2.) die ideologischeInteressenassoziation - die quasi den Begriff des Bürgers gegen die Verhältnisse erfahr-350


ar macht und dabei die Gefahr birgt, daß das .gegen' Thema und Inhalc wird. Besonderssind hier die Freimaurer anzuführen (vg!. F..,imaurer und Geheimbünde im 18. Jahrhundert inMilleleuropa. Hrsg. v. Helmut Reinalter. Frankfurt a. M. 1983; Aufkliirung und Geheimgesellschaften.Zur politischen Funktion und Sozialstruktur der Freimau.-erlogen im 18. Jahrhundert. Hrsg.v. Helmut Reinalter. Miinchen 1989; Manfred Agethen. Geheimbund und Utopie. Illuminaten. Freimaurerund deutsche Spiitaufklärung. Miinchen 1987; sowie Koselleck, Kritik, 6lff.), aber auchder von Lepenies beschriebene Salon-Mechanismus, der aus dem Verlust politischer Wirkmöglichkeitein kulturelles Kompensat zieht, wäre hier zu nennen (vg!. Wolf Lepenies. Melancholieund Gesellschaft. Frankfurl a. M. 1972). Dabei betont Lepenies das identitätsbildendeMoment dieses vermeintlichen Rückzugs ins Unbelangbare: .. Der Reflexionsaspekt derbürgerlichen Melancholie bedeutet keine Erscheinung der Ratio, sondern die Rückwendungder entmachteten Subjektivität auf sich selbst und der Versuch, aus der Handlungshemmungein Mittel der Selbstbestätigung zu machen." (A. a. 0., S. 199(.) Ähnliche mentaleStrategien werden hier konstitutiv dem Kaufmannshabitus zugerechnet; 3.) schließlich affektischeAssoziation in der .Seelengemeinschaft'. Ihre Gefahr liegt im Eskapismus supplementärerScheinwirklichkeit. Aus dieser emotionalen Dialektik speist sich die Problematikder Empfindsamkeit (vg!. Gerhard von Graevenitz. Innerlichkeit und Offentlichkeit. Aspekte deutscher,bürgerlicher' Literatur im frühen 18. Jahrhundert. In: DVjs 49 {1975), Sonderheft 18. Jahrhundert,S. 1-82; dagegen: Pikulik, Leiscungsechik; vg!. auch Martens, Botschaft, S. 288ff.;Daris Bachmann-Medick. Die ästbetiscbe Ordnung des Hande/m. Moralpbilosophie ,md Ästhetik inder Popularphilosophie des 18. Jahrhunderts. Stllftgart 1989. bes. S. 56f.; Nikolaus Wegmann.Diskurse der Empfindsamkeit. Zur Geschichte eines Gefühls in der Literatur des 18. Jahrhunderts.Stuffgart 1988; vg!. Meyer-Krentler, Bürger; ders., Freundschaft}.71} Zu den Vetänderungen des Tugendkatalogs und zu seinen Gelcungsansprüchen vg!. Pikulik,Leistungsethik, S. 146ff. u. Paul Münch, Einleitung in: Ordnung, Fleiß und Sparsamkeit.72} Freilich läuft: die .säkulare' Argumentation anders: .. Gerade die Geringschätzung wirtschaftlichenHandelns führte, trotz mancher offensichtlicher Gegenbeweise, zu der Überzeugung,daß es unmöglich von großer Bedeutung rur irgendeinen Bereich menschlichenStrebens sein könnte und ganz ungeeignet sei, Gutes oder Böses in größerem Umfang zu bewirken."(Hirschmann, Leidenschaft, S. 67 I Hervorhebungen im Orginal) Hirschmann siehtden Handel als Pazifizierung heroischer Tugenden. Günther Nonnenmacher hat gezeigt,daß der Pazifizierungseffekt und ein Arbeitsbegriff, der ehemals theologisch begründet warund jerzt aus der ,uneasiness' anthropologisiert ist, in der Philosophie Lockes amalgamiertund zur Grundlage liberaler Theorie werden (Nonnenmacher, Ordnung, S. 86f.). Das Problemder neuzeitlichen Auseinandersetzung zwischen (falschverstandenetn) Stoizismus undEpikurismus wird in Kapitel 3 als semantisches Probletn thematisiere werden.73} Einen "halbe{n} oder Viereelstoicismus" fordert ein unter dem sprechenden Pseudonym,Quietus' schreibender Autor (vg!. Gerhard Sauder. Empfindsamkeit. Bd. 1: Voraussetzungen undElemente. Stuttgarl 1974, S. 193ff.; vg!. Begemann, Furcht, S. 94f.) Pikulik betont: "EinemMißverständnis ist hier vorzubeugen. Es könnte scheinen, daß der Bürger die Affekte, ihresgefährlichen und störenden Einflusses in vielen Lebenslagen wegen, gänzlich auszuschaltentrachtet. Detn ist keineswegs so. Auch wenn ihtn das stoische Ideal der Gemütsruhe zusagt:unter ,Ruhe' versteht er doch dabei viel eher die Ausgeglichenheit als die Absenz von Gefiihlen,mehr innere Hartnonie als Apathie." (Pikulik, Leiscungsethik, S. 199). Freilich: Diesist Apathie!74} V g!. Hirschmann, Leidenschaften, S. 39ff. Eine wesentlich ,schwärzere' Interpretation diesesProzesses leistet Michel Foucault: .. Wenn der ökonotnische Aufstieg des Abendlandesauf die Verfahren zurückzuführen ist, welche die Akkumulation des Kapitals ermöglicht haben,so kann man vielleicht sagen, daß die Methoden zur Bewältigung der Akkumulationvon Menschen die politische Überholung der traditionellen, rituellen, kostspieligen, grausamerenMachtformen ermöglicht haben, die alsbald obsolet wurden und von einer verfeinertenund kalkulierten Technologie der Unterwerfung/Subjektivierung abgelöst wurden.( ... } Insbesondere waren die technologische Vetänderung des Produktionsapparates, die Ar-351


eitsteilung und die Ausarbeitung von Disziplinarprozeduren sehr eng miteinander verflochten."(Foucault, Überwachen, S. 283)75) Vgl. Begemann, Furcht, S. 3Off. Zum antiken und neuzeitlichen Begriff im allgemeinenH. Ottmann. Art. ,Maß'. I: ,Maß als ethiICh ... Begriff. 9: Nellzeit. In: Hist. Wb. faßt zusammen:.Die große Bedeutung, die dem Ethos des Maßes in Antike und Mittelalter zugekommenwar, wird in der Neuzeit durch den Autonomieanspruch des Subjekts zersetzt. [...} Wo dieTugend der Besonnenheit nicht im Kanon der Kardinaltugenden bewahrt wird, weitet siesich wie bei Herder zur Sprache stiftenden ,Besinnung' (,Reflexion') oder wie bei Schopenhauerzur Distanz des Intellekts gegenüber dem Willen und der Affektivität überhaupt, unddamit fast zu einem anthropologischen Konstituens, das den Menschen vom Tier unterscheidet.Ansonsten ist die neuzeitliche Rede vom Maß meist Erinnerung an die Griechen,[...}" (Vgl. Bachmann-Medick, Ordnung, S. 58ff.)76) Für die Ästhetik der Aufklärung diagnostiziert Carsten Zelle: "Auf dem Hintergrund ehemaligerkalokagathischer Einheit führt die Feststellung, daß gerade das sittlich Böse ästhetischgut sei, zugleich an die Grenze literarischer Aufklärung, und zwar in Hinsicht aufTheodizee, Menschenbild und operative, d. h. aufklärerische Kunsrfunktion." (Ca,.sten Zelle.Angenehmes G,.allen. Literaturhistorische Beit,.age zur Asthetik des Schrecklichen im achtzehntenJahrhJmdert.Hambu,.g 1987, S. 417) Dieser Niedergang des Kalokagathie-Ideals steht für Zelle inursächlichem Zusammenhang mit der Exposition des Begriffs des Erhabenen (vgl. Anm. 81).77) Das stilistische Ideal von ,Natürlichkeit' wird oft dem Rousseauschen Naturbegriff amalgamiert.Dies ist falsch, denn: ",Naturzustand' ist der Titel für das labile Gleichgewicht,in dem die Konditionen der Existenz ihre Konstitution haben." (Buck, Selbsterhaltung,S. 272; vgl. I,.ing Fetscher. l0tltll,.begriff und FortICh,.ittskritik bei Jean-Jacqlles ROllsseall. In:Natllrplan lind Verjallskritik, S. 46-(j8; vgl. Spaemann, Naturbegriff) Dagegen stellt PaulMog fest: "Die ,Natürlichkeit' des neuen Subjektivismus ist ein ,Spätprodukt' [...} der bürgerlichenund höfischen Zivilisation und formiert sich als Gegenposition zu deren Realitätsprinzip."(Mog, Ratio, S. 93)78) Vgl. Pikulik, Leistungsethik, S. 134ff.; Begemann, Furcht, S. 29ff.; vgl. Conze, ,Arbeit'(vgl. Kapitel 3, Anm. 25).79) Vgl. Zelle, Grauen, S. 372; Richard Alewyn. Die Lust an der Angst. In: Der!. Probleme lindGestalten. Essays. Frankfurt a. M. 1974, S. 307-330.80) V gl. Theodor W. Adorno. Ki ... kegaa,.d. Konstrllktion des Asthetischen. F,.ankfll,.t a. M. 1974;Michail Bachtin. Die Asthetik des Wortes. Hrsg. v. Rainer GrÜbel. FrankflIrt a. M. 1979,S. 276/; Heinz Otto Burger. Die Geschichte der IInvergnügten Seele. In: DVjs 34 (1960), S. 1-20,hier: S. 17, Anm. 14.81) Zur Sekuritätsposition, ihrer Bedeutung für die Ästhetik der Aufklärung und ihrerTradition vgl. Zelle, Grauen, S. 363ff. u. 417; Hans Blllmenberg. Schifforll"h mit ZlIschall ....Pa,.adigma einer Daseinsmetapher. F,.ankfu,.t a. M. 1979, bes. S. 28ff.; Begemann, Furcht,S. 126ff.;Joachim Ritter. Landschaft. In: Ders. SlIbjektivita·t. 6 Au/sahe. F,.ankfu,.t a. M. 1974.Erst die Sekuritätsposition ermöglicht rur Zelle eine Ästhetik des Erhabenen im a-rhetorisehen,d. h. aus der Sprache ins Gegenständliche projizierten Sinn, denn: "zum relativiertenSchrecken gehört ein gewisser Grad an Kultur" (Zelle, Grauen, S. 372). Das Erhabene usurpiertmit seiner immanenten Dialektik von Schrecken und ästhetischem Gefallen die Positiondes Schönen als Ideal ästhetischer Attraktion: .Die durch den heftigen Affekt des angenehmenSchreckens ausgezeichnete neue Kategorie des Erhabenen trat seit Ende des17. Jahrhunderts zunehmend mit dem Wert der Schönheit in Konkurrenz." (A. a. 0.,S. 417) - und gewann.82) Wenn man diesen kulturellen Prozeß mit dem Begriff ,Rationalisierung' belegen will, so injener avant la lettre mentalitätsgeschichtlichen Bedeutung, die ihm Norbert Elias gibt:"Auch sie [die Rationalisierung} ist nicht ein Faktum, das für sich steht, auch sie ist nur einAusdruck für die Veränderung des ganzen Seelenhaushaltes, die in dieser Zeit stärker hervortritt,und für die wachsende Langsicht, die von nun ab ein immer größerer Teil der gesellschaftlichenFunktionen züchtet und erfordert." (Elias, Prozeß, Bd. 2, S. 377; vgl. Kondylis,Aufklärung, bes. S. 42ff.)352


83) »Alle Formen der phantastischen Angst { ... J basieren ihrer Möglichkeit nach auf der aufklärerischenDestruktion ,abergläubischer' Weltdeutungen." (Begemann, Furcht, S. 306) "Diebürgerliche Vernunft erzeugt aber die Macht der Phantasie, an der sich das Subjekt alsgespalten erfährt, nicht nur indem sie gerade durch ihre Herrschaftsakte unwillentIich dasPhantasieren des Versagten stimuliert, sondern auch indem sie einen neuen Wirklichkeitsbegriffetabliert, der das Subjekt zwingt, den Ursprung von Phänomenen, die in frühererZeit Realitätsstatus oder Realitärsbezug beanspruchen konnten, in sich selbst, in der Phantasiezu lokalisieren." (A. a 0., S. 312) Die ,phantastische' Dialektik des Rationalen, dieanderes nur noch im Modus seiner vernünftigen Repräsentation zu begreifen gestattet, verweistex negativo auf die dialogische Wahrheit des Animismus. Dessen Anthropomorphismensind Personalisierungen des Begegnenden und damit eben nicht dessen Domestizierung- Ächtung -, sondern seine Achtung: Anerkennung als gleichwertiger, handlungsfähigerPartner (vg!. Pascal-Kapitel, Anm. 84).84) Zelle stellt fest, daß in der "Topologie des Mathematisch-Erhabenen sich verstärkt seit Mittedes 18. Jahrhunderts die Erfahrungen von Gipfel-, Himmel- und Meeresblick konkretisierthatten." (Zelle, Grauen, XXVI) Die Bedeutung des Mathematisch-Erhabenen in derrationalen Wirkungsästhetik wird in Kapitel 5 erötert werden. Vg!. auch Begemann,Furcht, S. 113ff. u. 297.85) Vg!. Begemann, Furcht, S. 261ff.; Grassi, Phantasie, bes. S. 184ff.; Hans Peter Herrmann.Natllrnachahmllng und Einbildungskraft. ZlIr Entwicklung der delltSChen Poetik von 1670 bis1740. Bad Hombllrgl Berlinl ZiWich 1970, S. 81-91. Interessant ist die Tatsache, daß Harsdörfferden Begriff ,Phantasie' mit .Bildungskraft' übersetzt, dieser jedoch schließlich vonder Comeniusschen Prägung ,Einbildungskraft' abgelöst wird (Comenius, Janua linguarum,XXVII, S. 343. Vg!. Herrmann, Naturnachahmung, S. 88f.). Leider bricht der Artikel,Phantasie' des Hist. Wb. in der Renaissance ab; der weiterfiihrende Artikel ,Einbildungskraft'wiederum rekapituliert - Phantasie und Einbildungskraft schlicht identifizierend -kurz die antike Tradition, um dann mit dem rationalen, paradigmatisch kantianischen Bergriffweiter zu operieren. Der interessante Aspekt: die Transformation der ,Phantasie' in,Einbildungskraft' bleibt dabei ausgespart.86) Hinter aller kulturellen Verstellung muß nun ein ,sentiment de'l existence' dem Subjekt einequasi-naturale, kulturtranszendente Fundierung liefern (vg!. Mog, Ratio, S. 79ft.). Dochwie Rousseau erkennt, führt die Negation des Kulturellen nicht zu einer natürlichen Sozialität,sondern bedroht die Identität des Subjekts. Mog resümiert: "Die ,natürliche Existenz',die aus der bürgerlichen Selbstentfremdung zur Wesens identität rUhren sollte, droht in derBewußtlosigkeit zu verlöschen, die von der zivilisatorischen Selbstbehauptung befreiteNatur ruft nicht zur ,vie humaine', sondern verlockt zu seiner Preisgabe, zum totalenSelbstverlust. " (A. a. 0., S. 89)87) Zur Rousseauschen Methode vg!.Jörg RNhloff.Jean-jacqlles ROlISseall. In: Pädagogisches Denkenvon den Anfiingen bis ZJlr Gegenwart. Hrsg. v. Wo/fgang Fischer lind Dieter-Jügen Löwisch. Darmstadt1989, S. 93-109.88) Rene Descartes. (EllvrtS. Publifes par Charles Adam & Palll Tannery. (Im Folgenden zitiert als: AT)Vol. VI: DiscolIrs de la Methode & Essais NOllvelle p..esentation. Paris 1965, S. 62.89) So Diderot im Enzyklopädie- Artikel ,Conservation'; zitiert nach: Buck, Selbsterhaltung,S. 260; ähnlich auch: d'Holbach, Voltaire und Morelly; vg!. a. a 0., S. 263.90) Zur Erziehungsbedürftigkeit der Aufklärung in ihrem Selbstverständnis vg!. Rlldol/VierhallS.Allfklärllng als Lernprozeß. In: Ders., Delltschland, S. 84-95, hier: S. 86; vg!. ders., Art.,Bildllng', in: GG., Bd. 1, S. 508-551; Möller, Vernunft, S. 11Off. Friedrich Paulsen bezeichnetdie Aufklärung als .das Zeitalter der größten und erfolgreichsten Reformbestrebungenim Gebiet der Erziehung und des Schulwesens" (Friedrich Paulsen. Alljk/ijrung undAllfklärllngspääagogik. In: Allfklä'rllng, Absoilltismlls, S. 275-293, hier: S. 275). Ihr pädagogischesVerfahren liegt, so Paulsen, in einer .naturgemäße{nJ Erziehung des Willens" (a a. 0.,S. 286), wobei freilich der Wille immer ein Wille-zur-Vernunft zu sein hat: "Die allgemeinstenUmrisse des neuen Weges, wie ihn die Aufklärung sucht, kann man nun so formulieren:durch die Anschauung zum Begriff, durch den Begriff zum System.' (A. a. 0.,353


S. 285f.; vgl. Ulrich Herrmann. Erziehung und Unterricht ab Politicum. Kontroversen über erhoffteund befürchtete Wechselwirkungen von Politik und Piidagogik im ausgehenden 18. Jahrhundert inDeutschland. In: Aufkliirung als Politisierung - Politisierung der Aufkliirung. Hrsg. v. Hans ErichBödeker u. Vlrich Herrmann. Hamburg 1987, S. 53-71.)91) Zum Begriff der Kontrollvernunft vgl. Odo Marquard. Skeptische Methode im Blick auf K..nt.FreibJlrgl Miinchen 1958; ders. K..nt und die Wende ZJl1' Asthetik. In: ders. Asthetica und Anä'sthetica.PaderbornlMünchen I Wien I Zürich, S. 21-35 (zuerst in: Zsch... f phil. Forsch. 16 (l962j,S. 231-243 u. 363-374).92) Paradigmatisch: Adorno/Horkheimer, Dialektik.93) Für das Wissenschaftsverständnis paradigmatisch ist: Jürgen Mittelstraft. Neuzeit und Aufkla'rung.Studien zur Entstehung der neuzeitlichen Wissenschaft und Philosophie. Berlin 1970.Zur Diskussion um die Bedeutung und LeistungsHihigkeit der Technik vgl. Mathias, Prometheus.94) Zum Selbstverständnis dieser Epoche im besonderen: Schneiders, Aufklärung.95) Die Konzeption des autonomen Subjekts und die Entwicklung einer - jetzt freilich mathematisch-logischen,ehemals ,reinen' - Grammatik hat schon in der antiken Stoa einen Konvergenzpunkt.Wenn Hans Erich Bödeker das Kommunikationsideal der Aufklärung beschreibt,formuliert er gleichzeitig - ohne in Folgenden darauf explizit einzugehen - die Interdependenzvon autonomer Subjektivität und kommunikativer Normativitäc: .. Kommunikationwurde begriffen als Ensemble von Interaktionsprozessen: Individuelle Erfahrungenwurden kollektiv auf ihre Ähnlichkeit hin überprüft und ausgetauscht; diese Erfahrungenwurden in Erklärungssysteme eingeordnet, neue Interessen artikuliert, neue Ideen diskutiertund verbreitet. Und Kommunikation setzte eine ausgebildete Sprache und die Existenz dialogischerBeziehungen voraus. Sie begünstigte zugleich die Idee des Austausches: die schroffeEntgegensetzung von Charakteren und Meinungen mußte zum Abbruch der Kommunikationführen." (Bödeker, Aufklärung, S. 89) Zur Grammatik vgl. Wilhelm Kö1ler. Philosophieder Grammatik. Vom Sinn grammatischen Wissens. Stuttgart 1988.%) Im Begriff des ,common sense' - verdeutscht als ,Gemeinsinn' und (fälschlich) latinisiert als.sensus communis' sind oft drei Begriffe äquivok: .consensus omnium', ,comrnunis opinio'und der eigentliche ,sensus communis', aristotelisch der ,innere Sinn' im Gegensatz zu denfünf äußeren und besonders stoisch das Organ der allen Menschen gemeinsamen Begriffe.(Diese und nur diese ,communes conceptiones' können per se Evidenz beanspruchen I) Derneuzeitliche Begriff des ,common sense', wie er von Thomas Reid in dessen Inquiry into tloeHuman Mind geprägt wurde, entstand durch die Anwendung der Newtonschen regulae philosophandiauf die Philosophie und diente vor allem zur Abwehr von materialistischen undskeptischen Tendenzen der Aufklärungsphilosophie.97) Zur Vorurteilskritik vgl. bes. Werner Schneiders. Auftda'rung und Vorurteilskritik. Studien zurGeschichte der VorJl1'teilstheorie. Stuttgart-Bad Cannstatt 1983.98) Marc Bloch charakterisiert den Feudalismus als .. System der abgestuften Abhängigkeit"(Marc Bloch. Die Feudalgesellschajt. Frankfurt a. M.I Berlin I Wien 1982 (zmrst Paris 1939),S. 529; vgl. auch: Otto Brunner. Art. ,Feudalismus'. In: GG, Bd. ll, S. 337-350.): .. In der Feudalgesellschaftstellte das Verhältnis der Unterordnung unter den nächsten Führer die charakteristischeVerbindung zwischen den Menschen dar. Von Stufe zu Stufe verbanden die sogeknüpften Bande wie so viele unendlich sich verzweigende Ketten die größten mit denkleinsten." (A. a. 0., S. 528; vgl. auch Patricia Crone. Die vorindustriell. Gesellschaft. EineStruktJl1'analyse. München 1992)99) .. Da der Staat die von ihm beherrschte Gesellschaft weder durchdringen noch integrierenkonnte, residierte er über eine Myriade ethnischer, sprachlicher und religiöser Gemeinschaftensowie eine Myriade autonomer Selbsrhilfegruppen, über die er nur wenig Kontrolle hatte,in die er lediglich an der Oberfläche ordnend eingreifen konnte, ohne sehr weit in dieTiefe dringen zu können." (Crone, Gesellschaft, S. 69; vgl. Dieter Grimm. Bürgerlichkeit imRecht. In: Bürger und Bürgerlichkeit. S. 149-188, S. 156ff.; Hartung, Verfassungsgeschichte,S. 58) Niklas Luhmann faßt den Übergang von der feudalen zur bürgerlichen Gesellschaftin Tradition der Cassirerschen Unterscheidung von substanziellem und funktionalem Den-354


ken als Übergang von einer ,stratifikatorischen' zu einer funktionalen' Ordnung der Gesellschaft(vgl. Luhmann, Strukeur, bes. 24-28).1oo} .. Überall dore, wo der Marke schwach entwickelt war, dominieree die hierarchische und/oderorganische Sicht der Gesellschaft. Die Sozialordnung konnte theoretisch auch auf (durchBildung erworbenem) Verdienst basieren, [ ... } Doch Bildung wurde eher auf Grund des gesellschaftlichenRanges erworben, als durch einen solchen belohnt. Selbstredend war derEinfluß der Wireschaftsbeziehungen auf die Gesellschaft häufig unterschiedlicher Nacur.Trotzdem gibt es kaum ein konstanteres Bild in der Geschichte der vorindustriellen Weltals das der Gesellschaft als einer Hierarchie oder eines Organismus, in dem jeder seinen festenPlatz hatte, wobei jeder Platz in ein Geflecht aus unterschiedlichen Rechten und Pflichteneingebunden war, die sich vom formellen wie vom Gewohnheitsrecht herleiteten, wasmitunter verschiedene Strafen fiir dieselben Vergehen bedeuten konnte. Es herrschte Ordnung,wenn die Menschen die ihnen bestimmten Plärze einnahmen, ihren Verpflichtungennachkamen und ihnen daf'ür Rechte gewähre wurden; andernfalls herrschte Anarchie." (Crone,Gesellschaft, S. 122; vgl. Grimm, Bürgerlichkeit, S. 15Off.)101) Die Frage, wann ökonomisches Handeln in markrwireschafclichem Sinne entstand, ob, wiePolany meint, erst in der Neuzeit und mit dem Liberalismus (vgl. Kar! Polany. The GreatTramformation. FrankflIrt a. M. 1978) oder bereits bei den Sophisten des antiken Griechenland,wie Josef Wieland behauptet (vgl. JosefWieland. Die Entdeckllng der Okonomie. KategorienGegenstandsbereiche lind Rationalitiitstypen der Okonomie an ihrem Ursprllng. Bern / Stuttgart1989) kann hier nicht entschieden werden. Von Bedeutung ist einzig die Differenz zwischender Subsistenzwireschaft des oikos (vgl. Ofto Brllnner. Die alteuropiiische Okonomik. In: NeueWege der Verjassllngs- und Sozialgeschichte, S. 103-127) und der von Aristoteles Chrematistikgenannten, einzig auf Gewinn abzielenden Erwerbskunst (vgl. Peter Koslawski. HallS undGeld. Zur aristotelischen Unterschiedung von Politik, Okonomik und Chrematistik. In: Phil. Jb. 86(l979), S. 60-83). Unter ,Konsumption' wird auch der Erwerb von Gerätschaften verstanden,sofern diese präferenziell zur Subsistenzsicherung verwendet werden ... Der Bauer, derregelmäßig einen Teil seiner Ernte verkauft und dafiir Werkzeug und Kleidung ersteht, istseinerseits bereits Bestandteil des Marktes. Wenn er jedoch den Marktflecken nur betritt,um einige wenige Waren wie Eier und Federvieh zu verkaufen und mit dem Geld seineSteuern oder einen Pflug zu bezahlen, so hat er allenfalls die Grenzen des Marktes berühre.Im Grunde bleibt er in der Welt der Selbstversorgung." (Ferna .. d BraudeI. Die Dynamik desKapitalismus. Stllttgart 1986, S. 24) Zur Kodifizierung des Handelsrechts vgl. Helmllt Coing.Europiiisches Privatrecht. Bd. 1: Älteres Gemeines Recht (1500-1800). Mü .. chen 1985, S. 519ff.102} Max Weber beschreibt den Tausch als materialen Agon: .. Aller Tausch beruht auf dem (formell)friedlichen Kampf zwischen Mensch und Mensch, auf Preiskampf, Feilschen (mit demTauschparener) und eventuell auf Konkurrenz (gegen den von gleicher Tauschabsicht Gecriebenen)und strebt einem KompromiB zu, das (!) diesen Kampf zugunsten eines oder mehrererBeteiligter abschließt." (Max Weber. Wirtschaftsgeschichte. Abriß einer universalen SozialundWirtschaftgeschichte. Aus den nachgelassenen Vorlesungen hrsg. v. S. Hel/mann und M. Palyi.Ber/in J 1958, S. 4/ Hervorhebungen im Orginal)103} Jede Unterscheidung zwischen wahren und falschen Bedürfnissen basiere auf einer hypostasiereenTheorie des Subjekts und seiner Wirklichkeit; da hier Theorie selbst als System begrifflicherWeree und insofern als Modus eines kaufmännischen Habitus interpretiere wird,wäre eine solche Differenzierung methodisches hysteron-proteron. (V gl. Müller, ,Bedürfnis';Giorgio Baratta / Andrea Cattone. Art. ,Bedürfnis', II: Zur Entstehung und Entwicklllng eines gesellschaft/ichenBedürfnisbegriffi. In: EuropäIsche Enzyklopädie ZII Philosophie lind Wissenschaften.Hrsg. v. Hans Järg Sand kühler. Hamburg 1990 [im Folgenden zitiert als: EE}, Bd. 1,S. 343-354.)104) BraudeI unterscheidet zwei Typen von Marktbeziehungen: 1. transparenten Austausch: .. DerMarkt einer Kleinstadt bietet ein gUtes Beispiel für diesen ,cransparenten' Austausch, dernichts Überraschendes hat, bei dem jede Pareei schon im voraus die Regeln und den Ausgangkennt und die stets bescheidenen Profite ungefähr einkalkulieren kann." (BraudeI, Dynamik,S. 50) 2. ein Tausch, der .. Transparenz und Kontrolle meidet" (ebd.). Dessen para-355


digmatische Form ist der Fernhandel, denn: "Der Fernhandel ist ein Bereich unbeschränktenWaltens par excellence, da er sich über Entfernungen erstreckt, die ihn vor jeder Überwachungschützen oder deren Umgehung ermöglichen;" (a. a. 0., S. 52).105) Zur Infrastruktur vgJ. Dipper, Geschichte, S. 168-183; vgJ. auch: Herrmann Kellenbenz.VPirtscha/t lind Gesellschaft Ellropas 1350-1650. In: Ders. (Hrsg.) Ellropiiische Wirtschafts- undSozialgeschichte vom allsgehenden Mittelalter bis Zllr Mitte des 17. Jahrhllnderts. (Handbllch der ellropiiischenWirtschafts- lind Sozialgeschichte, Bd. 3) Stllttgart 1986, S. 285-302; Ernst Schilly.Verkehrs- und Nachrichtenwesen. In: Verwaltllngsgeschichu, Bd. 1, S. 448-467; Klaus Gerteis. Das" Postkutschenzeitalter". Bedingllngen der Kommllnikation im 18. Jahrhllndert. In: Alljkliirllng, 4.1(1989), S. 55-78.106) Als ,Soziotope' werden durch natürliche Bedingungen spezifizierte gesellschaftliche Zusammenhängerelativer Autonomie und Konsistenz bezeichnet. Wäre der Begriff nicht mißverständlich,könnte ,Ökotop' - oikos-topos - an seiner Stelle stehen. Die Betonung liegt zumeinen auf der Ortsgebundenheit, zum anderen - im Gegegensatz zur l.ebenswelt - auf derungeschieden theoriefähige wie a-theoretische Bereiche umfasssenden Bedeutung. Da Wissenschaftund Theorie als Teilbereiche eines spezifischen Habitus verstanden werden, ergäbesich relative Deckungsgleichheit mit dem Begriff der Mentalität, doch akzentuierte dieserdie relative Homogenität einer über lange Zeit stabilen Struktur, während der Begriff,Soziotop' die differenzielle, je spezifische und in einer weitreichenden wie langfristigen Superstrukturnur partiell aufgehobene Eigenschaften eines sozialen Verbandes bezeichnensoll.107) Wenn Max Weber lakonisch konstatiert: "Der Handel ist in seinen Anfängen eine interethnischeErscheinung" (Weber, Wirtschaftsgeschichte, S. 174 I Hervorhebung im Original),hat er den Fernhandel im Blick. Dieser ist präferenziell auf ,Geld' als vermittelndes und universalisierendesMedium des Tausches angewiesen, da Geld eine personale und zeitlicheTrennung von Abtausch und Eintausch, sowie eine "Befreiung von der Abgestimmtheit dersachlichen Tauschmittel aufeinander" (Weber, Wirtschaftsgeschichte, S. 5f.) ermöglicht.Doch ist diese Entlastung gleichbedeutend mit einer umfassenden Evaluation der Tauschgegenständeund damit Konstituens eines Eigentumsbegriffs, der nicht bloßer Besitz vonGegenständen, sondern diesen als Verfügung über Werte, d.h. über ein Potential vonTauschmacht und -fähigkeit meint: "Entwicklungsgeschichtlich betrachtet ist das Geld derSchöpfer des Individllaleigentllms; diese Eigenschaft besitzt es von Anfang an, und umgekehrtgibt es kein Objekt mit Geldcharakter, das nicht individuellen Besitzcharakter gehabt hätte."(A. a. 0., S. 209 I Hervorhebung im Original) Weber schließt daraus mit dem Optimismuseiner konsensuellen Logik: "Somit ist die Geldrechnung in der Hauswirtschaft wie imErwerbsbetrieb schließlich von Marktchancen, d. h. dem (formell) friedlichen Kampf desMenschen mit dem Menschen abhängig. Geld ist folglich kein harmloser Maßstab wie irgendein anderes Meßinstrument, sondern der Geldpreis, in dem geschätzt wird, ist einKompromiß alls Kamp/chancen auf dem Markte, [ ... }" (A. a. 0., S. 7f. I Hervorhebung im Original)Freilich räumt er selbst eine weitere und andersartige Funktion dieses Mediums ein,wenn er schreibt: "es dient als oktroyiertes Zahllings- und als allgemeines Tallschmittef' (ebd./Hervorhebungen im Original). Als Zahlungsmittel wird das Geld eben nicht durch die logikfreier Übereinkunft bestimmt, wie sie Weber im Fernhandel verkörpert sieht (a. a. 0.,S. 210), sondern unterliegt der territorialen Logik der Macht. Dabei fehlt, wie BraudeI konstatiert(vgJ. Anm. 104), gerade im Fernhandel eben jene Transparenz zwischen AbtauschundEintauschprozess, die Voraussetzung dafur wäre, Geld zum bloßen Medium des Tauscheszu reduzieren. Wenn der Konsument die Produktionsbedingungen einer ihm angebotenenWare nicht mehr übersehen kann, so bestimmt sich ihr Preis nicht mehr nach ihrenProduktionskosten, sondern richtet sich nach einem imaginären Wert, der nicht durch dieKonkurrenz der Produzenten, sondern durch eine Konkurrenz der Konsumenten festgelegtwird. (Tatsächlich ist der Prozeß komplizierter, da Konkurrenz der Händler die Konkurrenzder Produzenten ersetzen kann. Nicht zuletzt um dieser Dynamik zu entgehen, entwickeltder Handel eine Affinität zum preziosen Gut.)Unter den Bedingungen der feudalen Organisation einer territorialen Subsistenzwinschaft356


werden preziose Güter zu Insignien der Macht. Ihr imaginärer Wert wird nicht von denProduktions- und Transportkosten, sondern von den Zahlungsfiihigkeiten, von der differenziellerLogik gehorchenden ökonomischen Potenz der Konsumenten bestimmt. Indem derKaufmann den Podatsch der territoralen Gewalten material wie monetär vermittelt, kann er- wenn und solange der Agon der Mächte nicht .material', sondern symbolisch erfolgt - dieje beiderseits verschwendeten Güter akkumulieren. Bereits Sombacr spricht von einer ,GeldpIethora'im Mittelalter, welche die Kaufmannschaften zur Suche nach Investitionsmöglichkeitentrieb (Wern.,. Sombart. Der modeme Kopitalismus. Historisch-systematische Darstellung desgesamteuropa'ischen Wirtschaftslebens von seinen Anfa'ngen bis zur Gegenwart. 4 Bde. Miinchen / Leipzig1928, 1.1, S. 279); BraudeI stellt fest: .. Häufig wird angenommen, daß der Kapitalismusder Vergangenheit unbedeutend gewesen sei, weil es nicht genügend Kapital gegebenhabe, das erst über einen langen Zeitraum akkumuliert werden mußte. De facto geht aberaus Handelskorrespondenzen hervor, daß es oft Kapital gab, ftir das vergeblich Investitionsmöglichkeitengesucht wurden. [ ... } Aber es ist bezeichnend, daß sich der Kapitalist - bisauf Ausnahmen - nie für das Produktionsverfahren interessierte, sondern sich auf das Verlags-oder ,putting-out' System beschränkte;" (BraudeI, Dynamik, S. 57). Kennzeichen desVerlagswesens ist aber, daß in ihm die Logik des Handels einer Wirtschaftsform übergestülptwird, die sich nicht durch ihre Produktion für den Markt definiert, sondern diese lediglichals Zuecwerbs- und Füllarbeit begreift. Im Verlagswesen konfligiert die teccitorialeLogik der Subsistenzwirtschaft mit der interterritorialen Logik des Handels. Zu den Mechansimenund Strategien dieses Agons, der unter den Bedingungen einer fortschreitendenMonetarisierung in der Pauperisierung der Heimproduzenten endet, vgl. Medick, Familienwirtschaft.108) V gl. Begemann, Furcht, S. 52ff.109) Zum sog. ,Greshamschen GesetZ' vgl. Foucault, Ordnung, S. 216.110) Der Herrscher ist dieses Subjekt der Gesellschaft; er ist Inkarnation, nicht Repra'sentanz desAllgemeinen; die Macht ist von seinem Körper untrennbar.111) Gegen die Vorstellung einer formierten Gesellschaft betont Gerhard Oestreich: "Die absoluteMonarchie ist gekennzeichnet durch die Tendenz, die Sphäre gesamtstaadicher lenkungim Innern und die gesamtstaadiche Vertretung nach außen von jeder Micwirkung andererKräfte, besonders der Reichs-, Provinzial- und Landstände als der partikularen Gegenkräftedes fürsdichen Zentralisierungs- und Machtwillens, frei zu halten und unabhängigzu gestalten. Von mehr als einer Tendenz zu dieser Unabhängigkeit gesamtstaatlicherGewalt wird man heute nicht sprechen können. [ ... } Die absolutistische Administrationkannte keine volle ,Erfassung' einer nivellierten Massengesellschaft bis in die Familien, siegriff nicht in das Ganze des privaten Lebens des Einzelnen ein, sie besaß nicht den brutalenWillen und die ihm entsprechenden Möglichkeiten zur Meinungs- und Stimmungslenkungim Sinne einer einheitlichen offiziellen Staats- und Parteiideologie [ ... }" (Oestreich, Strukturprobleme,S. 180f.) Zu den Resten des Ständestaates in den wrinen constitutions des18. Jahrhunderts vgl. Gerald Stour.:.h. Vom aristotelischen zum liberalen Ver[auungsbegriff. 2urEntwicklung in England und Nordamerika im 17. und 18. Jahrhundert. In: Fürst, Bürger, Mensch,S.97-122.112) Die Lösung staadicher Heccschaft aus ethischen System ständischen Abhängigkeiten wirdzunächst unter dem Begriff des ,Machiavellismus' pechorcesziert, um schließlich in eine Separatkodifikationdes Politischen zu münden (vgl. Grauhan, Staat). Die von Koselleck inKritik und Krise beschriebene Formalisierung der Gesetze und die ihr korrelierende Privatisierungder Moral verkennt, daß derartige Formalisierung eine moralische Leisrung der gesetzestragendenIndividuen darstellt. Daß .. [d}er sich selbst als gerecht und wahr legitimierendeUrteilsspruch der Bürger" nun zur .. Exekutive einer neuen Gesellschaft" (Koselleck,Kritik, S. 45) werden kann, liegt in der abstrahierenden Formalisierung der Kritik selbst,welche diese vom persönlichen Interesse löst und als quasi-formalen Begriff behauptet, wieauch der Formalismus der Gesetze selbst diese ethische und moralische Leistung von seinenTrägern verlangt. Kosellecks Feststellung, daß .. moralische Neutralität [ ... } die souveräneEntscheidung auszeichnet" (a. a. 0., S. 30) ist schlicht zirkulär. Was jetzt in der Dialektik357


von Öffentlichkeit und Geheimnis als Intrige, d. h. als Versuch egoistischer Einflußnahme,erscheint, ist das negativierte Radikal der einstmals personal vermittelcen Macht.113) a) Gegen Luhmann (,Knappheit') ist ZU betonen, daß .Geld' nicht Erhalt von .Etwas'. sonderngerade von .Nichts' ist; die Materialisierung eines Wertes bedeutet Negation von Konsumption,i. e. situativer Verzicht auf Bedürfnissbefriedigung. Etwas anderes ist, daß dieseNegation der Egoismen der Bedürfnisse einen konsistenten Verpflichtungszusammenhangder Subjekte installiert, in dem die - z. B. von Bourdieu beschriebenen (siehe Kapitel 2)konstitutiven temporalen Schuldverhältnisse des gesellschaftlichen Gefüges quasi verräumlichtund buchstäblich priiJentiert werden. b) Die Einftihrung eines preziosen Mediums - undtendenziell Geldes - auch in den Tausch mit Produzenten lädt dem Kaufmann Verpflichtungund Risiko auf. Er wird zum Garanten der Reziprozität der entkoppelten Akte vonVeräußerung und Erwerb, usurpiert und monopolisiert jedoch damit zugleich die temporalenSchuldverhältnisse traditionaler Gesellschaften; er ist dazu tendenziell willens, da demRisiko eine größere zeicliche Disponibilität in seinen Operationen korreliert, weil derTausch nun nicht mehr von der Koinzidenz zweier Bedürftigkeiten, sondern nur noch vonder Bedürftigkeit des Rezipienten der Ware unmittelbar abhängt. Freilich befähigt die Verfügungsgewaltüber das Tauschmedium ihn nicht nur zum Schuldner, sondern auch zumGläubiger, indem er Möglichkeit geben kann, Bedürfnisse zu befriedigen noch bevor derenWert kompensierende Produkte zur Verfügung stehen. Sobald diese mediale Vermitdungdes Austauschs universell wird und ein gesellschafcliches Gebilde dermaßen strukturell spezifiziertist, daß es nur um den Preis der Selbstaufgabe des Mediums entraten könnte, d. h.wenn temporale Schuldzusammenhänge nicht je aktuell auflösbar sind, erfolgt ein qualitativerUmschlag: War vorher der Kaufmann abhängig vom Produzenten, so wird nun derProduzent vom Kaufmann - in dessen neuen Gestalt als ,Kapitalgeber' - abhängig. In christologischerMetaphorik und damit in einer Typologie, deren Konjunktur der Hegemonialisierungder Gesellschaft durch monetäre Zusammenhänge zumindest synchron ist, formuliert:Mag er sich auch als Lamm Gones gerieren, das die Schulden der Weh und das Werkihrer Erlösung auf sich nimmt, faktisch wird der Kaufmann zum Richter, buchstäblich ister Herr der Zeit.114) Zwar können die Kaufmannsassoziationen auf seit der Antike herreichende Traditionzurückblicken, aber für das Territorium besonders des rückständigen deutsches Reiches gilt,"daß die binnenwirtschafclichen Verflechtungen namenclich im 18. Jahrhundert enorm zunahmen."(Dipper, Geschichte, S. 176; vg!. BraudeI, Handel, bes. S. 437ff.) Die quantitativeZunahme hane, wie Dipper betont, einen qualitativen Effekt, der freilich erst in der erstenHälfte des 19. Jahrhunderts - mit der Etablierung der Zollunion - bleibende strukturpolitiseheFolgen zeitigte: "Neben die von den Gebildeten repräsentierte Kulcurnation tratdie Handelsnation der Kaufleute." (A. a. 0., S. 177; vg!. Treue, Wirtschaft, S. 105)115) Eine qualitative Skizze dieses Prozesses liefert Klaus Laermann. Raumerfahrung und Erfahrll11gsraum.In: Reise und Utopie. Hrsg. Z'. HamJiirgen Piechotta. Frankfurt a. M. 1976, S. 57-97.116) Zur Kodifizierung des Blicks vg!. allg. Hans Blumenberg. Der Prozeß der theoretischen Neugierde.(Die Legitimitiit der Neuzeit Bd. 3) Frankfurt a. M. 1973; spezieller: Ruppert, Wandel,S. 104-151 u.175ff.117) "Die Entscheidung darüber, welche Alternative bei Geschäften als die ,nützlichere' einzuschätzensei, setzte rationales Erfassen und spekulative Kalkulation voraus. Dazu bedurfteder Kaufmann allgemeiner Kenntnisse, der sicheren und stilistisch geformten Beherrschungdes mündlichen und schrifclichen Ausdrucks, eines Orientierungswissens und vor allemschneller und gesicherter Informationen." (Ruppert, Wandel, S. 193) Die hier von Ruppertmit leichter Hand skizzierten Möglichkeitsbedingungen einer sicheren Kalkulation bedeutenin praxe, wie gezeigt werden soll, einen umfassenden Umbau der gesellschafdichen unddamit mentalen Wirklichkeit (vg!. Anm. 105).118) "Der Aufbruch der bürgerlichen Intelligenz erfolge aus dem privaten Innenraum, auf dender Staat seine U ncertanen beschränkt haue. Jeder Schrite nach außen ist ein Schritt ansLicht, ein Akt der Aufklärung. Die Aufklärung nimmt ihren Siegeszug im gleichen Maßeals sie den Innenraum zur Öffenclichkeit ausweitet. Ohne sich ihres privaten Charakters zu358


egeben, wird die Öffentlichkeit zum Forum der Gesellschaft, die den gesamten Staatdurchsetzt." (Koselleck, Kritik, S. 41) Koselleck doppelt metaphorisch das Selbstverständnisder Aufklärer; historisch betrachtet sind die Genese des privaten Innenraums und dieGenese der Öffentlichkeit ein simultaner ProzeB, denn: ,.. Öffentlichkeit' war in Europa bisweit ins achtZehnte Jahrhundeet hinein keine Kategorie des sozialen Lebens. Ebenso wie esin keiner europäischen Sprache ein Substantiv gab, das der heutigen Bedeutung des Begriffs,Öffentlichkeit' auch nur nahe gekommen wäre, so spielt auch die Sache selbst in der gesellschaftlichenOrganisation des Lebens keine Rolle." (Lucian Ho·IIcher. Offmtlichkeit undGeheimnis. Eine begriffigeschichtliche Untersuchung zur Entstehung der Olfmtlichkeit in der frühenNeuzeit. Stullgart 1979, S. 11; vgl. Pikulik, Leistungsethik, S. 109ft.) Bereits 1933 analysierteErnst Manheim die komplexe mediale Dialektik der Struktur bürgerlicher Öffentlichkeit:Manheim geht davon aus, daß der Inhalt einer Nachricht nicht notwendig unabhängigist vom Kreis, in dem er geäußert wird, bzw. dem Grad an Publizität, den er erlangt.Manheim bezeichnet einen solchen Wechsel der Ebene als Transposition (vgl. ErnstManheim. Aufklä'rung und ojfentliche Meinllng. Studien zur Soziologie der Oflentlichkeit im18. Jahrhundert. Hrsg. und einge/. von Norbert Schindler. Stllttgart-Bad Canstall 1979 (zuerstBriinn etc. 1933}, S. 66ff.). Bürgerliche Öffentlichkeit konstituieet sich inhaltlich - so Manheim- durch die Transposition ehemals sozial gebundener Inhalte ins Allgemeine: "Die publizistischeIntention des Bürgertums hat sich aus dem Politischen, Anstaltlich-Rechtlichenins Gesellschaftliche transponiert. Der bürgerliche Konsensus ist in zunehmenden Maße nurnoch der Form nach ständisch, dem Inhalt nach gesellschaftlich. Bürgerlich im weiterenSinne dieses Begriffs wird also [ ...} ein publizistischer ZusammenschluB genannt, der in direkteroder mittelbarer Weise öffentliche Funktionen durch freie Vergesellschaftung undunabhängig von obrigkeitlichen, kirchlichen Ordnungen und ständischen Einverständnissenausübt - einerlei welcher Herkunft die einzelnen Träger solcher Vergesellschaftungsind." (A. a. 0., S. 74) Freilich setzt derartige Inhaltlichkeit eine formale Ebene bereits voraus.Manheim definiert sie durch den an Gramscis Hegemoniekonzeption erinnernden Begriffder "qualitativen Öffentlichkeit": "Eine qualitative Öffentlichkeit entsteht immerdann, wenn eine besondere Schicht, z. B. ein Stand oder eine Gesinnungsgemeineschaft, zurTrägerin einer universalen politischen und gesellschaftlichen Ordnung wird, wenn also eineSchicht vorhanden ist, die willens und faltig ist, sich zum Organ des öffentlichen Willens zuformieren und auf Grund dieser Eigenschaft zum Garanten einer nach qualitativenGrundsätzen eingerichteten Gesamtordnung wird. [...] Die politische Qualität bildet das legitimierendePrinzip der Herrschaft. Sie beansprucht nicht nur totale Zustimmung, sondernsie legitimiert die ihrem Prinzip korrelierte Herrschaft selbst als den Akt einer totalen Identifikation,als ein Handeln für alle und im Namen aller. Eine qualitative Öffentlichkeit liegtnur dann vor, wenn eine solche, universale Geltung beanspruchende Willensqualität peremtorischwird und den öffentlichen Konsensus tatsächlich prägt. Auf welchem Weg dasgeschieht, ob das öffentliche Einvernehmen durch Macht erzwungen wird oder derMachtausübung vorausgeht, ist dabei grundsätzlich nicht entscheidend." (A. a. 0., S. 6Of.)Die Frage nach den Ursachen der sich etablienden bürgerlichen Öffentlichkeit wird nichtgestellt; klar ist jedoch, daß sie als technische Bedingung eines potentiell ubiquitären Mediumsbedarf, da ein wesentliches Charakteristikum dieser Öffentlichkeit in ihrem je unmittelbarenBezug auf den Einzelnen liegt. Dieser Bezug, der das jeweilige Subjekt demAllgemeinen der gesellschaftskonstituierenden Normativität direkt verpflichtet, stifteteigentlich erst den Begriff des ,Politischen' im modernen Sinne. (Vgl. auch: Bödeker, Aufklärung,S. 91f.)119) Freilich ist auch diese Aussage eher qualitativ als quantitativ zu interpretieren: "Das Publikumim 18. Jahrhundert - so sehr es wuchs - blieb verschwindend klein und läßt sich inkaum einem Fall mit dem heutigen Massenpublikum bestimmter Zeitungen oder Büchervergleichen." (KieseIlMünch, Gesellschaft, S. 161) "Allerdings fand sich im letzten Dritteldes 18. Jahrhunderts ein vorwiegend bürgerliches Publikum in einer neuen Institutionsformzusammen, die seinem vitalen Interesse an der Lektüre entsprach und wenigstens vorübergehendAnsätze einer Politisierung zeigte. Gemeint sind die Lesegesellschaften, [... }U359


(A. a. 0., S. 174; zur Problematik der Ausgrenzung oraler Tradition vgl. Schenda, Kommunikationsformen.)120) "Die diskutablen Fragen werden ,allgemein' nicht nur im Sinne ihrer Bedeutsamkeit, sondernauch der Zugänglichkeit: alle müssen dazugehören können. Wo sich das Publikum institutionellals feste Gruppe von Gesprächspartnern etabliert, setZt es sich nicht dem Publikumgleich, sondern beansprucht allenfalls, als sein Sprecher, vielleicht gar als sein Erzieher,in seinem Namen aufzutreten, es zu vertreten - die Gestalt bürgerlicher Repräsentation."(Habermas, Strukturwandel, S. 53) Lucian Hölscher betont die Vorgängigkeit des literarischenvor dem politischen Öffentlichkeitsbegriff (vgl. Hölscher, Öffentlichkeit, S. 91); dabeihat dieser wiederum sein Modell in der ,Gelehrtenrepublik' des 17. Jahrhunderts (vgl.a. a. 0., S. 98f. u. 140; vgl. Stichweh, Staat, S. 113ff.). Freilich macht Hölscher auch die Gegenrechnungauf: ,Öffentlichkeit' ist, wie vielleicht Rousseau zuerst reflektierte, auch Reaktionauf den Verlust unmittelbarer und personaler Formen der Sozialität (vgl. .a. a. 0.,S. 104); an ihre Stelle tritt ein Modell medialer Vermittlung und mit ihm das Mediumselbst in das Zentrum der Aufmerksamkeit: "Das Interesse der Aufklärung an der Öffentlichkeitgalt der vermittelnden Funktion des Mediums, das die Teilnehmer öffentlicher Ereignisseeinander nicht direkt konfrontierte, sondern zwischen sie gewissermaßen einen Filterschob." (A. a. 0., S.105) Dieses Filter - konkret: die Schriftsprache - bedeutet zunächstDistanzierung (vgl. a. a. 0., S. 92) und konstituiert damit einen diskreten Innenraum, eineArt mentaler Privatheit, dessen Gegenpol der Universalitätsanspruch der Äußerung bildet.Die Distanz des Subjekts zur vermittelten Form seiner Präsentation läßt es zugleich zumOrt des Geheimnisses und des Verdachts werden - und dieser Verdacht muß nun seinerseitsmedial ausgeräumt werden. Damit figuriert sich das Ideologem einer textuell vermitteltenForm von Unmittelbarkeit. ,Liebe' wird zum Faszinosum, jenes Interesse am Subjekt, dasLuhmann ,Interpenetration' nennt (vgl. Anm. 60) zum Agens textueller Produktion undtextualisierter Wahrnehmung.121) "Die bürgerliche Öffentlichkeit steht und fällt mit dem Prinzip des allgemeinen Zugangs.Eine Öffentlichkeit, von der angebbare Gruppen eo ipso ausgeschlossen wären, ist nicht etwanur unvollständig, sie ist vielmehr gar keine Öffentlichkeit. Jenes Publikum, das alsSubjekt des bürgerlichen Rechtsstaates gelten darf, versteht denn auch seine Sphäre als eineöffentliche in diesem strengen Sinne; es antizipiert in seinen Erwägungen die Zugehörigkeitprinzipiell aller Menschen." (Haberrnas, Strukturwandel, S. 107)122) Die Aufklärung erst etabliert einen Diskurs als konsistente epistemische Form möglicherÄußerungen, deren sich das Subjekt nur bedienen kann. ,Dikurs' synonym zu ,statement',,Aussage' oder ,Meinung' zu gebrauchen ist Geschwätz. (Zur Mechanik der ,Diskursivietung'des Subjekts vgl. Kapitel 6.)123) V gl. Kapitel 3, Anm. 189.124) "Die Ordnung kommt erst zustande, wenn sich die Gesetze der Vernunft in der Natur dersinnlichen Wahrnehmung am Ende dennoch auffinden lassen, wenn die Rationalität in denSubjekten auf eine verborgene Rationalität in den Objekten stößt, wenn schon die sinnlichgegebene Welt so vernünftig vermittelt ist, daß sie keinen ernsten Widerstand mehr leistet."(Grimminger, Ordnung, S. 61f.) Die Negation von Ordnung wird in der Aufklärungprimär als Negation sittlicher Ordnung perhorresziert: "Das Ausräumen des Nihilismusverdachteswar also für den neuzeitlichen Rationalismus ein primäres polemisches BedürfnisjaÜberlebensfrage." (Kondylis, Aufklärung, S. 55)125) "Der BegriffWissenschaft wurde erst seit Beginn des 17. Jahrhunderts in die Wörterbücheraufgenommen und entwickelte sich dann unter dem Einfluß des aufgeklärten Wissenschaftsverständnissesbald zur Bezeichnung rur eine gelehrte Disziplin, womit die ältere Bedeutungen,Nachricht, Kunde, Kunst, Fertigkeit' zurücktraten. Dieser Vorgang bezeichnetzugleich den Objektivitätsanspruch des Wortes, der über bloß subjektive Mitteilung ebensohinauswies wie über den bloß individuellen Besitz von Wissen. Die Pluralbildung ,Wissenschaften'drückte diesen Vorgang ebenfalls aus und fand sich seit dem frühen 17. Jahrhundertin der Umschreibung einzelner ,acres liberales'. Erst nachdem der SälcularisierungsundObjektivierungsprozeß in bezug auf die wissenschaftliche Erkenntnis abgeschlossen360


war, setzte sich gegen Ende des 18. Jahrhunderts der Singular .Wissenschaft' im modernenSinne endgültig durch." (Möller, Vernunft, S. 112)126) Nach eigenem Verständnis zielt die Aufklärung natürlich auf .den Menschen', der dann,Bürger' im .Reich der Vernunft' werden soll. (Vgl. Manheim, Aufklärung, S. 92)127) Wenn .Vernunft' nicht metaphysisch oder transzendental, sondern sprachlich gedacht wird,fallen öffendiche Vernunft und herrschendes Sprachspiel zusammen. Eine plane Identifikationbeider aber sucht die Aufklärung zu vermeiden. Der Diskurs der Vernunft muß, derpolitisch-ökonomische soll als Einheit gedacht werden, der sprachliche wird - grosso modo- bereits als Einheit gedacht. Nun gibt es gerade im deutschen Reich kein homogenes herrschendesSprachspiel, sondern nur die Formalismen der feudalen Bürokratie im quasi-öffentlichen,sowie eine französische Mode im quasi-privaten Gebrauch der feudalen Führungsschicht.Dadurch wird es möglich, die deutsche Sprache - und, in Folge der Kontaminationvon sprachlicher und politischer ,Misere', das Deutsche schlechthin - mit allen möglichen Projektionenaufzuladen und intendierte Gehalte mit der sprachlichen Tradition zu identifizieren.Diese spezifisch deutsche Situation ist nicht nur Bedingung der Möglichkeit des sogenannten.Bildungsbürgertums'; sie ist konstitutiv auch für dessen Barbarei. Wenn nach den politischenEnttäuschungen der französischen Revolution auch das politische Ideal historischgewendet wird, eröffnet sie den Weg zur Regression in einen furchtbaren Nationalismus,unter dessen Agenten und Promotoren folgerichtigerweise die germanistischen Wissenschafteneinen vorderen Platz einnehmen.128) Aus der systematischen Notwendigkeit, eine trans-sprachliche letztbegriindung der Sprachezu finden, speist sich die aufklärerische Diskussion um den Sprachursprung. (V gl. Theorienvom Ursprung der Sprache. Hrsg. v. Joachim Gessinger und Wolfert von Rahden. 2 Bde. Berlin INew York 1989; Arno Borst. Der Turmbauvon Babel. Geschichte der Meinungen iiber UrsprungundVielfolt der Sprachen undV01ker. 4 Bde., Stuttgart 1957-63, bes. 3.2, S. 1395-1520: Aufklärungund Apologetik; Bruno Liebrucks. Sprache und Bewußtsein. Bd. 1: Einleitung. Spannweitedes Problems: Von den undialektischen Gebilden zu dialektischen Bewegungen. Frankfur! 1964.)129) Daß sich jeder Dialog - zwischen Subjekten wie zwischen Subjekten und Texten - als .Sprachenpolitik'beschreiben läßt, ist Voraussetzung dieser Arbeit. Zur Sprachenpolitik der Aufklärungim Besonderen vgl. Blackall, Entwicklung (bes. auch das alccualisierte literaturverzeichnis);Gunter E. Grimm. Literatur und Gelehrtentum in Deutschland. Untersuchungen zumWandel ihres Verstiindnisses vom Humanismus bis zur Friihaufkliirung. Tiibingen 1983, bes.375ff. u. 603ff.; Rudolf Vierhaus. Politisches Bewußtsein in Deutsc/;/a"d wr 1789. In: Ders.,Deutschland, S. 183-201, bes. 10lff.; exemplarisch bei Kant: Hölscher, Öffentlichkeit,S. 101ff.130) Interdependenz von Sprache und Vernunft wird bereits zu Beginn der Aufklärung zugestanden(vgl. Anm. 71) und auch am Ende noch behauptet: .. Man darf nicht viele, und eigentlichgar keine vernünftige Überlegung, voraussetzen, wo die Sprache noch fehlt. DieSprache muß so alt sein, als der Gebrauch der Vernunft." (Johann Nikolaus Tetms. SprachphilosophischeVersuche. Mit einer Einleitung von Erich Heintel. Hrsg. v. Heinrich Pfannkuch. Hamburg1971, S. 29) Doch ist besonders in der Spätaufklärung die Reflexion auf die sprachlichenBedingungen von Wahrheit Krisenindiz und skeptischer Reflex auf das Bemühen um dieSistierung trans-sprachlicher Konstituentien eines wahren Gesprächs. Auch Kant gestehtzu: .. Denken ist Reden mit sich selbst [ ...), folglich sich auch innerlich (durch reproduktiveEinbildungskraft) Hiiren." (Immanuel Kant. Anthropologie in pragmatischer Hinsicht. WerkeBd. 12, S. 395-690, hier: § 36, S. 500) Er fährt jedoch fort: .. Aber da auch die, so sprechenund hören können, verstehen darum nicht immer sich selbst oder andere, und an dem Mangeldes Bezeichnungsvermögens, oder dem fehlerhaften Gebrauch desselben (da Zeichen fürSachen und umgekehrt genommen werden) liegt es, vornehmlich in Sachen der Vernunft,daß Menschen, die der Sprache nach einig sind, in Begriffen himmelweit voneinander abstehen;welches nur zufälligerweise, wenn ein jeder nach dem seinigen handelt, offenbarwird." (Ebd.)Wenn aber Denken Sprechen ist, wie ist das Moment der Differenz, das Mißverstehen zuverstehen) Zwei Paragraphen weiter definiert Kant den Verstand .. als das Vermögen zu den-361


362ken (durch Begriffe sich etwas vorstellen)" (a. a. 0., § 37, S. 505). ,Denken' ist also zugleichinneres Reden und Vorstellung in Begriffen. Soll der Verstand nicht seinerseits der Sprachlichkeitanheimfallen, so gilt es jetzt, die Differenz zwischen Begriffen und Wörtern zu bestimmen.Kant fährt fort: der Verstand "wird auch das obere Erkenntnisvermögen (zum Unterschiedevon der Sinnlichkeit als dem Imteren) genannt, darum weil das Vermögen der Anschauung(reiner oder empirischer) nur das Einzelne in Gegenständen, dagegen das der Begriffedas Allgemeine der Vorstellungen derselben, die Regel, enthält, der das Mannigfaltigeder sinnlichen Anschauungen untergeordnet werden muß, um Einheit zur Erkenntnisdes Objekts hervorzubringen." Die Anschauung bezieht sich also auf Gegenstände, der Begriffhingegen auf Vorstellungen; genauer noch: der Begriff bezieht sich auf das Identischeder mannigfaltigen Erscheinungen der Gegenstände in der Anschauung. Er ist ex definitione- für Kant: objektiver - Wille zur Identität und zur EXfX>sition der ,Regel'. Damit istzwar die Referenzstruktur des Begriffs, nicht jedoch seine Differenz zu bloßen Wörtern offengelegt.Kant behilft sich mit einem Trick, indem er zum einen Schriftzeichen - explizit:Buchstaben - als arbiträre Zeichen definiert (a. a. 0., § 36, S. 499), zum anderen ein allgemeinesBezeichnungsvermögen als Gedächtnisfunktion bestimmt ("Erkenntnis des Gegenwärtigenals Mittel der Verknüpfung der Vorstellung des Vorhergesehenen mit der des Vergangenen")und fX>sculiert: "Die Handlung des Gemüts diese Verknüpfung zu bewirken istdie Bezeichnung." (A. a. 0., § 35, S. 497) (Damit tappt er in die phänomenologische Falle!)So ist zwar Signifikation erneut als Prozeß, und zwar als Komplikation von Erwartung undErfahrung benannt, wie aber die Bezeichnung auf den Gegenstand referiert, bleibt noch ungeklärt.Kant differenziert zwei Arten der Referenz: Symbolische Bezeichnung: "Gestalten der Dinge(Anschauungen), sofern sie nur zu Mitreln der Vorstellung durch den Begriff dienen"(ebd.) und "Charaktere". Diese "sind noch nicht Symbole: denn sie können auch bloß mittelbare(indirekte) Zeichen sein, die an sich nichts bedeuten, sondern nur durch Beigesellungauf Anschauungen und durch diese auf Begriffe führen" (ebd.). In der Definition dersymbolischen Bezeichnung wird zunächst das Kardinalproblem aller kantianischen Philosophie,der Übergang vom Formalismus der transzendentalen zur Inhaldichkeit der praktischenErkenntnis durch eine Äquivokation von "Gestalten der Dinge" und "Anschauungen"schlicht überspielt, bevor eine instrumentelle Funktion dieser auch "figürlich" genanntenZeichen zur Genese der Begriffe behauptet wird. Anschließend präzisiert Kant das Referenzproblem,wenn er differenziert, daß "das (!) symbolische Erkenntnis nicht der intuitiven.sondern der diskuniven entgegengesetzt werden muß, in welcher das Zeichen (charakter) denBegriff nur als Wächter (custos) begleitet, um ihn gelegentlich zu reproduzieren. Das symbolischeErkenntnis ist also nicht der intuitiven (durch sinnliche Anschauung), sondern derintellektuellen (durch Begriffe) entgegengesetzt." (A. a. 0., § 35, S. 497f.)Gleich zweimal wird das Referenzproblem negiert, dabei verschiebt die Reduktion auf Gedächtnisfunktiondas Problem nur, transformiert die semantische in eine quasi historische,in die Frage nach dem Sprach ursprung. Die Abwehr der Problematik wird noch einmaldeutlich, wenn Kant unter den willkürlichen Zeichen Schriftzeichen nennt, diese als "Zeichenfür Laute" (a. a. 0., § 36, S. 499) bestimmt, ohne dann aber die Lautzeichen ihrerseitszu definieren. Implizit taucht das Problem noch einmal auf und formuliert jene semantischeIntention, die in ausgezeichneter Weise Projekt der Aufklärung ist und über sie auf denberühmten HegeIschen Satz vom Ende der Kunst weist: ,,Aber in den Darstellungen der zurMoralität, welche das Wesen aller Religion ausmacht, mithin zur reinen Vernunft gehörigenBegriffe (Ideen genannt), das Symbolische vom Intellektuellen (Gottesdienst von Religion),die zwar einige Zeit hindurch nützliche und nötige Hülle von der Sache selbst zu unterscheiden,ist A"jkliirung: weil sonst ein Ideal (der reinen praktischen Vernunft) gegen einIdol vertauscht und der Endzweck verfehlt wird." (A.a. 0., § 35, S. 498) ,Endzweck' ist, wieKant am Ende des Paragraphen ausführt, "der intellektuelle Sinn" (a. a. 0., § 35, S. 499);zuvor, immer noch im Kontext moralischer Überlegungen, fordert er nach der bestimmtenZurückweisung planer symbolischer Interpretation, "daß, wenn es darum zu tun ist, was[ ... ) Lehrer selbst bei der Abfassung ihrer heiligen Schriften wirklich gedacht haben, man sie


alsdann nicht symbolisch, sondern bllchstäblich auslegen müsse, ( ... ) weil es unredlich gehandeltsein würde, ihre Worte zu verdrehen. Wenn es aber nicht bloß um die Wahrhaftigkeitdes Lehrers, sondern auch und zwar wesentlich um die Wahrheit der Lehre zu tun ist, sokann und soll man diese, als bloße symbolische Vorstellungsart, durch eingeführte Förmlichkeitund Gebräuche jene praktischen Ideen zu begleiten auslegen ( .. .)" (A. a. 0., § 35,S. 498f.) Das symbolisch intendierte Zeichen soll als konventionelles interpretiert werden;diese Konvention - und ihr (Text-)Subjekt - gilt es dann, am allgemeinen Maßstab der rationalenWahrheit zu messen. Das Referenzproblem ist jetzt entweder historisiert oder - beiZeitgenossen - psychologisiert, auf jeden Fall aber als solches erledigt, denn es gibt nurnoch eine An von Bezeichnung: die arbiträre. Doch es ersteht wieder, wenngleich in veränderterForm und in anderem Kontext: In der Kritik der reinen Vernunft, also in der rein theoretischen,Sprache als Begriff intendierenden Philosophie schreibt Kant: "Bei dem großenReichthum unserer Sprache findet sich doch oft der denkende Kopf wegen des Ausdrucksverlegen, der seinem Begriffe genau anpaßt, und in dessen Ermangelung er weder andern,noch sogar sich selbst recht verständlich werden kann. Neue Wörter zu schmieden, ist eineAnmaßung zum Gesetzgeben in Sprachen, die selten gelingt, und ehe man zu diesem verzweifeltenMittel schreitet, ist es rathsam, sich umzusehen, ob sich daselbst nicht dieser Begriffsammt seinem angemessenen Ausdrucke vorfinde; und wenn der alte Gebrauch desselbendurch Unbehutsamkeit seiner Urheber auch erwas schwankend geworden wäre, so ist esdoch besser, die Bedeutung, die ihm vorzüglich eigen war, zu befestigen (sollte es auchzweifelhaft bleiben, ob man damals genau eben dieselbe im Sinne gehabt habe), als sein Geschäftenur dadurch verderben, daß man sich unverständlich machte." (Transzendentale Dialektik,1,1: Von den Ideen überhaupt. KrV, A. 368f.; Akad. S. 245)Auf der Ebene des philosophischen Selbstgesprächs gibt es also anscheinend so etwas wie einintellektuelles aptum der Wörter und eine Interdependenz zwischen Sprache und Verstehen,freilich der Arbitrarität zuwiderliefe, denn wie könnte sonst ein Begriff durch seine Urheberkorrumpiert werden) Die Abwehr von Neologismen und der anempfohlene semantischeKonservativismus endet zirkulär in der Hypostasierung einer ,pragmatischen' Bedeutung;Kants Sprachkonzeption ist Sprachpolitik: Besetzung und Revision tradierter Wortbedeutungen.Anschließend formuliert Kant eine ökonomische Logik des diskreten, preziosenRepräsentamens, die seine mnemotechnische Funktion und damit die Bedeutung diesesintellektuellen Kapitals zur Erhaltung seines Wertes, des Repräsentandums, gegen Verschwendungsichern soll: "Um deswillen, wenn sich erwa zu einern gewissen Begriffe nurein einziges Wort vorfinde, das in schon eingeführter Bedeutung diesem Begriffe genau anpaßt,dessen Unterscheidung von andern verwandten Begriffen von großer Wichtigkeit ist,so ist es rathsam, damit nichr verschwenderisch umzugehen, oder es bloß zur Abwechslungsynonymisch statt anderer zu gebrauchen, sondern ihm seine eigenthümliche Bedeutungsorgfältig aufzubehalten; weil es sonst leichtlieh geschieht, daß, nachdem der Ausdruck dieAufmerksamkeit nicht besonders beschäfftigt, sondern sich unter dem Haufen anderer vonsehr abweichender Bedeutung verliert, auch der Gedanke verloren gehe, den er allein hätteaufbewahren können." (KrV, A 369; Akad. S. 245f. Zu Kants Sprachkonzeption: HelmlltGipper. Das Sprachapriori. Sprache als VorallssetzlIng menschlichen Denkens und Erkennens. Stuttgart-BadCanstatt 1987, S. 95-115. Ältere Literatur dort; zur ,Begriffsberichtigung' vgl.Schneiders, Aufklärung, S. 103ff.)131) Gott/ried Wilhelm Leibniz. Ermahnung an die Telltsche, ihren Verstand und ihre Sprache besser zuühen. In: Ders. Siimtliche Schriften und Briefe. Hrsg. v. der PreJlSsischen Akademie der Wissenschaften.Darmstadt 1923jf. (Nachdruck Berlin 1970jf.) Im Folgenden zitiert als: SS. 4. Reihe: PolitischeSchriften. Bd. 3: Berlin 1986, S. 795--820. Nicht mit Siglen gekennzeichnete Zahlen imText beziehen sich auf diese Ausgabe.132) Zum Schriftbegriff Leibniz' vgl. Rita Widmaier. Die Rolle der Schrift in Leibniz' Zeichentht1lrie.Wiesbaden 1983; vgl. Leib"iz Bibliographie. Die Literatur über Leibniz bis 1980. Begriindet v.Kurt Müller. Hrsg. t'. Albert Heinekamp. Frankfurt a. M. 1984, S. 307-317; Hans Aarslejf. TheEighteenth Century, Including Leibniz. In: Current frends of Lingllistics. Ed. by Thomas A. Sebt1lk.Vol. 13: Historiography of Linguistics. The Hague/ Paris 1975, S. 385-410. Zum topischen363


Sprachdenken im Allgemeinen vgl. Wi/he/m Schmidt-Biggemann. Topica IIniverJa/is. Eine Model/ge.rchichtehumaniJtiJCher und barocker WisJenJchaft. Hambllrg 1983; am Beispiel: FranzHundJnllrscher. Das Problem der Bedelltung bei jmtlls Georg Schottelills. In: Sprache lind Recht.Beiträge zur KulturgeJchichte de.r Mittelalters. Festschrift für Ruth Schmidt-Wiegand zum 60. Geburtstag.Hrsg. v. K. Hauck, K. Koerschel/ e. a. Bd. 1: Berlin / NeU' York 1986, S. 305-320.133) V gl. Bödeker, Aufklärung. Nach einer Fülle zeitgenössischen Materials resümiert Bödeker:"Die egalitär-diskursive Vergesellschaftung in den Associationen und die kommunikativeBehandlung strittiger Fragen unter den Mitgliedern ermöglichte nicht nur neue Themen,über die man gemeinsam diskutieren konnte, sondern begründete auch neue Formen desArgumentierens, Redens und Schreibens. Inhalte und Formen aufklärerischer Kommunikationwurden bestimmt von den Kommunikationsbedücfnissen und Kommunikationsbedingungender Gebildeten." (A. a. 0., S. 110) Freilich geht er ebensowenig wie Schneiders, dersich dem Thema Sprache gleichermaßen nähert (vgl. Schneiders, Aufklärung, S. 12f.) auf dasprimäre Medium der Kommunikation: die Sprache selbst ein. Auch Siegfried J. Schmidtsumfängliche Untersuchung streift das Thema mit souveräner Abstraktion (Schmidt, Selbstorganisation,S. 377ff.).134) ,Bürgerlich' ist als struktureller, nicht als soziologischer Begriff zu verstehen; hier zeigt sichder standesübergreifende Ansatz bürgerlicher Öffentlichkeit, welcher soziologische Rubrizierungtendenziell unmöglich macht und ein normatives Dispositiv intellektueller wie habituellerSelbst-Affirmation erstellt, das gerade durch den Verzicht auf eindeutige Rubrizierungin sozialen Funktionskategorien sein spezifisches Profil und seine Integrationsfunktiongewinnt. Freilich treibt es seinerseits eine neue Dichotomie hervor, die Engelsing nicht nurkonstatiert, sondern affirmiert, wenn er ausführt: .. Ausnahmen abgerechnet gabeln sichnämlich im 18. Jahrhundert lesergeschichte des Großbürgertums und Volkskunde der lektüredes Kleinbürgertums und der Unterschicht." (Ro/f Engehing. Der Bürger ab Leser. LesergeJchichtein DeJltschland 1500-1800. Stuttgart 1974, S. 340; zum Publikum vgl. KieseUMünch, Gesellschaft, S. 16lff.)135) Zum prinzipiellen Problem von Selbst- und Fremdaufklärung vgl. Schneiders, Aufklärung,S. 195ff.136) Exemplarisch zum Übergang von feudaler Präsentation zum rationalen Machtkalkülvgl. Peter Burke. Die RenaisJance in Italien. SozialgeJchichte einer Kultur zwischen Tradition undErfindung. Berlin 1984, S.207ff., bes. 210.137) Dies gilt natürlich gleichermaßen im Heimatland dieser Repräsentation, Frankreich (vgl.Kapitel4).138) Leibniz fährt fore: .. Dann Unser Teutsche garten mus nicht nur anlachende Lilien und Rosen,sondern auch süße Äpfel und gesunde Kräuter haben. Jene verlieren bald ihre schönheitund geruch(,) diese lassen sich zum Gebrauch behalten." (810)139) Dies setzt ein Denken voraus, das den Staat nicht nur als Ressource zur Genese der Persondes Herrschers betrachtet, sondern diesen funktional, als Regenten seines Landes begreift,an statt traditional das Land als Möglichkeitsbedingung der Gloire des Potentaten. Methodischargumentiert leibniz zirkulär, pragmatisch freilich äußerst geschickt, indem er feudalesethos und ökonomisches Interesse zusammenschließt.140) leibniz fährt fore: .. Ein brieft> eine Zeitung so unsre Nation angehet, kan uns kräncken oderfröhlich machen." (798) Zur Logik der Identifikation von Sprache und Sozialität vgl.Kapitel 3.141) Zum Problem der Universalsprache vgl. Widmaier, Rolle; MittelstraB, Neuzeit,S. 419-452, bes. 432ff.; vgl. Kapitel 4, Anm. 211.142) V gl. Foucaulc, Ordnung, S. 118ff.143) Im funktionalistischen Denken der Neuzeit ist eine allgemeine Grammatik Bedingungeiner allgemeinen Sprache. In Absetzung zur theologischen Konzeption einer integren Ursprache,die von einer topischen Semantik ausgeht, .. manifestiere die Grammatik als Reflexionüber die Sprache im allgemeinen die Beziehung, die diese mit der Universalität unterhält.Diese Beziehung kann zwei Formen erhalten, je nachdem ob man die Möglichkeiteiner universalen Sprache oder eines universalen Diskurses in Betracht zieht. In der klassischen364


Zeit bezeichnet man mit universaler Sprache nicht die primitive, unberührte und remeSprechweise, die, wenn man sie jenseits der Strafen des Vergessens wiederfande, die Einheitaus der Zeit vor Babel wiederherstellen könnte. Es handelt sich um eine Sprache, die jederRepräsentation und jedem Element jeder Repräsentation das Zeichen zu geben vermöchte,durch das sie auf einmalige Weise markiert werden könnten. Sie wäre auch fahig, die Weisezu bezeichnen, in der die Elemente sich in einer Repräsentation anordnen und wie siemiteinander verbunden sind." (Foucault, Ordnung, S. 121f.; vgl. Köller, Philosophie)144) .. Die Kritik ist nicht dem dogmatischen Verfahren der Vernunft in ihrem (!) reinen Erkenntnis,als Wissenschaft, entgegengesetzt (denn diese muß jederzeit dogmatisch, d. i. aussicheren Prinzipien apriori strenge beweisend sein), sondern dem Dogmatismus ( ... }"(Kant, KrV, All; vgl. Schneiders, Aufklärung, S. 52ff.; Koselleck, Kritik, bes. S. 84ff. u.196ff.; Herrmann Liibbe. Philosophie als Allfklärllng. In: Rehabilitierllng der praktilchen P hilosophie.Bd. 1: Gehalte, p,.oblmn, Aufgaben. HrJg. v. Manfred Riedel. Freibllrg 1972, S. 243-265,bes. S. 249)145) Zur Praxis der ,Erweckung' in der Pädagogik vgl. Gerhard Ringshallsen. AlIgllst HermannFrancke. In: Klassiker der Pääagogik, Bd. 1, S. 83-93, bes. 9Of.146) Vgl. z.B. Decartes, AT VI, S. 15.147) G. W. Leibniz. Nelle Abhandlllngen über den menschlichen Verstand. Obers., einge!. 11. erl. von ErnstCassirer. Hamburg 1971 (im Folgenden zitiert als: NE), S. 84.148) l.eibniz spricht von einem .. gleichsam erlaüchtete(n} Verstand" (818). Hier zeigt sich nochdie Äquivokation des niederen Adelstitels (,Erlaucht') mit dem aufgeklärten - ,erleuchteten'Bürger, wie sie als Übersetzung von ,illustris' noch bei Adelung zu finden, bei Grimm dannaber in zwei synonyme Artikel zerteilt ist.149) Dennoch: "Der Durchbruch zur Aufstellung der erwarteten Einnahmen und Ausgaben imRahmen eines verbindlichen Budgets blieb ( ... } dem absolutistischen Staat des 18. Jahrhundertsversagt." (Fritz Blaich. Wirtschaftspolitik lind Wirlschaftsverwaltllng. In: Deutsche Verwaltungsgeschichte,Bd. 1, S. 428--447, hier: S. 434)150) Die Rationalisierung betrifft nicht nur den ökonomischen, sondern auch die systematischeKodifikation des juristischen Sektors - auch in der Kodifikation des Beamtenrechts (vgl.Coing, Privatrecht, S. 51ff.). Nicht nur historisch, wie die preußische BeamtenuniversitätHalle zeigt, auch ethisch-praktisch ist das Selbstverständnis der Beamtenschaft dem Paradigmapietistischer Nachfolgetheologie bestens kompatibel: Beamte sind kleine Jesuse desrationalen Staates. Sie nehmen das Kreuz gesellschaftlicher Notwendigkeit und Wahrheitauf sich. Diese christo-logisch dienende Psyche trennt sie generell von der selbstbewußtenund selbstverantwortlichen vircu feudaler Mentalität (vgl. Hattenhauer, Geschichte,S. 154ff.). Dennoch ist es die feudale Bürokratie, nicht die bürgerlich-ständische Gesellschaftdie dem auserwählten Selbstverständnis moderner Paragraphenritter den Steigbügelhält: "Nur im System der absoluten Monarchie hat die Beamtenschaft zum ,politischen'Stand, zu einer sekundären Führungsschicht aufsteigen können; unter einer ständischenVerfassung war dafiir kein Platz. ", resümiert RudolfVierhaus kurz (Vierhaus, Ständewesen,a. a. 0., S. 48).151) Zur französischen Problematik vgl. Ernst Hinrichs. Absolute Monarchie lind Biirokratie. Bemerklingeniiber ihre ,Unvereinbarkeit' im jranzö'sischen Ancien Regime. In: Ders., Ancien Regime,S.81-98.152) G. W. Leibniz, SS 4.1, S. 883-887. Das folgende Zitat steht auf S. 887.153) Vgl. Oestreich, Strukturprobleme, S. 187. Der König wird zum ersten Diener seines Staatesauch im Sinne der ihm bis heute verbleibenden spezifischen Mischung von Repräsentationund Entertainment - und immer noch pazifiziert seine melancholieprophylaktische showstaatstragende Schichten, auch wenn der roi soleil heute hauptsächlich aus der yellow pressstrahlt.154) Trotz aller Anstrengungen kommt Michael Stürmer zu dem Schluß: "Der frühmoderneStaat, den man schon im 18. Jahrhundert den absoluten Staat zu nennen begann, war - wieimmer Fürsten und ihre Schreiber ihn rühmten - ein schwacher Staat: wenig Beamte, wenigSteuern, wenig Eingriffe in Produktion und Verteilung. Daher auch wenig Soldaten."365


(Michael Stürmer. Hungriger Fiskus - schwacher Staat. Das europiiische Ancien Regime. In: ... mitdem Zehnten fing eJ an. Eine KulturgeJchichte der Steuer. HrJg. v. Uwe Schultz. München 1980,S. 174-188, S. 174.) Denn den Forderungen der Theoretiker und den Bemühungen der Potentatenentsprach die Wirklichkeit nur in sehr unzulänglicher Weise: "Überall wuchs imfrühen 18. Jahrhundert der Verwaltungs- und Beamtenstaat, und mit ihm und durch ihnwurde das Steuersystem verstetigt und rationalisiert. Aber nicht zu sehr. In ganz Europablieb der Flickenteppich der Steuern bis in die Zeit der Französischen Revolution imGrundmuster erhalten." (A. a. 0., S. 182) Das Steuersystem beruhte im Wesentlichen aufder Akzise, die an Stadttoren, Brücken oder anderen infrastrukturellen ,Engpässen' aufWaren erhoben wurde und damit "eher ein Binnenzoll war" (a. a. 0., S. 183). Entsprechendflorierte auch das Schmuggelwesen. Zwar diente die Expansion des Behördenapparates derStabilisierung der Territorialherrschafi:; dennoch blieben im deutschen Reich den Zentralisierungsbemühungengerade auf dem Gebiet des Steuerwesens Grenzen gesetzt, da das Steuerbewilligungsrechtein eifersüchtig gehütetes Refugium der landstände und Konstituensihrer politischen Einheit war (vgl. Volker Press. Steuern, Kredit und Repräsentation. Zum Problemder Stä'ndebildung ohne Adel. In: ZJChr. f. Hist. Fomh. 1.2 {1974}, S. 59-93; vgl. Blaich, Wirtschaftspolitik,S. 433; Hartung, Verfassungsgeschichte, S. 5Off., bes. S. 80ff.; Rainer Ulolf."... zu Einführung einer Gott wohlgefälligen Gleichheit auf ewig ... " Steuerreformen im Zeitalter desAbJOlutismJls Jlnd der AJljklä·rung. In: ... mit dem Zehnten fing eJ an, S. 162-173 sowie, als Studieam erfolgreichen Modell:]ohannes Kunisch. Wallenstein als KriegHmternehmer. In: A. a. 0.,S.151-161.).155) "Wenn man die Pensionswirtschaft des ancien regimes betrachtet, dann darf man nichtübersehen, daß in dieser Wirtschaft, höfisch transformiert und aufgehoben, die alte Lehensverfassunggegenwärtig ist." (Norbert Elias. Die höfische GeJellschajt. UntersJlclJJlngen zur Soziologiedes Königtums und der höfischen Aristokratie. FrankfJlrt 1983, S. 237)156) V gl. Parker, Revolution, S. 69fT.; Gerhard Papke. Von der Miliz ZJlm Stehmdm Heer. Weh ... U'esenim AbsolJltismJls. (HandbJlch zur deJitschen Militärgeschichte. Bgr. von Hans Meier-\'(/ehler, hrsg.vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt durch Othmar Hackl Jlnd Manfred MeJSerschmidt, Bd. 1),S. 154ff.; Wo/fgang Reinhard. Humanismus und Militarismus. Antike-Rezeption "nd Kriegshandwerkin der oranischen HeereJrejorm. In: Krieg Jlnd Frieden im Horizont des Renaissanceh"manismJls.Hrsg. v. Franz]osejWorstbrock. Weinheim 1986, S. 185-204; Wehler, Gesellschaftsgeschichte,S. 244ff.; Pohlmann, Herrschaftssysteme, S. 43ff. Pohlmann interpretiert den Merkantilismusin toto als "Versuch, eine ökonomische Basis für das absolutistische Heer Zu schaffen."(A. a. 0., S. 53)157) V gl. Parker, Revolution, S. 39ff. u. 86ff.; Kunisch, Wallenstein. Zur Einführung der Ordenin der von Lipsius theoretisch reflektierten Oranischen Heeresreform vgl. Papke, Miliz,S. 128ff.; Pohlmann, Herrschaftssysteme, S. 48ff.158) Dies fuhree dazu, daß zeitweilig in einem Gebiet - neben allen .fremden' - eine .feudale'und eine reichsstädtische Währung unmittelbar rivalisierten. Dabei war den feudalenMünzmanipulatoren besonders die Münzabsprachen der großen Messen, in denen die jeweiligeWährung mit Agio oder Disago belegt, die feudale Münzmanipulation also konterkariertwurde, ein Dorn im Auge. Dies führte bis zur einer militärischen Bedrohung Hamburgsdurch den fast bankrotten dänischen Gesamtstaat, dem sich die Hansestadt nur durchLoskauf und Garantien europäischer Staaten entziehen konnte. (V gl. Mauersberg, Währungspolitik,S. 15-29; Blaich, Wirtschaftspolitik, S. 435ff.)159) Pohlmann konstatiert schon bei Bodin ein deutlich werdendes "früh bürgerliches Kalkül":"Der Fürst hat die Wirtschaft seines Herrschaftsgebietes zu vereinheitlichen, hat die Voraussetzungenfür ein einheitliches marktwirtschaftliches System zu schaffen." (Pohlmann,Herrschaftssysteme, S. 37) Ausdruck der steigenden Bedeutung des ökonomischen Sektorsist auf Seiten der Verwaltung die Einrichtung von ,Kammern', die der Kontrolle fürsdicherEinnahmen und Ausgaben, sowie von Besoldungen und Renten, später dann der Kontrolleder gesamten Ökonomie des Landes dienten. Diese Institute monetärer Logik traten mit ihrerspezifischen Sachkompetenz bald in Rivalität zu den Räten, den eher humanistisch, aufallgemeine Klugheit ausgerichteten Organen politisch-feudaler Willensbildung. (V gl. Diet-366


mar Willoweit. Allgemeine Merkmale der Verwaltllngsorganisation in den Territorien. In: DelltscheVerwaltllngsgeschichte, Bd. 1, S. 289-346, bes. 330ff.; darauf aufbauend: Swlleis, Geschichre,S. 367f.; vgJ. auch: Michael Stolleis. Reichspllblizistik - Politik - Natllrrecht im 17. 1I1/d 18.Jahrhllndert. In: Staatsdenker im 17. lind 18. Jahrhllndert. Reichspllblizistik - Politik - Natllrrecht.Hrsg. v. Michael Stolleis. Frankfurt a. M. 1977, S. 7-28, hier. S. 22fO160) Das srehende Heer isr eine unmi«elbare Beschleunigung der Gewalt; die Unifizierung desRaumes durch eine homogenisierte Verwaltung isr gleichbedeurend mir der Expansion der- unvermittelten - Reichweire fürstlicher Dekrete, i. e. des Herrscherwillens. Freilich trerennun ,Vermittlungsprobleme' an die Srelle der alren, personalen Unwägbarkeiten.161) Zur Geschichte und Theorie der Bürokrarie vgJ. Gaetano Mosca. The Rlliing Class. Elementidi Scienza Politica. New York/Toronto/ London 31965;Jürgen Reusch. Art. ,Bürokratie' In: EE,Bd. 1, S. 447-453; Albrow, Bürokrarie. Albrow sieht in der Bürokratie eine "unweigerlicheFolge der Rarionalisierung" (a. a. 0., S. 50). Gleichzeirig mit der Enrsrehung der Bürokrariesind Klagen über sie: Bereirs 1764 sprichr Melchior Grimm von einer "Büromanie" (zirierrnach: A. a. 0., S. 13), 1813 sieht Campe in der Bürokrarie eine Machr, die sich Regierungsstellenanmaßen (vgJ. a. a. 0., S. 15), und Gärres serzr 1821 die Bürokratie einem srehendenHeer gleich (vgJ. a. a. 0., S. 18).162) "In einem modernen Sraar liegr die wirkliche Herrschaft, welche sich ja weder in parlamenrarischenReden noch in Enunziarionen von Monarchen, sondern in der Handhabung derVerwaltllng im Allragsleben auswirk


des Gutenberg-Universums: .. Seit das gedruckte Wort als Massenware verfügbar war, konnteund wollte sich jedermann auf das berufen, was ,klärlich' geschrieben stand. Mit anderenWorten: auch der Buchdruck und die wachsende Verrechtlichung des öffentlichen Lebensbedingten und steigerten einander. Die Verrechtlichung ,produzierte' den massenhaftenDruck von Rechtstexten, ebenso wie die nunmehr leicht venugbaren Rechtstexte die Verrechdichungstendenzenvorantrieben." (Stolleis, Geschichte, S. 127; vg!. S. 12, 81, 96f.)166) Damit ersetzt das Kompetenzprinzip des Sachbearbeiters das Kollegialitätsprinzip der Räte(vg!. Willoweit, Merkmale, S. 336f.). Für eine Übergangszeit finden sich nun auch Kaufmännerin staatlichen Kommisionen und Kammern (vg!. a. a. 0., S. 339; Hartung, Verfassungsgeschichte,S. 8Of.).167) Vg!. Blaich, Wirtschaftspolitik, S. 433ff.; Bauer/Matis, Geburt, S. 261ff.; Press, Steuern.168) Zur Geschichte der Normalisierung des Geldflusses vg!. Hartung, Verfassungsgeschichte,S. 5Off.: Die Finanzverwaltung; Elias, Gesellschaft, S. 229ff.; Erbe, Geschichte, S. 39ff.169) Richard Grauhan betont in seiner Erörterung des Machiavellisehen Staatsverständnisses denKonnex zwischen der Säkularisierung des Politischen und dem Gewaltmonopol des Staateseiner- und der Genese des modernen Eigentumsbegriffs andererseits: .. Der Staat entsteht alsSteuerstaat. Der Schutz, den der Fürst gewährt, ist der Schutz des Eigentums der Privatbürgervor den Übergriffen der Feudalherren." (Grauhan, Staat, S. 129) Friedrich Pohlmannerkennt ähnliche Tendenzen bei Bodin, nur daß dieser zusätzlich - und im Gegensatz zuMachiavelli - Berechenbarkeit der !Urstlichen Handlungen fordert (vg!. Pohlmann, Herrschaftssystem,S. 36f.; ähnlich: Hinrichs, Fürstenbild, S. 22ff.; vg!. Elias, Gesellschaft,S. 231ff.; Coing, Privatrecht, S. 50; Peter Krause. Naturre..-ht und Kodifikation. In: Aufkliirung3.2 (I 988}, S. 7-28, hier: S. 23).170) Zur Struktur der Interessenallianz von territorialem Herrscher und Kaufmann. vg!. GerhardUnski. Macht und Privileg. Eine Theorie der sozialm Scbichtung. Frankfurt a. M. 1973,S.331-341.171) V g!. Elias, Prozeß, 2. Bd, S. 226ff., bes. S. 236.172) Über die Position des König bemerkt Norbert Elias lakonisch: .. Sein Geld versammelt dieMenschen um sich" (Elias, Gesellschaft, S. 237).173) .. Es ist diese Balance der Interdependenzen, diese Verteilung der Abhängigkeitsgewichte,die jener Institution, die wir ,Hof nennen, ihren spezifischen Charakter gab." (Elias,Gesellschaft, S. 310)174) Der Hof, einst Ort der Produktion von Macht, wird damit zur .. Zusammenballung einermächtigen Verbrauchergruppen" (Elias, Gesellschaft, S. 243): .. Erst im Zusammenhang mitden Fortschritten des Geld- und Warenverkehrs, im Zusammenhang mit der Ausdehungdes Handels, mit der Kommerzialisierung des sozialen Feldes, war es möglich, eine großeMenge von Menschen dauernd an einem Ort zusammenzuhalten, dessen Umgebung alleinbegreiflicherweise zur Ernährung größerer Menschenmengen nicht ausreichen konnte.(A. a. 0., S. 244) Zur Macht allgemein: Michael Mann. Geschichte der Macht. Bd. 1: Von denAnfiingen bis zur griechischen Antike. Frankfurt a. M. / Neu- Y01·k 1990, Bd. 2: Vom Ri;mischenReich bis zum Vorabend der Industrialisierung. Frankfurt a. M. / NeU! York 1991; bes. Bd. 2,S.319-395.175) Freilich ist die Strategie des Herrschers durchaus doppeigesichtig: .. Gestützt auf die wachsendeMachtposition bürgerlicher Schichten distanzierte sich der König mehr und mehr vondem übrigen Adel, und umgekehrt: der König förderte zugleich das Vordringen bürgerlicherExistenzen; er eröffnete ihnen sowohl ökonomische wie Ämter- und Prestigechancenverschiedenster Art und hält so auch sie in Schach." (Elias, Gesellschaft, S. 306f.)176) Ironischerweise war das Kammersystem der Finanzverwaltung, dessen Logik nun gegen denHerrscher gewendet wird, ursprünglich zu seiner privaten Buchhaltung, zur ,Hof-Buchführung',installiert worden (vg!. Willoweit, Merkmale, S. 306).177) .. Luxus als demonstrativer Verbrauch prestigebehafteter Objekte war symbolisches Handelnmit politisch-sozialen Implikationen und zugleich ein wirtschaftlich relevantes Handeln,beides von langer Tradition. Der Fürstenstaat des 17. und 18. Jahrhunderts hat sie sichnutzbar zu machen und zu kontrollieren versucht, während er gleichzeitig eine eigenständi-368


ge materielle Kultur als Baugrund von Hof und Herrschaft entwickelte." (U Irich-ChristianPallach. Materielle Kultur und Mentalitäten im 18. Jahrhundert. W7irIJchajtliche Entwicklung lindpolitisch-sozialer Funktiomwandel des Ll/xliS in Frankreich und im Alten Reich am Ende des AncienRegime. München 1987, S. 165f.)178) Der feudale Blick findet im Apparat keinen personalen, i. e. über eigene Repräsentanz verfügendenKonkurrenten: Niemand ist .satisfaktionsfähig'. Der personale Blick des Herrscherskann anonyme, abstrakte Bedrohung nicht erkennen. Doch die Anonymität der Bedrohunggebiert Verschwörungstheorien, die letzi ich nur Adaption des personalen Incrigenmodellsauf strukturale Mechanismen sind und der Versuch, .Amtsinhaber' für Ämter haftbarzu machen. Das Opfer wird zur Personifikation der Verwalrung, quasi zum Exemplar, andem eben ein Exempel statuiert wird.179) Entsprechend folgten Reformen der Verwaltungsstruktur dem Rhythmus der Herrschaften(vg!. Willoweit, Mermale, S. 298).180) Koselleck interpretiert die Depotenzierung des Herrschers, welche hier nach der Konsequenzlogikkalkulatorischer Vernunft gedacht wird, idealistisch als moralischen Prozeß:.. War der Fürst als der Repräsentant des Staates einmal auf die moralische Kategorie desMenschen reduuert, dann ergab sich aus der dem moralischen Dualismus innewohnendenDialektik, daß diese moralische Kategorie zu einer, wenn auch nicht als solcher angesprochenen,politischen Größe werden mußte. Die politische Funktion, die der Fürst als Fürstinnehatte, ging zwangsläufig über auf den .Menschen'." (Koselleck, Kritik, S. 126) DasKonstituens bürgerlicher Moral liegt für Koselleck in einer Negation der Macht: .. Macht istfür den hypokritischen Aufklärer immer Mißbrauch der Macht. Daß die Macht den Mächtigeninspiriere, darum weiß er nicht. In der Perspektive des politischen Privatiers verwandeltsich Macht in Gewalt.[ ... } Die Aufklärer enrlarven den König als Menschen, und als Menschkann er gar nichts anderes sein als ein Usurpator." (A. a. 0., S. 99)181) Im Grunde ist dies nichts anderes als das Prinzip doppelter Buchführung: Man macht demHerrscher die ,Gegenrechnung' auf. Koselleck konstatiert das merkantile Kalkül der Moralin einer Parenthese, wenn er formuliere .. die Bürger konstituieren durch ihren Ureeilsspruch-wie die Kaufleute einen Handelswere ermirreln - die moralischen Gesetze". (Koselleck,Kritik, S. 43; vg!. Ham Erich Bödeker, Proum und Strukturen politischer BewußIJeinsbildung inder deutschen Aufkliirung, In: Aujkliirung als Politisierung. S, 10-31)182) Damit ist der Hof, als Ort der Produktion von Macht, zum ,Regierungssitz' depotenziert.Auch das Verständnis der Verwaltung ändert sich: Sie hat sich ihres ,natürlichen Orees', derProduktion von Macht, enrledigt und wird zum bloßen Medium einer sich selbst regulierendenGesellschaft. Diese Selbsrreferenzialität administrativer Vor,,;änge benennt der Begriff,Bürokratie'.183) Ein - bis heute gepflegter - Rest feudaler Macht bleibt dennoch in Münzmanipulation bzw.in Geldmengenpolitik erhalten (vg!. Bauer/Matis, Geburt, S. 268ff.). Zu den verschiedenenManipulationen und Inflationen im deutschen Reich vg!. Sprenger, Geld.184) Zum Übergang von einem auf ,Knappheit' zu einem auf der ,Fülle der Natur' und ,Arbeit'basierenden politischen Konzept - zum Übergang von Hobbes zu Locke - vg!. Nonnenrnacher,Ordnung, bes. S. 82ff.; zur monerären Logik vg!. Foucault, Ordnung, S. 211ff.185) Zum Raub als feudale finanzpolitische Technik vg!. Bloch, Feudalismus, S. 492; Brunner,Wege, S. 85; Bauer/Matis, Geburt, 260; vg!. Anm. 49.186) .. Ohne die im Humanismus einsetzende Reflexion und literarische Erörterung der an denFürstendienst zu stellenden Anforderungen ist die theoretische Konzeption allgemeiner beamtenrechrlicherGrundsätze in der Aufklärung nicht denkbar." (Dietmor Willoweit. Die Entwicklungdes öffentlichen Dienstes. In: Verwa/tungsgeJchiclJte Bd. 1, S. 346-360; hier: S. 348) DieHerausbildung einer speziellen Beamtenethik läßt sich - nach Willoweit - inhalrlich seitdem 14. Jahrhundert verfolgen (a. a. 0., S. 147); zuvor harre schon Friedrich II 1231 mitden Komtitutionen von Me/fi ein Modell geliefert, das die Struktur der Verwaltung aus derHerrschaft des Kaisers ableitet (vg!. Harrenhauer, Geschichte, S. 3Off.). Generell gilt: .. DifferenzierteAufgabenbereiche sind nicht erst in der Neuzeit entwickelt worden. Seit demHochmittelalter wurde unter einem ,Amt' eine durch überlieferte Tätigkeitsmerkmale fest369


umrissene Aufgabe verstanden, die in veränderten sozialen Zusammenhängen auch neu entstehenkonnte. In der Neuzeit wird dieser Amtsgedanke zu einem bewußt eingesetzten Organisationsprinzipjedweder Art von Tätigkeit, im Handwerk ebenso wie in der Verwaltung,fortentwickelt." (Willoweit, Merkmale, S. 303) Michael Stolleis setzt den Beginn dersystematischen Reflexion öffentlichen Rechts bei der hochmittelalterlichen Aristoteles-Rezeptionan, sieht aber den entscheidenden Entwicklungschub in Folge der Reformation:"Die Revitalisierung des Aristorelismus als Sozialphilosophie der frühen Neuzeir serzt dasneuzeitliche Staatsdenken mit seiner Kemüberzeugung von der rationalen Gestaltbarkeitder Welt in Gang." (Stolleis, Geschichte, S. 84) Dabei ist diese Konjunktur der Theorie eineReaktion: "In der Gesetzgebung zeigt sich die wachsende Macht des modernen Staates indem immer breiter werdenden Strom der Polizei- und Landesordnungen, in Deutschlandein Vorgang vor allem der einzelnen Terrirorien, begleitet von einem Rückgang der Reichsgesetzgebungeinerseits, der Stadtgesetzgebung andererseits. Dabei haben die Reichspolizeiordnungenzwischen 1530 und 1570 eine Art Vorläufer- und Musrerfunktion fur dieTerrirorien gewonnen. [ ... } Die Vermehrung und Zentralisierung der Aufgaben zog notwendigeine differenzierende Arbeitsteilung in der Zentrale nach sich." (Stolleis, Grundzüge,S. 451) "Gegen Ende des 16. und im 17. Jahrhundert werden die Aussagen zur institutionellenGliederung der Herrschaft detaillierter." (A. a. 0., S. 455)187) Willoweit, Entwicklung, S. 352.188) Vgl. Willoweit, Entwicklung, S. 297 und 360; Coing, Privatrecht, S. 78.189) Im 18. Jahrhundert werden die alten ,Ordnungen' zunehmend durch spezifische ,Instruktionen'verdrängt; anstate von allgemeiner ,Hof ordnung' ist nun öfters von einer ,Rangordnung'der Beamten die Rede. "Darin spiegelt sich ein gewisser Funktionswandel der Verwaltungsnormenwieder. Es geht jetzt weniger um die Sicherung eines guten Regiments, alsum die gewisse und unmittelbare Bindung des Beamten an den Fürsten." (Willoweit,Merkmale, S. 299) Dies läßt zwar auf den stärkeren "politischen Gestaltungswillen desMonarchen" (ebd.) schließen, bedeutet aber zunächst die Lösung der Verwaltung aus demfeudalen oikos der Macht. Was zunächst als Subjektivierung des Apparats erscheinen kann- und von spätabsolutistischen Herrschern auch, wie das Beispiel Josephs 11 zeigt: mit katastrophalenFolgen - subjektiv mißverstanden wurde, ist freilich ein objektiver Prozeß, dennzum einen war der Herrscher spätestens seit Bodin selbst zu regelgeleitetem Handeln verpflichtet(vgl. Anm. 159), zum anderen zeigt sich bald, daß auch dem ,ersren Diener ,seinStaat' ein genitivus subjektivus ist. Das ,Mündigwerden' der Verwalcung ist Produkt derAufklärung; sie usurpiert den Ort der Macht - und übernimmt dabei deren differentielleStrategie: "An den Höfen der hochabsolutistischen Zeit werden [ ... } Rangordnungen entworfenund fur verbindlich erklärt, die eine generelle Gelcung für vielerlei Sicuationen,nicht etwa nur fur den Tisch, beanspruchen. Aus diesen Rangordnungen ist ersichtlich, daßdie Beamtenhierarchie aus der Ordnung des Hofstaates hervorgegangen ist." (Willoweit,Merkmale, S. 304)190) V gl. Willoweit, Merkmale, S. 336ff. Zu den sich ankündigenden Differenzen zwischen derabstrakren ökonomisch-adminstrativen Logik des Amtes und der personalen Logik seiner erstenwie nachgeordneten Inhaber schreibt Willoweit und charakterisiert en passant den täglichenKampf des Ritters der Regeln und Normen: "Viel stärker als die Hofräte waren dieKammerangehörigen in das wirtschaftliche Leben und Treiben hineingestellt und dabeimannigfachen Spannungen sowohl hinsichtlich ihrer eigenen Interessen wie denen des Landesherrnausgesetzt." (A. a. 0., S. 345) Ein permanentes Problem der Verwaltung war dieRegelung des Besoldungswesens (vgl. Willoweit, Entwicklung, S. 354ff.); bis zum späten18. Jahrhundert jedenfalls ist das gravierende Problem der Korruption nicht gelöst (vgl.Stolleis, Geschichte, S. 363).191) V gl. Wolfgang Krohn. Die ,neue WiSJenschajt' der Renaissance, In: Gemo! Bönme / Wolfgang vanden Daele / Wollgang Krohn. Experimentelle Philosophie. Ursprünge autonomer Wissenschajtsentwicklung.Frankfurt a. M. 1977, S. 13-128.192) Von einer "wohl gegründeten Societät oder Academi" erwartet Leibniz, daß sie "Theorie iEmpiricis felici connubio conjugirt" (SS 4.1, S. 536).370


193) Vgl. W.,."er Schneiders. Gottesreich _d gelehrte Gesellschaft. Zwei politische Modelle bei G. W/.uibniz. In: Der Akademiegedanke im 17. lind 18. Jahrhllndert. Hrsg. von Fritz Hartmann lindRudo/fVierhaus. Bremen/Wolfenbiittd 1977, S. 47-63.194) Zu den Aufgaben der Sozietät gehört es, "der jugend exercitien, sprachen und realitä't derwißenschaften daheim, ehe sie mit schaden reisen, beyzubringen [ ... }U (SS 4.1, S. 537; vgl.S. 540) Zum Vorbildcharakter der Royal Society vgl. a. a. 0., S. 549, § 17.195) Leibniz fordert in diesem Zuge die umfassende Dokumentation von Volkswissen, das dermethodischen Wissenschaft als Grundlage und Inspirationsquell dienen kann. Exemplarischformuliert er dieses Bestreben zur Sicherung des ingeniösen Fundus in bezug auf Cardanus:"Seine beste wißenschaft hat er von Vaganten, alten Weibern, laboranten, und dergleichenLeute zusammen gelesen, deßen er sich selbst berühmt. Und ich bin der Meinung, daß wirihm deswegen viel zu dancken, indem er viel stückgen auffgezeichnet, und zum gemeinenbesten erhalten, so sonst verloren gangen." (SS 4.1, S. 550; vgl. S. 552)196) "Die Teutschen [ ... } allezeit sich beflißen bewegende Werke zu verfertigen, die nicht nurdie augen sättigen, und großer Herrn Curiosität büßeten, sondern auch etwas verrichten, dienatur der Kunst unterwerffen, und die Menschliche arbeit leichter machen können." (SS 4.1,S.544)197) "Und die Sozität kann durch nichts mit größerem Recht und Erfolg reich werden und zuKapital gelangen, als indem sie den Handel an sich zieht. [. .. } Am ehesten kann der Staatdie Kaufleute entbehren und den Gewinn, den diese haben, an sich ziehen und ihn beanspruchenflir die ihm nützlichsten Diener, d. h. für die um das allgemeine Wohl bemühteSozietät." (G. W. Leibniz. Die Philade/phische Gesellschaft. (Societas Philadelphia} In: Ders.,Politische Schriften. Hrsg. v. Hans Heinz Holz. 2 Bde. Frankfurt a. M. / Wien 19661, Bd. 2,S. 21-31, hier: S. 24)198) Das paternalistische Ideal des feudalen Staates war in gewisser Weise offensiver als das bloßprotektionistische des liberalen Rechtsstaates, denn ,Wohlfahrt' - und nicht nur die allgemeinenBedingungen derer Möglichkeit - war Staatsauftrag. Ihre verwaltungstechnische Institutionalisierungwar die Polizei. Vgl. Stolleis, Geschichte, S. 332ff.; Georg-Christoph vonUnrllh. Die Polizei. In: Deutsche Verwaltungsgeschichte Bd. 1, S. 389--427; Hartung, Verfassungsgeschichte,S. 66f.; Stichweh, Staat, S. 224ff.199) Es geht schon Leibniz dabei wesentlich nicht nur um die Exposition, sondern um die Organisationschriftlich niedergelegten Wissens (vgl. SS 4.1, S. 539).200) Die Deduktion der verite de fait aus der verite de la raison ist eine regulative Utopie (vgl.Monadologie, § 36f.; vgl. Kapitel 7).201) Auch Leibniz hatte in seinen Akademieplänen ein Enzyklopädie-Projekt formulien (vgl.SS 4.3, S. 776ff.). Zur Sprachauffassung der Enzyklopädie vgl. Pierre Swiggers. Les conceptionslingllistiques des Encydopidistes. Etlldes sur la constit/lfion d'un thfvrie de la grammaire all siecle desLumieres. Leuven / Heide/berg 1984; vgl. Arno Seiffer!. Der enzyklopäaische Gedanke von der Renaissancebis ZII Leibniz. In: Leibniz et la Renaissance. Hrsg. v. Albert Heinekamp. Wiesbaden 1983(= Studia Leibnitiana Supplementa XXIII), S. 113-124.202) Zur Geschichte der textuellen Kodierung von Information vgl. Wolfgang Raible. Die Semiotikder Textgestalt. Erscheinungsformen _d Folgen eines kultllrellen Evolutionsprozesses. Heidelberg1991.203) Zur Transformation personaler Abhängigkeit unter den Bedingungen einer schriftverrnitteltenEpisteme vgl. Kapitel 6.204) Leibniz umreißt auch hier sein generelles Programm: Es gilt, aus der Immanenz der unendlichenMaschinerie (vgl. Monadologie, § 64) in die Transzendenz perspektivischer Wahrnehmungder identischen Wahrheit zu entkommen (vgl. a. a. 0., § 57).205) Zur regulativen Idee der Epiphanie des intellektuellen Universums vgl. d'Alemben,Vorrede, S. 87f.206) Zur doppelten Buchfiihrung vgl. Burke, Renaissance, S. 201f.207) Ab dem 12. Jahrhunden sind in Deutschland städtische Schulen nachweisbar, im 14. Jahrhundenerfuhren sie infolge der Einführung von Kreditwesen und BuchfUhrung und demdamit verbundenen erhöhten Lese- und Schreibbedarf einen deutlichen Aufschwung. Ende371


des 15. Jahrhunderts besaß fast jede Stach eine Schule, in der elementarer Unterricht im Lesenund Schreiben in deutscher Sprache erteilt wurde. Meist standen sie un,er städtischerTrägerschaft. Man kann sagen, daß am Ausgang des Mittelalters fast die gesamte städtischeBevölkerung mit Bürgerrecht einigermaßen lese- und schreibfähig war. Diese städtischenWinkelschulen wurden dann von der Reformation ins Abseits gedrängt. Obwohl Lucher zur,Verschulung' der Gesellschaft aufrief, legte er mehr Wert auf katechetisieren als auf dieVermittlung säkularer Fähigkeiten; die ,Volksschulbewegung' aus pietistischem Geist ist ingewisser Weise auch die ,sakralisierte' Wiederaufnahme einer von der Reformation abgeschnittenenEntwicklung. (VgJ. Georg-Christoph von Unruh. Das SchulweJen. In: Deutsche VerwaltungsgeJchichte,S. 383-387, bes. S. 384f.; Rudo/fSchenda. Volk ohne Buch. Studien zur SozialgeJchichteder po pu/aren Lemtoffe. Frankfurt a. M. 1970; Jochen Grevm. Leser und LeJeverhalten.In: Lesen - Ein Handbuch. HrJg. v. A/fredClemens Baumga·rtner. Hamburg 1973, S. 117-133;Zur europäischen Entwicklung vgJ. Peter Burke. Helden, Schurken, Narren. Europä'ische Vo/kskulturin der frühen Neuzeit. Stuttgart1981, S. 263-272; Aries, Geschichte, S. 221-468; Marie-LouiJevon Wartburg-Ambiihl. Alphabetisierung und Lektiire. UnterJuchungen am Beispiel einerland lichen Region im 17. und 18. Jahrhundert. Bem! Frankfurt a. M. / Las Vegas 1981)208) VgJ. Ruppert, Wandel, S. 69ff.; bes. 70.209) V gJ. Wilhelm Voßkamp. Dialogische Vergegenwa'rtigung beim Schreiben und Lesen. Zur Poetik desBriefromans im 18. JahrhJmdert. In: DVjs 45 (1971), S. 81-116.210) Diethelm Briiggemann. Geliert, der gute Geschmack und die üblen Briefsteller. Zur Ges"hichte derRhetorik in der Moderne. In: DVjs 45 (1971), S. 117-149, hier: S. 124.211) Zitiert nach: Bcüggemann, Geliert, S. 129.212) Ebd.213) Wilhe1m Grenzmann. Art. ,Brief, 2: Neuzeit. In: Reallexikon, Bd. 1, S. 186-193; hier: S. 187f.214) Zu Gottsched und GelIert schreibt Grenzmann: "Die beiden finden ein aufnahmewilligesBürgertum, das des bisherigen Treibens müde ist, die Etikette verachtet und sich eine eigeneWelt schafft. Man verlangt nach gebildeter Natürlichkeit und einer entsprechend gebildetenund natürlichen Sprache. Dies alles wirkt sich auf den Briefstil förderlich aus."(A. a. 0., S. 189) Wie diese ,Natürlichkeit' des Stils ,gebildet' wird, gilt es zu untersuchen.215) Vgl. Anm. 3.216) Vgl. Blackall, Entwicklung.217) V gl. Kapitel 6.218) Der Begriff der ,Empfindung' wird die Arbeit - im Descartes-Kapitel explizit - begleiten.Seine Konjunktur von Descartes bis zur Wende zum 19. Jahrhundert umreißt nicht nur eineübliche Eingrenzung des Zeitalters der Aufklärung; sie bezeichnet auch eines derer wesentlichenProbleme: Welchen Bedingungen und Determinanten unterliegt tatsächlichesHandeln jenseits seines methodischen abstrahierten Gehalts? Oder, in der umgekehrtenPerspektive des aufklärungswilligen Aufklärers: Welche Form muß Erkenntnis annehemen,um unter konkreten, nicht methodisch bestimmten Umständen praktisch wirksam zu werden?Oder, aus der Perspektive des interessierten Bürgers: Wie bringe ich die Leute dazu,das Vernünftige, das ich will, zu tun?372


2 Zur Genealogie der theoretischen Klammer1) Die theoretische Arbeit fand nicht nur in einem diskreten sozialen Raum - intra muros -statt und war in der Ta:hnik ihrer Wahrheitsfindung auf die vita contemplativa und damitauf die Exklusion der Notwendigkeiten kreatürlicher Praxis angewiesen - also auf Distanzzu der säkularen Welt; sie beruhte auch auf einem kanonischen Text, den zu lesen und zuverstehen dem in die Lebenswelt verstrickten Laien unmöglich war. Die Kompetenz desidiota ist' ein Theorem der Renaissance.2) Dies gilt schon für den aristotelischen Begriff, so man das Entstehen der Philosophie aus derErschütterung und Infragestellung ehemals selbstverständlicher Traditionen in der Polis begreift.3) V gl. bes.: Erwin Panofiky. Sinn II1Id Deutllng in der bildenden Kllnst. Kö1n 1975; u.: Ders. Gothi.Architectllre and Scholasticism. Latrope 1951. Zur französischen Ausgabe ersterer Schrift (Paris1967) schrieb Bourdieu ein Nachwort (Unter dem Titel Der Habitus als Vermittlung zwiscbenStruktur lind Praxis separat veröffentlicht in: Pierre BOllrdieu. Zur Soziologie der symbolischenFormen. FrankflIrt a. M. 1974), in dem er seinen Habitusbegriff mit dem Panofskyschen fastzu identifizieren scheint. Dagegen ist zu beachten - und wird im Folgenden thematisiertwerden -, daß der Bourdieusche Begriff über eine komplexe Sprach theorie vermittelt ist.4) Obwohl Bourdieu sich mit der Heideggerschen Philosophie in einer für die eigene Methodeexemplarischen Analyse sehr kritisch und ablehnend auseinandersetzt (Pierre Bourdieu. Diepo/itiJChe Ontologie Martin Heideggers. Frankfurt a. M. 1988. Überarbeitete Neuausgabe einergleichnamigen Studie von 1975.) beruht seine Theorie doch sowohl in ihrer Insistenz aufder faktischen Primordialität einer historisch begriffenen gesellschaftlichen Praxis, als auchin der Anerkennung der Abkünftigkeit ihrer diskursiven Repräsentanz auf genuin HeideggerschenTheoremen. Transponierte man dessen Terminologie, so könnten die folgendenBefunde auch bei Bourdieu stehen: "Das Man ist ein Existenzial und gehört als IIrspiinglichesPhiinomen ZlIr positiven Verfassllng des Daseins. Es hat selbst wieder verschiedene Möglichkeitenseiner daseins mäßigen Konkretion. Eindringlichkeit und AusdtÜcklichkeit seiner Herrschaftkönnen geschichtlich wechseln." (Martin Heidegger. Sein und Zeit. Tiibingen u1979,S. 129/ Hervorhebung im Original); "Das Man entlastet {...} das jeweilige Dasein in seinerAlltäglichkeit" (Heidegger, Sein, S. 127 1 Hervorhebung im Original). Ihre Wertung jedochsind strikt entgegengesetzt: Während bei Heidegger die \V'eltlichkeit der Subjekte einNegativum darstellt, das der Philosoph in der Reflexion auf das Sein zu transzendieren hat(- und dabei gleich die ,Reflexion' selbst transzendiert), gilt dieser Impetus Bourdieu alsAttitude, die der Philosophie durch ihre bedrohte Stellung in der aktuellen Gesellschaftsuggeriert wird und damit als abkünftiger Modus der Weldichkeit ihrer Vertreter selbst.Dabei bedient er sich eines Verfahrens, das er verschiedentlich Heidegger vorwirft: Er radikalisiertdie Heideggersche Position, indem er das letzte Refugium emphatischer Wahrheitbei Heidegger - die Sprache als ,Haus des Seins' - ver-WÜStet und dem so ent-wurzeltenLandgänger ein Appartment auf dem Campus zu-weist.5) Der prinzipielle Unterschied zwischen der Bourdieuschen und der Heideggerschen Positionist im Grunde die Folge differenter semantischer Prämissen: Während bei Heidegger dasWort die mimetische Repräsentation einer Praxis darstellt - also substanzielle Entität ist -,beruht der Bourdieusche Ansatz auf strukturaler Sprach theorie, welche die semantische Entitätals Repräsentation eines funktionalen Wertes begreift, der sich nicht im Begriff,sondern im System begrifflicher Oppositionen wiederspiegelt. Ein Teil der AttraktivitätHeideggers (besonders in Frankreich) mag darin liegen, daß seine Philosophie - fälschlicherweise- diesem semantischen Paradigmenwa:hsel ein ontologisches Fundament zugeben scheint.6) Pierre Bourdiell. Entwuif einer Theorie der Praxis. Frankfurt a. M. 1979.7) Z. B. in: Bourdieu, Soziologie.8) Pierre Bourdiell. Stf'Ukturalismus lind soziologische Wissenschaftstheorie. In: Bourdieu, Soziologie,S. 7-41, bes. S. 17. In der ,Theorie der Praxis' charakterisiert Bourdieu am Beispiel der373


Ethnologie die allgemeine Perspektive des unengagierten Erkennrnissubjekts rationalerTheorie: "Zweifellos kommt auch der Begeisterung für die Tugenden der Distanz, die dieExterritorität erzeugt, die Funktion zu, die objektive Situation des Ethnologen - des .unparteiischenBeobachters', wie Husserl formuliert -, die ihn dazu verführt, jede Realität undjede Praxis, einschließlich seiner eigenen, wie ein Schauspiel zu erfassen, in eine epistemologischeEntscheidung zu verwandeln. [ ... ] Es ist bezeichnend, daß man die .Kultur' zuweilenwie eine Landkarte beschreibt: ein Vergleich, der sich am Vorgehen eines Fremden ausrichtet,der, da ihm die praktische Beherrschung fehlt, die allein der Einheimische aufweist,mittels eines Modells aller möglichen Wegstrecken das ihm zur Orientierung Fehlende sichhinzudenkt: Der Abstand zwischen diesem virtuellen und abstrakten, weil jeder privilegiertenOrientierung und jeden privilegierten Zentrums ermangelnden Raum - ähnlich der Genealogiemit ihrem Ego, das nicht minder irreal ist als der Ursprung in einem cartesianisehenRaum - und dem praktischen Raum der wirklich durchmessenen Strecken oder, besser,des im Zuge des Geschehens sich realisierenden Screckenverlaufs läßt sich an derSchwierigkeit ablesen, auf die wir, uns vertraute Wege auf einer Karte oder einem Plansuchend, so lange stoßen müssen, wie es uns nicht gelungen ist, die Achsen des virtuellenSystems mit jenem, wie Poincare sagte, ,System von unabänderlich an unseren Körper gebundenenAchsen, das wir allenthalben mit uns herumtragen und das den praktischenRaum [ ... ] strukturiert, zur Deckung zu bringen. [ ... ] Erkenntnis hängt nicht nur, wie derelementare Relativismus lehrt, von dem besonderen Standpunkt ab, den ein ,nach Raumund Zeit festgelegter' Beobachter gegenüber dem Gegenstand einnimmt, sondern auchdavon, daß er als Betrachter, der gegenüber dem Handelnden einen Standpunkt einnimmt,der sich zurückzieht, um es zu beobachten, um es aus der Enrfernung und von oben inAugenschein zu nehmen, die praktische Tätigkeit zum GegenJtand der Beobachtung und derAnalyse macht. [ ... ] Der absolute Standpunkt einer standpunkrlosen Wissenschaft ähnelt darindem eines Leibnizschen Gottes, der, einem General gleich, der die militärisch der Regelunterworfenen Aktionen seiner Untergebenen im vornherein beherrscht, in actu jene Essenzbesitzt, die Adam und Cäsar sich allererst in der Zeit aneignen müssen. Stets schließt derObjektivismus einen virtuellen Essentialismus ein." (Bourdieu, Entwurf, S. 14lf. / Hervorhebungim Original)9) Bourdieu, Entwurf, S. 208. Bourdieu unterscheidet zwischen "phänomenologischer Erkenntnis"und "objektivistischer Erkenntnis"; erstere versucht ihren Gegenstand in naiverIntuition zu erfahren, sie "expliziert die Wahrheit der primären Erfahrung mit der sozialenWelt, d.h. das Vertrautheitsverhältnis zur vertrauten Umgebung. Sie begreift die sozialeWelt als eine natürlich und selbstverständlich vorgegebene Welt, sie reflektiert ihrer Definitionnach nicht auf sich selbst und schließt im weiteren die Frage nach den Bedingungenihrer eigenen Möglichkeit aus." (Bourdieu, Entwurf, S. 147 I Hervorhebung im Original)Damit wird jede Frage nach der notwendigen strukturellen Isomorphie von Gegenstandund Verstehen, also jene nach der Adäquatheit der impliziten Erkenntnismethodik, ausgegrenzt:"Das unmittelbare ,Verstehen' setZt ein unbewußtes Verfahren der Entschlüsselungvoraus, dem nur dort voller Erfolg beschieden ist, wo die Kompetenz beider: desjenigen,der sie in seiner Handlung oder seinem Werk verwirklicht, und desjenigen, der siein seiner Wahrnehmung dieses Handelns oder dieses Werkes objektiv einsetzt, zur Deckungkommt; mit anderen Worten dann, wenn die Verschlüsselung als Transformation einesSinnes in eine Praxis oder in ein Werk mit dem systematische Verfahren der Entschlüsselungzusammenfällt." (Bourdieu, Entwurf, S. 152) Während diesem Verfahren im Falle desFremdverstehens der Sinn einer Handlung undurchsichtig bleiben muß, da seine kontextuellenund prinzipiellen Determinanten nicht exponiert werden können, verliert die objektivistischegenannte Erkenntnisweise die Kategorie des Sinnes selbst aus dem Blickfeld,weil sie lediglich den Vollzug exponierter Systematik konstatieren kann: "Die hier objektivistischgenannte Erkenntnisweise (wovon die strukturalistische Hermeneutik nur einenSonderfall bildet) erstellt die - gewöhnlich ökonomischen oder linguistischen - objektivenBeziehungen, die die verschiedenen Praxisformen und deren Repräsentationen, d. h. imbesonderen die praktische und stillschweigende primäre Erfahrung der vertrauten Weh374


strukturieren - freilich um den Preis eines Bruchs mit dieser primären Erfahrung, folglichmit den stillschweigend übernommenen Voraussetzungen, die der sozialen Welt ihrenevidenten und natürlichen Charakter verleihen: In der Tat vermag die objektivistischeErkenntnis sowohl die objektiven Strukturen der gesellschaftlichen Welt wie die objektiveWahrheit der primären Erfahrung, der eine explizit. Erkenntnis dieser primären Strukturenmangelt, nur unter der Bedingung zu erstellen, daß sie jene Frage stellt, die die doxischeErfahrung der primären Welt per definitionem ausschließt: die nach den (besonderen)Bedingungen dieser Erfahrung selber." (Bourdieu, Entwurf, S. 147/ Hervorhebung imOriginal)10) A. a.O., S. 210.11) A. a. 0., S. 148.12) A. a. 0., S. 147/ Hervorhebung im Original.13) Vgl. Pierre Bourdieu. Die feinen Unterschiede. Frankfurt a. M. 1978.14) Bourdieu, Entwurf, S. 165.15) A. a. 0., S. 167/ Hervorhebung im Original.16) A. a. 0., S. 296.17) Ebd. / Hervorhebung im Original.18) Der Habitus ist "nichts anderes als dieses durch die primäre Sozialisation jedem Individuumeingegebene immanente Gesetz, lex insita, das nicht nur die VoraussetZung der Übereinstimmungder Praxis(formen), sondern auch die Voraussetzung der Praxis der Übereinstimmungdarstellt." (A. a. 0., S. 178/ Hervorhebung im Original, vgl. a. a. 0., S. 181.)19) Vgl. a.a.O., S. 153, 171,264.20) A. a. 0., S. 179.21) Diese können sowohl sozial differenziert sein als auch - und darauf legt Bourdieu besonderenWert, da hier eine konstitutive Differenz zur Simultaneität des Kalküls vorliegt (vgl.Bourdieu, Entwurf, S. 217ff.) - in einem zeitlichen Zyklus verortet.22) Bourdieu spricht davon, daß "die Individuen eher vorn Habitus besessen sind, als daß sie ihnbesitzen, [ ... } deshalb weil sie ihn nur so weit besitzen, wie er in ihnen als Organisationsprinzipihrer Handlungen wirkt, d. h. auf eine Weise, deren sie symbolisch schon nichtmehr habhaft sind." (Bourdieu, Entwurf, S. 209; vgl. Bourdieu, Soziologie, S. 154)23) Bourdieu, Entwurf, S. 166.24) Pierre Bourdieu. Der Habituj alj Vermittlung zu'hchen Struktur lind PraxiJ. In: Bourdiell, Soziologie,S. 125-158.25) Der Habitus gehört zu den Relativa menschlicher Existenz, er stellt eine Qualität dar, diesich im Verhältnis des Subjekts zum jeweiligen Gegenstand ausdrückt (vgl. Aristoteles,Kategorien, 7, 6bf.). Im Unterschied zum Habitus ist die verwandte .Disposition' eherflüchtig und okkasionell: "Der Habitus unterscheidet sich von der Disposition dadurch, daßer von längerer Dauer und bleibender ist. Von solcher Art sind die Wissenschaften und dieTugenden." (A. a. 0., 8, 8b) In dieser Definition als Möglichkeit und Resultat individuellerPraxis findet der Begriff Eingang in die Tradition stoisch-rhetorischer Philosophie: "Habitusconstantem et absolutam aliqua in re perfectionem [ ... } non natura datam, sed studio etinduscria partam." (Cicero, De Inventione, 1,36)26) V gl. j. Auer / N. See/hammer. Art. " Habitm" in: Lexikon Theologie und Kirche.27) Ebd.28) Zugleich ändert sich der Status der Logik; sie bewegt sich in Richtung eines reinen Formalismusund zur mathematischen Logik als Lehre von den Wahrheitsbedingungen derSchlußformen. Da sie als solche das Gerüst jeder wissenschafdichen Methodik liefert, kanndie Diskussion über den Status der Logik, die in der frühen Neuzeit, wie gezeigt wird, interdependentist mit der Diskussion des Habitus-Begriffs, paradigmatisch für die Genesedes Selbstverständnisses methodisch-wissenschafdicher Vernunft interpretiert werden. Dabeierscheint die Psychologisierung der Logik in der klassischen intentionalen Logik nichtmehr als finsteres Zwischenspiel, sondern als notwendige Bedingung der praktischenExpansion ihres Geltungsanspruchs als formaler Instanz der Überprüfung diskursiver Wahrhei


stischer' Schlußtechniken, der in der Naturalisierung ihrer semantischen Entitäten begründetworden war.29) Zwar trennt die Paduaner (averroistischen) Aristoteliker, wie Jürgen Mittelsrrass betont, dasFehlen quantitativer Bestimmung von der Nuova Scienza, die Galilei inaugurieren wird,doch übernimm, dieser aus der Paduaner Schule - er lehrt selbst von 1592-1610 in Padua- das resolutiv-kompositive Beweisverfahren, ein Kernstück wissenschaftlicher Methode(vgl. Mittelstraß, Neuzeit, S. 185. Zur logischen Struktur der Methodenlehre der PaduanerSchule vgl. Wilhel", Ri"e. Logik der Neuzeit. Bd. 1: 1500-1640. Stldtgart-Bad Canstatt 1964,S. 278ff.).30) A. a. 0., S. 276/ Hervorhebungen im Original. Risse fahrt fort und charakterisiert damit enpassant am Ort seiner Entstehung ein Grundproblem neuzeitlicher Philosophie, welchessich aus der unaristotelischen Identifizierung inhaltlich-praktischer Erkenntnis mit denNotwendigkeiten ihrer methodischen Darstellung ergibt: "Letztere, zu denen auch die logikzählt, unterliegen nicht den realen Sachbedingungen und gehören nicht als Gegenstandslehrein die Metaphysik, sondern in die Begriffslehre als Verfahrensweise der sachbezogenenDisziplinen. Die habitus-Lehre ist also im doppelten Sinne ein wissenschaftstheoretischesProblem der logik, sofern einmal die habitus nach logischem Verfahren darzustellensind und zum andern die logik selbst den habitus unterliegt. Denn bedürfen die habitus formalder logischen Methoden zu ihrer begrifflichen Ordnung, so is< die logik ihrerseits Materialdes durch die habitus repräsentierten gegenständlichen Inhalts. Namentlich der grundlegende,wenn auch praktisch nur selten eigens benutZte habitus, die intelligentia, als das,innere Auge der Seele', bedingt das theoretische Verständnis der Begriffe und Prinzipien.Dabei sind die wohl potentiellen, nicht aber aktuell angeborenen Prinzipien entweder alsVernunfrwahrheiten aus dem denkbaren Wesen der Dinge oder als Erfahrungswahrheitenaus den Sinnesempfindungen gewonnen. In beiden Fällen aber sind die Prinzipien nicht ausanderen Prinzipien deduziert, sondern aus Singulärem induziert." (Risse, logik, S. 276f.)31) "logicam instrumentum esse philosophiae [...} disciplinam ins,cumentalem seu habitum instrumentalern."(Jacobus Zabarella De natura logicae 1,2, Opera 1597, p. 21. Zitiert nach:Risse, logik, S. 279)32) Risse, logik, S. 278.33) V gl. a. a. 0., S. 279.34) Vgl.a.a.0.,S.17.35) Diese (notwendig) grobschlächtige Zusammenfassung subsummiert lediglich das Resultateines differenzierten, langwierigen Prozesses mit wechselnden Parteien und Konjunkturen,dessen Verlauf in den entsprechenden Passagen des Risseschen Werks detailliert nachvollzogenwerden kann. Hier seien nur noch zwei prägnante Positionen benannc: 1.) Selbst beiFranciscus Suarez, dem bedeutendsten Philosophen jesuitischer spanischer Neuscholastik,bildet der Habitus lediglich noch, wie Risse formuliert, .. das subjektive Gegenstück zu denobjektiv gültigen Prinzipien" (a. a. 0., S. 397). 2.) Letztendlich aus dem Feld der Wissenschaftverwiesen wird der Habitus zu Beginn des 17. Jahrhunderts in der endgültigenEtablierung des Systembegriffs durch Bartolomäus Keckermann (vgl. a. a. 0., S. 440ff.; vgl.Stephan Offo. Renai"ance und frühe Neuzeit. (Geschichte der Philosophie in Text und DarstellungBd 3.) Stuttgart 1984, S. 46ff.).36) Vgl. Bourdieu, Entwurf, S. 362ff.; Ouo, Renaissance, S. 72ff. u. Walter J. Ong. Ramus.Method or the Demy ojDialogm. CambridgeiMass. 1958, 149ff. In diesen Kontext gehört dieInsistenz auf sapientia oder prudentia als Formen praktischer Klugheit im Gegensatz zurscientia, dem theoretisch-methodischen Wissen. Die Opposition bleibt freilich unscharfund wird z. B. bei Vico gegen die mathematische Wissenschaft carresianischer Prägungselbst ausgespielt. In der Bewegung neuzeitlichen Denkens, das in einer anrispekulativenWendung zur Praxis einen Anfang fand, in einem praxeologisch reflektierten Aristotelismusaber sein konsistentes Gerüst, bleibt diese Opposition unaustragbar und wird zum je polemischen- ob affirmativen oder denunziatorischen - Korrektiv zwischen den präskriptivenZwängen systematischer Konsistenz und dem Imperativ ,vorurteilsfreier' Offenheit derPraxis.376


37) Davon zeugen die Versuche zu ,wissenschaftlicher' Physiognomik, ihr norwendiges Scheiternund ihre schrecklichen Resultate ebenso wie die unverständige pauschale Denunziationtyplogischer Ordnungskategorien als praktischer Orientierungsparameter. Ironischerweiseist das positivistische Residuum der Physiognomik als sedimentiener Pathognomik undPraxis des Subjekts via Individualgeschichce wieder an einen impliziten Habitus-Begriffverwiesen; ein neuerer, semantischer Physiognom, Gen Mattenklott, bezeichnet die Charaktereseiner .. Physiognomischen Essais" als .. Hilfsvorstellungen über gewisse Neigungen,Reflexe und zum Habitus gewordene Strategien" (Gerd Mattenklott. Blindg';inger. PhysiognomischeEJJays. Frankfurt a. M. 1986, S. 13), doch er gibt die semantische Differenz wiederpreis, wenn er die habituelle Physiognomik einem (post-)modernen Verdämmern der Charakterologiezuschlägt (vgl. a. a. 0., S. 37) und damit unter der Hand einer ,natürlichen' Repräsentanzex negativo das Wort redet (vg!. a. a. 0., S. 35), die sich in der Physiognomik alsschicksalhafter Typik niedergeschlagen haben sol!. Solche Interpretation verwechselt,Schicksal' mit ,Charakter' (vgl. Walter Benjamin. Schicksal und Charakter. In: GesammelteSchriften. Hrsg. v. Rolf Tiedemann und Herrmann Schweppenhäuser. Frankfurt a. M. 1980f!.,Bd. ll, 1, S. 171-178).38) .. Ich habe als Ego eine fortwährend für-mich-seiende Umwelt, in ihr Gegenstände als fürmich seiende, nämlich schon in bleibender Gliederung für mich als bekannte, oder nur antizipiertals kennenzulemende. Die ersteren, die im ersten Sinne für ITlich seienden, sind esaus ursprünglicher Erwerbung, das ist der ursprünglichen KennrnisnahITle, der Explikationdes zunächst nie Erblickten in Sonderanschauungen. Dadurch konstituiert sich in meinersynthetischen Aktivität der Gegenstand in der expliziten Sinnesform .Identisches seinermannigfaltigen Eigenschaften', also als Gegenstand mit sich Identisches, als in seinenITlannigfaitigen Eigenschaften sich BestimITlendes. Diese meine Aktivität der Seinssetzungstiftet eine Habitualität meines Ich, vermöge deren mir nun dieser Gegenstand als der seinerBestimmungen bleibend zueigen ist. Solche bleibenden Erwerbe konstituieren meinejeweilige bekannte Umwelt mit ihrem Horizont unbekannter Gegenstände, das ist noch zuerwerbender, im voraus antizipiert mit dieser formalen Gegenstandsstruktur. " (EdmundHusserl. Erfahrung und Urteil. Hamburg 1977, S. 69(.)39) Vgl.a.a.O.,S. 78.40) V gl. a. a. 0., S. 82.41) Die zentrale Bedeutung der Zeitlichkeit ist schon für Husserl - wie später auch Bourdieunichtin Begriffen der Kausalität, sondern der Narrativität als einer nicht-deterministischenForm zu denken: .. Das Ego konstituiert sich für sich selbst sozusagen in der Einheit einer,Geschichte'. ( ...) Daß für mich eine Natur ist, eine Kulturwelt, eine Menschenwelt ITlitihren sozialen Formen usw., besagt, daß die entsprechende Möglichkeit für ITlich bestehtalsfür mich jederzeit ins Spiel zu setzende, in gewissem synthetischen Stil frei fonzuführende,ob ich gerade solche Gegenstände wirklich erfahre oder nicht; in weiterer Folge,daß ihnen entsprechende andere Bewußtseinsmodi, vage Meinungen und dgl., Möglichkeitenfür mich sind und daß ihnen auch Möglichkeiten zugehören, sie durch Erfahrungenvorgezeichneter Typik zu erfüllen oder zu enttäuschen. Darin liegt eine fest ausgebildeteHabitualität - eine aus einer gewissen, unter Wesensgesetzen stehenden erworbene."(A. a. 0., S. 78)42) A.a.0.,S.106.43) A.a.O., S. 136.44) Vgl.Jacques Derrida. Die Stimme und das Ph"·nomen. Ein Essay über das Problem des Zeichens inder Philosophie Husserls. Frankfurt a. M. 1979; ders. ,Genesis und Struktur' und die Ph,,'nomenologie.In: Ders. Die Schrift und die Differenz. Frankfurt a. M. 1976, S. 236-258.45) Husserl1972, S. 136f.!Hervorhebung im Original.46) V gl. Edmund HUJJerl. Cartesianische Meditationen. Hamburg 1977, S. 138f.47) Husserl 1972, 00. S. 136ff.48) Alfred Schiitz. Das Problem der Relevanz. Frankfurt a. M. 1971; Alfred Schütz! Thomal Luckmann.Strukturen der Lebenswelt. 2 Bde. Frankfurt a. M. 1979 u. 1984.49) Derrida bezieht sich in exponierter Weise auf ein Fragment Husserls, das 19.,9 von F. Fink377


unter dem Titel "Die Frage nach dem Ursprllng der Geometrie aIJ intentionalhistorisches Problem"(Ret'lIe Internationale de Philosophie. Brüssel, 1.2 {1936), S. 203-225) herausgegeben wurde. Esgipfelt im Befund lebensweltlicher Irreduzibilität der geometrischen Methode, welche dieseselbst als habituellen Modus der Wahrnehmung bestimmt: "Die Deduktion in ihrem Fortschreitenfolgt der formallogischen Evidenz, aber ohne das wirklich ausgebildete Vermögender Reaktivierung der in den Grundbegriffen verschlossenen ursprünglichen Aktivitäten,also auch des Was und Wie ihrer vorwissenschafclichen Materialien, wäre die Geometrie einesinnentleerte Tradition, von der wir, falls uns selbst dieses Vermögen fehlte, nicht einmalwissen könnten, ob sie einen echten, wirklich einzulösenden Sinn hat und je hatte. Leider istdas aber unsere Situation und die der ganzen Neuzeit." (Husserliana, Bd. 10, S. 376)50) Schütz, Problem, S. 88.51) A.a.O., S.90.52) SchützlLuckmann, Strukturen, Bd. 1, S. 36.53) A. a. 0., S. 36.54) V gl. Schütz, Problem, S. 92ff.55) Vgl. HusserI, Erfahrung; Schütz, Problem; Schütz/Luckmann, Strukturen; aber auch dieBemühungen der Anthropologie, z. B. Plessners und Gehlens, sowie insbesondere MallriceMerleall-Ponty. Phiinommologieder Wahrnehmung. Berlin 1966 fallen darunter.56) V gl. SchützlLuckmann Strukturen, Bd. 1, S. 113ff. u. 44ff.57) Elmar Holmstein. Von der Hintergehbarkeit der Sprache. Frankf"rt a.M. 1980, S. 31; vgl.Husserl, Erfahrung, bes. S. 20.58) Bes. Husserl, Erfahrung, S. 171ff. u. 200ff.59) Vgl. Elmar Holmstein. Mmschliches Selbstllerstiindnis. Frankfurt a. M. 1985, S. 23; und voneinem materialistischen Ansatz: Klalls Holzkamp. Sinnliche Erkenntnis. Königstein 1973.60) Holenstein, Hintergehbarkeit, S. 65; Holenstein, Selbsrverständnis, S. 28.61) SchützlLuckmann, Strukturen, Bd. 1, S. 224ff.62) Auch der anthropologische Ansatz ist letzclich nicht in der Lage, mehr als formale Kategorienhabituellen Wissens zu bestimmen. Er ersetzt - ohne die logische Grammatik desVerfahrens zu ändern - den physikalistischen erkenntnistheoretischen Atomismus dermathematischen Wissenschaft durch anthropomecrische Kategorien, die den Anspruch ihrerGültigkeit nur intuitiv und spekulativ behaupten können. (Vgl. Merleau-Ponty, Phänomenologie;jeanPalll Sartre. Das Sein und das Nichts. Hamburg 1962, S. 422ff.; Holenstein, Hintergehbarkeit,S. 53ff. u. 57)63) Vgl. Husserl, Erfahrung, S. 136ff.64) "Mit jedem Schritt ursprünglicher Erfassung und Explikation eines Seienden wandelt sichdaher der Horizont des Erfahrbaren im Ganzen; neue typische Bestimmtheiten und Vertrautheitenwerden gestiftet und geben den apperzeptiven Erwartungen, die sich an dieGegebenheit neuer Gegenstände knüpfen, ihre Richtung und Vorzeichnung." (Husserl,Erfahrung, S. 140)65) Bourdieu betont den Unterschied solcher Schemata zu theoretischen Modellen: ..[ ...} dienachträgliche Illusion, die in der Verwechslung von Schema und Modell gründet, läßt keineandere Wahl zu, als so zu tun, als ob die Repräsentation der Praxis mit der objektivenWahrheit dieser Praxis übereingestimmt hätte, wobei das theoretische Modell dem explizitenPlan der sich gerade vollziehenden Handlung gleichgestellt wird, oder als ob die Praxissich auf vollkommen unbewußte Weise auf der Grundlage des theoretischen Modells dersich gerade realisierenden Handlung reguliert hätte. Tatsächlich gibt das Schema, .das in dieHandlung Ordnung trägt', weder einen vorher bewußt entworfenen Plan, den es auszuführengenügte [ ...}, noch ein Unbewußtes wieder, das mechanisch die Handlung lenkt."(Bourdieu, Entwurf, S. 276) Sondern: .. Die praktische Erkenntnis stellt ein praktisches Konstruktionsverfahendar, das, durch den Bezug auf praktische Funktionen, Klassifikationssysteme(Taxonomien) ins Werk setzt, die die Wahrnehmung und das Denken organisieren,und der Praxis eine Struktur aufprägen. Durch die Praxis aufeinanderfolgender Generationeninnerhalb eines bestimmten Typs von Existenzbedingungen geschaffen, funktionierendiese Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsschemata, die durch die Praxis erworben und378


in praktischem Zustand ins Werk gesetZt werden, gewissermaßen wie praktische Operatoren,vermittels derer die objektiven Strukturen, deren Produkt sie sind, sich Zu reproduzierentrachte. Die praktischen Taxonomien: Werkzeuge der Erkenntnis und der Kommunikation,die die Hervorbringung des Sinns und die Herstellung des Konsensus über ihn bedingen,können nur strukturbildend werden, insofern sie strukturiert sind." (A. a. 0., S. 229)Bloße Beherrschung solcher Schemata ist dabei strikt zu unterscheiden von der nicht notwendigenFähigkeit, sie symbolisch adäquat repräsentieren zu können. In jenem nichtobjektiviertenModus fallen sie, wie Bourdieu am Beispiel ritueller Praxis beschreibt, mitdieser selbst zusammen: .. Ohne die symbolische Beherrschung der Schemata, die sie sind,und ihrer Produkte, die sie machen, können die Individuen den Produktionsapparat, derihnen die konkret gebildeteten rituellen Praktiken hervorzubringen gestattet, adäquat nurbeherrschen, indern sie ihn in Gang setzen." (A. a. 0., S. 269/ Hervorhebung im Original)66} Die Reproduktion des Habitus ist als ganze nicht Resultat eines Kalküls, denn: .. Der Habitusliegt [ ... ] einer Aneinanderkettung von ,coups' zugrunde, die objektiv wie Strategienorganisiert sind, ohne in irgend einer Weise das Resultat einer wirkliche strategischenAbsicht zu sein" (a.a.O., S.165). Zum spezifischen Zeitbegriff habitueller Praxis vgJ.a. a. 0., S. 217ff. u. 378ff.67} Bourdieu spricht von einer .. partiellen Koinzidenz der Bedeutungen" (a. a. 0., S. 298): .. Gehenwir davon aus, daß in der Praxis jeweils nur ein bestimmter Sektor des Systems derSchemata mobilisiert wird (ohne daß damit jemals alle Verbindungen zu den anderen Gegensätzenvollkommen unterbrochen wären), und daß die in den verschiedenen Situationeneingesetzten unterschiedlichen Schemata partiell autonom und ebenso partiell mit allen anderenverbunden sind, so ist es nur normal, daß alle Produkte der zum Einsatz gebrachtenSchemata [ ... ] eine partielle Übereinstimmung aufweisen, und daß sie sich rur jeden, der dasSystem der Schemata praktisch beherrscht, als in groben Zügen, was nichts anderes heißtdenn: praktisch äquivalent erweisen." (ebd.) Diese praktische Äquivalenz erscheint der theoretischenAnalyse als .. Homologie" (a. a. 0., S. 299), die implizit durch ein Quasi-Theorem.globaler Ähnlichkeit" (a. a. 0., S. 250; vgJ. 259), eine, wie Bourdieu im Rekurs auf einenstoischen Begriff formuliert, .. sympathein ton holon" - eine .. Affinität aller Objekte desUniversums" (a. a. 0., S. 253) - gesichert ist. Diese Ähnlichkeit stiftet die Möglichkeit derÜbertragung von Schemata, welche weder als Behauptung struktureller Identität, noch als,uneigentliehe' Metaphorisierung, sondern als ungefähres Raster praktischer Handhabbarkeitzu begreifen ist: .. Statt sich immer nur auf einen Aspekt der Termini zu beschränken,die er verbindet, nimmt dieser Auffassungsmodus vielmehr einen jeden wie einen einzelnenBlock und zieht damit soweit wie möglich aus der Tatsache Nutzen, daß zwei ,Gegebenheiten'sich niemals in allen Aspekten, wohl aber, wenigstens indirekt (d. h. über einen gemeinsamenTerminus) in einigen Aspekten ähneln." (A. a. 0., S. 250/ Hervorhebung im Original)Diese Ausfiihrung erinnert nicht von ungefähr an die Definition der Metapher als verkürztemVergleich mit implizitem tertium compararionis; Bourdieu versteht die rhetorischeFigur als Reflex des Grundmechanismus habituellen Verfahrens (und des magischen als seinerquasi experimentellen Form) in systematisierter Semantik: .. Was gemeinhin Metaphergenannt wird, stellt nur ein Resultat unter anderen jener Obertragung von Schemata dar, diedurch Anwendung praktischer Wahrnehmungs- und Handlungsschemata auf neuartige Bereicheneue Bedeutungen hervorbringen. [ ... ] Auf diese Weise findet sich ein vollkommenstrukturierter Geist in einen Kreislauf von Metaphern eingebunden, die sich wechselseitig unendlichreflektieren - und die Illusion der Objektivität, die der vollständigen Übereinstimmungder durch die Applikation der Kategorien erstellten Konstruktionen entspringt,wird, ebenso wie der entsprechende Glaube, durch die Tatsache verstätkt, daß das solchermaßengebildete objektive Universum Objekte (Instrumente, Gebäude, Monumente erc.)enthält, die sich realen Orientierungsverfahren verdanken, welche sich in ihrem Vollzug vonden gleichen Kategorien leiten lassen, mit dem auch jene Objekte erfaßt werden. Die Einverleibungder Objektivität ist demzufolge zugleich Verinnerlichung der Schemata wieIntegration in die Gruppe, da das, was verinnerlicht wird, das Produkt der Entäußerungeiner ähnlich strukturierten Subjektivität darstellt." (A. a. 0., S. 169f./ Hervorhebung im379


Original} Die anrhropologische Grundlage und das regularive Momenr dieser Praxis siehtBourdieu in der .. Vergesellschaftung der Physiologie", die .. physiologische Ereignisse insymbolische verwandelt" (a. a. 0., S. 199) und mittels einer Are "ursprünglicher Metonymie"die Wirklichkeit srrukturiert: "Pars totalis, ist jede Körpereechnik dazu prädisponiert,entsprechend dem Paralogismus des pars pro toto zu fungieren, also das gesamteSystem, dessen Teil sie bildet, zu evozieren." (A. a. 0., S. 200/ Hervorhebung im Original)68} A. a. 0., S. 269. Die .. praktische Logik" kann "praktisch eben nur funktionieren { ... }, soweitsie sich gegenüber den elementaren Grundsätzen der logischen Logik so umfassende Freiheirenwie möglich herausnimmt: So geschieht es, daß ein und dasselbe Symbol sich aufgerade von der Axiomatik des Systems her gegensätzliche Realiräten beziehen kann, andersgesagt, daß innerhalb dieser Axiomatik das Faktum gelten gelassen werden muß, daß diesesSystem den Widerspruch nicht ausschließt." (A. a. 0., S. 296) Die praktische Logik repräsentierenicht eineindeutig identische Sachverhalte, sondern appliziert Sachverhalten Erkärungsmuster,die je nach Situation, d. h. nach Ore und Zeit des Auftretens eines Sachverhaltesdifferieren können. Dies ist - in den Termini eines unausgetragenen Streites modernerSemantik formuliert - möglich, weil verschiedene Schemata gleichzeitig indexikalischals Eigennamen fungieren (deren Deixis jedoch nicht gegenstands- sondern zeit- und orespezifischist) und als definite descriptions, die ihren Gegenstand als Funktion seiner (hierebenfalls nicht nur objekts-, sondern zeit- und ortspezifischen) Bestimmungen zeigen: "DieSinnbereiche, die den verschiedenen Praxisbereichen korrespondieren, sind in sich geschlossen- folglich vor der Kontrolle durch die logische Systematisierung geschützt - und zugleich,als mäßig systematische Produkte eines Systems von mehr oder minder umfassendintegrierten generativen Prinzipien, die innerhalb der unterschiedlichsten Praxisfeldersrrukturell invariant funkrionieren, auch objektiv in Einklang mit allen anderen." (A. a. 0.,S. 269/ Hervorhebung im Original) (Die Semantik des Schemas entspricht ungefähr der desexemplums.) Aus der Perspektive der Repräsentanz bedeutet dies "Polysemie", eine "Überdeterminierungdurch Unbestimmtheit" (a. a. 0., S. 249; vgl. 295), da dem Gegenstandmehrere ,Namen' zugeordnet werden können. Um die - theoretisch - dadurch entstehendeGefahr einer Multiplikation der semantischen Entitäten abzuwehren, bedarf es einer "Ökonomieder Logik" (besser wohl: der Logistik), die paradoxerweise "abverlangt, nicht mehrLogik einzusetzen, als für die Bedürfnisse der Praxis nötig ist". Sie "bewirkt, daß das Universumdes Diskurses, in bezug auf welches diese oder jene logische Klasse ( also sein Komplementär)gebildet wird, implizit bleiben kann, weil es in jedem einzelnen Fall in (sic!)und durch das praktische Verhältnis zur Situation implizit definiere wird." (Ebd.) Die"Polythetie" der Handlungen und Semantisierungen (a. a. 0., S. 248) wird durch die Homogenitäteiner Praxis reguliert. Im beschwörenden Ostinato des Begriffs versucht Bourdieudie Differenz dieser Logistik von systematischer Logik zu unterstreichen: .. Die symbolischenSyteme verdanken ihre praktische Kohärenz, d. h. ihre Regel- wie Unregelmäßigkeit,ja selbst ihre Inkohärenzen, die ebenso notwendig, weil in der Logik ihrer Genese und ihrerFunktionsweise eingeschrieben sind, dem Faktum, daß sie das Produkt von Praxisformensind, die ihre praktische Funktion nur erfüllen können, insofern sie innerhalb der PraxisPrinzipien praktisch zur Wirkung bringen, die nicht nur kohärent sind, d. h. fähig, innerlichkohärente und zugleich mit den objektiven Bedingungen kompatible Praktiken zuerzeugen, sondern die auch praktisch sind - im Sinne von bequem, d. h. die unmittelbarbeherrscht werden können und, weil einer ökonomischen (= sparsamen) Logik folgend,handlich sind." (A. a 0., S. 247f./ Hervorhebungen im Original; vgl. auch: a. a 0., S. 252.)69) Doch ist dieser letzte Punkt kein Spezifikum ,primitiver' habitueller Verfassung der Praxis:"Jedes Individuum", resümiert Bourdieu kurz und bündig, "mag es das wissen oder nicht,wollen oder nicht, ist Produzent und Reproduzent objektiven Sinns: Da seine Handlungenund Werke Produkte eines modus operandi sind, dessen Produzent es nicht ist und die es bewußtnicht beherrscht, schließen sie, einem Begriff der Scholastik folgend, eine ,objektiveIntention' ein, die dessen bewußte Absicht stets übersreigt." (A. a. 0., S.178f./ Hervorhebungim Original)70) A.a.O., S. 207.380


71) Eh


turalen im weiteren Sinne - Linguistik korrelativ eine .. objektivistische Hermeneutik",welcher das Wort für die vollendete Tatsache steht (vgl. a. a. 0., S. 264).85) .. Tatsächlich gestattet das Schema, wenn es alle temporalen Gegensätze, die zusammengetragenund vereinigt werden können, entspre


Interesse in einem dem Geld und dem Interesse ausgelieferten Universum, könnte die Weltder Kunst, wie in früheren Zeiten die Theologie, ihre raison d'e.:re darin finden, eine imaginäreAnthropologie vorzugeben, die aus der Verneinung (im Freudschen Sinne) all derNegationen gewonnen ist, die die Ökonomie real vollzieht." (A. a. 0., S. 377)94) .. Bildet die vorkapitalistische Ökonomie den Ort symbolischer Gewalt schlechthin, so deshalb,weil in diesem System die Herrschaftsbeziehungen allein um den Preis von Strategienerrichtet, aufrechterhalten und wiederhergestellt weroen können, die, explizit an der Errichtungpersönlicher Abhängigkeiten orientiert, sich bei Strafe, ihre Wahrheit offen entdeckenzu müssen, verstellen, ihre Form ändern, Kurz, sich euphemisieren müssen, um damiteiner Zensur genüge zu tun, der die offene Manifestation von Gewalt, vor allem in dererbrutaler ökonomischer Form, durch eine Logik unterliegt, die jener Ökonomie eignet, worinInteressen zu ihrer Befriedigung nur gelangen, wenn sie sich in und durch Strukturenverschleiern lassen, die auf ihre Befriedigung abzielen." (A. a. 0., S. 369/ Hervorhebung imOriginal; vgl. S. 358, 367 u. 373)95) .. Nichts wäre in der Tat irriger als die Annahme, die symbolischen Handlungen (bzw. derensymbolischer Aspekt) bedeuteten nichts außer sich selbst: Sie verleihen stets der sozialenStellung Ausdruck, und zwar gemäß einer Logik, die eben die der Sozialstruktur selbst ist,d. h. die der Unterscheidung. Da Zeichen schon als solche ,sich nicht positivaufgrund ihresInhalts sondern negativ in Beziehung zu den anderen Punkten des Systems definieren' und,da sie nun einmal das sind, was die anderen nicht sind, ihren strukturellen Wert dem symbolischenSystem entnehmen, sind sie beinahe nach der Art einer prästabilierten Harmoniedazu ausersehen, ständischen ,Rang' auszudrücken, der, wie schon das Wort sagt, seinen,Wert' wesentlich seiner Stellung innerhalb einer als System von Positionen verstandenenSozialstruktur verdankt." (Aus: Pierre BOII,.diell. Klassenstellllng lind Klassenlage. In: BOII,.diell,Soziologie, S. 62/ Das Binnenzitat stammt aus: Hjelmslev. Essais lingllistiqlles. T,.avallX dll cerclelingllistiqllefk Copenhague. Vol. 12 (1959), p. 1(6)96) .. Das in strengem Sinne ,kulturelle' oder ,ästhetische' Interesse als gleichsam interesselosesbildet das paradoxe Produkt einer ideologischen Arbeit, zu der die Schriftsteller und Künstler,die primären Interessenten, einen nicht unbeträchtlichen Teil beigetragen haben und anderen Ende die symbolischen Interessen ihre Autonomie dadurch erringen, daß sie sich denmateriellen Interessen entgegensetzten, mit anderen Worten: sich symbolisch aufheben.Weil der Ökonomismus kein anderes Interesse kennt als dasjenige, welches der Kapitalismus,gewissermaßen in Form einer Realabstraktion erzeugt hat [ ... ], kann er das eigentlichsymbolische Interesse, das zuweilen [an]erkannt werden muß [ ... ] in seine Analyse undmehr noch in seine Berechnungen nur eingehen lassen, um es sogleich zu einer Irrationalitätdes Geruhls oder der Leidenschaft zu degradieren." (Bouroieu, Entwurf, S. 344)97) Vgl.a.a.0.,S.217ff.98) .. Es ist von Bedeutung, daß jeder Versuch - ob in der Kunst, der Moral, der Politik, derMedizin oder selbst in der Wissenschaft (man denke an die Regeln der Methode) -, einePraxislPraktik auf der gehorsamen Erfüllung einer explizit formulierten Regel zu begründen,sich an der Frage nach den Regeln stößt, die die angemessenste Art und Weise sowieden günstigsten Zeitpunkt - kai,.os, wie es die Sophisten hießen - der Anwendung der Regeloder, wie man so schön sagt, der praktischen Umsdzllng eines Repertoires an Vorschriftenoder Techniken bestimmten, mit anderen Worten an der Frage nach der Kunst der Ausführung/Ausübung,worein sich, unausweichlich, der Habitus wieder einschleicht."(A. a. 0., S. 203f./ Hervorhebung im Original)99) V gl. a. a. 0., S. 364.100) .. Ein Stil muß sich [ ... ] mit Notwendigkeit wandeln, sobald er vollständig verbreitet ist,weil er ein Unterscheidungszeichen ist, das nicht allgemein werden dürfte, ohne seine Bedeutungoder genauer (im Saussureschen Sinne) seinen ,Wert' zu verlieren, den es seinerStellung innerhalb eines Systems und seinem Gegensatz zu anderen Elementen dieses Systemsverdankt. Dasselbe Prinzip schreibt zweifellos auch der Suche nach Distinktion eineunaufhörliche Erneuerung ihrer Ausdrucksmittel in allen Bereichen vor, [ ... ]" (Bourdieu,Soziologie, S. 65; vgl. S. 60 u. 180).383


101) "Da die subjektive Notwendigkeit und Evidenz der Welt des Alltagsbewußtseins Geltungund Gewicht durch den objektiven Konsensus über den Sinn der Welt gewinnt, läuft dasWesentliche fraglos weil se/bstverstiindlich ab: Die Tradition ist schweigsam ( ... }" (Bourdieu,Entwurf, S. 330/ Hervorhebung im Original; vgl. S. 200ff. u. 327ff.).102) &hlagwortartig formuliert Bourdieu in einer mittlerweile berühmt gewordenen Sentenz:"Die Gebildeten sind die Eingeborenen der oberen Bildungssphäre und neigen daher zu einerArt von Ethnozentrismus, den man Klassenethnozentrismus nennen könnte." (Bourdieu,Soziologie, S. 163)103) Vgl. Bourdieu, Entwurf, S. 362.104) Vgl. a.a.O.,S. 363.105) Bourdieu, Soziologie, S. 20i.106) Für den Bereich der Kultur konstatiert Bourdieu lakonisch: "Kulturelle Äußerungen verweisen( ... ] immer implizit auf die Orthodoxie." (A. a. 0., S. 110; vgl. S. 159ff.)107) Bourdieu, Entwurf, S. 189.108) Z. B. Miche/ de Certeall. Kllnst des Hande/m. Ber/in 1988, S. 105ff.109) Die Konjunktur besteht in der "notwendigen Verbindll1lg von Dispositionen mit einern objektivenEreignis" (Bourdieu, Entwurf, S. 182/ Hervorhebung im Original). Da habituelle Formenletztlich Wirkungen eines objektiven Prozesses darstellen und reflexive wie semantischeEntitäten ihrerseits dessen abkünftige Modi, resultiert eine zeitliche Verzögerung zwischender Situation und ihrer Vergegenständlichung in Bewußtsein und Diskussion; durchdie Trägheit habitueller und semantischer Schemata, die in erster Linie nicht ihre objektiveBasis, sondern sich selbst reproduzieren, kann zwischen der Wahrnehmung und dem bezeichneten,von Bourdieu nicht als natürlich, sondern geschichtlich verstandenen Sachverhaltsich ein Spalt bilden, der schließlich zur Krise und zum Kollaps des Erkenntnismechanismusführt. Diese Verzögerung, das Zurückbleiben einer Wirkung hinter der sie bedingendenKraft, bezeichnet der physikalische Begriff der Hysteresis; in ihr, die "zweifellos inder Konstitutionslogik eines jeden Habitus angelegt ist" (a. a. 0., S.168), liegt der Grundfür die Krisenhaftigkeit gesellschaftlicher Prozesse: "In der dialektischen Beziehung zwischenDisposition und Ereignis bildet sich jene Konjunktur heraus, die faltig ist, die objektivkoordinierten, weil an partiell oder total gleichen objektiven Notwendigkeiten ausgerichtetenHandlungen in kollektive Aktion zu transformieren. Ohne je vollkommen koordiniertzu sein, da sie das Ereignis von .Kausalreihen' mit unterschiedlicher Dauer bilden, sinddie Dispositionen und die Situation, die sich synchron vereinigen, um derart eine bestimmteKonjunktur zu stiften, doch niemals gänzlich unabhängig, da sie je durch die objektivenStrukturen hervorgebracht werden, in letzter Instanz also durch die ökonomischen Grundlagender jeweiligen Gesellschaftsform: Zweifellos bildet die Hysteresis der Habitusformen,die den gesellschaftlichen Reproduktionsbedingungen der Strukturen in den Habitusformeninhärent ist, eine Grundlage der strukturellen Verschiebung zwischen den Gelegenheitenund den auf ihr Eingreifen zugeschnittenen Dispositionen, und es ist diese Verschiebung,die die verpaßten Gelegenheiten erzeugt und im besonderen die oft beobachtete U n­faltigkeit, historische Krisen nach anderen Wahrnehmungs- und Denkkategorien als solchender Vergangenheit - und sei es auch der revolutionären- wahrzunehmen und zu denken."(A. a. 0., S. 183/ Hervorhebung im Original) Eine Krise destabilisiert die habituellen,erkenntistheoretischen und semantischen Schemata (Paradigmata) und initiiert einen kritischenProzeß, der allerdings, da auf die Bedingungen seiner Formulierung angewiesen,sich nur in dialektischer Abhängigkeit vorn Hergebrachten artikulieren (vgl. a. a. 0.,S. 331f.) und darum seinerseits nicht selbst zum Agens des Prozesses kann. Die Reflexionbleibt ohnmächtig.110) Der Habirus fungiert als "Quasi-Natur", als Sediment "zu Natur gewordene(r) Geschichte( ... ], die als solche negiert, weil als zweite Natur realisiert wird" (a. a. 0., S. 171).111) V gl. die beiden Aufsätze Klassemtellll1lg und Klassen/age und Kiinstlerische Konuption lind intellektuellenKraftfe/d in: Bourdieu, Soziologie, S. 42ff. u. 75ff.112) Bourdieu, Entwurf, S. 9. In Gegensatz zur Synchronizität systematischer Wissenschaft, diean der Identität des Sinns, am "objektiven Sinn" festhält (a.a.O., S. 171; vgl. S. 153),384


ezeichnet der Begriff bei Bourdieu eine diffelenzielle, situative und subjektive Entität: .derSinn einer Information, die niemals - es sei denn rur den Gelehreen oder den Ästheten - insich selbst ihle Bestimmung findet, definiere nichts andeles als die Gesamtheit der Handlungen,die sie auslöst" (vgl. a. a. 0., S. 146).113) Vgl. a.a.O.,S. 178f.114) Vgl. den Aufsatz St,.lIkt",.a/ismlls tmd sDziD/OgiKhe Wissmst"haftsthetwie in: Bourdieu, Soziologie,S. 7ff.; bes. S. 39: "Wenn man dem Studium der Relationen zwischen objektiven Beziehungendas Studium der Relationen zwischen den Individuen und jenen Beziehungen opfereoder die Frage nach der Beziehung zwischen diesen beiden Beziehungstypen ignoriere,verfallt man in einen StrukturIealismus. Da ein solcher Realismus der Struktur an die Stelleeines Realismus des Elements tritt, hypostasiere er die objektiven Beziehungssysteme, alsbildeten diese beleits außerhalb der Geschichte des Individuums sowie der Geschichte derGruppe bestehende Totalitäten."115) Die Husserlsche Spätphilosophie steht in dieser Analyse in Abhängigkeit von HeideggersDaseinsanalytik in Sein lind Zeit, der auch Bourdieu verpflichtet ist. Aber nicht nur in derkontinentalen Philosophie ist diese Verschiebung im Selbstverständnis der Philosophie zubemerken; der Übergang Wittgensteins von der logischen Apodiktik des T,.adatm zurSprachspielkonzeption der Phi/osopist"hen Untersllchllngen zeige eine gleiche Tendenz im Bereichanalytischer Philosophie, die auch bei Willard van Orman Quine, Donald Davidsonund Nelson Goodman spürbar ist, wenn auf metaphysische Skepsis und die strikte Immanenzlogischer Theorien verwiesen wird, - ganz abgesehen vom erkenntnistheoretischen AnarchismusPaul Feyerabends. Doch die Trennung zwischen Realgrund und Erkenntnisgrundist schließlich kein neues Theo~m.116) Aktuell ist die Abwereung des Subjektsbegriffs auf die Sareresche, sich ebenfalls auf Heideggerberufende Philosophie gemünzt (vgl. Bourdieu, Entwurf, S. 173ff.), doch trifft siediese im Grunde nicht, da der radikale Freiheitsbegriff San~s gerade von der ir-~gulärenSituation, der Krise, ausgeht. Darüber hinaus stelle sie eine Abwehr jeglicher Form des Idealismusdar, der aus der Reflexion des Selbstbewußcseins seine Begriffe extrapolieren willund damit die eigene, geschichtliche Subjektivität in einem "erkenntnistheoretischenEthnozentrismus" natutalisiere (a. a. 0., S. 184ff.). Bourdieu stellt sich mit dem Theo~mder Dislozierung des Subjekts in die Tradition jener französischen Heidegger Rezeption, dieauch in l.acan und Foucault exponieree Verereter findet.117) Vgl. Bourdieu, Unterschiede. Der polemische Gebrauch positivistischer Statistiken kehrtde~n bloße Abbildung der Faktizität gegen das Postulat ih~r Werefreiheit und verwendetsie als Argument gegen die eigene Episteme.118) Die Toealisierung des rationalen Kalküls und seiner logischen Grammatik stellt eine Verarmungder Sprache dar, da sie nur noch einen Status haben soll: den logischen, der mit demstatus naturalis identifiziere wird. Diese reduzieree Sprachauffassung, die den Hermetismuseiner logischen Grammatik zur Folge hat, die über alles schweigen muß außer sich selbst,wird von Bourdieu anscheinend trotZ ihrer längst konstatiereen Problematik anerkannt -scheinbar anerkannt.119) Es ist klar, daß die Opposition rationale Semantik - Rhetorik gleichfalls eine Reduktion derFülle sprachlichen Handeins bedeutet. Sie erhebt weder den Anspruch, dieses zu erschöpfen,noch den, Sprache in ihren ,wesentlichen' Aspekten zu (re-)präsentieren, sondern stellt nureinen funktionalen Antagonismus her, dessen Implikationen im weiteren ausgefi.ihre werdensollen. ,Rhetorik' fungiere insofern als polemisches Kor~ktiv zur repräsentativen Semantik.120) Das Zitat fähre fore: .- einer Praxis, die vermittels der Demokratie auf der Ideologie dergrößten Zahl, der Mehrheitsnorm, der gängigen Meinung aufbaut: Alles weist darauf hin,daß eine Are aristotelische Vulgata immer noch einen transhistorischen Abendlandtypusdefiniere, eine Zivilisation (die unsrige) der mdoxa: liegt es nicht unübersehbar auf derHand, daß Aristoteles (poetisch, logisch, rhetorisch) der gesamten narrativen, diskursivenund argumentativen Sprache, die von den .Massenkommunikationen' befördere wird, einenvollständigen analytischen Raster (ausgehend vorn Begriff des ,Wahrscheinlichen') liefereund daß er eine optimale Homogenität zwischen einer Me,asprache und einer Objekt-385


sprache repräsentiert, die eine angewandte Wissenschaft definieren kann?" (Roland BartheJ.Die alte Rhetorik. In: Ders. Das semiologische Abenteuer. Frankfurt a. M. 1988, S. 15-101; Zitat:S. 94f.; vgl. S. 77)121) So der Titel der Sarmnelrezension neuerer amerikaniseher Rhetorik Hermann H. Holocher.Diskussion in den USA: "Rhetoric is Epistemic". In: RIJetorik 8 (1989), S. 65-72. Zur n"'uerenfranzösischsprachigen Rhetorik vgl. Volker KDpp. Rhetorik in Frankreich - neue französischeRhetorikforschung. In: Rhetorik 7 ( 1988), S. 93-108; Gerhard Damblemont. Rhetorik und T extanalyseim französischen Sprachraum. A. a. 0., S. 109-132; vgl. auch die Darstellung in: GertUedingl Bemd Steinbrink. Grundriß der Rhetorik. Stuttgart 1986. Zur aktuellen Rhetorik vgl.bes. Ernesto Grassi. Prolegomena zum Problem der Rhetorik. (Ton - psophos - und Laut - phone -)In: Rhetorik 8 (1989), S. 1-11; Lothar Bomscheuer. Rhetorische Paradoxien im anthropologiegeJchichtlichenParadigmenwechsel. In: Rhetorik 8 (1989), S. 13-42.122) Vgl. die programmatische Darstellung in: UedinglSteinbrink, Grundriß, S. 186ff.123) In diesem Zusammenhang erscheint - allerdings erst in der Stoa und der römischen Rhetorik(vgl. Manfred Fuhrmann. Die antike Rhetorik. MüncheniZürich 1987, S. 13; vgl. auch RichardVolkmann. Die Rhetorik der Griechen und Römer in systematischer Obersicht. Hildesheim 1963)- der vir bonus als Repräsentant der allgemeinen, öffentlichen Person, dessen ethos ihn alsdem allgemeinen Wohl verpflichtet ausweist und dessen Sprache als Muster einer idealenSprache für öffentliche Belange in kommunikativer Hinsicht dienen kann.124) V gl. Banhes, Rhetorik, S. 96; vgl. auch: Samuelljssering. Rhetorik und Philosophie. Stuttgart­Bad Cannstadt 1988. Ijssering begreift Rhetorik wesentlich als Textwissenschaft; damitwird jedoch der chrono-Iogische Aspekt negiert und die Rhetorik somit wiederum einer ,begrifflichen'Episteme untergeordnet. Auch IJsserings Bezug auf einen Kristevaschen Begriffvon ,Intertextualität' (S. 190) hilft letztlich nicht weiter, da er die kairologische Struktur derRhetorik und deren Bezug auf einen - objektivistischen! - Logos der Situation einer diffusen,negativen Kairologie des (objektiven) Subjekts der Sprache' opfert, die sich - anstatt zurWelt zu kommen - in der autarken Immanenz ihrer Wörter verschwendet.125) Dieser Auffassung ist auch der "mittlere" Roland Banhes verpflichtet (vgl. Barthes, Rhetorik,S. 90ff.).126) Barthes, Rhetorik, S. 77.127) Ebd.128) "Das aptum regelt also zum einen das Verhältnis der Konstituenten der sprachlichen Äußerunguntereinander (Konstituent an dieser Stelle als Sammelbezeichnung für die Redeteile,die Figuren, die Einzelwörter und ihren Klang und ihre Bedeutung, für die Gedanken Worteusw. gebraucht) und stellt andererseits die zulässige Verbindung zwischen den Konstituentender Rede und dem sozialen, politischen und historischen Kontext her. Da sich aberjede Rede, jede sprachliche Äußerung an einen oder mehrere Adressaten richtet, folgt ausder Verletzung des inneren immer auch eine des äußeren aptum, das die eigentlich regulativeKategorie im rhetorischen Sinn darstellt und Grundlage sämtlicher Wertungen, Fehler,Lizenzen, jeder rhetorischen Aktivität in Theorie und Praxis darstellt." (UedingISteinbrink,Grundriß, S. 202) Das aptllm könnte so noch als bloße Konventionalisierung verstandenwerden, stellt aber das qualitative Resultat ei ner Vermittlung zwischen iudicium, dem sachbezogenenUrteil des Redners, und consilium, seiner intentionalen Objektivierung in derPlanung der Redewirkung, dar (vgl. ebd.), wobei das iudicium selbst wiederum abhängigist von der inventio, welche Einsicht in den Redegegenstand produziert. Lausberg definiert:"Das aptum ist die virtus dispositionis und deshalb auch eine virtus elocutionis. Es wird von deruti/itas causae gelenkt und zielt auf den in der Überredung bestehenden Rede-Erfolg, derseinerseits von der opinio des Publikums abhängt. Das aptum besteht in der Bemühung, dieutilitas causae mit der opinio des PublikuITls in Einklang zu bri ngen." (Heinrich Lausberg. Elementeder literarischen Rhetorik. München 1963, § 464) Ciceronianisch stellt die inventio eineparteiische Handlung dar, ihr geht die intellectio als Erkenntnis des Gegenstandes voran;die inventio als bereits wirkungsbezogenes Verfahren selektiert und ordnet dort gefundeneAspekte nach qualitativen Kriterien (vgl. a. a. 0., S. 195). Wenngleich Cicero selbst dietatsächliche Rede als Resultat einer imaginierten Redesituation - und damit quasi objekti-386


viert - beschreibt (MamlJ Tu/lius Cicero. De oraforeiOber den Redner. Obers. u. hrsg. v. HaraldMerkin. SfUffgart 1976 (im Folgenden zitiert als: De or}, 2, S. 102-104; vgl. Ueding/Steinbrink,Grundriß, S. 217), so stellt doch ihre Intentionalität eine polemische - und von derGegenpartei zu konterkarierende - Invektive gegen vermeintliche konventionelle Selbstverständlichkeitendar; aber dies nicht in Form ,kritischer Kritik', die von einem höherenStandpunkt aus zu sprechen begehrt, sondern mittels polemischer Affirmation, die aus perspektivischerSelektion der möglichen Beweisgründe vorgibt, den sensus communis geradezu repräsentieren. Dabei stehen die l.oci als konventionalisierte .Argumentationsgesichtspunkte(uthar Bornscbeuer. Topik. Zur Struktur der gesellschaftlichen Einbildungskraft. Frankfurta. M. 1976, S. 100; vgl. Barthes, Rhetorik, S. 70.) zur Verfügung. Doch ist im Auge zuHbehalten, daß sich Cicero selbst weniger zu genuin rhetorischer als zu akademischer Schulungbekennt: Er gebraucht die Rhetorik erkenntnistheoretisch subsidär. (Nicht zuletzt darumwird in der Renaissance Lorenzo Val la Cicero hinter Quintilian zurückstufen (s. u.). Dagegenist rhetorisch Einsicht in den Gegenstand prinzipiell von seiner argumentativen Aufbereitungnicht zu trennen, sondern stellt selbst das Resultat der Anwendung topischer Parameterdar: "Die eigentliche rhetorische Lehre besteht also in der Einheit von Denken undSprechen, so daß Reden oder Schreiben dann nicht mehr bloß eine Bekleidung von Sachenmit Worten bedeutet, sondern Erkenntnis produziert und dadurch selber eine ars inveniendi,eine Erfinde- und Findekunst darstellt." (Ueding/Steinbrink, Grundriß, S. 200)129) Wo ein Modell von Sprache ihren Gebrauch normativ zu regulieren trachtet, wie z. B. dielatinitas in Antike und Renaissance oder die logische Grammatik in der Neuzeit, wird konventionelleOberflächlichkeit, wie immer sie sich auch selbst rur tiefgründig erachten mag,gefordert.130) Bourdieu, Gott, S. 249. Aus dieser Perspektive ergibt sich ein interessanter Blick auf denklassischen und romantischen Symbol begriff mit seiner konstitutiven inhaltlichen Überfülle,welche die Möglichkeit begrifflicher Repräsentation als solche negiert und aufhebt (vgl.Göfz Pochaf. Der Symbolbegriff in der Asthetik und KNmtwissenschaft. Köln 1983, S. 26ff.). Eineinnere Verbindung beider stiftet das Theorem der Metaphorizität von Sprache, da der referentielleBezug metaphorischer Sprache nicht die Eineindeutigkeit des Begriffs, sondern dieTranszendenz des Gegenständlichen meint. Jedoch ist zu beachten, daß in der christlichenTradition dieses Gegenständliche ungeschieden die Situation wie das - unverstandene -göttliche WOrt bedeutet, da Schöpfung und Schrift als (Ent-)Äußerungen Gottes in eins fallen.Der Logos der Situation des christlichen Interpreten - und hierin liegt eine verborgeneTradition sophistisch-rhetorischer Semantik - ist das pneumatische Wort: Transszendierungder Doxa - des Meinens - in derwirkmächtigen Evidenz .lebendigen Verstehens'.131) ,Begründung' bedeutet hier nicht sichere Deduktion aus ersten Evidenzen, sondern diskursivePlausibilität, die auf praktischer Erfahrung - auf sapientia statt auf scientia - aufruhr.Sie ist nicht an die Autorität einer Methode, sondern an die Bewährung ihrer Aussagen imkontroversen oder zumindest dialogischen Diskurs gebunden. Somit gibt es keine Instanzund kein Verfahren, das von vornherein Wahrheit rur sich reklamieren könnte. Besondersdeutlich wird dies im Falle des genus iudiciale: Der Richter beurteilt nicht den Sachverhalt- er ist eben nicht die Inkarnation des Rechts, denn vor Gericht gibt es auch in den ParteienFachmänner - und schon gar nicht den Gegenstand, sondern die Plausibilität der parteiischenDarstellungen. D. h. er bestimmt, welcher Wirklichkeitsgrad einer Darstellung zukommt:"Darüber aber zu entscheiden, ob etwas geschehen ist oder nicht, ob es sein werdeoder nicht, ob es ist oder nicht, muß man notwendig den Richtern überlassen (...)" (AristoteIes.Rhetorik. Obers. v. Pranz G. Sievek .. Miinchen 1980, 1354b, S. 8).132) Die neuzeitliche Denunziation der Rhetorik beruht auf der These, daß sie nackte Wahrheitverstelle und Stat( ihrer Allgemeinheit ein subjektives Interesse protegiere. Da Rhetorik diePrämisse dieser Argumentation - daß es eine nackte, uninteressierte Wahrheit gibt - nichtteilt, trifft sie der Vorwurf der Manipulation nicht nur nicht, sondern sie immunisiert gegenManipulation.133) Walter Jens. Rhetorik und Propaganda. In: Ders. Von deutscher Rede. Miinchen/Zürich 1983 (Erw.Neuallsgabe), S. 14.387


134) VgJ. bes. Aristoteles, Rhetorik, 1356b-1358a, S. 14-20.135) "Ebenso gibt es in der RhetfWik scheinbare Enthymeme durch die Unterstellung, etwas seinicht ein absolut Wahrscheinliches, sondern ein speziell Wahrscheinliches. Dieses aberkann nicht den Anspruch des Allgemeingültigen [ ... } erheben, [ ... } Es ereignet sich nämlich(auch) etwas, was dem Wahrscheinlichen zuwiderläuft, [ ... ). Verhält es sich aber so, dann istauch das Nicht-Wahrscheinliche wahrscheinlich, jedoch nicht absolut, sondern wie in densophistischen Reden das Weglassen des W Drin, des Wozu und des Wo die falsche Aussage bewirkt,SO auch hier, daß etwas nicht absolut dem Wahrscheinlichen zuwiderläuft, sonderneinem speziellen Fall von Wahrscheinlichkeit." (Aristoteles, Rhetorik, 1402a, S. 161) Dieallgemeine Gültigkeit des Enthymems wird dadurch zwar nicht negiert, sie ist jedoch jesituativ problematisch und muß ihrerseits im rhetorischen Diskurs gerechrfertigt werden."Denn das, was wahrJcheinlich ist, ist (das), was sich meistens ereignet, jedoch nichtschlechthin, wie einige es definieren, sondern das, was sich bei Dingen, die auch anders seinkönnen, in Relation zu dem Gegenstand, bezüglich dessen es wahrscheinlich ist, so verhältwie das Allgemeine zum Besonderen." (Acistoteles, Rhetorik,1357af., S. 17) Die Situationbleibt prävalent und ist nicht apriori methodisch reduzierbar; der Geltungsanspruch desdialektischen Verfahrens als Paradigma wahrer Methodik muß sich stets aufs neue ausweisen,"denn für den praktischen Gebrauch sind die einzelnen und besonderen Dinge vongrößerer Bedeutung als die Kenntnis des Allgemeinen." (AristoteIes, Rhetorik, 1393a,S. 133)136) Gemäß dem Catonischen, seinem Impetus nach gegen eine vom Sachgehalt der Aussagegelöste Rhetorik gerichteten Diktum: "Orator igitur est vir bonus dicendi peritus."(Ueding/Steinbrink, Grundriß, S. 58)137) VgJ. Ueding/Steinbrink, Grundriß, S. 41ff. u. 86ff.138) Die Bedeutung der lectio nimmt besonders im frühen Mittelalter zu (um von der disputatioabgelöst zu werden; vgJ. Ijssering, Rhetorik, S. 75), und bestimmt - säkular gewendet -auch die Renaissance. Ihr substantiell verbunden ist die imitatio inhaltlicher und stilistischerVorbilder. Beider Bedeutung - und damit die inhaltliche Petrifizierung der Rhetorik- wächst mit dem Einfluß der Schriftsprachlichkeit. Diese ist bereits in der aristotelischenRhetorik spürbar (vgJ. Aristoteles, Rhetorik, 1413b-1414a, S. 199-202 - das Verhältniszwischen gesprochenem Wort und Schrift ist implizit auch in der Reflexion über Gesetzund Urteil Gegenstand); damit bricht, wie Michael Cahn zeigt, das Problem der Beziehungvon Theorie und Praxis als Problem von rhetorischer Wissenschaft und rednerischer Praxisin die Rhetorik ein (Michael Cahn. KunJt der OberliJtJlng. München 1976, S. 62ff.). Perspicutas,die Klarheit der Begriffe und des Ganges der Argumentation tritt nun in den Vordergrund(vgJ. Cahn, Kunst, S. 73). Die rhetorische Situation und die sophistische Peithiowerden dabei durch die Abstraktheit des Textes und die Möglichkeit kritischer Lektüre desavouiert:Überreden und Überzeugen fallen auseinander. Cahn betont, diese Entwicklungsei der Rhetorik selbst immanent, da sie als ,formalisierte Technik' bereits den Keim desBegrifflichen in sich trage: "Als Kommunikationsform nimmt der mündlich abgehaltenerhetorische Vortrag [ ... } zwischenface-to-face und Lektüre seinen Platz ein; er ist unter keinenUmständen ganz auf die Seite der face-to-face Kommunikation zu schlagen. Mithin istdie Dominanz textueller Kategorien bei Aristoteles kein Zufall sondern ein Bewahren rhetorischerQualität und durchaus der .Sache' angemessen, auch wenn durch sie der Rednerprinzipiell nicht zu einem .master of occasions, but one of ace urate diction' wird." (A. a. 0.,S. 75) Damit ist jedoch Essentialismus - daß nämlich der Begriff der Rhetorik das Wesender Rhetorik sei - hypostasiert. Die Chrono-logie dagegen erkennt gerade im Verfall derBegriffe - auch jener der Rhetorik, insoweit sie sich als begriffliche formulieren kann - ihrsemantisches Apriori. Auch Rhetorik ist eine Praxis, die sich temporär exponiert und habituellsedimentiert, um wieder im Strom der situativen Praxis einzutauchen. Die, wie Cahnformuliert, "paradoxe Utopie einer kunstlosen Kunst" (a. a. 0., S. 84) - die Tatsache, daßsich Rhetorik dann am vollkommensten wähnt, wenn sie sich identisch mit Natur glaubt -ist eben nur paradox, wenn Natur als Begriff und Kunst als Begriff jeweils überzeitlicheSubstanzialität für sich reklamieren. Auch die Ciceronianische Rhetorik ist konzeptionell388


auf Schrift als Reflexionsmedium und Medium der Selbstobjektivation angewiesen, umneben dem pragmatischen das neue Ideal des Stils (stilus: lat. Griffel; vgl. Ham VlrichGlimbrt!Cht. Schwintknde Stabilitiit des Wirklichen. Eine Geschichte des Stilbegrifft. In: Stil. Geschichtenlind Fllnktionen eines kliltlWWissenschaftlichen Diskllrselements. Hrsg. v. Ham VlrichGlimbrt!Cht 11. }(Prl Llldwig Pfeiffer. FrankflIrt a. M. 1986, S. 726-788, hier: S. 730) zuetablieren.139) Bornscheuer, Topik, S. 10l.140) Ebd.141) Aristoteles versteht unter ,alle' "die Vielen" (Aristoteles, Rhetorik, 1363a, S. 35): d. h. "dieEinsichtsvollen - entweder alle oder die meisten oder die Mehrzahl oder die Bedeutendsten"(a. a. 0., 1364b, S. 41), "alles, was Einsicht und Verstand hat" (a. a. 0., 1362a, S. 33). DieÖffentlichkeit der Wahrheit, der Aristoteles doch mit eher ambivalentem Geruhl zu begegnenscheint, ist der sophistischen essentiell (vgl. Thomas BlIchheim. Die Sophistik als Avantgardenormalen Lebens. Hambllrg 1986, S. 47; vgl. auch: Ders. Einleitllng in: Gorgias von L«Jntini.Reden, Fragmente und Testimonien. Hrsg. mit Obers. 11. Kom. v. Thomas BlIchheim. Hamburg1989, S. VII-XLi).142) D. h. das Gebiet der Rhetorik umfaßt ungeschieden Wörter und Begriffe.143) Der Entscheidungsbedarf kann dabei tatsächlich oder vermeintlich sein, d.h. er kann austatsächlicher Offenheit der Situation oder aus der Unkenntnis der Subjekte resultieren. Imersteren Fall ist die Rhetorik methodisch irreduzibel, im letzteren lediglich argumentativesSupplement der Wahrheit. Zwar erkennt Aristoteles pragmatisch die Indeterminiertheitmenschlichen Handelns an (vgl. Aristoteles, Rhetorik, 1357a, S. 17), methodisch jedoch istseine Rhetorik auf die Exposition des Begriffs fixiert: •.Aber wir beraten nur über solcheDinge, welche sich allem Anschein nach auf zweierlei Weise verhalten können: Denn überdas, was nicht anders sein, werden oder sich verhalten kann, beratschlagt niemand, sofern erannimmt, daß es sich so verhält; das bringt ja nichts mehr ein." (Aristoteles, Rhetorik,1357a, S. 16)144) Die Unruhe ist eine Funktion anthropologischer Zeitlichkeit, die in systematischer Hinsichtnur als Irritation der Stetigkeit gefaßt werden kann. Als anthropologisches Faktum legitimiertsie sich durch teleologische Bezogenheit und Aufhebung im Resultat: "Da aber dasSiegen angenehm ist, so müssen auch alle Spiele angenehm sein: sowohl die Kampfspielewie die Disputationen [ ...) denn wo Wettstreit ist, da ist auch Sieg. Aus diesem Grund istsowohl das Prozessieren als das Disputieren angenehm für die, die es gewohnt sind und darinKönnerschaft besitzen." (Aristoteles, Rhetorik, 1371a, S.6lf.)145) V gl. Manfred Frank. ZeitbewlIßtsein. Tiibingen 1990.146) V gl. Edmllnd Husserl. Vorlesungen zur Phiinomenologie des inneren Zeitbewllßtseim. (1893-1917)Hrsg. v. R. Boehm. (Husserliana Bd. 10) Den Haag 1966; Emmanllel Levinas. Die Sp"r des Anderen.FreibllrglMii11chen 1983.147) Dies betrifft auch die Möglichkeit von Geschichtstheorie (vgl. - aus analytischer Perspektive- Arthur Coleman Danto. Analytische Philosophie der Geschichte. Frankfurt a. M. 1974; vgl.Georg Simmel. Die Probleme der Geschichtsphilosophie. Zweite, vö"llig veriinderle Auf/age. Leipzig1905, S. V; Marquard, Schwierigkeiten, S. 13-28).148) Daß Affekte zukunfi:sblind sind, konstatiert Aristoteles selbst: .(...) - denn die Affekte sindnicht in der Lage, zu bedenken, was kommen kann - [ ...}" (Aristoteles, Rhetorik, 1385b,S. 110). Dies kann strenggenommen zweierlei bedeuten: Sie sind naturhaft, oder sie sindkonventionell, und ihre Zukunftsblindheit ist dadurch bedingt, daß konventionelle Reaktionsschemataunreflektiert appliziert werden. Die Definition der Rhetorik lautet: .,Affekteaber sind alle solche Regungen des Gemüts, durch die Menschen sich entsprechend ihremWechsel hinsichtlich der Urteile unterscheiden und denen Schmerz bzw. Lust folgen" (Aristoteles,Rhetorik, 1378a, S. 84). Sie fallen ins Gebiet der Ethik und nicht in jenes derAnthropologie (vgl. Aristoteles. Rhetorik, 1355bf., S. 13f.).149) "Von den anderen theoretischen Disziplinen ermöglicht keine, über EntgegengesetztesSchlüsse zu bilden; nur die Dialektik und die Theorie der Beredsamkeit vermögen dies als einzige;denn beide sind in gleicher Weise mit im Gegensatz Stehendem beschäftigt." (Ari-389


stoteles, Rhetorik, 1355a, S. 11) Die Parallelisierung von Rhetorik und Dialektik sowie dieexponierten Funktionen von Enthymem und Syllogismus zwingen - da sie die möglichePolyperspektivität von Wahrnehmung und Sprache auf systematische Alternativen reduzieren- die Rhetorik in das Prokrustesbett der Theorie.150) Vgl. AristoteIes, Rhetorik, 1355b-1358b, S. 17-20.151) ,,{...} - über jede Art von Schlußverfahren aber hat ohne Unterschied die Dialektik U ntersuchungenanzustellen: entweder die ganze Wissenschaft oder ein Teil von ihr - {...}" (Aristoteles,Rhetorik, 1355a, S. 10).152) "Die Rhetorik stellt das Vermögen dar, bei jedem Gegenstand das möglicherweise Glauben­~kende zu erkennen." (AristoteIes, Rhetorik, 1355b, S. 12)153) Notwendiger Ort des ethos in der Rede ist die narratio, sein Impetus Offenlegung der Absichtdes Rhetors - mit dem Telos des sittlich Guten (vgl. AristoteIes, Rhetorik, 1417a,S. 214), seine stilistische Implikation weitgehender Verzicht auf pathetische Mittel undFormeln, d. h. Präferenz des verbum proprium. Diese Bevorzugung einer scheinbar kunstlosenSprache ist jedoch selbst rhetorisches Kalkül: Angemessenheit beruht auf drei Falctoren:Affekt, Ethos und "rech teD RelationD zu dem zugrundeliegenden Sachverhalt" (Aristoteles,Rhetorik, 1408a, S. 181). Dabei erhöht der Gebrauch des verbum proprium die Glaubwürdigkeit,denn: "Die Seele macht nämlich den Trugschluß, als spräche man die Wahrheit,weil Menschen in solcher lage sich so verhalten." (AristoteIes, Rhetorik, 1408a, S. 182) ,Soverhalten' heißt: quasi natürlich, ohne Hintergedanken, uninteressiert, ,,{...} nicht aus Überlegungheraus zu sprechen, wie die Redner dies heutzutage tun, sondern aus der ethischenAbsicht heraus: ,Ich aber wollte dies; dies war nämlich meine Absicht; aber wenn es mirauch nicht zum Nutzen geriet, war es doch das Bessere'; denn das eine ist Ausdrucksweisedes Verständigen, das andere aber des Rechtschaffenen. Die Intention des Verständigen istes nämlich, darin das Nützliche zu verfolgen, Intention des Rechtschaffenen aber, das Schöne."(Aristoteles, Rhetorik, 1417a, S. 214) Doch dürfen diese Formulierungen nicht so verstandenwerden, als würde damit quasi einer emotionslosen, rationalen Sachlichkeit dasWort geredet, denn: ,,{...} wenn man seiner Rede einen ethischen Anstrich gibt, darf mannicht gleichzeitig nach einem Enthymem suchen; denn die BeweisfUhrung besitzt wederethische Gesinnung, noch sittlichen Vorsatz." (Aristoteles, Rhetorik, 1418a, S. 217) Und siesind auch nicht so zu lesen, als wäre der Bezug auf das Schöne ein interesseloses Wohlgefallenoder Produkt unengagierter Apathie (vgl. AristoteIes, Rhetorik, 1389a, S. 12lf.); zwarleistet der ethische Rhetor auf persönlichen Vorteil Verzicht, er muß aber über die Tendenzseiner Rede - über das allgemeine Interesse - Rechenschaft geben können: "Durch die Darlegungder Beschaffenheit der Absicht ist die Beschaffenheit des Charakters erkennbar. DieBeschaffenheit der Absicht aber wird bestimmt durch den Endzweck (telos). Aus diesemGrund besitzen auch die mathematischen Vorträge kein Ethos, weil sie keine Absicht haben- denn sie besitzen kein W/ar"m -, wohl aber die sokratischen Dialoge; {...}" (AristoteIes,Rhetorik, 1417b, S. 214) Die Ausrichtung des Ethos auf das Schöne als sittlich Gutes qualifiziertdie Gnome als Form und Indiz ethischer Aussage: "Sie macht nämlich die Rede zueiner ethischen Rede." (AristoteIes, Rhetorik, 1395b, S. 140) Berücksichtigt man die ethischePräferenz des verbum proprium, so zeigt sich schon in der aristotelischen Rhetorik eineTendenz zur Prosa als quasi-natürlicher Redeform in Angelegenheiten ,normalen' Lebensmit ihren restriktiven (und ,modernen') stilistischen Normen: In Prosaceden ,,{ ...} ist es erforderlich,die Kunstfertigkeit anzuwenden, ohne daß man es merkt, und die Rede nicht alsverfertigt, sondern als natürlich erscheinen zu lassen - dies nämlich macht sie glaubwürdig,jenes aber bewirkt das Gegenteil; denn die Zuhörer nehmen wie gegen jemanden, der etwasim Schilde fUhrt, Anstoß daran wie gegen gemischte Weine {...}. Dieses Vertuschen wirdaber gut bewirkt, wenn jemand aus der üblichen Umgangssprache seine Auswahl für dieKomposition seiner Rede trifft, wie Euripides dies tut und als erster gezeigt hat. {. .. } Dasal/gemein gebrä"chliche und eigentliche W fWf (verbum proprium) aber und die Metapher dürfenals einzige für die Ausdrucksweise der Prosarede gebraucht werden. Ein Indiz hierfür ist,daß alle Menschen nur diese allein gebrauchen; denn alle gebrauchen in der UnterredungMetaphern, eigentümliche und allgemein gebräuchliche Ausdrucke." (AristoteIes, Rhetorik,390


1404b, 5. 170, - Zur Opposition ethos/pathos und ihrer Geschichte vgl. KlallJ Dockhorn.Macht lind WirklIng der Rhetorik. Bad Hombllrg/ Be,.fin/ Zürich 1968; zum .Entkunstungs­Theorem vgl. Cahn, Kunst, S. 84ff.)154) Aristoteles, Rhetorik, 1357 a, S 16.155) .. Nützlich aber ist die Theorie der Beredsamkeit, weil von Natur aus das Wahre und das Gerechtestärker sind als ihr Gegenteil, so daß sie notwendig durch sich selbst unterliegen,wenn die Urteile nicht so ausfallen, wie es sich gehört; das aber ist ein Grund zum Vorwurf."(Aristoteles, Rhetorik, 135 5a, 5. 10)156) Aristoteles, Rhetorik, 1354a+b, S. 8.157) Aristoteles, Rhetorik, 1354b, S. 9. Zum Theoriebegriffbei AristoteIes und seinem Verhältniszur Praxis vgl.Joachim Ritter. Die Lehre flom Urprllng und Sinn der Th_ie bei AriJtot.leJ. In:Metaphysik und Politik. Studien ZII AriJloteles lind Hegd. FrankflIrt a. M. 1977, S. 9-33.158) Aristoteles, Rhetorik, 1354b, S. 8. D. h. der Gesetzgeber definiert die systematischen Örter;der Richter befindet über ihre Faktizität; er verankert sie - mit je nach rhetorischem Genusspezifischem chronologischen Vektor - im Fluß der Erscheinungen.159) Vgl. AristoteIes, Rhetorik, 1354a, S. 7.160) So wie die moderne Rhetorik als .Wissenschaft der Kontextualität' Rhetorik eben wissenschaftlich,d. h. im Bezug auf verallgemeinerbare und konstante Konstituenten der lebenswelt,untersucht und sie damit nicht nur zum quasi-rationalen Methodensurrogat stempelt,sondern zur Festigung des Anspruchs der Wissenschaft, Praxis zu dominieren, funktionalisiert,ist es auch - aus rhetorischer Perspektive lediglich defensives - Anliegen der aristotelischenmethodisch zu erfassen, was über den Sachgehalt einer Argumentation hinaus performativvon Bedeutung ist: .. Da aber das Objekt der Rede das Urteil ist - denn Urteile bestimmenebenso die Beratung, wie der Richterspruch ein Urteil ist -, muß man notwendigerweisenicht nur auf die Argumentation sein Augenmerk richten, [ ... }, sondern auch sichselbst und den Urteilenden in eine bestimmte Verfassung versetzen. Denn im Hinblick aufdie Glaubwürdigkeit macht es viel aus - besonders bei den Beratungen und schließlich vorGericht -, daß der Redner in einer bestimmten Verfassung erscheinen und daß die Zuhörerannehmen, er sei in einer bestimmten Weise gegen sie disponiert, und schließlich, ob auchdiese sich in einer bestimmten Disposition befinden." (AristoteIes, Rhetorik, 1377b, S. 83)161) Vgl. Ueding/Steinbrink, Grundriß, 5.13-18.162) Buchheim, Sophistik (vgl. Anm. 141).163) A.a.O., S. 132.164) AristoteIes hingegen trennt die rhetorische techne vorn Sachgehalt ihter Aussagen (der episterne)und formalisiert sie damit ebenso wie die Dialektik zur Wissenschaft von den Begriffensprachlichen Handelns: .. Je mehr jemand nun aber die Dialektik oder die Rhetoriknicht als Fähigkeit sondern als Wissenschaft auszubilden versucht, desto mehr wird manunvermerkt ihre eigentliche Natur gerade dadurch vernichten, daß man durch Überschreitenihres eigenen Gebietes sie zu Wissenschaften von irgendwelchen bestimmten Inhaltenausbildet, statt von den Worten allein." (AristoteIes, Rhetorik, 1359b, S. 24)165) Buchheim, Sophistik, S. 55.166) Ebd. Ausgehend von der platonischen Erörterung des protagoräischen homo-mensura-Satzesin Theätet 152a-16Oc faßt Buchheim die radikale Phänomenologie der Sophistik in vierPunkten: .. 1. Es gibt kein nicht-phänomenales Substrat von Erscheinungen. 2. Inhalt undAktualität der Erscheinung sind damit untrennbar (Wahrnehmung und Wahrgenommenesfallen in eins). 3. Jedes Phänomen ist radikal anders als jedes andere Phänomen. 4. Erscheinungensind keiner Souveränität unterworfen, auch keiner internen, da Platon zeigt, daß dasPhänomen mit seinen gedachten Konstituenten inkompatibel ist." (A. a. 0., S. 77)167) V gl. a. a. 0., S. 43-79. Buchheim konstatiert lakonisch, .. an diesem Satz muß man Farbe bekennen,weil der Satz des Protagoras eben ein Grundsatz der Sophistik ist." (A. a. 0., S. 43)Er übersetzt ihn - das Orginallautet: .,IIav't


gesetzt, damit es in seiner blassesten Bedeutung genommen werde, der griechische Textbietet es nicht." (A. a. 0., S. 44) Seine Interpretation kommt zu dem Schluß: "Protagoras behauptet{...} plakativ und unausgewiesen, daß in alles der Mensch gehört, wodurch einerseitsihm alles erschlossen und zugänglich ist, er aber andererseits durch alles betroffen undbelangt wird. Der logische Leim dieser wechselseitigen Bindung ist die zirkuläre Strukturdes Metron. Was in anderen Zusammenhängen Maß und Gemessenes stets IInallsgesprochenauseinanderhielt, das tertium comparationis, nämlich der Mensch, der ein jeweiligesMaßverhältnis konstatierte, ist im Satze des Protagoras zugleich ein >secllndllm


munikation ist eine Zeichenlehre, eine Semiotik" (Olto A. Baumbauer. Die sophistische Rhetorik.Eine Theorie sprachlicher Kommunikation. Sfutfgarf 1986. S. 194) simplifizierend, da sie dieDifferenz von .role fitting' und .role guiding' verkennt (vgl. Anm. 77).171) Im platonischen Protagoras wird die Opposition Sokrates - Protagoras durch die Oppositionihrer Paradigmen charakterisiert: Sokrates ist die Mathematik, Protagoras der SpracherwerbModell der Pädagogik (Prot. 326b 2; vgl. Buchheim, Sophistik, S. 125).172) .Doxa ist ( ... ) zunächst der Ruf, den einer genießt, und in welchem Ruf man steht, hängtdavon ab, wie Mitmenschen über den Betroffenen reden; ( ... ) Ruf und Gerücht, die sich ineinem allgemeinen Raum von Reden sowohl konstituieren als auch ändern, tragen bereits insich den Charakter der Unsicherheit und Haltlosigkeit, des &hwankens zwischen Verzerrungund Tatsächlichkeit, Eigenschaften, die offenbar gerade dem Reden zu verdanken sind.Auch die auf einen Einzelnen hin zusammengezogene Bedeutung von doxa das >DünkenAnscheines< und der >Vermutung


- die nichts anderes, als die erste entelechie, entelecheia e prote ist - entspricht der Seeleoder substanziellen Form, gehört jedoch eben deshalb auch nur zu den allgemeinen Ursachen,die zur Erklärung der Erscheinung unzureichend sind. Ich stimme daher denen bei,die sich gegen die Anwendung der Formen bei Erforschung der eigendichen und besonderenUrsachen der Sinnendinge wenden." (G. W. Leibniz. Specimm dynamicllm. In: HallptschriftmZlIr Grllndlegllng der Philosophie. Bd. I (Hamburg 1966), S. 256-272; hier: S. 259) - UndLeibniz skizziert mit der hier ausgesprochenen Ablehnung des substantiellen Kraftbegriffsder Cambridge Platonists, der ,plastic nature' - die ihrerseits über den Begriff des hegemonikonsdem logos-Begriff verpflichtet ist (der logos ist das hegemonikon der Praxis; vgl.Ijssering, Rhetorik, S. 33) -, eine Trennung von Philosophie und Praxis, in deren Zwischenraumsich die Wissenschaft - hier: die Dynamik - einschreiben kann. Auch wenn dieseihren Blick auf die Natur und die (aristotelische) Rhetorik den ihren auf das Soziale richtet:Beide stehen auf gleicher ,meraphysischer' Stufe und können so zu Antagonisten werdenim Kampf um die Dominanz der Praxis. Eine vergleichbare Aufspaltung des Kraftbegriffsin eine substantielle und eine phänomenale Komponente - deren erstere sich die Philosophie,deren letztere sich die Dynamik zum Gegenstand nimmt - darf in der Sophistik nichtgesucht werden: Die Kraft ist das, als was sie sich zeigt - und das heißt, sie ist keine Modifikationeiner Entität, sondern ist - paradox formuliert - die Substanz des Phänomenssei bst: flüchtig und präsent wie dieses.185) Buchheim erkennt im Elenchos - gemeinhin übersetzt als ,Widerlegung'- eine "logischeFigur in der Sophistik" (Buchheim, Sophistik, S. 5); nuanciert aber sofort die implizite (erstplatonische) Reduktion des Begriffs: .. Der Elenchos ist nicht immer das verfolgbare Argument.Sondern wie Hektor durch seinen Sieg Tatsachen schafft, die anderen zur Schande gereicht"- ,Elenehos' bedeutet ursprünglich ,Schande' (vgl. Buchheim, Sophistik, S. 4f.) - "soschafft auch der sophistische Elenchos eine Tatsache, die den beschämt und entblößt, auf dener zugeschnitten ist. Wohlgemerkt, er schafft die Tatsache. Das soll heißen, daß er sie nichtnur herbeizitiert, eine Tatsache nach der anderen, und sie nicht in ihrem Ablauf und Ineinandergreifendurchschaubar in der Rede darstellt, sondern daß er die Tatsache priisentiert anseinem Schluß, eine Tatsache, die er gleichsam selber erst hervorgebracht hat. Ein Woregibt im Elenchos das andere, er baut sich auf ohne fortwährende Prüfung der Worte an den>,was der Fall ist (d. h. aber: ohne Durchschauen durch den logos auf die onta) und überraschtdie Gegner endlich mit seinem Ergebnis, das diesem in irgendeiner Weise Schande bringt."(A. a. 0., S. 5) Wichtige Strategeme im \Xloregefecht sind die Fähigkeiten, seinen Gegnerder Lächerlichkeit preiszugeben und eigene Lächerlichkeit in Ernst aufzuheben. Aristotelesberichtet, daß "Gorgias empfiehlt, man müsse den Ernst der Gegner durch Lachen und ihrLachen durch Ernst zunichte machen, [ ... r (Aristoteles, Rhetorik, 1419b, S. 223) Dochschon Aristoteles dän>mt die destruktive Kraft des Lachens ein, indem er sie internalisiertund sozial normiere: .. Es steht aber die Ironie dem freien Mann eher zu Kopf als die Possenreißerei;denn (dabei) trägt er das Lächerliche zu seinem eigenen Vergügen vor, der Possenreißerjedoch tut es zun> Vergnügen anderer." (Ebd. Das Beschämende ist zu vermeiden:A. a. 0., 1384b, S. 1050 Gefährlich ist Lachen, da es die Aufmerksamkeit zersetzt und infolgedessenvon der Erkenntnisgewinnung ablenkt (vgl. a. a. 0., 1415a, S. 207); der Rhetoraber kann sich dies im Agon zunutze machen, indem er mit seiner Hilfe im Bewußtsein derZuhörer Raum schafft rur die eigene Argumentation (vgl. a. a. 0., 1418b, S. 219). Das entscheidendeKriterium rur die Lizenz des Lachens liegt in seiner Bezogenheit auf den Begriffund damit implizierter Verschonung der Person (s.o.): Ironie als invertierender Wort- undGedankentropus wird zum Paradigma sozialen, i. e. ethischen Lachens. Obgleich AristotelesGorgias als Gewährsn>ann rur seinen Ironiebegriff anführt (vgl. a. a. 0., 1408b, S. 183), istdie Trennung von Argument und Person nicht sophistisch, sondern erst sokratisch, denn siesetzt eine begriffliche Semantik voraus, wie sie erstmals in der platonischen Wort-Eidoslehreformuliert ist. Die Ironie gilt auch Cicero als humanste - urbane - Form des Lächerlichen(Cicero, De or, II, 216-290; bes. 2690, und sie bewahrt diese herausragende Stellungbis in die Neuzeit: bis zu Shaftesbury's ,fine raillery', die den ,test by ridicule' erstsanktioniert, und - gemäß rationaler Episteme gewendet - zu den idealistischen Humor-394


theorien. Da die Ironie aber als Spannung zwischen zwei Begriffen wesentlich ein Abstraktumist, kann sie nur als .Plötzlichkeit' begreifen. was jeder Komödie erst zur Wirkung verhilft:ihre zeitliche Rhythmik: timing.186) Buchheim, Sophistik, S. 15; vgl. Baumhauer, Rhecorik, S. 37ff. u. Fuhrmann, Rhecorik,S.12.187) V gl. Buchheim, Sophistik, S. 123ff. Buchheim resümiert: .. Sophistische Erziehung ist nichtÜberformung der Natur, so daß die Physis eine feste, bleibende Grundlage aller Erziehungwäre, an der sich der Erziehende ebenso wie der Erzogene orientieren könnte, sondern in dersophistischen Erziehung ist die Physis selbst einer permanenten Veränderung unterzogen.Die Physis ist also Allsgangsstadillm für die Erziehung, benötigter Ansatzpunkt, was abernicht bedeutet, daß die Beeinflussung durch Erziehung nicht ebenso physisch wäre."(A. a. 0., S. 126) Dies wird unmittelbar plausibel, wenn man sich vor Augen führt, daß dieSophistik keinen Begriff der Physis kennt; Physis ist das jeweilig in die Situation Geratene,das nach Bewältigung ihrer Aufgabe verändert aus ihr hervorgeht ... Lehren ist im sophistischenVerständnis ein Beibringen, und Lernen nicht eigenclich verstehendes Lernen, sondernGeprägt-werden. Schon aus der Peithio-Lehre des Gorgias { ... ] ist das absehbar gewesen, undtypisch ist jener Veränderungsprozeß der Erziehung, wie ihn die Sophisten sahen, formuliereim Munde des Protagoras durch Platon: 0 pEv ta'rpos qJapJ.laXOlS pE,aßa}..AEt, 0 DC:(J"OqJHJTTJS Ao){>tS - .Der Arzt verändert durch Drogen, der Sophist durch Reden' (Tht.167a 5-6)." (A.a.O., S. 124) Die Prägung durch Situationen - Buchheim beschreibt sieauch als .. Assimilationsprozeß" (a. a. 0., S. 125) - .identifiziere' das Subjekt mit seinerPraxis, ohne daß es über ein Bewußtsein dieses Prozesses verfugen müßte. Gegen die Überbewertungvon Reflexion insistiert die Sophistik auf der Bedeutung der Lebenswelt und unterstreichtdie Wirkung ihrer Spuren. Sophistik als Pädagogik kann paradoxerweise deshalbnur den bewußten Umgang mit LebensweJc bedeuten - diese ist gerade nicht vernachlässigbar,da es ihr keine Möglichkeit gibt, lebenswelcliehe Defizite reflektorisch zu kompensieren- und was ist letztlich die ,platonische Erziehung' anderes als Habitualisierung begrifflichenDenkens und Restriktion des Situativen, d. h. des Weltlichen, wie es begegnet? Dadie Habitus sowohl positiv als auch negativ sein können, fordert die sophistische Erziehungsorgfältigen Umgang mit Situationen, d. h. gleichermaßen mit sich wie mit der Welt: .. IhrFortschritt hat etwas Allmähliches. In langen Zeiträumen sammeln sich unmerkliche Steigerungenzum bestimmten, erworbenen Habitus; mit allem muß man deshalb von klein aufbeginnen. Die A1lmählichkeit und Unmerklichkeit des Fortschritts führt zu einem charakteristischenDilemma. Denn das Erziehungsergebnis ist für einen Zögling nicht klar antizipierbar,solange er es noch nicht erreicht hat; ist er aber angelangt, so kann die vollzogenePrägung nicht wieder rückgängig gemacht werden. Ein Habitus oder eine erworbene Fähigkeithat sich 1In1lersehens eingestellt." (A. a. 0., S. 123f. Hervorhebung im Orginal)188) A. a. 0., S. 88.189) A. a. 0., S. 98.190) A. a. 0., S. lOB. D.h. aber: .. Sophistik und Rhetorik, die uns hier zusammen angehen, sinddemnach in platonischen Augen keine Technai, sondern Erfahrungstätigkeiten" (a. a. 0.,S. 121), da sie keinen spezifischen Gegenstand haben und ihnen damit ein Ideal, auf das siebezogen sein müßten, fehlt: .. Sophistische Techne versteht sich als der Inbegriff menschlichenKönnens. Aufgrund dieser Umfassendheit erbringt sie kein bestimmtes ergon, inOrientierung auf welches auch ihr innere Struktur einer kontrollierten Organisation unterworfenwäre. Ihr ergon formiert sich stets erst in und mit ihrer Ausübung. Sie ist somitnicht theoretisch, sondern nur pralctisch zu rechtfertigen. Zur Durchführung ihrer Aufgabe,welche nicht weniger ist als die Bewältigung des Lebens überhaupt, bedient sie sich vor allemdessen, was in der Sophistik als universelles Organon menschlicher Einflußmöglichkeitgilt: des Logos. / Der universale Anspruch sophistischer T echne löst sich ein in der Form vonvielseitg ver- und anwendbaren Kunstgriffen und Richtlinien, deren Vermitclung mit demkonkreten Fall undurchschaubar bleibt bzw. wiederum nur durch die Praxis selbst nachvollziehbarist: {...] Alles in allem gilt: sophistische Kunst gleicht der Artistik mehr als derTechnik." (A.a.O., S. 121)395


191) Schlagwortartig: Sie ist keine Präsenzmetaphysik. Und dies ist entscheidend für die Rhetorikbzw. ihr post-aristotelisches Mißverständnis: Rhetorik gelangt nicht zur (begrifflichen)Präsenz eines Urteils. Die Gegenwart der Entscheidung übersteigt die Sprache indem sie zurHandlung treibt. - Und die Handlung schafft eine neue Situation. Paradigmatisch für dasgenus iudiciale formuliert: Das Urteil sagt nicht die Wahrheit über den Angeklagten - esnegiert ihn als Angeklagten, denn es überführt ihn in den Status des Verurteilten oder desFreigesprochenen.192) Vgl. a.a. 0., S. 51-193) A.a.O., S. 49.194) A. a. 0., S. 49[. Das Zitat fährt fort: "Weil metron die im VolImaß erschlossene Sache ist,fungiert es schon früh als besonderes Ziel geistigen Verstehen"', um mit dem Beleg, einerHesiod-Stelle (Erg. 648) zu enden (a. a. 0., S. 50). Die Differenz zur platonischen und derihr folgenden Philosophie findet ihren Ausdruck in der signifikanten Opposition von metronund kriterion als Gegensatz sachimmanenter und sachtranszendenter Bemessungsgrundlage.Denn das kriterion ist ein Maß, das "von jemandem an etwas erst herangetragenwird. kriteria hat man (d. h. verfügt über sie, hat eine Distanz zu ihnen), auch ohne daß daszu Beurteilende aktuell vorhanden ist. Beurteilendes und Beurteiltes sowohl wie Beurteilendesund Beurteilender sind nie identisch, sondern bleiben einander äußerlich. Nur unterdiesen Bedingungen ist logisch ein Meßvorgang denkbar, ist eine Norm tatsächlich eineNorm. Die ältere Vorstellung von metron aber erfUHt beide logischen Bedingungen geradenicht: Weder ist das Maß distinkt vom Menschen - der ganze und nicht nur ein Teil, etwasein Erkenntnis- und Wahrnehmungsvermögen, ist nach dem HMS das Maß ohne Distanzzu ihm - noch ist es dem Gemessenen enthoben, sondern gehört zur gemessenen Qualitätselbst. Dieser logische Status des Wortes rnetron [bedeutet}, daß es nicht angewendet wirdauf Sachen, sondern sachverbunden gedacht wurde und in seiner Eingebundenheit die Qualitätselbst erst erschließt und ausdrücklich macht, [ ...}" (A. a. 0., S. 48f.) Und Buchheimfaßt aus abstrakter Perspektive noch einmal zusammen: "Auch das ,Maß aller Dinge' ist - soverstanden - nicht souverän über sie, sondern in sie gebunden, wie jene schon immer inihrem Maß sind, um diese Dinge zu sein. Beide zusammen sind aus gegenseitiger Angemessenheiteine wohlbemessene Einheit. Und auch die Erkenntnisfunktion des Metron­Begriffs, [ ...), muß im rn,tron des HMS eingerechnet werden: Im metmn ist alles zugänglichund erschlossen; im metron sind alle Dinge als sie selbst aufgenommen und vergegenwärtigt."(A. a. 0., S. 52) Widerschein dieses Begriffs in der systematisierten Rhetorik ist dasGebot des prepon oder aptum oder decorum - freilich ungeschieden in die später differenziertenBereiche und noch keine Forderung, die in abstrakter Entsprechung Adäquationstilistischer mit sozialen und .wahren' Befunden will, sondern als immanentes Telos undregulative Idee des rhetorischen Prozesses selbst. Erst wenn .Ordnung' hypostasiert wird -z. B. die feudale -, sind Aspekte dieses diffusen Widerspiegelungsgebots, das keine Abbildtheoriezuläßt, zu definieren - so in der rota Vergilii.195) A. a. 0., S. 28f.196) D. h. der .rhetorische Satz' - die Einheit der Aussage - ist weder analytisch noch synthetischzu verstehen: Er ist keine Prädikation, sondern eine Art Versuchsanordnung, die in ihrerEinheit als Modell der Situation - als ihr Name - fungiert. Doch ist dieses .Modell' vom.Paradigma' zu unterscheiden, da es keine metaphorische Transposition einer Erklärungsmechanikdarstellt (vgl. Hans B/umenberg. Paradigmm ZJI einer M,taphor%gie. Bonn 1960).Rhetorische Benennung fokusiert tendenziell die semantische Praxis und die Gesamtheitihrer Verstehensmodelle - die hermeneutischen loci communes - auf die Situation, setZt siein Beziehung und läßt sie gegeneinander arbeiten. Wie letztlich das Modell der Situationaussehen wird, ist nicht konsensuell und habituell präjudiziert; pointiert formuliert: Rhetorikist Technik permanenten Paradigmenwechsels (vgl. Th. S. Kuhn. Die Struktur wissenschaft/icherRNJo/utionen. Frankfurt a. M. 1967), semantische .bricolage' (vgl. C/aude Levi­Strauss. Das wilde Denken. Frankfurt a. M. 1977). Mit dieser Darstellung muß natürlich derVerdacht aufkommen, als solle die Rhetorik zu einer prämodernen Posthistoire und zueinem antiken erkenntnistheoretischen Anarchismus - Marke: Nie dieu - nie metre (Hans396


Petw DUerf". Nie Diell - ne ",etre. Anarchistische Bemwktmgen zur Erkenntnistheorie. Frankfurta. M. 1985) - stilisiert werden. Aber das sophistische/rhetorische Subjekt verfügt nicht überdas Selbstbewußtsein des sich in seiner Theorie, d. h. in seinen Begriffen omnipotent wähnendenautonomen Erkenntnissubjekts; es ist als praktisches durch die Sedimente seiner bisherigenPraxis weitgehend ,konditioniert' (vgl. Anm. 66), aktuell in die soziale Situationeingebunden (- auf diese, als semantische begrjffen, reduuert der Kontext-Begriff die Rhetorikzumeist) und überdies den spezifischen Anforderungen des Kairos ausgesetzt.197) In gewisser, auf die Bedingungen der rationalen Episteme zugeschnjctener Weise, entsprichtdieser Semantik die Differenzierung in index und cluster. Dennoch ist Wahrheitderlogos der Situation - kein Kohärenzphänomen und kein Relativum der begriffEehenBenennung, sondern referiert de re auf die Situation (vgl. Hillary Putnam. Die Bedeutung derBedellftmg. Frankfurt a. M. 1979; Sau! Kripke. Name und Notwendigkeit. Frankfurt a. M. 1981).Diese ist zugleich absolut transzendent, kann nicht begrjfflich aufgehoben werden undabsolut immanent, ist nichts anderes als Kraft ihrer Benennung.198) Für den juristischen Bereich gehört die Status-Lehre zu den früh ausgearbeiteten TejJen derRhetorik (vgl. UedinglSteinbrink, Grllndriß, S. 28/; flgl. Heinrich Lallsberg. Handbuch derlitwarischen Rhetorik. Eine Grundlegung der Litwaturwissenschaft. München 21973, § 79-138).Im Zeitalter der rationalen Episteme ist sie anscheinend bedeutungslos, doch ueht sich dieFrage nach dem Status der Rationalität selbst als roter Faden durch die Geschichte von Philosophieund Wissenschaft in der Neuzeit: als Frage nach dem Status der Logik, nach demStatus der rationalistischen PhjJosophie (z. B. in der Auseinandersetzung zwischen Wolffscherund pietistischer Philosophie), als Frage nach der Beziehung von Möglichkeit undWirklichkeit (Leibniz - Kant), invertiert als Frage nach dem Wunderbaren und der Phantasie,als Frage nach dem Status der Mathematik und der nach der Möglichkeit und Bedeutunglogischer Grammatik. Dabei ist frejJich die traditionell primäre Differenzierung inFragen, die das genus rationale - die Argumentation selbst - und solche, die das genuslegale - den Bereich der Gesetzesauslegung, d. h. Fragen nach der Geltung der Applikationallgemeiner Sätze auf einen Sachverhalt - betreffen, gemeinhin außerhalb der Diskussionund treten nur dann in Erscheinung, wenn ,weiche Disizplinen' (mit narrativer Struktur)wie die Geistes- und Sozialwissenschaften oder die Psychoanalyse rur sich ,wissenschaftliche'Geltung beanspruchen.199) Vgl. Lausberg, Elemente, S. 29·200) Dabei ist z. B. an die innovative und visualisierende Kraft der Metapher zu denken, die Aristotelesals Vor-Augen-Führen bezeichnet (AristoteIes, Rhetorik, 1411bff., S. 193ff.). Achillverhält sich in der Schlacht nicht analog einem löwen, sondern er ist situativ (in derSchlacht) löwe (löwenartig), eine Vorstellung, die animistischen WeltbjJdern geläufig istund erst nach der Sistierung konsistenter Substanzen als ,übertragen' verstanden werdenmuß. Erst wenn löwe-Sein (situatives Verhalten) nur löwen (der Spezies) zukommt (und sieauf diese Eigenschaft als auf ihre Substanz reduziert sind), kann AchilI (der Achill-artig seinmuß) ihnen allenfalls ähneln (vg!. Ueding/Steinbrink, Grundriß, S. 274).201) A. a. 0., S. 253. Dem scheint zu widersprechen, daß, so Lausberg im Handbuch, die resnicht nur ein dubium, sondern auch ein certum sein kann (Lausberg, Handbuch, S. 59,2 u.S. 239). Doch bewirkt die ces certa eine Verlagerung des Interesses: Der Hörer achtet nunnicht mehr auf die Sache, sondern beurtejJt die Qualität der Rede (vg!. ebd.). Die Redeselbst ist zur res dubia geworden; anscheinend verhandelte Sachverhalte sind in diesemSinne nicht Gegenstand, sondern lediglich Beispiel. Gegenstand ist die Rede selbst.202) Vg!. Anm. 128.203) Lausberg, Elemente, S. 2: "Die Rhetorik ist ein mehr oder minder ausgebautes Systemgedanklicher und sprachlicher Formen, die dem Zweck der vom Redenden in der Situationbeabsichtigten Wirkung dienen können."204) Vg!. a.a.O., § 29.205) Die Handlung ist diejenige Einheit, aufweiche das ,lebendige', das .wirkende', pneumatischeWort Bezug nimmt.206) Der ,auditive Text' der Rhetorik wäre demnach zu bestimmen als teleologische und397


zugleich kairologische Extension des Moments der Benennung. Dabei kommt dem Kairosbesondere Bedeutung zu, da das Telos sonst wiederum abscrakc und u-topisch, d. h. als Begriffgefaßt werden könnte. (Der Kairos ist keine Plötzlichkeit: keine O-Extension, sonderneher ein diskretes zeicliches Gebilde, die zirkulär geschlossene Eigenzeit der Situation.) Indiesem Zusammenhang bedeutet ,Sprachhandlung' nicht geregelte Transformation dessprachlichen Systems, die auf ihr gestisches Arsenal hin zu untersuchen wäre - womit einersolchen Methode weder Dignität noch Relevanz abgesprochen werden soll (dazu vgl. lGtrlheinzStierle. Text als Handlll11g. Miinchen 1975) -, sondern eben die konkreten, spezifischen -und darum nicht systematisch exponierbaren - Handlungsintentionen des rezipierendenSubjekts.207) Das hysteron-proteron begrifflicher Rhetorik wird deuclich, wenn Lausberg bei Behandlungder Amplifikation formuliert: .. Der objektive Sachverhalt wird also sozusagen von den Parteienverschieden >gefacbt


Vermeidung des (Begriffs-),Nihilismus' verstanden wird. (- Und gleichzeitig den ,Willenzur Macht' entmystifizieren könnte. V g!. Stef/en Stelze, .. Der Zug der Zeit. Nie/zsch" VerJuch derPhiloJophie. M.iJenheima. Glan. 1979.)212) V g!. Luhmann, Systeme, S. 91-147.213) Nur wenn das Verfahren als solches plausibel ist, kann seine Applikation als sinnvoll erscheinen.Die Applikation des Verfahrens aber stellt an sich schon eine Form der Benennungeiner Situation dar; sie wird in der Statuslehre thematisiert. Schlagwortartig formuliert:Die Sophisten, die von sich behaupten, über alles reden zu können, schweigen sichüber eines beharrlich aus: über Begriffe.214) Nur als ,öffentlichen' ist ihren Entitäten per se Wirksamkeit sicher. Dies bedeutet auch, daßdie Rhetorik ex definitione Hermeneutik unmöglich macht: Indem sie sich mit der Performanzihrer Inhalte identifiziert, gibt es für sie keine Authentizität des Textes; wenn einVerstehen zweifelhaft erscheint, wird es nicht hermeneutisch gesichert, sondern rhetorischagonalgedoppelt, wobei sich die ,wirksamste Auslegung' als gültige (= wahre) behauptet.(Ein ,Relikt' solcher Auslegungspraxis stellen das ,Diskussionsverfahren' der katholischenKirche dar: Seine in den kanonischen Urteilen institutionalisierten Wahrheiten sind allenfallssubsidär hermeneutische Befunde, primär aber Institutionalisierungen der dominanteninterpretatorischen Gewalt in dieser Organisation.)215) Vg!. Bornscheuer, Topik, S. 26.216) A. a. 0., S. 70.217) A. a. 0., S. 30.218) Ebd.219) A.a.O.,S. 59ft".220) Doch präsentiert diese Oberfläche genau das, was, folgt man Bourdieu (s.o.), in den(Un-)Tiefen systematischer Beschreibung verborgen bleibt: Herrschaft:sstrukturen.221) A. a. 0., S. 54. Roland Banhes sieht in der Topik zugleich eine "Geburtshelferin desLatenten: eine Form, die Inhalte artikuliert und dadurch Sinnfragmente, intelligibleEinheiten hervorbringt" (Barthes, Rhetorik, S. 69), und einen "großen Umschlagplatz fürDistributionen (das dispatching)" (a. a. 0., S. 70), an dem die Topoi als "Bestandteile einersyntagmatischen Kombinatorik" fungieren (ebd.).222) Aristoteles, Rhetorik, 1396b, S. 143.223) Ebd. u. 1403a, S. 165.224) A. a. 0., 1397aff., S. 144ff.225) Vg!. a.a.O., 1401aff., S. 157ff. Beispiel sind die Topoi des fehlerhaften Gebrauchs einessprachlichen Ausdruck, der Homonymie, der falschen Ursache und - von AristoteIes alsKennzeichen sophistischer Rede akzentuiert - die Verwechslung allgemeiner Bedeutungmit spezifischer (a. a. 0., 1402a, S. 160). Diese Trennung von sprachlicher Oberfläche undwahrheitsfeststellendem Diskurs setzt begriffiiche Semantik voraus und ist somit erst Produktnach platonischer Philosophie. Mit ihr beginnt die Separierung der Wirkungskomponente,auf welche die Rhetorik schließlich reduziert werden wird.226) Über die aristotelische Lust am Allgemeinen vg!. Anm. 210: zur Sentenz. Cicero formuliert:.. Ornatissimae sunt igitur orationes ea, quae latissimae vagantur et a privata et a singularicontroversia se ad universi generis vim explicandam conferunt et convertunt, ut ei, qui audiant,natura et genere et universa re cognita de singulis reis et criminibus et litibus statuerepossint." - "Am wirkungsvollsten sind die Reden, die besonders weit ausgreifen und vonder individuellen, einzelnen Streitfrage zu einer wesentlichen und grundsätzlichen Erklärungführen; so können die Zuhörer sich nach der Erkenntnis der wesentlichen undgrundsätzlichen Gesichtspunkte ein Urteil über die einzelnen Angeklagten, Vorwürfe oderStreitfragen bilden." (Cicero, De or 3,120, S. 520)227) Bomscheuer, Topik, S. 67228) Ebd. (Das Binnenzitat ist aus: M. T. Cicero. BrutuJ. Lat.-dt. AUJg . ... B. Kytzler. Miinchen1970, S. 46.)229) Bomscheuer, Topik, S. 80.230) A. a. 0., S. 87. Bild des inventiven Subjekts bei Cicero ist der stöbernde Jagdhund (De or 2,399


147ff., S. 298; vgl. MarclIJ FabillJ QllitilianllJ. ImtitlitioniJ Oratoriae Libri XII. HrJg. P. überJ v.HelmJlt Rahn. 2 Bde. DarmJtadt 1972 11.1975, V, 10, 21).231) Bornscheuer, Topik, S. 88. Bornscheuer fahrt fort: "Die Erzeugung einer unbegrenzten Aussagenfüllemit Hilfe eines quantitativ relativ beschränkten Hauptinstrumentariums istnicht nur ein Grundgedanke Ciceros, sondern der topischen inventio-Lehre schlechthin."(A. a. 0., S. 88(.)232) "Sumpta re simili verba illius rei propria deinceps in rem aliam, ut dixi, transferuntur. Esthoc magnam ornamentum orationis, [...}" (Cicero. De or 3, 167, S. 548(.)233) "etenim verecunda debet esse translatio, ut deducta esse in alienum locum, non inrupisse,atque ut precario, non vi, venisse videatur." (A. a. 0., 3, 165, S. 548) Zur Rhetorik als erotische- um einen Begriff von Paul de Man aufzunehmen, der in Kapitel 5 aktuell werdenwird - ,logic of seduction' vgl. Cicero, De or 3, 96, S. 506: "Ornatur igitur oratio genereprimim er quasi colore quodarn er suco 5UO; nam ue gravis, ue suavis, ue erudita sit, ue liberalis,ut admirabilis, ut polita, ut sensus, ut doloris habeat quantum opus sit, non est singulorumarticulorum; in toto spectantur haec corpore. ut porro conspersa sit quasi verborumsententiarumque floribus, id non debet esse fusum aequabiliter per omnem orationem, sedita distinctum, ur si nt quasi in ornatu disposita quaedam insignia et lumina" - "DerSchmuck der Rede also liegt grundsätzlich zunächst gewissermaßen in ihrer Farbe und inihrer Frische. Denn daß sie eindrucksvoll, anziehend und gebildet wirkt, edel, bewundernswertund elegant, daß sie so viel Empfindung und Bewegung wie erforderlich ausdrückt,bewirken nicht einzelne Glieder; das tritt an ihrem ganzen Organismus in Erscheinung. Damitsie ferner gleichsam von Formulierungs- und Gedankenblitzen sprüht, muß ihr Glanznicht gleichmäßig über der gesamten Rede ausgebreitet, sondern so differenziert sein, daßsich gleichsam gewisse Höhepunkte und Glanzlichter in ihrem Schmuck verteilen." Diesegebildete anmutige Frau (vgl. auch a. a. 0.,3, 199, S. 572) - noch keine majestätische Kriegerinwie später bei Marius Capella - wird Augustinus versklaven, vergewaltigen und mitdem norne du perre infizieren (vgl. Ueding/Steinbrink, Grundriß, S. 46).234) "Nihil est enim in rerum natura, cuius nos non in aliis rebus possimus uti vocabulo etnomine." (Cicero, De or 3, 161, S. 546)235) ,,[...} vel quod in singulis verbis res ac totum simile conficitur, [...}" (Cicero, De or 3, 160,S.546)236) "Omnis igitur oratio conficitur ex verbis; quorum primum nobis ratio simpliciter videndaest, deinde coniuncte." (Cicero, De or 3, 149, S. 538) - (Merklin übersetzt hier wie an anderenStellen "verbis" mit "Worte" statt mit "Wörter". Dies wird jeweils stillschweigendkorrigiert.)237) ,,[...} non est [...} in verbo modus hic, sed in oratione, id est, in continuatione verborum. "(Cicero, De or 3, 167, S. 550)238) Vgl. Cicero, De or 3, 155ff., S. 542ff., bes. 160, S. 544: Cicero fuhrt vier Gründe für die Bevorzugungmetaphorischer Ausdrucksweise an: "Id accidere credo, vel quod ingeni specimenest quoddam translire ante pedes posita et alia longe repetita sumere; vel quod is, qui audit,alio ducitur cogitatione neque tarnen aberrat, quae maxima est delectatio; vel quod in singulisverbis res ac totum simile conficitur; vel quod omnis translatio, quae quidem sumptatatione est, ad sensus ipsos admovetur, m~me oculorum, qui est sensus acerrimus." - .. Dasmag entweder daher rühren,. daß es ein gewisses Zeichen von Genie ist, das zu übergehen,was einem vor den Füßen liegt, und etwas anderes zu nehmen, das so weit hergeholt ist;oder es kommt davon, daß der Zuhörer in Gedanken in eine andere Richtung gefiihrt wird,ohne freilich von dem rechten Wege abzuirren, was besonders reizvoll ist; oder der Grundbesteht darin, daß ein Wort jeweils eine Wirklichkeit und ein vollständiges Gleichnis entstehenläßt, oder es liegt daran, daß jede Übertragung, die man mit Verstand vornimmt,unmittelbar die Sinne anspricht, vor allem den Gesichtssinn, der besonders lebhaft reagiert."239) Bornscheuer, Topik, S. 60.240) "Narn cum omnis ex re atque verbis constet oratio, neque verba sedem habere possun


241) Der Rekurs auf die .consuetudo' bleibt für die rhetoriscb geprägte Semantik bis ins17. ] ahrbundert maßgebend. Docb bedeutet der Begriff keine wertfreie Akzeptanz allerSprachpraxis, sondern exponiert stets die Spracbkonventionen der berrscbenden Scbicbt.Bornscbeuer spricbt besonders der Topik eine .. eminent k1assenspezifiscbe Integrationsfunktion"zu (Bornscbeuer, Topik, S. 51; vgl. 46ff.).242) Vgl. Aristotdes, Rbetorik, 1408a, S. 182: .. Aucb die Glaubwürdigkeit eines Sacbverbalteswird durcb den Gebraucb des nomen proprium erböbt. Die Seele macbt nämlicb den Trugscbluß,als spräcbe man die Wahrheit, weil Menschen in solcber Lage sieb so verbalten.Folglich meinen sie, selbst wenn es sieb nicht so verbält, wie der Redende es darstellt, daßdie Angelegenheit sich so verhalte."243) Den, wie Bomscheuer formuliert ..Iocus dassicus der ciceronianischen Spracbkunstlehre"(Bornscheuer, Topik, S. 81) aus Cicero, De or 3,125, S. 524: .. rerum enim copia verborumcopiam gignit; et, si est honestas in rebus ipsis, de quibus dicitur, existit ex re naturalis quidamsplendor in verbis" übersetzt er selbst mit: .. Denn die Fülle an Sachen (= Vielseitigkeitund Bedeutsamkeit der Gedanken oder Sujets) erzeugt die Fülle an Worten (= Vielzahl,Mannigfaltigkeit und stilistischer Schmuck), und wenn in den Sachen selbst, von denenman redet, Würde liegt, so entspringt aus der Sache eine gleichsam Naturhafte Anmut inden Worten." (ebd.) Merklin übersetzt folgendermaßen: .. Fülle des Stoffs bringt nämlichFülle des Ausdrucks hervor, und wenn im Stoff, von dem die Rede ist, selbst Würde liegt,so tritt im Ausdruck auf Grund seines Inhalts auch ein ganz natürlicber Glanz in Erscheinung."244) Aus der Not geboren, die eine feblende Benennung durcb Übertragung aus einem anderenGebiet (durch Kon-Stituierung) zu kompensieren sucbte, bat die Metapher fiir Cicero mittlerweileauch offensiv amplifikatorische Funktion gewonnen: .. Quod enim declarari vix verbioproprio potest, id translato cum est dictum, inlustrat id, quod intellegi volumus, eiusrei, quam alieno verbo posuimus, similitudo. Ergo baec translationes quasi mutuationessunt, cum quod non babeas a1iunde sumas, illae paulo audaciores, quae non inopiam vindicant,sed orationi splendoris a1iquid accessunt; [ ... }" - .. Sofern man nämlich etwas, was sichmit dem eigentlichen Ausdtuck kaum erklären läßt, auf übertragene Weise bezeichnet, soverdeutlicht die Ähnlicbkeit der Sache, die wir mit dem uneigendichen Wort einführen,das, was man versteben soll. So sind die Übertragungen gleicbsam Anleiben, da man etwas,das man nicbt hat, anderswoher nimmt. Ein wenig kübner sind diejenigen, die nicbt derNot abhelfen, sondern der Rede etwas Glanz verschaffen." (Cicero, De or 3, 155f., S. 542)Die Metapher ist - trotz aller Warnung vor abusus - eine zivilisatorische Errungenscbaftund ein Produkt kultivierter Erotik: .. [modus transferendi verbi} quem necessitas genuitinopia cOacta et angustiis, post autem iucunditas ddectatioque celebravit. Nam Ut vestisfrigoris depellendi causa reperta primo, post adhiberi coepta est ad ornatum etiam corporiset dignitatem, sie verbi translatio instituta est inopiae causa, frequentata delectationis." -.. Sie [die Möglichkeit, ein Wort in übertragener Bedeutung zu gebrauchen} bat der Zwangdes Mangels und der Enge bervorgebracht, dann aber das Vergnügen und der Reiz vermehrt.Denn wie man das Gewand zuerst erfand, um sieb der Kälte zu erwehren, dann aberanfing, es auch anzuwenden, um dem Körper Schmuck und Würde zu verleihen, so wurdeauch die Übertragung eines Wortes aus Mangel eingefUhrt, docb zum Vergnügen bäufigwiederholt." (Cicero, De or 3, 155, S. 542; vgl. 3, 157ff., S. 542f. [Anm. 115}) Die rationaleSprache der Naturwissenschaft gebraucht die Metapher wieder aus Not.245) Bomscheuer, Topik, S. 158; vgl. S. 95f. u. 193.246) Vgl.a.a.0.,S.17lf.;sowieS.141 u.154.247) A. a. 0., S. 174.248) A.a.O., S. 184.249) Zum utrumque-partem-Prinzip vgl. a. a. 0., S. 98 u. 177.250) Bornscbeuer weist wiederbolt auf konzeptionelle Parallellen zwischen der RhetorikkonzeptionCiceros und jener der Sopbistik bin (a. a. 0., S. 62,66,72,84) und bezeicbnet sogar dieciceronianisehe als .. Rehabilitierung der von der Sophistik entwickelten Amplifikationsrbetorik"(a. a. 0., S. 76). Trotz erbeblicher erkenntnistheoretischer Differenz - die Sopbistik401


sah ,Rhecorik' als unmittelbare Praxis, fiir Cicero ist sie eine Art Meta-Praxis, die wissenschaftlicheund philosophische Praxen integriert (Cicero, Oe or 3, 55ff., S. 480ff.) - undtrotz dadurch bewirkter Verengung auf das Gesellschaftliche ist die Ausgangserfahrung Cicerosfast identisch mit der dargestellten sophistischen: .. Sed quoniam oppressi iam sumusopinionibus non modo vulgi, verum etiam hominum leviter eruditocucn, qui, quae complectitota nequeunt, haec facilius divulsa et quasi discerpta contrectant, er qui tamquam abanimo corpus, sie a sententiis verba seiungunt, quorum sine intericu fieri neutrum potesc,[...}" .. Wir stehen aber schon unter dem Druck von Meinungen, nicht nur der breiten Masse,sondern auch der Menschen, die nur eine oberflächliche Bildung genossen haben; was sieals Ganzes nicht erfassen können, zerreißen und zerpflücken sie gleichsam, um leichter damitzu hantieren, und wie den Körper von der Seele trennen sie den Ausdruck vorn Gedanken,was in beiden Fällen nicht ohne dessen Untergang geschehen kann." (A. a. 0., 3, 24,S.460)251) Bornscheuer, Topik, S. 103.252) A. a. 0., S. 103f.253) A.a.O.,S. 102.254) A. a. 0., S. 99.255) Die Einheiten der rhecorischen Semantik haben virtuellen Charakter; sie können weder aufontologische, noch auf metaphysische oder erkenntnistheoretische Substanzialität referieren.Bornscheuer trifft diese energetische Struktur, wenn er dem Toposbegriff ,Feldcharakter'zuerkennt (vgJ. a. a. 0., S. 151) und resümierend unterstreicht, .. daß vor allem jede eingebürgerteTopik in einer Art feed-back-Prozeß langfristig stets auch von ihrer argumentatorischenAktualisierung im Rahmen der gesellschaftlich relevanten Problemerörterungenabhängig ist. Topikbesitz und Topikgebrauch stellen kein starres System dar, sondern einenRegelkreis von der Art, daß eine herrschende Topik auch von innen heraus, durch kritischeReflexion auf die eigenen Bedingungen und auf deren Legitimität angesichts neuer realerProblemlagen verändert werden kann." (A. a. 0., S. 108)256) A. a. 0., S. 98.257) A. a. 0., S. 108.258) Rhetorik ist Praxis der Wörter der Praxis.259) Durch Cicero ist überliefert, Gorgias und Protagoras haben als erste Abhandlungen über,rerum illustrium disputationes' - in etwa die späteren loci communes - verfaßt (Cicero,Brutus 12, S. 46-47).260) Bocnscheuer, Topik, S. 10l.261) A.a.O., S. 107.262) Da Bornscheuer seinen Habitusbegriff im Anschluß an Bourdieu formuliert, sind hierweitere Ausfuhrungen unnötig.263) Ausdruck dafür ist die Identifizierung des Rhetors mit dem Gründerheros (Cicero, Oe or 1,33, S. 60; ders., Oe inv. 1,2f.; vgJ. Bornscheuer, Topik, S. 86). Gegenfigur wäre ein placonischer,aristotelischer oder caccesianischer ,Nomoc:hetes', der sich als Herr absoluter Gesetzezum Gott erheben könnte.264) Diese ,applikatorische Virtuosität' beschränkt sich nämlich - siehe aptum - nicht auf dieRubrizierung des Gegenstands, sondern bezieht sich ebenso auf die soziale und anthropologischeSituation.265) Jedes Zeichensystem wird als Sprache verstanden; Cicero bringt dies bildlich zum Ausdruck,wenn er Sokrates als Hyper-Rhetor versteht (Cicero, Oe or 3, 129, S. 526).266) Da dieser ,relevante Geltungsbereich' faktisch durch die Herrschaftverhälenisse definiertwird, steht die sophistische Rhetorik systembedingt ambivalent zwischen konservativerIntegrationsbemühung und progressiver (,aufkJärerischec') Emanzipation. (Zur Diskussionbeider Interpretationsmöglichkeiten vgJ. Buchheim, Sophistik, bes. S. 99fT.)267) VgJ. Kapitel 5, Anm. 60.268) Aus dieser Perspektive zu interpretieren wäre das Theorem des semantischen Sündenfalls.270) Einern abstrahierenden und verbegriffiichenden Blick stellt sich natürlich das Problem:Was ist eine Situation? Antwort kann nur sein: eine Situation ist das, was als solche be-402


griffen wurde; - doch kann man darüber reden, was sie bedeutet. Erreicht man hierin keinenpraktischen Konsens, so verfällt mit der Situation der rhetorische Diskurs; nun kann allenfallsein neuer, der die neue, andere Situation thematisiert, anheben. D. h. das Subjekt isteiner unerkennbaren Faktizität ausgeliefert. (Vgl. auch die Kairologie der gesunden,zupackenden Vernunft in der Moderne: Kapitel 4, Anm. 159)271) Schlagwortartig in den Begriffen eines modernen Problems fotmuliert bedeutet dies: Erzählzeitund erzählte Zeit stehen in keiner Beziehung. Die Erzählzeit hat ihr Metron in sich,d. h. sie ist identisch mit der erzählten Zeit und nicht an einem abstrakten und universellenKontinuum zu messen. In die Welt der Phänomene gespiegelt reduziert sie sich zum Momentder Rede.272) Eine gewisse natürliche Voraussetzung leugnet auch die Rhetorik nicht, doch tritt siegegenüber ihrer ,Kultivierungsleistung' in den Hintergrund (vgl. Cicero, Oe or 1, 113ff.,S. 104ff.).403


3 Die Rhetorik als Paradigma sozialer Sprache.Zum Rhetorismus der Renaissance1) In den historischen Aspekten liegt besonders: Peter Bllrke. Die RenaiSJance in Italien. Berlin1984 und Bauer/Matis, Geburt; im weiteren auch: }acob Burckhardt. Die Kllitur der Renaissancein Italien. Berlin 1928 dem Text zugrunde.2) Zum Ersteren vgl. Hanna-Barbara Gerl. Hllmanistische lind geometrische Sprachphilosophie. EinParadigmmwechsel von Uonart/o Brllni zu Francesco Patrizi. In: ZSCM. phil. Forsch. 36 (1982),S. 189-207. Letztere Auffassung suggeriert z. B. Roland Barches, wenn er über Pascalschreibt, daß .. wir ihm die Anti-Rhetorik des modernen Humanismus verdanken" (Barthes,Rhetorik, S. 46).3) Implizit: Bourdieu, Entwurf, S. 343ff. (vgl. auch S. 214 u. 379ff.) Bourdieu übergeht freilichden Komplex Rhetorik und schließt Semantik lind Warenverkehr, modeme Sprach theorieund kapitalistische Wirtschaft planerdings zusammen. Dieses - im Zusammenhang seinerArgumentation legitime - Verfahren ruhrt zwar zu interessanten Ergebnissen, beschreibtaber aus semantischer Sicht eben nicht eine Transformation der Praxis, sondern hypostasiertmit dem ökonomisch-mathematischen ein Modell von Praxis, das zuallererst in seinen praxeologischenKonstituentien beschrieben werden müßte. Einen interessanten, den Gegenstanddieser Ausruhrungen übersteigenden Hinweis liefert Peter Burke: .. Ein ( ... } zentralesElement des Menschenbildes der damaligen Zeit war die Vorstellung, daß der Mensch seinemWesen nach rational, berechnend und umsichtig sei. Immer wieder stößt man auf dieAusdrücke ,Vernunft' (ragione) und ,vernünftig' (ragionewie), meist mit anerkennendem Unterton.Ragione hatte noch andere Bedeutungen, aber auch diese verweisen auf die Idee derRationalität. Ragione kann ,Rechnung' oder ,Berechnung' bedeuten; Kaufleute nannten ihreGeschäftsbücher libri de/la ragione. Ragione kann ,Gerechtigkeit' bedeuten; der Palazzo de//aRagione in Padua war ein Gericht. Auch zur Gerechtigkeit gehört die Berechnung, wie dasklassische, auch in der Renaissance geläufige Bild der Waagschalen erkennen läßt. Ragionebedeutet außerdem ,Proportion' oder ,Verhältnis'. Eine frühe, berühmt gewordene Definitionder Perspektive aus der anonymen Brunelleschi-Biographie nennt sie die Wissenschaft,die die Größenunterschiede zwischen nahen und entfernten Gegenständen con ragione festlegt,was man entweder mit ,rational' oder mit ,im richtigen Verhältnis' übersetzen kannund übersetzt hat. Die Vernunft stand auch mit der Sprache in Verbindung; noch heute bedeutetim Italienischen das Wort ragionare auch ,argumentieren' und ,sich unterhalten'."(Burke, Renaissance, S. 201; vgl. Bauer/Matis, Geburt, S. 87ff.). Im Falle der bildendenKunst ist die Mathematisierung evident; Hanna-Barbara Ger! interpretiert im Anschluß anGottfried Boehm die Entdeckung und Durchsetzung der Perspektive als Veränderung derWahrnehmung, die den Raum nun als ,Systemraum', als merhodisch beschreibbare Bildweltmit dem Augenpunkt als Angelpunkt versteht und - ausgehend von dieser ,visuellen Geometrie'- anstatt wie bisher auf die ousia der Gegenstände abzuzielen nun die phainomenaiin ihren wahrnehmbaren Relationen beschreibt (vgl. Hanna-Barbara Gerl. Einfohrung in diePhilosophie der Renaissance. Darmstadt1989, S. 127ff.). Damit ist eine mathematische Grammatikdes Bildaufbaus - eine epistemische Normierung - bestimmt, die sich im Wechselihrer Rubrizierung in literarischen Begriffen manifestiert: .. Es zeigt sich, daß im 16. Jahrhundert,anders als im 15. Jahrhundert, manche mythologischen Bilder nicht mehr als ,Geschichten',sondern als ,Gedichte' gesehen wurden - ( ... ). Tizian bezeichnete einige seinermythologischen Szenen als Gedichte (poesie)." (Burke, Renaissance, S. 160; vgl. S. 120) DieWertung Burkes - im Zitat ausgespart: .. - ein Ausdruck, der andeutet, daß sie wenigerIllustrationen zu einem Text, als vielmehr freie Phantasien des Malers waren" (ebd.) - wärezu relativieren, denn der Begriff ,Gedichte' betont weniger freie Phantasie als metrischeGebundenheit.4) Siehe oben (S. 39ff.).5) V gl. Henning Brinkmann. Millelalterliche Hermenelltik. T iibingen 1980, S. 17. Zum ,Buch derNatur': Hans Billmenberg. Die Lesbarkeit der Welt. Frankfurt a. M. 1981. Zwar hat Hans Blu-404


menberg mit seiner Invektive gegen eine Lektüre der Welt aus der Sicht rationaler Semantikrecht (abgesehen von seiner Interpretation der Romantik, denn diese war bei weitemnicht so naiv, wie er sie darstellt), nur. der Vektor des ,Erkenntnisinteresses' zielte zunächstnicht auf Wiedergabe der natürlicher Sachverhalte, sondern auf Explikation der Schrift. Undauch für die Renaissance ist ein plauschaler ,rationalistischer Kurzschluß' abzulehnen: wienachgewiesen werden soll, ist ihr Sprachverständnis primär am Gedanken situativer Wirksamkeitausgerichtet, auch wenn er nach eigenen Prämissen nur als U-Topos präsentiertwerden kann. Dieser praktische Wirkwille ändert den Modus der Referenz; Grassi ist zuzustimmen:"Wenn man anerkennt [ ... ), daß das Dasein ständig im Rahmen verschiedener Situationen,die wiederum die unterschiedlichsten Ansprüche anmelden, sich verwirklichenmuß, so ist offensichtlich, daß das Daseiende - ein substantiviertes Partizip des Wortes sein- nur durch metaphorische Ausdrücke den verschiedenen Ansprüchen entsprechen kann,um dadurch sich selber in seiner Geschichtlichkeit zu entbergen. " (ErneJto Grassi. Einfiihrungin die philoJophiJchen Probleme des HumaniJmuJ. Darmstadt 1986, S. 48)6) Vg!. Vlrich Krewitt. Metapher und tropische Rede in der Auffassung deJ MittelaltenRatingmiWuppertal/Kastelaun 1971; bes. S. 443ff.; sowie Henning Brinkmann. Die Sprache alsZeichen im Mittelalter. In: Gedenkschrift fiir Jost Trier. Hrsg. v. H. Becker u. H. Schwarz.Köln/Wien 1975, S. 401 und Friedrich Ohly. Vom ~istigen Sinn des Wortes im Mittelalter. In:Zschr.1 deutscheJ Altertum Bd. 89 (1958/59), S. 1-23.7) Vg!. Ohly, Sinn, S. 15ff.8) Vg!. Barthes, Rhetorik, S. 42f.: Barthes charakterisiert die Entwicklung des 12. und13. Jahrhunderts als Sieg der Logik scholastischer Argumentation über Rhetorik und Grammatik:als Sieg von Paris über Chartres. So plausibel der Befund auch zunächst erscheinenmag, er ist doch - vg!. Grassi, Macht - zu relativieren.9) Ersteres bei Bernhard v. Clairvaux; letztere bei Meister Eckhan.10) Wie in der Praxis des franziskanischen Messianismus und seiner Endzeiterwartung. Den Zusammenhangvon Säkularisierung, Nominalismus und Franziskanerturn personifiziert diePerson Ockhams: Er ist Franziskaner und unterstützt - man mag sagen: nach seiner Verurteilungzwangsläufig, kann jedoch einwenden: lieber als daß er sich unterworfen hätte - diePositionen des Reichs gegen die Ansprüche der Kirche. Bei den radikalen Fransikanern (denMinoriten) vereinigen sich die fideistische Spritualisierung des Glaubens und ein damit einhergehendesArmutsgebot der Kirche mit Rechrfertigung des säkularen Imperiums, Anerkenntnissäkularer Geldwirtschaft und Rechrfertigung der Zinsnahrne. Gemeinsam mit denDominikanern sind sie der erste Orden, der sich dezidiert ständischer Wirklichkeit annimmt;in der franziskanischen Geldtheorie - am bedeutendsten in: Johannes Petrus Olivi. Decontractibus usuariis - wird in einer Konzeption, deren Beziehung zur Wirklichkeit der norditalienischenHandelsstädte ebenso evident ist wie eine strukturelle Analogie zum Praxis­Primat der franziskanischen Chiliastik und deren akkumulativem Zeitbegriff, zum erstenMal zwischen Geld als Tauschäquivalent und Geld als Kapital unterschieden. Letzteremschreibt Olivi (1248--1298) ,samenanige Qualität' zu, die bei einer Kreditgewährung Zinsnahmerechrfertigt, da der Kapitalgeber mit der Gewährung des Kredits darauf verzichtet,seinerseits mit dem Betrag lohnend zu arbeiten. Geld wird nicht mehr nur als Repräsentanteines substanziellen Warenwertes begriffen, sondern, wie Bauer/Matis zusammenfassen, es"transmittiere Arbeit und Fleiß" (Bauer/Matis, Geburt, S. 154). Grundlage dieser Konzeptionist eine .Impetustheorie', in der die Abkehr vom aristotelischen Entelechie-Konzeptmit seiner Kosmologie und Hinwendung zur Praxis als komplexem Ensemble von wirkendenKräften deutlich werden läßt: .Instrumentelle Kräfte wirken wie Anstöße (oder mitgeteilteBestrebungen), die etwa von einem Werfer auf einen Wurf gegenstand übertragenwerden, der sich dann, selbst wenn sich der Werfer entfernt, in die ursprüngliche Richtungweiter bewegt. Die formgebende Kraft (vireus) löst sich vom Urheber und wirkt im Werkzeugunabhängig fore. [ ... ) Wenn die Kräfte des Urhebers in der Geldübertragung im Geldweiterwirken, dann ist es einsichtig, daß auch die Resultate dieser dem Geld eingeprägtenKräfte ihrem Urheber gehören. Diese an sich sehr unpräzisen Vorstellungen der Kraftübertragunggilt nach Olivi rur künstliche, das heißt vom Menschen hergestellt Wirkungszu-405


sammenhänge, nicht aber für theoretische Überlegungen der Physik oder Kosmologie. DieseBeschränkung auf künstliche Wirkungszusammenhänge entspricht aber genau dem Gegenstandsbereichder ,Wertbildung'." (Bauer/Matis, Geburt, S. 156; zu Olivi und Ockhamvgl. auch Ham Vlrich Wo'hler im Vorwort ZII: Wilhe1m von Ockham. Kllrze ZIIJammenfassllng ZIIAriJtotel ..' Büchern iiher NatllrphiloJophie. HrJg.lI. iiherJ. von HanJ-Vlrich Wohler. Leipzig 1983,S.294ff.)11) Vgl. Hanna-Barbara Gerl. RhetorikalJ PhiloJophie (Lorenzo Valla). München 1974, S. 63ff; StephanOlto. RhetoriJche Techne oder Philo5ophie '/Wachlicher DantellllngJkraft? ZlIr Rekomtrllktiondes Sprachhllmanismlls der Renaissance. In: Zschr. phil. Forsch. 37 (1983), S. 497~514, bes.S. 50lf. u. ders.( HrJg. 11. EinI.) In: RmaiJsance lind frühe Neuzeit. (GeJchichte der Phi/oJOphie inText und Darstellllng Bd. 3) StIlltgart 1984, S. 113f,12) Vgl. Klaus Oehler. Der COnSen5UJ omnium als Kriteril1m der Wahrheit in der antiken PhiloJophielind der Patristik. In: Antike lind Abendland 10 (1961), S. 103~129; dazu die relativierendeKritik Bomscheuers in: Bornscheuer, Topik, S. 49ff.13) Dies gilt sowohl diachron als auch synchron: "Wenn aber nun, wie gesagt, innerhalbdesselben Volkes sich die Sprache in der Abfolge der Zeit verändert und auch nicht stehenbleiben kann, dann folgt daraus notwendig, daß sie auch bei den Menschen in verschiedeneRichtungen geht, die voneinander getrennt und weit entfernt leben, so wie auch Sitten undGebräuche untereinander verschieden sind, weil sie nicht aus der Natur oder gemeinsamerHerkunft gebildet werden, sondern aus der räumlichen Nähe der Menschen entstehen."(Dante Alighieri. De vulgari eloqllmtia. Zitiert wurde die Übersetzung von Hans-UlrichGumbrecht in: Ders., Stabilität, S. 742.)14) Vgl. Bauer/Matis, Geburt, S. 125. Zwar zerfällt der abendländische lateinische Diskurs desMittelalters letztlich in differente nationalsprachliche Diskurse, doch ist dieser Befund nichtgleichzusetzen mit der Genese verschiedener Diskurstypen. Zum einen hält sich das Lateinnoch bis ins 18. Jh. als philosophische Fachsprache, zum anderen schiebt sich unter die jenationalsprachliche Oberfläche das methodische Verfahren der rationalen Episteme und formiertsie nach gemeinsamer Tiefenstruktur, die ihr Ideal in einer logischen Grammatik undeinem sprachunabhängigen Verfahren der Referenz hat, so daß die nationalsprachigen Formulierungenuntereinander salva veritate austauschbar sind.15) Insofern erscheint die sogenannte ,Präsenzmetaphysik' des Idealismus zugleich als äußersterPol subjektiver Selbstbehauptung und individueller Unterordnung unter den Imperativ derBegriffe, wie er sich als Implikation der methodischen Sprache formuliert.16) Dazu braucht man nur die ,eklektische' Zitierweise in den rhetorischen Texten AristoteIes'und Ciceros in Augenschein zu nehmen.17) Zu den Konstituentien der Renaissance gehört die Ablehnung planer christlicher A"toritiitJgläubigkeit.Wenn dennoch antike Schriften und Autoren quasi idealisiert und kanonisierterscheinen, so ist dies die Folge eines - im philologischen wie politischen Sinne - kritischenProzesses: "Ich bin dafür, daß wir diesen ganzen Autoritätsglauben, diese unberechtigteHochschätzung des hochgerühmten Altertums endlich abschaffen, und ich wünsche, daßDu Dich von Deiner Auffassung über die Würde und den Vorrang der zeitlichen Prioritätein für allemal, wie es billig ist, befreien mögest. Ausschlaggebend in diesem Wettstreit sollnur das Wissen, nicht das Alter sein. Das Wissen müssen wir untersuchen und abwägen.[ ...) Bedenkt ein wenig, daß diejenigen, die ein Urteil fällen, den Beurteilten zumindest inder Sache, über die entschieden wird, überlegen sein müssen." (Colllccio Salutati. An PoggioBracio/lini. Zitiert nach: Otto, Renaissance, S. 89 u. 90) Bornscheuer charakterisiert - in Bezugauf Veronese - die humanistische ,Sprachfixiertheit' folgendermaßen: "Über alles logosundSprachbewußtsein der Antike hinaus wird [ ...} ein geradezu erotisches und vitalistischesPathos zur Welt der Bücher zu einem anthropologicum erklärt. I Hinter diesem Pathos stehtzweifellos ein doppeltes Oppositionsverhältnis: einerseits gegenüber dem scholastischen Rationalismusund der hierarchischen Metaphysik sowohl der sozialen ordo wie auch der hermeneutischenordo (des vierfachen Schriftsinns), andererseits gegenüber allem Unwesen derkompilatorischen ,Digest-Kultur', der der Sinn für die lebendige Ganzheit sowohl derhistorischen exempla als auch der eigenen l.ebenspraxis abhanden gekommen war. [ ...} Die406


nicht mehr kirchlich-institutionell gesicherte Unmittelbarkeit zwischen Textbezug undLebensbezug erfordert eine neuartige hermeneutische .Ingeniosität', eine neue ,Artistik', diedadurch legitimiert wird, daß sie - analog zur antiken Fundierung von ratio und oratioin der Natur des Menschen - zu einer naturhaften Begabung erklärt wurde." (Bornscheuer,Paradoxien, S. 20; vg!. Otto in: Renaissance, S. 87) In gewisser Weise wird im vorliegendenKapitel wenig über das hier von Bornscheuer prägnant Formulierte hinaus gesagt werden; -doch Bornscheuers Begriffe (.erotisch-vitalistisches Pathos', ,Sinn für die lebendige Ganzheit',,hermeneutische Ingeniosität', ,naturhafte Begabung') benennen ex parte post Sachverhalte,die inhaltlich erst Resultat des beschriebenen Prozesses sind und deshalb zunächstin ihrer praxeologisch-strategischen Funktion bestimmt werden müssen, um die Beschreibung(soweit als möglich) von Zirkularität freizuhalten.18) Als Paradigma kann ein Text erst fungieren, wenn er auf das Gesamte einer von ihm bezeichnetenPraxis verweist und nicht nur einen Schritt - oder Ort - der präsenten Argumentationdarstellt. Exemplarisch für ein ,textuelles Modell' mag Dantes Bestimmung derlateinischen Sprache stehen: "Dem besagten Latein ist nichts anderes zu eigen als die unveränderlicheEinheitlichkeit der Sprache der verschiedenen Orte und Zeiten (quaedam in alterabilislocutionis indemptitas diversis temporibus atque locis). Da diese durch gemeinsameÜbereinstimmung vieler Völker geregelt wurde, so ist sie nicht der Willkür des Einzelnenunterworfen und kann folglich nicht veränderlich sein (nulli singulari arbitrio videtaurabnoxia, et per consequens nec variabilis esse potest). Sie wurde also erfunden, um zu verhindern,daß wir nicht durch die Verschiedenheit einer Sprache, die nach den Einzelwillenhin und her wogt, verwirrt werden ( ... ne propter variationem sermonis arbitrio singulariumfluitantis.)" (Dante. De vulgari eloquentia. I, IX, 2-11, S. 109; zitiert nach: Grassi, Einführung,S. 2Of.).19) Eine gewisse pragmatische Kontrollfunktion der Schrift ist schon in der antiken Rhetorikvorhanden, und schon die Stoa differenzierte zwischen Semantik und Grammatik (vg!. EIIgenioCOJerill. Die Geschichte der Sprachphilosophie t'lJn der Antike bis Zlir Gegenwart. Stllttgart1969, S. 96ff.). Da die Stoa aber eine physis-Theorie der Sprache behauptet, ist die Grammatikzunächst eine empirische und deskriptive Wissenschaft von den Möglichkeiten desGebrauchs der referenziellen Entitäten, die erst über deren Bestimmung normative Implikatezeitigen kann. Mit dem Bezug auf den heiligen Text hingegen wird die Grammatik(und die logische als Untergruppe) selbst zur normativen Instanz, da nun die grammatischenRelationen des kanonischen Textes die Bedingungen ,richtiger' Applikation seiner semantischenEntitäten auf die Wirklichkeit determinieren.20) "omnis concordia dependet ab unitate que est in voluntatibus; genus humanum optime sehabens est quedam concordia; nam, sicut unus homo optime se habens et quantum ad animamet quantum ad corpus est concordia quedam, et similiter domus, civitas et regnum, sietotum genus humanum; ergo genus humanum optime se habens ab unitate que est in voluntatibusdependet." (Dante. De monarchia. (Iat.ldt.) Obers. 11. eingeI. v. Rlledi 1mbach 11. ChristophFliieler. Stuttgart 1989, I,xv,8, S. 110)21) ,,[ ... } concordia uniformis motus plurilTIulTI volunratem; [ .. .}" (Dante. Oe monarchia. I,xv,5,S. 108)22) ,,0 genus humanum, quantis procellis atque iacturis quantisque naufragiis agitari te necesseest dum, bellua lnultorulTI capitum factulTI, in diversa conarisl" (Dante. Oe monarchia.I,xvi,4, S. 112)23) ,Zusrand' entspricht dabei ,inhaltlich' ,Empfindung'.24) Dabei lnuß unbedingt berücksichtigt werden, daß diese ,Rubrizierung' keiner erkenntniskritischenoder metaphysischen, sondern praktischer Intention folgt. Stephan Otto betont,daß "das Wahrheitsideal der Renaissancephilosophie, im Gegensatz zu dein an ein Methodenkonzeptgebundenen kartesianischen Begriff wahren Wissens, offen bleibt rur verschiedeneForlnen der Wahrheitssuche" (Ouo in: Renaissance, S. 32); auf den Begriff gebrachtund gegen die Tradition abgesetzt bedeutet dies "eine regulative Idee der Wahrheit, nichteine Definition des Wahren. Das Wahrheitsideal der Renaissance meint etwas ganz anderesals die ,Wahrheitsformel' der aristotelisch-thomistischen Scholastik: veritas est adaequatio rei407


et intelltetllJ (Thomas von Aquin, De veritate 1,1). Will diese mittelalterliche Formel auf demFundament einer metaphysischen Vorannahme von der Intelligibilität alles Seienden die.,.kenntniphiloJophiJche Wahrheit zum Ausdruck bringen, daß die Vernunft sich der von Gottlichtvoll erschaffenen und deshalb erkennbaren Welt anzllgleichen vermag, so folgt dasWahrheitsideal der Renaissance einem klllturphiloJophiJchen Gedanken: Der Mensch ist fähig,sich seiner Welt durch geschichtliches Bewußtsein und mittels sowohl wissenschaftlich-begriffiicherals auch symbolisierender Vernunfthandlungen ZII bemächtigen." (Otto in: Renaissance,S. 3 1 f.)25) "[...} neque contemplativa propria est hominis vita, sed activa. Non enim, quae homo est,contemplatur [...} Justitiam vero, ac temperantiam, et foreitudinem, ceterasque moralis virtutesexercet ut homo." (Leonardo Brllni. EpiJtlllarllm Lilwi VIII (2 Bd.) Florentiae 1741, II,S. 135; zitiere nach: Grassi, Einführung, S. 42) ,,Monales enim ad a1iquid semper agendum,non ad quietem non ad otium non ad standum" (Gllarino VeroneJe. EpiJtolario. Ed. R. Sabbadini.Bd. 3. Venezia 1915-19; Ep. 257 [I, 402}; zitiere nach: Grassi, Einführung, S. 79).Hannah Arendt beklagt in der Vita aetiva, daß die Neuzeit "theoretisch nirgends zwischenAnimallaborans und Homo faber, zwischen der ,Arbeit unseres Körpers' und dem ,Werkunserer Hände' einen Unterschied gesetzt hat." (Hannah Arendt. Vita aeriva oder Vom tiitigenLeben. München 1981, S. 80) Wie \'X7olfga ng Hübener - für franziskanische Autoren desfrühen 14. Jh. - nachgewiesen hat, steht an der Schwelle zur Neuzeit die Auseinandersetzungmit jenem aristotelischen Praxisbegriff, von dem auch Hannah Arendt ausgeht, in der"die Ausarbeitung einander ausschließender Positionen eine so scharfe präzisierung erfahren[hatte}, daß er sich durch interne Umbesetzungen innerhalb eines vorgegebenen Kalkülsvon Lösungsmöglichkeiten schwerlich noch insgesamt auf eine neue Basis stellen ließ."(Wo/fgang Hübener. Der PraxiJbegrijf der ariJtoteliJchen Tradition und der PraktiziJmllJ der Priimoderne.In: THEORIA CUM PRAXI. ZlIm VerhiiltniJ von Theorie lind PraxiJ im 17. 11. 18.Jahrhllndert. Akten deJ Ill. Internationalen LeibnizkongreueJ. Hng. von K. Müller, H.ScbeperJ 11.W. Totok. Bd.1: Theorie lind PraxiJ. Politik, Rechu- lind StaaUphiloJophie. WieJbaden 1980,S. 41-59; hier S. 47) Ißl Zentrum steht die Reflexion der Praxis als "Gefüge des Ineinanderspielsvon praktischer Einsicht, Willensentscheidung und Ausführung" (Hübener,Praxisbegriff, S. 49). Diese Bestimmung der Forß1alstruktur von Praxis erlaubt zwar - mangelsNaturbegriff - kein Verständnis von Arbeit als Produktion, legt aber die Basis für einKonzept, das Individuation und Sozialität als Resultat und Gegenstand einer willentlichenTätigkeit begreift. Damit bleibt zwar der Gegensatz von ponos und praxis, von der Abgeltungkreatürlicher Notwendigkeit und der Behauptung humaner Angemessenheit, unberührt,doch findet in den Begriff der Praxis ein poietisches Moment Eingang, das Praxisim Produkt zu objektivieren gestattet und, wenn auch nicht zwischen ,animaIlaborans' und,homo faber', so doch zwischen ,homo laborans' und ,hoßlo faber' differenziere.Ernesto Grassi leitet einen spezifischen Arbeitsbegriff der Renaissance, den er in Konsequenzals Ergänzung und Korrektiv des neuzeitlichen und speziell des auf Marx gegründetenversteht (vgL Ern"fo Graui. HllmaniJmllJ lind MarxiJmllJ. Zur Kritik der VerJelbJtiindigllngvon WiJJenJchaft. Rei"bek 1973), ebenfalls aus franziskanischer Philosophie her, doch greift ernicht wie Hübener auf die jüngere Schule - Duns Scorus, Ockham - zurück, sondern beziehtsich in Bonaventura auf die mittlere, platonistischer Lichtmeraphysik verpflichtete Variante,die - damit Chan res nahe - Erkennrnis - und mit ihr Sprache - nicht objektivistischuntersucht, sondern anamnetisch, als Rückgang auf ein innerliches Wore und als analogischenVorgang begreift. Hugo v. St. Victor, Vertreter Chanres, definierte: "lndeßl die Seeledie Ähnlichkeit der Dinge erfaßt, kehrt sie zu sich selbst zurück (ad se ipsUßl rerum similitudinestrahens aggregat), und dies ist die Ursache clafUr, daß der Geist (mens) selbstderdie Universalien erfaßt (quae universorum capax est) - aus jeder Substanz und aus jedeßlWesen, von dem er die Gestalt der Ähnlichkeit sich vorstellt (quo similitudinis repraesentetfiguram), zusammengesetzt ist (coaptatur)." (HlIgv v. St. Vieror. DidaJcalicrm, 742 A >-8;zitiere nach: Ernesto Grassi, Macht, S. 79) Diese dynamische KOßlponente, die Wahrnehmungnicht als Repräsentanz, sondern als analogische Übereragung und Vermittlung verstehtund ihr daßlit eine genuin anthropoßlorphe Qualität zuspricht, findet sich auch bei408


Bonaventura: .. Die Ähnlichkeit (similitudo) führt nur dann zur Vollendung des Wahrnehmungsaktes(facit complecionem in actu sentiendi), wenn sie die Beziehung mit dem Organund der Fähigkeit herstellt: sobald diese E.inheit zustandekommt, entsteht die neue Wahrnehmung(nova perceptio): auf Grund dieser geschieht die RücldUhrung auf den Gegenstanddurch die Ähnlichkeit (per illam perceptionem fit reductio da obiectum mediante similitudine)."(Bonallentllra. RedllCtio artem ad theologiam, VIII; zitiert nach: Grassi, Macht,S. 156; vgl. Grassi, Einführung; S. 81ff.) In unserem Rahmen bedeutend wird dieses Similitudo-Konzept,da es nicht nur passiv zu verstehen ist - sich auf Rezeption und natürlicheReaktionen beschränkt - sondern auch als Prinzip der artes mechanicae, also jener Techniken,die etwas Künstliches, gegen die Natur und zu ihrer Beeinflussung Hergestelltes zumZiel haben. Davon gibt es zweierlei Art: erstens solche, die kreatürlichen Bedürfnissen dienenwie Ackerbau, Jagd, Webkunst etc. - diese sind nicht auf den Menschen beschränkt,sondern können durchaus tierische Fertigkeiten bezeichnen (vgl. a. a. 0., S. 161f.), zweitensgenuin humane, quasi reflexive, die .. ad excludendam tristitiam" (Reductio 11) - zur Überwindungder Melancholie - geschaffen sind: .. theatralia", wie Gesang, Musik, bildendeKunst, Mimik (vgl. a. a. 0., S. 165). Grassi interpretiert die theatcalia emphatisch als: .. DasAuftreten der menschlichen Welt und damit des Geistes." (A. a. 0., S. 163; vgl. Brinkmann,Hermeneutik, S. 14ff.) Und tatsächlich beschreibt Bonaventuras Charakteristik eineArt produktiver Anamnesis, die ihr eidos darstellend objektiviert: •.Betrachten wir den Ausgangspunktdieser Künste, so erkennen wir, daß das Künstliche von seinem Schöpfer aufGrund einer im Geist sich vorfindenden Ähnlichkeit ausgeht (effectus artificialis exit abartifice mediante similitudine existente in mente): durch diese Ähnlichkeit entdeckt seinSchöpfer etwas, ehe er es hervorbringt, und dadurch gestaltet er es, wie er es geplant hat (perquam accifex excogitat, antequam producat, et inde producit, sicut disposuit)." (Bonaventllra,op. eit., 1I; zitiert nach: A. a. 0., S. 163) Praxis wird so - immer noch entlang der traditionellenTrennungslinie - zerlegt in einen Bereich kreatürlicher Selbsterhaltung und einenanderen teleologischer Selbstobjektivation. Letzterer gewinnt an Gewicht, sobald man dieBonaventurasche Bestimmung des principium individuationis in Betracht zieht: .. NachBonaventura kann weder ein unbestimmtes, dem Nichts nahestehendes Substrat noch einAkzidenz wie die Qualität die Grundlage der Individuation sein. Die Individuation leitesich her aus der aktualen Verbindung von Materie und Form und ihrer gegenseitigenBemächtigung, wobei die numerische Individualität durch die Materie, die qualitativeIndividualität durch die Form begründet wird." (Heinz Pep perle. Art. ,IndillidtlationJprinzip'.In: Pbil. Wb., S. 561) Indem der Nominalismus die Geltung der metaphysischen Begriffedestruiert, bleibt der Sprache nur jene soziale Dimension, die auch der Aristoteliker Thomasv. Aquin der .Menschensprache' (vox) zuerkannte: .. Et si quidem homo esset naturaliter animalsolitacium, sufficerent sibi animae passiones, quibus ipsis rebus conforrnaretur) utearum notitiam in se haberent; sed quia homo est animal naturaliter politicum et sociale,necesse fuit quod conceptiones unius hominis innotescerent aliis, quod fit per vocem; et ideonecesse fuit esse voces significativas, ad hoc quod homines ad invicem conviverent." (InLihriJ Peri Hermeneias expoJito) In der etwas eigenwilligen Teilübersetzung Coserius: .. Wäreder Mensch ein einsames (kein soziales) Wesen, dann würden ihm die .animae passiones'genügen [...}; da aber der Mensch gerade seiner Natur nach ein politisches und soziales Wesenist, ist es notwendig gewesen, daß diese .conceptiones unius hominis' mitgeteilt werden,was durch die Stimme erfolgt; und ebenso sind die ,voces significativas' notwendig gewesenzu dem Zweck menschlichen Zusammenlebens." (Coseriu, Geschichte, S. 90)Eine Bonaventura gleiche Differenzierung nun aber der vox findet sich - in etwa zeitgleich- säkular gewendet bei Brunetto Latini, dem Lehrer Dames - und Schüler Olivis! (vgl. Imbach/Flüeler.Vocw. Zu: Dame. De monarchia S. 44 u. 47ff.): Politik als höchste ars beruhtauf zwei Formen menschlicher Praxis, auf Arbeit und Sprache; letzterer kommt besonders ingebundener Form sozial und politisch eine ausgezeichnete Funktion zu, denn: .. Die Ordnungdes künstlichen Sprechens hält sich nicht an den breiten Weg, sondern sie geht Stegeund Richtungen, die Ihn (sc. den Dichter) unmittelbar zum Ziel führen, das er erreichenwill." (8r"".tto Latini. Li Li"reJ doll TreJDr. Ed. critiq"e par FranciJj. Carmondy. Uni".ofCali-409


410fonia Press, Berkele)' and LOJ Angel .. , 1949, S. 21; zitiert in der Übersetzung von ErnestoGrassi nach: Grassi, Macht, S. BI; vgl. Anm. 13) Für Latini ist - mit Berufung auf Cicero -der Rhetor und - insbesondere - der Dichter wieder mit dem Gründerheros identisch.Wenn Dante schließlich die beiden Praxisformen vermittelt, wird die Stoßrichtung humanistischerPra.xisverständnisses deutlich: Die ständische Arbeitsteilung einer auf Produktionfixierten Gesellschaft wird negativiert und zur Ursache des Verlustes eines common sense,der sich als Verlust verbindlicher Rede und gemeinsamer Sprache manifestiert. Danteschreibt über den Turmbau zu Babel, daß eine Gruppe "befehligte, ein Teil war Baumeister,ein Teil errichtete Mauern, ein Teil richtete sie mit Meßleisten aus { ... } so daß sie, die sichursprünglich doch alle ein und derselben Sprache bedienten bei diesem Werk, in viele Sprachenzerteilt, vom Werk abließen und nie mehr zu derselben Verständigung zusammenkamen.Den nur denen, die bei derselben Tätigkeit vereint waren, blieb die gleiche Sprache(solis etenim in uno conventientibus actu eadem loquela remansit): alle Baumeister eine, alleSteinroller eine andere [ ... } Wie viele Arbeiten damals an dem Werk beteiligt waren, in soviele Sprachen trennte sich damals das Menschengeschlecht." (Dantc. De vlilgari eloquentialibri dito. DtJCh. Oben v. F. Dor,ueiffu.J. Balogh. DarmJfadf 1965, I, VII, 6-7; zitiert nach:Grassi, Macht, S. 90) Unter diesen Bedingungen gibt es zwei Möglichkeiten umfassenderSprache: Die erste repräsentiert das Latein, das Dante als grammatische - rationale und ahistorische- Sprache begreift; doch der Preis ihrer Konsistenz ist Wirklichkeitsferne. Außerihr existieren die verschiedenen faktischen Sprachen und Dialekte. Sie sind den Subjektenund ihrer konkreten Situation unmittelbar verbunden. Die Volkssprache - hier verstandenals Gattungsbegriff - ist unmittelbarer Ausdruck der Lebenswelt: "So ist die Volksspracheuns umso näher, je verbundener wir mit ihr sind, denn sie allein ist in unserem Geist alserste da, und zwar nicht in akzidenteller Weise, sondern weil sie mit den Menschen, die unsam nächsten sind, verknüpft ist, so wie die Verwandten, die Mitbürger, die Menschen deseigenen Volkes. Und dies ist die eigene Volkssprache, die uns nicht nahe, sondern einemjeden von uns am nächsten ist." (Dante, Convivio I, XII, 5; zitiert nach: Grassi, Macht,S. 91) Unter den gegebenen Bedingungen zerfällt die emphatisch beschriebene Volkssprachein eine Vielzahl von Dialekten; ihre eigentliche Gestalt muß in und hinter dieser ,Diaspora'gesucht werden. Dies ist die Aufgabe des Dichters als sowohl ständisch wie territorialungebundenem Subjekt: "Wir aber, deren Heimat die Welt ist, wie den Fischen das Meer,wiewohl wir vom Arno tranken, bevor wir Zähne bekamen, und Florenz so sehr lieben, daßwir, weil wir es liebten, ungerechte Verbannung erduldeten, stützen den Rücken unseresUrteils lieber durch Vernunft als durch Gefühl. Und obwohl für unser Vergnügen oder dieRuhe unserer Sinne auf Erden ein anmutigerer Ort als Florenz sich nicht findet, wälzten wirdie Bände der Dichter und anderer Schriftsteller durch, in denen die Welt im allgemeinenund im einzelnen beschrieben wird, und erwogen in uns die mannigfaltigen Lagen der Orteder Welt und ihr Verhältnis zu den beiden Polen und zum Äquator, wobei wir feststelltenund jetzt fest davon überzeugt sind, daß es manche Gegenden und Städte gibt, die edlerund künstlerischer sind als die Toscana und Florenz, woher ich stamme und wo ich Bürgerbin; und daß viele Nationen und Völker eine erfreulichere und tauglichere Sprache verwendenals die Italiener." (Dante, De vulgari eloquentia I, V, 12; zitiert nach: Grassi, Macht,S. 92) Ziel dieser Bestrebungen ist die Überwindung der politischen Trennung durch Etablierungeines öffenclichen Subjekts; dies schließt die Überwindung des prägenden Einflusseslokaler und ständischer Differenzen mit ein. (Bei Dante ist das öffentliche Subjekt noch,naturalisiere' in der Gestalt des absoluten Herrschers; bereits Salutati wird ein Widerstandsrechtder bürgerlichen Subjekte einklagen, das auf der Identifizierung städtischer mitbürgerlichen Besitzverhältnissen beruht.) Ein solcher Ansatz kann keinen Arbeitsbegriffentwickeln, der sich auf materielle Produktion gründet, da er erst das schaffen muß, was dieBedingung derer Erscheinung als spezifische Form im gesellschaftlichen Zusammenhangist: eine allgemeine, verbindliche Sprache. Dennoch und gerade deshalb versteht sich derHumanismus als Arbeit: als politische Arbeit in Form der Arbeit an und in Sprache, die alsPraxis des Humanums und damit als Arbeit am (öffentlichen) Subjekt begriffen wird. Inden ,Camaldulenses Disputationes' zeichnet Christofero Landino den Weg Äneas' als "labo-


iosum negotium" (Christo/ero Landino. Camaldulenses Displllationes. Florenz 1480, III, BI. 69.Zitiere nach: Grassi, Humanismus, S. 127; vgl. auch: Landino in: Grassi, Macht, S. 211), alsÜberwindung egoistischer Impulse und Einfinden in das proprium des öffenclichen Subjekts:in die tätige Praxis des Begründers Roms (vgl. Grassi, Humanismus, S. 120ft); einJahrhundere früher schon hatte Coluccio Salutati in De lalxwibus Herculis (c. Salutati. De laboribusHereulis. Ed. B. L. VI/man. ,In aedibus Thesauri Mundi'. Turici 1951) eine antike undchriscliche Tradition foregeführe, die dem mythischen Helden nicht nur die Stifcung undGestaltung von Städten, sondern zugleich die Einfiihrung technischer Neuerungen wie derSchrift zusprach und in ihm schließlich eine Präfiguration Christi erkannte (vgl. Grassi,Macht, S. 121f.). Dabei kommt er auf die Rolle der Dichtung als inventio öffenclicher Sprachezu sprechen. Grassis Zusammenfassung läßt den konzeptionellen, aber säkularisiereenBezug zur chrisclich-franziskanischen Tradition deutlich werden: "Die Poesie verhilft zurÜberwindung der ierinitas', indem sie über das sinnlich Vorhandene hinausführe undmenschliche Gestalten als ,exempla' zum Himmel erhebt: ,Die Dichter, in der Absicht, dieVolksmenge zur Bewunderung jener, die sie loben, zu bewegen, ftihren die Zuhörer auf solcheArt und Weise über die Sinne hinaus, daß sie nicht in einer direkten Art sprechen, sondernWoree für Worte und (,geistige') Sachen für (sinnliche) Sachen auf das anregendste eintauschen.'(op. cit., S. 7). / Den Dichtern kommt es zu, den Geist der Menschen über dieSinne ,hinauszuführen' (a sensibus [ ... ] traducebant), so daß sich die Diskrepanz zwischendem, was durch die Sinne wahrgenommen wird, und dieser ,neuen' Wirklichkeit offenbare(contrarium visibiliter percepissent; op. cit., S. 8). Durch den Bezug auf diese neue Realität,die eine ,neue' Ordnung und Gesetzmäßigkeit aufweist, will Salucati die Fruchtbarkeit derDichtung veranschaulichen: Die Realität der ,neuen' menschlichen Gemeinschaft, die sichdarauf grundet, ist das höchste Gut, sowohl hinsichclich des privaten als auch des öffentlichenlebens. / ,Nam etsi nihil tante utilitatis vel privatim vel publice cogitari queat quotalis error foret morcalibus persuadendus et aliqua sacrilege superstitinis impietas cogitanda,satis tarnen debet humana fragilitas rudibus illis viris quibus se nondum divinitas revelaveratindulgere' (op. cit., S. 8)." (Grassi, Macht, S. 122f.) - (Die durch Grassis Hinzufügungender Übersetzung induzieree Geistmecaphysik ist Folge seiner eigenen Theorie, die dasmetaphorische und semantische L,weisende"] Zeichen nicht als Indiz der Praxis, sondern alsAgent eines asconden, eigenclichen Seins begreift.) Das Subjekt wird nicht kontemplativ,sondern aktiv verstanden; der Humanist wird zum politischen Arbeiter, zum Sprach- undIdeologieproduzencen, der nicht einem abstrakten ,verum', sondern dem konkreten ,bonum'verpflichtet ist. Der - wie Otto formuliert - ,humanistische Bildungsspiritualismus' (Octoin: Renaissance, S. 359) bedeutet Eingriff in die Praxis über die Exposition einer teleologisch-idealenForm ihrer sprachlichen Verfassung. Es mag freistehen, diese Geistes-undSpracharbeit mit dem Begriff ,Arbeit' zu benennen oder nicht; doch sie erst postuliere undproduziere jenes ,öffentliche Subjekt', welches die Bedingung der Möglichkeit von Wahrnehmungder Praxis als ganzer und identischer des Gattungswesens - i.e. als gesellschafclicheProduktion - darstellt. Das humanistische Bemühen erscheint als Suche nach einerSprache, die eben Praxis zu formulieren und teleologisch zu vermitteln in der Lage ist. Ausdem prozessualen Charakter dieser Arbeit resultiere die epistemische Offenheit der Epoche,die - im historischen Rückblick und ohne damit Kausalität suggerieren zu wollen: Rationalitätals Produkt hervorereibt. Der Befund jedenfalls, es ftihre .keine Brücke von christlicherArbeit Zum modernen ,Kapitalismus'" (Conze, ,Arbeit', S. 166), muß in Frage gestelltwerden.26) Bei Brunetto Latini (1220-1294) und bes. Dante (vgl. Anm. 22), aber implizit auch in ColueeioSalutatis (1331-1406) Diktum: "Wir wollen darauf hinarbeiten, daß der Mensch gutwerde, daß die Bürgerschaft Bestand habe und daß die Gesellschaft und die Gemeinschaftdes Menschengeschlechts nicht in Unruhe gerate." (De nobilitat. legum et medicinae. Florenz1544. Reprint hrsg. von E. Garin. Florenz 1947, S. 28; zitiere nach Otto, Renaissance, S. 361),äußere er dieses doch im Zuge einer Reflexion der Gesetze und der darauf gegründeten Präferenzdes Guten vor dem Wahren, die sich praktisch, nicht metaphysisch legitimiere: "DieGesetze stehen über dem moralischen und tätigen leben; dieses besteht aus menschlichen411


Handlungen, die Gesetze sind die allgemeine Sinngebung der menschlichen Handlungen."zitiert nach Otto, Renaissance, S. 360; vgl. Grassi, Humanismus, S. 200)27) Matteo Palmieri. Della vita civile. HrJg. von F. Battaglia. Bologna 1944, S. 5; zitiert nach: Grassi,Humanismus, S. 118. Auch bei Palmieri ist der Wirkwille Agens der sprachlichen Form:"Ich verspreche euch, ich werde mich bemühen, so zu sprechen, daß ihr mich alle versteht(io m'ingegnero di parlare in modo ehe voi m'indendiate tutti)" (a. a. 0., S. 12; zitiert nach:Grassi, Humanismus, S. 119); und unterstreichend, daß nicht die selbstgenügsame Lektüre,sondern der Überstieg in Praxis Ziel der Ausführungen ist: "Ich glaube nicht, daß das Leseneuch dazu fuhrt, besser zu leben, auch nicht, fähiger zu werden, denn das Ziel jedes Gutenist nicht das Verständnis, sondern das Handeln." (A. a. 0., S. 11, zitiert nach: Grassi, Humanismus,ebd.; vgl. Petrarca in: A. a. 0., S. 190)28) Man muß unterscheiden zwischen dem Inhalt von Ausführungen und der Sprache, in der siegetätigt werden; - aber man muß beide auch in Beziehung setzen. Der Humanismus ist -ob er auf das Volgare zielt oder auf ein ideales rhetorisches Latein - auf der Suche nach einerSemantik und Stilistik, die eben beiden Seiten des Menschen: Pathos und Vernunft gerechtwird (vgl. Anm. 22). Grassi schreibt, und man kann seine Feststellung auf alles Sprachverständnis,das nicht an apriorisch sistierte ,Unmittelbarkeit' der Benennung glaubt, ausdehnen:"Die ,res' des Historikers beinhaltet also ein Zweifaches. Einmal das Beleuchten der historischen[resp.: der epistemischen] Situation in ihrer Verkettung, zum anderen das Ingeniumder Bewertung, die von Mal zu Mal gegeben wird und die sich im gewählten Ziel derHandlung äußert." (Grassi, Einführung, S. 66[.) Die Inhalte so strukturierter Darstellungensind nicht in erster Linie Repräsentationen von Faktizität (wie immer man diese verstehenmag), sondern zumindest zugleich und gleichermaßen eine pathetische Präsentation semantischerModelle, die ihrerseits als pathetische Impulse rezipiert werden sollen und mittelsder Sym-pathie des Rezipienten sich dann als Modelle in quasi-rationalem Sinne erst behauptenkönnen. Der Humanismus hat nicht Negation der Mfekte (die er ja der scholastischenLogik und Semantik gerade vorwirft), sondern deren Kultivierung zum Ziel. StephanOttos immer wieder geäußerter Terminus, der Renaissancehumanismus begreife den Menschenals "Geistwesen" (in Otto in: Renaissance. Mit entsprechenden Abwandlungen ubiquitär.)ist zumindest zu relativieren: sie begreih ihn als Sprachwesen, als zoon logen echon(vgl. Landino in: Grassi, Humanismus, S. 210). Entsprechend ist auch der Übergang zu Machiavelli,den Otto als Nachfahre und Überwinder des "anthropologischen Spiritualismusder Renaissance" sieht (a. a. 0., S. 364) weniger die Entdeckung einer neuen Dimension desHumanurns als deren Anthropologisierung i.e. Naturalisierung bei gleichzeitiger Negationdes semantischen Optimismus. (Beides ist im Grunde ein identischer Prozeß.) "Zwei Dingesind die Ursache, daß wir uns nicht ändern können. Erstens können wir uns nicht dem widersetzen,wozu sich unsere Natur hinneigt. Zweitens ist es unmöglich, einen Mann, demviel geglückt ist, zu überzeugen, er könne gut daran tun, anders zu verfahren." (NiccoloMachiavel/i. Discorsi sopra la prima deca di Tito Livio. Dt. als: Vom Staat, III, 7; zitiert nach:Otto, Renaissance, S. 363) Damit gehört Machiavelli zum nach-humanistischen Sprachspiel(s. u.); seine Sprache differenziert zwischen performativer Teleologie und Faktographie: Sieist wieder einem verum verpflichtet, als dessen Kalkül das bonum erscheint. Dagegen hattedie Semantik des Humanismus Sprache als wirksame Präsentation des bon um behauptet,um mittels der Sprache eine performative Präsenz zu erreichen, welche das bonum alsaffektisch ,Wahres': als plausible Interpretation und subjektive Intention der Faktizitätappliziert.29) "Daß die Humanisten sich nur um Literatur und Poetik, um die freien Künste und um eineStilisierung der Antike bemühen, ist ein weit verbreitetes Vor- und Fehlurteil. Ihr Augenmerkgalt daneben und nicht zuletzt der ars mora/is, der Ethik unter Einschluß der Politik.Sie moralisieren, wenn sie sich mit der Geschichte, der ars historica, befassen, und sie moralisierenauch noch, wenn sie sich mit der ars oratoria, der Rhetorik beschäftigen: EthischeTüchtigkeit soll aus Beispielen erhoben werden, die die Geschichte bereithält, und auch diekunstvolle Rede muß die Tugend bekräftigen." (Otto in: Renaissance, S. 73) Zuvor jedochhatte Octo einschränkend bemerkt: "Wenn dabei von ,Ethik' die Rede ist, dann ist ferner zu412


edenken, daß Humanismus und Renaissance keine selbständige Disziplin dieses Namensim modernen Sinne kennen: in dieser Hinsicht ist die Epoche arm; reich ist sie hingegen,was die Auflistung moralischer und pädagogischer Probleme betrifft, die sich für das bürgerlicheLeben aus der winschafdichen und politischen Dynamik der Epoche ergaben. Suchtman in der Renaissance nach System#l philosophischer Ethik, die diese Probleme anband vonaxiomatischen Prinzipien angehen, so wird man entäuscht; nur wenigen Denkern gelinge es,rrormativ begcündete Lösungsvorschläge für die neu aufgeworfenen moralischen Fragen zumachen." (ebd.) Die konstitutive Blindheit des Renaissancehumanismus gegenüber einerTheorie der Ethik ist eine notwendige Folge seiner Semantik; in historischer Formulierung,die Otto implizit nahelegt: Er kann nicht more geometrico raison nieren, da sich der mosgeometricus noch nicht durchgesetzt hat. (Zu den dann enstehenden Problemen vgl. Kapitel4) Semantisch gesprochen: Ethik ist nicht objektivierbar, da das Ethische Modus der Referenz,die Art der Bezugnahme auf Wirklichkeit, selbst ist. - Dies ist eine, angesichts derPhilosophie Wittgensteins und Levinas', der Mooreschen These des ,naturalistischen Fehlschlusse";angesichts des notwendigen Scheiterns utilitaristischer Konzepte - das BernardWilliams beschreibt -, wie der Aufgabe des Projekts einer Meta-Ethik in der analytischenPhilosophie keineswegs überholte Position. Zur Diskussion in der deutschsprachigen Philosophievgl. Gerhard Fitzthllm. Der Urrtergarrg der Mmschheit ,md die Philosophie. ZlIm Sparrrrllrrpverhä1trris1IOrr Ethik urrd Theodizee. Gießert 1992. Moralistik etahliert hahituelle Strategeme:Sie präsentien Modelle von Situationen, die in Form kommunikativer Plausibilisierungbestimmte Handlungsweisen als erfolgreiche Interpretationen ähnlicher Situationen nahelegen;Ethik hingegen betreibt eine Reduktion der Situationen auf ein abstraktes Gesetz, dassich seinerseits durch Rekurs auf allgemeine Wahrheitsbedingungen und verbindliche (metaphysischeoder anthropologische) Axiomatik legitimieren muß. Die Plausibilisierungihrer Befunde wird dabei an ethisch dominiene Sub-Disziplinen wie Pädagogik und Kunstausgelagen. Ethik beschränkt sich in Konsequenz auf die Exposition eines moralischen Kalkülsund delegien dessen Vermittlung.30) Daß die Rhetorik der Renaissance auf eine textuelle Struktur zielt, ist hier Thema; die Differenzzur antiken Position wird bei einer parallelen Lektüre der Gcündermythen bei Cicero(De irrverrtiorre, 1,2; vgl. De or. 1,33) und latini (Tresor, S. 318) evident (vgl. Grassi, Macht,S. 82; vgl. auch die ,Fassung' Petrarcas im Brief Arr Tommasio Caloria alls Messirra iiber dasStlldium der Beredsamkeit, zitiert in: Otto, Renaissance, S. 102).31) Die Renaissance orientiert sich praktisch weniger an der contentio, der großen öffentlichenRede als an der privaten und symposionalen sermo, wie sie Cicero in De officiis beschrieb.Govanni Pontanus will in seinem 1499 erschienen Buch Ober das Gespräch (De sermorre) demenstprechendweniger einen Restauration des alten Rhetor-Ideals, sondern einen ,novusorator'; dieser ist ein "Typus des Redners, der weder politisch noch juristisch tätig ist,sondern gleichsam ausschließlich rekreativ, ohne doch deshalb auf den Typus des ,gutenGesellschafters' reduzierbar zu sein. Der Pontanische Redner ist vielmehr der Inbegriff desurbanen Menschen mit dessen spezifischen Tugenden wie Leutseligkeit, Freundlichkeit,Heiterkeit, humanitas und comitas." (Claudia Schmölders. Die Kunst des Gesprächs. Texte zlIrGeschichte der ellropiiischm Korrversatiorr. Miinchm 1979, S. 22; vgl. Karl-Heinz Giftlert, Rhetorikund Konversatiorrstheorie, Eine Skizze ihrer Beziehllng von der Antike bis zllm 18. Jahrhllndert. In:Rhetorik 10 {199l}, S. 45-56.) Es ist jedoch zu bedenken, ob dem novus orator als Virtuoseder sermo nicht schon hier ein implizit ethischer Auftrag zukommt, insofern er als Meisterder theatralia nicht nur die sakrale ,tristitia animi', die Mönchskrankheit Melancholie - vgl.Bonaventura in Anm. 25 -, sondern auch die tristitia saeculi, jene politische Malaise, diedem Humanismus Befund und Ausgangspunkt ist, heilen kann. (Immerhin usurpiert der,novus orator' die Stelle der alten Oratoren-, der Mönchskaste [vgl. Bauer/Matis, Geburt,S. 20}.) In diesem Sinne wird die diätetische Funktion des Gespräches in Stefano GuazzosL'arle della corrversatiorre (Brescia 1574) (vg!. Grassi 1979, S. 16ff.) beschrieben. - Doch mußzwischen der externen ethischen Legitimation und interner Reglementierung von geselligemUmgang und Kunst differenziert werden.32) Petrarca, An Tommaso Caloria, zitiert nach: Otto, Renaissance, S. 103. Von diesem Proto-413


typen aus und nach seinen bestimmenden Momenten - Negation des Egoismus, sympathetischeIdentifikation der Subjekte, (behauptete) In-Formalität der Sprache - läßt sich dieneuzeitliche Briefkultur in ihrer Funktion als öffentliche Präsentation und Legitimation desprivaten Subjekts (als Darstellung seines ethos) rekonstruieren.33) Franmco Patrizi. Della historia dieci dialoghi. Venedig 1560. Dritter Dialog: Was ist Geschichte.Zitiert nach: Otto, Renaissance, S. 205. Bei Patrizi wird deutlich, daß der platonistischeGestus im Kern eine Negation des Chronologisch-Rhetorischen zugunsten eineridealiter simultanen Repräsentationstheorie bedeutet; wenn die Frage nach der semantischenForm thematisiert wird, skizziert Patrizi nicht nur das Evidenzkciterium der Referenz,sondern auch den Raum, in den sich die logisch-rationale Grammatik der Neuzeiteinschreiben wird: ..[ ...} Paolo: Man müßte zuerst einmal wissen, was in diesen Büchern unsererSeele aufgeschrieben ist, bevor man sich dacan macht, sie zu lesen. Ich erwiderte: AlleDinge der Welt findet Ihr in ihnen aufgeschrieben, ebenso wie in meinem. Und in welcherForm? fragte er. In Bildern, wie bei den japanischen und chinesischen Büchern, sagte ich,deren Schriftbilder man unmittelbar versteht, nicht aber so die verschiedenen Geschichten,die sie erzählen. Ich kann Euch nicht verstehen, kam die Anrwon, und ich begannnochmals: Jeder Buchstabe in diesen Büchern bedeutet eine Sache; und ebenso macht einIdeenabbild, wie es in dem Buch der menschlichen Seele eingeprägt ist, den Menschen alleGeschichten verständlich." (A. a. 0., zitiert nach: Otto, Renaissance, S. 204f.) Daß die .Bilder'keine Geschichte hergeben, ist ein - wenn nicht das - Kardinalproblem neuzeitlicherPhilosophie.34) Mit Blick auf die Rezeption antiker Rhetorik formuliert Stephan Otto: .. Rhetorik ist nicht.eine Theorie mit Praxisbezug' sondern sie thematisiert das Verhältnis des Menschen zuMeinung und Wahrheit." (Ot


Skizze der Oclchamschen Position von Blankerau (a. a. 0.) zitiert: .. Erst als bei Ockhamdurch die l.eugnung irgendeiner Realität der Allgemeinbegriffe auch diese Prämisse [.vomaktiven Nachbilden im Erkennnisalet'} fiel, erreichte der scholastische Voluntarismus seineäußerste Möglichkeit. Denn wenn es keine Universalien gibt, dann sind auch in sich als.gut' und ,böse' bestimmte Akte denkunmöglich, vielmehr ist jede ethische Norm kraft dertotalen Abhängigkeit des Geschöpfes von seinem Schöpfer auf die ebenso totale WillensfreiheitGottes zurückverwiesen. Gleichzeitig tritt die Rangfolge von Willen und Verstandim Menschen zurück, weil- nach Fortfall des Universalienrealismus - hier nur die Wirkweiseder einen, an sich unerkennbaren Seele zu konstatieren ist." In der rationalen Epistemewird die voluntaristische Problematik der Erkenntnis dichotomisiert in die ethische Fragenach dem intrinsischen Wert des Guten (oder, mit Bezug auf Aristoteles, nach der Wirksamkeitvon Mathematik) und die ästhetische nach den Bedingungen seiner wirksamenRepräsentation; voluntaristische Philosophie erscheint dann - zumindest mißverstandeninfolge mangelnden .rhetoristischen' Bewußtseins - nur noch als Negation von Vernunftphilosophieund als Dämonisierung des Willens.35) Giovamzi Pico dJla MiranJola. De hominis dignitate oratio. (Ober die Würde des Menschen); zitiertnach Otto, Renaissance, S. 346.36) A. a. 0., S. 346f.37) Otto in: Renaissance, S. 349.38) Pico della Mirandola, a. a. 0., zitiert nach: Otto, Renaissance, S. 348.39) Petrarca, An Tommaso Caloria, zitiert nach: Otto, Renaissance, S. l00f. Diese Identifikationvon Sprachkompetenz und Persönlichkeitsbildung begründet den herausragenden Stellenwertder Beschäftigung mit Texten. Die litterae, so Guarino Veronese, sind .. non modo adlegendum sed etiam ad se componendum formandum instituendum" (op. cit., ep. 80 [= I,155}; zitiert nach: Grassi, Einf'Uhrung, S. 80); denn: .. Ex litterarum studio optimae bene vivendirationis comparari queunt" (op. cit., ep. 150 [= 11, 255}; zitiert nach: Grassi, EinrUhrung,S. 75). Dabei versteigt sich Guarino zu der emphatischen - und rur den bürgerlichen,Mensch'-Begriff richtungsweisenden - Behauptung: .. Ich glaube kaum, daß einer einMensch sei, wenn er die .litterae' nicht ehrt, liebt, sich ihrer bemächtigt, wenn er sich nichtin sie vertieft." - "Hominum non esse arbitror, quae litteras non diligit non amat non amplectiturnon arripiat, non sese in earum haus tu prorsus immergat." (op. cit., ep. 148 [= I.244}; zitiert nach: Grassi, Einführung, S. 75)40) Pietro Paolo Vergerio. De ingenuis moribus et liberalis studiis. Mailand 1474; zitiert nach: Octo.Renaissance, S. 96f.41) In der Formulierung Ottos: "Das klassische Vorbild antiker Sprachen und ein geschärftesGeschichtsbewußtsein sollen die Ressourcen rur eine ,moderne' Weise des Philosophierensliefern. [...} Der Humanismus ist ohne Zweifel durch seinen Rückgriff auf die Antikecharakterisiert; er betrachtet aber die antike Literatur und Phliosophie weder als kritikloszu rezipierende Norm, noch verharrt er in einer distanzlosen Bewunderung des Alterums. "(Otto in: Renaissance, S. 87; vgl. 198ff.) Beispielhaft für diese kritische Position mag diefolgende Formulierung des Platonikers Patrizi stehen: "Alles, was ich in den äußerenBüchern geschrieben finde, vergleiche ich mit dem, was ich innen im Buch meiner Seelehabe. Bei vielem finde ich nun, daß es miteinander vergleichbar ist; bei vielem, daß es verschiedenist, und wiederum bei vielem, daß es teilweise miteinander übereinstimmt undteilweise sich unterscheidet - und das nenne ich rUr mich ungewiß und zweifelhaft. Schließlichbleibt vieles, was dem im Buch meiner Seele Geschriebenen auch direkt entgegengesetztist." (Francesco Patrizi. Dieci dialoghi della historia. Zitiert nach: Otto, Renaissance,S. 206) - (Stellt man diese Passage mit der in Anm. 33 zitierten zusammen, so wird die Intentiondes neUZeitlichen Doppels von Hermeneutik und Kritik in seinem konstitutivenMißtrauen gegenüber der rhetorischen Verfaßtheit von Sprache als Bemühen um die Sicherungreferenzieller Eineindeutigkeit - eines idealen oder empirischen Worteidos - und alsBestimmung der Bedingungen textueller Evidenz sichtbar.) Für Guarino Veronese gilt: Dieexempla .. testes quasi vitae magistri nobis excitandi sunt." (op. cit., ep. 823 [11, 522}; zitiertnach: Grassi, EinrUhrung, S. 76) Die, wie Mathias Wesseler in Bezug auf Nizolius formu-415


lien:, "ingeniöse Macht des exemplums" (Mathias Wesseler. Die Einh.it von Wtwt und Sache.Miinchen 1974, S. 105) muß sich je situativ bestätigen und als Plausibilität ausweisen. Dasexemplum stellt ein Handlungsmodell, das auf paradigmatische Rubrizierung einer Situationzielt; es kann sich nur legitimieren - und damit tradieren, wenn das Subjekt in selektiverApplikation differenter exemplarischer Handlungstypen die Plausibilität eines solchensemantischen Strategems je neu erfahrt. Eine - nicht begriffliche, sondern praktische.- kritischeSouveränität des applizierenden Subjekts ist dabei unhintergehbar. Da es keine rhetorisch,keine konzeptionell sistierbare Metaebene der Erkenntnis gibt, unterläuft KarlheinzStierle eine - freilich aus der Ahistorizität textpragmatischer Perspektive gerechrfen:igte­,rationalistische Umkehrung', wenn er definien:: »Was das Exemplum implizien:, ist dermoralische Satz. Worin es sich exemplifiziert, sein Medium, ist die Geschichte. Das Exemplumist eine Form der Expansion und der Reduktion in einem. Expansion in Hinblickauf die zu Grunde liegende Sentenz, Reduktion in Hinblick auf eine Geschichte, aus derherausgeschnitten, isoliert wird, wessen die Sprachhandlung des Exemplums bedarf, umsich zu konkretisieren. Doch besteht über die Richtung, in der der Text sich konstituien:,kein Zweifel. Die Regel für die Einheit des Ganzen, das sich aus dem umgreifenden Ganzender Geschichte herauslöst und autonom setzt, liegt im >Endzweck< des Exemplums, demmoralischen Satz. H (Karlheinz Stierle. Geschichte als Exemplum - Exempillm als Geschichte. ZlIrPragmatik lind Poetik narratit..,. Texte, In: Ders. Text als Handlung, Münchm 1975, S. 25) FürAristoteles ist das Beispiel (paradeigma) zwar eine Art Induktion, aber: .. Seine Relation ist[...) nicht die eines Teils zum Ganzen, noch die eines Ganzen zu einem Teil, noch die einesGanzen zu einern Ganzen, sondern die eines Teils zu einern Teil, einer Ähnlichkeit zu einerÄhnlichkeit: Wenn nämlich beide zu derselben Klasse gehören, das eine aber bekannter istals das andere, dann handelt es sich um ein Beispiel." (AristoteIes, Rhetorik, S. 18) Es findetAnwendung hauptsächlich in der Volksrede, und dies bedeutet für AristoteIes vor ungebildetemPublikum, das weniger durch Beweisführung als durch affektive Bewegung zubeeinflussen ist (vgl. Rhet, S. 217). Dem elitären Gestus des Philosophen entsprechend differenziertAristoteIes zwischen faktischen - historischen - und fiktiven (aus theoretischemInteresse simulierten) Beispielen, worunter er Fabel und Gleichnis - .. das Gleichnis aber istder sokratische Gebrauch des Beispiels" (Rhet. 11, 20,4 [= S. 134) - rechnet. Nur Letzterenkommt die - bei Aristoteles noch offen polemische - Funktion der (als Exemplifikation verstandenen)Amplifikation eines allgemeinen Satzes zu. Unter der für den Renaissancerhetorismuskonstatierten Prämisse einer verisimilitudo der Sprache selbst ist derartige theoretischeVermittlung exemplarischer Analogizität zunächst obsolet; seine immanente Tendenzzur Revision und Formalisierung des tradien:en Exempel-Corpus beschreibt KarlheinzStierle im angegebenen Aufsatz.42) .. Jedes Werk, das aus mehreren Teilen besteht, ist dann in höchstem Maß vollkommen,wenn es aus seinen Gliedern so zusammengefügt ist, daß es in jeder Hinsicht zu einemGanzen wird, das aus sich besteht, mit sich in Einklang steht und so leicht nicht aufgelöstwerden kann." (Marsilio Piano. Theologia Platonica. Buch 11, Kap. 2; zitiert nach: Otto, Renaissance,S. 264) Dieser Kohärenzgedanke, den Ficino nach plotinischer Hypostasenlehreformuliert, und der - die rhetorische Variante wird gleich thematisiert werden - von Nikolasvon Kues seine vielleicht (oder zumindest philosophiehistorisch-imrnanent) wirkrnächtigsteFormulierung ethält (vgl. Pascal-Kapitel, Anm. 46) findet sich auch im politisch orientierten"humanistischen Pragmatismus· (Otto in: Renaissance, S. 359), bei CristoforoLandino, der eine antike Vorlage aufgreift, um sie mit etwas Sphärenharmonie zu überhöhen:.. Und wer wüßte nicht, daß der Staat einem lebenden Wesen gleicht, in dem inwunderbarem Einklang jedes Glied seine Obliegenheit zu erfüllen hat! [00') Aus dem allementsteht, wie wenn verschiedene Töne ineinander klingen, ein harmonisches Ganzes, [...}"(CristoftwO Landino. Displltationes Camaldllimses. Buch I; zitien: nach: OttO, Renaissance,S. 354) Zum Organismus-Gedanken vgl. auch Burke, Renaissance, 179fT.; Burckhardts paradigmatischerGebrauch der organologischen Kunstwerk-Metapher in: Burckhardt, Kultur,S. 365,398,401, S. 89 scheint dem entgegenzustehen, doch löst sich der Widerspruchim Kontext von S. 83 u. 85 auf; vgl. auch: Wilhe1m Perpeet. Das Kllnstschiine. S';n Ursprung in416


der italienischen Renaissance. Freiburgl München 1987, S. 275 über den Begriff der Rundung.43) Da von Roscelin selbst keine Schriften erhalten sind, ist die Authentizität des Ausdrucksunsicher. Tradiert ist er nach: Amelm v. Canterbury. D. fide trinitatis. Knp. 2. In: Opera omnia.Hrsg. v. D. G. Gerberon. Paris 1864 (P.L. 158), S. 265. Zitiert nach: F. Ho/fmann, Art. ,Nominalismus'.In: Hist. Wb.44) Als Beispiel mag eine Stelle aus: Hugo von St. Viktor. De scripturis et scriptoribus sacris dienen:"Philosophus in aliis scripturis solam vocum novit significationem; sed in sacra pagina exceJlentiorvalde est rerum significatio quam vocum: quia hanc usus constituit, illam naturadictavit. Haec hominum vox est, illa Dei ad homines. Significatio vocum est ex placito hominum; significatio rerum naturalis est et ex operatione creatoris volentis quasdam res peralias significari." (Hugonis de S. Vietore. Opera Omnia. Patrologia Latina, Bd. 175, S. 2Of.)Johannes Scorus schreibt: ,,[...} potest enim rationabilis anima disciplinis tractare, absquevocis articulatae disertaque orationis streptia" - Die Seele ist rational fähig, die Wissenschaftendurchzuführen, und zwar fern von dem Getöse der artikulierten Reden." (fohannesScotus. De divisione naturae. P.L. val. 122, Lib. IV,4,870bc; Übersetzung nach: Grassi, Einführung,S. 19)45) A. a. 0., S. 182.46) Lorenzo Valla 1407-1457; Johannes Agricola 1443-1485; Mario Nizolio 1488-1576. Indiesem Zeitraum konstatiert Hanna-Barbara Ger! (Hanna-Barbara Gerl. Humanistische lindgevmetrische Sprachphilosophie. Ein Paradigmenwl!i.-hsel von Leonardo Bruni zu Francesco Patrizi. In:Zschr. phil. Forsch. 36 (1982), S. 189-207) einen Paradigmenwechsel in der Zeit zwischenLeonardo Bruni (1370-1444) und Francesco Patrizi (1529-1597), durch den die Primoridalitätdes bonum durch die Frage nach den Bedingungen des verum abgelöst wird (vgJ.a. a. 0., S. 193). Die Wurzeln dieser Verschiebung, deren Resultat an zwei Werken FrancescoPatrizis Della retorica dieci dialoghi (Venezia 1562) und Nova de universis philosophia (Ferraciae1591) - exemplarisch dargestellt wird, verortet sie um 1480, einerseits im Einfluß derFicinoschen Plato-Übersetzungen und Kommentare, anderseits, freilich unausgewiesen, beiAgricola. Ziel des Platonisten Patcizi ist eine ,rhetorica perfetta' die, wie Ger! ausführt, dreiBedingungen erfüllt: ,,1. Sprache muß aus einem essentiell Wahren abgeleitet sein (defluere);2_ sie muß auf diese Essenz zurückweisen (dimonstrare); 3. sie bedarf einer sicheren Erkenntnisals Prämisse." (Ger!, Sprachphilosphie, S. 202) Da die Erkenntis essentieller Wahrheitverstellt ist (Sündenfalltheorem), ist eine Reduktion des Verstehens auf die ,Rhetoricaceleste' (zitiert nach: A. a. 0., S. 205) verbaut. Zugänglich bleibt lediglich eine gewisse Sicherheitdes mathematischen Verfahrens, die Patrizi nicht affirmieren kann, da er an einemsubstanziellen Wahrheitsbegriff festhält. Ger! faßt zusammen: "Die relative Ausnahmestellungder Mathematik erklärt sich nur aus der Identität von Zahl, Maß, Gewicht und Proportionin jener (metaphysischen) und dieser (physischen) Welt, wobei diese Identität durchMaterie und Bewegung verunklart ist. Hieran ist zu sehen, daß Patrizi mit diesem Erkenntnismodellan dem noch aufrechterhaltenen Vorrang der Ontologie vor dem Erkennen scheitert.Selbst Mathematik hat noch ein ontisches Scrukturprinzip, das ,sich zeigt', ,sich offenbart',also vom Erkennen passiv rezipiert wird. Wo die Evidenz ausfällt, aus welchen (hiermythisch erklärten) Gründen immer, fallen Erkenntnis und Wissenschaft aus. Wahrheit istder dem Menschen unzugängliche Besitz des Seins als metaphysischen Seins. Die Folgerung:das unbekannte Prinzip der Rhetorik läßt keine Rhetorik als Wissenschaft: zu." (A. a. 0.,S. 205) Ein solcher essentialistischer Wahrheitsbegriff ist der Rhetorik fremd; der Weg zumfunktionalistischen Wahrheitsbegriff führt nicht, wie Ger! suggeriert, über eine Metaphysizierungder Rhetorik und - infolge deren Unmöglichkeit - ihre plane Elimination, sondern,wie zu zeigen sein wird, über eine (interessierte) Rhetorisierung des metaphysischen Wahrheitsanspruchs.47) So Otto, Techne in der impliziten Antwort auf die Titelalternative des Aufsatzes.48) VgJ. Hanna-Barbara Gerl. Rhetorik als Philosophie (Lorenzo Valla). München 1974, S. 19ft.Hervorgehoben sei hier der Einfluß seiner Schrift De libero arbitrio, welche ihm die ZustimmungLucher, Erasmus' und Calvins eintrug und von Leibniz in seine Thevdizee eingearbeitetwurde (vgJ. S. 25). (Für das 18. Jh. relevant:]. Boeldicke. Abermaliger Versuch einer Theodicee:417


FortJetzung des vom Laur. Val/a angefangenen und t'on Leibnitz fortgeführten Gesprächs {...}. Berlin/ Leipzig 1746.)49) V gl. Gecl, Rhetorik. Die eigenclichen sprachtheoretischen Ausführungen Vallas beschränkensich auf einen kurzen Abschnicc eines Kapitels der Dialecticae Displltationes (Lib. I,cap. xiii), das außerdem auf die sinnlich wahrnehmbaren Qualitäten zu sprechen kommt.Obwohl, wie Gerl meint, die Qualität der Ausführungen deren geringe Quantität mehr alswettmacht ("Es [das Sprachproblem als ,eigencliches Problem'} wird jedoch so knapp undbeispielhaft gelöst, daß Valla, auch wenn er es sonst nirgends extensiv abhandelt, darauf nurals einen stets gegenwärtigen grundgedanken zurückzugreifen braucht, [ ...)" (a. a. 0.,S. 317}), so steht doch zu vermuten, daß sich Valla mit einer kurzen Darlegung bescheidenkann, weil er kein prinzipiell neues Konzept vorzulegen, sondern das Gemeinverständnis zureferieren beabsichtigt.50) V gl. Gerl, Rhetorik, S. 76f. Polemisch setzt Valla praktische Sprache philosophischer Terminologieentgegen: .. Daher haben die Hausfrauen zuweilen eine bessere Einsicht in denSinn der Wörter als die größten Philosophen. Jene nämlich verwenden die Wörter zum Gebrauch,diese zum Spiel." - .. ltaque melius de intellectu verborum mulierculae nonunquamsentiunt, quam summi philosophi. Illae enim verba ad usum trahunt: isti ad lusum." (Aus:Dialecticae Disputationes. In: Laurentills Val/a. Opera omnia. Hrsg. von E. Garin. 2 Bde .. Torino1962, hier: I, S. 649 {Diese Ausgabe wird im Folgenden nur mehr mit Band und Seitenzahlangeführt}; Übersetzung nach: Gerl, Rhetorik, S. 212)51) Auch für Valla ist der Rhetor öffentliche Person schlechthin und darum seine Ausführungenvon ihrer Wirkung rucht zu trennen: .. der Redner ist nämlich gleichsam der Leiter und Führerdes Volkes, weshalb die Rhetorik weitaus am schwierigsten und mühevoll und nicht nurfür alle erlernbar ist." - .. Siquidem orator est velut rector, ac dux populi: propter quod longedifficilima rhetorica est, et ardua, nec omnibus capessenda." (I, 693f.; Übesetzung nach:Gerl, Rhetorik, S. 230)52) Doch ist Valla das bonum kein abstraktes Gut, sondern identisch mit der Lust (voluptas)und dem Nützlichen (utile) als deren objektivierte, gesellschaftlich vermittelte Form: "DieGuten sind immer dem Nutzen gefolgt" - "Quod boni semper secuti sunt utilitatem"(1,943; Übersetzung nach: Gerl, Rhetorik, S. 163). Für das zoon politicon sind Egoismusund Altruismus apriori identisch: .. Die Guten werden wegen des Vorteils geliebt, die Bösenwegen des Schadens gehaßt." - .. Bonos amari propter commodum, malos odio haberi propterdamnum"(1,945; Übersetzung nach: Ger!, Rhetorik, S. 163; vgl. I, 915/Ger!, Rhetorik,S. 164). Dieser Standpunkt führt zur Ablehnung jeden Begriffs der Sittlichkeit und desGuten - und damit - implizit - zu einer radikal utilitaristischen Ethik: .. Das Wort sitclichist etwas Leeres und Nichtiges, vollständig Hinfalliges" "nomen ipsum honesti cassumquiddam ac nugatorium esse, planeque pernitiosum [... )" - (1,912; Übersetzung nach: Ger!,Rhetorik, 163); "Jene Frage nach dem Nützlichen und dem Sittlichen, mit der sich die Philosophenso furchtbar zermürbt haben, ist überhaupt nichtig, da wir sie belehrt haben, daßnicht bloß der Nutzen vorzuziehen, sondern die Sittlichkeit überhaupt ein Nichts ist." -,,{...} inanem prorsus illam fuisse de utili et honesto quaestionem, qua se philosophi tantoperemacerarunt, cum non modo utilitatem praeferendam, sed etiam, honestatem nihil essedocuerimus." (I, 961f. Übersetzung nach: Gerl, Rhetorik, S. 165; vgl. I, 962/Gerl, Rhetorik,S. 172); und, an einem immer noch aktuellen Beispiel: .. Du stellst mir herrliche undglänzende Worte der Belohnung vor Augen, die Worte Heil, Freiheit, Größe und hinterherlöst du sie rucht ein. Denn dabei fehlte es soweit, daß ich diese Versprechungen sterbenderreiche, sondern wenn ich sie schon besaß, werde ich sie nun sogar verlieren. {...} So werdenjene, welche Heil und Umfang des Vaterlands vermehrt haben, selbst allein von jenenGütern ausgeschlossen. {...} Ich kann nicht hinreichend einsehen, warum jemand für dasVaterland sterben wolle. Du stirbst, weil du das Vaterland nicht sterben lassen willst, als obdir nicht auch im Untergang das Vaterland untergehe." - .. Exponis praeclara ac splendidapraemij nomina, salutis, libertatis, magnitudinis, nec post illa persolvis. Tantum enim abestut ista promissa assequar moriens, ut si quia mihi aderant, eadem quoque amittam {...} Itane qui patriam salute amplitudineque auxerung, ipsi soli ab ijs bonis excluduntur [...} Non418


queo satis intelligere, cur quis pro patria mori velt. Tu moreris, quia non vis ut patriamoriatur, quasi vero tibi pereunti non et patria occidat." (I, 929; Übersetzung nach: Gerl,Rhetorik, S. 160)53) In einer extremen Formulierung: "Denn man darf nicht gegen das Volk kämpfen, sondernmuß ihm wie einem reißenden Fluß folgen." - "Nec enim contra vulgus pugnandum est[ ...), sed velut rapido flumini obsequendum." (I, 926; Übersetzung nach: Gerl, Rhetorik,S. 147) Schon Valla kritisiert die stoische Ataraxie als Ausschluß aus der Sphäre bürgerlichen.Kommerzes': .. So behaupte und glaube ich, daß es einige Menschen gab, wie es auchnoch heute Liebhaber der Nachlässigkeit und Feigheit gibt, die aus Abscheu vor dem Erwerbvon Dingen, die notwendig sind, im Leben dieses schauerliche und kulturlose Lebenbevorzugten, [...)" - .. Equidem sie statuo existimoque fuisse quosdam homines, ut hodiequoque sunt amatores negligentiae et ignaviae, qui taedio rerum comparandarum, quae suntnecessariae, in vivendo praeelegerunt vitam hanc incultam et horridam, [...)" (I, 957; Übersetzungnach: Gerl, Rhetorik, S. 168). Als negative Figurationen erscheinen Heraklitus flensund Diogenes (vgl. Gerl, Rhetorik, S. 130ff.).54) Die Apologie der Sinnlichkeit führt Valla zur Konzeption eines sinnlichen Jenseits, "utnulla Venus nec comparanda sit" (I, 990; Übersetzung nach: Gerl, Rhetorik, S. 182), welchesjedoch gleichzeitig die Materialität des Körpers aufhebt und den Geist zum Fliegenbringt: .. Denn der befreite Geist sitzt nun nicht mehr in seinen Gliedern, er hebt sich empordurch seine eigene Kraft und Natur, nicht mühsam und mit Anstrengung, wie es dieVögel tuen, sondern mit unglaublicher Wonne beim Fliegen." - "Neque enim egressus spirituscirca sua membra assidet. In altum tollitur sua vi ac natura, nec operose er eum conatu,quemadmodum aves solent, sed incredibili inter eundum suavitate." (1,986; Übersetzungnach: Gerl, Rhetorik, S. 182f.) Diese widersprüchlich erscheinende Identifikation vonGeistnatur und sinnlicher ist möglich, da einerseits Sinnlichkeit nicht als kreatürliche Ausstattung,sondern als Kulturprodukt gefaßt wird - ein Postulat der Rhetorik, das bis in dieVor- und Frühromantik nachwirkt (Hemsterhuis, Novalis/Schlegel) -, und andererseits der,Geist' keine autonome und souveräne Instanz darstellt, sondern ihm gerade die Kultivierungdes Körpers aufgegeben ist, da heiden dem gleichen Agens: der Lust verpflichtet sind.55) "Voluptas igitur est bonum undecunque quaestium, in animi et corporis oblectatione positurn[ ...) quam Graeci T\OoVllv vocant. (...) Huic verbo omnes qui ubique sunt, qui latinesciunt, tuas ces subijciunt, laetam in animo cornmoditionern, suavem iucunditatem in cocpore."(I, 912; Übersetzung nach: Gerl, Rhetorik, S. 142)56) .. Omnis voluptas bona est." (I, 923; Übersetzung nach: Gerl, Rhetorik, S. 141)57) Erst unter den Prämissen rationaler Anthropologie und Methode, die Sinnlichkeit zum Attributder Kreatur und Antagonisten des Intellekts stempelt, führt ein hedonistischer Kalkülzur Nivellierung der Werte und wird dem Utilitaristen Jeremy Bentham - Kernsatz:.. Pushpin is as good as poetry" - den Vorwurf der "pig philosophy" eintragen (Zum VergeichValla-Bentham: Burke, Renaissance, S. 203). Rhetorisch ist die Sinnlichkeit Agens,Telos und Produkt der Kultur (vgl. Kapitel 2); christlicher Tradition gilt sie - besonders inihrer paulinischen und neuplatonistischen Variante - als Negation des Geistes. Valla ist diesemAntagonismus verpflichtet, indern er formuliert: "Nam ea [voluptas) duplex est: alteranunc in teeris, altera postea in celis." - "Denn die Lust ist zwiefach: (sie ist) eine andere aufder Erde und eine andere danach im Himmel." (III,10,1; Übersetzung nach: Grassi, Einführung,S. 113); in der Positivierung aller Lust (vgl. Anm. 55) jedoch scheint er rhetorischerTradition zu folgen. Doch auch die christliche Mystik hatte - man kann sagen metaphorisch,aber da eigentliche Benennung in diesem Falle unmöglich ist, auf die einzig möglicheWeise - von der Süße der Seiligkeit geredet; neu bei Valla ist also weniger die Versinnlichungder Seligkeit, sondern die Tatsache, daß deren Empfindung nicht in Oppositionzur irdischen Form ihrer Erfahrung steht, sondern deren Telos darstellt, das in entelechialemProzeß aus Potentialität in Aktualität überfuhrt wird. (Die Erde ist also weniger Jammertalals Vorspiel der Erlösung.) Valla versöhnt den christlichen Antagonismus, indem er ihnerstens aristotelisch ,interpretiert' - er greift damit implizit auf die spätmittelalterlicheHabitus-Diskussion zurück - und zweitens säkularisiert, wenn er den rhetorischen (Mei-419


nungs- und Personen-) Bildungsprozeß als nicht nur in praxe dem theologischen deckungsgleich,sondern beide als teleologisch identisch behauptet. Es wäre zu untersuchen, ob diedamit implizierte Dichotomisierung der Begriffe in eine konkrete Form als praxisimmanentesMovens und eine ideale, als Telos eben dieser Praxis, nicht strukturell auf einer Vermittlungdes aristotelischen Entelechie- und Pra.xisbegriffs mit rhetorisch-agoraler Prozessualitätberuht. Denn: "Die Praxisbedürftigkeit ist [ ... } keine Funktion der Stellung eines Wesens inder kosmologischen Hierarchie, sondern seine Entfernung vom Besitz seines spezifischen bonumoder eu. Je mehr Zwischenglieder es von diesem seinem eu trennen, um so weniger istes von selbst schon in seiner eupraxia. Auch zwei weitere Abgrenzungen trifft AristoteIesmittels der Formalstruktur der Finalität. Für jedes organon - sei es nun ein künstlichesWerkzeug oder ein Organ des Leibes - ist das Worumwillen eine Form der Praxis, wie fürdie Säge das Sägen und das Auge das Sehen. Hat eine Tätigkeit ihrerseits ein Worumwillen,so muß dieses in ihr selbst wirksam sein. Andernfalls ist sie, wie eine Abmagerungskur oderein Lernvorgang, der irgendwann an sein definitives Ende kommt, eine bloße Veränderung(kinesis), aber keine Praxis, oder doch zumindest keine vollendete [. .. }. Erst durch die zusätzlicheAnnahme auf der Seite der bewegenden Ursache präzisiert sich jedoch die teloshaltigePraxis zum Voll begriff sittlichen Handelns, das die auf praktischer Einsicht beruhende,vorbedachte Wahl von Handlungmöglichkeiten im Umkreis dessen, was in unserer Machtsteht, voraussetzt. An der so verstandenen Praxis haben die übrigen Lebewesen keinen Anteil,und in diesem Sinne ist allein der Mensch ein handelndes Wesen." (Hübener, Praxisbegriff,S. 48f. mit Bezug auf: AristoteIes. Eth. Eud., 1222b18sqq.) Wie Wolfgang Hübener,der in der neuzeitlichen Aufwertung der vita activa eine "langhinwirkende Sockelbewegung"sieht, die sich bereits in der spät mittelalterlichen Praxis-Diskussion widerspiegelt(Hübener, Praxisbegriff, S. 47), in Hinblick auf Ockhams Aristoteles-Rezeption betont,"versteht Aristoteles die verschiedenen Naturvorgänge, wie Gestirnbewegungen und vegetabilischeProzesse als praxeis. In einem etwas engeren Sinne ist Praxis entweder die Erkenntnistätigkeit(actus cognitivus ipsius intellectus) oder eine vorn Begehrungsvermögenhervorgerufene Betätigung, wie Sprechen, Umgehen, Essen und Trinken. Erst in einer weiterenBedeutungsverengung zur operatio existens in nostra virtute wird Praxis Zum opusvirtutis et vitii und damit zu einern nur im Umkreis ethischer Fragestellungen anwendbarenBegriff. Praxis im striktesten Sinne aber darf nur die operatio conformiter e1icita dictaminirationis et e1ecutionis voluntatis heißen." (Hübener, Pra.xisbegriff, S. 48; die Binnenzitateaus: Guille/mi de Ockham Striprum in /ibrum primum Smrenriarum, Ordinario, Pr%guset distindio prima. Ed. G. Ga/1St. Brown (Opp. rheo/. I) Sr. Bonave1/rure, NeU' York 1967,S. 287-290) Unschwer kann man die verschiedenen Gradationen des Praxisbegriffs in Pie osSchöpfungsmythos wiedererkennen; zieht man überdies die Ockhamsche Position in Betracht,nach der "ein Universale nichts weiter als ein Laut (vox), eine Vorstellung (conceptus)des Geistes oder etwas Geschriebenes (scripturn) ist, von denen erwiesen ist, daß siekeine Ursache der Substanzen sind." (OckhaITl, ZusamITlenfassung, S. 104), so verfällt Erkenntnisvia sprachlicher Bindung selbst einer entelechialien Prozessualität, die nur in einerEupraxis zur Ruhe kommen kann, wie sie traditionell durch das Telos der vollen Offenbarungder Schrift (nach Lösung des siebten Siegels) bezeichnet worden war, und nun nurals Vertrauen in die Sinnhaftigkeit des Prozesses hypostsiert werden kann: "Absurdum sit[ ... } qui teITlpus distaxerit ea sub unUITl tempus velle coniungere" (Valla, 11,15,6; zitiertnach: Grassi, Einfiihrung, S. 109).58) Hanna-Barbara Ger! faßt die Valische Argumentation folgendermaßen zusammen: .,Nur imITlenschlichen Zwang zur Wahl wächst der Mensch über die selbstgenügsame Realität desTieres hinaus, nur dadurch wird er zum unterscheidbaren Individuum im Rahmen der Gemeinschaft.Die allein menschliche Frage nach der richtigen Handlung unter vielen anderen,nach der wahren Entscheidung unter vielen wahrscheinlichen, nach der menschlichenWirklichkeit unter vielen Möglichkeiten wird von nichts anderem überzeugend beantwortetals von der Lust. Sie ist die objektive Bestätigung der Richtigkeit oder Gutheit derHandlung, der Entscheidung, der entworfenen Wirklichkeit. Sie ist das objektive Zeichender geglückten GeITleinschaft und der in ihr verwirklichten Menschlichkeit, denn sie ist420


identisch sowohl mit dem Nutzen der Gemeinschaft wie mit der wahren Menschlichkeit desEinzelnen." (Ger!, Rhetorik, S. 172) Valla selbst: "(...}. haec sive utilitas, sive voluptas, nonhominum modo consensu, sed deorum quoque iudicio commendata est {...}" - "Der Nutzenoder die Lust wird nicht nur durch den Gemeinsinn der Menschen" sondern auch durch dasUrteil der Götter gepriesen." (I, 962; Übersetzung nach: Ger!, Rhetorik, S.17 2)59) Diese Differenzierung ist lediglich intentional, faktisch vollzieht sich beides.60) Ger!, Rhetorik, S. 173.61) Hübener, Praxisbegriff. S. 5l.62) ,,(...) wie groß ist die Güte. die der Schöpfer aller Dinge gegen uns walten läßt, der die Dingealle um des Menschen willen geschaffen hat ... wir aber wären doch unvernünftig, wennwir nicht zugäben, daß eben dieses Werk von Gott um der Menschen willen verfertigt wordenist." - ,,(...) quanta in nos benevolentia cern;cur rerum conditoris. qui res ipsas omnespropter hominem condidit (...) nos vero irrationabiles esse. nisi fateamur hoc ipsum opus propterhomines a deo fuisse fabricatum." (I. 982; Übersetzung nach: Ger!, Rhetorik. S. 180)Doch Valla beschränkt sich nicht auf eine Apologie der Anthropozentrik als Apologie derGattung; da personales und soziales Interesse. Lust und Gemeinnützigkeit zusammenfallen.erscheint die ganze Schöpfung - inklusive Menschen - je um des Einzelnen willen (Gerlspricht von einer .. absoluten Wertsetzung des eigenen selbst" (Ger!. Rhetorik. S. 161}): .. Ohmöchtest du einsehen. wieviel mehr du bedeutest. da um deinetwillen die ganze Welt undalle Himmel geschaffen sind. Um deinetwillen allein. sage ich; denn, wenn du auch andreneben dir hast, die gleichfalls daran teilhaben, so ist dennoch die Gesamtheit der Dinge umder einzelnen willen gemacht." - "Ut intelligas quanto tu magis polleas. propter quem cernisuniversum mundum, ac coelos omnes esse exaedificatos. propter te inquam solum. Name tsi alios tecum participes habes. tamen singulorum causa universa facta sunt." (ebd.); und.an gleicher Stelle: "Nicht nur diese Dinge ...• sondern sämtliche Menschen ... sind um deinetwillen.d.h. um der einzelnen willen erfunden." - .. Non modo haec ipsa (...). sed universihomines (...) propter te, hoc est propter singulos inventi sunt." Valla formuliert hier - inchristlich-voluntaristischer Tradition - eine ,phänomenologischen Solipsismus'. der nurdurchbrochen werden kann. wenn er immer schon durchbrochen ist (Tautologik). d. h. wenndas individuelle Interesse identisch ist mit dem sozialen. so daß sich zwischen den Subjekteneine Beziehung praktischer Konvergenz ergibt. Deren Ausdruck und Sediment ist Sprache.(Es wäre- bei aller nötigen Differenzierung - interessant, die Vallsche Konzeption mitdem Intersubjektivitätsproblem in der Phänomenologie Husser!s und dessen Aufnahme undsprachphilosophische Lösung bei Emmanuel Levinas in Beziehung zu setzten, da diese voneiner extentionalen Bestimmung der Semantik ausgehen und sich ihnen die Intentionalitätals Frage stellt, während der Renaissance Intentionalität selbstverständlich und Extentionalitätproblematisch ist.)63) Ger!. Rhetorik. S.17 4.64) Laut Hanna-Barbara Ger! .. hatte der Vorrang der Rhetorik vor der Dialektik zur Folge. daßsich der statische Wahrheits begriff der Scholastik zugunsten einer dynamischen. jeweils fürdie Situation erst zu findenden Wahrheit verschob - eine Aufgabe, die der Redner leistenmußte und die nicht mehr dem Kalkül des logikers oblag." (Ger!, Rhetorik. S. 69); und sieführt aus: .Die Aktivierung der menschlichen Affekte durch die Eloquenz gab dem Rednerdas Mittel an die Hand. eine Gesellschaft durch dieselben Leidenschaften zu einigen. DerVorrang der Rhetorik beruhte ja gerade auf dem Gedanken des Vorranges der konkretenPraxis vor der abstrakten Theorie. denn die Praxis wurde bestimmt durch die Überzeugungskraftdes Redners." (A. a. 0 .• S. 70) Damit benennt sie zwar ein kairologisches-rhetorischesMoment, ignoriert aber die textuelle Vermitteltheit als spezifische Differenz des Renaissance-Rhetorismuszu klassischer Rhetorik, wenn sie wie selbstverständlich anschließt:"Tatsächlich verbanden gerade die bedeutendsten Humanisten ihre literarische Tätigkeitmit einer hervorragenden politischen Wirksamkeit, es sei nur an Salutati und Bruno alsKanzler von Florenz erinnert." (ebd.)65) "non cogitas quid facturus sis, cum in coelis omnes linguas intelliges, omnibus linguis 10-queris, omnem scientiarn, omnem doctrinam, Offinem artem tenebis, sine errore, sine dubi-421


tatione, sine ambiguitate)" (Zitiert nach: Gecl, Rhetorik, S. 183; im Orginal: I, 992) Auchdieser Topos kann eine lange Wirkungsreihe anführen, über Swedenborg, Oetinger, Lavaterund - säkularisiere - mindestens bis zum Magiebegriff der Frühromantik.66) Damit ist ein jenseitiges Rhetorideal postuliert, wie es in seiner Onmipotenz allenfalls inder Sophistik zuletzt statt hatte. Doch jetzt geht es nicht mehr um forensische Herrschaft,sondern um die Identifikation von Person und Wahrheit: um universelles und omnilingualesVerstehen. Und, in dieseIll Bezug wichtiger noch als die Universalität des Wissens: Dieagonale Prozessualität, die dem Sophisten konstitutiver Bestandteil seiner Rede war (Metron),ist negiert und durch eine pure Präsenz der WahrnehIllung ersetzt: "sine dubitatione,sine ambiguitate".67) Wenn denn die latinitas Paradigma wirksamer Sprache ist und der Rhetor Institution dererforensischer Potenz, warum ist die civitas romana zerfallen) Wieso wurde die lateinischeSprache zur scholastischen Barbarei erniedrigt) - Konzeptionell ist der Sachverhalt nichtabzuleiten, er kann lediglich aus den pragmatischen PräIllissen und der pragmatischen Intentiondes Humanismus erklärt werden: Die Frage stellt sich nicht, weil der Humanismuskeine Geschichtstheorie darstellt.68) Die implizite These des Kapitels in abstrakter Formulierung: Das Ideal textueller Geschlossenheitist eine Spezifikum der Renaissance-Rhetorik und Erbe christlichen Schriftverständnisses.(Ich betrachte das Homeros-ex-Homero nicht als gravierenden Einwand, denn eineParalellstellenmethode muß sich nicht zum Gesamt des Textes fügen - und fügte sichnicht. V gl. Glenn W. Most. Rhetorik und Hermeneutik. Zur Konstitution der Neuzeitlichkeit. In:Antike und Abendland 30 (l984}, S. 62-79, hier S. 63) Diese Fixierung auf einen konsistentenund universalen Text treibt die Frage nach den Bedingungen seiner Produktion hervor,welche in Konsequenz die Rhetorik als prinzipiell offenen und a-teleologischen Prozeß desavouiert,denn jede Formulierung eines regulativen Ideals, das den tatsächlichen Prozessnormiert, zerstört das - unverzichtbare - kairologische Moment der Rhetorik. Der Kairoskann benannt, aber nicht bezeichnet werden, er ist präsent als Kraft oder verfehlt; ein Telosist intentional zu bezeichnen. (An einem Beispiel aus deIll deliberativen Genus: Das Telos:erfolgreiche Handlung ist zu bezeichnen; der Kairos meint, was zu tuen ist. Dies kanndurchaus strittig sein, aber in der Auseinandersetzung um die richtige Handlung ist dieKonsequenz der Entscheidung nicht zu präjudizieren: Die Entscheidung ist ein Entschlußzu handeln, deIll eine Handlung folgt. Erst nach deren Vollzug zeigt sich, ob der Kairosrichtig benannt oder verfehlt worden ist.) Ein Telos als universeller Fokus ist Negation desKairos und seine ,Aufhebung' in einem Oberbegriff, der alle Kairoi jenem subsummiert, der,Erlösung' heißt.69) Dieses interessante Gebiet muß hier leider ausgespart bleiben, doch wäre eine genaueUntersuchung über den - ursprünglichen - ZusaIllIllenhang von Pädagogik und Rhetoriksicherlich auch für die Neuzeit aufschlußreich.70) Vgl. Ger!, Rhetorik, S. 231ff.71) Vgl. Kapitel 2, Anm. 243.72) Lorenzo Valla. On Pleasure / De voluptate. Translated by A. Kmt Hieatt and Maristella Lorch.Introduction by Maristella de Panizza Lorch. Neu; York 1977 (im Folgenden zitiert als: De vol.),II,xxiii,5, S. 186.73) Lorenzo Valla. Ober den freien Willen / de libero arbitrio. Hrsg. u. übers. von Eckhard Keßler. München1987 (iIll Folgenden zitiert als: De lib. ar. nach Seite (lat. Text), Zeile (lat.), Ziffer (dt.),hier: S. 144,821, 110.74) Boethill.f. Trost der Philosophie. Obers. u. hrsg. von }(Pr! Büchner. Einl. von Friedrich Klingner.Stuttgart 1971 (im Folgenden zitiert als: TP). Es geht an dieser Stelle nicht um die Spezifikder Boethischen Theorie, sondern um das Gemeingut mittelalterlicher Tradition; eine zudetailierte Analyse würde also Illehr verfälschen als offenlegen.75) De lib. ar., S. 62,80, 16.76) TP, S. 159. Boethius differenziert zwischen dem Sinneseindruck, seiner WahrnehIllung,der Reflexion der Wahrnehmung und intellektualer Anschauung. Letztere ist Gott vorbehalten.422


77) ,,[ ... } alles, was den Sinnen offen steht, [ist,} setzt du es zum Denken in Beziehung, allgemein[ ... }, betrachtest du es an sich, einmalig." (TP, S. 168; vgl. 159ff.)78) "Sinneswahrnehmung allein, bar allen anderen Erkenntisarten, wurde den unbeweglichenLebewesen zuteil, [ ... }; Vorstellung aber den beweglichen Tieren, denen schon Regungen,zu meiden oder zu erstreben innezuwohnen scheinen." (TP, S. 161)79) .. [ ... }, wenn, [ ... }, bei der Wahrnehmung der Körper der Geist nicht durch Leiden Eindrückeerfährt, sondern aus eigener Kraft die vom Körper abhängige Empfindung beurteilt,um wieviel mehr folgt das, was von allen Berührungen durch Körper frei ist, beim unterscheidendenErkennen nicht dem von außen Entgegentretenden, sondern setzt vielmehr dieTätigkeit des eigenen Geistes in Bewegung." (TP, S. 161)80) .. Wie nun, wenn die Sinneswahrnehmung und Vorstellungskraft gegen die Überlegungenstimmen und sagen, jenes Allgemeine, welches das Denken zu schauen glaubt, sei nichts?Was nämlich den Sinnen faßbar und vorstellbar ist, das könne nicht allgemein sein, entwederalso sei das Urteil der Vernunft wahr und Sinnenhaftes sei nichts, oder, weil ihnen jabekannt sei, daß mehr Dinge den Sinnen und der Vorstellungskraft unterliegen, Vernunftsei ein leerer Begriff, die, was sinnenhaft und einmalig ist, wie etwas Allgemeines betrachte.Wenn hierauf die Vernunft die Gegenantwort gäbe, sie erblicke zwar, was sinnenhaftund was vorstellbar, in der Weise der Allgemeinheit, jene könnten aber auf Erkenntnis derAllgemeinheit keinen Anspruch machen, weil ihre Erkenntnis die körperlichen Gestaltennicht übersteigen könnte, in der Erkenntnis der Dinge aber müsse man eher dem festerenund vollkommeneren Urteil glauben - würden wir in einem derartigen Streite also, wir,denen sowohl die Kraft des Denkens wie des VorsteIlens und auch des Empfindens innewohnt,nicht vielmehr der Sache der Vernunft unseren Beifall geben?" (TP, S. 162)81) TP, S. 164.82) Vgl. TP,S. 158.83) "Denn auch bei den Lebewesen kommt der Trieb zu bestehen nicht aus dem Willen der Seele,sondern aus dem Grunde der Natur." (TP, S. 11 0) .. [ ... } die Vorsehung nämlich gab denvon ihr geschaffenen Dingen dies als den größten Antrieb zum Bleiben, daß sie von Naturdie Sehnsucht in sich tragen, zu bestehen, solange sie können." (Ebd.) "Denn jedes Lebewesenmüht sich, seine Unversehrtheit zu schützen, Tod aber und Verderben vermeidet es."(TP, S. 109) Doch nicht das .. Streben nach Bestehen" (TP, S. 108) - Selbsterhaltungstrieb -zeichnet den Menschen aus, sondern die Fähigkeit, diesen - und damit sich selbst als Kreatur- zu negieren: .. Häufig nämlich heißt der \XTille, wenn Gründe dazu zwingen, den Todwillkommen, vor dem die Natur schaudert, und jenes, wodurch allein die Dauer irdischerDinge beharrt, das Werk der Zeugung, das die Natur immer erstrebt, hindert der Willebisweilen." (TP, S. 110) Die Negation der Kreatürlichkeit wird privilegien, da für Boethiusalles in der Zeit Existierende eine Privation seiner Wahrheit darstellt; die Folge der existierendenDinge und Lebewesen akkumuliert also Defizienz: Nicht-Sein, da ,Sein' nicht Existenz,sondern Präsenz der Wahrheit bedeutet: "Sein (esse) und das, was ist (id quod est),sind verschieden. Denn das Sein selbst existiert noch nicht. Das, was ist, hingegen existiertund besteht, sobald es die Form des Seins (essend i formal empfangen hat." (Boethiu5. Wie dieSub5tanzen gut 5ind, 50fern 5ie 5ind. obwohl 5ie nicht u-esmhafte Giiter 5ind. / Quomodo sub5tantiae ineo quod 5int bonae 5int cum non sint substantialia bona. In: Mittelalter. Hrsg. v. Kurt FlaJCh. = Ge-5chichte der Phi/o50phie in Text und Dar5tellllng 2. Stllttgart 1982, S. 128). Da aber der Negationdes Seins dessen Position vorausgehen muß, erscheint Geschichte als Zerfailsprozeß: "DieNatur nahm nämlich nicht von Gemindertem und Mangelhaftem ihren Anfang, sondernvon Unversehrtem und Vollkommenem ausgehend verfallt sie in diese letzten und erschöpftenDinge." (TP, S. 102, vgl. S. 103 u. S. 123ff.: die Erörterung des Bösen). NichtsKreatürliches kann der Negativität des Nicht-Seins völlig entgehen, denn es ist auf denLeib, der .. mit sich Vergessen bringende Lasr schlepp[r}" (TP, S. 111) angewiesen. Da derMensch kein einfaches Wesen ist, kommt ihm die Gutheit des Seins nicht einfach zu,sondern er ist weiterer Bestimmung fahig: .. Denn Gutsein betrifft das Wesen (essentia),Gerechtigkeit hingegen die Handlung (acrus). In ihm [Gott} sind aber Sein und Handelndasselbe; also ist Gutsein dasselbe wie Gerechtsein. Bei uns aber sind Sein und Handeln423


nicht dasselbe; denn wir sind nicht einfache Wesen." (Boethius, Substanzen, S. 132). Ihmbleibt nur die .. unendliche Bewegung der zeitlichen Dinge" (TP, S. 165), Nachahmung des.. gegenwarthaften Zustand{s] unbeweglichen Lebens" (ebd.).84) .. Der Grund rur die Unklarheit ist der, daß die Bewegung des menschlichen Denkens nichtan die Einfachheit des göttlichen Vorwissens herangebracht werden kann. Wenn diesirgendwie gedacht werden könnte, wird überhaupt nichts Zweifelhaftes mehr bleiben." (TP,S. 156; vgl. S. 137: Gott .. in der Burg seiner Einfachheit")85) TP, S. 168; vgl. S. 165f.: .. Da nun ein jedes Urteil seiner Natur gemäß begreift, was ihmunterliegt, Gott aber immer in einem zeitlosen und gegenwärtigen Zustand ist, übersteigtauch sein Wissen eine jede Bewegung der Zeit, bleibt in der Einfalt seiner Gegenwart, unddie unendlichen Räume des Vergangenen und Zukünftigen umfassend, erwägt er alles inseiner einfachen Erkenntnis, als wenn es nun geschehe. Wenn du deshalb sein Voraussehenwürdigen willst, mit dem er alles unterscheidet, wirst du dir richtiger vorstellen, daß eskein Vorauswissen gleichsam der Zukunft ist, sondern das Wissen einer niemals erlöschendenGegenwart." Gott ist ein unbewegter Beweger (vgl. TP, S. 115); kein Lidschlag - d. h.keine Zeit, kein Vergessen, kein Vergeben - trubt den stieren .. Blick des gegenwärtigenAuges" (TP, S. 168).86) TP, S. 135. Boethius bedient sich primär der Metaphorik platonistischer Lichtmetaphysik,versucht aber diese synkretisch mit aristotelischer Systematik zu versöhnen. Im Zentrumseiner Philosophie - wie jeder, die auf einem Konzept optischer Wiedergabe beruht - stehteine Abbildtheorie des Verstehens und damit ein Ähnlichkeitsbegriff; doch meint dieser beiBoethius weder sensuell vermittelte Widerspiegelung von Gegenständlichem noch konzeptionelleRepräsentanz mentaler Strukturen. Die Ikonizität des Verstehens bezeichnet dieFähigkeit menschlichen Denkens und Handelns - menschlicher Praxis -, sich einer göttlichenOrdnung anzunähern, die ad hominem als textuelle präsent und intellektuell zugänglich,jedoch uneinholbar ist. Die zeitliche Existenz der Subjekte ahmt den .. gegenwarthaftenZustand unbeweglichen Lebens" nach (TP, S. 165), soll zum .. ähnlichen Abbild" von dessenEwigkeit werden (TP, S. 101). Da die göttliche Ordnung latent - d. h. zugleich omnipräsentund verborgen - ist, entzieht sich die ,Wahrheit' der Phänomene und Unabsehbaresbricht immer wieder in die Ordnung des Verstehens ein (vgl. TP, S. 136ff.). Doch ist dieseUnordnung nicht Chaos, sondern Zeichen defizitären Begreifens und Zeichen höherer, göttlicherOrdnung, die voreilige Gewißheit negiert und auf ihr Telos - Gott - hin transzendiert.Hier wird die Differenz zu ,neuzeitlichem Denken' - mit allem Vorbehalt gegenüberdiesem Pauschalismus - deutlich: Den innerweltlichen Ereignisketten kommt keine imanenteKausalität zu; ihre Abfolge wird nicht durch intramundane Verknüpfung von Ursachenund Wirkungen bestimmt, sondern ist je ein Modus, eine spezifische Darstellung dergöttlichen Ordnung selbst. Die Situationen der Welt sind Handlungen (actus) göttlicherpotentia; jeder innerweltliche Zustand bezieht sich direkt auf die göttliche Ordnung und bezeichnetdiese; die Simultaneität der Zustände ist ihr Abbild. Der kosmologische Augenblickwird zum Bild der Ordnung; zwischen ihm und der Welt besteht kein Zusammenhangvon Ursache und Wirkung, sondern eine Zeichenrelation (vgl. TP, S. 157f.; zur ,Zeichentheorie'der Natur im Mittelalter vgl. Brinkmann, Sprache; ders., Hermeneutik, bes.24ff.; Ohly, Sinn). Aber auch simultane Totalität ist dem Menschen unzugänglich, seine Erfahrungbleibt kontingent (vgl. TP, S. 77ff.); dem ontischen korrespondiert kein intellektuellerKairos. Da das Subjekt nur zufällige Transformationen fragmentarischer ,Realitäten'zu Gesicht bekommt, bedarf es einer anderen Strategie, um sich der Ordnung zu versichern.An dieser Stelle kommt die differentia species humaner Existenz - d. h. Existenz eben - insSpiel: die zeitliche Dimension des Denkens (vgl. TP, S. 137). Im und durch das Denken istder Mensch in der Lage, der Kontingenz seiner Umstände einsichtig zu werden (vgl. die,Rede der Fortuna', TP, S. 6Off.); er ist ,schicksalsfähig'; indem Zeit die Kontingenz desMundanen falsifiziert, verpflichtet sie das Subjekt der Kohärenz der Begriffe, d. h. der ,ewigenOrdnung des Textes'. Der Mensch soll zu ihrem diachronen Abbild werden; in seinenHandlungen hat er je das ,Gutsein' seines Wesens, das identisch ist mit dem emphatischen,i. e. ewigen Begriff der Existenz überhaupt, zu realisieren (vgl. Boethius, Substanzen,424


S. 132). Aber auch hier liegt keine Kausalität vor - sonst drohte Detenninismus -, sonderneine Zeichenrelation: In seinem Interesse an Glück und Ewigkeit - d. h. an Gouähnlichkeit- soll er sich zum Bild götdicher Ordnung fügen. Dies ist möglich, wenn er sich nicht aufdie Kontingenz der Phänomene, sondern auf die Ewigkeit der Begriffe bezieht und seinePraxis an ihnen ausrichtet. Es bedeutet zum einen Vetpflichtung auf die Begriffe der Philosophieals der seinem Denken zugänglichen Form von Ewigkeit, zum anderen Bezug aufTheologie als deren götdiche, menschliches Verstehen übersteigende Artikulation in derSchrift. Text bedeutet Ewigkeit, Welt bedeutet Zeit; der Mensch steht in der Mitte zwischenbeiden, steht in Zeitlichkeit, zwischen Augenblick und Ewigkeit. Die Existenz wirdzur henneneutischen Aufgabe: zur diachronen Intetpretation götdicher Ordnung.87) "Denn nach allgemeiner Ansicht der Gelehrten strebt alles, was ist, nach dem Guten; allesstrebt nach etwas, das ihm ähnlich ist." (Boethius, Substanzen, S. 129; vgl. TP, S. 104ff.)88) ,,{ ... } der Biß der Sorge fliehet nicht den Lebenden, I und der nichtige Schatz folget ihmnicht in den Tod." (TP, S. 89) "Ein ängsdich Ding ist nämlich die Lage der menschlichenGüter und eine Sache, die nie ganz zum Vorschein kommt oder sich nie beständig festsetzt."(TP, S. 68)89) "Denn für den Menschen ist es nicht erlaubt, alle Vorrichtungen des götdichen Mühens imGeist zu erfassen oder im Wort zu entfalten." (TP, S. 142; vgl. S. 139 u. 142)90) "Ihr gefallt euch darin, Dinge, um die es anders steht, mit falschem Namen zu nennen, derleicht durch die Wirkung der Dinge selbst widerlegt wird!" (TP, S. 76; vgl. S. 78) Dagegenfordert Boethius, "daß die Worte den Sachen, über die sie aussagen, verwandt sein müssen."(TP, S. 115)91) TP, S. 126; vgl. S. 101 u. 61: "Denn es genügt nicht, nur das, was vor Augen liegt, anzuschauen;die Klugheit ermißt den Ausgang der Dinge, und die gleiche Unbeständigkeit inbeiden macht, daß die Drohungen des Geschickes nicht zu fürchten, seine Liebkosungennicht wünschenswert sind."92) Reflexion wird Zum internen Akt des Subjekts, bei dem die Welt kein Einspruchsrecht besitzt:"Wie du, siehst du abwechselnd den schmutzigen Boden und den Himmel an, bald imKot, bald unter den Sternen zu weilen scheinst dank deinem Sehen, während alles außerhalbstill bleibt." (TP, S. 132)93) TP, S. 158; vgl. TP, S. 142: "Eine gewisse Ordnung nämlich umfaßt alles, so daß, was vonder zugewiesenen Art der Ordnung abweicht, wenn auch in eine andere, so doch wieder ineine Ordnung gleitet, damit im Reiche der Vorsehung der Planlosigkeit nichts gestattetsei." Gou zwingt zur Ordnung (vgl. TP, S. 148).94) ,,{ ... } die Einsicht, von oben gleichsam schauend in der begriffenen Form, was ihr unterliegt,hat Urteil auch über alles; aber auf die Weise, wie sie die Gestalt selbst, die keinem anderenbekannt sein konnte, erfaßt. Denn sie erkennt das Allgemeine des Denkens, die Gestalt derVorstellung und den sinnlichen Stoff, ohne das Denken, die Vorstellung und die Sinne heranzuziehen,mit jenem einm Blick des Geistes, gestalt mäßig sozusagen alles erschauend.Auch das Denken begreift, wenn es den Blick auf etwas Allgemeines richtet, ohne Vorstellungund Sinne die Vorstellungs- und Sinnenwelt." (TP, S. 159) Philosophie dient dazu,den Blick in den Himmel der Begriffe - und der Theologie - zu lenken: "Denn bald hieltsie sich in dem gewöhnlichen Maße der Menschen, bald aber schien sie mit dem Gipfel ihresScheitels an den Himmel zu rühren." (TP, S. 42) Sie will mit "männlichen Worten" (TP,S. 60) und Gedanken aus ihrem "Allerheiligsten" (ebd.) jene ,,Lücke" (TP, S. 57) überbrücken,die Existenz von Wahrheit trennt.95) TP, S. 136. Denn: .. Es ist nämlich, was die Ordnung festhält und die Natur bewahrt. Wasaber von ihr abfallt, das läßt auch das Sein im Stich, das in seiner Natur beschlossen liegt."(TP, S. 123f.)96) TP, S. 146. Oder, als Schlachtruf chrisdicher Krieger: "Besiegte Erde schenkt euch die Sterne!"(TP, S. 147; vgl. das sadistische Gemetzel der Engel bei Valla, De. vol. II,xix,4f., S. 290)97) Diese Metaphorisierung der Zelle findet sich bei Boethius selbst: "Wenn aber der Geist,sich guter Taten bewußt, aus dem irdischen Kerker erlöst frei zum Himmel steigt { ... }" (TP,S.79f.)425


98) TP, S. 66; vg!. S. 61 u. 69: ,,[ ... ), und da es klar ist, daß das zufällige Glück in dem Tode desKörpers seine Grenze hat, gleitet unzweifelhaft, kann dieses das wahre Glück bringen, dasganze Geschlecht der Sterblichen beim Todesende ins Unglück." Die Hypostasierung derEwigkeit ist hier offensichtlich; Wahrheit hat keine zeitliche Dimension.99) TP, S. 79.100) TP, S. 56. Wäre jedoch die göttliche Ordnung der Begriffe identisch mit der Faktizität derPhänomene, würde Willensfreiheit negiert und - da das Göttliche das Gute sein muß -dem Bösen Existenz zugesprochen werden. Dann erschiene, was Boethius "das Schlimmste,was sich ausdenken läßt" (TP, S. 154) nennt, das Gespenst des Determininismus: ,,{D}a diegesamte Ordnung der Dinge sich von der Vorsehung ableitet und menschlichem Planennichts freisteht, ergibt sich, daß auch unsere Laster auf den Urheber alles Guten zurückgeführtwerden. Also liegt natürlich auch kein Sinn darin, etwas zu erhoffen und im Gebet zuerflehen; wie soll denn jemand hoffen oder auch beten, da alles Wünschenswerte eine unabdingbareKette verknüpft? Aufgehoben wird jener einzige Verkehr zwischen den Menschenund Gott, ich meine des Hoffens und des Gebetes, ( ... )" (TP, S. 154f.; vg!. Boethius, Substanzen;S. 130)101) Boethius war im Kerker rucht einsam; die Philosophie besucht ihn nicht als überlegene Trösterin,sondern aus Leidenschaft: Mit der Eifersucht der Begriffe auf das Pathos ruft sie ihnzurück in ihre ,verkehrte Welt': .. Als sie nun die Musen der Dichtkunst an meinem Lagerstehen und meinen Tränen Worte eingeben sah, sagte sie ein wenig erregt und finster mitden Augen blitzend: Wer hat diese Bühnendirnen zu diesem Kranken gelassen, daß sie seineSchmerzen nicht nur durch Heilmittel nicht lindern, sondern mit süßem Gift nochnähren? Sind sie es doch, die durch das unfruchtbare Gestrüpp der Leidenschaften die früchtereichenSaaten der Vernunft ertöten und den Geist der Menschen an die Krankheit gewöhnen,nicht von ihr befreien." (TP, S. 42) Aber sie bringt - wie schon die Form der ,Consolatiophilosophiae', ihr Wechsel zwischen Prosa und Gedicht - beweist, eigene Musen mit(vg!. TP, S. 43).102) .At ego ad cognitionem intelligentiae er aeternitatis, qui rationalis sum et nihil extra tempusagnosco, aspirare qui possum? Haec ne Boetium quidem ipsum suspicior intellexisse, simodo vera sunt quae dixit, quod non credo. Non enim verum dicere censendus est cuiusorationem nec ipse nec alius intelligat." (De lib. ar., S. 7Off., 159ff., 30,)103) "Nescimus huius rei causam: quid refert? fide stamus, non probabitate rationum. [ ... ) Nolimusaltum sapere, sed timeamus ne simus philosophorum similes, qui dicentes se sapientes,stulti facti sunt; qui ne aliquid ignorare viderentur, de omnibus disputabant apponentes incaelum os suum, atque illud scandere, ne dicam rescindere volentes, ( ... )" (Oe lib. ar., S. 141,792ff., 106f.) Der Philosophie mit seinem Anspruch, über die Tatsachen der Welt und dieVethältnisse des Menschen Auskunft geben zu können, erscheint als Maulheld (vg!. Oe lib.M., S. 14lf., 800, 107) und - mit einem Tertullian-Zitat (Oe anima 1 in: Migne P. G. 35,112, p. 597) - als "glorie animal" (Oe vo!. III,viii,6, S. 264). Ohne Bezogenheit auf die ,ratiodivina' sind die Begriffe der Philosphie "quasi umbra sine cotpore" (De vo!. III,ix,l, S. 266):substanzlose Schatten. Auch hier wird deutlich, daß es Valla um Motivationsbegriffe geht.104) "Du forderst mich zu einer Sache auf, die am allerschwersten zu untersuchen ist. [ ... ) Sobeschaffen ist nämlich der Stoff: Hat man den einen Zweifel erledigt, wachsen unzähligeandere nach wie Köpfe der Hydra; und es gibt wohl nur dann eine Grenze, wenn einer siemit dem lebendigsten Feuer des Geistes bändigt." (TP, S. 136)105) In der Regel wird folgende Ausgabe verwendet: Lormzo Valla. On Plea511re I De voillptate.Translated by A. Kmt Hieatt and Mari5tella Lorch. lntrodllction by Mari5te/la de Panizza Lorch.N~ York 1977. (Zitiert als: De vo!.) Der Ausgabe liegt die letzte Version Vallas zugrunde.(Zu den Varianten und zur Textgeschichte vg!. Einleitung und Apparat.) DeutschsprachigeÜbersetzungen werden in der Regel nach Gerl, Rhetorik zitiert, der die Opera Omnia (Hr5g.ElIgmio Garin. Torino 1962) zugrunde liegen. Differenzen in der Zeichensetzung resultierenaus der Gerlschen Auflösung von Satzperioden.106) "refertis omnia ad inamen quandam sapietiam, undique perfectam, undique comsummatam."(De vo!. I,xii,l, S. 76; Übers. nach: Gerl, Rhetorik, S. 134 nach 1,907)426


107) "Nam quae affectata subtilitas est sapientem ita describere, ut nullus vobis testificantibusinventus sit, eum sol um beatum, sol um amicum, solum bonum, sol um liberum esse' [ ... }Quippe nemO adhuc sapiens fuit." (I, 907; Übers. nach: Ger!, Rhetorik, S. 134; die entsprechendeStelle De vol. I,xii,l, S. 76 differiert leicht.)108) "Und damit nicht jemand vielleicht weise sein könne, macht ihr in eurer Barbarei mehrLaster als Tugenden und denkt euch die unendlichsten und winzigsten Arten von Verfehlungenaus ... Doch wenn ein Schaden, und wäre es der geringste, dem Menschen anhaftet,wie es notwendig ist, so sagt ihr, dieser Mensch entbehre nicht nur der Ehre des Weisen,sondern sei sogar mit Schimpf und Schande zu vetwerfen." - "Atque ne quis forte [sapiens}esse posset, qua barbaria estis, plura quam virtutes vitia effecistis, & infinitissima ac minutissimapeccatorum genera excogitastis [ ... } At si una vel minima noxa, ut necesse est, hominiassit, bune dicitis non modo sapiencis carere honore, verum etiam omni dedecore esse& infamia deturparum." (1,907; Übers. nach: Ger!, Rhetorik, S. 135; = De vol. l,xii,2, S. 76)109) Wegen ihrer Verachtung aller Konventionalität gelten Vegio die Cyniker als Avantgard derStoa und insbesondere Diogenes als konsequente Personifikation der Implikationen stoischerPhilosophie (vgl. De vol. l,xii,7, S. 80): "Ich möchte schwören, (Diogenes) habe ausEkel vor dem leben Hand an sich gelegt .... Er durchschnitt sich die Kehle, nicht um sichzu ermorden, sondern um einem Fieber auszuweichen, wie er antwortete ... Seht, seht Diogenes,das Muster der Stoiker, der gegen sich selbst im Ringkampf kämpft, gleicherweisefür leben und Tod streitet, sterben und leben will ... " - ,,[ ... } quem [Diogenem} ausim iurareprae vitae taedio sibi manus attulisse. [ ... } Secabat sibi iugulum nec mortem sibi afferre,sed febrim effere respondebat [ ... } Videte videte Diogenem Stoicum specimen, gladiatoriamin seipso exercentem, nec vivece vult, nec mori, & mori vult & vivere." (1,957; zitiert nach:Ger!, Rhetorik, S. 169; Oe vol. II,xxix,7, S. 212 differiert leicht) Schätzenswert bei den Cynikernist allenfalls ihr scharfer Witz (vgl. De vol. II,xxix,10, S. 214).110) ,,[ ... } naturae mihi patrocinium sumo, una cum humani generis defensione, quem a superiorecausa non separatur, [ ... }" (1,905f.; Übers. nach: Ger!, Rhetorik, S. 137; = De vol. l,viii,6,S.72)111) ,,[ ... } simplicissimi sive stultissimi homines Stoici [ ... } ad tactum conspectumque murenarumquasi colubrorum fugiunt & pallescunt, quas nos non solum non refugimus, sed etiamin cibo summa com oblectamento praeparamus, & si caetera condimenta defuerint, hoc certenunquam deest, quod inter epulandum fere iocamur de rusticitate ac dementia Stoicorum."(1,908; Übers. nach: Gerl, Rhetorik, S. 139; = De vol. l,xiii,l, S. 80)112) Antonio führt aus: "Ac stultam [naturam} quidem dicere hominum est inconsiderate 10-quentium. Quod vero iniquius aliquid illa constituerit ne de hoc quidem ambigendum putarem,ni Cato accurata ut semper et vehementi oratione dubitandum fecisset. [ ... } Postremooro ac obsecro ne vos nam nunc moveat multitudo a me dissidentium nec plus studere atqueaccedere li beat hominum captionibus qui honestatem imaginariam quandam incroduxerequam legi nature. Illi magno ore decantant appetendas difficultates quod certe natura negat.Nos ipsius nature ium retinentes dicimus appetendas oblectationes, illi labores gratuitos nosiocunditatem, illi tormenta nos voluptates, denique illi necem nos vitarn. " - "Calling Naturefoolish is a proprensity of men who speak foolish. The possibility ofNature's having produceda wrong would not have seemed to me a proper subject for dispute, had Catone notraised doubts about it with a very exact (as always) and vehement speech. [ ... } Finally, I begand beseech you not to be moved by the multitude of those who dissent from my view, ansnot to find it pleasing to seek out and draw near to the argument of chose men who have introduceda kind of feigned virtue ( ... ) instead of accepting che law of Nature. These peopleloudly say over and over again ehat difficulties should be sought after, a notion that Naturececcainly denies. We, holding to Nature's own laws, declare that pleasure should be pursued;they recommend purposeless labors, we recommend mirth; ehey propose torments, wepropose pleasure; finally, they advocate deaeh, we advocate life." (De vol. II,xvi,3, S. 90)113) Vgl. 1,672f114) V gl. 1,67 3f.115) Vgl. TP, S. 162.427


116) ..[...} si propter omnia quae nescimus molestiam contraheremus, duram nobis et acerbam vitarnredderemus." - ..[...} wenn wir uns wegen allem, was wir nicht wissen, belastet fühlenwollten, würden wir unser leben hart und bitter machen." (De lib. ar., S. 66, 119f., 22,)117) V gl. Kapitel 2.l.118) .. Mihi crede: non irascitur natura nec contra nos genuit venena serpentum, noxios succos, efferataanimalia; que si recte accipias, pocius in nostram salutem facta sunt, siquidern pluracommoda accipiuntur ex illis quam incommoda. Quid enim foret medicina nisi herbe, nisisemina, nisi animantes, nisi ipsi etiam serpentes essent?" (De vol. I,xiii,6, S. 82) Die Tatsache,daß natürliche Dinge dem Menschen Schaden zufiigen und ihn sogar töten können,resultiert nicht aus der Verfassung der Natur selbst, sondern ist Produkt seiner kreatürlichenEndlichkeit. Da diese wiederum keine Privation der Ewigkeit mehr darstellt - s. u. -,kann sie keine Negativierung weltlicher Erfahrung bewirken, sondern ist als an sich wertfreiesFaktum der Existenz zu akzeptieren.119) ..[ ...} id demum bon um dici debere in quo untrunque concurrit quod recipit et quod recipitUf,ur oculi er nitoe, palatus ee malum punicum ee item reliqua. Quare voluptatem rectebonum apellarnus que ex his arnbobus quasi utroque parente perficitur. Porro animus et corpusrecipiunt, externa recipiuntur." (De vol. I,xxxi,l, S.114)120) Boethius spricht .. bei beweglichen Tieren" von .. Vorstellungen", .. denen schon Regungen,zu meiden oder zu erstreben, innezuwohnen scheinen." (TP, S. 161)121) .. eerte ita sunt ornnia viventium bona ur si qua mortuis concedi videntur, iis tarnen vivifruamur, ur magnificentia sepulchrorum, statue maiorum que non i11is mortuis sed posteriseius familie quoad vivunt ornamento sunt" - .. Certainly all goods belong to the living in socomplete a sense that we really have the use and enjoyment of the goods that seem to beconceded to the dead, like the magnificence of tombs and the statues of ancestors, which arean ornament not to those who are dead but to the descendants of the family as long as theylive." (De vol. II,ix,2, S. 155)122) TP, S. 84.123) .. Cuius rei ut fundamentum iaciam, nihil est generi animantium tarn a natura tributumquaITI ur se, vitam corpusque tueatur declinetque ea que nocicura videantur. Nunc autemquid magis vicam conservat quarn voluptas, ur in gustu, visu, auditu, ocIoratu, taccu, sineguibus vivere non possumus, sine honestate possumus? Ita si guis in aliquem sensum acerbuset iniurius fuerit, contra naturam facit er contra suam utilitatem." (Oe vol. I,xxxv,l,S.116)124) "Nunc quomodo ineruditis perceptu [honesti} sit faciJis? At voluptatem ipsa etiam infantianotam habet." (I,xlvii,2, S.128; vgl. I,xlvii,l, S. 128)125) Das ,ingenium namrae' (De vol. I,xx,3, S. 98) intendiert Schönheit als formale Qualität; diesebewirkt Positivität der Erfahrung. Damit wird Kommunikation tendenziell zum Austauscheiner affektisch positiven Wahrnehmung, welche dann durch sympathetisches Feedbackverstärkt wird. Selbstdarstellung der Schönheit liegt unmittelbar im Interesse der Subjekte;Häßlichkeit ist Deformation, die schöne Sozialität negiert und zugleich auf sie verweist:.. Mehereule, si omnes viri et femine deformes essent, [...}, in solitudinem fugerem etconspectum hominum quasi serpentum devitarem." - "By Hercules, if all men and womanwere ugly, [...} I would flee inro the desert and avoid the sight of human beings as thoughthey were snakes." (Ebd.; vgl. De vol. I,ix,6, S. 96) Ideal ist ,schöne Ordnung'; konzeptionelleBedingung ihrer Möglichkeit ist zumindest residualer Platonismus, der ein Arsenalontologisch-metaphysischer Figuren hypostasiert, in denen die Interessen der Subjekte übereinkommen(zum Platonismus der Wahrnehmung vgl. Dialecticae Disputationes I,xiif., in:I, S. 67lff.). Nicht nur in bezug auf die Statik, auch in bezug auf die Dynamik der Praxiswie der Wahrnehmung beruft sich VaJla durch Vegio auf Plato, identifiziert platonischeLiebesmetaphysik mit der ,lex natura' der Lust (vgl. De vol. I,xxxixf., S. 118, vgl. auchDe vol. II,xxvii,4, S. 198). Antonios Rede transformiert schließlich ins Christliche. BeideAspekte werden mit den ersten beiden Personen der Trinität identifiziert: Die Stasisentspricht dem Blick des Dritten, dem Argusauge Gottvaters, wie VaJla selbst formuliert(vgl. De vol. I1I,xvii,l, S. 284); die Dynamis der Interpretation Christi als Kultivator der428


gefallenen Erde und Personifikation der caritas (vgl. De vol. III,xi,1, S. 268). Er, in seinerEigenschaft als omnis homo, als Idealbegriff des Menschen, wird einst als "Deus-homo" den"homo-Deus" erwarten (vgl. Oe vol. III,xxv,22, S. 314). Eine ,Naturalisierung' formalerMuster bedeutet in praxe Verabsolutierung habitueller Werturteile; auf gesellschafclicherEbene verstellt sie die Gewalt personaler Rollenzuweisungen.127) "Que dixi externarum rerum ae iccirco bona appellantur quod animo et corpori ex quibusduobus constamus voluptatem parant. Nam a1iter per se nihil prosune. Quid enim pecunie,quarum amore plerique est maxime capiuntur, valebunt, nisis aut nunc utamur aut in futurosusus id est voluptates reservemus? Sine hac enim cogicatione si qui pecunias atque opeshabent, simillimi mihi videntur draconibus et gryphis, qui in quibusdam regionibus maximamvim auri atque gemmarum si bi inutilem, nisi forte visu delectantur, non segnius adaccessu hominum atque ereptione tutantur quam cibum aut teneram pro lern tutarentur." -"What I have described as goods proceeding from the external world are termed goods becausethey produce pleasure for the soul and ehe body, out of wh ich two things we are constituted.Otherwise, these external things are of no use. What, for example, is the purpose ofmoney (which most people love) unless we use it now or save it for future use, for futurepleasures' Onless men with money and riches realize this, chey would seem co me like thosedragons and griffins of certain regions, who guard from the approach and theft of man ahoard of gold and precious stones - which are completely useless to these beasts unless theytake pleasure in looking at such things." (De vol. I,xxvii,l, S. 92)128) Für Vegio ist weibliche Schönheit Paradigma und Helena deren Exemplifikation (De vol.I,xix, S. 92f.). Aber Vegio selbst besitzt für Valla als Genußmensch weibliche Attribute; inihrer Affekitvität wie im Bemühen um Gefallen ist die Rhetorik ,feminine Sprache', stehtgegen Arbeit und Härte des Begriffs, wie sie Männern eher möglich ist, da sie leichter zuEnthaltsamkeit in der Lage sind (De vol. l,xlv,9, S. 126). Freilich scheint der "amor veritatis"(De vol. III,iii,3, S. 224) nur durch den Trick vermittelbar, daß die Präsenz irdischerSchönheit "nullo velata integumento" (De vol. l,xx,2, S. 98) als Integumentum der transzendentenMotivationsbegriffe mißbraucht wird, weil auch das begriffsmächtige Individuumletzclich doch Jaboribus fructum spere{t}" (De vol. III,vii,2, S. 262), - wenngleich esdie Freuden des animal wegen ihrer Vergänglichkeit und aus Furcht vor ewiger Tristessescheut.129) Zunächst preist Vegio die Schönheit Helenas und kritisiert den Besitzanspruch Menelaos',der allein den trojanischen Krieg verursacht habe (De vol. I,xvii, S. 93ff.) Valla erwähnt ananderer Stelle Gorgias namentlich (De vol. II,ix,2, S.157), bezieht sich aber nicht explizitauf dessen Helena-Rede. Nicht Schönheit, sondern das Verlangen nach ihr ist Kriegsgrund:"Formosi non fere pugnant illi quidem, sed tamen, quod magis est, pro pulchris rebus inbello decernitur." - "Those who possess beaury do not themselves conduct war, but, what istmore important, wars are fought co obtain beautiful things." (De vol. l,xix,2, S. 94). DerEpikuräer Vegio identifiziert Schönheit und Begehren; folgerichtig optiert er für eine Intensivierungdes Austauschs und klagt das ,Verbrechen' der Jungfräulichkeit an (De vol.I,xlv, S. 122f.). In der Aufhebung des Stoa-Epikurismus-Gegensatzes der ersten beidenBücher löst Antonio den Begriff der Schönheit vorn irdischen Gegenstand der Begierde, indemer ihn durch die Vorstellung englischer Schönheit überbietet und den ,apetitus feminarum'(De vol. 111, xxii,3, S. 292) als Gefahrdung und dem Sekuritätsbedürfnis des Subjektswidersprechend behauptet (De val. III,xxiif., S. 29Off.). Lust auf weibliche Schönheiterscheint - wie diese selbst im Vergleich zur englischen - als ,deformitas' (De vol.III,xxiii,6, S. 294). Damit wird Schönheit Zum transzendenten Attribut, ihre Erscheinungin den Dingen zum defizienten Modus ihrer selbst (ihres Begriffs) und die ästhetischenKontemplation vom Begehren getrennt. Hatte der Epikuräer noch fur die (Statue einer) unverhüllte{n)Diana als legitimes Lustobjekt Actaeons votiert (De vol. l,xx,2, S. 98) und gefordert:"Qui pulchritudinem non laudat hic aut animo aut corpore cecus est et si oculos habet,illis orbandus quos se habere non seneit." - "Anyone who does not praise beauty is blindin either his soul oe his body, and ifhe has eyes, he ought to be deprived of those organs thathe is not aware of possessing." (De vol. l,xx,3, S. 98); so wird jetzt mit der Engelsschönheit429


erneut eine pulchritudo gefordert, ,,(...) inquam non que libidinem i ncederet , sed queextingueret et sanctissimam quandam infunderet religionern. " ..(... ) a beauty, (... ), that doesnot inflame but extinguishes lust, and infuses a most sanctified religious awe." (Oe vol.III,xxiii,6, S. 294)130) Et negabit aliquis rnares feminasque ideo conspicuos nasei presereim in mutuam benivolentiamproclives nisi ut videndo, una contubernium habendo ac simul vitam traducendooblecte-ntur;>" (Oe vol. I,xx,3, S. 98)131) ,,(... ) primum quidem est ut malo careas, periculis, solicitudinibus, laboribus; sequens utameris, qui est fons omnium voluptatum." (Oe vol. II,xv,6, S.17 2)132) ,,(...) qui nobis noeent eos odio, qui prosunt hos amore prosequimur." (Oe vol. II,xxii,6,S. 182)133) Gegen Catos vireus-Ideal gerichtet, formuliert Vegio: .. Idem enim ucile est quod voluptuosum,rectum quod honestum, licet aliqui sint qui utile a voluptuoso separent, (....) Quidenim utile voeabitur quod non sit aut honest um aut voluptuosum? Nihil est utile quod nonsentiacur; quod autem sentitur aue iocundum aue iniocundum est.·· - ~.For ehe expedientcoincides with the pleasurable, whereas the rigtful coincides with vireue; although there aresome who distinguish the advantageous from the pleasurable, ( ...) What indeed would becalled advantageous, or profitable, if it were not either rightful or pleasurable? Nothing thatdoes not touch our sen ses can be advantageous; what we can feet or sense is either pleasurableor not pleasurable." (Oe vol. I,xiv,I, S. 88)134) ,,(...) ea demum dicenda utilitas que aut citra damnum aut ceree ipso damno maior est." (Oevol. II.xv,3, S. 170)135) V gl. Oe vol. II,xvi, S. 172f.135) ,,(...) miserationem nobis namra communem cum ceteris anirnalibus dederit." (Oe vol.II,xxi,4, S. 178)136) "Quomodo igitur, inquies, si dementia ad honestatem non refertur, refenur ad voluptatem?Quod presens illa redditur merces, quod ex hoe quod succurrunt capiunt voluptatem." -",How then; you ask, ,can mercy depend on pleasure, if it does not depend on virtue?' Itdepends on pleasure in the sense that it gives an immediate reward, if those who give aidreceive pleasure." (Oe vol. II,xxi,6, S. 180)137) "Assuescendum est itaque quotidianis experimentis, ut sciamus ex hominum commodisdelectati annitendumque ut ab illis amemur." (Oe vol. II,xvi,3, S. 174)138) Vgl. Oe vol. 11 ,xxxiv, 1, S. 226.139) "Etenim ipsi legum latores, ut qui essent aut reges aut viri in civitate primarii, ne quid deipsorum imperii magnitudine, stabilitate, tranquillitate deperiret (missam facio gloriarn),leges condiderunt, turn invitantes premiis animos ad prestanda commoda patrie turn deterrentessuppliciis ab importandis incommodis." (Oe vol. II,xxiii,I, S. 184)140) Oe vol. I,xl,I, S. 118.141) "Communitas autem et patitas inter homines parens est benivolentie et pacis." (Oe vol.II,viii,8, S. 154) Id~ gesellschaftlicher Verfassung ist der oikos des himmlischen Jerusalern,wie ihn Anconio im zweiten Teil des dritten Buches seinen Zuhörern vor Augen fuhre (Oevol. III,xxivf., S. 297ff.). Auch dieser ist zwar sowohl patriarchalisch (vgl. Oe vol. III,xxv,13,S. 310), als auch ständisch (vgl. De vol. III,xxv,6, S. 308) strukturiere, doeh bedingt dieAsymmetrie persönlicher Accribute dort keine Konkurrenz und der Besitz von Tugenden istnicht mehr mit Arbeit verbunden (vg!. Oe vol. III,xxiv,4, S. 296f.). Antonio beschreibt dieMechanik einer Gesellschaft universellen und äquivalenten Tausches, in der subjektives Vermögenmit öffentlichem Bedürfnis und persönliches Interesse mit dem allgemeinen zusammenfällt- beschreibt also bürgerlich-egalitäre Utopie - im Paradigma ästhetisch-visuellerWahrnehmung. Don sind die Imponderabilien der Existenz abgelegt, schöne Identität (formalist gewiß, und Genuß kann präsent sein, weil die Sorgen der Zeitlichkeit und damit dieBedingungen kalkulatorischer Rationalität entfallen: "Iam times formam amittere, dolesamissa vel imminuta, in ipsa quoque amicula cuius specie aut aliqua commendatione delectarisnunquam securus es, times ne quis tibi preferatur, ne quis soeius adiungatur. Nihilharum in celo est ineptiarurn, nihil harum molestiarum. Tibi tua pulchrimdo iocundissima430


est nec minus aliorum, vicissim ipsis aliis «)ue tua ac sua, sine invidia, sine emulatione.Audacter dixerim ut quisque pulcherrimus, ornatissimus, beatissimus, ita maxime ceterosomnes gaudere atque letari. Quare non dubitaverim dicere singulorum bona cum universisesse communia." - "Y ou already are afraid of loosing your looks [formam); you are pained ifthey are lost or diminished; you are never shure of the very girl friend in whose beauty andits praise you take delight; you are afraid that she will prefer someone to you, that anotherwill join you in loving her. But in heaven there will be none of these absurdities andtroubles. For you your good looks will be no less completely a source of joy than those ofothers, and in turn to others your beauty and theirs will be equally a cause of happiness,without envy or simulation. I dare to say that whoever is most beautiful, adorned and blessedwill give the most joy and happiness to all the others. Hence I maintain without doubtthat the goods of the individual and of the whole are here identical." (Oe vol. III,xxiii,9,S. 296) In Kürze: Die Identität allgemeiner Motivationsbegriffe ist gesichert, weil Konsistenzder Vethältnisse und Reziprozität des (ästhetischen) Waren tausches bloß subjektivistischesInteresse durch je subjektives Interesse am allgemeinen Kommerz usurpieren. Kalokagathiedes homme formuliert die Utopie des Warenverkehrs. (Zur Ablösung des oikos­Konzeptes in der Renaissance vgl. Bauer/Matis, Geburt, S. 43ff.; zur Geltung vgl. Burke,Renaissance, S. 251ff.)142) "Etenim non solum leges, [ ...), ad utilitatem que voluptatem parit invente sunt, verumetiam urbes ac civitates. In quibus, quod ad magistratus perrinet, nemo unquam princeps,administrator, rex delectus est nisi ex quo sibi magnam expectarent homines utilitatem."(Oe vol. II,xxxii,1, S. 220)143) Vgl. De vol. I,xxiii,2f., S. 103; Oe vol. I,xlviif., S. 128ff.; Oe vol. II,xxviii,22, S. 208 u.Oe vol. III,xxiv,15, S. 303.144) Vgl. Oe vol. II1,v,7, S. 255.145) ,,[...) quod enim Oeus praesciscit aliquid ab homine faciendum, ut id facias nulla necessitasest, quia voluntate id facis: quod autem voluntarium, hoc nequit esse necessarium ... - "Daßnämlich Gott etwas, das von einem Menschen getan werden wird, votherweiß, bedeutetnicht, daß es mit Notwendigkeit getan wird, denn es wird willentlich getan. Was aber willentlichist, das kann nicht notwendig sein." (Oe lib. M. 233ff., S. 78)146) ,,[...) contemplari nihil aliud quam progressionem esse discendi, quam eandem turn commentationemturn excogitationem dicimus, quod hominum est non deorum." (Oe vol.II,xxviii, S. 201) ,,[ ... ) ut virtutum actio ita et contemplatio laborosa est, {...)" "Briefly, contemplation,like virtuous action, is laborious." (Oe val. II,xxviii,16, S. 205)147) Vgl. Oe vol. III,iv, S. 237ff.148) Die Maxime lautet: ,,[...) ne minora bona maioribus temeritate aliqua anteponamus ... - ,,{...)we should be careful not to put lesser goods ahead of greater ones for some cash motive." (Oevol. II,xxvii,4, S. 1%) Die Fähigkeit zur Wahl ist fur Valla Spezifikum menschlicher Praxis(vgl. Oe vol. I,xxvii,l, S.110f.).149) Hoffnung überwindet die Kairologie der Lust und ersetzt sie durch die Linearität absoluterMotivationsbegriffe (vgl. Oe vol. III,viiif., S. 262ff.).150) "Explicemus autem quid proprie sit contemplatio et quidem aucrore philosophorum principePythagora. Is inquit eos qui ceteris rebus pro nihilo habitis rerum naturam studioseintuerentur, simillimos esse illis qui ad mercatum profiscerentur qui haberetur magnoludorum apparatu totius Grecie celebritate, non ut exercendis corporibus gloriam et nobilitatemcorone peterent, non emendi ac vendendi sed, quod liberalissimum ac maxime ingenuumest, visendi causa studioque perspiciendi quid ageretur." - •.Let us, then, explain exactlywhat contemplation is according to Pythagoras, chief among philosophers. He says thatthose who neglect all else in order ro concentrate their attention on the nature of things arelike people who, having gone to a fair that is carried on with many athletic contests and isattended by the whole of Greece, do not seek to the glory and celebrity of victory throughthe exercise of their bodies, and do not seek to buy and seil, but seek to see and examinewhat takes place there, which is the noblest and most honorable activity of al I. .. (Oe vol.II,xxviii,6, S. 198f.)431


151) Da es Valla um Qualitäten geht, gilt die Maxime: "N ihil recte fit nisi voluntario. " - "Nothingis done rightly unless it is on a voluntary basis." (De vol. I,xlv,8, S. 126) auch fürWahrnehmung, denn die Suche nach Konstanten ist ein Resultat der Fixierung des Willensauf Ewigkeit und der Wille zur Wahrnehmung Resultat der Positivierung von Erfahrung.152) Tiere sind "muta atque irrationabilia" (De vol. II,v,2, S. 250): stumm (eigentlich: unartikuliert)und unvernünftig; ihre Wahrnehmung ist von Natur aus auf das ftir die ArterhaltungNotwendige beschränkt, ihre Handlungen folgen dem Instinktschema von Reiz und Reaktion.Zwar reagieren sie nach dem Lustprinzip, zur Wahrnehmung oder gar Vermittlungvon Lust - zur ,oblectatio' - sind sie jedoch nicht fähig (vgl. De vol.I,xxvii, S. 110). Dazubedarf es menschlicher Willensfreiheit; sie findet ihren Niederschlag in Sprache, die demMenschen eigentümlich und natürlich - "proprium ac naturale" (De vol. I,xxiv,3, S. 106)-,die aber in ihrer Konkretion - als Akt - den Bereich des Natürlichen übersteigt: "Loguienim ipsa natura non possumus, { ... }" - "For by the power ofNature alone we cannot speaka language { ... }" (De vol. I,xii,4, S. 78) Willensfreiheit als Freiheit-von-Natur bestimmt denMenschen als zoon logon echon, indem sie den Kausalzusammenhang instinkt geleitetenVerhaltens durchtrennt und an seine Stelle eine - idealiter freie, realiter konventionelle -Relation von externem Stimulus, rezeptiver Potenz und idealiter: subjektivem, realiter: konventionellemUrteil- kurz: eine Zeichenrelation - setzt. Auch Sprache ist dabei wesentlichqualitativ zu verstehen: Als Fähigkeit, Empfindungen Ausdruck zu verleihen C.loqui sensa":De vol. I,xxiv,l, S. 104).153) ,,{ ... } complures res esse que appelationibus carent, { ... }" - ,,{ ... } there were very many thingslacking names, { .. .}" (De vol. III,iv,6, S. 238)154) "ut absurdum sit , { ... }, que tempus distraxerit es sub unum tempus velle coniungere." (Devol. III,iv,8, S. 238; vgl. De vol. III,iv,l1, S. 240)155) "Quod si quando hoc faciendum esset, malern ut faceremus in nobis, non quia velim nos esseinquios in nosmet iudices, sed ne force nos amor nostci fallar. Certe eum de aliis iudicamus,ne qua tacita invidia aue odium a cognoscenda iusticia nos aue veritace diducat, in rneliorsemper partem iudicium nostrum propendeat { ... }" - "If sometimes we must put the worseconstruction upon actions, then I should prefer us to do it to ourselves, not because I wantus to be unfair judges of our own behavior, but so as to avoid being deceived by self-Iove. Tokeep hidden envy or hate form distorting our perception of justice or truth when we are judgingothers, our decision should always indine toward the more benevolent interpretation,{ .. .}" (De vol. III,iv,30, S. 250)156) V gl. De vol. III,iv, S. 236ff., bes. 23-25, S. 246.157) "Quotidiana enim et communia non appetitum movent sed fastidum et gaudemus insupersuperare que obstabant." - "Common and everyday things arouse not desire but aversion,and we especially rejoice in overcoming obstades." (De vol. III,v,10, S. 254; vgl. III,vi,l,S. 258)158) Die Maxime lautet: "Ad futuram felicitatem semper animum extendito." - "Always let ourspirit stretch out in the direction of the future happiness." (De vol. III,xxiii,8, S. 294) Denn:"Itaque, cum non credimus ea que de futuro regno predicantur, non optamus illa que profalsis ducimus." - "Thus, when we do not believe what is preached concerning the kingdornto come, we do not desire these rewards because we eonsider them false." (De vol. III,xx,2,S. 286 - vertauscht mit 288!)159) V gl. De vol. II,viii,6, S. 264.160) Den zweiten Teil seiner Rede, die Vorstellung des himmlischen Jerusalern, bezeichnet Antonioals ,,{ ... } sermo{.} de premiis christianorum" [ ... } - ,,{ ... } discourse on the rewards ofChristians ... (De vol. III,xvi,4, S. 282)161) "Similis est anima hominum, inquis, anime brutorum. Quid similius quam lumen stellarumlumini lueerne? Et tarnen hoc mortale est, illud eternum. Ita anima, quam prise i dieebantesse flamme i vigoris, alia est hominum alia brutorum. Tu eomparasti aetionem eum actione,ego substantiam cum substantia." (De vol. III,vii,4, S. 260)162) "Agedum figuremus animis atque fingarnus quod oculis cernere non possumus." (ln,xxi,l,S. 286 - vertauscht mit 288!)432


163) .. Opereprecium tamen erit ut imaginari temptemus. Nam cum excogitaverimus optimumquendam beatudinis (prout imbecillitas ingenii fert) stacum, pro quo assequendo milies, utaiunt, mortem oppeteremus, debet intelligi quantum pro illo annitendum sit cuius ne mimimamquidem pattern complecti mens humana sustineat. Hec cogitatio facit ut nunquamab illius desidero avocemur, [.. .}" (Oe vol. III,xx,1 (S. 286 - vertauscht mit 288!)164) V gl. Oe vol. III,xx,2, S. 286 - Vertauscht mit 288!165) .. Valebit autem hec res simul ad infundendam illis fidem, simul ad augendam in nobis spematque caritatem. Temptabo igitur [ ...} que in animo meo agitare soleo promam." (De vol.III,xx,2, S. 286 - vertauscht mit 288!)166) Für Valla ist die translative Sprache der Bibel Modell einer Sprachform, in welcher der Gegenstanddie menschliche Möglichkeit adäquaten Verständnisses und angemessener Wiedergabeübersteigt, die aber dennoch die Spur seiner Kraft und Wertigkeit - Überzeugungskraft- bewahrt ... Oe Evangeliorllm maiestate vix audeo dicere. Que omnia dum legimus,nescio in quem tune altiorem locum animo supcollimur et inenarrabili quadam nos occuparisuavitate sentimus." - .. Concerning the majesty of the majesty of the gospels, I hard­Iy dare to speak. While we are reading those things, we are transportet in mind into I knownot what loftier place, and we feet ourselves filled with some ineffable sweetness." (Oe vol.111, xviii,4, S. 288 - vertauscht mit 286!) Da der Gegenstand ,,[...} sub intelleccum non cadat,[ .. .}" - ..[... } cannot be intellected, [...}" (Oe vol. III,xix,2 S. 289 - vertauscht mit 287!)muß diese - noch - sakrale Version des Kunstgenusses ihren Gegenstand auf Umwegenbedeuten: .. Quancus illius [Deus} in nos amor est quem huiusmodi significavit documenco?ut inenarrabile sit quid per hanc rem sperare iubeamur. Ideaoque videmus de his rebus perallegorias et enigmata fieri mentionem, quod dedarabat Moyses cum ad populum velatafacie loqueretur." - "How great is his [Gods} love for us, who has given us chis proof of it?So that we are told to hope for through it cannot be expressed. Thus we see that these thingsare indicated through allegories and mysteries, as Moses showed by addressing the peoplewith his face covered." (Oe voI.III,xviii,4, S. 288 - vertauscht mit 286!)167) V gl. Oe vol. III,Prooem., S. 228f.168) Antonio präzisert die Lichtmetaphorik des Wahrnehmungsparadigmas: .. Oe unius non deinvicern se intuentium oculis loquor." - .. I speak of the eyes of one person, not of two personslooking at each other." (Oe vol. III,xiii,l, S. 274) Diese Monologie der Wahrnehmungin Gott als dem Autor der Natur wie der (naturtranszendenten) Motivationsbegriffe und alsUrsache ihrer Aktualität wird durch den Kontext des Zitats noch deuclicher: .. Quod videturnon id est quod videt, nec quod videt ipsa res est que videtur. [ ...} In Oeum hec ambo concurruntqui et nos produxic ex nihilo aptos bonis fruendis ut se plus quam nos amare debeamus,et hec ipsa suppeditavit bona." - .. What is seen differs from what sees; and the entitythat does the seeing is not the same as the seen one. [...} Both these elements concur in God:he created us from nothing, ready to enjoy good things, so that we ought to love hirn morethan ourselves, and it was he who also supplied these same good things abundancly." (Ebd.)Im Schwerpunkt des Dreiecks qualitativer Wahrnehmung Subjekt-Objekt-(emotives)Zeichen- wacht das Auge Gottes.169) Oe vol. I1I,xxvii,3, S. 320.170) ..[...} imperacrice [ ...} et [ ...} regina" (Oe vol. 1,x,3, S 74).171) Oe vol. II,xxxii,2, S. 220.172) Oe vol. I,xlvii,2 u. 3, S. 130.173) Oe vol. l,xlviii,1, S. 130.174) Oe vol. I,xxii,3, S. 100.175) Oe vol. III,i,l, S. 228.176) ..[...} magna vis orationis in delectando est." (Oe vol. I,Prooem., S. 52)177) Vgl. Oe vol. I,xii,ll, S. 86.178) .. At orator multis et variis rationibus uticur, affen concraria, exempla repetit, similicudinescomparat et cogit etiam latitantem prodire vericatem" - "The orator makes use of many differentprocedures: he brings in conerary poines, seeks out examples, makes comparisons, andforces even the hidden truth co appear." (Oe vol. III,xii,6, S. 272; vgl. I,xiii,12, S. 86)433


179) V gl. Oe vol. III, vii,2-4, S. 258f.180) V gl. Oe vol. III,iv,15, S. 242.181) Vgl. Oe vol. I,xiv,l, S. 88.182) V gl. Oe vol. III,iv,16, S. 243 u. III,Prooem., S. 228f.183) Vgl. Oe vol. I,xxiii,3, S. 100.184) Vgl. Anm. 166.185) Vgl. Oe vol. III,xv, 1 , S. 278.186) "Etsi nulli dictis inventi fuissent honestatis amatores, nos tamen anniti debere ut tales simus,sicut veterum plerique fecerunt qui cum null um sapientem reperturn putarent, tarnenut sapientes forent elaborabant. Recta sane ratio si de assequendis artibus preciperes, in hoctarnen loco respuenda. Narn cum fateamini veteres elaborasse ut sapientes forent idque consequinequivisse, ab eoque longissimo intervallo abfuisse, spem nobis affertis isto exemploposse nos evadere sapientes, an timorem id non esse temptandum quod eflici omnino nonpossit? [ ... } Preterea, in ceteris artibus qui superiores vincere contenderant fere semper aliquideffecerunt. Nunc autem, cum nemo unquam ne minimum quidem honeste egerit, nonest quod consulas appetendarn honestatem quam intellegis veteres vel non potuisse consequivel noluisse. [ ... } Cum iam probat um sit honestatem rem inanem et imaginariarn esse." (Oevol. II,xxiv,lf., S. 186)187) Die varietas scheint anthropologisch zunächst eher negativ, da sie auf kreatürlicher Unrastbasiert (vgl. Oe val. I,xiii,9, S. 84 u. I,xxxvi,l, S. 116) und damit vom der Betrachtung deswahren Guten ablenken könnte. Aber schon Vegio weiß die Verschiedenheit der Phänomenenicht als Durcheinander, sondern als differente Manifestationen (oder Inkarnationen)eines Prinzips zu deuten und formuliert dabei ex negativo die Bedingung der Metaphysizierungder varietas wie deren Gefahr: ,,[ ... } rerum parens natura feminis multis dedit faciem,ut inquit Terentius, honestarn ac liberalem. Quam ob causam, queso? ut ornamento illas afficeretan tit contumelia? Ut hoc dono ille fruerentur an nihil curarent? Certe ut fruerenturatque gauderent. Alioquin non esset causa cur ita studiose in fingendis vultibus ipsa naturaelaborasset. Nam quid suavius, quid delectabilius, quid amabilius venusta facie? Adeo vixipse in celum intuitus iocundior esse videatur. Cum eo quod aliud quoddam inenarrabile artificiumin humanis vultibus cernitur, ut mihi sepe miraculum suheat in tanta ut videmusformosorum vultuum varietate ita tarnen magnam esse pulchritudinis paritatem ut cumOvidio dicere possimus: ,Copia iudicium sepe morata meum est .... - "Nature, the mother ofall things, gave many women a face, as Terence says, ,beautiful and generous.· For whar reason,I ask? In order to embellish them or to offend them? So that they would have the useand enjoyment of such a gift, or so that they would pay no attention to it? Certainly so thatthey would use it and delight in it. Otherwise, there would be no reason for Nature to havetaken such zealous pains in fashioning their faces. Indeed, what is sweeter, what is more delightful,what is more lovable than a pretty face? Even the contemplation of the heavenswould hardly seem more agreeable. It should be added that yet another inexpressible feat ofskill can be seen in human faces, so that for me it seems almost miraculous that in so great avariety of beautiful faces beauty should remain constantly sublime. Thus we might say withOvid: ,Their number has often made my judgment waver ... • (Oe vol. I,xx,l, S. 96; die Binnenzitateaus: Terenz. EII"lIChlls 4.4.15 und O"iei. A,.s amalfWia 1.98.) Antonio braucht nurnoch die Arbeit der natura naturans als Arbeit des Schöpfers zu interpretieren und amplifizieren,um eine Vorstellung himmlischer Freude zu vermitteln: "Aderit itaque varietassplendorum, ornamentorum, oblectationum siquidem cuiusque oculi in sui corporis et aliorumintuenda maiestate pascentur." - "There will be a great variety of splendors, adornments,and delights, so that the eyes of each of us will be fed by beholding the majesty ofhisown body and others." (Oe vol. III,xxiv,9, S. 300) Zum Konzept der varieras bei Valla undin der Kunst der Renaissance vgl. Maristella de Panizza Lorch in der Einleitung (Oe vol.S.39f.).188) "Sic enim tua me advocavit oratio et tot um in divine claritatis considerationem transtulit utnoctem nisi significasses [ ... } advenisse non cognoscerem." (Oe vol. III,xxvi,l, S. 318)189) Vgl. Ueding/Steinbrink, Grundriß, S. 212ff.434


190) "Et sunt qui nostram conscientiam, securitatem, tranquillitatem mentis cavillentur, quasiassidue Furiarum faces in vultus atque in oculos nostros intentius in morem Orestis habeamus,cum tam sedatum pecus hominis videant qui et anteacte vite gratias agit et adventantiafata serenis ad placidis oculis intuetur nec aliter mortem habet invisam quam noctis tenebraspost solis occasum." (De vol. II,xxix,14, S. 214) Zwar wird diese irdische serenitasdes Epikumrs durch die himmlische des Christen überboten, doch bleibt der Argumentationsganggleich. Wichtiges Argument rur die serenitas ist, wie Vegio Quintilian zitierendanführt, daß sie die A-Sozialität der Stoiker, deren "vultum et tristitiam et dissentientema ceteris habitum" - zornige Miene, Melancholie und Exklusivität - meidet (De vol.II,xxix,12, S. 214 nach: Quint. Inst. or. I,Prooem.,15). Die Induktion transzendenter Begriffemuß zwar auf affektive ,Dialektik' von spes et metus - Hoffnung und Furcht - rekurrieren,aber dieses argumentationsimmanente Affektpaar hat die serenitas des ,Gläubigen'als Telos.191) Vg!. De vol. I,xliiiff., S. 122: Rede der Jungfrau u. xxiv, S. 104: Wein.192) "Et confutavi sive damnavi utrorunque dogma epicureorum atque stoicorum docuique apudneutros atque adeo apud nullos philosophos esse vel summum vel expetendum bonum, (...)Verumenimvero non est satis ostendisse quod et ubi sit hoc bonum, nisi et quale et quantumsit, prout vires ferunt, explicemus. Nullum enim motum affert animis oratio que paucisverbis expedita pretervolat, cum pleraque sint aperienda, illustranda, infingenda, utiqueubi magna res agitur. Et si Vegius, cum partes defenderet voluptatis sibi faciendum putavitut non modo doceret audientes quantum bonum sit vol uptas, verum delectare etiam ac moveresummo studio elaboravit ut nostros animos ad assentiendum adduceret, nonne erit edignitate nostri ut ita dicam dogITlatis huic cause patronUITl non deese et a laude perfecti boniperfecteque voluptatis referenda non supersedere nec taITl venerabilern materiam inhonoratamperteriri? Presertim quod suptimeo, id quod in me experior, ne tarn accurata et longVegii oratio mentes affecerit. Nam si iis qui diutius in aqua comITlorati, quamvis posteaabstergant artus, tamen tacitus humor deseendit altius atque insedit ita ut corpus egrotarefaciat, quid de Vegi sermone suspiciandum est, qui multitudine disputationum aures nostrasoccupavit, delectatione interius influxit? Viribus vero atque impetu irrupit in affeccusintimos atque penetravit et mentem de statu suo pene demovit." (De vol. III,xv,1f., S. 278;vgl. De vol. III,xxvii,3, S. 320)193) Das Ingenium dominiert das rationale Denken, da es als Funktion des Willens - und damitdes hegemonialen Vermögens der Praxis - den Akt des Denkens initiiert: ,,(...) errant quiintellectum voluntatis dominum imperatoremque constituunt. Ausim dicere nec doctoremquidem illum esse voluntatis: non docetur voluntas, sed ingenium seipsum laborare suo docet(...): ita ipsum voluntas ducem habet." - "Jene irren, die den Intellekt zum Herrn undBeherrscher des Willens aufstellen. Ich möchte es wagen zu sagen, er sei nicht einmal derLehrmeister des Willens; der Wille wird nicht gelehrt, sondern das Ingenium belehrt sichselbst in eigener Mühe (...), SO hat der Wille das Ingenium zum Führer (De vol. 1,664;Übers. nach: Ger!, Einführung, S. 158; vgl. auch: De vol. III,Prooem., S. 2280. Ger! betont,in Vallas Konzeption sei das Ingenium zwar frei, aber nicht willkürlich: "Vielmehrliegt im Ingenium insofern eine innere Notwendigkeit, als auch der Gegenstand selbst dasIngenium affizieren muß. Erst dieses ursprüngliche Angesprochensein des Ingeniums, dassich als Betroffenheit, als Interesse äußere, ermöglicht die Erkenntnis einer Sache - dasbloße Vorhandensein einer materia allein löst nichts aus. Bloßes Vorhandensein ist deswegenungenügend, weil erst das Ingenium die Bezüge festlegt, unter denen der Gegenstandeinen Sinn, und das heißt immer einen Sinn für den Menschen gewinnt." (Gerl, Einführung,S. 158f.) Valla bestimmt die Tätigkeit des Ingeniums als "exprimere, pingere, repraesentare"- "ausdrücken, ausmalen, vergegenwärtigen" (11, S. 288); Gerls "ursprüngliches Angesprochensein"durch den Gegenstand spielt hier keine Rolle; um Mystifikationen zu entgehen,sollen der Begriff des Ingenium und ähnliche mystische Schibboleths des (Wittgensteinsehen),Irgendwie' der Referenz gemieden werden.194) Im Vorwort des ersten Buches nimmt Valla für sich in Anspruch: "novam quandam inivirationern" (De vol. I,Prooem.,4); schon zuvor hat er sie als ,medizinisch' charakterisiert: "Sed435


placitum est medicos imitari qui cum vident egros salutaria quedam medicamenta recusare,non cogunt illa accipere, sed a1ia adhibent que minus putant iri recusatum. lta sepe fit temporeut minora plus at salutem afferant. Qui enim magnorum medicorum remedia respuuntnostra forsitan admittent." - ,,I prefer to imitate the physicians, who, when they see che sickrefusing health-giving medicines, do not force their patients to take these but offer otherremedies chat they believe will be less repulsive. Thus it happens that, with time, less strongmedicines bring greater health. This is the method I have decided co follow. And chose whorefuse the prescrpition of the great doctors may perhaps accept our own." (De vol. I,Prooem.,2,S. 48)195) Vgl. Anm. 166.196) Ueding/Steinbrink, Grundriß, S. 272.197) "Veruntamen ut vobis satisfaciam fingamus anime hona corporalia esse et que futura suntcorpori anime assignemus et ea que posterius ventura sunt statim proventura faciamus. ,Necenim improbum est, ut inquit Quintilianus, pro simili accipi quod plus est.' Sed ante omniatestandum est nos debere meminisse me ita loqui ut potius ad ea que non dico quam ad eaque dico assequenda contendamus, id est ad beatitudinem anime potius quam corporis, quetarnen utcaque nobis ceservantur." - "Nevertheless, in order to satisfy you, let us imagi nethat the sou)'s goods are corporeal, and let us assign to the soul what will be the hody'sgoods, and let us bring it about that these goods will arrive immediately, although they willreally come later. ,1t is not unreasonable,' says Quintilian, ,to accept as equivalent wh at isreally more than equivalent.' But first of a11 we must affirm the need to remember that Ispeak the way I do so that we may strive, not for what I mention, but for what I do notmention, namely beatitude of the soul rather than of the body, although hoth are reservedfor us." (De vol. III,xxiv,8, S. 298)198) "Ego vero ne cogitans quidem tama gaudia iam loqui possum, sed hec referens affici::'r et meperturbari sentio et totus cupiditate illius felicitatis trahor." (De vol. III,xxv,24, S. 316)199) Vgl. Devol. II,xxvii,S. 318f.200) Die Bedeutung der Differenz wird im nächsten Abschnitt weiter ausgeführt.201) In der Formulierung Gerls: "Die {neben der urbanen} zweite Verwendungsart des Wortesist .ländlich', d.h. Ausdruck der Einsamkeit des einzelnen Menschen noch vor seiner Einordnungin den Gemeinsinn. Dieses Wort fordert das stete Verharren eines Menschenaußerhalb der Gemeinschaft, aber nicht um in die eigene Subjektivität zurückzutauchenund die Gesetzlosigkeit der Willkür anzunehmen, sondern um die Normen des Menschlichenin sich zu vergegenwärtigen - für die Gemeinschaft." (GerI, Rhetorik, S. 188) Kurz:Die Einsamkeit soll das partikulare Subjekt zur Figuration des Humanen läutern: Das Subjektwird identisch mit dem Begriff des Subjekts.202) Während die Möglichkeiten der Sprache und des Wissens in ihrer Positivität den gönlichenErbteil des Menschen in seiner Freiheit darstellen, ist das Lachen seine kreatürliche Mitgift:Die Möglichkeit zur Negation als Freiheit von Determination, wie sie in der Fähigkeic zurZurückweisung einer Rede - in pathetischer Distanzierung - Ausdruck findet: "Du (Caco)schienest etwas (den Stoikern) Ähnliches zu sagen, als du auch gerade das Lachen tadeltest,so daß du nicht nur den schönsten Teil jener Kunst, um die du dich mühst und die dichschmückt, abschneidest, nämlich vom Scherzen, sondern dies sogar verurteilt hast, was unsdie Natur in einziger Weise vor den übrigen Lebewesen gewährt hat. Denn sprechen könnenwir von Natur aus nicht, wohl aber lachen." - "Quorum simile quiddam dicere visus es,cum ipsum quoque risum reprehendebas ut non modo pulcherrimam pattern artis, cui studes,& quae te ornat, id est de rediculis amputaris, sed id quod singulare nobis praeter caeteraanimalia natura indulsit, damnaveris. Loqui enim ipsa natura non possumus, ridere possumus."(I, 908; Übersetzung nach: Gerl, Rhetorik, S. 132) Hier dürfte eine KardinalsteIlefür das Verständnis der Lachkultur der Renaissance vorliegen; die Tradition, in der sie steht,reicht - nimmt man die aristotelischen Andeutungen und die sophistischen Pragmata einmalaus - zumindest zurück zu Ciceros ausführlicher Erörterung des Lächerlichen in De oratore.- Kernsatz: "Wenn man jedoch bei jener Art beständig heiterer Laune kein System {ars}braucht - die Natur formt ja die Menschen und macht sie mit Hilfe des Gesichtsausdrucks,436


der Stimme und sogar der Redeweise zu witzigen Nachahmern und Erzählern -, wo bleibtdann erst bei dieser anderen Art, dem Wortwitz, noch Raum flir ein System [ars}?" - "Sedcum illo in genere perpetuae festivitatis ars non desideretur (natura enim fingit homines etcreat imitatores et narratores facetos adiuvante et vultu et voce et ipso geilere sermonis) tumvero in hoc altero dicacitatis quid habet ars loci, cum ante illud facete dictum emissumhaerere debeat, quam cogitari potuisse videatur?" (Oe or. 11, 219) Schon bei Cicero war dasLachen nicht methodisch zu sistieren und zu limitieren; einzig die Negation seiner negierendenKraft durch Affirmation der Sozialität, durch den Willen zur Schonung der Würde(gravitas) anderer Personen wie der eigenen Person (vgl. Oe or. 11, 229), kann ihm Einhaltgebieten. (Die Position der Sozialität ist Negation der Negation des Lachens. Oder: dieWelt ist der Ernst der homerischen Götter.) Die Wirkung der Konzeption reicht, theoretischvermittelt über Shaftesburys ,test by ridicule', bis ins 19. Jahrhundert. (Wobei ihr Zusammenhangmit der Gattung des Prosaromans - Was ist ,Don Quichote' anderes als ein,Test? - nicht in Betracht gezogen ist.)203) Ein ,geschwätziger Dichter' ist eine contradictio in adiecto, i.e. kein Dichter, denn ,Geschwätzigkeit'ist als Verfehlung des Erhabenen die Negation des .Dichters'. Der Geschwätzigewird zum Thema des ridicule, das selbst eine Form des genus medium - des ethosdarstelltund damit zum Ziel des Rhetors. (Die ganze Konzeption gemahnt an Pseudo-Longin,doch erschien ein Druck der Schrift Vom Erhabenen erst 1554; zuvor ist, wie Otto Schönbergerim Nachwort zur einer deutschen Ausgabe [Stuttgart 1988) anführt, ein Einflußkaum spürbar. Der Frage, ob Valla Longin kannte, oder hier eine Kongruenz gedanklicherKonzepte vorliegt, die ihrerseits die spätere Konjunktur Longins iniziierte, kann an dieserStelle nicht weiter nachgegangen werden.)204) Vgl. I, 997f., Übers. nach: Gerl, Rhetorik, S. 189ff. Erst die Hypostase der Möglichkeitwahrer Sprache legitimiert die poetische ,Verrücktheit' in ihrem Anspruch.205) Oe vol. III,vii,3. S. 258.206) "Sie [die Rhetorik} erfreut sich ja daran, im weiten Meer und in den Wellen sich zu tummelnund mit schwellenden und rauschenden Segeln dahinzuschießen; sie weicht den Flutennicht. sondern gebietet ihnen: ich spreche von der höchsten und vollendeten Beredsamkeit"- "Nanque [eloquentiaD lato mari medijisque in undis vagari & tumidis ac sonantibusvelis volitare gaudet, nec fluccibus cedit sed imperat, de summa & perfecta loquor eloquentia."(I, 694; zitiert nach: Ger!, Rhetorik, S. 230; vg!. I, 963, Übers. nach: Ger!, Rhetorik,S. 175) Das Bild der Hochseefahrt ist topisch, Quintilian benutzt es im Vorwort des 12. Buches(2- 5) und postiviert damit die von Cicero (Oe or. 111, S. 145) noch Gefahr bedeutendeWendung (zur mittelalterlichen Tradition vg!. Ger!, Rhetorik, S. 89f.).207) "Sed memento non esse semper habendam auctoribus fidem qui etsi plura bene dixerunt,nonnunquam tamen more hominum lapsi sunt. ltaque stultissimum reor esse quisquis se totumlibris credit et non illos an vere dicant examinat diligenter; et hoc cum in ceteris rebustum precipue in virtutibus, quibus constat omnis ratio vivendi." - "But remember that wedo not always have to talce the authorities' word. Although ehey were right many times, yet,being human, ehey erred. I therefore consider anyone most foolish who entrusts hirnself eßtirelyto books and does not examine them carefully to see whether they tell the truth; andalthough it is necessary to do this in all cases, it is particularly important in reference to thevirtues, on which ehe whole design of our live depends." (Oe vol. III,iv,2, S. 236)208) Dabei ist sich Valla bewußt, daß die Kenntnis der Geschichte auf eine elitäre Gruppe beschränktist (vg!. De vol. lI,ix.9f., S. 158); er selbst gesteht (in der .Maske' Antonios) derAntike zwar die Ausarbeitung der .. litteras", der .. studia doctrinarum" und - als Wichtigstes- der "scientia dicendi" , nicht jedoch "sapientia" und .agnitio virtus" zu (Oe vol.III,vii,5, S. 260).209) Vgl. De vol. lII,x,lf .• S. 266f.210) Die Auseinandersetzung von Imperium und Sacerdotium ist nicht spezifisch oder kausal zuverstehen, sondern als Benennung des Prozesses der Herausbildung eines - wie man bei Vallaerkennt: cum grano salis - säkular fundierten Sprachspiels. Dabei ist freilich in Betrachtzu ziehen, daß das Recht in spätmittelalter!icher Episteme unter das Gebiet der Rhetorik437


fällt (vgl. Brinkmann, Hermeneutik, S. 16). Valla (Antonio) erkennt explizit an: ,,[...) cumesset a principio a1ia quedam ratio serviendi rebus divinis alia terrenis [ ...)" - ,,[... ) becausethere was from the beginning one set of criteria for observing divi ne requirements and anotherfor earthly ones, [ .. .)" (De vol. IH,ix,1, S. 264) Bezeichnenderweise ist Antonio da Rhooder Raudensis selbst Franziskaner (vgl. De vol. I,i,l, S. 52; zum Personal von Oe vol. vgl.De Panizza Lorch. In: De vol., S. 20ff.).211) Zum sozialgeschichtlichen Hintergrund vgl. Burke, Renaissance, S. 223ff., bes. S. 234 Zum,Mythos der Demokratie'.212) Vgl. Anm. 3l.213) Eine kurze inhaltliche Konturierung der ,humanitas' bietet De vol. IH,iv,15, S. 242.214) ,,[...} tune ab his omnibus ad omnes disciplinas latine scriptas tamquam ad optimam mercimoniamproperatum est [ ...} ut illius (nummi) beneficio omnes omnia, quae usquam essent,mercari et sua ipsi aliis venditare possent, sie acepta lingua latina velut aureo nummo nationescuncta, quae apud alios scripta erant, discere potuerunt et sua vicissim docere, eum anteanihil aliud legerent, nisi quod a popularibus suis cornpositurn esset." (H, 283; zitiertnach: Gerl, Rhetorik, S. 239) Valla selbst beruft sich im Sprache-Münze-Vergleich auf rhetorischeTradition: ,,[...} cum tota sit illa Quintiliani disputatio de laude consuetudinis 10-quendi adversus analogiam, de quarum utraque ita ait: Consuetudo vero certissima loquendimagistra, utendumque plane sermone, ut nummo, cui publica forma est." (I, 385) - beiGerl abweichend als: "Denn wer weiß nicht, daß sich der größte Teil des Sprechens aufAutorität und Gewohnheit stützt, worüber Quintilian folgendes sagt: Die Gewohnheit istdie sicherste Sprachlehrerin; man muß die Sprache weitgehend gebrauchen wie eine Münze,deren Prägung öffentlich ist." - "Nam quis neseit maximam loquendi partem autoritate niti& consuetudine, de qua ita ait Quintilianus: Consuetudo est certissima loquendi magistra,utendumque plane sermone, ut numero cui publica forma est." (Ausgewiesen als: I, 385;zitiert nach: Gerl, Rhetorik, S. 209)215) Der Sprache eignet Wert charakter: typologisch benennend und exemplifizierend selektiertsie Handlungen. (Interessant wäre ein Vergleich mit der Sprachtheorie de Saussures, in welcherder Wertcharakter der langue als selektive kognitive Handlung gefaßt wird.)216) Obwohl sie historisch eher Krisenindiz zu sein scheint - und Vallas Rhetorikideal Geschichtsklitterung:wie die Sophistik Krise der traditionalen Gesellschaft ist, steht die ciceronianischeRhetorik für die Krise der Republik und die quintilianische für die Krise desImperiums. Die ideale civitas mit der ersehnten pax romana changiert zwischen Republikund Imperium, meint aber auf jeden Fall Zeiten, in den die Rhetorik keine exemplarischeFormulierung findet.217) V gl. Burke, Renaissance, S. 255ff. u. Bauer/Matis, Geburt, S. 88ff.218) Inhaltlich wird der Begriff der ,verisimilitudo' im nächsten Kapitel erörtert werden.219) Die ,qualitative Perspektive' ist nicht aus der Summe der Argumente zu verstehen; gegendas Ideal kompilatorischer Vollständigkeit setzt Valla auf die qualitative Kohärenz einer selektivenArgumentation: "Quod si qua videbunrur non esse dicta que dici potouissent, hecmea ratio esc ur que maxime necessaria videntur attingam, cetera non tarn omittarn quamsub illis maioribus significata hominum estimationi relinquam. Ut solent face re quimagnam vim pecunie solvunt; non annumerant illam recipientibus sed appendunt, [...)" -"And if ehe reader sees that some things that could have been said have not been said, lethirn note that my method is to touch on the matters that seeem absolutely necessary, andnot so much to omit the rest as to leave it to men's appraisal, as having been a1ready signifiedunder those major points. The payers of a great sum of money are accustomed to actingsimilarly: ehey do not count it but weigh it out to the recipients; [...)" (De vol. II,Prooem.,5,S. 134)220) Bei Val la hat diese Konzeption keinerlei auf Naturwissenschaft weisende Konsequenz;nichtsdestoweniger bildet die Sistierung einer säkular argumentierenden Perspektive eine notwendigeVoraussetzung naturwissenschaftlichen Denkens.221) Dies scheint der weiter unten getroffenen Feststellung, daß die Renaissance nicht über einenkanonischen Naturbegriff verfüge, zu widersprechen. - Und in der Tat, sie verfügt über438


keine Definition (kann dies konzeptionell auch nichtl), aber sie bedeutet die Natur als dasGanze eines begrifflichen Zusammenhangs, der identisch mit Praxis ist: Die Sprachtheorieist teleologisch aufVerbegrifflichung .der Natur' ausgerichtet; deren Begriff muß leer bleiben,weil er die Bezeichnung der absoluten Fülle ist.222) V gl. De vol. I1I,xxiv,15ff., S. 302f.223) Zur irrunanenten Geschichte der wissenschaftlichen Methode vgl. MittelstraB, Neuzeit; zumMethodenbegriff und zur Verlaufsform ihres logischen Extrakts: Risse, Logik.224) V gl. Oe vol. IIl.xxvii,3, S. 320.225) ,Agrestitas' wird explizit abgelehnt (vgl. De vol. I,xii,2, S. 102 u. I,xxvf., S. 108ff.).226) Valla ist dem rhetorischen Kultivierungsideal verpflichtet. Aber Dichtung ist nicht mehr,wie im Mittelalter, eine wie andere artes auch, oder eine Vorbereitung zu oder Nebenformallgemeiner praktischer eloquentia (vgl. Brinkmann, Hermeneutik, S. 14ff.). Nachdem derRhetor als urbane Schwalbe, der Poera als waldbewohnende Nachtigall beschrieben ist,gewichtet Guarino die Differenz ihrer Produkte nach dem Selbstverständnis letzterer: »Itaquantum luscinia in cantando hirundini presrat vocalitate, vi, suavirate, varietate, tantumpoete vocem ipsorum oratoribus ceterisque presrare voluerunt." - »Thus as the song of thenightingale surpasses that of the swallow in harmony, volume, sweecness, and variety, so thepoets meant that their voice surpassed that of the orators or of others." (De vol. 111, xxvi,4,S. 320) Zwar weigert er sich, ein absolutes Urteil zu fällen, erkennt aber situativ die Aussagean. Dieser emphatische Rekurs auf Natur wie er in der Postivierung des Begriffs ,silva',traditionell Bild jenes ,Gestrupps' von Verworrenheit und Unordnung, das der Grunderherosrodete, Ausdruck findet, ist der Rhetorik fremd. Kultivierung heißt nun nicht mehrÜberwindung, sondern Zähmung der Natur. Damit wird Herkules durch Orpheus verdrängt.(Zu Orpheus in der Renaissance vgl. Burke, Renaissance, S. 166ff.) Valla freilichfeiert - seinem Selbstverständnis als christlicher Streiter entsprechend - nicht die antike Sagengestalt,sondern Christus als Grunderheros und Kultivator (vgl. De vol. III,xi,I, S. 269)- dieser erst eröffnet die Möglichkeit jener Wahrnehmung-in-Gott, die der Dichter zu besingenhat.227) Im philosophischen Begriffsabsolutismus Adornos: »Weil aber der Kunst ihre Utopie, dasnoch nicht Seiende, schwarz verhängt ist, bleibt sie durch alle ihre Vermittlung hindurchErinnerung, an das Mögliche gegen das Wirkliche, das jenes verdrängte, etwas wie die imaginäreWiedergutmachung der Katastrophe Weltgeschichte, [ ... } Kein daseiendes, erscheinendesKunstwerk ist des Nichtseienden positiv mächtig. Das scheidet die Kunstwerke vonden Symbolen der Religion, welche Transzendenz der unmittelbaren Gegenwart in der Erscheinungzu haben beanspruchen. Das Nichtseiende in den Kunstwerken ist eine Konstellationvon Seiendem." (Theodor W. Adorno. Asthetische Theorie. F,.ankfllrt a. Main 1983,S. 204; zur Transformation der Typologie vgl. Burke, S. 151ff.)228) Sobald die kritische Exemplarizität des Kunstprodukts vergessen und durch rationale Rekonstruktionseines begrifflichen Gehaltes - d. h. durch ,Ästhetik' - usurpiert wird, liegthier eine Ursache rur offenen und versteckten Platonismus, wie er als ,Metaphysik desWerkbegriffs' die Ästhetikgeschichte durchzieht.229) Schlagwortartig: Die Semantik der Kunst wird u-topisch, ihr Diskurs auf eine - relativ zurSituation des Rezipienten - zukünftige Erfahrung gerichtet. Sie formuliert eine Potenz vonErfahrung.230) Das Kunstwerk wird zur Erfahrung einer Totalität: eines Sinnes, der keine kausale Kette -kein Warum - zuläßr.231) Ein Gespräch freilich, daß keines mehr ist, da es sich selbst obsolet macht, indem es jedesMoment von Dialogizität negiert.232) Adorno, Ästhetik, S. 148, 188, 205 u. 304f.233) Vgl. Walt ... J. Ong. Ramm. Method and the Decay ofDialoglle. Camlwidge/Mass. 1958, S. 287ff.u. 178,212,309,318.234) Dialecticae dis/lltationes (im Folgenden nach den Opera omnia zitiert unter der Sigle DD),11,14 (= 1,677); Übersetzung nach: Gerl, Rhetorik, S. 222.235) DD II,30 (= 1,947); Übersetzung nach: Gerl, Rhetorik, S. 157.439


236) Vgl. Boeehius. TP. S. 42: "Denn bald hielt sie [die Philosophie) sich in dem gewöhnlichenMaße des Menschen, bald aber schien sie mit dem Gipfel ihres Scheieels an den Himmel zurühren. Wenn sie aber ihr Haupt höher erhoben häue, wäre sie selbse in den Himmel eingedrungenund häue des Blickes der nachschauenden Menschen gespottee."237) Vgl. Ruedi Imbach in den Erläueerungen zu: Wilhefm von Ockham. Texte zur Theorie derErkenntnis und der Wissenschaft. Hrsg. u. komm. v. RMedi Imbach. Stuttgart 1987, S. 94ff.238) "Mie der Schöpfung kam die Bedeutung herab ... Der ersee war Adam unter dem UrheberGote ... " - "[ ... ] significaeio ab inseitutione descendit: [ ... ] primus fuit Adam deo autore [ ... }"(DD 1,14 [= 1,676); Überseezung nach: Gerl, Rhetorik, S. 218).239) Wie Quineilian (Inse. or. XII, Prooemium; Übersetzung nach: Gerl, Rhetorik, S. 90) formuliert.Gerl wendee diese Formulierung auf Val la an (GerI, Rhetorik, S. 77).240) DD 1,14 (= 1,676); Übersetzung nach: Gerl, Rhetorik, S. 217.241) DD 1,2 (= 1,649); Übersetzung nach: Gerl, Rhetorik, S. 216.242) Vgl. Oeto, Techne, S. 513f.; Gerl, Rhetorik, S. 250 sieht im Rekurs aufVallasche Theorieeinen Ansatzpunkt zur Kritik idealistischer Philosophie.243) Nach lausberg, Elemente. (Siehe Begriff ,res' im Glossar.)244) Vgl. Quintilian, Inse. or., VI,2,24 u. II,13,7f.245) "Nec enim ea forensis raeio comparaea ese ut advocaei in causis aleer aleerum superent, sed utex illorum conflicaeione eluceae vel verieas vel iuseicia. Quod si guem manifeste rei reluctantemvidebo, eum nimirum oratorem negabo." (De vol. I,xii,11, S. 86; vgl. De lib. ar.331,53, S. 90)246) "Ens suapee natura participium ese, omnisgue generis: quod cum eransie in nomen, est eaneumneutrum. [ ... ) Omne participium vim obeinet relaeivi & verbi, ut homo ambulans, legens,currens, id est qui ambulae, qui legit, qui currit. [ ... ) Igieur si ens resolvieur id quodest: & id resolvicur ea res, profecco ens ita resolvitur ea res quae est. Quo palam est omnemvim non naturalem habere: sed ut sic dicam, precariam ac mueuo sumpeam." (DD 1,2 [= I,646f.}; Überseezung nach: Oteo, Techne, S. 119)247) "Nam sicuti ligno nomen lignum ese, & lapidi lapis, et ferro ferrum. Item rerum incorporaliumur scientiae esC nomen scientia: virtuti virtus, generi genus, speciei species, itasubstantiae substantia, ica qualitati qualitas, ita actioni actio: denique ica rei res, itaque ressignificae rem: hoc significaeur, illud huius ese signum: illud non vox, hoc;: vox est: ideoquedefinieur, Res est vox, sive vocabulum omnium vocabulorum significatu suo complecrens,[ ... }" (DD 1,14 [= I, 676); Übersetzung nach: Otto, Techne, S. 111)248) Vgl. DD 1,1 [= 1,646), übers. in: Otto, Techne, S. 116f.; vgl. Ouo, Techne, S. 122.249) Ariseoteles, Rhetorik, 1404a, S. 167.250) "Sed memineerimus eadem plerungue esse rerum conditionem." (I, 927; Überseezung nach:Gerl, Rheeorik, S. 151)251) "Hec (copia sive euphoria) est gue precipue rem perspicuam facie, et ponie anee oculos, hecque in probationibus ac refutaeionibus regnae, gue influie in animos hominum, gue omniaornamenta, omnia lumina, omnes divieias oraeionis exponit. Hec rapid audientem, hec rapturnrevocat, hec est gue prope ceeeras virtutes circa se habeat." (De vol. II,Prooem.l, S. 132;Übersetzung nach: Gerl, Rhetorik, S. 151).252) Valla fordere: ,,[ ... ) nichts auslassen, was sich auf die Lehre und Erleuchtung der Sacheerstrecken könnte," - " [ ... ), ue nec ea gue ad rem docendam aeque illuserandam pereinerecredidero omieeam, [ ... )" (De vol. II,Prooem.,4, S. 134; Übers. nach: Gerl, Rhetorik, S. 154)253) Die ,brevieas' "semper amica ese audientibus" (De vol. II,Prooem.,4, S. 134) ist ,immer dieFreundin der Hörer'.254) Vgl. Anm. 251-255) 1,235; Übersetzung nach: Gerl, Rhetorik, S. 228.256) DD III,2 (= 1,732); Übersetzung nach: Gerl, Rhetorik, S. 228. Einige Seiten weiter führeValla zur schlecheen Worefixierung der Begriffs-Philosophie aus: "Es gibe sehr viel derartiges,worin sich die Philosophen allenthalben in jedem Teil der Philosophie üben, wo sieaber zumeist mie den Wöreern beschäfeige sind, SO daß sie mir zuweilen zu der Grammaeikherabgeseiegen, ja sich minen darin aufzuhaleen und ihre Gebäude mit Woreen wie mir440


Säulen gestützt zu haben scheinen." - .. Plurima sune huiusmodi, quibus se passim philosophiexercent in omni philosophi~ parte, plerunque in vocabulis occupati, ut nonnunquamad grammaticam mihi descendisse, imo in media grammatica versari & aedificia sua verbis,tanquam columnis fulisse videantur." (00 111,24 = 1,751; Übersetzung nach: Gerl, Rhetorik,S. 206)257) Gerl bemerkt, die Bedeutung der .circumstantiae' resultiere aus .. der -typisch humanistischen- Aufmerksamkeit auf den Einzelfall" (Rhetorik, S. 153); kons(atiert aber gleichzeitig:.. Der Gemeinsinn ist also die objektive Richtschnur der Praxis - objektiv deshalb, weilseine treffende Beurteilung der Dinge, der Situationen. des konkreten Einzelfalls, der .circumstantiae'die richtige, sinnvolle Praxis überhaupt erst ermöglicht." (A. a. 0., S. 76) Dieswürde heißen. daß die Gemeinbegriffe des sensus communis in der lage wären. die Spezifikeiner Situation aufzuheben. Zwar ist dies im Ideal der latinitas Telos, nicht aber die Praxisder Vallaschen Theorie. Rhetorisch bezeichnen die loci a circumstantia gerade jene Dimensionder Situation, die über topisch formalisierte Rubrizierung hinausreicht und vom Oratorinventive Tätigkeit verlangt (vgl. Ueding/Steinbrink, Grundriß, S. 233); der Begriff der.circumstantiae' ist problematisch, da er nicht zwischen subjektiven und objektiven, kontingentenund notwendigen Bedingungen einer Situation differenziert. Laut Dockhorn.. handelt es sich um einen spezifisch rhetorischen terminus technicus. Dieser gehört eigentlichin die Lehre von denpiJfeiJ: sowohl Personen wie Handlungen können nach ihren Mo(ivendurch .Ums(ände' bes(imm( werden. Vgl. Quineilian ha( Inst. or. V,10,104: ,hoc genuusargumentorum sane dicamus ex circumstantia, quiaperistasin dicere aliter non possumus.'Nebenumstände der Handlungen, .accidentia', sind nach Quintilian: causa, (emous, locus,occasio, instrumentum, modus ee cetera (V,lO,23), der Personen: natio, patria, sexus, aetus,educatio et disciplina, habitus corporis, fortuna, condicio, animi natura, victus, srudia, quidaffecet quisque, commotio, nomen. Dies macht die die Nähe zur elhoJ-Lehre mehr als deutlich.An anderer Stelle umschreib( Quintilian die .rerum accidentia' mit .aut quare au( ubiautquando aut quo modo aut per quae (V,10,32). Das kommt alles aus der Praxis der Gerichtsredeund gerät leicht aus der Lehre von den Beweisen in die Lehre der Mfekre hinein,wo es sich besonders mit der Lehre von den ,mores' verkoppeln konnte." (Dockhorn, Macht,S. 26) Da Dockhorn mir Blick auf die neuzeitliche Ästhetik formuliert, treten (emporaleund ethische Aspekre in den Vordergrund; dies ist berechtigt, da auch die klassische Rhetorikdie Spezifik des Gegenstands als Funktion von Person und Zeit darstellt (Aristo(e1es,Rhetorik, 1367b, S. 52; vgl. Cicero. Oe, or., 11,133, S. 288 u. 11,181, S. 318). Doch dieserSachverhalt ist systematisch bedingt, Resultat der Temporalität rhetorischer Theorie wie ihressituativen Erkenntnisbegriffs und nicht Folge systematischer Exklusion - in ra(ionalemSinne - objekthafter Bedingungen. (Hier wäre die literarische Prosatradition der .circumstantialmethod' in Betracht zu ziehen, welche Plausibilisierung in der Beschreibung objekthafterUmstände zu erzielen suche) Die Delegierung der .circumstantiae' an die Äs(hetikbei Ausgrenzung aus der Theorie ist .Lösung' jener Problematik, die bei Gerl widerscheintund die - apriori bedingt durch den problematischen Status der Rhetorik als Theorieüberhaupt (vgl. Cahn, Kunst) - den Renaissance-Rhetorismus über sich hinausueibe258) "Et nihilominus undecunque libuerit, licet sue quenque cause adiumenta arcessere [ ... }" (Devol. I,x,2, S.74; Übersetzung nach: Gerl, Rhetorik, S. 102)259) Vgl. A. 0, Lovejoy. Th. Great Chain ofBeing. CambridgelMaJJ. 1936.260) Orto, Renaissance, S. 14.261) OttO, Renaissance, S. 40. Mit .Geist' übersetzt Otto den cusanischen Begriff der .mens';auch wenn im Bezug aufCusanus diese abstrakte begriffliche Sistierung gerechtfertigt is(,so ist doch - auch fur Cusanus - aus praxeologischer Perspektive der dynamische Charakrerzu betonen.262) Der Terminus .Evidenz' ist hier ebenfalls nich( im Sinne mathematisch-geometrischer.Selbst-verständlichkeit' und in der Tradition des stoischen sensus-communis-Begriffs zuverstehen, sondern dynamisch. Wie Dockhorn anführt, ist .evidentia' die Cicerosehe undQuintilianische Überse(zung des arisrotelischen Begriffs .energeia' (Dockhorn, Mach(,S. 115). Wich(ig wird der Begriff im Terminismus Ockhams: .notitia evidens' bezeichnet-441


im Gegensatz zur abstrakt-begrifflichen ,notitia abstractiva' - die unmittelbare Erkenntnisder Wahrheit von Aussagen über kontingente Sachverhalte. Imbach faßt zusammen: "OckharnsInsistieren auf dem Kriterium der Evidenz und vor allem die Annahme einer Evidenzkontingenter Urteile resultieren aus seiner Philosophie der Kontingenz. Die evidenten Urteilekontingenter Sachverhalte erlauben einen neuartigen Erkenntnisbezug zu einer Wirklichkeit,welche in keiner rationalen Wesens struktur aufgehoben ist. Der Verlust einer Einsichtin eine eidetische Wesensstruktur der Wirklichkeit wird durch den Gewinn an Unmittelbarkeitausgeglichen, die kontingente Faktizität, deren Offenbarkeit sich in gewissenevidenten Urteilen ausspricht, ersetzt die ewige und unwandelbare Wesensordnung, welcheder philosophischen Reflexion seit Platon Anhalt und Sicherheit verliehen hatte." (Imbachin: Ockham, S. 126). Diese ,Unmittelbarkeit' bedeutet Wirkmächtigkeit; sie kann sich gleichermaßenauf Sachverhalte wie auf psychische Zustände beziehen (vg!. a. a. 0., S. 140), beinhaltetaber in jedem Fall- und im Gegensatz zur abstrakten Erkenntnis - ein Existenzurtei!.Wenn Ger! zu Valla feststellt: "Darüberhinaus wird der Konkretheit des Gemeinsinnseine Evidenz zugesprochen, mit der sie als das höhere Prinzip vor der Abstraktion desVerstandes behauptet wird." (Ger!, Rhetorik, S. 127), so ist damit zunächst dessen Wirkmächtigkeitgemeint, aber der Ausdruck ist darüber hinaus präzise: Der Gemeinsinn istFundus als evident erfahrener Aussagen. Im Gemeinsinn wird die radikale Kontingenz derWirklichkeit in der Konstanz ihrer Erfahrung, d. h. in der Konstanz der Praxis aufgehoben.263) Gegen den Anspruch der Autoritäten fordert Valla: "Das Volk mag antworten, daß bei ihmdie Entscheidung und die Norm der Sprache liege." - "Respondeat populus penes se esse arbituriumper normam loquendi [ ...}" (DD 1,17 [= I, 685}; Übers. nach: Gerl, Rhetorik,S. 211) Doch das Volk ist nicht unmittelbar produktiv, sondern: "Die größten Schriftstellersagen ... und die Sprachgewohnheit pflichtet als beste Zeugin bei" - ,,[...} maximi autoresaiunt [ ...}, & ipsa loquendi consuetudo optima testis affirmat [...}" (DD 1,17 [= I, 681};Übersetzung nach: Ger!, Rhetorik, S. 212) Auch hier steht der dynamische Aspekt im Vordergrund:"Ich weiß, daß es keine Wahrheit und keine noch so wahre Meinung gibt, gegendie nicht die verschiedene Gewohnheit und der lange bestehende Irrtum der Menschen ...kämpfte" - ,,[...} cum sciam nullam veritatem, nullamque tarn veram opinionem, cui nondiversa consuetudo et diutinus hominum ertor [...} oblucetur." (DD III,Prooem. [= I, 761};Übersetzung nach: Ger!, Rhetorik, S. 214); die Prozessualität der Sprache ist jedoch keinautonomer und immanenter Vorgang, sondern bricht sich - siehe ,non verba sed facta - jean der Unmittelbarkeit der Pra.xis: "die Sprache bestand nicht aus dem Verstand


268) "Denn was ist die Dialektik anderes als die Arten der Widerlegung? Die Arten der Widerlegungsind Teile der Erfindung: die Erfindung ist einer der fünf Teile der Rhetorik" -"Nam quid aliud est dialectica, quam species confutationis, hae ipsae sunt partes inventionis.Inventio una est ex quinque rhetoricae partibus." (I, 693; zitiert nach: Gerl, Rhetorik,S.229)269) ,,[ ... } non tantum vult docere orator ut dialecticus facit, sed delectare etiam ac movere [ ... }"(1,693; zitiert nach: Gerl, Rhetorik, S. 230)270) De inv., Prooemium, zitiert nach: Otto, Renaissance, S. 132.271) Ebd.272) Agricola. De inv., 1I,2; zitiert nach: Otto, Renaissance, S. 144f.273) Agricola. De inv., 1I,2; zitiert nach: Otto, Renaissance, S. 146.274) "Ich weiß, daß man in wahrhaft glaubwürdiger Weise über etwas reden kann, was nicht nurweit von einer ehrlichen Einsicht in die Sache, sondern auch von der bloßen Möglichkeitsolcher Einsicht weit entfernt ist". (Ebd.)275) De inv., 1,2; zitiert nach: Ouo, Renaissance, S. 136.276) A. a. 0., zitiert nach: Otta, Renaissance, S. 137.277) A. a. 0., zitiert nach: Octo, Renaissance, S. 140f. Diese Formulierung verweist auf ein funktionalistischesVerständins der loci. Risse faßt zusammen: "Die loci dienen also zum Beweis.Sie sollen die sachliche Sicherheit des behandelten Inhalts garantieren und zugleich, als begrifflichhinreichend allgemein, den betreffenden Fall auch formal entscheiden. Sie bezeichnendie allgemeinsten inneren oder äußeren Bedingungen der Sachverhalte und entsprechenden traditionellen Universalien und Kategorien." (Risse in: De inv., S. 13)278) De inv. II,2; zitiert nach: Otto, Renaissance, S. 143. Das Zitat fährt fort: "Niemand zögertjedenfalls, sie eine Kunst zu nennen; denn sie stellt nicht nur viele Auffassungen zusammen,damit auf diese Weise ein >Argument< gefunden werden kann, sondern sie lehrt auch, wieman zu urteilen hat, sobald das Argument gefunden ist, und sie liefert damit insoweit dieRichtschnur des rechten HandeIns, als sie das Wort den Handlungsumständen anpaßt. Deshalbist gewiß, daß sie Nutzen bringt, sofern wir es nicht für nützlich halten, getäuscht undin die Irre geführt oder dazu veranlaßt zu werden, Wahres für falsch und Falsches rur wahrzu halten. Freilich täuscht sich bisweilen auch der Dialektiker und hält auch er zuweilenFalsches rur wahr. Das kommt wohl vor - aber schließlich passiert es auch dem Steuermanneinmal, daß sein Schiff aus dem Ruder läuft, und sogar der Arzt richtet gelegentlich Schadenan. Es ist das die Sache der Menschen, nicht indes der Künste." (Ebd.)279) Mario Nizolio. De t'eriis principiis et vera ratione philosophandi contra pseudophilosophos. Dt. als:Marius Nizolius aus Bersello. Vier Bücher über die wahren Prinzipien und die wahre philosophischeMethode gegen die Pselldophilosophen. Obers. von Klalls Thieme. Münch"" 1980 (im Folgendenzitiert als: De ver. prin.). Zum Rückgriff aufValla vgl. 1I,8 (auch abgedruckt in: Otto, Renaissance,S. 167ff.), zum Bezug auf den Nominalismus vgl. Klaus Thieme. Nizolius' Auseinandersetzungmit dem Wissenschaftsbegri/f der Scholastik. Vorwort zu De ver. Prin., bes., S. 15.);zu Nizolius allgemein: Mathias Wesseler. Die Einheit V011 Wort II11d Sache. München 1974.280) Nizolio. De ver. prin. 1,4; zitiert nach: Otto, Renaissance, S. 162.281) A. a. 0.; zitiert nach: Otta, Renaissance, S. 163.282) V gl. Otto, Renaissance, S. 165.283) De ver. prin. 1,4; zitiert nach: Ouo, Renaissance, S. 16Of.284) Vgl. Otto, Techne, S. 513; Ger!, Einführung, S. 120.285) Thieme, a.a.O., S. 12.286) De ver. prin. S. 338.287) Ebd.; u. 1,4; vgl. Otto, Renaissance, S. 156. V gl. Ger!, Einführung, S. 117; 0([0, Techne,S.170.288) Thieme, a. a. 0., S. 15f.289) Die Übersetzung von ,res' als .Ding' bringt bereits eine Reduktion auf begrifflich-referenzielleSemantik. Die referenzielle Funktion darf weder auf die Repräsentanz eines welthaftGegebenen noch auf die eines mentalen Konzeptes eingeschränkt werden.290) "Oratio est VOCurn composito vel explicta vel irnplicta, congruarn perfectarnque sententiam443


significans." (De ver. prin. III,9, S. 361) Vg!. S. 360: "Denn zunächst ist jeder Namen undjedes Verb ein Teil der Rede, und dann erst ist jeder Teil der Rede ein Laut, nicht umgekehrt."291) De ver. prin. 111,5, S. 315f.; vg!. III,9, S. 362.292) De ver. prin. 111,5, S. 318.293) De ver. prin. 1,4; zitiert nach: Otto, Renaissance, S. 156.294) Wenn für die Rhetorik an die Stelle apriorischer Skepsis plane Mfirmation sprachlicherFaktizität tritt, begibt sie sich ihres kritischen Impulses und wird zur ,Werbung'. Solcher,semantischer Positivismus' entlastet die aktuelle Praxis nicht nur, sondern affirmiert sieüberdies. Nizolius geht davon aus, "daß jedes Wissen und jede Disziplin, [ ... }, notwendigerweisedrei Merkmale aufweisen müssen, die, [ ... }, für jede Kunst erforderlich sind: Siebraucht einen Stoff, mit dem sie sich in ihrem Tun beschäftigt; eine Aufgabe, die sie erfüllenmuß; einen Zweck, für den sie etwas tut." (De ver. prin. III,5, S. 300) Für die Rhetorik"besteht der Stoff [ ... } in allen Dingen dieser Welt, ihre Aufgabe im gut Reden und ihrZweck darin, durch Beweis und Überzeugung, d.h. durch gutes Reden das zu erreichen, wasman will." (Ebd.) Doch: ,,[ ... } wenn ein Arzt gut behandelt und seine Aufgabe erfiillt, mußer doch, auch wenn ihm eine Heilung nicht gelingt und er damit seinen Zweck verfehlt,nicht auf die notwendige Anerkennung verzichten und als schlechter Arzt gelten. Dennbeim Künstler ist es notwendig, daß er die Aufgabe seiner Kunst erfüllt, und nicht, daß erihren Zweck erreicht." (A. a. 0., S. 301)295) Einige Seiten weiter wird erläutert: "So handeln z.B. Galen und Hippokrates in dem Moment,wo sie Medikamente verabreichen und Kranke behandeln, wirklich als Mediziner underfüllen die Aufgabe eines Arztes. Wenn sie aber über Medizin sprechen oder schreiben, undwenn sie das gut tun, erfüllen sie nicht mehr die Aufgabe des Arztes, sondern die des Redners."(A.a.O., S. 317)296) Gerl, Einführung, S. 120; vg!. dazu die Linearisierung und Mathematisierung der Zeit imProzeß der Renaissance in: Burke, Renaissance, S. 207f.297) G. W. Leibniz. Diephil050phi5chenSch,.iften. H,.5g. tI. c.;. Gerha,.dt. Bd. 4. Hilde5heim 1960,S. 135.298) Vg!. Otto, Techne, S. 512f.399) A.a.O.,S. 513.300) De ver. prin., S. 415. Thieme resümiert: "Erst in der Einheit von ,Leidenschaft', ,Bewußtsein'und ,Handeln' konstituiert und strukturiert sich für den Menschen die objektive Realität.Die Einheit von philosophischer und rhetorischer Praxis ist somit ein Indiz für dieKonstituierung menschlicher Wirklichkeit. I Gegen die scholastische Verdrängung der leidenschaftenund die rationalistische Verachtung der konkreten Situation des Subjekts setZtNizolius' Theorie der Rhetorik das Subjekt mit seinen Leidenschaften wieder in seine philosophischenRechte ein, ohne in einen reinen Sensualismus, in unkoncrollierten Voluntarismnusoder in eine verworrene ,Philosophie der Tat' abzugleiten." (Thieme. In: De ver.prin., S. 19) D. h. ohne wieder ihrerseits in Begriffsphilosophie zu enden; in Thiemes Zickzackkurszwischen positiver und negativer Charakterisierung der Nizolioschen Konzeptionwird die Inkompatibilität rhetorischer und logisch-begrifflicher Semantik und die Schwierigkeiteiner ,vermittelnden' Darstellung deutlich.301) In einer neuerdings erschienenen Studie hat Manfred Frank im Kontext der Selbstbewußtseinsproblematikauf die konstitutive Bedeutung des Zeitbegriffs hingewiesen (ManfredF,.ank. Zeitbewußt5ein. P[ullingen 1990, bes. S. 108f.).302) Walter;' Ong. Ramu5. Method and the Decay o[ Dialogue. Cambridgd Mau. 1958, S. IX.303) Ebd.304) Zum Methodenbegriff in der Renaissance vg!. Nea/ W. Gi/ben. RenaiJJance Concepu o[ Method.Neu; Y ... k/ London 1960; vg!. auch: Ong, Ramus, S. 23l.305) Ong, Ramus, S. 260.306) Ramus' Auftreten war, wie sein Biograph Nicolas de Nancel berichtet, durchaus zwiespältig:Einerseits ohne weiteres in der Lage, die Aufmerksamkeit eines großen Publikumszu fesseln, erschien er unfahig, sich im kleineren Kreis und im Gespräch über alltägliche444


Dinge angemessen auszudrücken. Wie Nancel interpretiert Ong dieses augenfällige Mißverhältnisals Folge .semantischer Schizophrenie'. dem Auseinandertreten der Praxis in einenakademischen lateinischen und einen nationalsprachlichen privaten Diskurs (vgl. Walter J.Ong. Ramist Classro."" ProadJWe and the Natme o[ Reality. In: Ong. Rhetorie, Romanee and Technology.Cambridge/Mass. 1971, S.159f.).307} Ong, Ramus, S. 171.308} Vgl. Ong, Ramus, S. 17-35.309} Vgl. Ong, Ramus, S. 136.310} Vgl. Ong, Ramus, S. 53f.311} Vgl. Ong, Ramus, S. 55f.312} Neben De in"",tione dialwiea, in deren Stil Ong ein bestimmendes pädagogisches Momenterkennt (5. u.), waren Johannes Agricolas bekannteste Werke die Übersetzung eines Rhetoriklehrbuchsdes vierten Jahrhunderts aus dem Griechischen (AphtonillS. Protogymnasmata)und eine kurze Abhandlung in Briefform, betitelt: De [ormando stlldio (vgl. Ong, Ramus,S. 96); daneben von Bedeutung, wenn auch von indirektem Einfluß auf Ramus ist: ThomasMllmer. Logica memorativa: Chartiludillm logice si"e Totills dialectiee memoria, ein Werk, das versucht,den Inhalt der Hispanischen Summula Schülern in Form eines Kartenspiels nahezubringen(vgl. Ong, Ramus, S. 85ff.; zur weiteren Tradition vgl. Gerd Ueding. BeredsamkeitallS Erfahrllng. Gto1'g Christoph Liehtmbergs Silde/bücher. In: Photorin 9, S. 1-18). Pädagogeund Drucker in Personalunion war Johannes Sturm, - für Ramus von besonderer Wichtigkeit,da er von 1529-39 in Paris lehrte und als Vermittler der eigenen wie der agricolaschentopischen Dialektik im dortigen Gelehrtenmilieu gelten kann (vgl. Ong, Ramus, S. 232ff.).313} V gl. Ong, Ramus, S. 92ff. Der unmittelbare Einfluß italienischer humanistischer Autorenist eher gering zu veranschlagen, größer aber die Bedeutung der transalpinen dialektisch-typologischenTradition, namentlich Agricola und Sturm.314} Ong, Ramus, S. 97. Zu den Chatakteristika Agricolascher wie ramistischer Konzeptiongehört, daß sie nicht zwischen den wahrscheinlichen Ergebnissen des dialektischen und denwahren eines logischen Verfahrens unterscheiden. Zwar wird der Einebnung dieser aristotelischenDifferenzierung bereits durch die christliche Tradition - namentlich Boethius - vorgearbeitet(vgl. Ong, Ramus, S. 105), doch ist sie letztlich ein Resultat des Nominalismusstreits,da durch Reduktion der Universalien auf Entitäten menschlichen Verstehens imOckhamschen Terminismus letztgültig sichere Aussagen über Tatsachen unmöglich werden.Valla hatte Boethius vorgeworfen, daß dieser Bestimmung der Willensfreiheit methodischaus dem Standpunkt eines sicheren Wissens deduziere, welches er als dem Menschenunzugänglich negiere (Oe lib. ar., S. 153-164).315) Ong, Ramus, S. 108.316) .. In German mnemonic systems, the loci will be manifest in a new epiphany as ,rooms' withwalls and ceiling carefully sectioned off in squares, the better to store their matter. Ramuswill make them appear in a further epiphany as ideas in box-like forms, which are ,analyzed'by being ,opened'. [ ... } we are confronted with our own present-day habits of thought; forwe ourselves think of books as ,containing' chapters and paragraphs, paragraphs as ,containing'sentences, sentences as ,containing' words, words as ,containing' ideas, and finally ideasas .containing' truth. Here the whole mental world has gone hollow. The pre-Agricolianmind had preferred to think ofbooks as saying something, of sentences as expressing something,and of words and ideas as ,containing' nothing at all but rather as signifying or makingsignes for something. Mter Agricola the notion of content can serve for and level outall these diversified modes of conceptualization." (Ong, Ramus, S. 121)317) Vgl. Ong, Ramus, S. 72ff. Ong resümiert und führt noch eine zweite Genealogie - jenetheologischer Schriftfixiertheit - an, die aber ebenfalls erst mit der Verbreitung gedruckterBücher zu gesellschaftlich durchschlagender Wirkung gelangen kann: .. Interest in the places,and even more a propensity to reshuffle them and their contents as more or less interchangeablecounters, has in any age the tendency to level all the units of knowledge. Thedifferent sorts of units in which thought is cast all tend to be assimilated to one another asthey come to be viewed as liede somethings-or-other which go into or come out of boxes,445


{ ... } Such conceprualization had always tended to govern the application of invention analogy(and ultimate ehe arrangement analogy). But in Agricola's age it begins to be given carteblanche, for ehe reduction of speech in terms of visual analogy inherent in the topical traditionwas encouraged as never before by the humanist determination to all speech as a fixedwriflen tradition. Erasmus' notion of knowledge and communication is complex, but whenhe maintains that the knowledge of ,almost everything' is to be sought in the Greek authorswho are the sourees or ,springs' of all science, there is no mistaki ng the suggestion that thewritten works of antiquity have become collectively a kind of commonplace. The notion isnot entirely new. There is a Parallel in Hebrew, and particulary Masoretic tradition, ( ... )"(Ong, Ramus, S. 122f.)318) Vgl. Kapitel 5, Anm. 46.319) V gl. Walter J. Ong. Ramist Method and the Commercial Mind. In: Ders. Rhet(ffic, Romance andTechnology. Studies in the Interaction 0/ expression and Culture. Ithaca and London 1971,S. 165-189. Ong bezeichnet a. a. 0., S. 173 die ramistische Methode als "kind of intellectualcommercialism".320) Bevor Johannes Sturm 1529 nach Paris ging, hatte er in Straßburg selbst eine Presse betrieben.In der französischen Hauptstadt arbeite er mit der berühmten Druckerfamilie W&hel,die auch Ramus' Werk herausgeben sollte, zusammen.321) Für ein genaues Studium der Entwicklung und der historischen Bedeutung der ramistischenMethode sei hier noch einmal pauschal auf das Buch Walter J. Ongs verwiesen, das nichtnur wegen der Dignität seines Gegenstandes, sondern mindestens ebenso wegen der Methodeder Untersuchung Obligo der Forschung sein sollte.322) Ong, Ramus, S. 238.323) Vgl. Ong, Ramus, S. 176ff.; zu: ,disserendi' im speziellen S. 178f.324) Ong, Ramus, S. 211; vgl. 184 u. Ong, Rhetoric, S. 177.325) Ong, Ramus, S. 289.326) Ebd.327) Zu diesem Befund ist es nicht nötig, auf Nietzsehe zu rekurrieren; auch Jürgen Mittelstraßbilligt der jungen Wissenschaft eine "neue Naivität" zu (Mittelstraß, Neuzeit, S. 209; ebenso:Ong, Ramus, S. 256).328) Die genaue Bibliographie Ramusscher und ramistischer Literatur bietet: V('alter J. Ong. Ramusand Talon Im.mtor)'. CambridgelMass. 1958.329) Vgl. Ong, Ramus, S. 205ff. Es wäre interessant zu untersuchen, inwieweit sich diesesMißverstehen auf den Platonismus der Renaissance insgesamt ausdehnen läßt und ob sichdort bereits Strukturen zeigen, die im Platonismusverständnis des Neukantianismus wiederkehren.Freilich sind solche Zuordnungen immer problematisch, wie sich schon am BeispielVallas - dieser selbst verstand sich in bestimmten Aspekten als ,Platonist' (De vol.I,xxxix, S. 119f.) - zeigt.330) Tatsächlich müssen zwei platonische Mythen - Eros-Mythos und Höhlengleichnis - übereinandergeblendetund mit dem Sündenfallsmythos verschmolzen werden, um ein Bildchronologischer Dynal1lik des Erkenntnisprozesses zu formieren. Durch die aprioristischeNaturalisierung des Erkenntnisinteresses fällt jedoch bei Ramus die voluntaristische Problematik,welche die Renaissance im Liebesbegriff als Affirmationsmovens konzeptualisienhatte, schlicht weg.331) Dial. inst.; zitien nach: Otto, Renaissance, S. 180.332) A. a. 0., S. 178f.333) A.a.O., S. 177.334) A. a. 0., S. 183. Ramus beweist damit einen ,aufklärerischen Optimismus', der noch Vallaals hypenroph gegolten hätte. Erst dieser Optimismus, (prinzipiell) die Fülle der Wahrheit446in Erkenntnis einholen zu können, bietet die Möglichkeit zu einer erneuten - der aufklärerischen- Depotenzierung von Kunst; zugleich markiert er deren Scheitern: Da dieSemantik des ästhetischen Gebildes nicht motivational sondern begrifflich-referenziell interpretienwird, erschöpft sich die Analyse im je-ne-sais-quoi, dem puren Begriff seinerAttraktivität.


335) "Mit Ramus" - so Seephan Oe


First of all, it was a method of organizing disourse, not of working with things." (Ong, Rhtoric,S. 179) Aber bereits im Übergang vom Paradigma oraler Wissensvermittlung zurtabellarisch-visuellen - von den Tönen zur "silent object world" (Ong, RaillUs, S. 151)­sieht Ong einen "shift to modern science" (a. a. 0., S. 150), da die ramistische Quantelungdes intellektuellen Universums eine notwendige Vorbedingung rationalen Kalküls darstellt:".Method is an early step in the procedures which encode knowledge in a neutral, lavelingformat, reducing it to bits of information such as those which will eventually make theirway into electronic computers. From this point of view, Ramus' influence is felt not interms of experimentation but in terms of calculators and business machines. " (Ong, Rhetoric,S. 189)344) Dial. inst.; zitiert nach: Otto, Renaissance, S. 180.345) Ong, Ramus, S. 306.346) Ong, Ramus, S. 186. Ramus definiert das iudicium als ,,[... ] doctrinam res inventas collocandi,et ea collatione de re proposita iudicandi [ .. .]" (Dia!. inst. [1543], fols. 19; zitiertnach: Ong, Ramus, S. 351) und führt weiter aus: "Collocationem tradit, et oridinem multorumer variorum argumentocum cohaerentium inter se er perpetua velut catena vinctorum,ad unumque certum finem relatorum." (A. a. 0., fols. 27; zitiert nach Ong, Ramus,S. 352, Anm. 72. Zu den drei Gesetzen der Methode vgl. a. a. 0., 259f.)347) Vgl. Ong, Ramus, S. 189. Entsprechend der exklusiven Reservierung der Topik für dialektischeinventio lehnt Ramus den im Humanismus beliebten Gebrauch von Spruch- undApophtegmensammlungen ab (vgl. a. a. 0., S. 21ff.).348) Mit der Reduktion des sprachlichen auf ein methodisches Universum entfallt die Möglichkeitrhetorischer Amplifikation; der, so Ong "backbone of medieval rhetoric" (Ong, Ramus,S. 213) wird von der Dialektik geschluckt. Gleichermaßen wird die copia als sprachlicheQualität abgelehnt (vgl. a. a. 0., S. 219ff).349) Valla hatte diese Mechanik der Verkettung als Gefahr begriffen: "Quid enim ineptius philosophorummore ur si uno verbo sir erratum tota causa periclitemur?" - .. What is moreabsurd than the procedure of the philosophers? If one word goes wrong, the wh oie argumentis imperiled." (De vol. III,xii,6, S. 27 2)350) Dial. inst.; zitiert nach: Ong, Ramus, S. 352, Anm. 95 u. 191 (Übers.)351) Vgl. Ong, Ramus,S. 191 u. 263.352) Vgl. a.a.O., S. 280.353) Zum Zeitbegriff bei Ramus vgl. a. a. 0., S. 255.354) Vgl. a.a.O., S. 262f.355) A.a.O.,S. 255f.356) Dia!. inst., zitiert nach: Otto, Renaissance, S. 174f.357) Ong, Ramus, S. 250.358) Dial. inst.; zitiert nach: Otto, Renaissance, S. 175f.359) Vgl. Kapitel 2, S. 41ff.360) Ramus definiert seine Dialektik als .ars' oder .doctrina disserendi' und schließt sich damitan eine Definition Ciceros an: ,,[Dia!ectica est] ars bene disserendi" (De or. 1I,38). Bezeichnenddabei ist, daß im Mittelalter die Erörterungskunst meistens durch das Attribut .recte',welches auf ihren technischen Charakter hinwies, bestimmt wurde; Ramus hingegen stelltdas Cicerosche .bene' erneut in den Vordergrund, um den praxisbezogenen Charakter zubetonen. Ong betont: •.Disserendi is a critica! term which controls the whole field of mentalactivity from classical times through the Middle Ages and into the Renaissance." (Ong,Ramus, S. 178) Doch seine inhaltliche Bestimmung ist schillernd und keineswegs mit demdialektischem Verfahren gleichzusetzen: Hugo v. St. Victor definierte: "Ratio disserendi integralespartes habet inventionem et iudicium, divisivas vero demonstrationern, probabilern,sophistcam" (Didascalion lI,xxx); Johannes von Sailsbury hingegen: "Est itaque logica (utnominis significatio latissime pateat), loquendi vel disserendi ratio" (Metalogicus I,x [PICXCIX, 837 B-C]). In einem ähnlich weiten, nicht-technischen Sinne nahm selbst Nizoliusden Begriff der Logik in Beschlag, leitete diese etymologisch aus ihrer Sprachlichkeit herund bestimmte die Aufgabe jener .. alten und wahren Logik": Sie hat "wie ein Schutzraum448


alle uhren und Dokumente zu umfassen, die sich auf gutes Sprechen, Erörtern, Disputierenund schließlich auf das gute Reden über alle Fragen und Gegenstände der Welt beziehen."(Oe ver. prin. 111,8, s. 352) Für Nizolius ist die ars bene disserendi eine Subkategorie der arsbene loquendi, der Rhetorik. Dieses Verhältnis kehrt sich bei Ramus - wie schon zuvor beiAgricola (s.o.) - gerade um. Doch auch wenn Ramus das ,bene disserere' eindeutig mit seinerMethode indentifiziert, bleibt der Begriff in den Übersetzungen Ramusscher Werkeschillernd: Ramus selbst hatte ihn mit "disputer" übersetzt, die posthume französische Editionder Dialektik von 1555, die 1576 erscheint, ändert ihn in "raisenner", in englischenÜbersetzungen erscheint er als "dispute" oder "reasen", in einer deutschen als "die Vernunft[ ...} zu brauchen", in lateinischen Übersetzungen der franz. Dialektik als "ratio utendi" und"ratiocinandi" (siehe Ong, Ramus, S. 180).361) Dial. A. Talaei pr. ill. (Ba,ilea 1569), II,xix, S. 576; vgl. Ong, Ramus, S. 253. Die Metaphergeht zurück auf Platon (Repllblica 493b) und richtet sich dort gegen sophistische Rhetorik,die als affetive Domptur des Willens der Menge interpretiert wird.362) Dial. comm. tm. (1546), pp. 87 - 90; zitiert nach: Ong, Ramus, S. 364 u. (Übers.) 246; vgl.Ong, Ramus, S. 247.363) Dial. A. Talaei. pr. ill. (Ba,ilea 1569); lI,xix, S. 576. Ong kommentiert: "One becomes apoet, orator or historian only as a last resort, when one despairs of teaching in any other way.With this view gees Ramus' persuasion that peetry is sornething definitely childish becauseits logic is spread thin, se that it can be taught to those whose tender years make it impossiblefor them to bear the impact of more ,solid' logie." (Ong, Ramus, S. 253)364) Scholae Rhetoricae col. 321f.; in: PetrllJ Ramll'. Seholae in liberal .. art .. (1569); hng. 11. eingd. v.W.]. Ong, HildeJheim 1970; vgl. Cahn, Kunst, S. 128, vgl. 129.365) V gl. Ong, Ramus, S. 254; Cahn, Kunst, S. 138f.366) Omer Talon. Rhetorica. P. Rami praelectionibll' ob,ervata. Llltetiae 1574, S. 6 u. 24.; vgl. Ong,Ramus, S. 369, Anm. 19·367) Sehol rhet. 292, 4Of.: Ongs Hinweis auf: Metapher.368) Sehol rhet. 280, 32ff.; vgl. 280, 4Off. (auch: Hand); vgl. 281, 23f.369) Sehol rhet. 281, 16f.370) Sehol rher. 283, 15.371) Sehol rhet. 283, 28ff; bes. 35.372) Sehol rhet. 256, 4Of.373) Sehol rhet. 277, 16f.373) Ong, Ramus, S. 272.374) Ong, Ramus, S. 279.375) "The terms ornamentIIm or orl1amenta/io have certain definite synonyms which come from Ciceroand Quintilian. An ,ornament' of rhetoric is also indifferencly seyled as ,praise' (laus) oran ,honor' (honD' or honor) or a ,light' (1IImetJ) of words of speech. All these concepts, ornamentIImincluded, are closely connected with the not ion that rhetoric demands a continuous flowof oral sound (oratio perpetua) , a ciceronic expression wh ich Ramus makes a shibboleth in hisprogram to re-establish an eloquent and rhetorical, as against a scholastic, philosophy."(Ong, Rarnus, S. 277f.) Ong formuliert freilich etwas mystifizierend aus der - essentialistischen- Perspektive des rationalen Ethno-logen, wenn er die situative Chronologie desauditiven Paradigmas interpretiert: "for the sixteenth- and seventeenth-century mind, thevalue in the object and the praise elicited by the object tend to be viewed as one whole. Tbismind does not feel the exterior, objectiv world and the interior, personal word as distinctfrom one another quite to the extend that we do. Objects retain a more personal, or at leastanimistic, glow." (Ong, Ramus, S. 279) Freilich ist mit Ramus die Wende schon eingeleitet,denn: "in the Ramist rhetorical tradition as compared with the ancient Ciceronian, lall'and honor are minimized, and become peripheral notions which occur in the looser discussionof the early Training in Ora/ory and in Ramus' commentaey on rhetoric, bue not in ehepresentation of ehe art of rhetoric proper. By 1555, Ramus' offhand references to rhetoricshow that he thinks of it in uncomplicated visualist terms as serving ,pour orner la parole'.Little wondern that Ramus' followers, such as Bilsten or Alsted, will define rheeoric quite449


flatlyas ,the art of expressing oneself ornately'. ,Praise' and .honor', and with them much ofthe realiry of sound itself, are gone." (Ebd.) Aber auch diese Position ist bereits überholt:1533 erklärt Simon Gryneus im Vorwort seiner Euklid-Ausgabe, die geometrische Methodelasse ornamenta nicht zu (vgl. Gerl, Einführung, S. 139).377) Vgl. Friedrich Gaede, Poetik lind Logik, Bonn 1978.378) Vgl. Walther Benjamin, Der Unprung deJ deutschen Trauerspiels. In: Ders., Werke, Bd. 11; vgl.das Benjamin-Zitat in: Adoeno, Ästhetische Theorie, S. 304.450


4 Zur Pathetik der Vernunft (Descartes in praxe)1) A) Die PaJSions de I'ame werden nach der Ausgabe Rene DescarteJ. Die Leidenschaften der Seele.HrIg. v. Klalu Hammacber. Hamburg 1984 unter der Sigle LdS zitien; daneben werden die Zitatein der Ausgabe Rene DeJcarleJ. OeuvreJ. PubliieJ par Char/eI Adam & Paul Tannery. Paris1965 unter der Sigle AT mit Band und Seite nachgewiesen. Zusätzlich herangezogeneAugaben sind: Rene DeJcarfe!. Die Prinzipien der Philosophie. Hamburg, 1955 (unter der SigleP); Rene De.rcarteJ. Meditationen über die erste Philosophie. Stuftgarl, 1971 (unter der Sigle Me);Rene DeJcarte.r. Regeln zur Ausrichtung der Erkenntniskraft. Regu/at ad directionem ingenii. Hamburg1979. (unter der Sigle R); Rene De.rcarteJ. Abhandlung über die Methode des richtigen Vernunftgebrauchsund der wi!!enschaftlichen Wahrheitifimchung. Stuft gart 1961 (unter der Sigle D);Rene DtIcarles. Leitfaden der Musik. Compendium musicae. Hrsg., im Deutsche übertragen und mitAnmerkungen ver!ehen . Johannes Brockt. Darmstadt 1978 (unter der Sigle C).B) Die Ausnahme ist Rainer Specht. Commercium mentis et rorporiI. Ober Kall!alvor!fellungen imCarte.rianismus. Stuttgarl-Bad Cannstatt 1966.2) Manfred Riedel. Principium und Pronunciatum. Descartes Ego-sum-Argument Imd der Anfang derersten Philosophie. In: Kantstudien 1988, HIS. 1-16, S. 11.; Manfred RiedeI. Grund und Abgrundder Subjektit'itcit. Nachcartesianische Meditationen. IN: DVjS, S. 61 (1987). S. 377-398.S. 394. (Die beiden Aufsätze sind übrigens nicht sehr verschieden.)3) Riede!, Grund, S. 391 u. 394; Riede!, Principium, S. 5.4) Riede!, Grund, S. 381.5) Riede!, Grund, S. 388.6) Riede!, Principium, S. 3; Riede! fährt fort: "Das Meditieren übt ein Denken ein, das sich alsINGENIUM der URTEILSKRAFT betätigt. Und nachdem ein klares und deutlichesGRUNDURTEIL (iudicium) über die Zugehörigkeit des Denkens Zum Sein gefunden wordenist, bewegt es sich auf der EBENE DER DEMONSTRATIVEN BEGRÜNDUNGALLER URTEILE." (Hervorhebungen im Orginal)7) Riede!, Principium, S.16.8) Ebd.9) V gl. Riede!, Principium, S. 3; vgl. Riede!, Grund, S. 394.10) Insofern dies eine Privatsprache der Vernunft wäre, und damit auf die Ebene purer Expressiondegenerierte, was im übrigen die Intention rationaler Grammatik und Sprachtheorieist, nur daß diese nicht als kreatürliche, sondern jene des alter deus als Gattungssubjekt verstandenwird.11) V gl. Ludger Oeing-Hanho/f. Rme Descartes: Die Neubegründung der Metaphysik. In: Gru11dproblemeder großen Philosophen. Philo.wphie der Neuzeit I. Gö'ttingen 1979; S.35-73, S. 61ff.; vgl.Riede!, Grund, S. 395.12) Riede!, Principium, S. 4.13) Wilhelm Friedrich Niebel. Sdentia, Experientia und Sapientia beim frühen Descarles. In: THEORIACUM PRAXI. Zum Verhaltnis von Theorie und Praxis im 17. u. 18. Jahrhundert. Akten des III.Internationalen Leibnizkongrmes. HrIg. von K. Müller, H. Schepers u. W. Totok. Bd.l: Theorie undPraxis, Politik, Rechts- und Staatsphilosophie. Wiesbaden 1980, S. 144-157, hier S. 155.14) A.a.O., S. 145.15) A.a.0.,S.153.16) A.a.O.,S. 157.17) Vgl. a. a.O., S. 152, Anm 57.18) A.a.O.,S. 153.19) Ebd.20) A.a.O.,S. 148.21) A.a.O.,S. 157.22) A. a. 0., S. 153; vgl. Ham Blumenberg. Säkularisierung und Se/bstbehauptu11g. Frankfurt a. M.21983; S. 286, Anm. 222.23) Niebel, Scientia, S. 202.451


24) A.a.O.,S.155,Anm.67.25) V gl. Bernard Williams. Descartes. Das Vorhaben tkr reinen philosophischen Untersuchung. Königstein1981, hier: S. 233.26) Blumenberg, Säkularisierung, S. 232; vgl. S. 235.27) Dies bedeutet freilich nur, daß sie eine methodische Strategie zur Selbsterhaltung desErkenntnissubjekts darstellt.28) Vgl. Hübener, Tod.29) Vgl. Hist. Wb., Art.: Desinteressement.30) ,,[ ... } et comment il ne suffit pas qu'elle soit log« dans le corps humain, ainsi qu'un piloteen son nauire, sinon peutestre pour mouvoir ses membres, mais qu'il est besoin qu'elle $Oitiointe & unie plus estroitement avec luy, pour avoir, out re cela, des sentimens & des appetitssemblables aux nostres, & ainsi composer un vray hornrne. " (AT VI, S. 59; vgl. Hammacherin: LeIS, S. 339, Anm. 47)31) Vg1. AT VIII, S. 335-369. Dazu auch: Hammacher, in LdS, S. 341, Anm. 55; Williams,Descartes, S. 244 u. AristoteIes. Ober die Seele / De anima. Miinchen 1983, S. 287.32) .. imaginations" können sowohl von der Seele als auch vom Körper hervorgerufen werden(vgl. LdS, XXf., AT XI, S. 144{.). Im Artikel XXI werden sie fast äquivok mit .. perception"gebraucht. Hammacher erklärt in einer Anmerkung zu Art. XIX (LdS, S. 333), es sei nötig,den Begriff .. imagination" je nach Gebrauch entweder mit .. Vorstellung" oder mit .. Einbildung"zu übersetzen. Damit aber hypostasiert er ein Urteil über diese ,mental images',die sie eben ihrer Ambivalenz und damit der Wirkmöglichkeit als spezifische Instanz beraubt.V g1. Alexander Koyre. DescarteJ und die Scholastik. Bonn. 1893 (Repr. Darmstadt 1971),S.48f.33) LdS, S. 37f./ AT XI, S. 344f.34) LdS, S. 38/ AT XI, S. 345.35) LdS, S. 42/ AT XI, S. 346.36) Sie erscheinen als deren .. Schatten oder Bild" ( .. que celles-cy sont comme I'ombre ou la peinturedes aurres" LdS, S. 44 / AT XI, S. 348). Indem Hammacher "peinture" mit "Abbild"übersetzt, separiert er das ästhetische Bild von dem revozierter Erinnerung. Auch hier wirdeine vermeintliche Äquivokation aufgelöst, die doch - s. u. - gerade als solche von systematischerBedeutung ist.37) LdS, S. 40 / AT XI, S. 346.38) LdS, S. 42/ AT XI, S. 347.39) LdS, S. 42 / AT XI, S. 347.40) Ebd. Auch hier ist zu beachten, daß die terminologische Unterscheidung keine kategorialesondern eine typologisierende Differenzierung darstellt, d. h. sie gewichtet anstatt zu separieren.41) LdS, S. 44/ AT XI, S. 347.42) LdS, S. 46/ AT XI, S. 349, vgl. Hammacher in LdS, S. 335, Anm. 35.43) Zitat folgt im Text.44) Sie sind Perzeptionen, insofern die Seele sich selbst in ihnen gegenständlich erfährt. Hiereröffnet sich der circulus vitiosus aller Reflexionstheorie des Bewußtseins.45) LdS, S. 48/ AT XI, S. 350.46) LdS, S. 46 / AT XI, S. 349. Hier wird tatsächlich eine kategoriale Unterscheidung postuliert,ohne daß sie jedoch ausgewiesen werden kann. Das Problem der Applikation der Methodeauf die Praxis deutet sich an. Der Wert dieser kategorialen Differenzierung, der andieser Stelle lediglich heuristischer Status zukommen kann, muß sich im Verlauf der Untersuchungausweisen. Sie kann entweder als Strategie der inventio verstanden werden, wiesie Descartes in den Regulae fordert und skizziert, oder ist als doxa methodischen Denkensbegreifbar.47) LdS, S. 48/ AT XI, S. 350.48) US, S. 4 / AT XI, S. 328. Dieses diffuse Zwischenreich, das den Passions Gegenstand ist,wird in den Princeps charakterisiert: .. Sed & alia quaedam in nobis experimur, quae nec adsolam mentem, nec etiam ad solum corpus referri debent, quaeque, ut infra suo loco osten-452


detur, ab arcdi & intima mentis nostrae cum corpore unione proficiscuntuc: nempe appetitusfamis, sitis, & c., itemque, comotiones, sive animi pathemata, quae non in soli cogitationeconsistunt, ut commotio ad imm, ad hilaritatem, ad tristitiam, ad amorern, & c.; acdenique sensus omnes, ut dolons, titillationis, lucis & colorum, sonocum, odorum, sapocum,caloris, duritiei, aliacumque tactilium qualitatum." (AT VIII-I, S. 23). "Dagegen erfahrenwir in uns auch anderes, was sich nicht auf den Geist allein und nicht auf den Körper alleinbezieht, und was, wie später zu zeigen sein wird, von der engen und innigen Verbindungdes Geistes mit dem Körper herrührt, nämlich die Gefühle des Hungers und des Durstesusw.; ebenso die Erregungen oder Leidenschaften der Seele, die nicht in bloßem Denken bestehen,wie die Erregungen zum Zorn, zur Fröhlichkeit, zur Traurigkeit, zur Liebe usw.;endlich alle Empfindungen, die wie die des Schmerzes, des Kitzels, des Lichtes und der Farben,der Töne, der Gerüche, der Geschmäcke, der Wärme, der Härte und der anderen unterden Tastsinn fallenden Qualitäten." (Prinzipien, S. 16f.)49) LdS, S. 4 / AT XI, S. 328.50) Vgl. LdS, S. 32/ AT XI, S. 342: Art. XVII.51) LdS, S. 26/ AT XI, S. 339.52) LdS, S. 34/ AT XI, S. 343.53) Ebd.54) LdS, S. 34/ AT XI, S. 343: "Et bien, qu'au regard de nostre ame, ce soit une action de vouloirquelque chose, on peut dire que c'est aussi en elle une passion d'apercevoir qu'elle veut.Toutefois, a cause que cette perception & certe volonte ne sont en effect qu'une mesme chose,la denomitation se fait tousjours par ce qui est le plus noble; & ainsi on n'a point costumede la nommer un passion, mais seulement une action." Die Berufung Descartes auf dieKonvention christlich-metaphysischer Nomenklatur ist ebenso bemerkenswert wie der ,Methode'unangemessen. Die methodische Ambivalenz des im Terminus "passion" Bezeichnetenwird lediglich nominal, nicht der Sache nach aufgelöst; und das moderne Sprach spiel desÜbersetzers zeigt sich unfähig, das methodisch Uneindeutige eineindeutig abzubilden.(Vgl. LdS, S. 4/ AT XI, S. 328)55) LdS, S. 48 / AT XI, S. 350; vgl. die Anmerkung Hammachers Nr. 35 (S. 335).56) Letztendlich wird die Wahl dadurch legitimiert, daß das methodisch Wahre auch das fürden-Menschen-Gute,d. h. seiner Selbsterhaltung Zuträgliche und auf lange Sicht affektivGewinnbringenste sei. Nur die "solida veri cognitio" (AT X, S. 361) gewährt beständigenGenuß: (Voluptas) .quae fere unica est integra & nullis turbata doloribus in hac vita felicitas"(ebd. / Reg. S. 4).57) ,,[...} d'user tousjours bien de son libre arbitre, [ .. .}" (LdS, S. 246/ AT XI, S. 449)58) V gl. die sechste Meditation.59) Vgl. Me, S. 34f. /AT V, S. 14: "Sed corpus humanum, quatenus a reliquis differt corporibus,non nisi ex certa membrorum configuratione aliisque eiusmodi accedentibus esse conflatum;[...}" Vgl. Me, S. 104 / AT V, S. 84: Die Uhren-Metapher. Vgl. LdS, I, Art. 50. (LdS, S. 84/AT XI, S. 368).60) Sinnliche Wahrnehmung kehrt ,die natürliche' - was heißen soll: die methodisch-metaphysische- Ordnung um, indem statt nach erkenntnistheoretischer Dignität nach derFunktionalität des Rezipierten für die Selbsterhaltung des Körpers gewertet wird: ,,[...} sedvideo me in his aliisque perrrlUlris ordinem naturae pervertere esse assueturn, quia nernpesensuum perceptionibus, quae proprie tanturn a natura datae sunt ad menti significandumquaenam compositio, cuius pars esc, commoda sine vel incommoda, & eatenus sunt sarisclarae & distinctae, utor tanquam regulis certis ad immediate dignoscendum quaenam sitcorporum extra nos positorum essentia, de qua tarnen nihil nisi valde obscure & confusesignificant." (AT V, S. 83) - ,,[...}, vielmehr werde ich gewahr, wie sehr ich daran gewöhntbin, hier und in vielen anderen Fällen die natürliche Ordnung umzukehren: Die sinnlichenWahmehmungen sind mir nämlich eigentlich nur dazu von der Natur verliehen, um demGeist anzuzeigen, was dem Zusammengesetzten, dessen Teil er ist, zuträglich oder nichtzuträglich ist, und dafür sind sie klar und deutlich genug. Ich lasse sie mir aber als sichereRichtschnur dienen, um ohne weiteres zu entscheiden, was das Wesen der außerhalb von453


uns befindlichen Körper sie. Dafür sind SIe aber nur ganz dunkle und unbestimn-.ceAnhaltspunkte." (Me, S. 103; vgl. Me, S. 96{ tu. Anm. 167} / AT V, S. 76061) Vgl. LdS, XXXI.62) V gl. LdS, S. 87 / AT XI, S. 369 u. D, S. 53{ / AT VI, S. 57{63) Harnmacher gebraucht den Begriff der ,Taxinomie' (LdS, XUI). Doch er wendet gegen denMechanismus dieser tierischen Orientierungsreaktionen ein, .. man [könnte} die Funktionder VORSTELLUNG in diesem Sinne deuten, wenn sie sich nicht auf das Verstehen vonBedeutung, sondern auf eine Situation bezöge." (LdS, LXXXII; Anm. 73) Die Differenz zurTaxinomie ist durch zwei Momente gekennzeichnet: Erstens durch Überzeitlichkeit, die HirDescartes allerdings keine Unterscheidung zu tierischem Verhalten bestimmt, da auch Tierenein Gedächtnis zukommt; zweitens durch Universalisierbarkeit. In ihr, also in einemkommunikativen Moment, das durch die Hypostatierung der res cogitans methodisch eliminiertist, findet sich das Kriterium der Unterscheidung. (Vgl. Anm. 113)64) LdS, S. 68 / AT XI, S. 360.65) Vgl. Me, S.103 / AT V, S. 83f.66) LdS, S. 89/ AT XI, S. 370.67) Me, S. 97 / AT V, S. 77.68) V gl. Me, S. 106/ AT V, S. 86 u. Reg., S. 41 / AT X, S. 414 u. AT XI, S. 176 (= Traite del'homme): Die .. glade" als "le siege de l'imagination & de sens commune".69) Me, S. 106/ AT V, S. 86: .. [ ... } mentem non ab omnibus corporis partibus immediate affici,sed tantummodo a cerebro, vel forte etiam ab una tantum exigua ejus parte, nempe ab ea inqua dicitur esse sensus communis; quae, quotiescunque eodem modo est disposita, mentiidem exhibet, etiamsi reliquae corporis partes diversis interim modis possint se habere, [ .. .r70) Me, S. 107/ AT VIII, S. 87: .. [ ... }, non nisi unum aliquem sensum illi infert [ ... }". In derzweiten Meditation wird der "sogenannte Gemeinsinn" der Einbildungskraft gleichgesetzt(Me, S. 53/ AT V, S. 32: ,,[ ... } id est potentia imaginatrice"). Die Entitäten des ,sensus communis'entsprechen den Möglichkeiten kreatürlicher - auch animalischer - WahrnehrrlUng;sie sind die Signifikate der Normalsprache und damit des Normalverständnisses, von demDescartes sich distanziert, um mittels der Methode zur .nackten Wahrheit' zu gelangen:.. Sed pudeat supra vulgus sapere cupientem, ex formis loquendi quas vulgus invenit dubitationemquaesivisse; pergamusque deineeps, attendendo utrum ego perfectius evidentiusquepercipiebam quid esse cera, cum primum aspexi, credidique me illam ipso sensu externo, velsaJtem sensu communi, ur vocant, id est potentia imaginatrice, cognoscere? an vero potiusnunc, postquam diligentius investigavi turn quid ea sit, turn quomodo cognoscatur? Certehac de re dubitare esset ineptum; nam quid fuit in prima perceptione distinctum) Quidquod non a quovis animali haberi posse videretur? At vero cum, ceram ab externis formisdistinguo, & tanquam vestibus detractis nudam considero, sic illam revera, quamvis adhucerror in judicio meo esse possit, non possum tarnen sine humana mente percipere." (AT V,S. 32) - .. Aber ich, der ich über das, was das Volk weiß, hinauskommen will, sollte michschämen, einen Zweifelsgrund aus der Ausdrucksweise herzuleiten, welche sich das Volk zurechtgelegthat. Fahren wir also fort, sehen wir zu, ob ich vollkommener und evidenter erfaßte,was das Wachsstück sei, als ich es zuerst erblickte und der Meinung war, ich erkennees durch einen äußeren Sinn oder wenigstens durch den sogenannten Gemeinsinn, d. h.durch die Ei nbildungskraft, oder ob dies erst jetzt der Fall ist, nachdem ich sorgfältiger untersuchthabe, was es ist, und auch, wie es erkannt wird. Es wäre dumm, daran zu zweifeln.Was war denn in jener ersten Auffassung Deutliches? Jedes Tier hätte wohl eine solcheDeutlichkeit erreichen können! Wenn ich aber das Wachsstück von seiner äußeren Formunterscheide und ihm gleichsam die Kleider ausziehe, um es nackt zu betrachten, so kannich in der Tat nicht ohne den menschlichen Geist wahrnehmen, wiewohl bislang noch einIrrtum in meinem Urteil möglich ist." (Me, S. 53) Eine zweite für das Verständnis des sensuscommunis bei Descartes zentrale Passage findet sich in der zwölften der .. Regulae ad directionemingenii": In den Sinnen prägen sich die Impulse der Außerweit ab, .. wie dasWachs seine Figur vom Siegel empfängt" - .. [ ... }, eadem ratione qua cera recipit figuram asigillo." (Reg. 12,50, S. 40/ AT X, S. 412) Diese ,Figuren', die jeder sinnlichen Wahr-454


nehmung inhärent sind (vgl. Regel 12,6), werden dem Gemeinsinn überstellt (vgl. 12,7).Descanes bewegt sich hiermit in der aristotelischen Tradition (vgl. Aristoteles, De anima111,2, S. 316), die im sensus communis jenen ,gemeinsamen Sinn' erkannte, der das Materialder einzelnen Sinne zur Einheit der Wahrnehmung zusammenfUhrt. Er spielt seinerseits dieRolle des Siegels, denn er ist in der lage, die Figuren, .die von den äußeren Sinnen rein undohne Körper ankommen, in der Phanrasie oder Einbildungskraft gleich wie im Wachs abzudrucken,[ ... ]." - .. [ ... } sensum communem fingi etiam vice sigilli ad easdem figuras velideas, a sensibus externis puras & sine corpore venientes, in phantasia vel imaginatione velutiin cera formandas; [ ... }" (Regel 12,8 = Reg., S. 41/ AT X, S. 414) - Dort werden sieaufbewahrt und bilden das Gedächtnis (vgl. Regel 12,8). Aus diesem oder direkt vom sensuscommunis empfangt die ,vis cognitionis' die Inhalte der Wahrnehmung (vgl. Regel12,10 = Reg., S. 42f. / AT X, S. 415f.). Der sensus communis stellt eine Einheit aller Perzeptiondar, wie sie sowohl Tieren als auch dem Menschen zukommt, doch bildet er beiletzterem neben der res cogitans einen zweiten Fokus. Da die Methode die Ideen als Entitätender Erkenntnis von den in der Sinnlichkeit latent vorhandenen Figuren trennt - und damitauch die Imagination oder potentia imaginatrice von der körperlichen phantasia (In denRegulae steht noch das nicht alternative .,vel" statt ,,aut ... aut") - verfallen die im sensuscommunis angelegten notiones communes, wie sie die Stoa als Allgemeines in jeder Wahrnehmungbegriffen harte, einem erkenntnistheoretischen Verdikt, und ihre Instanz wirdallen ,idealen' Gehalts entkleidet und zu einem physiologischen Regelkreis reduziert. Ausdem Blickwinkel der res cogitans kommt der Hypophyse bestenfalls eine Rolle bei erkenntnistheoretischsubsidiärer und praktisch valenter Wahrnehmung zu. Sie ist Ort der ex definitionedem Körper zugewandten Einbildung und des konventionsbestimmten Denkens, ist"Ie siege Je I'imagination & Je sens commllTl" (AT XI, S. 176; vgl. D, S. 52/ AT VI, S. 55; P,S. 294; R, s. 46 / AT X, S. 419). Zu den .,notiones communes: P, S. 17 (= Tl; § 49f: .,communisnotio sive axioma" (AT VIII-I, S. 23; vgl. § 49 = S.23f.) (§ 50, S. 24 formuliert einenVorbehalt).71) Me, S. 98/ AT V, S. 78: .,facultates specialibus quibusdam modis cogitandi". Die zu LebzeitenDescartes erschienene und als quasi autorisiert anerkannte Ausgabe der Meditationenformuliert abweichend. In deutscher Übersetzung lautet die Passage dann: .,Zweitens findeich in mir eigentümliche, von mir verschiedene Denkweisen: [ ... ]." (Me, S. 98, Anm. k)72) Me, S. 96/ AT V, S. 76: .,in rebus sensuum extemorum judicia".73) Vgl. D, S. 52f. / AT VI, S. 56f.74) Vgl. D, S. 54f./ AT VI, S. 57f.75) Briefan Mersenne t'om 20. Nov. 1629 (Briefe, S. 25ff; 29) = AT I, S. 8l.76) Ebd.77) Vgl. Briefe, 115 = Mä·r= 1683 an X = AT 11, S. 40.78) Vgl. Me,S. 39/ AT V, S. 9(.79) Vgl. Me,S. 25/ AT V, S. 5, vgl. D, S. 9/ AT VI, S. 8.80) Me, S. 31 / AT V, S. 10: .,certa et evidens cognitio veritatis".81) D, S. 62ff. / AT VI, S. 67ff. , vgl. Reg., S. 35 (= Regel 10,5) / AT X, S. 406: Descartesweißt die Dialektik aus dem Feld der Wissenschaft und schlägt sie der Rhetorik zu. Das.,grobe Geschütz wahrscheinlicher Syllogismen" .[eignet} sich zum Kriegfiihren so vorzüglich"(R, S. 6/ AT X, S. 363).82) D, S. 7/ AT VI, S. 6: .,[ ... }; que la Philosophie don ne moyen de parler vraysemblablementde toutes choses, & se faire admirer des moins SCjavans; [ ... }"83) D, S. 10/ AT VI, S. 9(.: .,Car i! me sembloit que ie pourrois rencontrer beaucoup plus de verite,dans les raisonnemens que chacun fait touchant les affaires qui luy impottent, & dontl'evenement le doit punir bientost apres, si! a mal iuge, que dans ceux que fait un hommede lettres dans son cabinet, touchant des speculations qui ne produisent aucun effect, { ... }"84) Vgl. D, S. lI/AT VI, S. 1Of.; zur Opposition raison - usage vgl. Ulrich Ricken. Interpretationender Sprache als Argument für und gegen den Dualismus. Descartes und seine sensualistischenGegenspieler im 17. Jahrhundert. In: Beiträge ZIIr Romanischen Philologie XXI1981, Heft 1,S.29-49.455


85) D, s. 58/ AT VI, S. 62: .. maisrres & posesseurs de la Narure".86) D, S. 6lf. / AT VI, S. 65f.87) D, S. 58/ AT VI, S. 61: ,,[ ... } la loy qui nous oblige a procurer, aUfanr qu'il esr en nous, lebien general de (DUS les hommes."88) D, S. 62/ AT VI, S. 66: ,,[ ... }, & que c'est proprement ne valoir rien que de n'esrre utile apersonne, [ ... }". Aber Descartes relativiere siene Aussage sogleich un setzt an die Srelle vonEngagement implizit Engagement für die Methode, wenn er fortfahre: ,,[ ... }, toutefois il estvrai aussy que nos 50ins se doivent estendce plus loin que le tems present, & qu'il est bond'omerrre les choses qui apporeeroient peutestre quelque profit a ceux qui vivent, lorsquec'esr adessein d'en faire d'aurres qui ent apporeent davantage a nos neveux." (Ebd.)89) V gl. D, S. 63 / AT VI, S. 68; R, S. 35 / AT X, S. 406. leonischer Weise ist aber schon beiDescarres die Ökonomie philosophischen Denkens der Suspendierung ökonomischer Notwendigkeitbedürftig (vgl. D, S. 9f / AT VI, S. 9).90) Vgl. D, S. 57/ AT VI, S. 61: Zwar wehre sich Descartes gegen jede poJjtisch- und theologisch-reformatorischeInterpretation, aber er gibt zu, versuchr zu haben ,,[seine} Sirren nachden lehrbegriffen [seiner} Merhode zu richten" (ebd.). - ,,[...}, ou bien que i'ay tasch" deregler mes meurs par les raisons qu'elle m'enseignoit, [ ... }" (Ebd) Der .. reformateur" hä!rdurch die Hintereür wieder Einzug. Vgl. D, S. 15/ AT VI, S. 15: "Meine Absicht hat sichnie weirer erstreckt, als auf den Versuch, meine eigenen Gedanken zu reformieren, und aufeinem Grunde aufzubauen, der ganz in mir liegt." - "Iamais mon dessein ne sest estenduplus avant que de tascher areformer mes propres pensees, & de bastir dans un fons qui esttout a moy."91) Vgl. Briefe, 312ff.: An EliJabeth, 15.9.1645 (= AT IV, S. 290ff.).92) P, S. 26/ AT VIII-I, Pars prisma 35: Teil 1, § 71: "Nempe in prima aetate, mens nostratarn arcte corpori erat alligata, ut non a1iis cogitationibus vacaret, quam iis solis, per quas easentiebat quae corpus afficiebant [ ... }"93) P, S. 27 / AT VIII-I, S. 35f.: Teil 1, § 71: ,,[ ... }, mens illi adhaerens incipiebat advereere id,quod ita assequebatur aut fugiebat, extra se esse; nec tantum illi tribuebat magnitudines,figuras, motus, & talia, quae ut ces aut rerurn modos percipiebat, sed etiarn sapores, odores,& reliqua, quorum in se sensurn ab ip50 effici advertebat. "94) P, S. 28/ AT VIII-I, S. 36: Teil 1, § 71: "Milleque aliis ejusmodi praejudiciis, a prima instantia,mens nostra inbuta est; quae deinde in pueritia non recordabatur fuisse a se sine sufficientiexamine recepta, sed tanquam sensu cognita, vel a natura 5ihi indita, pro verissimisevidentissimisque adrnisit.··95) P, S. 28/ AT VIII-I, S. 37: Teil 1, § 73: .. [ ... }: sive quia talern, ex eoquOd corpori conjunctasir, habet naturam; sive quia in primis annis, cum tanturn circa sensus & imaginationes occuparetur,majorern de ipsis quam de caeteris rebus cogitandi usum & facilitatem acquisivit."96) Ebd. / ebd.: "Et quia revera nullam rem, qualis ipsa est, sensu solo percipimus, ut infra clareosrendetur, hinc accidit, ut plerique in tota vita nihil nisi confuse percipiant." Hier wirdsichtbar, warum der Rekurs auf einen allgemeinen sensus communis und ihm inhärente nertiones communes als Rekurs auf common sense für Descarres aus dem Prozeß der Wahrheitausscheidet. Er verschließt sich infolgedessen auch jeder plebiszitären Argumentation -schon die Relativität der Sitten läßt sie obsolet erscheinen (vgl. D, S. 11 / AT VI, S. 10)­und favorisiere die Konzeption eines ,Nomothetes', eines "weisen Gesetzgebers" (D, S. 13/AT VI, S. 12: "prudent legislateur"). In dessen Position manövriere er sich - bei aller Bescheidenheitder Methode -letztendlich doch (vgl. D, S. 64fT. / AT VI, s. 68ff.), wenngleichnichr als Individuum, so als .fUhrendes Subjekt der Methode'.97) P, S. 28f./ AT VII-I, S. 37f.: "Et denique, propter loquelae usum, conceptus omnes nostrisverbis, quibus eos exprimimus, alligamus, nec eos nisi simul cum istis verbis memoriaemandarnus. Cumque facilius postea verbocum quam rerum cecordemur, vix unquarn ulliusrei conceptum habemus tarn distinctum, ut illum ab omni verbocum conceptu separemus,cogitationesque hominum fere omnium circa verba magis quam circa res versantur: ade6 utpersaepe vocibus non intellectis praebeant assensum, quia putant se illas olim intellexisse,vel ab aliis qui eas recte intelligebant accepisse."456


98) Br, S. 29/ AT I, S. 8l.99) Ebd. / AT I, S. 82: "grans changemens en I'ordre des choses".100) Vg!. Br, S. 27 / AT I, S. 79: Auch hier ~nurzr Descarres den Begriff der "usage". Die Eigenwertigkeirder Laute hängt zusammen mit dem Verständnis der Töne als mathematischerVerhältnisse, wie sie Descartes im "Compendillm mllJicae" (AT X, S. 79-141) und in derKorrespondenz mit Beeckman (a. a. 0., S. 151-169) vorrangig reflektiert.101) Br, S. 28 / AT I, S. 80: .. ( ... } & ce par le moyen de I'ordre, c'est a dire, etablissant un ordreentre toutes les pens~s qui peuvent entree en I'esprit humain, de mesme qu'il y en a un naturellementetably entre les nombres; ( ... )"102) Damit wird die kommunikative Funktion der Sprache auf ihren repräsentativen Aspekt reduziere.Zulässig ist nur noch ,imitatio' der Wahrheit, also Re-präsentation der intuitivenEvidenzerfahrungen der res cogitans, mithin bildet Sprache nicht Erfahrung des konkretenSubjektes, sondern jene des allgemeinen Erkenntnis-Subjektes ab. Da das Erkenntnissubjektesex definitione allgemein ist, entfällt das Dialogische jeder Kommunikation, bzw. erscheintals Störung durch Vorurteil und Parrikularinteresse. Williarns spricht in diesem Zusammenhangvon einer .. Semantik der letztgültigen Beschreibung" (a. a. 0., S. 231).103) Vgl. "Traite de la lumiere", AT XI, S. 3f.104) Vgl. Me, S. 52/ AT V, S. 31f.; P, S. 14/ AT VIII-I, S. 20 = Teil 1, § 42, u. a. m.105) AT XI, S. 4.106) Ebd.: "Vous "'iavez bien que les paroles, n'ayant aucune ressemblance avec les choses gu'ellessignifient, ne laissent pas de nous les faire concevoir, & souvent mesme sans que nous prenionsgarde au son des mors, ny aleurs syllabes; en sorte qu'il peut arriver gu'apre. avoir ourun discours, dont nous aurons fort bien compris le sens, nous ne pourrons pas dire en quellelangue il aura este prononce. Or, si des mots, qui ne signifient rien par l'institurion deshommes, suffisent pour nous faire concevoir des choses, avec lesquelles ils n'ont aucune ressemblance:pourquoy la Nature ne pourra-t'elle pas aussi avoir estably certain signe, guinous fasse avoir le sentiment de la Lumiere, bien que ce signe n'ait rien en oy, gui soit semblablea ce sentiment?"107) AT XI, S. 3: .. ( ... } qu'il peut y avoir de Ja difference entre Je sentiment que nous en avons,c'est a dire l'idee qui sen forme en nostre imagination par l'enrremise de nos yeux, & ce guiest dans Jes objets qui produit en nous ce sentiment, c'est a dire ce gui est dans Ja flame oudans le SoJeil, qui s'appelle du nom de Lumiere."108) Me, S. 64 / AT V, S. 44.109) P, S. 6/ AT VIII-I, S. 11 = Teil 1, § 17.110) P, S. 7 / AT VIII-i. S. 11f. (hier S. 12) = Teil 1, § 18.111) V gl. P, S. 9/ AT VIII-I, S. 14f. = Teil 1, § 26.112) P, S. 38/ AT VIII-I, S. 48 = Teil 2, § 15.113) P, S. 12/ AT VIII-I, S. 18 = Teil 1, § 35.114) Vgl. P, S. 241 / AT VIII-I, S., 320f. = TeiJ 4, § 197.115) P, S. 8Of. / AT VIII-I, S. 99 = Teil 3, § 43f.116) R, Regel 12,6 = S. 4Off/ AT X, S. 413ff.; vg!. P, T.2; §13ff(= S. 37ff.).117) .. nihil nos unguam intellegere posse, praeter istas naturas simplices, guamdam illarum interse m.ixturam sive compositichem" (AT X, S. 422); vgl. R, 48,18.; vg!. R, 52; vgl. Br, 28/AT I,7Off.: Brief an Mer.lenne vom 20. 11. 1629.118) Vgl. P, 293f.! AT VIII; S. 377; zu Regius: a. a. 0., S. 295f.119) R, S. 34/ AT X, S. 404f., Regel 10,3.120) vgl. PT. IV, § 205 (= P, S. 247/ AT VIII-I, S. 327 ... Sed tarnen, ne gua hiC veritati frausfiat, considerandum est guaedam esse guae ha~ntur certa moraJiter, hoc est, guantum sufficitad usum vitae, guamvis si ad absolutam Dei potentiam referantur, sint incerta." - .. U mindes hier über die Wahrheit sich nicht zu täuschen, so bedenke man, daß manches für moralischgewiß gehalten wird, d. h. für die Zwecke des Lebens hinreichend gewiß, obgleich esin Rücksicht auf die Allmacht Gottes ungewiß ist." Das Bemerkenswerte an dieser Passageist, daß Descartes seine Theorie mit einem Rekurs auf moralische Sicherheit ( .. certum moraliter")legitimiert und dabei nicht auf ein metaphysisch Wahres, sondern auf ein durch den457


458"usus vitae" definiertes verisimile rekurriert. Er bedient sich humanistisch-rhetoriscischerTheoreme zur Absicherung der eigenen Konzeption gegen einen theologisch-metaphysischenWahrheitsanspruch. Wenige Zeilen später wird ein weiteres Theorem humanistischenDenkens in Anschlag gebracht, um den Geltungsanspruch der Methode zu sichern: DieKohärenz methodisch exponierten Sinnes ist zwar nicht in der Lage, die Wahrheit der jeeinzelnen Vermutung ("conjectura") zu beweisen, aber sie sichert dem Gesamt der Interpretationeinen Status von Wahrscheinlichkeit; - freilich vermeidet Descartes diesen Terminusund verwendet ihn lediglich ex negativo: Ein Kryptograph hat eine Buchstabenkombinationals sinnvollen Text konstruiert, indem rur jeden der Buchstaben den im Alphabet folgendensetzte. ,,( ... }: non dubitabit quin illius epistolae verus sensus in istis verbis contineatur,etsi hoc sola conjectura cognoscat& fieri forsan possit, ut qui eam scripsit, non literasproxime sequentes, sed aliquas alias loco verarum posuerit, atque sie alium in ea sensumoccultaverit: hoc enim tarn difficulter potest contingere, ut non credibile videatur." (ATVIII-i, S. 328) - ,,( ... ), so wird er nicht zweifeln, daß der wahre Sinn des Briefes in diesenWorten enthalten sei. Obgleich es nur auf einer Vermutung beruht, und es möglich bleibt,daß der Schreiber nicht den nächstfolgenden, sondern andere an Stelle der Wahren gesetztund so einen anderen Sinn darin verborgen hat, so ist dies doch so wenig wahrscheinlich,daß es nicht glaublich ist." (P, S. 247)An die Stelle punktueller Adäquation des Buches der Natur - auch hierin bedient sichDescartes eines humanistsichen Topos, freilich um ihn taktisch zu gebrauchen - und theoretischerSätze tritt eine Art holistischer Falsifikation: Die kohärente Deduktion der Naturphilosophieaus ersten Prinzipen garantiert deren Geltung: "Sed qui advertent quam multade rnagnete, de igne, de totius Mundi fabrica, ex paucis quibusdam principiis h,c deductasinc, quamvis ista principia tanturn casu & sine ratione a me assumpta esse putarent, fortetarnen agnoscent, vix potuisse contingere, ur tarn multa simul cohaerent, si falsa essent."(Ebd.) - "Deshalb werden die, welche bemerken, wie vieles hier über den Magneten, dasFeuer, die ganze Einrichtung der Welt aus wenigen Prinzipien hergeleitet worden, selbstwenn sie meinen, daß ich diese Prinzipien nur auf das Geradewohl und ohne Grund angenommenhätte, doch vielleicht anerkennen, daß doch kaum SO vieles so zusammenstimmenkönnte, wenn es falsch wäre. "(Ebd.; vgl. auch: D, S. 7Of. / AT VI, S. 76f.) Über dieses.moraliter certum' hinaus reicht nur Theodizee, die metapysische Gewißheit eines wahrheitsliebendenGottes: "Praeterea quaedam sunt, etiam in rebus naturalibus, quae absoluteac plusquam moraliter certa existimamus, hoc scilicet innixi Metaphysico fundaJ11enw,quod Deus sit summe bonus & minime fallax, atque ideo facultas quam nobis dedit adverum a falso dijudicandum, quoties ea recte utimur, & quid ejus ope distincte percipimus,errare non possit." (A. a. 0., § 206) - "Außerdem gibt es auch innerhalb der Natur mehreres,was wir für unbedingt und mehr als moralisch gewiß halten, indern wir uns auf denmetaphysischen Grundsatz stützen, daß Gott höchst gütig und nicht betrügerisch sei, unddaß desshalb unser von ihm empfangenes Vermögen, das Wahre von dem Falschen zuunterscheiden, nicht irren könne, wenn wir es recht gebrauchen und etwas mit dessen Hilfegenau erkennen." (A. a. 0., § 206) Descanes opperien mit einer doppelten Wahrheitstheorie:Er skizziert ein Modell immanenter Gewißheit und ein Modell transzendenter Wahrheit.Die Pointe dieses Verfahrens liegt in der Tasache, daß ersteres mit leezerem nur äußerlich,über die metaphysischen Bedürfnisse des Subjektes verbunden ist, die methodischeNaturwissenschaft oder -philosophie seiner also funktionell nicht bedarf (vgl. D, S. 36/AT VI, S. 37f.). Doch wäre es eine Beleidigung Gottes, glaubte man, die Insuffizienz derVernunft des alter deus rationalis gestatte keine Erkenntnis (P, S. 80/ AT VIII-i, S. 99:.injuria deo"; vgl. Williams, 124: Zur "Außengarantie der Wahrheit"). Das kryptographiseheModell von Erkenntnis verklammert die frühen "Regulae" mit den späten "Prinzipien"(vgl. R, S. 25/ AT X, S. 391 (= Regel 7,9); R, S. 34f.1 AT X, S. 404f. [= Regell0,3}).Außerdem wird in beiden der Schreibvorgang als Metapher sinnlicher Wahrnehmungverwendet (R, S. 41/ AT X, S. 414 [= Regel 12,7}). Hier in engster Verbindung mit demsensus communis und der Wachs-Siegel-Metapher; P, S. 240/ AT VIII-i, S. 320 (T 4,197). Die Sinneswahrnehmung ist wiederum in sich nach Maßgabe ihrer Kohärenz im


Vergleich der Information aus den einzelnen Sinnen zu werten (vgl. Me, 109f. 1 AT V,S.89f.).121) A. a. 0., 204 (= P, S.246 1 AT VIII-l,327). Der Text fährt fort: "Hocque etiam ad usumvitae sufficiet, quia & Medicina, & Mechanica, & caeterae artes omnes, quae ope Physicaeperfici possunt, ea tantum quae sensilia sunt, ac proinde inter naturae phaenomena numeranda,pro fine habent. " (A. a. 0.) - "Dies wird auch f"ür die Zwecke des Lebens genügen,weil sowohl die Medizin und die Mechanik, wie alle anderen Künste, welche der Hilfe derPhysik bedürfen, nur das Sichbare und desshalb zu den Naturerscheinungen Gehörige zuihrem Ziel haben." (A. a. 0.)Dabei ist zu beachten, daß über die Medizin auch die Moralität einer Gesellschah der Physikverpflichtet ist. Andererseits aber besitzen ohne Rekurs auf metaphysische Wahrheit dieNaturwissenschaften nur den Status moralischer Gewißheit. Es ist dieser Zirkel, dem dieprima philosophia zu entkommen trachtet.122) Vgl. R,74ff. 1 AT X,454ff. (= Regel 16).123) Freilich vertraut Descanes nicht auf die Kraft der Erinnerung und des Gedächtnisses,sondern fordert, die Erfahrungen in einem "Verzeichnis" (,.charta") niederzulegen(R, S. 771 AT X, S. 458 (=Regel 16,6); vgl. Regel 12,7 (AT X, S. 414). Die Übersetzung(R, S. 41) verstellt den Zusammenhang, wenn sie "quo singuli characteres in charta exprimuntur"mit "indem sich die einzelnen Buchstaben auf dem Papier ausdrücken" wiedergibt.124) Vgl. den B,.iefanA,."au/dvom 4.6.1648 (AT V, 192);vgl. auch R,431 AT X, S. 416: Tiergedächtnis.Bernard Williams bemerkt zu diesem Problem: "Das Paradigma eines Dings, dabedeutet oder bezeichnet, ist die Sprache. Descartes war der Ansicht, daß die Sprache nurdeshalb bezeichnet, weil das begriffliche Denken - und das ist es, was in der Sprache ausgedrucktwird - bezeichnet. Es ist möglich, daß er das, was er als den geistigen Aspekt einesWahrnehmungsbildes oder eines aus den Sinnen stammenden Bildes auffaßte, ein konfuserFall begrifflichen Denkens war, der auf keine Weise einem körperlichen Ding ähnelte oderes abbildete, sondern die einzige Beziehung zu einem solchen Ding hatte, die begrifflichesdenken haben kann, nämlich Bedeutung oder Bezeichnung. Wenn es sich so verhält, so istder in solchen Bildern enthaltene Gedanke in mehr als einer Hinsicht konfus: Es ist demunreflektierten Bewußtsein nicht offenkundig, was den Gedanken ausmacht, und es istnicht offenkundig, was er bezeichnet. Seine unmittelbare Bezeichnung Ist tatsächlich einZustand seines Körpers." (Williams, S. 241)125) Diese intellektuellen Wahrheiten, die sich in den "cogitationes" zeigen, mit dem Terminus"Ideen" zu identifizieren, erscheint angsichts des schwankenden Gebrauchs, den Descartesselbst von diesem Begriff macht, fragwürdig (vgl. Hist.Wb., Art . .Idee', IH,I).126) Descartes schreibt, er stelle im Discours sein Leben dar "wie in einem Gemälde": "comme enun tableau" (D, S. 5 (AT VI, S. 4); einige Seiten weiter nennt er den Discou,.s ein ,.Modell"("modelle") seines Werkes (D, S. 15/AT VI, S. 15), das er aber nicht zeige, damit andere esnachahmen ("imiter") (D, S. 151 AT VI, S. 15); er charakterisiert das ganze Unternehmen:"Mais, ne proposant cet escrit que comme un histoire, ou, si vous l'aymez mieux, que commeun fable, en laquelle, parmi quelques exemples qu'on peut imiter, on en trouvera peutestreaussy plusieurs autres qo'on aura raison de ne pas suivre, i'espere qu'il sera utile aquelques uns, sans estre nuisible a personne, & que tous me ... avront gre de ma franchise." -"Da ich jedoch in dieser Schrift nur die Absicht habe, gleichsam eine Geschichte, oder,wenn man lieber will, gleichsam eine Fabel zu erzählen, worin unter manchen nachahmenswertenBeispielen vielleicht auch manche andere sich finden werden, denen man bessernicht folgt, so hoffe ich, diese Schrift: wird einigen nützen, ohne einem einzigen zu schaden,und jeder wird mirrüc meine Offenheit Dank wissen." (D, S. 5/AT VI, S. 4; vgl. Br, 312ff./AT IV, 29Off.: B,.ief an Elisabefh vom 15. 9. 1645)Descanes charakterisiert hier präzise die Funktion von Kunst im System rationalistischerTheorie, Modell von Erkenntnis zu sein.127) Vgl. die 10. Regel der R.gulae (R, S. 32ff.1 AT X, S. 403ff.).128) ,,{ ... ] sensum communem fungi etiam vice sigilli ad easdem figuras vel ideas,a sensibus459


externis puras & sine corJX>re venientes, in phantasia vel irnaginatione veluti in cera forrnandas:..." (R, S. 41 1 AT X, S. 414; vgl. die Regeln 11 u. 12)129) Dem Gedächtnis (memoria) kommt bei der Erkenntnis unterstützende Funktion zu (R,S. 391 AT X, S. 410 = Regel 12). Es ist von Bedeucung, wenn eine Beweiskette das Fassungsvermögen("capacitas") der vis cognitionis überschreitet, "weil sie dann nicht imGanzen auf einmal VOll1 Verstande erfaßt werden kann, sondern ihre Zuverlässigkeit in gewisserWeise vom Gedächtnis abhänge, in dem die Ureeile über die einzelnen aufgezähltenTeilmoll1ente aufbewahre werden müssen, um aus ihrer Gesamtheit einen einzigen Sachverhaltzu erschließen." - ,,{...} cui enumerationis, {...} quia tunc non tota simul ab intellectupotest cOll1prehendi, sed eius cereitudo quodammodo a memoria dependet, in qua judicia desingulis pareibus enull1eratis retineri debent, ut ex illis omnibus unum quid colligacur."(R, S. 36f. 1 AT X, S. 408 = Regel 11 ,2) Doch an sich ist es trügerisch und von Versagenbedroht, weshalb man zum einen die Erinnerung (ll1emoria) als ll1ethodische Rekapitulationschulen ll1uß (R, S. 37 1 AT X, S. 408f. = Regel 11,49), zum anderen an die Stelle des "körperlichen"Gedächtnisses, das dem "Gedächtnis der Tiere ähnele" C,quae corporea est &similis recordationi brurorull1" (R, S. 43 IAT X, S. 416 = Regel 12,11}) ein anderes, quasiintellektuelles Gedächtnis setzten: "Sed quia haec saepe labilis est, & ne a1iquarn attentionisnostrae partem in ddell1 renovanda cogarnur ill1pendere, dUll1 a1ijs cogitationibus incumbimus,aptissime scribendi usum ars adinvenit; {...}" - "Weil das {Gedächtnis} aber häufigunsicher ist, und um zu verll1eiden, daß wir einen Teil unserer Aufll1erksall1keit darauf verwendenll1üssen, es aufzufrischen, hat die Kunst sehr passend den Schriftgebrauch dazu erfunden."(R, 74 IAT X, S. 454; vgl. den BriefanArnauldt.om 4.6.1648 = AT V, S. 192ff.)Vergleicht man dieses Mißtrauen persönlicher Erfahrung gegenüber mit den SokratischenBedenken, daß gerade die Schrift dazu geeignet sei, Vergessen zu schulen, so bekommt maneine Ahnung des Weges der Philosophie von den Weisen zu den Wissenschaftlern.130) ,,[...} maxi= hujus regulae utilitatell1 in eo consistere, quod ad mutuam simplicium propositionumdependentiam reflectendo, USUll1 acquirall1us subiti> distinguendi, quid sit magisvelll1inus respectivull1, & quibus gradibus ad absolutum reducatur." (R, S. 37f.! AT X,S.409)131) Vgl. den Anhang zu Regel 8 (R, S. 901 AT X, S. 395).132) "Atque una & eadem est vis, quae, si applicet se CUll1 imaginatione ad sensum comll1unell1,dicitur videre, tangere, & c.; si ad imaginationem solarn ut diversis figuris indutam, diciturrerninisci; si ad eamdem ut novas fingat, dicitur imaginari vel concipere; si denique solaagat, dicitur intelligere: quod ultimull1 quomodo fiat, fusius exponall1 suo loco. Et eadell1etiall1 idcirco juxta has functiones diversas vocatur vel intellectus purus vel imaginatio, velll1ell1oria vel sensus; proprie autem ingeniull1 appellat ur, cum modi> ideas in phantasia novasforll1at, modi> jarn factis incumbit; considerarnusque illarn ur diversis istis operationibusaptall1 {...}" (R, S. 42f 1 AT X, S. 415f.= Regel 12,10)133) Es ist klar, daß der frühe Descartes der Regulae, der sich um die bona mens bemüht, humanistisch-rhetoristischenKategorien näher steht als jener der Methode. Es ist jedoch hiergerade Anliegen, zu zeigen, daß die Hinwendung zur Methode eine Problell1reduktion bedeutet,und daß ecIiche der Probleme, die der HUll1anisrnus ill1 Konzept der Weisheit unddes Weisen zu fassen und zu lösen suchte, sich wieder einstellen, sobald die Methode einePraxis der Subjekte in den Blick nill1ll1t, welche über die Praxis der Wissenschaft hinausreicht.134) Vgl. Regel 12,11 (R, S. 43 1 AT X, S. 416f.).135) Ebd.136) "Neque plura intellectull1 juvare possunt ad res singulas distincte intuendas." (R, S. 44 1 ATX, S. 417)137) Hamll1acher bezeichnet ill1 Vorwore zu den ,Leidenschaften tierS .. le' das Verfahren Descarces'als "Aufzählung" und bell1erkt, daß "sein ll1ethodisches Denken hier ill1 Anschluß an dietopischen Wahrscheinlichkeitsansprüche entwickelt ist" (LdS, S. XLV).138) Harnll1acher vergleicht solches nicht-rationale Verhalten mit tierischen Orientierungsrealctionen,den Taxinoll1ien, konstatiert aber als wesentliche Differenz die semantische460


Kompetenz des Menschen: "Hiernach liegt der Unterschied zwischen Mensch und Tier imVerstehen der Bedeutung, die in anderer Weise als durch die reinen Erregungen situationsunabhängigesHandeln möglich macht." (LeIS, S. XLII)139) Vgl. D, S. 53.140) LeIS, S. 91141) Vgl. A.a.O.,S.103142) Vgl. LeIS, S. 29.143) LeIS, S. 45; vgl. Me, S. 95.144) LeIS, S. 57.145) LeIS, S. 93.146) LeIS, S. 109/ AT XI, S. 380; vgl. LeIS, S. 95f/ AT XI, S. 384.147) LdS, S. 109f. / AT XI, S. 380f.; vgl. LeIS, S. 113/ AT XI, S. 382.148) LeIS, S. l1lf. / AT XI, S. 38l.149) LeIS, S. 109/ AT XI, S. 380.150) ,,[ ... ) elle n'a point de rapport avec le coeur & le sang, desquels depend tout le bien du corps,mais seulement avec le cerveau, OU sont les organes des sens qui servent a cette connoissance."(LeIS, S. 111 / AT XI, S. 381)151) ,,[ ... ) ce qui fait que tout le corps demeure immobile comme une statue, & qu'on ne peutapercevoir de l'objet que la premiere face qui sest presentee, ny par cosequent en acquerirune plus particuliere connoissance." (LeIS, S. 115/ AT XI, S. 383; vgl. LdS' S. 117/ AT XI,S. 385)152) Die, um die Formulierung Blumenbergs zu gebrauchen, "theoretische Neugierde" ist freilichzu unterscheiden von der "curiositas", blinder Neugierde (vgl. R, S. 23/ AT X, S. 371),die Descartes als "Krankheit" ("maladie") bezeichnet (LeIS, S. 121/ AT XI, S. 386). Nur wasmethodisch fruchtbar erscheint und die Geltung der Vernunft nicht gefahrdet, ist legitimesObjekt der ,Admiration'. Die Verwunderung, welche auf physiologischer Seite das Spiel derVernunft erst in Gang setzt, bleibt eine zutiefst ambivalente Eigenschaft: "C'est pourquoy,encore qu'il soit hon d'estre ne avec quelque inclination acette passion, pource que cela nousdispose a l'acquisition des sciences, nous devons toutefois tascher par apres de nous en delivrerle plus qu'il est possible." (AT XI, s. 385) Selbstbescheidung der Neugier, die schonin den Reglilae alle auszeichnete, die um die ,hona mens' bemüht waren (vgl. R, S. 9lf. / ATX, S. 395f.), wählt die Phänomene nach ihrem Gebrauchswert für die Methode aus. Aberum dies zu können, müssen jene schon beurteilt sein, d. h. die evaluative Selektion der Phänomenebringt Vernunft bereits vor ihrem Gebrauch in Anschlag. Descartes versucht demZirkel zu entgehen, indern er die Vernunft selbst habitualisert - freilich um den Preis, daßdie ,Admiration' als curiositas durch die Hintertür wieder Einzug hält: "Car il est ayse desuppleer a son defaut par une reflexion & attention peet iculiere, a laquelle nostre volont"peut tousjours obliger nostre entendement, lors que nous jougeons que la chose qui se presenteen vaut la peine; mais il n'y a point d'autre remede pour s'empescher d'admirer avecexces, que d'acquerir la conoissance de plusieurs choses, & de s'exercer en la consideration detoutes celles qui peuvent sembier les plus rares & plus est ranges." (AT XI, S. 385) Die vernünftigePraxis etabliert sich durch das Verfahren von trial and error; Descartes vertraut darauf,daß die methodische Leere des Kuriosen dieses schließlich denunziert. Letztlich aberbleibt der Zirkel unauflösbar und wird verdrängt durch "eine Art von innerszientifischerMoral, ein Rigorismus der systematischen Logik, dem die ungezügelte Wißbegierdesuspekt sein muß." (Blumenberg, 1973, S. 209)153) LeIS, S. 87 / AT XI, S. 369.154) LeIS, S. 85/ AT XI, S. 368.155) Ebd.156) ,,[ ... ) est qu'elles incitent & disposent leur ame a vouloir les choses ausquelles elles preparentleur corps [ .. .)" (LdS, S. 67 / AT XI, S. 359)157) .. Nus passions ne peuvent pas aussi directement estre excitee sny ostees par l'action de nostrevolonte, mais elles peuvent l'esrre indirectement par la represenration des choses qui on coustumed'estre jointes avec les passions que nous voulons avoir, & qui sont concraires a eelles461


que nous voulons rejetter." (ldS, S. 73f. / AT XI, S. 362; vgl.auch ldS, S. 79(. / AT XI,S. WS)158) ldS, S. 73 / AT XI, S. 362.159) V gl. ldS, S. 75 / AT XI, S. 363.Ideale Vorausserzung rationalen Kalküls ist ein Zustand pathetischer "Unentschiedenheit"("Irresolution"). Positiv gefaßt, als Bestimmungslosigkeit, ist sie die Grundlage des freienWillens und damit die differentia species des animal rationale: ,,[... }; libertatis [ ...} & indifferentiae,quae in nobis est, nos ita conscios esse, ut nihil sit guod evidentius & perfectiuscomprehendamus." (AT VIII, S. 1, 20) Doch ist diese Pseudo-Apathie kein Wert an sich,sondern darf nur genau so lange dauern, die fur die Urteilsfindung erforderlich: "l'Irresolutionest aussi une espece de Crainte, qui retenant l'ame comme en balance, entre plusiersactions qu'elle peut faire, est cause qu'elle n'en execute aucune, & ainsi qu'elle a du tempspour choisir avant que de se determiner. En quoy veritablemem elle a quelque usage qui estbon. Mais lors qu'elle dure plus qu'iJ ne faur, & qu'elle fait employer adeliberer le tempsqui est requis poue agir, elle est fort mauvaise." (AT XI, S. 459) Auch für die ,.Irresolution"ist ein aptum gefordert, das sich methodisch nicht ausweisen kann und der selben Zirkularitätunterliegt wie schon die Neugierde.Neben dieser existenziellen Unentschiedenheit, die in der Tradition abendländischer Selbsterhaltungs-Metaphysik- und diese sicher auch mit begründend - auf Furcht als anthropologischeKategorie (oder Existenzial) rekurriere, kennt Descarees noch eine erkenntnistheoretischeUnentschiedenheit: ,,[...} cette soree d'lrresolurion vient seulement du sujet qui sepresente, & non point d'aucune emotion des esprits: c'est pourquoy elle n'est pas une Passion,si ce n'est que la Crainte qu'on ade manquer en son choix, en augmente l'incerritude."(Ebd.)Dabei kann es sich rucht um Neuheiten handeln, da diese ja pathetisches Potential besitzten,sondern eher um gewöhnliche, fur methodisches Kalkül situativ nicht relevante Gegenstände.Man braucht sich nicht zu sehr zu kümmern, ihnen gerecht zu werden, und auch dasBemühen li m richtiges - gutes - Handeln, darf nicht so weit gehen, daß das Selbstbewußtseinder Methode erschüttert wird: "Et a10rs c'est un exces d'Irresolution, qui vient d'un tropgrand desir de bien faire, & d'une foiblesse de l'entendement, lequel n'ayant point de notionsclaires & distinctes, en a seulement beaucoup de confuses. C'est pourquoy le remede contrecer exces, est de s'accoustumer a former des jugemens cecrains & deterrninez, touchant toutesles choses qui se presentent, & a croire qu'on s'acquite rousjours de son devoir, lors qu'on faitce qo'on juge esrre le meilleur, encore que peut esrre on juge rres-mal." (AT XI, S. 460)Denn: "Indifferentia autem illa, quam experior, cum nulla me ratio in unam partem magisquam in a1teram impellit, est infimus gradus libereatis, & nullam in ea perfectionem, sedtatummodo in cognitione defcctum, sive negationem quandam, testat ur nam si semper quidverum & bonum sit dare viderem, nunquam de eo quod esset judicandum vel eligendumdeliberarem; [...}"(AT VII, S. 58) - "Jene Indifferenz [ ...}, die ich erfahre, wenn kein Grundmich mehr nach der einen Seite hintreibt als nach der andern, ist die niedrigste Stufe derFreiheit; sie spricht nicht für vollkommene Freiheit, sondern lediglich für einen Mangel imErkennen, d. h. Nr eine Negation. Sähe ich immer klar, was wahr und gur ist, ich würdeniemals schwanken, wie ich zu urteilen oder zu wählen habe. Ich könnte völlig frei, aberniemals indifferent sein." (Me, S. 79) Descarres beschreibt die zupackende Moral gesunder,unternehmerischer Vernunft, der es auch als Fehler gilt, zu wenig zu begehren (vgl. ldS,S. 221 1 AT XI, S. 436). Bemerkenswerter Weise fällt hier der Ausdruck ,Pflicht' ("devoir");das ganze Zitat kreist implizit um das Problem des guten Gewissens. Tatsächlich findet sichhier der Übergang von typologisch verfahrendem und diätetischem Moralismus zu bürgerlicherPflicht-Ethik: Handeln wird nicht mehr aus seiner Tatsächlichkeit, an realen oder denkbarenFolgen bemessen und Ethik auf ihre Verwirklichbarkeit, auf die Bedingungen derSubjekte abgestellt, sondern Maßstab des Handelns wird seine Kohärenz rrllt dem abstraktenKalkül. Gutes Gewissen ist eines, das sich des Beistands der Methode versichert und von ihrAbsolution empfängt (vgl. Br, 3061 AT IV, S. 277: Ethik als Preisschießen. Die Stelle ist imGrunde unübersetztbar, da das Schwarze der Scheibe im Französischen ein Weißes ist ("Ieblanc") und gleichzeitig ein Unbeschriebenes. vgl. Br, S. 111/ AT 11, S. 35ff.).462


160) ,,[ ... } iI ne suffit pas d'en avoir la volont";, mais iI faut s'appliquer a considerer les raisons, lesobjets, ou les exemples, qui persuadent [ ... }" (LdS, S. 75/ AT XI, S. 363)161) Die Methode als solche ist interessiert: Sie soll im Gegensatz zu scholastischer Spekulationund dialektischer Spitzfindigkeit praktische Folgen zeitigen und Probleme lösen helfen.Das "desinteressement" bezieht sich lediglich auf die Stellung des Subjekts zur Methode,seine Pareikularinteressen dürfen den methodischen Prozeß nicht beieinträchtigen. DasSubjekt stellt also seine spezifischen Interessen situativ zurück, um sie später, nachdem Erfolg der methodischen Operation, um so gewisser einlösen zu können. Es verschiebtseine Interessen. Dieser Zustand interessierten Desinteresses kennzeichnet das Verfahrenmethodischer Praxis als Investition (vg!. Br, S. 213/ AT IV, S. 29Off.: Briefan Elisaheth vom15. 9. 1645).162) D, S. 58.163) Vg!. LdS, S. 99 / AT XI, S. 375: Art. 58. Auch hier gibt es ein Moment von Selbstaffirmationder MHhode: Was als wahrscheinlich erreichbar vorgestellt wird, erregt Hoffnung, istdiese extrem groß, so schlägt sie um in "Seelenruhe und Zuversicht". Da aber die Methodeex definitione ein Verfahren sicherer Erkenntnis ist, wird das methodisch operierende Individuumstets von Zuversicht begleitet sein. Im Verein mit den Prinzipien der Investition(vg!. Anm. 132) und des guten Gewissens (vg!. Anm. 130) konturiert die ,Zuversicht' einTrivium bürgerlicher Ethik.164) ,,[ ... } la joye purement intellectuelle, qui vient en l'ame par la seule action de l'ame, & qu'onpeut dire estre une agreable emotion excitee en elle mesme, en laquelle consiste la jouissancequ'elle a du bien que son entendement luy represente comme sien." (LdS, S. 143 / AT XI,S. 397)165) .. 11 est vray que, pendant que I'ame est jointe au corps, cette joye intellectuelle ne peut gueres manquer d'estre accompagnee de celle qui est une passion." (Ebd.)166) Vg!. LdS, S. 145/ AT XI, S. 398; LdS, S. 141/ AT XI, S. 396.167) LdS, S. 139/ AT XI, S. 395.168) .convenable" (tauglich, passend, angemessen, geeignet). Indem Hammacher .convenable"mit "zuträglich" übersetzt, legt er die Betonung auf den Nutzen-Aspekt und verdeckt denAspekt menschlichen Maßes, das anthropologischen aptums, um die rhetorischen Implikationendes Begriffs herauszustellen.169) LdS, S. 97 / AT XI, S. 374.170) LdS, S. 173/ AT XI, S. 412 (Art. 79 u. 80).171) LdS, S. 13lf. / AT XI, S. 391 (Art.85).172) LdS,139 / AT XI,395; vg!. LdS, S. 133/ AT XI, S. 392.173) Ein Residuum lebensweltlicher Interessiertheit, die vor der rationalen begrifflichen Reduzierungder Gegenstandswelt eine Art verständiger Korrespondenz zwischen dem Subjektund seiner Welt zuläßt. (Es gibt - nebenbei bemerkt - ja durchaus Blumen Zum Essen undFrüchte zum Betrachten.)174) LdS, S. 139/ AT XI, S. 395. Descanes rekurriert implizit auf den platonischen Mythos, derdas sexuelle Einzelwesen als Teil verbrocher Ganzheit beschreibt. Geschlechtliche Liebe isteine Leidenschaft, steht also auf Seiten des Körpers. Ihr ,Objekt' .[ ... } est confusementrepresentee par la Nature, comme le plus grand de tous les biens imaginables." (AT XI,S.396)175) .La loye est une agreable emotion de l'ame, en laquelle consiste la jou"isssance qu'elle a dubien, que les impressions du cerveau luy representent comme sien." (LdS, S. 141, AT XI,S.396)176) Vg!. LdS, S. 147/ AT XI, S. 399 u. LdS, S. 231 / AT XI, S. 441.177) Bei Descarees selbst bleibt die Kunst frei von ethischen Implikationen; ihre wirkungsästhetischeBegründung wird nicht dazu gebraucht, Kunst in den Dienst von Wahrheit undMoral zu stellen (vg!. LdS, S. 141). Obwohl das Gebot, seine Zeit zu nutzen und allenfallsdie Vernunft spielend zu üben anstatt Kinderspiele zu treiben (vg!. R, S. 35/ AT X, S. 406)in Richtung einer Intellektualisierung der Kunst weist, bleibt Kunst als genuin pathetischedoch verdächtig. Sie kann nicht ,an sich' pathetisch oder vernünftig werden. Ihre anschei-463


nende Vernünftigkeit bleibt äußerlich und ist nie mehr als Vernunft in der Larve - derMaske - des Pathos. Auch in diesem Zusammenhang ise das berühmee .,Jarvaeus prodeo" zubeacheen ("Ut comoedi, moniti ne in fronee appareae pudor, personam induune: sie ego, hocmundi thearrum conscensurus, in quo haccenus speceaeor existi, larvatus prodeo." AT X,S. 213), sowie zwei andere Fragmenee aus der Sammlung der "CogitatineJ Privatae": ,,Larvataenunc scientiae sunt: quae, larvis sublatis pulcherrimae apparerent [ ... }" (AT X, S. 215);,,{ ... } Mirum videri possit, quare graves semeneiae in scripcis poetarum, magis quarn philosophorum.Raeio est quod poetae per enthusiasmum & vim imaginationis scripsere: sunt innobis femina scientiae, ut in silice, quae per rationem a philosophis educuntur, per imaginationema poetis excutiunutur magisque e1ucem." (AT X, s. 217) In den methodischenSchriften wird Kunst jedoch nicht inhalclich, sondern funkeional von der Vernunft reglementiert,denn dieser kommt es darauf an, sich in der Kunst und durch ihr pathetischesArsenal von den Anserengungen der raeio zu erholen. (VgJ. LdS, S. 231 / AT XI, S. 441;LdS, S. 147/ AT XI, s. 399) Insofern Kunse als Affektenlehre begriffen wird, verkommt siezu einem kompensatorischen Mechanismus zur Produktionssicherung der ratio und falle derEthik der Produktion anheim. (V gL Br, S. 319/ AT IV, S. 309)178) LdS, S. 219/ AT XI, S. 435; LdS, S. 221 / AT XI, S. 436.179) LdS, S. 123/ AT XI, S 437180) LdS, S. 221/ AT XI, S. 436; vgl. a. a. 0., S. 123/387: Indem Hammacher ,desir' einmal mit,Begehren', einmal mit ,Verlangen' übersetze, suggeriert er falschlicherweise Differenzierung.Was dem Subjekt nun noch an Schaden zustoßen kann, ist hinzunehmen imBewußtsein, daß das Übel selbst schicksalhaft ist ("fortune" / LdS, S. 229 / AT XI, S. 440)und nicht Ausdruck einer Geseezmäßigkeit, die das Subjekt zum Spielball degradiert,da sie den freien Willen und damit die Möglichkeit vernünftiger Handlungsregulierungund -kalkulation verneint (vgl. den Begriff der "fatalit,,", ebd.; vgL auch 211/ AT XI,S.431).181) V gl. LdS, S. 75-89/ AT XI, S. 363-370. Der Wille wird dabei selbst nicht stärker, sonderngeschickter: ,,{...} elle ese contrainte d'user d'industrie, & de s'appliquer a considerer successivementdiverses choses, {...}" (AT XI, S. 365f.) - Der Wille wird gezwungen ,,{...} Geschicklichkeitzu üben und sich daran zu gewöhnen, nacheinander die verschiedenen Vorstellungenzu erwägen." (LdS, S. 79f. - vgl. Br, S. 315 / AT IV, S. 295: Über die Gewohnheitzu glauben)182) ,,[...} sont des habitudes en I'ame qui la disposent a certaines pensees, en sorte qu'elles sontdifferentes de ces pensees, mais qu'elles les peuvent produire, & reciproquemene esere produitespar elles." (LdS, S. 255/ AT XI, S. 453.183) LdS, S. 239ff / AT XI, S. 445; LdS, S. 251ff / AT XI, S. 451.184) LdS, S. 251 / AT XI, S. 45l.185) "I'Esperance ese une disposition de rame a se persuader que ce qu'elle desire aviendra,laquelle est causee par un mouvement particulier des esprits, a "'javoir par celuy de la loye &du Desir meslez ensemble." (LdS, S. 261 / AT XI, S. 456)186) LdS, S. 263/ AT XI, S. 457.187) LdS, S. 325/ AT XI, S. 488.188) LdS, S. 291f1 AT XI, S. 471.189) "Au reste, I'arne peut avoir ses plaisirs a part; mais pour ceux qui luy sont communs avec lecorps, ils dependent entierement des Passions, en sorte que les hommes qu'elles peuvent leplus emouvoir, sont capables de gouster le plus douceur en cetce vie. 11 est vray qu'ils y peuventaus si erouver le plus d'amertume, lors qu'i1s ne les s~avent pas bien employer, & que lafortune leur ese coneraire. Mais la Sagesse ese principalemene utile en ce poine, qu'elleenseigne asen re nd re tellement maisere, & ales mesnager avec cant d'adresse, que les mauxqu'elles causene sone fort supportables, & mesme qu'on eire de la Ioye de cous." (LdS, S. 325/AT XI, S. 488)Die Hammachersche Übersetzung von ,sagesse' mit ,Weisheie' kann leicht irreführen, da ersie mit der Übersetzung von ,sapientia', wie sie Descartes in den Reglllae gebrauche und miederen Tradieion zusammenschließt. \X7ährend aber diese das Gesamt menschlicher Erkennt-464


nisformen umfaßt, ist jene ein funkcionales lebensweltliches Pendant methodischer Erkenntnis.Als solches tritt .Weisheit' in der Folge gerade als Opponent rationalistischerSysteme auf. Die cartesianische .. sagesse" bedeutet weniger Akkumulation lebensweltlicherErfahrung als die Beherschung diätetisch-moralischer Techniken.190) LdS, S. 325 1 AT XI, S. 488. Der Begriff .Weisheit' der Hammacherschen Übersetzungwurde durch .Klugheit' ersetzt.191) Me, S. 52: .. geistiger Einblick" 1 AT V, S. 31: "inspectio mentis"; Me, S. 52: .. Einsicht desGeistes" 1 AT V, S. 32: "inspectio mentis"; Me, S. 731 AT V, S. 57: .,acies mentis"; Me,S. 731 AT V, S. 58: "acies ingenii"; Me, S. 901 AT V, S. 69: .. obtutus mentis".192) Me, S. 72 1 AT V, S. 51: Die Stelle bezieht sich zwar auf die Gewahrwerdung der Gottesideeim Menschen, diese selbst aber wird im vorausgehenden Absatz unter die Wahrnehmungender ideae innatae selbst subsummiert Der angeführte Abschnitt sei hier in extenso zitiert, daer paradigmatisch darauf verweist, wie D, sich humanistisch-rhetoristischer Verfahren heuristischbedient: .. Et sane non mirum est Deum, me creando, ideam illam mihi indidisse, utesset tanquam nota artificis operi suo impressa; nec etiam opus est ut nota illa sit aliqua resab opere ipso diversa. Sed ex hoc uno quOd Deus me creavit, valde credibile est me quodammodoad imaginem & similitudinem ejus factum esse, illamque similitudinem, in qua Deiidea continetur. a me percipi per eandem facultatem, per quam ego ipse a me percipior:[ ... )" - .. Und darüber braucht man sich in der Tat nicht zu wundern, daß Gott mir bei meinerErschaffung jene Vorstellung eingepflanzt hat, gleichwie ein Künstler seinem Werkesein Zeichen einpräge. Es ist gar nicht einmal nötig, daß dies ein besonderes, von demganzen Werk verschiedenes Zeichen ist. Darum allein, weil Gott mich geschaffen, ist esvielmehr schon sehr wahrscheinlich, daß ich gleichsam zu seinem Ebenbild geschaffen bin.Diese Gottähnlichkeit, welche die Gottesvorstellung in sich schließt, nehme ich aber durchdas nämliche Vermögen wahr, durch das ich mich selbst wahrnehme." (Vgl. D, S. 391 ATVI, S. 40)193) Me, S. 109 1 AT V, S. 89).Den Sinnen treten das Gedächtnis und der Verstand zur Seite.. [ ... }. memoria, quae praesentia cum praecedentibus connectit, & intellectu, qui jiam omneserrandi causas perspexit;"(ebd.) - .. [ ... } das Gedächtnis, das die Gegenwart mit der Vergangenheitverknüpft, und [der} Verstand, der die Ursachen des Irrtums bereits alle durchschaute."(Ebd.)194) LdS, S. 79(. 1 AT XI, S. 365f.195) Vgl. die 6. Meditation (Me, S. 92ff. 1 AT V, S.7lff): Die verhandelte Differenz zwischen.. imaginatio" und "pura intellectio" zeigt nach dem Durchgang durch den Zweifel eine Umkehrungdes energetischen Haushaltes im Subjekt an: Nun ist zum Vorstellen eine geistigeAnstrengung nötig: .. [ ... } & manifeste hlc animadverto mihi peculiari quadam animi contentioneopus esse ad imaginandum, qua non utor ad intelligendum: [ ... }" (AT V, S. 72f.)­.. So bemerke ich hier, daß zum Vorstellen eine besondere Geistesanstrengung erforderlichist, deren ich beim Erkennen nicht bedarf." (Me, S. 93; Me, S. 93 1 AT V, S. 72) Aus derPerspektive des Geistes bedarf es einer Anstrengung des Konkreten.; was Einbildungskraftund .. sogenanntem Gemeinsinn" (Me, S. 53 1 AT V, S. 32) natürlich war, Vorstellungen als.. Zustandsweisen des Denkens" (Me, S. 621 AT V, S. 41: .. modus" der .. cogitatio"), wirdnun zur Arbeit intellektueller Rekonstruktion.196) Me, S. 531 AT V, S. 32.197) Me, S. 621 AT V, S. 41.198) Me, S. 921 AT V, S. 7lf.: .. { ... } quidnam sit imaginatio, nihil aliud esse aparet quam quaedamapplicatio facultatis cognoscitivae ad cotpus ipsi intime praesens, ac proinde existens."199) Me, S. 981 AT V, S.78: "ut modos a re".200) Me, S. 931 AT V, S.73: (Mens/L. S.) .. dum autem imaginatur, se convertat ad corpus, & aliquidin eo ideae vel ase intellectae vel sensu perceptae conforme intueatur."201) V gl. Gerhard Kriimling. Die praktische Dimension des Selhsthewußtseins. Zur Topik der reflexivenVergewiuerllnghei Augllstinu! ""dDesazrtes. In: AlIgemeineZschrJ. Phil. 12,2 (1987), S. 17-33,S.31.202) Vgl. Me, S. 103/ AT V, S. 83: .. ( ... ) nihil ni si valde obscure & confuse significant."465


203) Vgl. RiedeI, Grund, S. 392: "Der cartesianische Zweifel ist monologisch. Und auf den Monologdes Zustimmens, den Aufbau des E"sicherten Wisens aus dem Sein des EGO, dem daserste "Est" gelten wird, läuft die ganze Zweifels übung hinaus." (Vgl. Williams, Descartes,S.231)204) AT IV, S. 113f.: Brief an Mes/and, 2.5.1644 (?). Vgl. NieholasJolley. Desearles and Ihe ActionofBody on Mind. In: Sludia Leibitiana, XIX, H.1, 1987, S. 41-53, hier S. 51.205) Vgl. Me, S. 49/ AT V, S. 37.206) "Sed ne nunc quidem illas ideas in me esse inficior. Aliud auter.· quiddarn erat quod affirrnabarn,quodque etiarn ob consuetudinem credendi dace me percipere arbitrabar, quod tarnencevera non percipiebam: nempe res quasdam extra me esse, a quibus ideae istae procedebant,& quibus omnino similes erant." (AT V, S. 35) - "Daß jene Vorstellungen in mirsind, das bestreite ich ja auch jetzt nicht. Es war aber noch etwas, das ich behauptete undvertrauensselig auch wahrzunehmen meinte, während ich es in der Tat doch nicht wahrnahm:nämlich das Dasein von Dingen außechalb meiner, von denen jene Vorstellungenausgingen und denen sie ganz ähnlich wären." (Me, S. 56); vgl. AT V, S. 37: "Jarn quod adideas attinet, si solae in se spectentur, nec ad aliud quid illas ceferam, falsae proprie esse nonpossunt;" - Was nun die Vorstellungen betrifft, so können sie eigentlich nicht falsch sein,wenn man sie nur für sich betrachtet und nicht auf etwas anderes bezieht. "(Me, S. 58; sieheauch Me, S. 60/ AT V, S. 38)207) An dieser Stelle ist wiederum auf die bereits in Anm. 149 zitierten Stellen der CogitationesPrivatae hinzuweisen (AT X, S. 213; 215; 217), besonders aber sind die ÄußerungenDescartes' im Disf"{Jllrs über Form und Charakter dieser Schrift in Betracht zu ziehen. DerDiscours verfährt nicht methodisch, sondern exemplarisch, Descartes erzählt seine vita als intellektuelleBiographie (vgl. D, S. 16/ AT VI, S. 15: "exemple") und ist sich bewußt, damitein Publikum über die unmittelbare Wissenschaft hinaus anzusprechen: "Mais ie seray bienayse de faire voir, en ce discours, quels sont les chemins que i'ay suivis, & d'y representer mavie comme en un tableau, affin que chascun en puisse iuger [ ...}" (AT VI, S. 3f.) Dieses utpictura-poesis-Theoremwird später präzisiert: ,,[...} tout de mesmes que les peintres, nepouvant esgalement bien cepresenter dans un tableau plat toutes les diverses faces d'un corssolide, en choisissent une des principales qu'ils metten< seule vers le iour, & ombrageant lesautces, ne les font paroistre, qu'en rant qu'on les peut voir en la cegacdant [...}" (AT VI,S. 41f.) Er will ein Bild zeigen, ein "Modell" (..modele"; D, S. 15 / AT VI, S. 15), dessenNachahmung der Entscheidung des Einzelnen überlassen bleibt (ebd.), denn der Discoursist nur eine vorgefallene oder erfundene Geschichte: "Mais, ne proposant cet escrit que commeune histoire, ou, si vous l'aymez mieux, que comme une fable, en laquelle, parmi quelquesexernples qu6n peU( irniter, on en trouvera peutestre aussy plusieurs autres qu'on auraraison de ne pas siuvre [ ...}"(AT VI, S. 4) Betrachtet man lediglich die descactessche Metaphysik,Mathematik und Naturphilosophie, so mag man diese Äußerungen als bloße ,Taktik'beiseiteschieben, sie sind jedoch flir die praktische Philosophie von entscheidender Bedeutung,denn es ist gerade die Wirkrnächtigkeit sprachlichen HandeIns, die ihn veranlaßt,gegen Dialektik und Rhetorik Stellung zu beziehen. Er er kennt an, ,,[...} que I'Eloquence ades forces & des beau incomparables; que la Poesie ades delicatesses & des douceurs tces ravissantes[ ... }" (AT VI, S. 5f.); er konstatiert einen inventiven Charakter der Dichtung, dempoetologische Methodik nur hinderlich ist (D, S. 8/ AT VI, S. 7). Ihre pathetische Valenzprädestiniert diese ,Formen' - die eigentlich keine "Formen", sondern Inhalte sind - zufunktionalem Einsatz im Dienste der Methode. Zwar postuliert Descarres auch einen "Genuß,den man bei der Betrachtung des Wahren findet" (R, S. 4 / AT X, S. 361: "voluptas,quae in veri contemplatione reperitur [... }") und behauptet einen intrinsischen Wert desGuten, der dem Bewußtsein der Vollkommenheit des Subjekts entspringt, aber auf dem Forumder Praxis sind die genuin pathetischen ,Formen' das primäre Instrument rationalertechne.208) Zwischen Seele und Körper, in der Hypophyse, entspringt ein Kampf ("combat") um dieMacht ("pouvoir"), der in der Errichtung absoluter Macht ("pouvoir absolu") der Seele endensoll. Ethik wird als internalisierter Bürgerkrieg beschrieben, in dem die Seele der Gewalt466


der pathe ihre Geschicklichkeit gegenüberstellt (vgl. LdS, S. 77-85 I AT XI, S. 364-368u. a. m.); die "Pauiom de /'Ame" stellen die Strategie des Erkenntnissubjekts in diesem Kriegdar, die Verwendung rhetorischer Techniken und Inhalte sind dessen taktische Maßnahmen.209) Im "Discollrs" stellt Descanes die Verbindung her zwischen Wissenschaft, Ökonomie undKriegskunst: .,(. .. } car c'est quasi le mesme de ceux qui decouvrent peu a peu la verite dansles sciences, que de ceux qui, commen'iant a devenir riches, ont moins de peine a faire degrandes acquisitions, qu'ils n'ont eu auparavant, estant plus pauvres, a en faire de beaucoupmoindres. Ou bien ou peut les comparer aux chefs d'armee, dont les forces ont coustume decroistre aproportion de leurs victoires, & qui ont besoin de plus de conduite, pour Se maintenirapres la pecte d'une bataille, qu'ils n'ont, apres J'avoir gaignee, a prendre des viJles &des provinces. Car c'est veritablement donner des batailles, que de tascher a vaincre toutesles difficultez & les erreurs, qui nous empeschent de parvenir a la connoissance de la verite,& c'est en perdre une, que de recevoir quelque fausse opinion, touchant une matiere un peugeneral & importante ( ... )" (AT VI, S. 66f.).210) .,( ... } & a me retirer icy, en un PaJs OLt la longue duree de la guerre a fait establir de tels ordres,que les armees qu'on y encretient ne semblem servir qu'a faire qu'on y iouisse de fruitsde la paix avec d'autant plus de seurete, & OLt parmi la foule d'un grand peuple fort actif, &plus soigneux de ses propres affaires, que curieux de celles d'autruy, sans manquer d'aucunedes commoditez qui sont dans les villes les plus frequentees, i'ay pu vuire aussy solitaire &retire que dans les desers les plus escactez."( AT VI, S. 31)211) Im Briefan Mersenne vom 20.11.1629 über die Möglichkeit einer Unversalsprache, die für ihnabhängig ist von wahrer Philosophie: .. Or ie tiens que cette langue est possible & qu'on peuttrouver la science de qui elle depend, par le moyen de laquelle les paysans pourroient mieuxiuger de la verite des choses, que ne font maintenant les philosophes. Mais n'esperez pas dela voir iamais en usage; cela presupose des grans changemens en J'ordre des choses, & ilfaudroit que tout le monde ne fust qu'un paradis terrestre, ce qui n'est bon a proposer quedans le pays des romans." (AT I, S. 81f.)467


5 Zur Theologie des Textes.Pascal und die Strategie der Vermitdung1a) Zitiert wird - sofern nicht ausdrücklich anders gekennzeichnet - nach: Die Pensks im deutschenText nach: Blaise Pascal. Gedanken. Obers. von Vlrich KJmzmann, Hrsg. vonJean-RobertArmogathe. Leipzig 1987. Die Stellenangaben in Klammern ohne weitere Kennzeichnung inder allgemeinen Form (**1**) benennen rojt der ersten Zahl die Seite der angegebenenAusgabe, mit der zweiten Zahl die Lafuma-Zählung. Die Edition Lafumas liegt auch denfranzösischsprachigen Zitaten zugrunde: Blaise Pascal. Pensees Sllr la Religion et qllelqlles alltresSlIjets. Ed. LOllis Lafllma. Paris 1952 (2 Bde: Bd. 1, Textes; Bd. 2, Notes et Documents.). DieReflexions sllr la giomitrie en gmtfral- unter diesem Titel vereinigt J.-P. Schobinger die verschiedentlichals getrennt verstandenen Schriften De l'esprit geometrique und De l'art dllpers_der werden unter der Sigle .. es" zitiert nach der Ausgabe: Jean-Pierre Schobinger. BlaisePascals Reflexionen über die Geometrie im allgemeinen: ,De !'esprit geomoriqlle' lind ,De l'art dllpers_der'. BasellStllttgart 1974. Die unter der Sigle .. Was" zitierten Texte Pascals finden sichin der Ausgabe: Blaise Pascal. Die Kunst Zll überzellgen und die anderen kleineren philosophischenlind religio'sen Schriften. Obers. 11. hrsg. von Ewald Wasmllth. Heide/berg 1950.1b) Zum Jansenismus allgemein vgl. Lllden Goldmann. Der verborgene Gott. FrankflIrt a. M. 1985;Bernhard Groethllißm. Die Entstehllng der bmgerlichen Welt- und Lebensanschallung in Frankreich.Bd. 1, Frankfurt a. M. 21956; Hans KortIIm. Artikel,Jansenismlls". In: Phil. Wb.Die Interpretation Groethuißens bleibt fragwürdig, da er planerdings die probabilistische,jesuitische Theologie als modernere setzt. Er sieht in ihr eine Schwundstufe christlicherOrdnung und damit - im Vergleich zum Jansenismus - die avanciertere Position im alsSäkularisierung verstandenen historischen Prozeß. Zwar scheint dies auf den ersten Blickplausibel, doch ist zu bedenken, daß die Flexibilität der jesuitischen Theologie nicht derEmanzipation des individuellen Bewußtseins, sondern der Sicherung kirchlicher - und überdiese auch staatlicher - Machtansprüche diente. Ihr ,emanzipatorisches Moment' ist politischrestaurativ, während die ,konservative Theologie' der Jansenisten - krude formulierteinemanzipatorisches Moment besitzt: Sie formuliert die Bedingungen des Bürgers alsallgemeine Person.2) Während die jesuitische Theologie ihr Zentrum am absolutistischen Hof hatte, finden sichim Einflußbereich des Jansenismus - wie des Neustoizismus (vgl. G. Abel. StoizismllS lindfrühe Neuzeit. BerlinlNew York 1978, S. 296) - .. vor allem Mitglieder der hohen Gerichtshöfe- und der Rechtsanwälte" (Goldmann, Gott, S. 171). Politikgeschichdich faßt Goldmanndie Periode als Transformation der .. gemäßigten(n) Monarchie des ancien regime" zur absolutenMonarchie (Goldmann, Gott, S. 160). Erstere ist .. durch die Oberhoheit gekennzeichnet,die das Königtum endgültig über die Feudalherren erlangt hat - ein Königtum, dessenRegierungsgewalt sich auf den dritten Stand und auf die Corps der ,Iegistes', ,administrateurs'und ,officiers' stützt" (ebd.). In der absoluten Monarchie ist dagegen die Position desFeudaladels schon soweit geschwächt, daß der Hof des dritten Standes als Bündnispartnernicht mehr uneingeschränkt bedarf; er kann und muß sich bereits des Feudaladels bedienen,um Forderungen des erstarkten dritten Standes abzuwehren. Goldmann bestimmt die Herrschaftsstrategiedes Absolutismus als .. Politik des Gleichgewichts zwischen den oppositionellenKlassen, vor allem zwischen Aristokratie und drittem Stand" (ebd.). Ihr entsprichtdie Schaffung eines neuen, nur noch vom Hof abhängigen Verwaltungsapparates, der an dieStelle der alten, ihrerseits zur Überwindung der personalen Feudalstruktur installierten IegalistischenBürokratie tritt. Goldmann faßt zusammen: .. Wenn wir innerhalb dieser Gesamtentwicklungdie Periode abzugrenzen versuchen, in die Erscheinen und Ausbildung desursprünglichen Jansenismus fallen, müssen wir sie wohl in der Übergangszeit von dergemäßigten zur absoluten Monarchie ansetzen und im Zusammenhang mit der Übertragungeines beträchtlichen Teils der Befugnisse der ,officiers'- und besonde ... der ,Courssouveraines' - an eine andere Verwaltungskörperschaft, die der ,Commissaires', sehen.·(ebd.; vgl. S. 209(.) Deren Haustheologie ist jesuitisch.468


3) Hans Kortum. Art. Jansenismus' in: Phi!. Wb., S. 589.4) In den Lef1res prtn'incales setzten sich 1656/57 die Exponenten des Jansenismus polemischmit der offiziellen Theologie auseinander. Da die einzelnen Beiträge mit Pseudonymengezeichnet waren, blieb die wichtige Rolle Pascals zunächst undurchsichtig. (Es wäre in diesemZusammenhang auch einmal zu überlegen, ob die taktische Flexibiltät Descartes nichtein Residuum jesuitischer Theologie darstellt.)5) Goldmann, Gott, S. 214. Zur dritten Position zählt Goldmann Jacqueline Pascal, zur viertenBarcos. Die erste schreibt er Pascal selbst zu. Wenn Goldmann freilich in diesemZusammenhang die "allgemeine Anti-Mystik von Port-Royal" (ebd.) betont, reduziert erden Begriff der Mystik einseitig auf kontemplative logos-Mystik und verliert die mystischeLegitimation der praxis pietatis als imitatio Christi aus dem Blick.6) Die Darstellung spezifisch semantischer Sachverhalte bezieht sich wesentlich auf Vorlesungenzur Sprachphilosophie von Dr. phi!. habil. Winfried Franzen, gehalten im WS 82/83u. SS 83 an der Universität Gießen, sowie die diese begleitenden Seminare.Vom Standpunkt einer formalen Logik aus kritisiert Bochenski heft:ig den "Psychologismus"der "klassischen Logik", deren wirkmächtigster Vertreter die Logik von Port-Royaldarstellt: "Inhaltlich arm, jeder tieferen Problematik bar, mit einer Menge von nicht-logischenProblemen durchsetzt, dazu psychologistisch im schlimmsten Sinne des Wortes: sokönnen wir zusammenfassen, was wir von der Art der ,klassischen' Logik sagen mußten."(J. M. Bochenski. Formale Logik. Freibllrg/Miinchen 1962, S. 301). Freilich sind es gerade dieseKomponenten, die "rationalistischen Überlegungen über mentale Prozesse" (Noam Chomsky:Aspekte der Syntax-Therwie. Frankfurt a. M. 1969, S. 69), welche die Logik von Poce-Royal dermodernen Sprachwissenschaft bei ihrer Suche nach linguistischen Universalien interessantsein läßt: "Grund thema der sogenannten ,Herren von Port-Royal' ist die Vorstellung, daßdie Sprache das Denken widerspiegelt und daß die Gesetze des Denkens für alle Menschengleich sind. Selbstverständlich führt der Sprachgebrauch mit seinen Abweichungen dazu,daß die empirisch gesprochene Sprache zuweilen die ihnen zugrundeliegende logische Tiefenstrukturnicht mehr erkennen lassen; dann obliegt es einer allgemeinen Grammatikunterhalb der Oberflächenschicht der Sätze die von ihnen zum Ausdruck gebrachte logischeStruktur aufzudecken." (Umbmo Eco. Zeichen. Einführung in einen Begriff und seine Geschichte.Frankfurt a. M. 1977, S. 120.)7) Zur Augustinischen Semantik: Henning Brinkmann. Die ZeichenhaJtigkeit der Sprache, desScbrifttu",s lind der Welt im Mittelalter. In: ZtitschriJt für deutsche Philologie, Bd. 93, Hl (1974),S. 1-11 und: Eugenio Cos ... ill. Die Geschichte der Sprachphilosophie von der Antike bis Zlir Gegenwart.Teil I: Von der Antike bis Leibniz. Stllttgart 1969, S. 105-123.8) Foucault, Ordnung, S. 99. Auf die Bild-Metapher wird im Text zentral eingegangen werden;hier bleibt lediglich anzumerken, daß auch die Karten-Metapher vorrationalistischenUrsprungs ist und sich schon bei Nikolaus v. Kues findet (Vg!. Norbert Herold. Bild, Symbolund Analogie: Die ,Modelle' des Nikolalls von Kues. In: Pragmatik 1986, S. 312.).9) Foucaulr, Ordnung, S. 139.10) V gl.: Goldmann, Gott, S.385.11) Goldmann, Gott, S.293 (Hervorhebungen im Orginal).12) Goldmann sieht in den Provincales noch einen "letztlich rationalistischen Text", dessenGrundüberzeugung in "radikaler Opposition" zu jener des Verfassers der Pensees stehe(a. a. 0., S. 257). Antagonistisch sind jedoch lediglich die Urteile über den Wert der Vernunft,nicht deren Definition. Auch hier ist streng zwischen einem Verfahren und seinemGeltungsanspruch zu unterscheiden, denn: "Diese Ohnmacht soll [ ... } nur dazu dienen, dieVernunft zu demütigen - die über alles urteilen möchte -, nicht aber, um unsere Gewißheitzu bekämpfen."


470liehe Größe im Bewußtsein seiner Grenzen und Schwächen besteht, und die Ungewißheitgesehen, die jedes menschliche Leben, in der Natur ebenso wie in der streitenden Kirche,auf den beiden Ebenen der Vernunft und der Offenbarung kennzeichnet, denn die Vernunftist ohne den Glauben nicht in der Lage, die ,geringsten natürlichen Dinge' zu erkennen,und der Glaube vermag sich ohne die ,rationelle Haltung' der Wette nicht in das Leben desMenschen in gültiger Weise einzuftigen." (A. a. 0., S. 275) Wenn er sich aber mit "rationellerHaltung [ ... } in das Leben des Menschen in gültiger Weise [einfiigt}", so ist keinGrund zur Resignation gegeben, es sei denn, man geht von der Annahme aus, daß Rationalitätund Spiritualität unvereinbar seien. Die Tragik des ,tragischen Denkens' liegt fürGoldmann letztlich in dem Sachverhalt, daß es nicht in der Lage ist, "Totalität" herzustellen(vgl. a. a. 0., S. 272), da ihm die Technik der dialektischen Vermittlung und damit - denndas Ganze ist das Wahre - die Einsicht in "jene Realität, die Pascal ein Leben lang suchte"(ebd.), unmöglich war .• .Aber Pascal lebte im Frankreich des 17. Jh. Für ihn konnte es keinegeschichtliche Dialektik geben." (a. a. 0., S. 460).Entsprechend ambivalent wie die unaufgehobene, begriffslose Totalität des tragischen Denkens(vgl. a. a. 0., S. 319) ist auch die Goldmannsehe Einschätzung der Pensees als Werk. Einerseits:"Die Pensees sind ein völlig kohärentes Werk, dessen Inhalt und Form [ ... } man inimmanenter Weise analysieren kann, ohne die geringste Beziehung zum Leben ihres Autorsherzustellen." (A. a. 0., S. 251), andererseits: "Bilden allerdings die Pensees als ganzes einstreng kohärentes System? Wird die Behauptung des paradoxen Charalcters jeder menschlicheRealität niemals aufgegeben)/ Um ehrlich zu sein - und entgegen dem Schein - wirglauben es nicht. [ ... } Wir werden aber sehen, daß Pascal [ ... } eine Lehrposition einnimmt,die eine An ,unstabiles Gleichgewicht' ist, das sich im Namen seiner eigenen innerenKohärenz auf eine Position orientiert, die man dem dialektischen Denken vergleichen könnte."(A. a. 0., S. 318) und: "Obwohl sie mit dem Skeptizismus nichts gemein hat, kann auchdie Position von Pascal nicht mehr zu letzter Kohärenz gefiihn werden, ohne in Ablehnungund Überwindung des Paradox zu enden und somit in dialektisches Denken zu münden."(A. a.O., S. 319). Eine solche ,vinuelle' - oder, wie Goldmann sie bezeichnet - "rein strukturelleDialektik" (a. a. 0., S. 420) forden für ihn eine Ästhetik des Fragments: "Wenn dasParadox die einzige adäquate Stilform für ein Denken ist, das Wahrheit stets als Vereinigungder Gegensätze begreift, dann ist das Fragment die einzige adäquate Ausdrucksformfür ein Werk, dessen wesentliche Botschaft in der Behauptung besteht, der Mensch sei einparadoxes, gleichzeitig großes und kleines, starkes und schwaches Wesen." (A. a. 0., S. 295)"Für eine rationalistische Schrift ist ei n logischer Plan vorstellbar, für eine spirituelle Schrifteine Ordnung, die den Leser überzeugen soll- für ein tragisches Werk gibt es eine einzigeForm gültiger Ordnung: das Fragment. Es ist eine Suche nach Ordnung, aber eine erfolglose,es wird ihr nicht gelingen, sich der Ordnung zu nähern. Wenn Pascal ein groBerSchriftsteller ist, und er ist es, dann in erster Linie deshalb, weil er entgegen den ästhetischenWerten seiner skeptischen oder rationalistischen Zeitgenossen die beiden literarischenAusdrucksformen zu finden und zu handhaben wußte, die seine eigene Philosophie erforderte:das Fragment und das Paradox; damit machte er die Pensees zu dem, was sie wirklichsind: ein paradoxes Meisterwerk, vollendet weil unvollendet." (A. a. 0., S. 296) Goldmannbehauptet sogar, daß Pascal "sich dessen voll bewußt gewesen ist" (ebd.). Aber selbst wennman diese Stellungnahmen, die Pascal zum romantischen Ironiker stempeln, nur auf dasText-Subjekt und nicht auf den Autor bezieht, scheinen sie deutlich überinterpretiert, zumaldie Belegstellen lediglich eine Pluralität von Meinungen und Wahrheiten konstatieren,ohne zur Frage des Fragments explizit Stellung zu beziehen. Tatsächlich reflektiert Pascaldie Bedingungen von systematischer und essayistischer als objektivistisch-rationaler undsubjektivistischer Schreibweise. Es stünde also zu fragen, ob nicht eine andere Vermittlungantagonistischer Perspektiven als jene des .fragmentarischen Systems' möglich ist, z. B. textuellePolyvozität, wie sie Michail Bachtin als Charakteristikum des Romans bestimmte(und/oder auch im Anschluß an das Theorem der ,transzendentalen Obdachlosigkeit' vonLukacs - einem Hauptgewährsmann Goldmanns rur die Definition des ,tragischen Bewußtseins'- geleistet werden könnte).


Schließlich baut Goldmann in der Opposition von .. rationalistischer" und .. spiritueller"Schrift einen falschen Antagonismus auf: auch die "rationalistische Schrift" will überzeugenund der rhetorische Impetus .. spiritualistischer Schrift" folgt einer Ordnung - warum keiner"logischen"? Eben die Vermittlung beider ,Ordnungen', der logischen und einer traditionellrhetorischen, die in der Homiletik einen Hauptwirkungsbereich hat, ist - so der Tenordieser Arbeit - primär Gegenstand der Pensees.14) V g!. Das Fragment ei7Ul" Einleitllng ZII einer Abhandlllng über die Leere und den Brief an PaterNo;l, über die Lehre vom horror vaclli lind die Grllndlagen der physikalischen Forschllng (in: Was,S. 22 -34 und S. 34-52).15) Vg!. 95ff./199. Über die traditionelle Funktion der von Giordano Bruno ins Infinite ausgeweitetenMakrokosmos/Mikrokosmos-Relation schreibt Michel Foucault: .. Dieser alteBegriff [Mikrokosmos} hat wahrscheinlich durch das Mittelalter hindurch und seit demAnfang der Renaissance durch eine bestimmte neuplatonische Tradition zu neuem lebengefunden, aber er hat schließlich im sechzehnten J ahrhundere eine fundamentale Rolle imWissen gespielt. [ ...} Als De nkkategorie wendet er auf alle Naturgebiete das Spiel derredupliziereen Ähnlichkeiten an. [ ...} Als allgemei ne Ko nfiguratio n der Natur verstanden,setzt er jedoch wirkliche und gewissermaßen berührbare Grenzen fiir die unermüdlicheBewegung der Ähnlichkeiten, die aufeinanderfolgen. [ ...} Dadurch kann die Entfernungdes Mikrokosmos zum Makrokosmos noch so immens sein, sie ist nie unendlich.Die Wesen, die darin ihren Aufenthalt haben, mägen noch so zahlreich sein, es gelängeschließlich doch, sie zu zählen. Infolgedessen laufen die Ähnlichkeiten, die sich durch dasSpiel der von ihnen erforderten Zeichen aufeinander stützen, nicht Gefahr, sich ins Unendlichezu veflüchtigen; sie haben, um sich zu stützen und zu stärken, ein vollkommen abgeschlossenesGebiet. Die Natur als Spiel der Zeichen und der Ähnlichkeiten schließt sichin sich selbst gemäß der reduplizierten Gestalt des Kosmos." (Foucault, Ordnung, S. 62) S0-bald dieses ,spiel redupliziereer Ähnlichkeiten' durch die repräsentative Semantik - ihrerSuche nach den ,primitive words' und in eins damit nach den Einheiten der Erkenntnis -abgelöst wird, wird das Spiel der Ähnlichkeiten zur Metapher für die endlose Iteration desErkenntnisprozesses. Anstatt Versicherung der Erkenntnis zu sein, meint Ähnlichkeit jetztSich-im-Kreise-drehen.16) Vg!. Schobingers Kommentar (es, S. 112f.).17) Zu .. objet" in der Bedeutung von ,Ziel' vg!. Schobingers Kommentar in: es, S. 129.18) Die Einheit rhetorischer Pragmatik zerfällt unter dem Druck rationaler Semantik in zweiDiskurse: Einen über die Wahrheit des Gegenstands (referentieller Diskurs) und einen überdie allgemeinen Bedingungen seiner Darstellung (performativer Diskurs). Dies ist freilichsystematischer, nicht historischer Befund. Die Trennung referentieller und performativerSprache setzt schon im Mittelalter ein (vg!. Anm. 110) und ist im Besonderen ein konstitutivesMoment ramistischer Theorie (vg!. Abel, Stoizismus, 229ff. u. Risse, Logik, S. 122ff.).Dabei denunziere das primordiale Verfahren des referentiellen Diskurses die rhetorischetechne des perforrnativen und versucht dessen Bereich im eigenen wissenschaftlichen Paradigmazu re-formulieren. Ziel ist ein Affekt-Kalkül; die Suche nach ihm findet ihren Niederschlagin der Wirkungsästhetik. - Jetzt in einer ,Ästhetik', denn alles Reden, das überdie bloße referentielle Intention hinausreicht, fällt unter das Verdikt einer ,uneigendichenSprache' (vg!. Ueding/Steinbrink, Grundriß, S. 91). Faßte die rhetorische Einheit der res-etverbaSprache als soziale Institution, so steht jetzt vermittelnde Sprache im Schnittpunktzweier referentieller Diskurse: eines Diskurses über den Gegenstand und eines Diskursesüber die Modi seiner wirkungsvollen Repräsentation. Dieser Diskurs, dessen Gegenstandder Mensch als zoon logon echon ist, wird wiederum rational formuliert: als Anthropologie.19) Auch jene Momente, welche die Subjekte von rationalem Handeln abhalten, müssen, um,wissenschaftlich' - also: nach den Bedingungen rationaler Semantik - erfaßt werden zukönnen, den Bedingungen rationaler Begrifflichkeit unterliegen. D.h. sie müssen begrifflichidentisch sein, wie immer diese Identität referentiell definiere werden mag. Sie fungieren soals Aussagen des identischen Subjekts der Sprache, und dies konstituiert eine signifikanteDifferenz zur Rhetorik und der - über das vir-bonus-Ideal- ihr verflochtenen Moralistik.471


Unter den Bedingungen rationaler Semantik werden nicht mehr exemplarische Texte denSubjekten .möglichst wirkungsvoll' zum Nachvollzug angeboten, sondern Urteile überSachverhalte gefällt.20) Auch wenn das Sündenfall-Theorem (das den Jansenismus vom Neustoizismus trennt [vgl.Abel, Stoizismus, S. 171}) und der theologische Kontext diesen Befund fUr Pascal zu negierenscheinen und ihn allenfalls einer Vorgeschichte der Anthropologie zuweisen, so sinddoch hier Verfahren und Inhalt - nicht nur der Gegenstand - einer Wissenschaft früher alsihr Begriff. Die Heeßsche Kennzeichnung der Pascalschen Theorie als .. Erkenntnisanthropologie"ist durchaus gerechtfertigt (Manfred Heeß. BlaiJe PaJcal. WimnJchajtlicheJ Denkenund christlich ... Glaube. München 1977, S. 140). O. Marquard bestimmt den Begriff der philosophischenAnthropologie als .. Spur einer dreifachen Opposition": ..[ ...} .Anthropologie'ist und nennt sich nicht jede, sondern allein diejenige philosophische Theorie des Menschen,die durch Abkehr von traditioneller Schulmetaphysik und mathematischer Naturwissenschaft,d. h. durch .Wende zur Lebenswelt', möglich und durch .Wende zur Natur',d. h. durch Resignation der Geschichtsphilosophie, fundamental wird." (Marquard, Geschichte,S. 138) Jedes dieser drei Momente hat sein Korrelat bei Pascal: der Verlustgeschichtsphilosophischer Handlungsorientierung im Verlust der theologischen bzw. in derTragik der Existenz; die .. Wende zur Lebenswelt" in der Abkehr vom cartesianischen naturwissenschaftlichenOptimismus; und die .. Abkehr von der Schulmetaphysik" in der Zurückweisungrationalistisch-deduktiven Verfahrens. Allein: eine explizit .philosophische Theoriedes Menschen' formuliert Pascal nicht, auch wenn er sich der Wissenschaft - oder den Wissenschaften- vom Menschen zuwendet: Das unbegreifliche Monstrum ist weniger Entitäteiner Wissenschaft, als einer .. Landschaft" von Wissenschaften (vgl. 46/65).21) V gl. u. a. 76/139, 140/310,410/978; dagegen: 293/733, 173/424 und natüclich: 173/423,137/298. Das Herz bildet den voluntaristischen Gegenpol zum Verstand. Man muß dasbecühmte Fragment 423 ganz lesen - und, da seine Pointe unübersetzbar ist, original zitieren:•.Le coeur a ses raisons que la raison ne connait point; on le sait en mille choses. / Je disque le coeur aime retre universeI naturellement et soi-meme naturellement, selon qu'il syaddonne, et iI se durcit contre run ou l'autre a son choix. Vous avez rejete l'un et consecvel'autre; est-ce par raison que vous vous aimez?" - .. Das Herz hat seine Vernunftgcünde, weichedie Vernunft nicht kennt; man erfährt es an tausend Dingen. / Ich sage, daß das Herzvon Natur aus das höchste Wesen liebt, und es liebt sich selbst von Natur aus, je nachdem,wie es dem einen oder dem anderen nachgibt, und es verhärtet sich nach eigener Wahl gegendas eine oder das andere. Ihr habt das eine verworfen und das andere bewahrt; liebt ihreuch aus Vernunftgründen?" Der Begriff des Herzens bei Pascal steht in der christlichenTradition (detailliert: Schobinger, Pascal, S. 399ff.) J.-P. Schobinger faßt seine Bedeutungausgehend von der .an de persuader' folgendermaßen: .. Das Herz kann (...} eine vermittelndeRolle zwischen Glauben und Wissen wahrnehmen, die ihm aus der augustinischen Traditionzukommt. Andererseits muss es sich in dieser Aufgabe gegen den im Bereich desWissens gültigen Seelendualismus behaupten, was zu einer Differenzierung seiner FunktionenfUhrt: Als Vermögen, Profanes zu vernehmen, wird das Herz dem Willen gleichgesetztund danllt ins dualistische Schema eingefügt. Dadurch gerät es in Opposition zum Verstand(entendement, esprit), die Pascal nicht zu eliminieren versucht, sondern in einer Prinzipiendiskussionartikuliert. Aus dieser Opposition einerseits und der kognitiven Souveränität desHerzens in Glaubenssachen andererseits ergibt sich die Notwendigkeit, seine Erkenntnisweisegegenüber jener des Verstandes abzugrenzen und in ihrer Eigenart zu bestimmen.Dies unternimmt Pascal in den Pensees und nicht in den Reflexionen. Eine Analyse der entsprechendenAphorismen würde zur Feststellung fUhren, dass sich die kognitive Differenzzwischen den heiden Vermögen auf das alte Schema von diskursivem und intuitivemErkennen zucückführen lässt, (...}" (Schobinger, Pascal, S. 402) Eine derartige Reduktiondes Begriffs verdeckt jedoch das eigentliche Problem: Angesichts der praktischen Insuffizienzdiskursiven Erkennens ist das Subjekt auf Intuition angewiesen; intuitives Erkennenist eX definitione jedoch diskursiv nicht ausgewiesen.Apriorische Restriktion intuitiver Erfahrung auf Erkenntnis im Sinne prinzipieller diskur-472


siver Verifizierbarkeit ist nichts anderes als die Hypostasierung einer Lösung dessen, wasmit dem Begriff des Herzens als Problem erst thematisiert wurde: die Bedingungen vonErfahrung als wahrer und als Leistung des Subjekts. Darum muß auf den Begriff des stoischen.Hegernonikons', wie er hauptsächlich von Zenon formuliert wurde, rekurriert werden:"Aktives Prinzip der Vorstellungen, Zustimmungen, Wahrnehmungen und Triebe istdas Hegemonikon; vorn Hegemonikon (Sitz: Herz) gehen sieben Pneumastrome aus zu denSinnesorganen, zum Sprachorgan (in Kehle und Zunge) und zu den Zeugungsorganen. [ ... ]Wichtig für die Zenonsche Theorie ist, daß es im Hegemonikon drei verschiedene Vermögengibt: Vorstellung, Trieb, Denken: Im Hegemonikon gibt es ein vom Logos gesondertestriebhaftes Vermögen [ ... )" (Karl Bormann. Zur JtoiJchen Affektenlehre. In: PathoJ, Gefühl,Affekt. Freiburg!München 1981, S. 84) Bei Augustinus wird, wie W. Biesterfeld im Hist.Wb. ausführt, das Herz zum "Synonym für Personalität schlechthin". Das "cor inquietum"(Confessiones 1,1) ist das Willensorgan und ambivalent wie der Wille selbst. Im scholastischenSystem Thomas' v. Aquin wird das Herz als Widerpart des Intellekts negativiert, andererseitsaber besteht eine bis in die Patristik zurückreichende Tradition der Herz-Jesu­Verehrung. Diese Ambivalenz kennzeichnte in spezifischer Vertierung auch die Neuzeit:Einerseits wird das Herz zum Körperorgan reduziert, andererseits wird es zur innerstenInstanz des Glaubens. Aber auch über den theologischen Bereich hinaus ist das Herz immervon Wichtigkeit, wenn lebensweltliche Erfahrung und ihre Habitualisierung konzeptionellgefaßt werden soll, sobald sie über die - vermeintlich beschränkten - Fähigkeiten des Intellektshinausgehen: So schon bei Gottfried von Straßburg, und in der Moralistik bei Gracianund La Bruyere, so bei Shaftesbury.22) "Auch in Pascals Berufung auf das Herz und seine eigenen .Gründe', die weiter reichen undtiefer als das Wissen des Verstandes, lebt, in gewissen Zügen und trotz gegenteiliger Tendenzen,das Motiv des Willensvorzugs. " (Heinz HeimJoeth. Die lechJ großen Themen der abendliindilchenMetaph)'Jik und M" AUJgang MJ Mittelalten Berlin 1934, VI: Veruand und Wille,S. 249-307, hier: S. 284) Wir werden der voluntaristischen Thematik, die sich im ,Hegemonikon'ankündigte, im Problem der Perspektive ein weiteres Mal begegnen.23) "Ich glaube nur den Geschichten, deren Zeugen sich erwürgen ließen." (323/822)24) "Wenn es einen Gott gibt, muß man allein ihn und nicht die vergänglichen Geschöpfelieben. { ... ] Und das ist die Schlußfolgerung der Weisen: Es gibt einen Gott, wir erfreuenuns also nicht der Geschöpfe. 1 Alles, was uns reizt, uns an die Geschöpfe zu binden, ist böse,da es uns hindert, Gott entweder zu dienen, wie wir ihn kennen, oder ihn zu suchen, wennwir nichts von ihm wissen. Nun sind wir aber voller Begierde, also sind wir voll des Bösen,also müssen wir uns selbst und alles hassen, was uns treibt, uns an etwas anderes als an Gottallein zu binden." (270/618)25) "Selbst die Prophezeiungen konnten Jesus Christus während seines Lebens nicht als Beweisdienen, und daher wäre man durchaus nicht schuldig gewesen, wenn man vor dessen Todenicht an ihn glaubte, hätten nicht die Wunder ohne die Lehre genügt; [ .. .]" (337/841; vgl.336/840)26) So: Günther BlI


27) Die "sonderbare Welt" Pascals ist der "verkehrten Welt" der Renaissance über voluntaristischePrämissen inhaltlich verbunden: Indem die Form der Wahrnehmung als abkünftigerModus eines Willensentscheids begriffen wird, ist die verkehrte Welt eine Folge der Hinwendungdes Willens zur Kreatur, eine - in der Terminologie Bernhards von Clairvaux -curvatio, in der das Subjekt sich selbst, d. h. die Kreatürlichkeit zum Gegenstand seinesBegehrens hat. Freilich erscheint das Problem bei Pascal radikalisiert, indem es auf denBereich der Erkenntnis überhaupt angewandt wird. (Zum Topos der ,verkehrten Welt'in erkenntnistheoretischer Funktion vgl.: H. G. Gadamer. Die verkehrte Welt. In: MaterialienZlIr Phänomenologie de.r Geistes. Hrsg. von H. F. FlIlda 11. D. Henrich, FrankflIrt a. M. 1973,S.106-130)28) Vernichtung bedeutet hier nicht physischer, sondern psychischer Tod, der jedoch seinerseitsmit dem Verzicht auf Teilhabe an der Unendlichkeit gleichgesetzt wird.29) V gl. 771143: "Wir sind voller Dinge, die uns nach außen stoßen. 1 Unser Instinkt läßt unsfühlen, daß wir unser Glück außerhalb von uns suchen müssen. Unsere Leidenschaftendrängen uns nach außen, selbst wenn die Gegenstände, mit denen sie erregt werden, sichnicht darböten. Die Gegenstände der Außenwelt führen uns von selbst in Versuchung undrufen uns, wenn wir nicht an sie denken. Und daher haben die Philosophen gut reden: HaltetEinkehr in euch selbst, dort werdet ihr euer Glück finden. Man glaubt ihnen nicht, unddiejenigen, die ihnen glauen, sind die Gedankenlosesten und Einfaltigsten." (vgl. 86/155)Es schließt sich in den folgenden Fragmenten eine Ablehnung stoischer Ethik an, da diese"schwierig und eitel" ("difficile et ( ... } vain") sei (77/144), da sie den Menschen für fahigerachte, aus sich selbst die Einflüsse der Affekte zu konterkarieren. (Zur Zentripedalkraftder Affekte vgl. Anm. 93)30) 31124, 69ff./136, 166/414,2711622. Wolf Lepenies hat - beispielhaft bei La Rochefoucauld- das Problem der Langeweile im siebzehnten Jahrhundert als leisure dass Phänomen desentmachteten Schwertadels beschrieben und mit der Fronde, welche auch Heimat des Jansenismusist (Goldmann, Gott, S. 163), verknüpft: "Die Machtlosigkeit des Adels, aufrechterhaltendurch die Balance der widerstreitenden Kräftegruppierungen und nicht mehr ahgefangenund kanalisiert in einem System sekundärer Ordnung, dessen Prinzipienstarrheitund hoher Verpflichtungsgrad dem realen Machtverlust seiner Mitglieder entsprechen muß,kommt in jenem Moment zum Ausdruck, da er sich langweilt. Etikette ist ja Zeit-,Vertreib'- ihr Fehlen erst bringt die Zeit zum Bewußtsein und die Erkenntnis, nichts zu tun zuhaben, weil man nichts tun kann." (Lepenies, Melancholie, S. 50) "Langeweile ist einZeichen entlastender Situation: wenn man nichts tut, kann man sich langweilen; wenn mangezwungen ist, nichts zu tun, verbirgt man die Langeweile, welche die eigene Ohnmachtreflektiert." (A. a. 0., S. 58) Ähnlich, aber sozial von der Schicht des Schwertadels auf dieebenfalls funktions los werdende der noblesse du robe transponiert, kann man die PascalscheAnalyse der Dialektik von Langeweile und Zerstreuung interpretieren. Eine verkürzende anthropologischeInterpretation der Pensees könnte freilich Pascal - vgl. das Zitat oben - imGegensatz zu La Rochefoucault einen .bürgerlich-avancierten' Begriff von Langeweile inForm ihrer "Reduktion zu einem soziologisch nicht mehr befragbaren topos der Daseinsanalytik"(a. a. 0., S. 57) zuschreiben. Doch ist die Erfahrung der Langeweile und das Bedürfnisnach Zerstreuung soziales Faktum, Agens und Grundlage der - falschen - gesellschaftlichenOrdnung; - auch wenn Pascal den Zerstreuungsmechanismus auf den Kopfstellt, indem er dem König .Unterhaltungsbedarf zuerkennt (vgl. 69ff./136). Anthropologischprimordial- und dem Zwischenzustand des Menschen angemessen - ist Unruhe (manist gezwungen zu spielen [vgl. 169/418}), welche ihn zum Besitz wahrer Güter unfahig seinläßt (vgl. 275/641). Langeweile ist eine Erscheinungsform falscher - für Pascal: säkularer­Praxis, die, anstatt die ahsolute Transzendenz des Willens zu erkennen, in Natürlichem seineErfüllung sucht. Der "ennui" selbst ist keine anthropologische Kategorie, sondern er istder Schein des wahren Lebens im falschen. Pascal steht in der Tradition des augustinischendispersio-Begriffs, wie ihn F. Körner referiert: "Es gehört also nicht nur alles, was uns imRaum an sinnlich Wahrnehmbarem begegnet, sondern auch ein Teil von uns selber, nämlichder Leib, dem materiellen ,DraIlßen' zu. Dieses urnfaßt mithin tatsächlich die gesamte474


sinnlich wahrnehmbare Welt. Weil diese [ ... } im Unterschied zur Seele draußen im Raumeist, so ist sie auch immer in der .Zerstreuung' (dispersio) der Vielheit, die im unvereinbarenGegensatz zur inneren .concentratio' jener geistigen Einheit steht, welche - im eigenenPersonkern aufgegipfelt - herrscherlieh über unserer Leiblichkeit thront." (F. Körner, Pragmatik,S. 178)31) Das Thema wird öfters angeschlagen: 34/39, 56/101, 69ff./136, 74/137,244/522,271/620,286/695, 304/771, 305/773. In bezug auf das hier verhandelte Thema ist besonders dieBeziehung zweier Fragmente interessant: Fragment 34/39, das zur Rubrik .. Vanite" gehörtformuliert das Agens der falschen Praxis: .. Die Menschen beschäftigen sich damit, einemBall und einem Hasen nachzujagen. Das ist selbst das Vergnügen der Könige." Fragment286/696 beinhalcet ein Stilprinzip: .. Man behaupte nicht, daß ich nichts Neues gesagt habe;die Anordnung der Themen ist neu. Wenn man Ball spielt, so ist es ein und derselbe Ball,mit dem der eine wie der andere spielt, aber der eine schlägt ihn treffsicherer. lIeh würdemir ebensogern sagen lassen, daß ich alte Wörter benutzt habe. Als ob dieselben Gedankennicht durch eine neue Anordnung eine selbständige neue Abhandlung bildeten, wie auchdieselben Wörter durch ihre andere Anordnung neue Gedanken bilden." (Vg!. auch: 1081217) Daß Pascal sein Verfahren als Spiel chrakterisiert, läßt die Vermutung zu, daß es ihmnicht nur um die Deskription seiner Befunde, sondern um Vermittlung geht, denn er blendetzwei Bilder ineinander: jenes des Spielers, der das textuelle Gefüge einrichtet (und der,wie wir sehen werden, quasi göttliche Position einnimmt, da er - wie in der Realität Gott -die Spuren legt), und der Person des Suchenden, welcher die Wahrheit jagt wie der Hundden Hasen. Das letzte Bild ist kusanisch (Sehr. 1,549; vg!. N. Herold, Bild, S. 299-318,S. 302); es wird von G. Bruno in ,De lampade venatoria logicorum' und auch von Thomas Murner(in der Logica memorativa) tradiert (vg!. Risse, Logik, S. 541).32) .. Woher kommt es, daß dieser Mann, der über den Tod seiner Frau und seines einzigenSohnes so betrübt ist und der diesen großen, ihn quälenden Rechtsstreit führt, nun ganzund gar nicht traurig ist und man ihn so von all diesen schmerzlichen und beunruhigendenGedanken frei sieht? Man braucht darüber nicht zu erstaunen. Man hat ihm gerade einenBall zugespielt, und er muß ihn seinem Gefahrten zuwerfen. Er ist damit beschäftigt, ihn ander Dachschräge zu fangen, um eine Verfolgungsjagd zu gewinnen. Wie soll er denn an seineAngelegenheiten denken, wo er doch diese Angelegenheit zu erledigen hat?" (244/522)33) Fragment 978 aus dem Manuskript Perier charakterisiert die sozialen Folgen einer affektivbestimmten, auf der amour propre beruhenden Kommunikation: .. Bei dieser Abneigung gegendie Wahrheit gibt es unterschiedliche Grade; man kann aber sagen, daß sie sich in einemgewissen Grad bei allen finden läßt, weil sie untrennbar mit der Eigenliebe verbundenist. Es ist dies eine falsche Rücksichtnahme, die jene, die sich genötigt sehen, die anderen zutadeln, verpflichtet, so viele Umschweife und Beschwichtigungsmittel zu wählen, um sie janicht zu verletzen. [".}I Daher kommt es, daß man - wenn man irgendeinen Vorteil darinsieht, von uns geliebt zu werden - vor einem Dienst an uns zurückschreckt, der, wie manweiß, uns unangenehm ist; man behandelt uns so, wie wir behandelt werden wollen: Wirhassen die Wahrheit, man verbirgt sie uns; wir wollen, daß man uns schmeichelt, manschmeichelt uns; wir lassen uns gern täuschen, man täuscht uns. Dies führt dazu, daß jedeStufe des Glücks, die uns in einer Gesellschaft erhöht, uns weiter von der Wahrheit entfernt,denn man furchtet es je mehr, diejenigen zu verletzen, deren Wohlwollen nützlicherund deren Abneigung gefährlicher ist. Ein Fürst kann das Gespött ganz Europas sein, under allein wird nichts davon wissen. Das erstaunt mich nicht: Wenn man die Wahrheit sagt,so ist das für jenen nützlich, dem man sie sagt, doch für jene nachteilig, die sie sagen, weilsie sich verhaßt machen. [".}I So ist das menschliche Leben nur ein fortwährender Trug;man tut nichts anderes, als sich gegenseitig zu täuschen und zu schmeicheln. Niemandredet in unserer Gegenwart so über uns, wie er über uns redet, wenn wir abwesend sind. DieEintracht unter den Menschen beruht nur auf diesen gegenseitigen Betrügereien; {".}"(41 Of./97 8)Eine hierarchisch strukturierte Gesellschaft und die in ihr institutionalisierte Gewaltproduzieren notwendig einen Mechanismus der Verlogenheit. da Affirmation der Gewalt-475


Gewalt ist "wesentlicher" ("plus essentiell", 37/44) als Einbildung ("imagination") - demSelbsterhaltungsbestreben des Individuums vorrangig ist. Da sie sich nicht legitimierenkann (vgl. 43ff./60), ist ein Zusammenfallen von wahrer und affektiver Kommunikation imsozialen Mechanismus des Staates ausgeschlossen.Das Gegenbild und die Form der Institutionalisierung von Wahrheit findet Pascal in derKirche: "Die Geschichte der Kirche muß eigentlich die Geschichte der Wahrheit genanntwerden." (3061776) Aber diese repräsentiert keine Wahrheit in dem Sinne, daß sie darüberverfügte - sie ,besäße' oder sie sich im Papst inkarnierte -, sondern vollzieht Wahrheit - istPraxis der Wahrheit -, da das Gesamt ihres Organismus transzendenter Wahrheit verpflichtetist: "Die Könige verfügen über ihr Reich, aber die Päpste können nicht über daseigene verfugen." (2891708; vgl. 2891706)34) Dementgegen steht ein Modell, das, gespeist aus antiker und christlicher Typologie, organischund theologisch eine Kategorie der Totalität als "Leib" denkt. Hier ist Pascal Hegelnahe: Er formuliert eine Dialektik des Erkennens, jedoch ohne ontologische Vermittlung,da ihr Begriff, der Leib, konzeptualistisch verstanden und analogisch projiziert wird. Bewußtseinfindet Selbstbewußtsein nicht über die Objektivation durch Arbeit, sondern inForm einer theologischen, implizit damit: semantischen Objektivierung. Deren Leitbegriffist kein Erkenntnis-, sondern ein Liebesbegriff. Seine Bestimmung als Dialektik von Subjektivitätund Totalität - als solche stellt sich die Transformation der "amour propre" in die"amour de soi" dar- bereitet noch in der christlichen Tradition jenen Liebesbegriff vor, ausdessen fcühromantischer Fassung Hegel sein Konzept entwickeln wird.35) V gl. Hirschmann, Leidenschaften.36) Vgl. E1ias, Prozeß, Bd. 2, S. 222ff., bes. 236; 268ff. u. 308ff.37) Tatsächlich ist die noblesse de robe oft nicht mehr in der Lage, die rur einen Kauf der ihrtraditionell zustehenden Ämter erforderliche Geldmenge aufzubringen (vgl. Goldmann,Gott, S. 196ff.). Die konstatierte ,Ethisierung' selbst ist Reaktion auf diesen ökonomischenDruck.38) Die Gewohnheit ("coutume") reproduziert und formiert sich durch Applikation wertenderBegriffe auf natürliche Sachverhalte - und damit als voluntaristisches U rtei! über Sachverhalte-, mit denen sich das Subjekt in seinem Glücksstreben identifiziert. (Pascal ist hier derradikalen Konzeption persönlicher Identität bei Sartre nahe.) Damit liefert es sich der Kontingenzseiner natürlichen Existenz aus: "Das Wichigste für das ganze Leben ist die Wahldes Berufs; und der Zufall entscheidet darüber. / Die Gewohnheit macht zu Maurern, Soldaten,Dachdeckern. Das ist ein ausgezeichneter Dachdecker, sagt man, und wenn man vonden Soldaten spricht: Sie sind rechte Narren, sagt man, und die andern behaupten im Gegenteil:Es gibt nichts Großes außer dem Krieg, die übrigen Menschen sind Taugenichtse.Da man in seiner Kindheit diese Berufe sehr loben und alle übrigen mit Geringschätzungbehandeln hörte, trifft man seine Wahl. Denn von Natur aus liebt man die Tugend undhaßt die Torheit; gerade diese Worte werden den Ausschlag geben; man sündigt nur beiihrer Anwendung L,application,,}. / So groß ist die Macht der Gewohnheit, daß man ausdenjenigen, welche die Natur nur zu Menschen gemacht hat, Menschen aller Stellungenmacht." (273/634; vgl. 62/125,63/129) Zwar bestimmt Pascal die Gewohnheit als "unsereNatur" (172/419), doch ist dieser Begiff von Natur pragmatisch und nicht emphatisch zuverstehen, da der Mensch seine "wahre Natur" verloren hat (163/397, vgl. 184/431) undnun unter der Herrschaft der "Begierde" ("concupisence") mit einer "zweiten Natur" ("secondenature") existieren muß. ,,Also gibt es zwei Naturen in uns, die eine gut, die andereböse." (270/616)39) Obwohl Pascal die Funktionalität der "gesunden Meinungen des Volkes" anerkennt, will ersie in seinem Argumentationsverfahren der "ständige[n} Umkehr des Für und Wider" destruieren:"Und so haben wir die Meinungen zunichte gemacht, die jene des Volkes zunichtemachte. / Doch jetzt muß man diese letzte Aussage zunichte machen und zeigen, daß esimmer noch wahr bleibt, daß das Volk eitel ist, obwohl seine Meinungen gesund sind, weiles deren Wahrheit nicht dort bemerkt, wo sie ist, und daß seine Meinungen, deren Wahrheites dorthin verlegt, wo sie nicht ist, weiterhin grundfalsch und sehr ungesund sind."476


(534f.!93) Doch setzt auf dieser Stufe ,Aufklärung' keinen Veränderungsimpuls mehr frei,da sie die Gewaltsamkeit staatlicher Ordnung als unhintergehbar betrachtet und sie unterdie notwendigen Übel, unter die Bedingungen der Existenz subsumiert (vg!. 43ff./60). DieseDestruktion hat vielmehr die Kehrseite und das notwendige Komplement des politischenProzesses der Aufklärung zum Ziel, das, aus den verschiedenen Perspektiven und differentenTraditionen je speziell gefaßt, doch ein universales Chat-akteristikum des Prozesses derNeuzeit darzustellen scheint: Lösung aus der Unmittelbarkeit der Erfahrung; relative endogeneAutonomie - um eine von Abel für den Neustoizismus geprägte Formulierung aufPascalsches anthropologisches Maß abzuschwächen (Abel, Stoizismus, S. 118), die sich als"einordnender Gehorsam" zeigt (a. a. 0., S. 269(f.; zur stoischen Tradition vg!. Arendt,Wille, S. 7lff.).40) "efficacia" ist Scaligers Übersetzung des aristotelischen Begriffs "energeia". In der PascalsehenTerminologie: "effet". Im Begriff der Wirkung kommen nicht nur Rhetorik undTheologie zusammen (zur Theologie vg!. Hans Emil Web...., Der Einflllß der protestantischenSchIlIphilosophie allf die orthodoxe llitherische Dogmatik. Darmstadt 1964, S. 138ff.), sondernebenso beide mit der nachcartesianischen Wissenschaft, die sich nicht mehr als Beschreibungsubstantieller Entitäten, sondern als funktionaler, rekonstruktiver Nachvollzug vonWirkungsverhältnissen versteht (vg!. Descartes-Kapitel).41) Aber ihre Wirksamkeit hängt dennoch ab vom Willen des Menschen, Wahrheit in ihr zufinden. Die pneumatische Lektüre, welche die Sinnhaftigkeit der Schrift ihrer literalenVerkleidung und der Materialität der Worte entreißt, bleibt ein kryptographisches U nternehmen(vg!. 253/557).42) Szondi, Einführung, S.158.43) Daß das jüdische Volk über bloßes "Buchstabenverstehen" nicht hinausgelangt sei, ist, soFriedrich Ohly, ein "dem Mittelalter seit Hieronymus geläufige{s} Bild[.}" (F,ied,ich Ohly.Vom geistigen Sinn Je., Worles im Mittelalter. In: Zsch,. f. delltsCheS Altert11m. Bd. 89, 1958/59,S. 1-23, hier: S. 11; vg!. a. a. 0., S. 20 und: Ulrich K,ewitt. Metapher lind tropische Rede in derAllffassllng Je., Mittelalters. Ratingen / W uppertal/ Kastelalln 1971, S. 497; vg!. Klalls Weimar.HistoriJChe Einleitung ZII' literatllrwissenschaftlichen Hermeneutik. Tiibingen 1975, S. 62 [zu Semlet}u. S. 67ff. [zu Hamann}) Implizit damit ist die Annahme verbunden, der christlicheGlaube überwinde den jüdische und hebe ihn quasi auf, ein Theorem, das seine Bedeutungbis in die theologischen Fcühschriften Hegels seine Gültigkeit behält und in seinem Kontext,der Reflexion über Herrschaft und Knechtschaft, Gesetz und Gehorsam, einen wichtigenTopos in der Vorgeschichte der Phänomenologie des Geistes bildet (vg!. G: W. F. Hegel.Der Geist Je., Christent11ms lind sein Schicksal. Kap. 1: Der Geist des] lldentllms. In: Werke I,S. 274ff.). Noch bei Hegel wird die angebliche Unfahigkeit zu pneumatischem Verstehenmit Unfahigkeit zur Sittlichkeit des Individuums als Versöhnung des Antagonismus vonGeist und Körper gleichgesetzt. Dieses Bild des jüdischen Volkes ist daher Sklavenvolk parexcellence (vg!. a. a. 0., S. 288 u. 298); sobald es sich der Knute des Gesetzes entledigt, falltes der Begierde anheim und destruiert sich als Volk selbst. Es ist damit das Negativ desrationalen Optimismus und die Inkarnation seines Tremendums: daß dem Antagonismusvon Affekt und Vernunft nicht zu entkommen sei; daß - um zur Semantik zurückzukehren- die Applikation des Begriffs den Subjekten gewaltsam und ihrem Willen unvermittelbarbleibe. Hegel schreibt in einer wieder gestrichenen Passage: "Sie konnten nicht, wie spätereSchwärmer, sich dem Beile oder dem Hungertode hingeben, weil sie an keiner Idee, sondernan einem tierischen Dasein hingen; und sie glaubten an ihren Gott, weil sie, mit der Naturvöllig entzweit, in ihm die Vereinigung derselben durch Herrschaft fanden." Den darauffolgenden Satz ließ er stehen: "Dies tierische Dasein war nicht mit der schöneren Form derFreiheit verträglich, die ihnen Freiheit gegeben hätte." (A. a. 0., S. 294)Während Pascal in der Tradition des christlich-negativen, allenfalls ambivalenten Naturbegriffsdas jüdische Volk noch als Bild naturhafter und ,verständnisloser' Einheit vonGesetz und Volk erschien, interpretiert Hegel aus der Perspektive eines positivierten Naturbegriffsihre Schrifttreue als Zeichen äußerster Entfremdung. Er illustriert dies anhandeiner unerträglichen Parabel, deren prophetische Qualität jede Natur-Emphase verbietet:477


"Das Schicksal des jüdischen Volkes ist das Schicksal Macbeths, der aus der Natur selbsttrat, sich an fremde Wesen hing und so in ihrem Dienste alles Heilige der menschlichenNatur zertreten und ermorden, von seinen Göttern (denn es waren Objekte, er war Knecht)endlich verlassen und an seinem Glauben selbst zerschmettert werden mußte." (A. a. 0.,S. 297) Damit ist das Ideologem des christlichen Antisemitismus aktualisiert; bei Hegelnoch vorrangig als Metapher des Büttels despotistischer Bürokratie genutzt (vgl. a. a. 0.,S. 29Of. u. 284), verweist es im Verbund mit dem immer noch aktuellen Egoismusverdachtschon auf die ,(kapitalistische) jüdische Weltverschwörung' als obszöner Inkarnation derAbstraktheit und Prosa der Warengesellschaft: "Die Wurzel des Judentums ist das Objektive,d. h. der Dienst, die Knechtschaft eines Fremden." (A. a. 0., S. 298)44) Pascal spaltet die Rezeption historischen Materials in zwei grundsätzlich verschiedene Verfahrengemäß der Differenz von rationaler und der theologisch-existentieller Erfahrung. Aufdem Gebiet der Wissenschaften negiert der Erkenntnisfortschritt Geschichte und gibt ihrlediglich pädagogische Lizenz. Hier ist Pascal einer aufgeklärten pragmatischen Geschichtsschreibungund ihrem Impetus, der Negation des Authoritätsprinzips christlicher Tradition,konform (vgl. das F,.agment einer Einleitung zu einer Abhandlung über die Leere, Was,S. 22-34). Zum zweiten sieht er einen Komplex von Berichten, die theologische Fragenzum Gegenstand haben. Dieser ist typologisch strukturiert, er liefert nicht eigentlich Geschichte,sondern Geschichten, exemplarische Erfahrungen göttlicher Wirksamkeit. GeorgeCottier, der m. E. zu wenig differenziert zwischen dem menschlicher VerfUgungsgewalt unterstehendenArsenal der Historie und den theologischen Figuren der Schrift, hebt beiderVerfahren ab von der methodischen Ordnung rationaler Erkenntnis: "Wenn wir den Fortschrittder wissenschaftlichen Erkenntnis beiseite lassen, gibt es rur Pascal eine bedeutendeOrdnung nur auf der Ebene der Bilder, d. h. der Sprache und der Zeichen. Es gibt nicht, imeigentlichen Sinn, ein Reifen auf das eschatologische Reich hin, das der Dauer Wert verleiht.Es gibt nur Bilder, die die einzige Wahrheit in Jesus Christus bedeuten. Selbst diebiblische Geschichte ist bildhaft: sie wird zur Geschichte der Bilder des einzigen Zentrumsund Ereignisses: Jesus Christus.! Ein gegenüber dem Ereignis aufmerksames Denkenmißtraut dem Konzept der Struktur." (Georges Couier. Pascals Geschichtsbegriff. In: Aufbau derWi,.klichkeit. Hrsg. v. Norbert v. Leyten. Freiburg/ Miinchen 1982, S. 174). Die theologischen Ereignissesind als übernatürliche ausgezeichnet: Die "Wunder" gerade dadurch als solche bestimmt,daß sie jede normale Erfiilirung übersteigen, und es unmöglich ist, sie in Erkenntnisaufzuheben. Ihre Glaubwürdigkeit kann nur an dem Grad von Bereitschaft gemessenwerden, mit dem das Subjekt für seine Erfiilirung einsteht. Im Extrem heißt dies: mit seinerExistenz, mit - man erlaube mir den Begriff, denn er ist der buchstäbliche - ,Blutzeugenschaft':"Ich glaube nur den Geschichten, deren Zeugen sich erwürgen ließen." (323!822)45) Der Begriff .. ouvrage" ist nicht im emphatischen Sinne eines Werk-Begriffs zu verstehen,sondern hat kein wertendes inhaltliches Implikat. ,Ouvrage' bedeutet auch .. Pfuscharbeit"(vgl. Kapitel 4, Anm. 179).46) Es geht hier nicht um die extensiv diskutierte Frage, ob ein zentralperspektivischer Bildaufbaueine adäquate Repräsentation optischer Wahrnehmung (Panofski) oder eine semantischeKonstruktion (Goodman) dasteIlt, oder ob er strukturelle Invarianten des Wahrnehmungsprozesseswiderspiegelt, ohne damit die Suggestion einer Realität vermitteln zu wollen(Gibson). (Eine konzise Darstellung der Standpunkte und weitere Literaturangaben: KlausLepsley. PerspektifOe - Symbol, Konvention, Wi,.klichkeit. In: Zschr. f Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft.Bd. 31, 2. Bonn 1986, S. 215-230.) In Anschluß an Gibson betont Lepsky die"große Bedeutung des festen Malerstandorts" (a. a. 0., S. 229) - der Suggestion eines solchen,wenngleich nicht als Abbildung von Wahrnehmung, sondern als bloßes Konstruktwürde auch Goodman zustimmen können, ist doch die Frage danach, was dieser Standpunkteigentlich sei, das Agens der Debatte. Lepsky faßt nach Gibson zusammen: "Die Kraft derPerspektive liegt nicht darin, eine räumliche Wirklichkeit nachzuahmen, sondern eineVerbindung zwischen Bild und Betrachter herzustellen, die durch Parallelität dem natürlichenSehvorgang nahe kommt." (A. a. 0., S. 230) Der .. natürliche Sehvorgang" wird dabeinicht als Repräsentation eines Gegenständlichen, sondern als Wahrnehmung von Struktur-478


invarianten, die dem Subjekt Orientierung ermöglichen, verstanden. In der FormulierungGibsons: "Ein Bild ist nicht die Imitation vergangenen Sehens. Es ist kein Ersatz fürZurückgehen und nochmals Anschauen. Was es aufzeichnet, registriert und festhält, ist Information,sind nicht Sinnesdaten." (f.j. Gibson. Wahrnehmung und Umwelt: Der ijk%gischeAnsatz in der visuellen Wahrnehmung. München 1982, S. 300; zitiert nach: Lepsky, a. a. 0.,S. 227) Wichtig ist hier lediglich, daß ein perspektivischer Bildaufbau über eine mathematischeGrammatik verfugt, welche die Punkte im Bild-,Raum' definiert und die Inhalte alstypologische Besetzungen definierter Raumpunkte deren relationalen Gesetzrnäßigkeitenunterwirft. Gleichzeitig wird damit der Betrachterstandort festgelegt. Auf den ersten Blickscheint der Pascalsche Gebrauch der Perspektiven-Metapher mit dem angesprochenen Themanichts gemein zu haben. Doch damit würde, wie ich glaube, zweierlei übersehen: 1)Zwar ist die Perspektive formal rein immanent definiert, aber tatsächlich kommen extremeAuf- oder Untersichten selten zur Darstellung und werden als spezifische Devianz erfahren;d. h. der dargestellt Raum besitzt eine (meist) anthropomorphe ,Dimension': Ein Betrachterkann dem Bildinhalt in relativer Souveränität gegenübertreten. 2) Bei Personendarstellungenbefindet sich der Betrachter in einer Art Distanz optischer Wahrnehmung; d. h. in einerEntfernung, die größer ist als die Distanz im Gesprächs, und die gerade noch eine Wahrnehmungder Gestalt ermöglicht, bevor das Auge am Gegenstand zu arbeiten beginnt. Wasprimär wahrgenommen wird, ist die Identität einer Person. (Als Gegenbeispiel können photorealistischePersonendarstellungen in Übergröße dienen. Ihre spezifische Wirkung liegt inder Tatsache, daß das Auge unmittelbar Details wahrnimmt und sich die Identität desPortraits erst erarbeiten muß, bzw. niemals sicher erarbeiten kann.)Zur Klärung des Pascalsehen Gebrauchs der Bild-Metapher ist es dienlich, hinter der abstraktenDiskussion über die Bedeutung der Perspektive auf das metaphysische Konzept desBildes bei Nikolaus von Kues zu rekurrieren, da dort die Verschränkung von Praxis undPerspektive und die Verschränkung beider in einer Christologie sichtbar wird. (Die Darstellungreferiert im weiteren hauptsächlich aus: Kar/ Heinz Vo/kmann-Sch/uck. Niro/ausCusanus. Die Philosophie im Ober gang vom Mittela/ter zu, Neuzeit. Frankfurt Q. M. 1957; eineähnliche Bild-Konzeption findet sich bereits bei Scotus, vgl. Ernesto Grassi. Humanismus undMarxismus. Hamburg 1973, S. 180f.) Cusanus faßt in neuplatonistischer Tradition jede Bestimmungals Einschränkung und Defizienz an Sein. Im Übergang von der Gattung zurArt, von der Art zum Individuum bleibt dadurch die je letztere Entität hinter der Potentialitätihrer übergeordneten Einheit zurück. Der Abstieg von dem absolut Einen und Identischen,das Gott heißt, zu den Individuen ist gleichbedeutend mit fortschreitender Partikularisierungder Existenz. Lediglich dem Menschen ist durch seinen direkten Bezug zurUnendlichkeit möglich, diese Partikularität zu transzendieren und in ihr die Einheit desKosmos - wenngleich als spezifische - zur Darstellung zu bringen. Wie Volkmann-Schluckausruhrt, "müßte das Seiende, in dem die Welt in maximaler Weise und deshalb erst wahrhaftseiend ist, ein Einzelnes sein, das zwar welthaft kontrahiert, also endlich, und gleichwohlunkontrahiert, also unendlich ist. Erst in einem solchen Seienden würde die Welt alsWelt in ihre Wesensvollendung gelangen, nur in ihm wäre sie als Welt" - in der Fülle derMöglichkeit ihres Begriffs - "wahrhaft existent." (Volkmann-Schluck, Cusanus, S. 65) DieseInstanz, in der die Welt zur Einheit ihres Begriffs gelangt, ist die "mens", der Mensch alsEinheit seines Bewußtseins. - Aber nicht des je individuellen Bewußtseins, denn dieses wiederumbedeutete eine Kontraktion und damit Partikularisiecung der Möglichkeit seinesGattungsbegriffs, sondern das Bewußtsein des Menschen als Repräsentanten der Gattung:"Der Mensch, in dem die Welt als Welt sich vollendet, kann nur der Mensch schlechthinsein." (ebd.); dessen Modell ist Christus: "Christus ist unmittelbar mit Gott, der Koinzidenzvon Maximum und Minimum, geeint, dergestalt, daß er die Einheit des kontrahierten undunkontrahierten Maximum darstellt. In Christus ist die unendliche Einheit selbst als solcheauf welthafte Weise in der Welt gegenwärtig. In ihm erreicht daher die Welt erst die maximaleFülle ihres Seins." (A. a. 0., S. 65f.) Für das Subjekt bedeutet dies, daß es, um sich inder Fülle seines Begriffs - als imago Christi - realisieren zu können, aus seiner Unmittelbarkeitlösen muß. Der Bezug zur Unendlichkeit und Einheit infiziert jedes inr.erweltlich479


Erscheinende mit einem Moment von Negativität, die über es hinaus weist. Alle konkreteGegenständlichkeit wird zum intentionalen Zeichen der Einheit, als die sich die mens zurealisieren hat: "Sein im Sinne von Menschsein besagt deshalb Sein im Nochnicht dessen,was es schon ist." (A. a. 0., S. 67) Die mens wäre Bild der Einheit in Stasis, wenn das jeweiligeBewußtsein identisch mit dem Gattungwesen wäre, also Christus. Solange dies nichtder Fall ist, kann Einheit nur als intentionale Gerichtetheit der fragmentarischen Präsenzgegenwärtig sein und d. h. als teleologische Bestimmung. Das Bewußtsein ist so wenigerRepräsentanz eines Gegenständlichen, als Repräsentanz und in eins damit Vollzug einerPraxis (vgl. a. a. 0., S. 72f.). Volkmann-Schluck resümiert: .. Die mens faßt zwar alles Erkennbarevorgängig in die Einheit ihres Sichtvermögens zusammen. Aber sie sieht sich, umzum Vollzug des Sehens zu gelangen, auf die Vielheit der Dinge angewiesen. Sie kann ihrerselbst nicht unmittelbar ansichtig werden, sondern erscheint sich selbst nur über die Dinge,indem sie in ihnen widerscheint, also im Durchgang durch die Welt. Sie muß also, um sichselbst zu erscheinen, im Vielen erscheinen. Wie kann aber die Einheit im Vielen erscheinen?Nur dadurch, daß das Viele geeint, d. h. in die Einheit eines Verhältnisses gebracht wird.Indem die mens in den Dingen Proportionen hervorbringt, bringt sie sich selbst in denDingen zum Scheinen und läßt in ihrem Scheinen Gott selbst widerscheinen. Die unsichtbareEinheit im Sichtbaren zum Scheinen zu bringen durch Hervorbringung von Proportionen,ist aber das Wesen der ars. Die Überlegungen zeigen also: Der Bezug des Menschenzum Seienden entfaltet sich notwendig zur ars." (A. a. 0., S. 86f.)Cusanus bezeichnet die mens als ..lebendigen Spiegel (vivum speculum)"; lebendig deshalb,weil das in ihr sich Spiegende nicht für andere ist, sondern in sich selbst hervorgebracht undwahrgenommen wird. Aber ihre Kapazität ist begrenzt; sie kann jene Einheit, die ihr Telosist, nicht simultan in den Gegenständen zur Darstellung bringen: "Die mens faßt ihr eigenesWesen, das unbegrenzte Sichtvermögen, nicht. Ihr Sehen kommt zustande durch Begrenzungdes unbegrenzten Sehenkönnens zu begrenzten Blicken. Da sie aber unbegrenztist, drängt sie von sich her über jede Blickbegrenzung hinaus, ohne doch das unbegrenzte,das sie selbst ist, fassen zu können." (A. a. 0., S. 83)Fassen wir zusammen: a) die Bilder der mens sind extensional endlich, intentional unendlich,denn hinter dem, was in ihnen erscheint, verweisen sie auf die Einheit des Seins; b) daseinzelne Bild bezeichnet jene Einheit, sie kommt als Kohärenz seiner Intentionalität zur Erscheinung,d. h. das Bild hat Werkcharakter; c) die Bildinhalte sind an sich kontingent (wasnicht bedeutet, daß sie nicht durch anderweitige Valenzen selektiert werden können), aberals Bildgehalt weisen sie über die Repräsentanz ihres Gegenständlichen hinaus auf Praxis.Zieht man d) die metaphysische Auszeichnung der Mathematik als wahres und allgemeinesWissen, in der sich Kusanus mit seinen Zeitgenossen einig weiß, in Betracht, so erscheintdie Linearperspektive der Malerei als Metapher emphatischer Praxis (vgl. auch: Herold,Bild; vgl. im Gegensatz dazu die Bild-Metapher bei Descartes, Anm. 179).47) Das ,Werk' wird als nicht statisch, sondern dynamisch gefaßt. Es ist Resultat einer Praxis,die das Subjekt als sittliches konstituiert. Berücksichtigt man, daß die Handschrift einesWerkes Ausweis des sittlichen Individuums sein soll, so besitzt die hier metaphorischverhandelte individuelle Praxis selbst eine Art Werk-Charakter und damit ein ästhetischesMoment. Die Form der Pensees wäre, mit Michail Bachtin zu sprechen, ein Resultat .. emotional-volitionalerAnspannung" (Bachtin, Ästhetik, S. 101).Diese Vermittlung von Werk und Existenz erscheint weniger beliebig, wenn man mit Petervon Matt dem Werk eine .. Opus-Phantasie" als Konstituens zugrunde legt. Die Opus-Phantasieist .. das im kreativen Prozeß vorphantasierte Werk. Das heißt, es muß angenommenwerden, daß es eine bestimmte Art von Metaphantasie gibt, die sich um die Gestalt des fertigenProdukts dreht - des Produkts als einer Sache, die vom Produzierenden getrennt seinwird, die in einem beschreibbaren Verhältnis steht zu andern solchen Produkten - in einerhistorischen Reihe also -, und die eine soziale Gegebenheit ist insofern, als daß sie nichtanders gedacht werden kann denn als unter die Leute gebrachte und von den Leuten angenommene,abgelehnte oder ignorierte." (Peter von Matt. Die Opus-Phantasie. In: Psyche 33,1979, S.193-212, S. 200) Eine wichtige Komponente der Opus-Phantasie ist der ,imagi-480


näre Leser', eine vom Autor imaginierte Urteilsinstanz, die das Werk einem Publikumrückbindet. Der ,imaginierte Leser' "muß [ ... ) begriffen werden als die Personifikation dersozialen Normen, unter denen der Autor schreibt. Diese sozialen Normen schießen über denphantasierten Leser in die Opus-Phantasie ein, und über die Opus-Phantasie beeinflussen siejeden einzelnen Vorgang des kreativen Prozesses. In der Opus-Phantasie verschwistern sichdemnach formal-ästhetische Kategorien unauflösbar mit sozialen Regeln." (A. a. 0., S. 201;vg\. Bourdieu, Habitus, S. 154)48) Die Forderung nach perspektivischer Konsistenz verweist auf einen Stilbegriff, wie ihn Buffonmit seinem berühmten Diktum: "Le style est I'homme meme" formulierte. Mit Buffon,dem er politisch und sozial eher oppositionell gegenüberstand, ist sich Pascal in der Objektivitätdieses Stilverständnisses einig, Es trennt beide von der Auffassung ideal narurhafterIdentität von Subjekt und Sprache, wie sie der Geniegedanke später fordert. "Stil zu habenist keine Frage des Talents, sondern der Anstrengung; der Stil ist die Ordnung und Bewegung,die man seinen Gedanken verleiht. ,11 faut des choses, des pensees, des raison", umgut zu schreiben; es gibt keinen guten Stil, der nicht abhängig wäre von den Einsichten undMeinungen, die er zum Ausdruck bringt. Letztlich besteht ein schöner Stil in nichts anderemals der Zahl der Wahrheiten, die er vorträgt . .Le style est I'homme meme' bezieht sichauf die organisierende Leistung, die der Mensch vollbringen muß, um seine Gedanken zuordnen und sie vernünftig darzustellen." (Wolf 14enieJ. DaJ Ende der NaturgeJchichte. München/Wien1976, S. 141). Auch wenn die Tätigkeit des Autors primär in der Anordnungund Verbindung von Inhalten besteht (vg\. Wo/fgang G. Miiller. Topik de.r Stilbegriffi. Darm­Jtadt 1981, S. 43) - auch hier berühren sich die Auffassungen Buffons und Pascals -, istdiese Tätigkeit letztlich doch ein existentieller Akt des Subjekts und geht über eine nur entwederrationale oder rhetorische techne hinaus. Wolf gang G. Müller konstatiert auch flirBuffons Stil begriff letztlich die Forderung einer "Identität von Denken und sprachlichemAusdruck" (ebd.). Wichtiger als die heterogene Tradition dieses Stil begriffs - einerseitsseine vermeintliche Subjektivierung im Genie-Gedanken, andererseits seine Ausschließungaus dem wissenschaftlichen Diskurs (vgl: Wolf Lepenies, Ende) - ist in diesem Zusammenhangeine andere Funktion, die H. U. Gumbrecht dem Stilbegriff in der Aufklärung Zuerkennt:Seine Bedeutung "bei der Entstehung der Rolle des Erkenntnissubjekts" (HanJ VlrichGumbrecht. Schwindende Stabilitiit deJ Wirklichen. Eine GeJchichte deJ Stilbegriffi. In: Stil,S. 726-788; hier: S. 754): ,,[ ... ) Buffon maß [ ... } den Wert solcher .Anordnung und Bewegung'der Gedanken an ihrer Übereinstimmung mit den Grundstrukturen der einen Wirklichkeit.Die Fähigkeit eben sie intuitiv zu erfassen, machte für ihn das Genie aus: ,Es ist dieMacht des Genies, sich alle allgemeinen und besonderen Sinnstrukturen (idees) unter ihremwahren Blickpunkt vorzustellen; nur aufgrund eines besonders feinen Unterscheidungsvermögenswird man sterile Gedanken von fruchtbaren Ideen unterscheiden können .... (A. a. 0.,S. 755, Hervorhebungen im Original; das Buffon-Zitat nach der Faksimile-Ausgabe derzwölften Auflage von Buffons DiJCOllrJ Jur leJtyle (1753). Ed. C. E. Pickford. Hull, 1978, p. 6.Übersetzung: Gumbrecht.) Auf die Verbindung von Stil, rationaler Kompetenz und transrationalerFähigkeit des Subjekts werden wir unter dem Begriff des "esprit de finesse" beiPascal zurückkomen müssen. Aber hier ist schon der Versuch sichtbar, den subjektivistischenStilbegriff, wie er von Monraigne in Ablehnung des traditionellen rhetorischen formuliertworden war (vg\. Müller, Topik, S. 36), mit einem rationalen Erkennnisbegriff zuvermitteln, ohne sich planerdings mit dessen semantischen Implikationen zu identifizieren.Der Stil bestimmt letztlich die virtuelle Position des idealen Beobachters.49) Die Applikation der Humboldtschen begrifflichen Opposition energeia - ergon mag zumeinen die dynamische Komponente der Praxis betonen, zum zweiten die Nähe von Praxisund sprachlichem Handeln zum Ausdruck bringen. Humboldt ist Sprache "kein Werk(Ergon), sondern eine Tätigkeit (Energeia)" (Wilhelm v. Humboldt. Einleitung zum Kawi-Werk.In: W. v. H .. Schriften zur Sprache. Stuttgart 1973, S. 36). Sie ist "Arbeit des Geistes" (a. a. 0.,S. 37), "ewige Vermittlerin zwischen dem Geiste und der Natur" (a. a. 0., S. 144) und"Werkzeug jeder menschlichen Tätigkeit" (a. a. 0., S. 32). Sie ist sowohl Bedingung undInstrument monologischer Reflexion als auch Institution der Sozialität: "Die Tätigkeit der481


Sinne muß sich mit der inneren Handlung des Geistes synthetisch verbinden, und aus dieserVerbincbng reißt sich die Vorstellung los, wird der subjektiven Kraft gegenüber zumObjekt, und kehrt, als solche aufs neue wahrgenommen, in jene zurück. Hierzu aber ist dieSprache unentbehrlich. Denn indem in ihr das geistige Streben sich Bahn über die Lppenbricht, kehrt das Erzeugnis desselben zum eigenen Ohre zurück. Die Vorstellung wird alsoin wirkliche Objektivität hinüberversetzt, ohne darum der Subjektivität entzogen zu werden.Dies vermag nur die Sprache; und ohne diese, wo Sprache mitwirkt, auch stillschweigendimmer vorgehende Versetzung in zum Subjekt zurückkehrende Objektivität ist dieBildung des Begriffs, mithin alles wahre Denken unmöglich. Ohne daher irgend auf dieMitteilung zwischen Menschen und Menschen zu sehen, ist das Sprechen eine notwendigeBedingung des Denkens des einzelnen in abgeschlossener Einsamkeit. In der Erscheinungentwickelt sich jedoch die Sprache nur gesellschaftlich, und der Mensch versteht sich selbstnur, indem er die Verstehbarkeit seiner Worte an andren versuchend geprüft hat." (A. a. 0.,S. 48) Der Ausdruck .. wahres Denken" verweist auf einen Zirkel, denn er reduziert Denkenauf jenes, das als Sprache zu zeigen sich bemüht ist: auf den Willen zum allgemeingültigenBegriff. Humboldt faßt zusammen ... Alles Sprechen, von dem einfachsten an, ist ein Anknüpfendes einzelnen Empfundenen an die gemeinsame Natur der Menschheit." (A. a. 0.,S. 49) Humboldt erkennt - wie Hegel, dem er hier konzeptionell nahesteht (oder dieser jenem),- subjektive Devianz (vg!. a. a. 0., 58f.) und Perspektive (a. a. 0., S. 53) an, doch siehtauch er in der Sprache keine wertfreie anthropologische und soziale Technik, sondernhypostasiert einen ethischen Impetus, der die Definition der Sprache als Jtetige Arbeit derSubjekte und, in Summe, des Gattungssubjekts am allgemeinen und identiJchen Begriff erstermöglicht: "Diese Arbeit nun wirkt auf eine konstante und gleichförmige Weise. Denn esist die gleiche, nur innerhalb gewisser, nicht weiter Grenzen verschiedne geistige Kraft,welche dieselbe ausübt. Sie hat zum Zweck das Verständnis. Es darf also niemand auf andreWeise zum andren reden, als dieser, unter gleichen Umständen, zu ihm gesprochen habenwürde." (A. a. 0., S. 38)Diese ethische Hypostase einer allgemein-identischen Sprache, welcher der Begriff mehr istals diffuse Identität des Ausdrucks, fordert Selbst-Objektivation als kontinuierliche Arbeitdes Subjekts an sich. Jene "Inversion der Teleologie", die Robert Spaemann als Konstituensneuzeitlicher Subjektivität diagnostiziert (,,( ... }: das Sein steigert sich nicht (wie in derteleologischen Anthropologie des mittelalterlichen AristoteiismusJ) zum Tätigsein, sonderndie Tätigkeit ihrerseits hat zum alleinigen Ziel die Erhaltung dessen, was ohnehin schonist." (R. Spaemann. Bürgerliche Ethik und nichueleologiJche Ontologie. In: Subjektivit;it, S. 76-96;hier: S. 80), wäre so als Arbeit des Subjekts an sich in der Bedeutung einer Lösung aus derSpontaneität seiner Existenz (a. a. 0., S. 82: ,,Alle Unmittelbarkeit wird tabuiert. ") und demBemühen um Identität mit seinem begrifflichen Substrat zu lesen. Da aber das, .. was ohnehinschon ist", eben nicht das Subjekt, sondern seinen Begriff darstellt, dessen sich das Subjektständig und auf immer neuer Stufe versichern muß, wird Selbsterhaltung synonym mitSelbststeigerung (vg!. Buck, Selbsterhaltung). Dabei wird aus anthropologisch-ethischerPerspektive AJckumulation rationalen Wissens zum didaktischen Instrument und Abfallproduktder Selbst-Objektivation, da das Bemühen des Subjekts um Selbst-Versicherungnotwendig über das Feld der Begriffe hinausreicht. Die hierftir erforderliche anthropologischeTechnik ist bereits als praxis pietatis theologisch vorgedacht. (Freilich soll in dieserFormulierung keine Kausalität impliziert werden.)50) Die Abwehr des Skeptizismus zeigt sich als Abwehr eines infiniten Regresses durch dogmatischeSetzung des neutestamentlichen Lebesgebotes als "plaine truht". (Zur Bedeutung derPascalschen Begriffe "liaison" und "rapport" vg!. Schobinger, Pascal, S. 306ff.) Aber auchdie dritte Möglichkeit des sog. Münchhauses-Trilemmas (vg!. Ham Albert. Traktat überkrithche Vernunft. Tübingen 41980, S. 13), Zirkularität der Beweisführung, ist vorhanden,wenngleich nicht auf logischer, sondern auf voluntaristischer Ebene: Man findet Gott, weilman ihn sucht. Derart existentiell sistiert kann sich Pascal im ,wissenschaftlichen' Bereich(scheinbar werrfreien) ,kritischen Rationalismus' erlauben, solange dieser auf der ruhigenGewißheit aufruht, daß der usus der Praxis - eben auch der offenen wissenschaftlichen - von482


vorgängiger ethischer Vernünftigkeit geprägt ist. Mehr als er selbst ahnt, hat H. Albertrecht, wenn er fonnuliert: .Die Dogmatisierung ist eine Möglichkeit der menschlichen undsozialen Praxis überhaupt, in der die Tatsache zum Ausdruck kommt, daß der Wille, Gewißheitzu erlangen, über den Willen triumphiert, Problemlösungen zu erreichen, die rurmögliche Kritik offenbleiben, daher dem Widerstand der Realität und dem Widerstand andererMitglieder der Gesellschaft ausgesetzt sind und sich dabei bewähren oder scheiternkönnen. Die Schließung von Glaubenssystemen ist also nicht ein Gebot der Logik oderirgend einer anderen objektiven Instanz, sondern ein Diktat des Willens und der Interessenund Bedürfnisse, die hinter ihm stehen, ihre Offenheit ist, so könnte man sagen, eine Frageder Moral." (A. a. 0., S. 73)51) Paul de Man bestimmt als .. primitive words" jene, .which are not subject to definition atall, since their pretended definitions are infinite regresses of accumulated tautologies. Theseterms (which include the basic topoi of geometrical discourse, such as motion, number, andextension) represent the natural language element that Descartes scornfully rejected fromscientific discourse, but which reappear here as the natural light that guarantees the intelligibilityof primitive terms despite their undefinability. " (Paul Je Man. Pasca!'s Allegrwy 0/PersIlasion. In: Allegory and Representation. Ea. by Stephen]. Gr-emblatt. Baltimqre / London 1981,S. 6). Das Feld der primitive words reicht jedoch über das Gebiet klarer und universell identischerBegriffe der Geometrie hinaus. Wo dessen Grenzen überschritten werden, bezeichnensie keine definitorisch bestimmten Entitäten, sondern referieren deiktisch, verweisen aufeine allgemeine lebensweltliche Erfahrung, die jedoch nicht definitorisch als identische gefaßtwerden könnte: .. Here the word does not function as a sign or a name, as was the case inthe nominal definition, but as a vector, a directional motion that is manifest only as a turn,since the target toward which it turns remains unknown. In other words, the sign has becomea trope, a substitutive relationship that has to posit a meaning whose existence can notbe verified, but that confers upon the sign an unavoidable signifying function. The indeterminacyof this function is carried by the figural expression ,porter la pensee', a figure thatcannot be accounted for in phenomenal terms." (A. a. 0., S. 6f.) Er resümiert: .. This much,at least, is clearly established: in the language of geometry, nominal definition and primitiveterms are coextensive, but the semantic function of the primitive terms ist structured like atrope." (A. a. 0., S. 7)52) Das grundlegende Bemühen der Theodizee, die Rechtfertigung des als Urheber der Übelder Welt angeklagten Gottes (vgl. O. Ma .. q_ .. d. Entlastll11g. Theodizemwtive in ek.. nellUitlichenPhiloJDphie. In: Ders. Apologie des Zufä1ligen. Stuttga .. t 1986, S. 12) ist ftir Pascal systematischunmöglich, denn vernünhige Beweisführung ist in der Natur nicht notwendig wiederzufinden,da dazu die konzeptionelle Grundlage fehlt: das Theorem einer prästabilierten Harmonie,welche rationale und natürliche Ordnung synchronisiert. Zum einen - aus theologischerPerspektive - ist die Erfahrung der natürlichen Ordnung als göttliche durch die Erbsündeund der durch sie bedingten corruptio menschlicher Natur verstellt; zum anderenverweist rationale Ordnung direkt auf Transzendenz, da es (noch) kein Infinitesimalkalkülgibt, welches endliche Erfahrung und unendliche Substanz vermitteln könnte (vgl. a. a 0.,S. 17). (Man kann darin einen Rest aristotelischer Ordnungslehre sehen, die sich nun, da dierationale Ordnung durch die cartesische Reduktion universell applikabel geworden ist,nicht mehr im ontologischen, sondern nur noch im erkenntnistheoretischen Bereich behauptenkann. Freilich ist andererseits gerade die Lösung der Vernunft aus onto-theologischerOrdnung eine Bedingung ihrer ,autonomen' Definition und infolgedessen eine Vorraussetzung,sie als System und Diskursform sowohl der theologischen wie der natürlichenSphäre zu applizieren, wodurch beide zu Fällen rationaler Argumentation degenerieren .• Erst mit der strikten, nachcartesianischen Festlegung dessen, was Erkenntnis und ihre Regelnwaren, erst nach der Logiqm Je Port Royal {1662} wurde die Frage nach der Vernünftigkeitder Religion eigentlich aktuell." [Wo Schmidt-Biggem.ann. Von ek.. Apologie zu .. Kritik. DerReuptionJ1"ahmen ek.. Theodizee. In: Ders. Theodizee und Tatsachen. F .. ankfurt a. M. 1988, S. 63})Neben jener .rationalen" Theodizee gibt es jedoch auch eine - in der philosophischenDiskussion zumeist vernachlässigte und in der literaturwissenschaftlichen Diskussion meist483


ungenügend abgegrenzte - ekstatische Theodizee-Erfahrung, die in Shaftesbury's Enthusiasmusbegriffbis weit ins 18. Jahrhundert wirksame Transformation der Tradition der CambridgePlatonists fand. Zwar ist diese rationaler Tribunalisierung inkompatibel, denn: "Derapologetische Hauptterminus war noch nicht ratio, raison, sondern veritas." (a. a. O. 1 ebd.)­solche Erfahrung verblieb in Unverfügbarkeit -, doch ihre Möglichkeit ist für Pascal, demdie Natur "über alles reden kann, selbst über Theologie" (282/675), prinzipiell gegeben. Siebliebe unwirksam; hypostasierte, was unter den Bedingungen des status lapsus, in dem diepervertierte affektive Disposition der Subjekte ihren intrinsischen Wert verstellt, erst zu beweisenist. Das Unterfangen einer Theodizee kommentiert Pascal hämisch: "leh bewunderedie Kühnheit, mit der diese Leute es versuchen, von Gott zu sprechen. 1 Sie wenden sich inihren Reden an die Gotdosen, und dabei behandeln sie als ersten Punkt, wie man die Göttlichkeitdurch Werke der Natur beweist. Ich würde über ihren Versuch nicht erstaunen,wenn sie sich in ihren Reden an die Gläubigen wendeten, denn es ist gewiß, daß diejenigen,die den lebendigen Glauben im Herzen tragen, sogleich erkennen, daß alles, was existiert,nichts anderes als das Werk Gottes, den sie anbeten, ist; aber bei denjenigen, in denen diesesLicht erloschen ist und in denen man es wieder entzünden will, {. ..} diesen zu sagen, siebrauchten nur das geringste unter den Dingen, die sie umgeben, anzusehen, und sie würdenGott unverhüllt darin entdecken, ( ...} das bedeutet, ihnen Anlaß zu dem Glauben zu geben,daß die Beweise fiir unsere Religion sehr schwach seien, und ich sehe aus Vernunft undErfahrung, daß nichts geeigneter ist, bei ihnen Geringschätzigkeit für unsere Religion zuerwecken." (308f./781)53) Zur caritas als Versöhnung des Antagonismus des Willens bei Augustinus vg!. Arendt,Leben, S. 93.54) Im System der klassischen Rhetorik hat der Terminus ,translatio' zwei Bedeutungen: In derersten ist er synonym mit ,Metapher' (vg!. Ueding/Steinbrink, Grundriß, S. 273; Lausberg,Elemente, S. 78); daneben findet er seinen Ort in der Statuslehre des genus iudiciale. DieGerichtsrede differenziert sich in zwei grundlegende Gattungen: Das genus legale, den Bereichder Gesetzes- und Vertragsauslegung, sowie das genus rationale, den Bereich der Argumentation.In diesen gehören vier status; den letzten der vier - nach den status conjecturalis,dem status definitivus und dem status qualitatis - bildet der status translationis. Inihm "ging es um die Frage der Zuständigkeit des Gerichts" (Ueding/Steinbrink, Grundriß,S. 29). Hier wird nicht der Sachverhalt selbst, sondern die Urteilsinstanz und deren Kompetenzangezweifelt. Es geht darum nachzuweisen, daß jener, der de facto zum Urteil berufenist, nicht in der Lage sein kann, es adäquat zu fällen: "Im status translationis Lin quaestioiure intendatur'} wird nach der Berechtigung der Frage (und damit des Prozesses}überhaupt gefragt, insbesondere nach der Zuständigkeit des Richters, da der Beschuldigtedessen Nichtzuständigkeit behauptet und die Übertragung (translatio} des Prozesses aneinen anderen Richter beantragt (... }" (Lausberg, Elemente, S. 21)Dieser zweite Aspekt darf nicht aus den Augen verloren werden, wenn das Mittelalter dietranslatio als grundlegende Form jeder Rede über Gott begreift. Nicht nur der Menschselbst, auch seine Sprache ist ihrem Gegenstand notwendig inadäquat. Theologische kommtmit poetischer Sprache darin überein - und muß sich eben deshalb auch von ihr abgrenzen-, daß sie den "proprie-Raum" menschlicher Rede übersteigt und nur in ,übertragener'Form ihren Gegenstand bezeichnen kann (vg!. Brinkmann, Zeichenhaftigkeit, S. 1 Of.).Denn es gibt einen grundsätzlichen Unterschied zwischen der menschlichen Sprache - dervox - und göttlicher, auch wenn diese in der heiligen Schrift als quasi-menschliche formuliertist. Die Möglichkeit unmittelbaren Verständnisses ist dadurch verstellt; ein komplexesInterpretationssystem, das nicht nur die Struktur des Textes, sondern die Struktur der Sachverhalteselbst interpretiert, wird nötig, um die Sinnhaltigkeit der Schrift erfahren zu können.Grundlegend rür die mittelalterliche Semantik götdicher Sprache ist die KonzeptionAugustinus'. "Wenn die Aussagen der Hl. Schrift nicht erkannt werden, so kann das nachAugustinus zwei Gründe haben: aut ignotis aut ambiguis signis obteguntur. Die Mediender Mitteilung sind für ihn signa; entweder signa naturalia (so weist z. B. der Rauch alssignum auf das Feuer hin) oder signa data ad demonstrandos motus animi oder als verba, die484


für den Menschen die hauptsächlichsten Medien der Bezeichnung darstellen: verba inter hominesobtinuerunt principatum significandi. Die Zeichen, soweit sie durch Worte demMenschen gegeben werden, können propria oder translata signa sein (sunt autem signa velpropria vel translata). Es erinnert noch an die stoische Wortschöpfungslehre, wenn Augustindefiniert: propria dicuntur, cum his rebus significandis adhibetur, propter quas sunt instituta.Ein neues Verständnis jedoch liegt seiner Auffassung von den signa translata zugrunde,die er nicht mehr als Übertragung eines Wortes in einen anderen semantischen Zusammenhang(in alium locum: Cicero, Quintilian) versteht, sondern die res selber werden signifikant:translata sunt, cum ipsae res, quas propriis verbis significamus, ad aliquid aliudsignificandum usurpantur. Die Zeichenhaftigkeit der Dinge kann als ,Sprache' der Dingeoder als ,zweite Sprache' gelten und erreichte im Allegorismus des Mittelalters ihren Höhepunkt.Von der metaphorischen Allegorie ist sie grundsätzlich zu trennen, denn ihr liegteine andere Auffassung der Beziehung von res und verbum zugrunde, und die Bedeutungder res ist nicht mehr der poetisch-rhetorischen Willkür überlassen, sondern geht mit denres nach deren Eigenschaften (proprietates) eine feste Verbindung ein. [ ... } Während die rhetorisch-poetischeMetaphorik orginell und spontan ist oder doch sein kann, verfährt diekonventionelle figurata rerum locutio nach einem konstanten Verhältnis von allgemeinverbindlichenEigenschaften der Dinge (proprietas rerum) und Glaubensaussagen per similitudinem."(Krewitt, Metapher, S. 122f.) Krewitt sieht sie literaturhistorisch als "konventionalisierteMetaphorik" (ebd.), doch ist diese Formulierung sehr bedenklich, da sie allzuleichtvergessen läßt, daß dieser Sprache ein Erkenntnisanspruch eignete, der prinzipiell dieMöglichkeit seiner praktischen - und in eins damit: sprachlichen - Verfügbarkeit überstieg:"Jedes mit einem Wortklang in der Sprache gerufene Ding, alle von Gott geschaffene Kreatur,die durch das Wort benannt wird, deutet weiter auf einen höheren Sinn, ist Zeichen vonetwas Geistigem, hat eine significatio, eine Be-zeichnung, eine Be-deutung. Man unterscheidetalso eine zweifache Bedeutung, einmal vom Wort klang zum Ding, von der vox zurres, und eine höhere, an das Ding gebundene, die vom Ding wieder auf ein Höheres weist.[ ... } Das Ding aber hat nicht nur eine Bedeutung wie das Wort (wenn sich bei ihm nichtdurch Homonymie eine mehrfache Bedeutung ergibt), sondern eine vielfache Bedeutung.Jedes mit dem Wort gemeinte Ding hat selbst eine Menge von Bedeutungen, deren Zahlmit der Summe der Eigenschaften eines Dinges identisch ist. [ ... } Das Ding hat so viele Bedeutungenwieviel Eigenschaften es hat." (Ohly, Sinn, S. 4/ Hervorhebungen im Original).Natur wie Schrift bilden also einen Verweisungszusammenhang, den der Mensch nicht einholenkann, der aber gerade in seiner Komplexität bedeutend ist. Jede exponierte Ordnungwird (vor Gott) relativiert; sie absolut zu setzen, hieße der Hybris zu verfallen. Im Gegensatzdazu verweisen die Sätze der rationalen Semantik in erster Linie auf die Konsistenz desSystems und die Evidenz seiner Axiome. Die Gesetze werden von der Komplexität der Gegenständenicht tangiert, weil sie nicht auf diese selbst, sondern lediglich auf ihre Erscheinungunter den Bedingungen rationalen Erkenntnisinteresses bezogen sind. Ontologisierungrationaler Methode kann die Welt nur noch als unendlich komplexes, aber methodischsimples Bild ihrer selbst begreifen. Daraus resultiert der aufklärerische Optimismus, trotzaller (vorläufigen) Insuffizienz der Erkenntnis auf dem richtigen Weg zu sein, und die Gewißheit,daß hinter der Vielfalt der Erscheinungen die Einheit einer Ordnung zu finden seinwird. Denn den Gegenständen, wie sie erscheinen, eignet kein gtÖßerer, sondern ein geringererWahrheitswert als der Erkenntnis selbst; relativ zu ihr sind sie un-geordnet. DieSicherheit, daß die Subjekte in der Lage sind, diese ,offen-sichtliche' Konfusion abzuwehren,hat Pascal nicht mehr (aus Sicht der cartesischen Philosophie) oder noch nicht (im Hinblickauf die spätere Entwicklung) verinnerlicht. Deshalb ist er auf externe Gewißheit angewiesen.Christus ist deren Metapher und Modell.55) Zwar ist das Theologumenon der Nachfolge Christi Gemeingut der Tradition, aber: "Eineallgemeine Veräußerlichung oder moralistische Umdeutung des Begriffs der N. Ch. fand inder Väterzeit nicht statt. Terminologisch war die Bezeichnung ,imitari' hersehend; gebrauchtwurde auch ,sequi'. - Im Ma und Nach-Ma empfing die Idee der Imitatio Christineue Akzente innerhalb der verschiedenen Reformbewegungen und im Bereich des geist-485


lichen Lebens. Der mehr persönlich gerichteten Frömmigkeit jener Zeit entsprechend, auchunter dem Einfluß der Kreuzzüge, ist der Blick vor allem dem Vorbild des Erdenlebens Jesuzugewandt. Die spiritualistischen Armutsbewegungen nahmen das arme Leben Jesu zumverpflichtenden und begeisternden Vorbild (veri imitatores Christi); Franziskus von Assisihat dieser Form der N. Ch. weitreichenden Einfluß in der Kirche verschafft. Bernhard vonClairvaux betonte eindringlich die Nachahmung der Armut und Demut, der Geduld undLiebe des irdischen Jesus. Heiligenbild und Frömmigkeit dieser Zeit orientierten sich amErdenleben Jesu (Herz-Jesu, Leiden-Jesu Verehrung). Die Innerlichkeit, in der sein Vorbildzum persönlichen Maß genommen wird, entspricht dem erstarkten Persönlichkeitsempfinden."(R. Hofmann. Art.: Nachfolge Christi. In: Lexikon Theologie u. Kirche, § 2) .. ImitatioChristi" ist auch der Name der nach der Bibel am weitest verbreiteten christlichen Lektüre,eines Erbauungsbuches, das gemeinhin unter der Autorenschaft Thomas' von Kempen gefUhrtwird, der allerdings nur Endredaktor verschiedener, aus dem Kreise niederländischerReformbewegungen der .. Devotio moderna" (zu deren Bedeutung vg!. Hans Blumenberg.Siikularisierung und Selbstbehauptung. Frankfurt a. M. 1974, S. 158ff u. Alexander Kolemyk.Art.: devotioantiqua und devotio moderna. In: Phil. Wb.) stammenden Traktate zu sein scheint.56) Der Begriff des Organismus ist hier nicht vitalistisch zu denken, sondern maschinal, undd. h. daß die einzelnen Elemente durch ihre Bezogenheit zum Ganzen determiniert sind.(Zur stoischen Tradition dieser Auffassung vg!. Abel, Stoizismus, S. 94.) Implizite Voraussetzungeiner solchen Konzeption ist, daß das Ganze des aktuaI Unendlichen, obwohl esdem Menschen uneinholbar bleibt, doch dem Erkennbaren nicht heterogen, sondern durchprinzipiell bestimmbare Entitäten strukturiert ist (vg!. 266/609). (Diese Annahme ist seitRobert de Grosseteste der mittelalterlichen Philosophie vertraut. V g!. Blumenberg, Prozeß,S. 156) Nur dadurch ist die Referenz der rationalen geistigen Arbeit des Menschen metaphysischgesichert: Sie formiert als Teil ein spezifisches Abbild des Ganzen. Die mens wird- kusanisch - zur imago dei (vg!. K. H. Volkmann-Schluck, Cusanus, bes. S. 66ff.). Nun bedeutetlineare Iteration des rationalen Verfahrens nicht mehr insistierendes Verhaftet-Seinin ,egoistischen' Kategorien - und müßte durch unmittelbare Schau der Transzendenzstrukturell aufgebrochen werden - sondern die .. Gerade" des rationalen Prozesses ist dasBild eines kreisfärmigen, geschlossenen und suisuffizienten Ganzen, das in allen seinen Teilenletztlich auf sich selbst, auf seine Identität, verweist (vg!. die kusanische Figur des unendlichenKreises; bes. in: De docta ignorantia, 1,12 und die hegeIsche Dialektik von Kreisund Gerade in: Hege!. Wissenschaft der Logik I [ = Werke, Bd. 5. Frankfurt a. M. 1969),S. 164.; vg!. Anrn. 15).57) Innerhalb der methodischen Theorie bleibt für Pascal ihre Plausibilität abhängig von ihrerkonkreten Erfahrbarkeit in der Wahrnehmung der Subjekte und damit abhängig von derTechnik des sinnlichen Wahrnehmungsmechanismus (vg!. es, S. 82ff., 308n82 u. bes.95ff./199). Dieser ist letztendlich nicht in der Lage, aus sich heraus eine Theorie als ausschließlichezu qualifizieren. (Zur immanenten Bewertung der Leistungen Pascal scher geometrischerMethode vg!. Heinrich Scholz. Pascals Forderungen an die mathematische Methode. In:Ders. Mathesis Jmjllersalis. Basel 1961, S. 121ff. und: Mittelstraß, Neuzeit, S. 457ff.) Dermetaphysische Wahrheitsanspruch ist aus dem Kriterium explanativer Adäquatheit nichtableitbar, wie Pascal am Beispiel der erhabensten aller Naturwissenschaften, der Astronomie,exemplifiziert: ..[...} wenn man vom menschlichen Standpunkt aus über die Bewegungund die Ruhe der Erde handelt, so entsprechen alle Erscheinungen über die Bewegung unddie Rückläufigkeit der Planeten vollkommen den Hypothesen des Ptolemäus, des Tychound des Kopernikus und noch vielen anderen, die man erfinden könnte, während von ihnenallen nur eine einzige wabr sein kann. Wer aber wollte sich unterfangen, eine so wichtigeEntscheidung zu treffen, und wer könnte ohne die Gefahr des Irrtums einer vor der anderenden Vorzug geben?" (es, S. 45ff; vg!. 88/164, 308f.l782) In seiner spezifischen Technik, diede Man als .. chiasmic reversal" bezeichnet (de Man, Allegory, S.14) wendet er die Inadäquatheitder Erkenntnis und formuliert sie bildlich: .. wir bringen doch nur Atome im Vergleichzu den wirklichen Dingen hervor." (96/199).Manfred Heeß sieht in der lebensweltlichen Bezogenheit Pascalseher Argumentation den486


Beweis dalUr, "daß die Erfahrtmg des Gegmiikrs einerseits besti",mend ist /iir die Ktmstitlliwungdes Beweisvw/ahrms, da die Wahl der vorauszusetzenden Axiome von ihr abhängt; daß dieseErfahrung andererseits durch den Beweisfiihnmden ,beeinflIlßt' (und erweitert) werden kann."(HeeB, Pascal, S. 481 Hervorhebungen im Orginal). Das Verhältnis von kommunikativemund geometrischem Beweis beschreibt er - und hierin ist ihm diese Arbeit verpflichtet -folgendermaßen: "Im Beweisverfahren, das nach der ,geometrischen Methode' abläuft, istdemnach auch die sprachliche Schaffung von Wirklichkeitserfahrung zumindest impliziert.Ohne an dieser Stelle auf die Frage eingehen zu wollen, in welchem Zusammenhang Spracheund Denken zu sehen sind, kann festgehalten werden, daß der Beweisprozeß und damitindirekt die ,Erkenntnis von Wahrheit' (durch das Gegenüber), für Pascal zumindest teilweiseauf der zwischenmenschlichen - sprachlichen - Kommunikation basiert. Und diesnicht nur insofern, als die Argumentation sich eines sprachlichen Mediums bedient (was eineTautologie wäre), sondern in der Weise, daß durch die sprachliche Darstellung von,Welt', und damit von ,Erfahrung' beim Gegenüber bestimmte Voraussetzungen geschaffenwerden können, die zur Annahme von Axiomen beim Partner führen, von denen aus dieserauf rationalem Wege überzeugt werden kann. [...} 1 Die Unfähigkeit des Gegenübers, sich einunendlich Teilbares vorzustellen, ist also Ansatzpunkt für seine ,Betrachtungen', in derenVerlauf er nicht nur mathematische oder geometrische Argumente vorbringt, sondern ebensonachdrücklich Erfahrungen und Vorstellungen evoziert, die die ,natürliche Einsicht' seinerLeser fördern - und das heißt verändern - sollen." (A. a. 0., S. 48f.1 Hervorhebungen imOrginal)58) Vgl. Schobinger, Pascal, S. 241ff.: .milieu". .Mitte' ist der Mensch in vielerlei Hinsicht: Ersteht in einer natürlichen Mitte der Ausdehnung zwischen Mikro- und Makrokosmos(96/199; 177/427), in rationaler Mitte zwischen dem infinit Kleinen und dem infinitGroßen der Zahl (167/418), er steht in anrhropologischer Mitte zwischen Materie und Geist(2811678) und damit in der Mitte zwischen der iterativen Ordnung der Affekte und derLinearität rationaler Ordnung (244/519, 363/918); er steht schließlich in der Mitte zwischenVerworfenheit und Gnade, in der Mitte zwischen literalem und pneumatischen Sinn.Die "Mitte" ist die menschliche Natur (243/518), - und sie ist der Ort des Willens(3751933) wie der Empfindung als .. libido sentiendi", der dritten Libido zwischen Machtimpuls(.. libido dominandi") und Wissensdrang (.. libido sciendi") (2511545). Währenderstere im Instinkt und letztere in den Prinzipien eindeutigen Ausdruck finden, kann dieKraft der libido sentiendi nur durch eine ambivalenten Metapher bezeichnet werden: mitdem Begriff des Herzens (86/155; vgl. Anm. 21). Das Herz ist die Erscheinung des Willensund damit der Ort jenes Vermögens, das - der Topos ist augustinisch (vgl. Arendt, Leben,S. 70,82, 91) - die Monstrosität des Menschen ausmacht.Die Dialektik des Willens trennt die augustinisch-chrisdiche von der stoischen Tradition;sie bewirkt eine unhintergehbare existentielle Ambivalenz aller Wahrnehmung - rationalerwie affektiver -, denn jene ist nicht mehr an-sich, sondern in-bezug-auf den Willen zu gewichten,und damit abhängig von einer Instanz, die ihren Ort nicht mehr unter den Phänomenen,sondern in absoluter Transzendenz hat. Obwohl er es nicht wahrhaben will: DerMensch ist ein Seiltänzer (253/554), weder in der Lage, irgendwo außerhalb seiner festenHalt zu finden, noch seinen internen Dualismus zu versöhnen und dadurch ein identischesSelbst objekthaft zu konstituieren (272/618). So bleibt nur die virtuelle und dynamischeStabilität der stets neu zu gewinnenden Balance seiner Antagonismen (275/641, 2801674,2811681,3091783, vgl. 3041770). Da kein Übergang zwischen seiner natürlichen und seinergeistigen Verfassung herzustellen ist (vgl. 283/686 u. 2811681), bleibt das Leben eineprekäre Mitte zwischen Himmel und Hölle (86/152).Diese Bestimmung des idealen ,.Milieus" ist nicht objektivierbar; es ist weder in materialennoch in rationalen Kategorien zu erfassen, sondern kann nur abstrakt, als qualitatives .. aptum"benannt werden (88/170, 238/507,416/111). Auf ,Angemessenheit' muß Sprache referierenund diese widerspiegeln (250/543, 3181812), wenn sie über den Menschen als Menschenredet. Aber sie kann kein prepon bezeichnen, da ihm weder eine Entität naturhafternoch eine Entität rationaler Evidenz korreliert (vgl. 29417 33). Sprache wird auf sich selbst487


zurückverwiesen; ihr bleibt die Möglichkeit, den Akt ethischer Balance als kommunikativenAkt nachzuziehen, so daß das aptum in dem, was über alle referentielle Funktionhinausgeht: im perspektivischen und intentionalen Syntagma des Textes, widerscheint. Anthropologischgewendet: Diejenige Entität, welche die Mitte, das humane aptum, definiertund bezeichnet, ist die Sprache selbst in ihrer (auch monologisch) kommunikativen Fähigkeitzur evidenten Semantisierung humaner Praxis. Der Mensch im emphatischen Sinne istzoon logon echon. Doch das Echo ist ist kein humanes; es ist nichts anderes als Widerhallder Transzendenz.59) Descartes, D, S. 58.60) de Man begreift die Opposition der "Ianguage of persuasion" und "Ianguage of seduction"(',Language, in Pascal, now separates in two distinct directions: a cognitive function that istright (juste) but powerless, and a modal function that is mighty (forte) in its claim torightness. [ ... } The first is the language of truch and of persuasion by proof, the second is thelanguage of pleasure (volupte) and of persuasion by usurpation or seduction." [de Man,Allegory, S. 23J) als erkenntnistheoretisch unvermittelbar und definiert ihre semantischeVermittlung, wie er sie in den Pensees findet, als Allegorie: "The (ironie) pseudo-knowledgeof this imposibility, which pretends to order sequentially, in a narrative, what is actuallythe destruction of all sequence, is what we call allegory." (Ebd.). Seine allgemeine Definitionder Allegorie deutet ihre Notwendigkeit als Überbrückung einer Kluft zwischen rationaler,extensional-referentieller und intentional-affektiver Sprache, welche semantische Identitätextensionaler und intentionaler ,Werte' verhindert: "Allegory is the purveyor of demandingtruths, and chis its burdon is to articulate an epistemological order of truth and decei t witha narrativ or compositional order of persuasion. In a stable system of signification, such anarticulation is not problematic; a representation is, for example, persuasiv and convincing tothe extend chat it is faithful, exacdy in the same manner that an argument is persuasive tothe extend chat it is truthful." (A. a. 0., S. 2).Dies mag in einem sehr weiten Verständnis von ,Allegorie', das mit diesem Terminus jedekomplexe Form übertragener (hier: nicht logisch-referentieller) Bezeichnung meint, stimmigsein. Dennoch gibt es m. E. gravierende Differenzen zwischen dem Allegoriebegriff undeinem Textbegriff, wie er - {Ur diese Arbeit - paradigmatisch bei Pascal beschrieben wird:Die Allegorie formuliert ein semantisches Modell des Verstehens, welches nicht Praxisselbst darstellt, sondern deren Verstehbarkeit erst bedeutet. Allegorie liefert ein typologischesInterpretationsmodell. Der Text dagegen ist selbst unmittelbar Praxis: Er erschöpftsich nicht darin, als applikables Interpretationsmodell von Welt sich zu erweisen, sondernist bereits selbst Erfahrung. Dabei ist Polyvozität ein wesentliches Konstituens und einMerkmal, das ihn von Allegorie unterscheidet. (Vielleicht weist bei de Man das eingeklammerte"ironic" hierauf.) Allegorien haben im textuellen System allenfalls episodischen Charakter.Um die Pascalsehe Sprache als Allegorie zu retten, vermeidet de Man denn auch konsequentden - von Pascal explizit als solchen behaupteten - nicht figurativen Teil der theologischenSprache, die Sprache des NTs und die Praxis der imitatio (vgl. Anm. 66).61) Der dynamische und praktizistische Aspekt ist hierbei von entscheidender Bedeutung,trennt er doch die praxis pietatis von kontemplativem Platonismus und dessen Spekulation,wie sie in der visio beatissima durch Augustinus Eingang in die christliche Tradition fand.Praxis ist so kein Präliminarium einer sie aufhebenden Wahrheit, sondern ist die Wahrheitin ihrer dem Menschen aus seinem Vermögen erreichbaren Gestalt. Das Subjekt hat denAnspruch auf Inspiration verloren; das Erreichen der Schau, welche Teilhabe am Reich derIdeen war, liegt außerhalb seiner Möglichkeiten (vgl. die Ablehnung platonischer Wort-Eidos-I.ehrein es, S. 46). Damit ist die Erfahrung ihres Sinnes prinzipiell jenseits der Verfügbarkeit;sie kann sich nicht mehr ,empirisch', sondern nur noch durch dogmatischen Rekursauf ein kanonisches Modell legitimieren. Dieses jedoch wird selbst fragwürdig; und wenn esPascal unternimmt, das christliche Modell zu restituieren, muß er seine Argumentation aufdie säkulare geometrische Vernunft stützen.62) Natürlich sind die beiden genannten Oppositionen Resultate und Produkte der Applikationeines methodischen Verfahrens. Worauf es hier jedoch ankommt, ist einzig, daß der kom-488


plexe Gegenstand ,Empfindung' nicht mehr nur als Resultat methodischer Deduktion -und damit als .. gdöstes Problem" erscheinen kann, sondern als pragmatischer Terminus undAusgangspunkt methodischer Induktion.63} Zur Bedeutung des Experiments und der Meßreihe vg!. Mittelstraß, Neuzeit, S. 236ff.64} Wahrnehmungen werden in der Tradition mittelalterlicher Semantik als .. signa naturalia"verstanden. Über diese und ihr Verhältnis zu den .. signa data" der menschlichen Spracheschreibt H. Brinkmann: .. Unwillkürliche (natürliche) und gesetzte Zeichen werden verstanden,weil sie regelmäßig in gleichem Zusammenhang wiederkehren: Wo Feuer ist, entstehtRauch; wer einem anderen zunickt, gibt ihm nach geltender Gewohnheit dadurch seine Zustimmungzu verstehen. Die Wiederkehr ist aber in beiden Fällen verschieden begründet:bei unwillkürlichen Zeichen durch die Natur, bei gesetzten durch die Gewohnheit einer sozialenGruppe. Daraus ergibt sich, daß unwillkürliche Zeichen allgemeine Geltung haben,während gesetzte Zeichen stets auf eine bestimmte soziale Gemeinschaft (Gruppe) zu einerbestimmten Zeit beschränkt sind (sie sind also veränderlich). Unwillkürliche Zeichen kannsich der Mensch, wie in Wetterprognose, Naturwissenschaft und Medizin, zunutze machen.Für alle Zeichen gilt, daß sie abgegrenzt sein und eine identische Konstante (Variable)haben müssen. Zwischen dem Zeichen und dem, was es repräsentiert, besteht in weitemUmfang eine metoymische Beziehung." (Brinkmann, Zeichenhaftigkeit, S. 3)Im Menschen unterliegen die Affekte der ,natürlichen' Iteration und fungieren damit alssigna naturalia seiner Kreatürlichkeit. Da er sie nicht ignorieren kann, muß er sie mit Hilfedes Willens aufheben, indem er sein Leben nach der Transzendenz des summum bonumausrichtet. Zweihundert Jahre später ist dieser Wille selbst naturalisiert, die finale Strukturdes Lebens wie der Geschichte negiert, und der Begriff eines ,absolut Guten' erscheint alscontradictio in adjecto. Denn: .. Der Wille kann so wenig durch eine Befriedigung aufhören,stets wieder von neuem zu wollen, als die Zeit enden oder anfangen kann." (A,.thu,. Schopenhau.,..Di. Welt alJ Will. und Vo.-Jtellung. Bd. 2. In: Dm. Sä·mtlich. W.,.ke, ed. A. HübJche.-,Bd. 2. WieJbaden 1949, S. 428)65} Die Pascalsehe Skepsis gegenüber einer Möglichkeit referentieller Verortung methodischlogischerEntitäten hat an Aktualität nichts eingebüßt; ebensowenig seine These, daß jedeontologische Vermittlung dieser ein konventionalistisches Moment beinhalte: .. Der Mythosder physikalischen Objekte ist epistemologisch den meisten anderen darin überlegen, daß ersich wirksamer als andere Mythen erwiesen hat, dem Fluß der Erfahrungen eine handlicheStruktur aufzuprägen. / Setzungen hören nicht bei makroskopischen physikalischen Objektenauf. Objekte auf der Ebene der Atome werden gesetzt, um die Gesetze der makroskopischenObjekte und schließlich die Gesetze der Erfahrung einfacher und handlicher zu gestalten;und wir brauchen eine vollständige Definition atomarer und subatomarer Entitätenin Termen makroskopischer Entitäten nicht mehr zu erwarten oder zu fordern als Definitionenmikroskopischer Dinge in Termen von Sinnesdaten. Die Wissenschaft ist eine Fortsetzungdes Alltagsdenkens, und sie macht weiteren Gebrauch von dem alltäglichen Mittel,die Ontologie anschwellen zu lassen, um die Theorie zu vereinfachen." (Willa,.d van O,.manQuine. Zwei Dogmen JeJ EmpiriJmUJ. In: D.,.J. Von einem logiJchen Standpunkt. München 1979,S. 49) ... Der Erklärungswert besonderer nicht reduzierbarer Entitäten unter dem Namen,Bedeutungen' ist gewiß illusorisch." Denn: .. Als Entität angesehen zu werden, heißtschlicht und einfach, als Wert einer Variablen angesehen zu werden." (beide aus: Ders. Wases gibt. In: Ders., Dogmen, S. 19).66} Eine solche universelle Einheit der Referenz kann weder - wie bei Descanes - aus evidentenIdeen deduziert, noch empiristisch aus sensuellen Entitäten synthetisiert oder als eine solcheunmittelbar erfahren werden. Treffender erscheint die Kantsche Definition des Erfahrungsbegriffs.In der deduktiven Ordnung der Logik lautet sie folgendermaßen: .. I § 2: An jedemBegriff ist Materie und Form zu unterscheiden. - Die Materie der Begriffe ist der Gegenstand;die Form derselben die Allgemeinheit. § 3: Der Begriff ist entweder ein empirischeroder ein reiner Begriff (vel empiricus vel intellectualis). { ... ) Anm.: Der empirische Begriffentspringt aus den Sinnen durch Vergleichung der Gegenstände der Erfahrung und erhältdurch den Verstand die bloße Form der Allgemeinheit. { ... ) § 4: Alle Begriffe sind der489


Materie nach entweder gegebene (conceptus dati) oder gemachte Begriffe (conceptus factii).- Die ersteren sind entweder apriori oder aposteriori gegeben. / Alle empirisch oder a posteriorigegebenen Begriffe heißen Erfahrungsbegriffe; {...}." (lmmanue/ Kant. Logik. (=Werkausgabe, Bd. 6) Frankfurt a. M. 1968, S.521ff.). Doch auch hier wird der gemeinsameErfahrungsbegriff inner- wie intersubjektiv planerdings hypostasiert. Pascal leugnet keineswegsdie Möglichkeit solcher idealer Entität, er bedeutet lediglich, sie sei praxisirrelevant.Damit sie als ens communicative wirklich, und das bedeutet: wirksam werden könnte, sindVoraussetzungen erforderlich, die zuallererst den faktischen Subjekten plausibel zu machenwären. Das Telos solcher Präliminarien der Objektivität erhebt Husserl - in spezifischphänomenologischer Variante - in seinen ,Cartesianischen Meditationen' als .. Eidos" zumGegenstand seiner Wissenschaft und legt dabei notwendige Voraussetzungen offen, die zuerfüllen (zumindest intersubjektiv) nicht nur ein Erkenntnis- sondern auch ein Macht- undein Kommunikationsproblem darstellen: .. Das Eidos selbst ist ein erschautes bzw. erschaubaresAllgemeines, ein reines ,unbedingtes', nämlich durch kein Faktum bedingt, seinem eigenenintuitiven Sinn gemäß. Es liegt vor allen ,Begriffen' im Sinn von Wortbedeutungen,die vielmehr als reine Begriffe ihm angepaßt sind. / Wird so jeder einzelne herausgegriffeneTypus aus seinem Milieu des empirisch-faktischen transzendentalen Ego in die reine Wesenssphärehinaufgehoben, so verschwinden nicht die intentionalen Außenhorizonte, die seinenenthüllbaren Zusammenhang im Ego indizieren; nur daß diese Zusammenhangshorizonteselbst zu eidetischen werden. Mit anderen Worten, wir stehen mit jedem eidetischreinen Typ zwar nicht im faktischen Ego, sondern im Eidos Ego; oder jede Konstruktioneiner wirklich reinen Möglichkeit unter reinen Möglichkeiten führt implicite mit sich alsihren Außenhorizont ein im reinen Sinne mögliches Ego, eine reine Möglichkeitsabwandlungdes faktischen." (Husserl, Meditationen, S. 73) Die Postulierung eines reinen, einesEidos-Egos stellt fU.r ihn die zentrale Intention der canesischen Philosophie dar. Sie ist conditiosine qua non jeder ,wissenschaftlichen' Theorie; sie verlangt in praxe die Suspensiondes Interesses der konkreten Subjektivität. Für das Subjekt bedeutet dies methodische Schizophrenie:.. Nennen wir das natürlich in die Welt hineinfahrende und sonstwie hineinlebendeIch an der Welt ,interessiert', so besteht die phänomenologisch geänderte undbeständig so festgehaltene Einstellung darin, daß sich eine Ichspaltung vollzieht, indem sichüber dem naiv interessierten Ich das phänomenologische als ,uninteressierter Zuschauer' etabliert,daß dies statt hat, ist dann selbst durch eine neue Reflexion zugänglich, die als transzendentaleabermals den Vollzug eben dieser Haltung des ,uninteressierten' Zuschauensfordert - mit dem einzig verbleibenden Interesse, zu sehen und adäquat zu beschreiben. / Sowerden also alle Vorkommnisse des welt zugewandten lebens mit all ihren schlichten undfundierten Seinssetzungen und den ihnen korrelativen Seinsmodi - wie in Gewißheit seiend,möglich, wahrscheinlich seiend usw. - rein von allen Mitmeinungen und Vormeinungendes Betrachters der Beschreibung zugänglich. Erst in dieser Reinheit können sie ja zu Themeneiner universalen Bewußtseinskritik werden, wie sie unser Absehen auf eine Philosophienotwendig fordert. Wir erinnern uns an den Radikalismus der Canesianischen Ideeder Philosophie als der universalen, bis ins letzte begründeten apodiktischen Wissenschaft:als solche fordert sie eine absolute universale Kritik, die sich zunächst durch Enthaltung vonallen irgendein Seiendes vorgebenden Stellungnahmen ein Universum absoluter Vorurteilslosigkeitschaffen muß." (A. a. 0., S. 37)67) Die englischsprachige Sprachphilosophie versteht unter .. type" das Wort als Bedeurungsmuster(.. design") und interpersonelle Einheit. Im Gegensatz dazu bezeichnet der .. token"als reales Vorkommnis (.. event" oder .. occurence"), die konkreten und singulären Realisationdes allgemeinen Musters. Die Struktur der interpersonalen Entität ist damit jedoch in keinerWeise präjudiziert: sie beibt sowohl zum rhetorischen Typus-Begriff als auch zur logischenSeite hin offen.68) Im Kontext bedeutet diese Äußerung vor allem die Ablehnung der qualitates occultae, diePascal im Brief an Pater Noil formuliert (In: Was, S. 34ff.).69) Vgl. Schobinger, Pascal, S. 253ff.1.) Mit der Ablehnung einer Definition von ,Sein' (es, S. 46ff.) stellt sich Pascal in humani-490


stisch-rhecoristische Tradition und scheint einem Sprachverständnis nahe, wie es StephanS. Otto paradigmatisch für Lorenzo Valla in bezug auf dessen Zurückweisung einer Seins­Definition formuliert (vgl.: Lorenzo Va/la. Dia/edica Disputationes, Buch 1,2. In: Otto,Renaissance, S. 118-121): "Statt als Zeichen für Seiendes faßt er die Sprache als Darstellung wnSeienekm auf." (A. a. 0., S. 113f., Hervorhebungen im Original)2.) Die Definition des Begriffs ,Mensch' als Weder-Geist-noch-Köcperwesen steht ihrerseitsin der Tradition christlich-mittelalterlicher Philosophie: Augustinus wird von Pascal selbstals zitiert: "Modus quo corporis adhaeret spiritus comprehendi ad homine non potest, et hoctamen homo est." (Augustinus, De civitate Dei, XXI,10. Zitiert nach: 103/199); auch Th~rnas v. Aquin ist dieses Theorem geläufig: "Homo enim neque est anima neque est corpus,"(De ente ec essentia III. Zitiert nal:h:JosefSimon. Vom Mittelalter zur Neuzeit. Am Beispiel ekrModalitliten. In: Philosophie im Mittelalter. Hrsg. von Jan P. Beckmann, Ludger Honnefolekr e. a.Hamburg 1987, S. 377).70) Die Tradition und Möglichkeit, systematisches Denkens als Kritik unmittelbarer Praxisaufzufassen, verweist auf die ramistische Tradition und deren Umstrukturierung der Gebietevon Logik und Rhetorik71) Zwar hat Bernard Williams recht mit seiner Wiederholung des von Diderot stammendenEinwands: Die Wette ist unfähig, aus sich selbst die Positivität eines erhischen Systems zubegünden (Bernard Williams. Rawls and Pascals wager. In: Moral Luck. Philosophical Papers1973-1980. Cambridge Univ"sity Press 1981, p. 94--100) Sie ist inhaltsleer. Aber als Argumentationsrahmenhat sie doch bestimmte inhaltliche Implikate, d. h. sie schließt alleArgumente aus, die nicht den Anforderungen ihres Verfahrens entsprechen.72) Damit kehrt Pascal eine neustoische Auffasung um, die Abel am Beispiel von Du VairsTraite de la constance et consolation es calamitez publiques beschreibt: ,,Besonders der von derOpinio hervorgebrachten Traurigkeit (Ja tristesse) gilt es bereits in den Anfängen zu wehren.Das wirksamste Instrument der opinio sind die zukünftigen Übel, die nicht auf Grundihrer Natur, sondern in dem Maße ihrer Denkbarkeit existieren und aus Besorgnis gefürchtetwerden. Die menschliche Furcht hat die eigentümliche Funktion, einen gefürchtetenZustand auch tatsächlich eintreten zu lassen." (Abel, Stoizismus, S. 129)73) Zum Prinzip der Fruchtbarkeit vgl. auch es, S. 92 u. S. 94. Pascal differenziert dort zwischen.. toten Wortes (paroies mortes)" und "Samen (semences)". Hier erscheint wiederumder Gegensatz zwischen literalern und einem pneumatischen Verstehen, das sich durch seinegenetische Kompetenz ausweist. Die im Text zitierte Stelle aus es, S. 94 über die Aneigungfremder Gedanken, in dem diese Opposition schon einmal angeklungen ist, insistiert aufder Prävalenz genetischen Verstehens gegenüber bloßer Rezeption. Das genetische als textkonstituierendesWort ist "von dem gleichen Wort in den andren {Schrmen}, die es nebenbeigesagt haben, ebenso verschieden { ... } wie ein toter Mensch von einem Menschen vollerLeben und Krafi:." (es, S. 94) Wer das Wort pneumatisch entfaltet, eignet es sich an, .wieein bewunderungswürdiger Baum nicht dem gehören wird, der seinen Samen gedankenlosund, ohne ihn zu kennen, in fruchtbare Erde gestreut hätte, die durch ihre eigene Fruchtbarkeitauf diese Weise daraus Nutzen gezogen hätte. - [ ... } qui en aurait jete la semence,sans y penser et sans la connaitre, dans une tette abondante qui en aurait profite de la sortpar sa propre fertilite [ ... } - (Ebd.) Diese pneumatische Fruchtbarkeit ist aber durch dasgeometrische Verfahren als Erkennenisparadigma definiert (vgl. 287/698, vgl. Schobinger,Pascal, S. 375ff.).74) Dies ist zunächst ganz buchstäblich zu verstehen: durch Teleskop und Mikroskop (vgl. z. B.es, S. 64f. u. 72f.; 308n82). Zur spezifischen Wertigkeit des intellektuellen Fortschritts beiPascal schreibt Hans Blumenberg: .. Wenn anthropologische Skepsis den Defekt dermenschlichen Optik implizierte, so braucht dies noch nicht die Umsetzung in eine geschichtlicheErwartung des instrumentellen Fortschritts zu bedeuten. Wo die negative Anthropologiein ihrer erkenntnistheoretischen Skepsis nichts anderes als das Korrelat einernur theologisch bestimmbaren Situation des Menschen ist, wird der irdische Effekt auch nurzum Ausdruck der Anwartschaft auf jenseitige Kompensation. In diesem Sinne ist Montaignevon Pascal weitergeführt worden. Nicht der optische Zugewinn, sondern die Bestäti-491


gung eines uneinholbaren Noch-nicht ist unter diesem Aspekt das Resultat der im Grundeenttäuschenden Grenzverschiebung. Pascals Unendlichkeit ist mehr der endgültige Vorbehaltals der Erweiterungsraum der menschlichen Theorie, alles andere als eine unendlicheAufgabe. Das Fernrohr wird der Apologie des Christentums integriert." (HarlJ Blumenberg.Die Gene.riJ der kopernikanischen Welt. Frankfurt a. M. 1981, S. 741f.).75) Vg!. Descartes-Kapitel, Anm. 41. Pascal faßt die allgemeingültgen Entitäten im gleichenSinne, wie Descanes in den Prinzipien (I, § 49) die Inhalte des sensus communis: als "communisnotio sive axioma". Er stellt sich damit implizit in die Tradition des stoischen Gemeinsinn-Begriffs.In den "gesunden Meinungen des Volkes" (,.opinions du peuple saines")dagegen lebt die Tradition der ,communis opinio' fon. Beide stehen erkenntnistheoretischin einem Spannungsverhältnis: Rhetorisch-skeptische Tradition tendien dazu, sie zu identifizieren;in der scholastischen Tradition bedeutet - nun schon technisch gewendet - ,opinio'eine vertretene Lehrmeinung und beschreibt die Differenz des Menschen zur transzendentenWahrheit der Schrift:. Pascal sieht im - freilich ungenannten - sensus communis die Institutionder Wahrheit, in der opinio jene der Wirksamkeit (die freilich nicht rein sein kann,da sie nur durch Vermittlung mit Wahrheit zur Konsistenz gelangt). Die stoische Traditiondes Gegensatzpaares ratio - opinio (vg!. Abel, Stoizismus, S. 72f.) wird von Pascal anthropologisiert.76) Exemplarisch dafür sind der Brief an Pater Noe1 (Was, S. 34-52) und das "Fragment einerEinleitung zu einer Abhandlung über die Leere" (Was, S. 22-33).77) Es geht um das Problem des sorites.78) Erst mittels der Infinitesimalrechnung wird es möglich sein, sie in den Bereich des Kalkülszu integrieren. Es kennzeichnet Pascals Stellung zwischen canesianischer Mechanik undLeibnizscher Dynamik, daß er den Kraft-Begriff nicht ,wissenschaftlich', sondern theologisch-metaphysischformulieren muß.79) Zur zeitgenössischen Diskussion des Problems des Punktes vg!. Schobinger, Pascal, S. 364ff.80) Auch bei Pascal ist ,Neugier' differenziert zu betrachten: Zwar wird sie in 49177 als "Eitelkeit"plakativ abgelehnt, aber bei genauerer Betrachtung ist festzustellen, daß im Gegensatzzur gesellschaftlich motivierten Neugier, die Material zur Selbstdarstellung sucht und alsoin der Tradition des Kuriosen und Monströsen als Stoff der Erzählungen steht, eine Neugierals Erkenntnisinteresse (also ,theoretische Neugier' im Blumenbergsehen Sinne) wertfreibelassen wird: "Man will nur etwas wissen, um darüber reden zu können, andernfalls würdeman nicht über das Meer fahren, wenn man nichts davon erzählen möchte und es aus bloßerSchaulust täte, ohne die Hoffnung, jemals etwas davon mitteilen zu können." (Vg!. auch es,S. 98: "Nicht in den außerordentlichen und absonderlichen Dingen [les choses extra ordinaireset bizzares) findet sich die Vortrefflichkeit [excellence}, welcher Gattung [genre} sieauch sei. ") Fragment 744 nimmt die Differenz zwischen theoretischer und kurioser Neugieraus anderer Perspektive in den Blick, wenn Pascal die Funktionalität eines "allgemeinenIrrtums" betont, welcher die Menschen von "ruheloser" und "nutzloser Neugier" - der"Hauptkrankheit des Menschen" - abhalte. Auch hier wird gegen einen auf der anthropologischenUnruhe basierenden Zerstreuungsbedarf für einen methodisches Erkenntnisinteressevotiert.81) Dies ist kein Pascalsches Spezialtheorem, sondern grundlegende Tatsache für jede rationaleWissenschaft! (Vg!. Mittelstraß, Neuzeit, S. 240.)82) Beispiel eines solchen erkenntnispraktischen Paradigmenwechsels ist die Möglichkeit einerTheodizee (vg!. Anm. 65).83) Der Begriff "Subtilität" ist als ,scholastischer' Terminus eigentlich negativ besetzt, da erals Synonym von ,Spitzfindigkeit' mehr für nominale Artistik als für klares methodischesDenken steht.84) Da Sinneseindrücke (apprehensions) an sich wahr sind, stellt sich das Problem der Phantasiewie schon bei Descartes als Problem des Urteils, als Problem der Applikation mentalerKategorien. Damit ist ein Komplex berührt, der spätestens seit der Stoa leitmotivisch dieabendländische Philosophie durchzieht und in den Opositionen phantasia kataleptike -phantasia akataleptike, phantasie - imagination, imagination - fancy oder Einbildungskraft492


- Phantasie (wenn auch selten terminologisch streng differenziert) gefaßt wird. Seinen Ausgangspunkt,stoische Erkenntnistheorie, beschreibt Ernesto Grassi: "Phantasia setzt in derStoa [...} die Wahrnehmung voraus (vgl. Zenon, in: ,Stoicorum veterum fragmenta', S. 59):Sie hat aber einen schöpferischen Charakter, da sie den Wahrnehmungen eine kategorialeEigenschaft verleiht. Im Akt der Phantasie ist ein Vermögen der Synthese enthalten, weshalbsie ,phantasia kataleptike', ,begreifende Phantasie' genannt wird. ,Das Außending sinnlicherWahrnehmung ist weder ein Ganzes noch ein Teil; wir selbst sind es, die jenen dieEigenschaften des Ganzen oder des Teils zusprechen.' (op. cit., frg. 80). Die Stoa kannte inder Natur eine Vorstellung, die vor dem Gegenstand ist, und die durch einen von der Natureingepflanzten Gestaltungstrieb ausgelöst wird. Bei Origenes heißt es: ,Und wiederum entstehenin gewissen Tieren Vorstellungen, die einen Antrieb enthalten, von dem eine von derNatur erregte Scheinvorstellung (physis phantastike) nach bestimmter Ordnung den Willenin Bewegung setzt, wie z. B. in der Spinne die Vorstellung des Webens entsteht und derAnlauf zum Weben gleich efolgt, und in der Biene zum Zellenbau' (Origenes, De principiisIII, ed Delarne, S. 108, frg. 988). Phantasie erscheint hier als Ausdruck einer die ganze Artdes Lebens durchdringenden Kraft, die Natur genannt wird. Die Phantasie, als Erregerindes Denkens wird Ausdruck der Natur, die sich in der menschlichen Welt auf neuer Stufegestaltet. Die Phantasie muß dabei so wenig durch einen Gegenstand bestimmt sein, daß sieselbst von einer höheren Kraft gelenkt oder bewegt werden kann. [...} Die nicht-kataleptischePhantasie (akataleptike) ist statt dessen ein geistiger Eindruck, der nichts mit Realitätzu tuen hat, reines Phantasma, wie es im Traum entsteht." (Grassi, Macht, S. 158f.) Phantasieist jedoch nicht nur produktive, sondern ebenso - und damit greift sie auf platonischeund aristotelische Momente zurück (vgl. Grassi 1984, S. 158) - reproduktive Kraft. Siewird zum Agens und Telos künstlerischer und rhetorischer Produktion, denn: "Phantasiawird auch innigst mit den Leidenschaften verknüpft, sofern sie jene durch ihre Bilder beschwört.Über diesen Zusammenhang schreibt Quintilian: ,Es gibt gewisse Erfahrungen, diedie Griechen ,phantasai' nennen und die Römer ,visiones', durch die abwesende Dingedurch unsere Vorstellungskraft so klar vorgestellt werden, daß wir glauben, sie vor unserenAugen zu haben [ ...} Von solchen Eindrucken stammt jene ,energeia', die Cicero ,illuminatio'und ,Aktualität' nennt, was bewirkt, daß wir in unserer Rede nicht so sehr etwas zu erzählen,sondern etwas darzustellen scheinen.' (Quintilian, inst. orat. VI, 2, 29-32). An eineranderen Stelle sagt Quintilian: ,Diese starke Vorstellungen, von denen wir sprachen, werden,phantastai' genannt [...} sie müssen klar von unseren Augen erfaßt werden und haben Zugangzu unserem Herzen, denn es ist die ,vis menti", die ,Kraft des Geistes', die uns redefähigmacht.' (op. cit., X, 7, 15)." (Grassi, Macht, 159) Aus dieser doppelten, aisthetischenund poietischen Funktion der Phantasie wird die doppelte Eigenschaft des esprit de finesse,Situationen zu erkennen und sie im Urteil treffend vor Augen zuführen, verständlich: Diephantasia kataleptike ist als ,produktive Vorstellungskraft' sowohl innersubjekriv wie intersubjektivgenuin Vermögen der Vermittlung.85) Die ,heroischen Affekte' erscheinen Pascal verdächtig, wenn sie eine einseitige Leidenschaftdes Individuums darstellen. Dessen Wert bemißt sich an der Spannweite seiner Vermögen,nicht am Betrag einer einzelnen Tugend, wie Pascal am Beispiel der Keuschheit und TrunksuchtAlexanders des Großen illustriert (3041770). Heroische Individuen liegen auf demRad der Fortuna nur weiter von der Nabe (2881705): Pascal denkt die affektive Größe ethischerExistenz mathematisch nach dem Modell der Zykloide, an deren Berechnung er maßgeblichbeteiligt war. (Zur metaphysischen Deutung der Zentripedalkrafi: und zur Zenrripedalkraftder Affekte in der Stoa vgl. Abel, Stoizismus, S. 94. Sie hat Widerhall in derOpposition von contractio - dispersio und der Schwerkraft des Willens bei Augustinus [vgl.Arendt, Leben, S. 98ff.}; als jene von Peripherie und Zentrum, von Zerstreuung und Konzentrationbleibt sie in der gesammten abendländische Tradition präsent.) Letztlich aberbleibt jede Existenz auf den Mittelpunkt bezogen und d. h. auf den Tod, der als Fokus dieEinheit des Lebens als Bild der Seligkeit bestimmt. Vor diesem Integranten wird episodischerHeroismus sekundär: "Was die Tugend eines Menschen vermag, soll man nichtan seinen außergewöhnlichen Anstrengungen, sondern an seinem gewöhnlichen Leben493


messen." (292/724; vg!. 244/519) Da Bezug auf den Tod, der Pascal mit dem Skeptiker und- laut Abel- im weiteren Sinne Stoiker Montaigne, wie mit dem Neustoizismus verbindet,kein genuin affektives Faktum, sondern das affektive Komplement der Vernunn darstellt,ist die Ethik Pascals in ihrer Konstruktion trotZ allen Verweises auf die kreatürlicheSchwäche des Menschen (z.B. 3131795) und aller Distanzierung von intellektualistschemOptimismus dem stoischen AtaraXie-Begriff verhaftet: "Die Größe der menschlichen Seele(La grandeur de I'ame) besteht darin, sich in der Mitte halten zu können, und Größe heißtbei weitem nicht, daß man die Mitte aufgibt, vielmehr heißt Größe, die Mitte nicht im Geringstenaufzugeben." (243/518) Ziel beider ist, was Abel dem Neustoizismus zuspricht:"sich von der Außenwelt und der inneren Natur triebhaner Leidenschanen unabhängig zumachen, d. h. eine vernunnexogene Bestimmung aufzuheben, den Menschen überhaupt nurnoch von seiner Endogenität her sich bestimmen zu lassen." (Abel, Stoizismus, S. 28); - nurbestimmt Pascal die "Endogenität" nicht vernunftimmanent, sondern als vernunftgeforderterund vernünttig begründeter transzendenter Bezug (vg!. 3031768).86) Nur vordergründig schließt sich Pascal dabei an die moralistische Tradition des "cortigiano"Gracians und des "honnete homme" La Bruyeres an, wendet diese aber gegen sich selbstund führt sie ad absurd um: Das, was a11 jene, die in die Schule der Moralistik gehen, lernenwollen, ist gerade, was sie nicht lernen können (306f.1778). Ausgangspunkt der PascalsehenÜberlegung ist die machtbestimmte Kommunikationsstruktur höfischer Sozialität: Der,honnete hornrne' ist ein ausgezeichneter Gesellschafter, da er in der Lage zu sein scheint,sich auf alle Bedürfnisse seines Gegenübers einstellen zu können, ein I'uomo universale(267/605; vg!. 261/587). Damit wäre er prädestiniert zum Freund, der die Geltungsansprücheseines Herrn in Abwesenheit vertritt (267/606); als Ehrenmann ist er dies allemal,da er (im Gegensatz zum Poeten) nicht zum bloßen Gefallen redet (2931732, vg!. 268/610u. 611); redet er aber nicht zum Gefallen, so sagt er auch unangenehme Wahrheiten; oder,wenn er doch zum Gefallen redet, so ist er auch indiskret: "Ich nehme als Tatsache an, wennalle Menschen wüßten, was die einen von den anderen sagen, so gäbe es keine vier Freundeauf der Welt." (3111792). Die soziale Mechanik egoistischer Affektivität, die ein "vie imaginaire","eingebildetes Leben", erfordert, bedingt, daß ein Freund ein Heuchler sein muß,um von uns rur einen Freund gehalten zu werden (vg!. 316/806), denn wir halten jene damr,die unser Selbst bestätigen. Wenn Pascal am honnete homme als ethischem Virtuosen festhält,so nur um den Preis, diesen Begriff von seinen gesellschaftlichen Implikationen zutrennen (vgl. Schobinger, Pascal, 428f.). (Was aus der historischen Perspektive eine Selbstrechtfertigungtatsächlicher Machtlosigkeit der noblesse du robe bedeutet.) An die Stelledes Ideals höfischer KOInmunikation und deren Bewußtsein kultureller Überlegenheit -also der Selbst-Legitimation als modernistisch-zivilisierte Avantgarde - tritt ethische Fundierungeines Wahrheitsanspruchs und Hoffnung auf eine "communeaute d'intelligence"(277/652). Die soziale Teleologie des Begriffs ,honnete homme' ist so seiner Traditiongegenläufig: Das ehemalige Ideal gesellschaftlicher Qualifikation wird zum Privileg gesellschanlicherDisqualifikation.87) Auch Pascal bedient sich der abendländischen Kardinal-Metapher der Schiffahrt zurBeschreibung der existentiellen Situation des Menschen; er nutzt sie als soziale - als Fragenach dem Steuermann des Staatsschiffes (32/30, 408/977) -, als erkenntnistheoretische undin eins damit als ethische (286/697, 287/699), indem er implizit auf Lukrez (De ,..,.lImnatll,.a,.lIm IV, 387) und explizit auf Augustinus (Confessiones VI, 11,20 u. VI, 16,26; sowieDe beata vita I, 4) rekurriert, und, wie angeführt, als Bild der affektiven Balance. ZweiStellen sind besonders bemerkenswert: Zum einen 2981743, wo Pascal die traditionell anLand befindliche Sekuritätsposition als Heilsgewißheit des Passagiers beschreibt, welche dieNot des bedrängten Lebens in Lust konvertiert; zum anderen 100/199, eine Passage, diemetonymisch das Bild der existentiellen Situarion mit der Hybris des Turmbaus zu Babelund damit implizit mit der Möglichkeit wahrer und der Realität verworrener Sprache verbindet.(Es wäre auch zu überlegen, ob ,Port Royal' ein Hafen ist.)88) Dieser Vorwurf trifft auch Augustinus und Montaigne: ,.Augustinus hat erkannt, daß manauf dem Meer, in einer Schlacht usw. sich für das Ungewisse [pour I'incertain} abmüht -494


aber er hat nicht die Wahrscheinlichkeirsregel {regle des partis] erkannt, die beweißt, daßman es tuen muß. Montaigne hat erkannt, daß man sich über einen hinkenden Geist empörtund daß die Gewohnheit {coutume] alles vermag, aber er hat nicht den Grund Nr dieseWirkungen {Ja mison de cet effet] erkannt." (258/577) Tendenziell will Pascal also beideüberbieten, und er glaubt sich dazu durch sein Kalkül auf die Unendlichkeit in der Lage.D.h. die Struktur seiner Apologie - denn Montaigne überwindet er inhaltlich und formal,Augustinus formal - ist etwas grundsätzlich Neues; sie hat die Implikationen der mathematischenMethode zur Voraussetzung. Die Methode ist notwendige Vorraussetzung deseigenen Stils, da der Fortschritt der Ratio eine zeitgemäße Form der Apologie fordert: »Dieanderen Zeiten haben andere Zeichen gehabt." (419/xv) Schobinger sieht in Pascal einen»Höhepunkt der antirhetorischen Tendenz innerhalb der mathematisch-cartesischen Tradition"(Schobinger, Pascal, S. 18) und begreift seine Technik als "Reduktion der traditionellenRhetorik auf ein Verfahren more geometrico" (a.a. 0., S. 14; vgl 376).89) Asymmetrie der Kommunikation wird exemplarisch in der christlichen Transformation desaristotelischen Topos von Herr und Sklave verhandelt. An die Stelle des antiken Kosmos­Vertrauen ist dabei transzendentale Bezogenheit und Negativierung der Welt getreten. Damitist eine konstitutive Differenz von ,natürlichem' Affekt und Wahrheit etabliert, die denintrinsischen Wert des Guten als kreatürlichen Affekt leugnet; - und damit die Vorraussetzungdes rhetorischen vir-bonus-Ideals, den Glauben, daß bei äquivalenter Technik der Präsentationdas Wahre seine Wirkung nicht verfehle, außer Kraft setzt. Aristoteles (in derPolitik, 1253b, S. 14ff, - dort auch Vermittlung mit der Steuermann-Schiff und Leib-SeeleOpposition) hatte das Herr/Knecht-Verhältnis im Paradigma des oikos gedacht: Dem Herrenkam aufgrund seiner überlegenen Vernunft zu, dem Sklaven zu befehlen, da und solangedieser nicht in der Lage war, Nr sich selbst vernünftig Sorge zu tragen. Grundsätzlich wardas Abhängigkeitsverhältnis durch Interessenidentität beider ge!eChtfertigt. Augustinus generalisiertund theologisiert den aristotelischen Topos: Knechtschaft ist Folge des Sündenfalls.Wenn man sich so dem Schicksal der Unterworfenheit nicht entziehen kann, ist es immernoch besser einem weltlichen Herren zu dienen als der eigenen Begierde. U nterordnugbedeutet Distanz vom kreatürlichen Egoismus. Der Augustinischen Interpretation desHerrlKnecht-Verhältnisses klingt ein implizit dialektisches Moment an, denn in diesemsäkularen Verhältnis ist der Herr auch Kreatur, und er bleibt um so verfallener, da ihm dieMöglichkeit der Selbst-Objektivation verwehrt ist. Die Herr-Knecht-Metapher wird zumBeschreibungsmodell der Dialektik des Willens und des paulinischen Antagonismus vonFleisch und Geist (vgl. Arendt, Leben, S. 91ft). Auf die Kreatürlichkeit und Affektivität desHerrn rekurriert Pascal, wenn er die Mechanik höfischen Karrierismus' kritisiert: »Bist duweniger ein Sklave, weil dein Herr dich liebt und dir schmeichelt? Da hast du ein !eChtesGlück, Sklave, dein Herr schmeichelt dir. Bald wird er dich schlagen." (152/361). Das Diener-Handelnmuß disparat und darum oft falsch sein, weil es in Handeln sich erschöpft,ohne daß dessen Telos bekannt wäre (und dies gilt auch tür den Herrn, der an ein Telosglaubt, wo doch Zerstreuung das eigentliche Agens seiner Handlungen ist). Hierin, so Pascal,unterscheiden sich grundsätzlich säkulare und religiöse Praxis (376/939); wer der religiösenfolgt - wer sich seines Telos gewiß ist - setzt sich damit notwendig in Widerspruchzu den Mechanismen der Welt: Wer Gott als seinen Herrn anerkennt und dessen Willebefolgen, wird in seiner irdischen Existenz kasteit werden (249/538; aber, vgl. die Wette:dies sind endliche Mühen), da uns Gott weder dessen vollkomene Erkenntnis, noch das Vermögen,ihr uneingeschränkt zu folgen, gegeben hat. Nur .. wenn Gott uns eigenhändig Herrengäbe, oh, wie gern würde man ihnen geborchen müssen (0 qu'il leur faudmit obeir debon coeur). Die Notwendigkeit und die Folgen sind dabei etwas Unfehlbares." (365/919)Realiter bleibt der Antagonismus unüberbrückbar. Transzendente Abhängigkeit ist säkularervorzuziehen, denn sie ermöglicht .. Hoffnung", verspricht Entkommen aus dem Zirkelkreatürlicher Verfallenheit: nicht ein Soldat, also der weltlich Gehorchende, sondern einKartäuser handelt richtig (151/356).Der Soldat glaubt, in weltlicher Herrschaft Souveränität erreichen zu können und hat nichtbegriffen, daß er allenfalls "König der Begierde" (3131796) sein wird, aber nie der .. Knecht-495


schaft des Leibes" (366/919) entkommen kann. Das Subjekt ist König und Knecht zugleich:Auch wenn der Vernunft zu folgen ist (vgL 303/768), der Leib stört ihren Gang; - er muß(für Pascal: buchstäblich) gezüchtigt werden, bis er - idealiter - seinerseits Bewußtseingebildet hat, d. h. bis die Vernunft habitualisiert ist. (Pascal kommt Hegel nahe; auch hierhindert ihn aber das paradigmatische Leib-Modell an der Identifikation von Wirklichkeitund Vernunft: Nur die Auferstehung des Fleisches, nicht die Aufhebung der Existenzim phylogenetischen Prozeß einer Epiphanie des Geistes kann Versöhnung bedeuten. VgLG.orge Armstrong Kelly. Bemerkungen ZII HegeIs ,Herrschaft lind Knechtschaft'. In: Materialien zlIrPhänof11411ologie, S.189-216).Zurückgewendet auf die kommunikative Situation bedeutet dies, daß sich die Rede ebenfallsdes Antagonismus von Gefallen und Wahrheit nicht entziehen kann. Der Autor mußin seiner dispositio berücksichtigen, daß der ductus simplex, unmittelbare Übereinstimmungseiner Planung (consilium) als Ausdruck seines Wirk-Willens (voluntas) mit der inhaltlichenDisposition des Werkes (thema), der existentielle Verfassung des Adressatennicht gerecht werden würde. Er hat, um sie zu überwinden, auf die Kreatur zu achten, sonstkann er nur entweder die Vernunft oder die Affekte ansprechen. Der Text muß ebenso wiedas Subjekt "zweischichtig" sein: Nur wenn beide Teile des Menschen adäquat angesprochenwerden, kann der Autor sein Ziel erreichen. Der Text braucht Tropen zur Digressionund Signale als Indizien seiner Absicht.90) Das ,principle of charity' (dessen Übersetzung mit "Prinzip der Nachsichtigkeit" dem Ausdruckdie Spitze nimmt, denn "charity" ist caritas) bedeutet im allgemeinsten Sinne lediglich,daß einem geäußerten lautlichen Vorkommnis eine Verstehensmöglichkeit, d. h. Sinnhaftigkeitzugesprochen wird. Man könnte es als Hypostase der Zeichenhaftigkeit beschreiben.In der Regel wird die Formulierung auf komplexere sprachliche Vorkommnisse angewendetund bezeichnet die Hypostasierung möglicher Kohärenz. In der pointierten SpracheQuines ist das ,principle of charity' "die durchaus vernünftige Annahme, die hinter der Maximesteckt [ ...], daß die Dummheit des Gesprächspartners über einen bestimmten Punkthinaus weniger wahrscheinlich ist als eine schlechte Übersetzung oder - im einzelsprachlichenFall- abweichendes Sprachverhalten." (Willard van Orman Qlline. Wort und Gegenstand(Word and Object)}. Stllttgarl1980, S. 115; vgl. ders. Ontologische Relativiti# in: Ders. OntologischeRelativiti# und andere Schriften. Stllttgarl1975, S. 67f.)91) "Der Widerspruch ist ein untaugliches Kennzeichen der Wahrneit. / Verschiedenen sicherenDingen wird widersprochen. / Verschiedene falsche werden ohne Widerspruch hingenommen./ Der Widerspruch ist also kein Zeichen für etwas falsche, und wenn derWiderspruch fehlt, ist das auch kein Zeichen der Wahrheit." (90/177). Pascal stellt nichtnur die metaphysische Deutung des Satzes vom ausgeschlossenen (kontradiktorischen)Widerspruch der aristotelischen Scholastik in Abrede, sondern ebenso eine naturphilosophischeInterpretation des kusanischen Theorems der coincidentia oppositorum (vgL Was,S. 44). Da das Theorem des ausgeschlossenen Widerspruchs Bedingung der Konsistenz jedwederErkenntnis ist, bleibt damit die Differenz rationaler und natürlicher wie theologischerOrdnung methodisch unüberbrückbar.92) Hier klingt die spätere Leibnizsche Unterscheidung von verites de fait und verites de raison,wie sie H. Seidl im Artikel ,,Möglichkeit" des Hist. Wb. charakterisiert, an: "Möglichkeitund Kontingenz beziehen sich also beide auf die Existenz der geschaffenen Dinge in der Zeit(verites de fait) und stehen im Gegensatz zu Norwendigkeit und Unmöglichkeit, die sichauf die zeitlose Wesenheit der Dinge (verites de raison) beziehen. Sie unterscheiden sichdadurch voneinander, daß die Kontingenz zusammen mit der Notwendigkeit den Bereichdes Wirklichen oder der wahren Sätze einteilt, die Möglichkeit zusammen mit der Unmöglichkeitaber den Bereich des Nicht-Wirklichen oder der falschen Sätze. Demnach ist vielesim absoluten Sinne möglich, was niemals wirklich war, ist oder sein wird."93) In seiner "Einleitung zur Enzyklopädie" schreibt d'Alembert: ,,[...] ein Schriftsteller kämeheute mit einer Anpreisung der philosophischen Systeme zu spät. Die geringen Vorteile,die jene Neigung jetzt noch bieten könnte, wiegen die daraus entstehenden Nachteile nichtauf; [ ...] Der Systemgeist bedeutet für die Naturwissenschaft dasselbe wie die Metaphysik496


für die Geometrie. Er ist zwar gelegentlich notwendig, um uns den richtigen Weg zu weisen,vermag uns jedoch fast nie aus sich selbst zur Erkenntnis zu führen. Seine aus der Naturbeobachtunggewonnenen Kenntnisse lassen ihn die Ursachen der Naturerscheinungenzwar vermuten; aber der Beweis des Vorhandenseins solcher Gründe bleibt der Berechnungvorbehalten, die genau ihre möglichen Wirkungen bestimmt und diese wiederum mit denanderen vergleicht, die wir durch praktische Erfahrung gewonnen haben. Eine Hypothesekann ohne solche Hilfsmittel kaum jemals den in den Naturwissenschaften immer angestrebtenGeist von Gewißheit gewinnen, der doch in jenen dreisten Vermutungen, dieman mit dem Namen ,System' beehrt, recht selten zu finden ist. Wenn es nur ,Systeme'dieser Art gäbe, dann würde genaugenommen das Hauptverdienst eines jeden Naturforscherdarin bestehen, Systemgeist zu besitzen, jedoch nie Systeme aufzustellen." ( d'Alembert,Einleitung, S. 87f.)94) "Und wie eine und dieselbe Stadt, von verschiedenen Seiten betrachtet, immer wiederanders und gleichsam perspektivisch vervielfältigt erscheint, so gibt es vermöge der unendlichenVielheit der einfachen Substanzen gleichsam ebensoviele verschiedene Welten, dieindes nichts andres sind, als - gemäß den verschiedenen Gesichtspunkten jeder MonadeperspektivischeAnsichten einer einzigen." (G. W. Leibniz, Monadologie, § 57; vgl. Theodizee,§ 147) Gegenbild dazu wäre die Doppelstadt als Ausdruck des Wahnsinns, wie es - undMontaigne zitiert diese Stelle in seiner Apologie des Raimond de Sabond - Vergil im viertenGesang der Äneis beschreibt: "so wie Pentheus im Wahnsinn die Eumeniden erblickte 1seinen Augen zwei Sonnen sich boten, zwei Städte von Theben [Et solem geminum, etduplices se ostendere Thebas}" (Äneis IV, S. 469(.)96) In der Übersetzung ist der Pascalsehe Terminus "bon-mot" mit "Wortwitz" wiedergegeben.Der Ausdruck wurde durch das doch gebräuchliche ,Bonmot' ersetzt, nicht zuletzt auch, umdie Verbindung zur bon usage deutlicher werden zu lassen.97) Aus Gründen terminologischer Konsistenz wird ,Anmut' statt anstelle des Begriffs ,Gefälligkeit'als Übersetzung von ,agrement' verwendet (vgl. Descartes-Kapitel). Zum Begriff,agrement' vgl. Schobinger, Pascal, S. 405.98) Die Empfindung von Irregularität als Lächerlichkeit, wie sie Aristoteles im fünften Kapitelder ,Poetik' beschreibt, ist auch bei Pascal abhängig von der Sekuritätsposition des Beobachters(vgl. 2981743). Gegenbild dazu ist das Erschrecken des Kindes vor dem von ihm gezeichnetenBild (73f.1136, 3071779): es ist den Affekten seiner Einbildung ausgeliefert.Pascal hat dieses Bild Montaignes ,Apologie de Raimond Sebond' entnommen; dort findetsich auch eine weitere Metapher des Verhältnisses von affektiver Wahrnehmung und humanerPraxis, das Pascal auf spezifische Art wenden wird: Montaigne sieht den Philosophen inschwindelnder Höhe am Turm von Notre-Dame de Paris aufgehängt seiner Höhenangstausgeliefert, "wenn er nicht gerade Dachdecker ist" (Montaigne, Essais, S. 239); Pascal konstatiert:"Alle Menschen sind von Natur aus Dachdecker und widmen sich allen Bestimmungen,außer, wenn sie in ihrer Stube sind." (350/879) Das Grauen vor der Tiefe ist nichtmehr kreatürliche Wahrnehmung, sondern eine intellektuelle Leistung, die durch affektbestimmteZerstreuung verstellt werden kann. Aus dem kreatürlichen ist ein intellektuellerMfekt geworden. Eine ähnliche Figur reflexiver Internalisierung findet sich beim Bild desKindergektitzels: Bei Montaigne erschreckte das Kind andere Kinder, bei Pascal erschricktes selbst vor seinem Bild. - Und auch hier ist das Bild Metapher der Praxis: "Man wird vielleichtsagen, er [der Spieler} suche das Vergnügen des Spiels und nicht den Gewinn. laßtihn also um nichts spielen, er wird sich dabei nicht erregen und sich langweilen. Also suchter nicht das Vergnügen allein. Ein fades und leidenschaftsloses Vergnügen wird ihn langweilen.Er muß sich dabei erregen, indem er sich vorstellt, daß er glücklich wäre, das zu gewinnen,das er geschenkt nicht haben wollte, wenn man ihm dabei die Bedingung stellte,nicht zu spielen; so formt er sich den Gegenstand seiner leidenschaft und erregt dadurchseine Begierde, seinen Zorn, seine Furcht und wendet sie jener Sache zu, die er selbstgeformt hat, den Kindern gleich, die vor dem Gesicht erschrecken, das sie selber gekritzelthaben." (73f.1136). Der Spieler war Bild der existentiellen Situation; seine Praxis ist - in derMetapher ,heer reflexiven Vergegenständlichung und Vergegenwärtigung - wesentlich ,bar-497


ouillage': Schmiererei und un""rständliches Gc:schwätz. Damit ist eine textuelle Ästhetikangedeutet, die sich von jeder formalen Reglementierung zugunsten wirkungsbezogenerDialektik von Furcht und Hoffnung distanziert (und sich damit eines christlichen, keinesaristotelischen Mechanismus bedient).99) Doch meint djese Vollkommenheit keine oratio sensitiva perfecta des Gattungswesens oderdie Schönheit einer rein intellektuellen Konstruktion. Zwar ist die Wahrheit - wie später inder cartesianischen Ästhetik Andres (vg!. v. Stein, Entstehung, S. 76) - "beau essentiell",aber dje Spezifik poetischer Schönheit besitzt einen Aspekt des Neuen, der freilich nicht alsErfindung, sondern als Entdeckung zu fassen ist. Außerdem hat sie ein situatives Momentim Ausdruck und - wirkungspsychologisch - einen ,Schimmer der Falschheit'. Die Definitionpoetischer Schönheit bei Pascal präformiert ein Moment der ,Delicatesse', das die französischeÄsthetiktradition ausarbeiten wird (vg!. v. Stein, Entstehung, S. B4ff.), - ein Residuumjener Subtilität, die, aus dem methodischen Denken ausgegrenzt, im esprit de finesseüberleben konnte. Vollkommenheit in jenem Sinne ist eine Fähigkeit zur Präsentation subtilerWahrheiten, deren Evidenz den Hörer so in ihren Bann zieht, daß nicht mehr dieErscheinung, sondern ihre vorherige Verborgenheit das ,merkwürdige' Faktum darstellt.Aus rezeptionspsychologischer Perspektive (und mit cartesianischem Optimismus, derPascal freilich fremd ist, weshalb bei ihm nicht der intrinsische Wert der Wahrheit, sonderndie Zerstreuung der Leidenschaften "willkommen" ist, und die Evidenz der Wahrheit alsGc:walt sich zeigen muß) formuliert Boileau paradigmatisch f"ür die französische Klassik:"Der menschliche Gc:ist ist von Natur mit einer unzähligen Menge wirrer Vorstellungen(idee confuse) von Wahrheiten angefiillt, die er nur unvollkommen voneinander unterscheidet.Nichts ist ihm nun willkommener, als wenn man irgend eine dieser Vorstellungen ihmklar macht, dadurch, daß man sie in das rechte Licht setzt. Welcher Einfall (pensee) istwirklich neu, glänzend, außerordentlich? Die Ignoranten meinen: ein ganz unerhörter Einfall,der noch nie jemanden in den Sinn hat kommen können. Nein, sondern ein Einfall, dereigentlich jedem hätte kommen müssen, und den nun ein Einzelner so geschickt ist auszusprechen."(Boileau. Vorrede zu: Werke I, S. 59; zitiert nach: v. Stein, Entstehung, S. 28)100) Die Bedeutung der Medizin liegt vor allem in der Herausbildung der resolutiv-kompositivenMethode durch die Galenisitische Schule: "Seit dem 12. Jh. hatten sie in Salerno diegalenische Methodenlehre gepflegt und diese seit etwa 1300 namentlich in Padua durch dieaverroistische Lehre von den Arten des Beweises bereichert. Dabei geht es ihnen um diesachliche Begründung des in den empirischen Wissenschaften zulässigen vollkommenenBeweises. Dazu bilden die Galenisten, zumeist Mediziner, ein als ,.egressus oder demonstf"atiocif"Clllans bekanntes doppeltes Verfahren aus, indem sie einmal analytisch von den Folgen aufdie Gründe (demonstf"atio quia), zum anderen aus den Gründen auf die Folgen schließen(demonstratio proptwquid)." (Risse, Logik, S. 201; vg!. MittelstraB, Neuzeit, S. 1675ff.: § 5 LaNuova Scienza)101) In diesem Punkt zeigt sich recht deutlich dje Differenz jansenistischer von neustoizistischerPhilosophie, wie sie Abel am Beispiel Du Vairs Philosophi. 11IOf'"al. des stoiques darstellt: "DerZugewinn der Vernunft an endogener Autonomie und Autorität steht in einem genetischenZusammenhang mit der Wende gegen eine primäre Natürlichkeit, welche durch die Bildungund das ungehemmte Wirkenkönnen der Leidenschaften und Fanatismen gekennzeichnetist. Der resignativ anmutende Rückzug auf das Innnere des Individuums geht alsohier mit einer möglichen Freisetzung und normativen Wirkung der Vernunft einher. Bereitsdie Zuspitzung auf das Individuum und dessen Vernunft erfolgt in höherwertiger undprinzipieller Übereinstimmung der menschlichen und der den Kosmos durchherrschendenVernunft, und die individuelle Vernunft erhält auf djese Weise den Adelsbrief universalerVerbindlichkeit. Dem gesamten Uni""rsum eignet vernünftige Disposition und Ordnung,die eine respektvolle Balance der einzelnen und mitunter auch gegensätzlichen Teilebewirkt, und nur deshalb kann man sinnvoll von einer Ordnung der Natur sprechen."(Abel, Stoizismus, S. 118) Für dje Tradition augustinischen Fideismus ist der logos spermatikoskein kosmologisches, sondern ein theologisches und damit transzendetes Prinzip. Ihnin der Natur wiederzufinden - und das heißt die integre Natur, das Moment des Göttlichen498


in den Erscheinungen zu erkennen - ist keine Leistung autonomer Vernunft, sondern Produktihrer Heteronomie im absoluten Bezug auf ein transzendente Telos. (Ob dieser Bezugtheologisch - als Versprechen der Seligkeit - oder säkular - als egoistische Rendite undeudämonistischer Ertrag - gedacht wird, bleibt sekundär. In beiden Fallen müssen dieEntbehrungen vernünftiger Praxis sich nicht unmittelbar mit den Affekten messen, sondernlegitimieren sich teleologisch als Lust-Gewinn aus der Investition in die Vernunft.)102) V gl. dazu: I,.en. Mo",.eal-Widert. Di. Spra.hfors.hung der Allfklä""mg im Spiegel der großen französis.hmEnzyklopädie. Tiihingen 1977.103) Wenn Ueding auch - zwar in bezug auf Deutschland, aber doch universalisierbar - die Bedeutungder Rhetorik in der Aufklärung herausstellt ("Der Inbegriff der Aufklärung umfaßtdie praktische Philosophie der Vernunft und ihre Rhetorik." [Ueding/Steinbrink, Grundriß,S. 100), so ist doch eine gravierende Differenz zur antiken Tradition zu konstatieren: .DieAusrichtung der Rhetorik auf rationale Überzeugungsherstellung wird zu ihrem Grundzugim 18. Jahrhundert." (A. a. 0., S. 103) D. h. an die Stelle rhetorischer Vernunft ist eineInstrumentalisierung der Rhetorik zur Vermittlung rationaler Vernunft getreten. DieseIntention ist schon für Pascal konstitutiv. Zwar sieht Schobinger in der Absicht der ,art depersuader' einen "Höhepunkt" der "antirhetorische[n) Tendenz innerhalb der mathematisch-cartesischenTradition" (Schobinger, Pascal, S. 18; vgl. S. 14, sowie den Artikel zu,ordre' S. 162ff.), differenziert dieses Urteil aber, indem er die ,art de persuader' in dieallgemeinere Tradition der ramistischen Rhetorikktitik und die speziellere derer nachcartesianischenUmformung einreiht (vg!. a. a. 0., S. 375ff.), welche ihrerseits durch den Rekursauf einen methodischen Wahrheits begriff sich gegen die moralistische art d'agreer abgrenzt(vgl. a. a. 0., S. 376). Der antirhetoristische Impuls der esprits ist sicher nicht zu leugnen;ebensowenig aber kann bestritten werden, daß sich Pascal rhetorischer Techniken in virtuoserund subtiler Weise bedient (vg!. dazu besonders: [,.me Elisah.th KIImmer. Blais. Pas.al.BerlinlNew York 1978); und Schobinger bestätigt denn auch, daß die schon von seinerUmgebung bemerkten rhetorischen Fähigkeiten Pascals durch seine Prosa "voll gestützt"würden (a. a. 0., S. 386). Es muß also zwischen einem erkenntnistheoretischen Anti-Rhetorismus- dessen formale Bedingungen Schobinger skizziert (a. a. 0., S. 381ff.) - und derTransformation des rhetorischen Arsenals - deren Bedingungen hier Gegenstand sind - unterschiedenwerden. Ein zentrales Element rhetorischer Theorie ist jedoch - wie immer manes heute normativ für die Rhetorik reklamieren mag - nicht transformierbar, da es geradedie Einheit von Rede und Wahrheit bezeichnet: das Konzept des vir bonus.Die klassische, im weiteren Sinne stoische Identifizierung des guten Redners mit dem sittlichguten Menschen, das Konzept des vir bonus, sieht in Sittlichkeit eine notwendigeBedingung rhetorischer Wirkung und nicht eine äußerliche Lizenz zu ihrem Gebrauch. Derlogos des kosmos scheint in der Rede wieder; als Ausdruck dieses kosmos ist die Rede Bilddes universell Verbindlichen und Vernünftigen; sie verfügt damit apriori über größerePlausibilität als jede noch so geschickte Einkleidung subjektiven Interesses. (Zum theoretischenBegründungszusammenhang in der stoischen Sprachtheorie vg!. Coseriu, Geschichte,S. 101ff.) Diesem Sachverhalt nähert sich die Interpretation Wolf gang G. Müllers aus derPerspektive des Verlustes des ,transzendentalen Obdachs' in Schlangenlinien: ,,Aus dergroßen Zahl antiker Äußerungen über den Zusammenhang von Leben und Sprache leuchtetein Idealbild vom Menschen hervor, das, [ ... ), mit dem Ideal der kalokagathia verbunden ist.Quintilian, der sich auf Catos Diktum ,vir bonus dicendi peritus' bezieht, sagt im Prooemiumeiner Institutio Oratia, daß nur ein guter Mensch ein vollkommener Redner sein könne:,Orator autem instituimus illum perfectum, qui esse nisi vir bonus non potest.' Vom Rhetorseien darum nicht nur hervorragende Redegabe, sondern alle sittlichen Tugenden zufordern: ,ideoque non dicendi modo eximiam in eo facultataem sed omnes animi virtutesexigimus.' [ ... ) Quintilian insistiert darauf, daß man die Lehre von der Redekunst nicht vondem Gedanken des vir bonus trennen könne: ,rationem hene dicendi a bono viro non separamus.'In seiner Definition der Redekunst als bene dicendi ars oder bene dicendi scientiahat das hene auch einen moralischen Sinn. [ ... ) Auch im Hinblick auf die Praxis der Rhetorikist das vir-bonus-Konzept nach Quintilian von großer Bedeutung. Die Worte des499


500Redners, der als vir bonus gilt, besitzen von vornherein Glaubwürdigkeit. Die sittliche Vornehmheitdes Redners ist das stärkste Argument für die Sache, die er vorträgt: ,plurimumtarnen ad omnia mornenti est in hoc positum, si vir bonus creditur'. Ein vir bonus wirkt,wie Quintilian sagt, nicht wie ein Advokat, sondern als ein glaubwürdiger Zeuge: ,sie enimcontinget, ut non studium advocati videatur adferre sed paene testis fidem.' AristoteIes hatteschon gesagt, ,dem ehrbaren nämlich glaubt man ehr und schneller', allerdings hinzugefügt:,Auch hier muß das Ergebnis aus der Reden fließen, nicht aus einer vorgefaßten Meinungüber den Redner. '" (Müller, Topik, S. 13f. Die angefiihrten Zitate sind in Reihenfolge:Quintilian, Inst. Or., XII,i,l; a. a. 0., I, Prooemium, 9; ebd.; a. a. 0., lI,xvii,43; a. a. 0.,lI,xv,34 u. 38; a. a. 0., IV,i,7; AristoteIes, Rhetorik, 1,2 [1356a}.) Kurz und bündig resümiertSeneca: .. quod sentimus loquamur, quod loquimur sentiamus; concordet sermo cumvita." (StmtlCa. Ad Lllcilillm Epistllla. Morales, 114, 1-2; zitiert nach: Müller, Topik, S. 14)Aber bei Seneca ist das vir-bonus-Ideal nicht im gleichen Maße wie bei Quintilian alsöffentliches, sondern mehr als persönliche Ethik gefaßt: .. Die Sprachkritik ist hier zugleichMoralkritik. Ein vitium ist für Seneca ein sprachlicher Fehler und moralische Vergehen ineinem." (a. a. 0., S. 16)Die Fixierung des Christentums auf den kanonischen Text, der Verlust des Kosmos-Gedankensund die negative Anthropologie eines durch den Sündenfall korrumpierten Menschenbewirken latente Feindlichkeit gegen jede sprachliche Äußerung. Der Orator gerät prinzipiellunter Verführungsverdacht, selbst wenn sich die Verteter des wahren Glaubens rhetorischerMittel bedienen, um heidnischen Versuchern Paroli bieten zu können. Schon Paulushatte den sokratischen Verdacht gegen sophistische Rhetorismen bestätigt: "Ich ermahneeuch, liebe Brüder, daß ihr achtet auf die, die da Zertrennung und Ärgernis anrichten nebender Lehre, die ihr gelernt habt, und weichet von ihnen. I Denn solche dienen nicht demHerrn Jesus Christus, sondern ihrem Bauche; und durch süße Worte und prächtige Redenverführen sie die unschuldigen Herzen." (Römer, 16, 17f.) Die Fähigkeit zu überzeugenderRede ist nun nicht mehr eins mit, sowie Ausweis und Resultat von sittlicher Praxis, sonderneine Rede, die überzeugend klingt, muß durch sittliche Praxis als externem Nachweis derLegitimität ihrer Aussage ergänzt werden. Das vir-bonus-Ideal ist invertiert und pervertiert:Es wird zu einem Strategem des Predigers: "Die Aufgaben, die Augustinus dem Redner zuweist,stimmen mit denen von Cicero gegebenen überein, er führt diesen sogar ausdrücklichan: ,Ein beredter Mann also hat die wahren Worte gesprochen, der Redner müsse so sprechen,daß er belehre, ergötze und rühre (docere, delectare, fleetere). ' Die Notwendigkeit desBelehrens liege im Stoff der christlichen Rede selbst, dem Ergötzen müsse man in Rücksichtauf den verdorbenen Geschmack Tribut zollen. Das aber reiche noch nicht aus! ,Wennalso der kirchliche Prediger eine Pflicht einschärft, dann muß er nicht bloß lehren, um zuunterrichten und darf nicht bloß ergötzen, um zu fesseln, sondern muß auch rühmen, um zusiegen. Denn derjenige muß noch durch eine erhabene Beredsamkeit zur Zustimmung hingerissenwerden, bei dem dies weder der bis zu seinem Zugeständnis geführte Beweis derWahrheit noch auch die Zugabe eines anmutigen Stils bewirkte.'" (Ueding/Steinbrink,Grundriß, S. 52. Die Zitate in Reihenfolge aus: Augustinus, De doctrina christiana, IV 12,27 u. IV 13, 29.) (Es ist mir unbegreiflich, wie Ueding/Steinbrink in der augustinischenAdaption rhetorischer TtlChnik zu missionarischen Zwecken eine Argumentation "ganz imSinn. des antiken vir-bonus-Ideals" [ebd.1 Hervorhebung: 1. S.} erkennen können.)In der Renaissance verschiebt sich das vir-bonus-Ideal aus der Unmittelbarkeit der theologischerPragmatik auf die Meta-Ebene der Schriftsprachlichkeit und gewinnt damit neueQualität: Aus dem forensisch-politischen wird ein stilistisches Modell. Dennoch ist seineAnspruch allenfalls sekundär literarisch: "Es ist charakteristisch für die Renaissance, daß derTopos der personalen Identifikation durch den Stil für Scaliger nur in bezug auf die Alltagsspracheund die Sprache von Bühnenfiguren gilt. Der Gedanke, daß der Dichter durch dieBesonderheiten seines Stils sich selbst als Alltor in seiner einmaligen Individualität und Subjektivitätoffenbart, ist in der Renaissance selten. Er scheint nur von einigen Autoren dersogenannten anticiceronianischen Schule vertreten worden zu sein." (Müller, Topik, S. 31)Zwar warnt bereits Erasmus vor dem Versuch, durch sklavische Imitation die antiken Autor-


Ideale quasi reanimieren zu wollen (vgl. a. a. 0., S. 31ff.); wirkungsgeschichtlich bedeutsamreklamiert aber erst Montaigne den Stil als persönlichen Ausdruck und unmittelbaren Spiegelder Individualität: "Die Selbstoffenbarung des Autors ist nach Montaigne nur durch einediesem Ziel entsprechende sehr persönli!:he Ausdrucksweise zu erreichen. Montaigne beurteiltdie Sprache in starkem Maße danach, wie sie zum Ausdruck der individuellen Persönlichkeitund ihrer Vorstellungen tauge." (A. a. 0., S. 35) An die Stelle einer ausgefeiltenStilistik sprachlicher Eleganz tritt ein "physiognomisches Stilkonzept" , ein - freilich ist dieserAusdruck lediglich auf die Sprache, nicht die Philosophie Montaignes zu beziehen unddarum mißverständlich - ".libertinistisches' Stilideal, das das Irreguläre und Asymetrischeeinschließt" (beide a. a. 0., S. 36). Damit werden zwar idealiter wieder Sprache und Subjektidentifiziert, der Sachverhalt aber, ob der ,vir' ein vir bonus ist, bleibt der stilistischen wieder wirkungsästhetischen Qualität des Textes äußerlich. War der Renaissancerhetorismus inGefahr, durch inhaltlich motivierte Identifikation mit dem antiken Ideal zum toten Abklatschseiner Vorbilder zu werden (- er trieb nicht zuletzt deshalb die Besinnung auf präsenteNationalsprachen aus sich hervor), so ist jetzt die Dissoziation der Einheit des Textesin den Stil als Kriterium kommunikativer Wirkungsästhetik und einen sittlichen Inhalt alsMaßstab seiner ideellen Wertigkeit, sowie ein Antagonismus beider möglich.Pascal kritisiert an Montaignes Stil (in 281/678) denn auch hauptsächlich das subjektivistischeMoment. Bei aller kritischen Funktionalität, die darauf angelegt sei, den hybridenAristokratismus des stoischen - im Besonderen: Epiktets - Vernunftbegriffs zu desavouieren(Gespräch PaJcah mit Herrn De Saci über Epiktet lind Montaigne. In: WaJ, S. 114-138; hier:S.137), fehle es Montaigne am richtigen Wahrheitsbegriff: "Er fordert, das Wahre und dasGute auf den ersten Anschein hin zu nehmen, ohne sie zwingen zu wollen, ( ... J" (Was,S. 130) Der Verzicht auf die transzendente Wahrheit aber läßt die Sinnlichkeit affirmierbarerscheinen: "Deshalb hält er sich an die Sinneseindrucke und die allgemeinen Vorstellungen,da er sich Zwang antuen müßte, wenn er sie leugnen wollte, und er nicht weiB, ob erdabei gewinnen würde, da er nicht weiß, wo die Wahrheit ist." (ebd.) "Und Montaigne istwahrhaft Gift für die, die nur in etwa Neigung zur Gottlosigkeit und zu den Lastern zeigen."(es, S. 138) Der personale Stil erweist sich so als kritisch-funktional, da er durch seinekonkrete Bezogenheit auf die Subjektivität außerordentlich wirkmächtig ist. Aber dieseWirkmächtigkeit gibt keine Wahrheit mehr her, da sich die Wahrheit aus den Erscheinungenzurückgezogen hat. Pascal kritisiert, Montaigne fehle es an Einsicht in die transzendentenBedingungen der Kreatur, da ihm das Theorem des Sündenfalls fremd sei (Was, S. 133).Im Gegensatz dazu legt für ihn Epiktet zwar die Transzendenz der Vernunft frei, verliertaber die kreatürlichen Bedingungen - und damit die Bedingungen der Wirksamkeit - ausden Augen (Was, S. 138). Jeder der beiden verkörpert so eine Seite des zerspaltenen vir-bonus-Ideals,Montaigne die Wirkmächtigkeit, Epiktet die Vernünftigkeit. Beide paralysiereneinander: "Es scheint mir aber, daß, wenn man sie beide vereint, sie keine schlechte Wirkunghaben können, da der eine dem anderen Widerstand leistet. Zwar können sie Tugendnicht schaffen, wohl aber können sie die Laster beruhigen, ( ... ]" (Was, S. 138) Sie eröffnendamit den Raum für die - wie Pascal meint - echte Synthese unter dem KurateIl der Theologie,welche einzig in der Lage ist zu leisten, was das vir-bonus-Ideal hypostasierte: denUmschlag inhaltlicher Qualität in wirkungspsychologische und vice versa. Aber Pascal löstden Knoten nicht, er zerhaut ihn mit rheologischem Flammenschwert: Die wechselseitigeHypostasierung rationaler und affektiver Qualitäten in einer rationalen Bestimmung affektiverMechanik und einer affektiven Wertbestimmung rationaler Methode exponiert zwardas Modell des Textes unter den Bedingungen rational-methodischen Erkenntnisparadigmas,aber damit wurde das Problem lediglich verschoben, denn die Affektivität der Ratio istnur unter der Prämisse der Wette, die Forderung nach Rationalisierung der Affekte nur unterder des Sündenfalls evident. Pascals Modell bleibt inhaltsleer. Das erkenntnistheoretische- eigentlich: erkenntnispraktische - Implikat des rhetorischen vir-bonus-Konzeptesist nicht zu resituieren; was bleibt ist ein formales Modell teleologischer Vermittlung vonVernunft und Affekt.104) Vgl. die Buffonsche Maxime: "cout sujet est un" (Zitiert nach: v. Stein, Entstehung, S. 70).501


6 Bemerkungen zum Fundament der deutschen sittlichen Kultur1) Walter Benjamin. Siimtliche Schriften, Bd. 1,1, S. 128.2) Goethe. Dichtllng lind Wahrheit. In: HA, IX, S. 295; vgl. 247ff.3) Da die neue Geliert Ausgabe nicht abgeschlossen ist, wird soweit erschienen zitiert nach:1) Christian Fiirchtegott Geliert. Gesammelte Schriften. H,.sg. v. Bemd Witte (zitiert als GS).Bd. III: Lustspiele; Bd. IV: Roman, Briefsteller. BerlinlNew York 1989; sowie: 2) C. F. GellertsB,.iejUNChsel. Hrsg. v.John F. ReynIJlds. Bd. I: 1740-1755. BerlinINew York 1983; Bd. II:156-1759. BerlinlNew York 1987 (zitiert als: GB 3). Im Übrigen wird auf die Ausgabe:Christian Fü,.chtegott Geliert. Sä'mtliche Schriften. Leipzig 1770-74 (Reprint Hildesheim 1968.Zitiert als SS) zurückgegriffen. Umfassend über Geliert, Geliert-Rezeption und ältereSekundärliteratur infomiert: Carsten Schlingmann. Geliert. Eine literatll,.histonsche Revision. BadHombll,.g/Berlin/Zürich 1967. Neuere Veröffentlichungen in: ,Ein Lehrer der ganzen Nation'.Leben lind Werk Christian Fürchtegott Gellerts. Hrsg. v. Bemd Witte. Miinchen 1990. Eine verhältnismäßiggewichtige Rolle spielt Geliert in: Rolf Selbmann. Dichterdenkmäter in Delllschland.Literatllrge.rchichte in Erz lind Stein. Stllttgart 1988, S. 22-25 u. ö.4) .Mein größter Ehrgeiz besteht darin, daß ich den Vernünftigen dienen und gefallen willund nicht den Gelehrten im engen Verstande." (Zitiert nach: Ka,.1 Wolfgang Becker. NachwortZll: Christian Fü,.chtegott Geliert. Fabeln lind Erzä'hlllngen. Leipzig 1987. Nachw. S. 228; vgl.GB I, 27, S. 25ff.)5) G. E. Lessing. Sämtliche Schriften. Hrsg. v. K. Lachmann. Bd. VI. Stllltga,.t 1890, S. 32-49. Eindifferenziertes Bild des GelIertsehen Roman zeichnet Eckha,.dt Meyer-K,.entler. " ... weil seinLeben eine Moral wa,.." Geliert lind Gellerts Legende. In: "Ein Lehrer der ganzen Nation",S. 221-258, bes. 257; vgl. Bemd Witte. Die andere Ge.rellschaft. Der Ursprllng des bürgerlichenRomans in Gellerts Leben der schwedischen G,.äfin von G .... In: "Ein Lehrer der ganzen Nation",S.66-85.6) V gl. Wolfgang p,.omies. KinderliteratlI" im spä'ten 18. Jahrhllndert. In: Hansers Sozialge.rchichte,S. 765-831, bes.827f.7) V gl. Blackall, Entwicklung, S. 367f.8) Die Zeitschrift Nelle Beit,.äge Zllm Vergnügen des Verstandes lind Witzes, deren Mitarbeiter nachdem Erscheinungsort auch "Bremer Beiträger" genannt werden, wurde 1744 von ehemaligenGottschedschülern als Opposition zu den von Johann Joachim Schwabe herausgegebenenorthodox Gottschedianischen Beillstigungen des Verstandes lind des Witze.r gegründet.Hauptautoren waren neben Geliert: J. A. Cramer, J. A. und J. E. Schlegel, Karl ChristianGärtner, F. W. Zachariä, G. W. Rabener e. a. Zu Gellerts Abhängigkeit von der Gruppevgl. Meyer-Krender, Leben, S. 243.9) Eine Linie zu den Literatllf'brieJen und über diese - und Lessing - in die spätaufklärerischeSemiotik zu ziehen, kann hier nicht gewagt werden, fällt doch diese Fragestellung unter dieGeschichte der deutschen Empirismusverhinderung und damit unter ein eigenes großesThema, dessen Aufarbeitung erst begonnen hat. Geliert selbst ist Schüler des PhilosophenAdolf Friedrich Hofmann (vgl. Schlingmann, Revision, S. 77f.; vgl. Gottfritd Honneftlder.Christian Fü,.chtegott Geliert. In: Dellfsche Dichter des 18. Jahrhllnderts. Hrsg. v. Benno v. Wiese.Berlin 1977, S. 115-143, hier 129ff.) und gehört damit in die Tradition skeptischer Rationalität,die von Thomasius ausgehend über Andreas Rüdiger und Hofmann zu Crusius, überdessen und die Person Abraham Gotthilf Kästners dann von Halle nach Göttingen, zu Lichtenbergund zu Feder rUhrt. Diese, neben und in Verbindung mit der Philosophie Tetens,wichtigste philosophische Strömung der Aufklärung betont gegen die Wolffianer den formalenStatus rationaler Philosophie und zeigt sich daher offener ror andere Konzeptesprachlicher Vermittlung. Es scheint mir Desiderat der Forschung, ästhetikgeschichdich dieAuseinandersetzung mit rationalistischer Poetik nicht nur in der Opposition Gottsched -Bodmer/Breitinger, sondern in der Dynamik und Interaktion dieser beiden Schulen zu beschreiben.10) Die Schwedische G,.äfinn (GS III, S. 1-97) besteht zwar wesentlich aus Briefen, ist jedoch502


k~in r~in~r Bri~froman. Gell~n: gmft auch nicht auf das Mitt~l d~r H~rausgeberfiktionzurück, sond~rn fühn: di~ Gräfin in traditionell~r - und hierin kann tatsächlich ~in Rückgriffauf d~n barock~n Schelmenroman ~rkannt w~rden - als Ich-Erzähierin ~in. Daß si~ dabei..als ~ten:e Erzählerin di~ Fragen, die das dunkle Leben an sie stellt, so behanddn{läßt], als wären si~ gdöst" (Schlingmann, Revision, S. 146) mag als bloße Schwäche oderauch als Suche nach d~m auktorialen Erzähl~r zu wen:en ~in. Der R~z~nsent der Francltf",.­tischen Gelehwtm Zeitlmgm jedenfalls erkannte in der Gräfin den »~rste{n] Teutsche{n] Orginal=Roman"(Vierzehndes Jahr; von 1749; zitiert nach: GS IV U989], S. 245). Vo8kamprührt die Gellertsche Brief theorie als poetologisch stilbildend an, geht aber - außer durchLiteraturverweis in den Anmerkungen - auf de~n ,Praxis' mit keinem Wort ein (vg!. WilheI",Voßk.,,,,p. Dialogische Vergegmwärtig_g bei", Schtwiben lind Lesen. Z",. Poetik des BrUfromansi", 18. JahrhJmdert. In: DVjs 45 (1971), S. 81-116; vg!. ders. Romanthetwie jn Delltschland.Von Ma,.tin Opi1Z his F,.ied,.ich von Blanclemhllt"g. Stllttga,.t 1973, S. 17Off.; Dieter Ki",pJ. DerRoman der AlljlJärllng. Stllllgart 21972, S. 96ff.; Bemd Wille. Der Roman als moralische Anstalt.Gellerts »Lehm der schuwiischen G,.äfi"" von G*** .. lind die Literatllt" des 18. Jahrhlltfderts. In:GRM 30 (1980), S. ]50-]68; David Hili. »Die schwedische Gräfin ..: Notu on eady hollt'lfeoise,.ealis",. In: NeophilologMs 65 (198]), S. 574--588; Wolfgang Ma,.tms. Ohw WJthild lind Gattlltlgstheoriebei Geliert. I,,: Futschrift fii,. Ddelw W. Schllmann Zlim 70. Gebllrtstag. H,.sg. ". AIhertR. Sch",itt. Miinchm 1970, S. 74--82; sowie : Joachi", Schlilte-Sasse. Das Opfer der TlIgmd.ZII ussings ,E",ilia Galotti' IItId ei,," Literatllt"geschichte der ,Vorstellllngsko",plexe' i", ] 8. Jahrhllndert.Bonn 1984, bes. S. 12~123).11) Wie der Titel andeutet, geben GelIert. Brieft, nehst einer P .... letischen Ahhand/Jmg von tIem gutmGuchmacleei" Briefm (In: GS IV, S. 10~152) keinen Regelapparar, nach d~m Schreibenzu konstrui~ren wären, sondern p~ntieren nach vorang~stellt~r Rechtf~rtigung des V ~rfahrensund seiner Prinzipi~n, ex~mpla an denen Geschmack zu schulen und durch derenfreie Imitation der persönliche Stil zu bessern ist. »Gellerts .Abhandlung' erfüllt ein~ historisch~VerInitdungsfunktion, ind~m sie, paradigmatisch rur die Tend~nzen des Zeitalt~rs,den endgültig~n Bruch mit der alten Rhetorik vollzieht und ihn gleichzeitig überwindetdurch die Erhaltung und Tradierung rbetorisch~r Grundprinzipien auf dem neuen Bodendes bürgerlich~n Geschmacks .• (Didhel", B,.iiggemann. Geliert, der gute Guchmack lind die iihlenB,.iefsteller. ZlIr Guchichte der Rhetorik in der Moderne. I,,: DVjs 45 (1971) S. 117-149; hi~rS. 147; vg!. Honn~fdder, Geliert, S. 127). Bereits zehn Jahre zuvor hatte Gell~rt dieGrundsätze der Konzeption in Geda"ken "on einem guten deutschen B,.iefe, an Herrn F. H. V. W.formuliert (GS IV, S. 97-104). Bernd Witte interpreti~rte unlängst das Briefkorpus alsästhetischen und physiognomischen T~xt, d~r Person und Situation d~s Schreibenden paradigmatischformulier~ (Bwnd Witte. Die Indi"idualitä"t des Alltors: Gellerts Briefsteller alsRoman eines Schreihenden. In: German Qua,.terly 62.1 (1989), S. 5-14). Dabei kommen zwarAmbiguität und Ambivalenz der Gellertschen Autorposition in den Blick, werden aberschli~ßlich doch als bloße Etappe d~r literatur auf ihrem Weg nach Innen gefaSt: »GellertsSammlung exemplarischer Briefe zeichnet {...} ~ine Charakt~rmaske d~s Autors, zeigt ihn alsparadigmatisches Individuum, ohn~ die Dim~nsion d~r Innerlichkeit zwar, aber durchausmit sein~n ~ig~nan:igen, ja idiosynkratisch~n Zügen. Erst ~ine Generation nach Gell~rt wirddi~ lit~rarische Kommunikationsgemeinschaft auch das Seelenleben aus seinen traditionellenBindungen befreien." (a. a. 0., S. 13) Dem soll hier zugl~ic;h zugestimmt und widersproch~nwerden: Zugestimmt, insofern das ,Seel~nl~ben' themarisiert und sprachlich kodifiziertwerden wird; widersprochen werden soll der Emphase der Befreiung.12) Mag dies auch befremdlich ~rsch~in~n, so ist es dennoch gültig in dem Sinne, daß mit derEmpfindungstheorie literarischer Wirkung wieder ~in - w~nngleich methodisch völliganders legitimi~rtes - Mod~ll nicht-rationaler Vermittlung geschaff~n wird. Aus dieserP~rspektive g~hören der kombinatorische Witz des ,befreit~n ornatus' und GottschedscherRationalismus zusamm~n, bezeichen~n auf je eig~n~ W~ise, das Ideal _ bewußterSprach~.13) Vg!. Blaclcall, literatursprache, S. 305; Saud~r, Empfindsamkeit, Bd.l, S. 225;Jochm Schulte-Sasse.D .... ma. I,,: Hansers Sozialgoschichte, S. 423-499, hier S. 444f.; Hans-Wolf Jäg~r503


spricht an gleicher Stelle vorn "treuherzig-behaglichen Ton" der Gellertschen Fabeln (Ham­Wolf Jeiger. Lehrdichtll11g. In: Hamers Sozialgeschichte, S. 500-544. hier S. 538).14) Während legitime Gewinne bei Geliert als ,windfall profits' erscheinen, kritisiert er zugleichGeiz und Egoismus (vgl. Wemer Jung. Chr. F. Geliert: Das Geld und die guten Worte. In: Kiirbiskern1987, H. 2, S. 90-105; Hans-Richard Altenhein. Geld und Geldesu·ert. Ober die Selbstdarstellungdes Bürgertums in der Literatur des 18. Jahrhunderts. In: das werck der buch .... Von derWirksamkeit des Buches in Vergangenheit und Gegenwart. Eine Festschrift für Horst Kliemann. Freiburg1956, S. 202-213; Schulte-Sasse. Drama. A. a. 0., S. 444ff.). Doch wäre es zumindesta-historisch, in der Kritik am Besitz des Geizigen und der Befurwortung tugendhafterMildtätigkeit eine vorkapitalistische Kritik kapitalistischer Verhältnisse erkennen zu wollen(vgl. Pikulik, Leistungsethik, S. 154f.). Nicht Negierung des Besitzes, sondern seine Diskursivierungist Ziel: Ständig werden in der Gräfin Kostbarkeiten in Geld umgewandeltund investiert (vgl. Gräfin, S. 19, 36f. 48, 66f., 72f., 91). Altenheim, der eine Fülle von Belegen,besonders aus der dramatischen Literatur und dabei aus den Komödien Gellerts präsentiert,faßt zusammen: "Zur Haupttugend des Bürgers wird die Sparsamkeit erklärt: Sparsamkeit,wohlgemerkt, im Dienste des Vermögens, nicht im Hinblick auf spätere Ausgaben,Sparsamkeit als Vorzug an sich." (Altenheim, Geld, S. 207) Zwar interpretiert er dies imSinne Max Webers als irrationalen, asketischen Zug bürgerlicher Moral, doch muß in Betrachtgezogen werden, daß diese Sparsamkeit-an-sich eben darum irrational erscheint, weilsie sich nicht unmittelbar, im Behalten von Werten, manifestiert, sondern über dem Kommerzder Waren und des Geldes ein Metaprinzip formuliert, das den Saldo des Umschlags inBlick nimmt: Wer Kapital gibt, um es zu investieren, kann arn Ende sparsamer gehandelthaben als jener, der es behält und damit seine Produktivität aus egoistischen Gründen verschwendet.Nur wenn die Sparsamkeit nicht substanziell als Horten von Reichtümern, sondernfunktional als allgemeines Regulans ökonomischer Praxis verstanden wird, wird sieökonomisch funktional. Nicht nur die Menschen, auch ihr Geld muß arbeiten. Aus (substanziellen)Reichtümern sollen (funktionale) Kapitalien werden (vgl. Foucault, Ordnung,S. 21lff.). Ein weiterer Punkt, der vor historischer Kurzschlüssigkeit bewahrt werden muß,ist die Figur des Wohltäters: Die penetrante Beschreibung der Seligkeit des Gebens ist einfreilichuntauglicher - Versuch, die soziale Komponente der wechselseitigen feudal-personalenDienstverpflichtungen unter den Bedingungen abstrakt-monetärer Verhältnisse zu behaupten(vgl. GS N, S. 12f; vg!. Altenhein, Geld, S. 212). Carsten Witte resümiert: "DieSchwedische Gräfin erweist sich damit als der historische Ort, an dem die aus der Spätantikeund deren religösen Vorstellungen herkommende Tradition des barocken Romans durchdie exemplarischen Erfahrungen eines neuzeitlichen Individuums in einer Weise umgeformtwerden, daß sie zum Medium der gesellschaftlichen Aspirationen der Aufklärung werdenkann. In Gellerts Roman, dessen Fabel aus lauter bedeutenden Episoden montiert ist, manifestiertsich [ ... } der Mythos der Aufklärung in seiner reinsten, weil elementaren Form. In resoluterDiesseitsorientierung werden Reichtum und soziale Harmonie zu den höchsten Zielendes individuellen wie des gesellschafclichen Handelns erklärt und deren Erreichen vornAufschub der Befriedigung der unmittelbaren Bedürfnisse abhängig gemacht." (Ca,.sten Witle.Die andere Gese/bchaft. Der Ursprung des bürgerlichen Romans in Gel/erts Leben der schwedischenGrä'jinn von G .... In: "Ein Lehrer der ganzen Nation", S. 66-85, hier S. 84)15) Kant. Opus Poslumum, 13. Konvolut. (= Werke, Akad. Ausg. 3. Abt. Bd. 9) S. 619.16) Vg!. Ruppect, Wandel, S. 72f. Derselbe Autor vecöffenclichte 1763 einen - ebenfalls erfolgreichenund oft aufgelegten Versuch einer allgemeinen Ein/eitung in die Handlungs-Wissenschaft,der laut Ruppert eine neue "Phase der Verwissenschaftlichung und spezialisierten Theoriebildungdes Kaufmannswissens" (Ruppert, a. a. 0., S. 183f.) markiert. Die Forderung nachnatürlichem Stil auch in der pragmatischen Kommunikation bürgerlicher Ökonomie istkeine dysfunktionale Modeerscheinung.17) Bereits Thomasius hatte in Halle ein Collegium Styli' eingerichtet (vg!. Blackall, Werden,S. 11), um seinen Schülern eine Schreibweise zu vermitteln, die ..leicht und naturell" seinsollte (Ein/eitung zu der Vemunfft-Lehre. Halle 1691, Vorrede S. 67; vgl. Blackall, Werden,S. 17). Geliert lehnt ,wohlstylisiertes' Schreiben dezidiert ab (vg!. GS IV, S. 141).504


18) Zitiert nach: Brüggemann, Vergegenwärtigung, S. 129.19) Nicht weiter spezifizierte Seitenzahlen im Text bezeichnen Zitate der Praktischen Abhandlungnach der Ausgabe BerlinlNew York 1988.20) "Adelung unterscheidet Wohlredenheit, die Fähigkeit, ,sich in allen Fällen mit Wohlgefallenanderer auszudrücken', von Beredsamkeit, ,welche nur von der Fertigkeit, andere mit Wohlgefallenzu überreden', gebraucht wird." (Becker, Nachwort, S. 281, Anm. 160; vg!. GunterE. Grimm. Von der ,politischen' Oratori. zur ,philosophischen' Redekunst. Wandlungen der deutschenRhetorik in der Friihaufklä"rung. In: Rhetorik 3 (1983), S. 65-96, bes. S. 67; Wolfgang Bender.Rhetorisch. T,.adition und Ästhetik im 18. Jahrhundert: Ballmgarten, Meier lind Breitinger. In:Zschr. f. dt. Phil. 99 (1980), S. 481-506, bes. S. 483) Im allgemeinen differenziert Geliertjedoch nicht zwischen beiden Termini (vg!. SS IV, 154ff.).21) J ohann Christoph Gottsched. Voriibungen der Beredsamkeit, ZlIm Gebra/ICh der Gymnasien und großererSchillen. 31764, S. 201, 2; zitiert nach: Voßkamp, Vergegenwärtigung, S. 83.22) Zur rationalistischen Semantik vg!. Gerold Ungeheuer. Sprache und symbolische Erkenntnis beiWolff. In: Christian Wolf! 1679-1754. Interpretationen ZII seiner Philosophie und deren Wi,.kung.Hrsg. v. Werner Schneiders. Hamburg 1983, S. 89-113.23) .. Diese Intentionalität gehört konstitutiv zur Briefsituation. " (Voßkamp, Vergegenwärtigung,a. a. 0., S. 96, Anm. 65; vg\. a. a 0., S. 82ff.) Für Geliert definiert sich der Textdurch Intentionalität: .. Ich werde sehen, mein Autor mag ein Geschichtsschreiber, ein Redner,ein Poet seyn, ich werde sehen, wie alles zu seinen Zwecke eilet." (SS III, S. 133) DiethelmBrüggemann sieht im Verlust der causa finalis ein wesentliches Moment im Prozeßdes Niedergangs der Rhetorik, der bereits mit deren Indienststellung zur Verkündigung(textueller) christlicher Wahrheit eingeläutet wurde: .. die causa finalis der Rhetorik bestimmtderen Mittel (den Ornatus); wenn die causa finalis verschwindet, werden die Mittelaus einem Finalnexus in einen Kausalnexus übergeführt und hören dadurch auf, Mittel zusein; sie werden zu teleologisch nicht fixierten causae, die ihrerseits Ausgangspunkt zuneuen Zwecken werden können." (Brüggemann, Geliert, a. a. 0., S. 125) Der nun ,befreiteornatus' (vg\. Diethelm B,.iiggemann. Die sächsisch. Komödie. Studien zum Sprachstil. 1970,Kap. C 4) wird von der rationalen Semantik auf die Technik von Plausibilisierung durchKontextualisierung restringiert.24) Metaphorisch wird der Briefstil zum einen im Bild des Interieurs gefaßt (zum Haus als Modellder Rede vg!. Ivan II/ich/Barry Sanders. Das Denken lernt schreiben. Lesekllltllr und ldentiti#.Reinbek 1988, S. 37) zum anderen durch pathognomische Beschreibung des Gesichts illustriert(114), wobei das Zimmer quasi das topische Tableau, die Mimik hingegen die textuelleDynamis bedeutet. In den Gedanken hatte Geliert noch vorzugsweise das Bild derBlütenlese und des Gebindes verwendet. Doch hat ihm die Physiogonomik bürgerlicherVerhältnisse, die Prosa "gute[r} Miene[nJ", die .. uns sanft einnehmen und lange rühren"(124) den Blick aufs Galante noch nicht ganz getrübt, denn Gellert erkennt in ihnen Gedanken,.. die [ ... } durch eine gewisse unschuldige, oder schalkhafte, durch eine treuherzige,durch eine verschämte, durch eine muntre und nachlässige Miene gefallen." (ebd.) Ist ihmaber einmal der Star gestochen, fallt Geliert auch in der Metaphorik zurück: "Sie bieten sichan, oder lassen sich doch, wie die Veilchen unter den Blättern, gern finden." (114f.) Nachdiesem Blick durch das ,Schlüsselloch der Natur' ist er - die ,Blätter' signalisierten es -gleich wieder beim Schreiben; hastig wird das Aufgeblätterte zugedeckt: .. Wir müssen darausnicht schliessen, daß dieses allemal die besten Gedanken in Briefen sind, die uns am er­Sten bey der Sache einfallen." (115; man vergleiche Gellerts Briefe an Frau Sulzer!) Dannfolgt unmittelbar die mühsame Entkunstungsleistung (115; siehe Text); und etwas weiter,nachdem vor der Fadheit des Zu-Natürlichen gewarnt wurde, beschwört Geliert die Lustdes Lesers am Autor (115; siehe Text).25) Das Substantiv ,Bequemlichkeit' ist, folgt man Grimm und Triibner (Art.,bequem'), bürgerlicherKultur eng verbunden. Daß die erste Ausgabe des Zedler (1732) unter ,Beqvemlichkeit'in einer Drittel Spalte (Bd. 3, S.1292) lediglich die Einrichtung des Hauses - dessen.disposition': .. die cvmmunication derer Zimmer, das Licht, den Gebrauch des Feuers, den Gebrauchdes Wassers, und endlich [ ... } die Ausführung der Unsauberkeit" versteht, mag mit505


dem Usus der Zedler-Autoren erklärt werden, greifbare Bücher zum jeweiligen Stichwort zuextrahieren. Symptomatisch dagegen ist, daß im Supplementband (Bd. 3, 1752, 719-721)nicht nur ein Nachtrag von zwei Spalten Umfang erforderlich erscheint, sondern nun die,Bequemlichkeit' gleichsam anthropologische Größe erlangt. Doch muß dieses "nicht zuverachtende n Stück zeitlicher Glückseligkeit" (719) jetzt durch einen umfangreichen Katalogvon "Pflichten der Bequemlichkeit" (720) gegen den Mißbrauch egoistischer Vorteilnahmegesichert werden, denn sie ~spruchen keine apodiktische, sondern nur pragmatischeGeltung und sind nicht unmittelbar einzuklagen: "Zu allen Pflichten der Bequemlichkeitsind zwar alle Menschen einander verbunden; jedoch nur überhaupt, und unter einerBedingung, die in jedem vorkommenden besonderen Falle dem eigenen Gewissen einesjeden überlassen ist; in so ferne nänUich deren Leistung dem Leistenden selbst nicht unbequem,oder wenn sie unbequem, in so ferne solche Unbequemlichkeit durch eine gleichgeltendeBequemlichkeit ersetzet wird." Die ,Pflichten' dienen de facto zur quasi-naturrechtlichenLegitimierung des bürgerlichen positiven Rechts: "Weil aber die Menschen mithöchstem natürlichen Rechte nach ihrer Glückseligkeit streben, welcher, { ... }, die Ungewißheitder Pflichten der Bequemlichkeit sehr im Wege stehet; so müssen sie mit höchstemnatürlichen Recht befugt seyn, solcher Ungewißheit abzuhelffen. Solches hat im Stande derNatur durch kein natürlicheres und der Geselligkeit gemäßeres Mittel geschehen können,als durch freundliche Verabredungen oder Unterhandlungen, durch welche alles, was in derApplication dieser Pflichten auf allerhand vorfallende besondere Fälle ungewiß und zweifelhaftseyn möchte, gewiß gemacht wird, und solchergestalt die Pflichten selbst und ihre Applicationauf diesen oder jenen Fall in vollkommene Pflichten verwandelt werden: Welchehernach Pacte oder Verträge genennet werden." Wenn GelIert ,Begierde zur Beqvemlichkeit'zum Rezeptionsprinzip macht, bedient er sich eines zentralen Movens bürgerlicherVertragspraxis. In der Rede Von dem Einflllue dw schönen Wissenschaften auf das Herz und dieSitten umschreibt er diesen Sachverhalt folgendermaßen: "Es ist ein allgemeines Gesetz, eineewige und unveränderliche Richtschnur rur unsern Geist, alles, was ihm unangenehm undbeschwerlich ist von sich zu entfernen, und das zu suchen, was ihm angenehm und schöndünkt." (SS 11, S. 91) Doch ist die Reziprozität solchen do-ut-des-Verständnisses epistolographischerund literarischer Produktion ungewiß, bleibt davon abhängig, daß die vom Produzentenerbrachte Vorleistung vom Rezipienten auch als solche anerkannt wird. So sehrsich Geliert auch müht, das Spiel zwischen Produzent und Rezipient in der (fiktiven) Symmetriebürgerlicher Vertragsverhältnisse zu beschreiben: Letztlich ist es rhetorisch; es gehtum Situationsmächtigkeit.26) Richtiges .Verhältnis' von Ausdruck und Sache gehört, wie GelIert zuvor ausführte (115),auch zu den stilistischen Anforderungen an den Briefschreiber.27) Vgl. Kap. 1, Anm. 2.28) Der Perspektivwechsel von Genealogie zu Geschichte ist jener von Rhetorik zu rationalerSemantik; - dies mag poststrukturalistisch-mystifizierend erscheinen, doch ist dieser Eindruckselbst das Resultat jener Mystifikation, der alles A-Rationale als Ir-Rationales unterliegt.Gegen solche - selbst rationale - Polarisierung wird hier argumentiert.29) "Gelegenheit sind Umstände, die zu AusfUhrung einer Sache sich uns darbieten. { ... }Hierbey ist nun zu mercken, daß man sich, verstehe in gerechten Sachen, der Gelegenheitbediene, und also wenn zu unserem wahrhaften Wohl abzielt, mitnimmt." (Zedler) Die ,Gelegenheit'ist ein günstiger Moment in der Konfiguration der Dinge, den es aus Eigeninteressenicht zu verfehlen gilt; die ,Gelegenheit' ist der Kairos des Bürgers, in dessen Selbstverliebtheitnicht die Sache selbst, sondern ihre VerfUgbarkeit zum Movens der Praxis wird.Wenn GelIert nach der Motivation schlechter Lektüre fragt, benennt er zugleich das - zumindestseit Bacon - kardinale Prinzip anti spekulativer wissenschaftlicher Praxis: "Warumlesen wir eine halbgetreue Uebersetzung lieber, als das Orginal, da wir doch sicher wissen,daß sie der Autor verunstaltet zeigt? Deswegen, weil man leichter, geschwinder fortgeht,und weil man im Lesen gern für die Mühe des Lesens durch eine baldige Einsicht in dasganze Werk belohnt seyn will. Die Begierde zu wissen und zu empfinden, ist der Sporndes Lesens. Je weniger sie Hindernisse findet, je reicher sie befriediget wird, desto mehr506


wird sie uns in der Aufmerksamkeit und im Fleiße erhalten; [ ... }" (SS IH, S. 129; vgl. S. 119u. S. 159f.)30) Nach Jean Paul.31) Vgl. Hirschmann, Leidenschaften; Robwt Spa_nn. Bürgerliche Ethik II1Id nichttJl(JlogischeOntologie. In: StJJjJetifliltiit tmd SJbsterhaltllng, S. 76-96.32) Geliert bewegt sich in der Konvention des .kritischen Jahrhunderts', proklamiert jenesWiderspiel von Produktion und Kritik, das rhetorisch als eines von inventio und iudicium,psychologisch als eines von Individualität und kollektiver Norm, oder als Normierungdurch Restringierung auf ein rationales Sprachspiel und dessen gleichzeitige Elaboration intrans-rationale Bereiche gefaBt werden kann: .. Die Regel dient uns her unsern Arbeiten zumLeitfaden; sie dient uns zur Prüfung, indem wir die Werke verfertigen; sie ist die Richterinn,nach deren Ausspruche wir von den vollendeten Arbeiten hier wegnehmen, dort sieergänzen, verbessern, umarbeiten müssen. Die Regel, vom Geschmacke angewandt, ist dieCritik. Man habe das fruchtbarste Genie; desto nöthiger wird ihm die Critik seyn, je leichtereine große Fruchtbarkeit in einen üppigen Überfluß ausarten kann." (SS IH, S. 161)33) Vgl. Jochen Schllite-Sasse. Das Krmupt hürgerlich-literarischer Olfentlichkeit lind die historischenGründe seines Zerfalls. In: A".fle/ärtmg lind literarische Olfmtlichleeit, S. 83-115.34) Argurnenturn ad hominem (siehe Anm. 25).35) Der spielerische Charakter von Kunst ist schon vor Schiller benannt worden, wenngleich auswirkungsästhetischer Produzentenperspektive und nicht idealischer Objektivation derErfahrung des Produkts. So schreibt Breitinger in seiner Kritischen Dichtkll1lst: .. Die Fabel[ ... } ist erfunden worden, moralische Lehren und Erinnerungen auf eine verdeckte und angenehm-ergötzendeWeise in die Gemüter der Menschen einzuspielen, und diesen sonsttrocknen und bittern Wahrheiten, durch die künstliche Verkleidung in eine reizendeMaSke, einen so gewissen Eingang in das menschliche Hertz zu verschaffen, daß es sichnicht erwehren kan, ihren heilsamen Nachdruck zu fühlen." (fohann Jacvb Breitinger. KritischeDichtkllnst. Mit einem Nachwort von W. Bmder. Stllttgart 1966, Bd. I, S. 16; vgl. Schulte-Sasse,Konzept, S. 88)36) Rhetorisch ist Funktionalisierung des Referentiellen zur Genese eines Movens selbstverständlich.Betrügerisch wird die suggestive Intentionalität des poetischen Bildes erst unterden Bedingungen rationaler Semantik, die per se beansprucht, Faktizität zu doppeln. Unterihrer Ägide dann erscheint die Rhetorik als ,Theorie des Betrugs'.37) Die Präsentation idealer Schönheit (vgl. SS 111, 180; 267; 279 (Zeuxis) als ideale Natur (SSIH, S. 170), wie sie Geliert hauptsächlich bei den Alten zu finden glaubt (vgl. Von den UrsachenJa VorzJIg der Alten in den schönen Wissenschaften, hesonders in der Poesie lind Berwi.samleeit. I,,:SS III, S. 262-284.) und die er nach Pope als .. nature methodic'd" versteht (vgl. SS IH, 161),sowie auf dramatischem Sektor eine gewiße Irrealität der Darstellung wird zur Bedingungvon Wirkung, denn erst wenn die bürgerliche Konkurrenzsituation ausgeschaltet und abstrakteBegegnung mit Text und/oder Darstellung an die Stelle persönlicher ,Konfrontation'getreten ist, kann das Ideal seine Wirkung entfalten ... Die Tugend selbst gefällt uns auf derBühne, wo sie vorgestellt wird, weit mehr als im gemeinen Leben. Denn da bei Betrachtungund Bewunderung eines rechtschaffenen Mannes, auch oft zugleich Neid sich mit einmischet,so bleibt er doch bei dem Anblicke des bloßen Bildes der Tugend weg, und anstatcdes Neides wird in dem Gemüte eine süße Empfindung des Stolzes und der Selbstliebe erweckt."(In: Lessing, comoedia, 268) Obgleich Geliert eine Art ,moral sense' oder einen intrinsischenWert des Guten voraussetzt - "In unsrer Gewalt wenigstens ist es nicht, ob wirdas, was gut, rechtschaffen und löblich ist, billigen wollen oder nicht. Wir werden durchdie natürliche Schönheit und den Reiz dieser Dinge dahingerissen; { ... }" (A. a. 0., S. 267;vgl. SS IH, S. 190) - wird deren Wirkung nicht nur durch Neid verdunkelt, sondern ineigenem Interesse pragmatisch - wenn auch widerwillig - eher Anderen gegönnt: .. Wirwünschen heimlich, daß die rechtschaffenen Leute so häufig als möglich sein möchten, gesetztauch, daß uns nicht sowohl der Reiz der Tugend, als die Betrachtung der Nützlichkeit,diesen Wunsch abzwinget; [ ... }" (A. a. 0., S. 269) Aus dieser Perspektive wird der herausragendeStellenwert der Lektüre bei Geliert verständlich: Weil sie von den egoistischen507


Impulsen der Praxis befreit ist und weil sie ,projektiver Selbstgefalligkeit' dient, kann in derästhetischen Etfahrung vermittelt und, wie Gellert hofft, habitualisiert werden (vg!. Wo/fgangMartens. Lektüre bei GelIert. In: FestsclJrijt für Richard Alewyn, Hrsg, v. Herbert Singer 11.Benno von Wiese. KiJ1n1Graz 1967, S. 123-150).38) "Wenn das bloße Verständliche und Deutliche, in so weit es dem Dunklen und demSchwülstigen entgegen gesetzt ist, eine Schreibart schön machte: so wäre nichts leichter, alsgute Briefe zu schreiben. [ ... } Doch deswegen, weil einer keine Fehler in seiner Sprache begeht,schreibt er noch nicht schön. Und niemand wird einen darum loben, weil er so geredthat, daß die Anwesenden seine Meynung haben verstehen können; sondern man verachtetden, der es nicht thun kann." (GS, S. 120 [mit Bezug aufCic. De or. I,III, p. 463})39) Damit erhebt sich die Frage nach dem Stellenwert religiöser, insbesondere pietistischer Tradition.Drei Bemerkungen dazu: 1. Bereits Klaus Dockhorn hat die Lösung des reformatorischenKardinalproblems wirksamen Verständnisses der Schrift als Applikation rhetorischerTheoreme auf eine Praxis textueller Rezeption ausgewiesen (Klalls Dockhorn. Macht lind Wirkungder Rhetorik. Bad HomblirglBerlin /Zikich 1968, S. 9Of.). 2. Auch wenn das Problem textuellerund kommunikativer Dynamisierung der systematischen Statik logisch-rationalenDenkens in theologischen und homilethisehen Sprachregelungen gefaßt wird, braucht diesnicht mehr zu heißen, als daß rationales Denken sich aus diesem Fundus bedient. 3. Denktman 1 und 2 zusammen, folgte die Vermutung, daß bestimmte sprachliche Strategien undMuster, die auf theologischem Gebiet zur Lösung eines Problems erarbeitet wurden, aufsäkularem Gebiet zur Lösung desselben Problems benutzt werden konnten - eine nicht sehraufregende These.40) "Ein Gedanke reicht dem andern freywillig die Hand. Der Ausdruck ist so einfaltig, als dieGedanken sind, und eben so gefallig, weil er richtig und nicht weiter, oder enger ist, als dieVorstellung es etfordert." (125) Gellert sagt damit schlicht - und in bezug auf Cicero - dieSprache ist angeme.rsen. Diese scheinbare Freiwilligkeit ist Folge der Simulation von Regelhaftigkeit:Das Kunstwerk ist als Repräsentation menschlichen Totaleindrucks von einerSituation älter als die Möglichkeit zu seiner kritischen Analyse (vg!. SS III, S. 156, 266f. u.278); die Kritik exponiert seinem Schein die zugrundeliegende Regelhaftigkeit (vg!. III,S. 1590. Doch der Abstralctionsprozeß wird als Reduktion verstanden; nach der Regelhaftigkeitist es unmöglich die Totalität schönen Scheins zu synthetisieren (vg\. SS III,S. 267f.). Daher sind Werke der ,Alten' zwar formal Maßstab, dennoch aber in ihrer Art uneinholbar(ebd.); zeitgenössische Produktion ist auf direkten Rekurs auf Natur zurückverwiesen:"In so weit die Poesie von der Erdichtung lebt, und aus der Natur schöpft, kann esihr nie am Stoffe mangeln." (SS III, S. 275) Damit ist Historisierung der Kunstproduktionimmanent gefordert: "Wir können ungerecht gegen die Natur, gegen uns selbst werden,wenn wir unseren eignen Geist verdrängen, um den ihrigen mit ungeschickter Hand anseine Stelle zu setzen. Sie bildeten die Natur mit einer liebenswürdigen Leichtigkeit undsorgfaltigen Genauigkeit nach; hierin müssen wir ihnen folgen. Allein die Natur ist unerschöpflichan Reichtümern, unendlich an Gegenständen, und diese drücken sich auf tausendfacheArt in unsern Geistern ab. Wir müssen es also nicht genug seyn lassen, nur dieAlten nachzuahmen. Die Natur war ihre Lehrmeisterinn; und so soll sie auch die unsrigeseyn! Wir müssen es nicht bloß den Alten gleich thun wollen, und ihnen Schritt vor Schrittfolgen, wir werden sonst eben deswegen unter ihnen bleiben." (SS III, S. 278) Neben dieideale Angemessenheit, ,Natürlichkeit', tritt eine historische. Gellert fordert zum Gattungsynkretismusund zum Vorstoß in ästhetische terra incognita auf (SS III, S. 279).41) "Entia non sunt multiplicanda sine necessitate."42) Den entscheidenden Übergang von rhetorischer zu rationaler Poetik sieht Gaede in GottschedsRückgriff auf die aristotelische Fabelkonzeption, da bereits AristoteIes diese Gattung- wenn er sie in der Rhetorik abhandelt - als Quasi-Syllogismus interpretiert. "Wie sich derVerstand des Begriffs und des Urteils bediente, so die Vernunft konsequent des Schlusses,also der Verknüpfung der Urteile. Der Vernunftbegriff und mit ihm der Syllogismusgewannen in dem Augenblick Gewicht, in dem die Welt selbst als vernünftig begriffenwurde, also durch Leibniz die Logik wieder als Seinslogik gelesen wurde. [ ... } Indem Gott-508


sched auf den Spuren von Leibniz und Wolff an AristoteIes anknüpfi:e, wurde er zu einemPionier der literarischen Wende im 18. Jahrhundert, denn den Verknüpfungsgedanken überdas Urteil setzen, weist auf das Ende der rhetorisch-deiktischen Stilhaltung in der Literaturund kündigt, wenn auch in noch abstrakter Weise, die Vorstellung von der Einheit desKunstwerks, seiner Vollkommenheit und Schönheit an, wie sie dann in der deutschen Klassikverwirklicht wurde, [...}" (Friedrich Gaede. Gottscheds NachahmlingsthlOf'ie lind die Logik. In:DVjs. 49 (1975), Sonderheft 18. Jahrhundert, S. 105-117; vgJ. Dieter KimpJ. Christian Wolf!muJ das aufk/iirerische Programm der literarischen Bildung. In: Christian Wolff. S. 203-236,S. 211ff.). In Bezug auf Gellerts Moralische Vorlesllngtn (GS VI u. VII) stellt Gaede eine "pietistischbeeinflußte Gegenposition zu Gottsched" und "Philosophieskepsis" fest, die empirischoperiere, eklektizistisch sammle und lieber exemplarisch als systematisch darstelle(Fritdrich Gaede. Humanismus, Barock, Allfk/ärllng. (Geschichte der delltsChen LiteratIIr vom 16. bis18. Jahrhllndert. = Handbllch der dellfschen Literatllrgeschichte, Bd. 2) Berlin/München 1971,S. 246-250; hier S. 247 u. 248). Da sich dieses Diktum auf die Gellertsche Form der Präsentationund nicht auf die Rationalität bzw. Irrationalität der Inhalte bezieht, widersprichtes nicht der hier vorgenommen Analyse; im Gegenteil: gerade die Spannung zwischenlatenter Rationalität und deren - aus wirkungspsychologischen Gründen notwendigerscheinbararationaler Präsentation ist Thema.43) Genetisch ist Empfindung habitualisiertes Wissen, idealiter habitualisierte Rationalität.Anstatt eine Situation je zu analysieren, fällt sie ein pauschales Urteil, das zwar wenigersicher ist als das rationale, das aber die zu pragmatischer Orientierung unumgänglicheBeschleunigung der Einschätzung ermöglicht. Arsenal der richtigen Empfindungen - undderen nochmalige Beschleunigung - ist der gute Geschmack: "Der Geschmack, eine richtige,geschwinde Empfindung, vom Verstande gebildet." (SS III, S. 174; vgJ. S. 132) Istdieser einmal habitualisiert, so erlaubt er ein intuitives Urteil: "Kennt man einmal dasSchöne an einer Sache: so ist es leicht, die Fehler wahrzunehmen. Unsere Empfindung sagtsie uns, und ein geschwindes Urtheil des Verstandes, das sich auf die allgemeinen Regelndes Schönen und Wahren gründet, mengt sich in unsre Empfindung, ohne daß wir es allemalwissen." (111)44) Dankbarkeit (S. 116 u. 119); Zärdichkeit, Glück (S. 136); Harmonie, Freundschaft:, Liebe,Traurigkeit, Mitleid (S. 137), Natürlichkeit, Feinheit (S. 151) u.a.m.; aufS. 129 wird Empfindungsynonym mit Affekt gebraucht.45) Benjamin Neukirchs galante Brieft IIndGetichte. Cobllrg 1695. In den Gedanken bezeichnet Gel­Iert Neukirehs Anleitung als "freylich die beste, die wir zur Zeit noch haben" (GS IV,S. 101), wendet sich aber dann gegen deren ihre Typologie und ramiscische Schematisierung(ebd.). Zur chrie vgl. Otto Llldwig. Der eUlltsche Schulall/satz. Seine Geschichte in Deutschland.Bem/New York 1988, S. 17ff.; zu Geliert bes. S. 118)46) Das ,Herz' bestimmt als dynamisches Prinzip auch den Rhythmus des Textes. Da aberrationaler Semantik rhetorische Temporalität und deren Kategorien fremd ist, kann rationalesPathos - siehe Empfindung - nur als (über die Geschwindigkeit des Bewußtseinshinaus) beschleunigtes Urteil erscheinen. Diese Konzeption erlaubt keine Beschreibungpathetischen Stils, es sei denn als Forderung, schneller zu schreiben und zu lesen. Konsequenterscheint bei Geliert stilistisches Pathos als Herzrhythmusstörung: "Wie unser Herz,wenn es in Wallung ist, geschwinder und stärker schlägt, und die vorige Ordnung nichtmehr hälc; so unterbricht auch der Affekt die gewöhnliche Art zu denken, und sich auszudrücken."(138) Zum ,Herzen' vgl. Sibylle Spä~. Vom beschwerlichen Weg zur Glückseligkeit desMenschengrschlechts. Gellerts Moralische Vorlesungen lind die Widerstiinde der RMlitä~ ~ die empfindsameGesellschaftslltopie. In: nEin Lehrer der ganzen Nation", S. 151-171, hier S. 158; vgJ.auch: Bender, Tradition, S. 483)47) "Die Sitten einer Nation haben einen großen Einfluß in den Geschmack, in die Art zu denkenund zu schreiben. Nachdem die Sitten frey oder gezwungen, gemäßigt oder ausschweifend,natürlich oder übertrieben sind; nachdem wird auch unser Geschmack umgebildet. Ernimmt die Figur der Sitten an." (SS III, S. 274f.) So wird die Vorbildlichkeit der Alten damitlegitimiert, daß sie als Protagonisten der Utopie bürgerlicher Öffendichkeit erscheint:509


"Die besten unter ihnen sind nicht nur die größten Genies, nicht einsame Gelehrte, derenWelt bloß die Studierstube war, sondern Männer gewesen, dito den Staat regi


52) Systemimmanent ist diese Faulheit des Bürgers vor dem Text dadurch zu entschuldigen,daß bei Geliert den an sich, ihrer Sprache und Geselligkeit arbeitenden Subjekten prosaischeTätigkeit nur als Unglück zustößt, sie ansonsten aber ihrerseits gepfleglieh über die Bedinungender Herstellung ihres Wohlstandes hinwegsehen (vgl. S .. hweJische G,.äfi"; GS IV,S. 32 u. 36). Gellerts Interesse gilt weniger den Bedingungen der Produktion von Reichtümernoder Text, als jenen derer Kapitalisierung und Diskursivierung (vg!. a. a. 0., S. 66).53) Strafmildernd ist anzumerken, daß Geliert selbst mit seiner Popularität nicht sich, sondernseinem Verleger Wendler zu Reichtum verhalf und schon zu Lebzeiten .als Schulbeispielgalt rur das unglaubliche Mißverhältnis zwischen Honorar und Verlegergewinn .• (V g!.Schlingmaan, Revision, S. 34; vg!. S. 46f.)54) Zu Gellerts eigener Praxis vg!. GS IV, S. 272ff, bes. 277 u. G.B. I, Vorwort, S. V.55) Vg!. Müller, Topik, S. 85ff.56) Das ethos ist weder Inhalt einer Darstellung noch deren Form, sondern gerade das Verhältnisvon Inhalt und Form als persönliche leistung des applizierenden, die sprachlichenMöglichkeiten mit den Erfordernissen des Sachverhaltes vermittelnden Subjekts. Solche Applikationsleistungist besonders in aesteticis, aber auch bei jeder Insinuation unumgänglich(vg!. In, S. 176; 157; 155). Das ethos bezeichnet hier die sprachliche als Modell und Beispielder allgemeinen persönlichen Praxis des Produzenten, denn auch in der praktischenLogik, der Geliert erhebliche Bedeutsarnkeit für das normale Leben zum ißt, gilt das Applikationsproblem(vg!. SS III, S. 249).57) Die Utopie des Textproduzenten formuliert Geliert in der Sdn""dischen G,.äfi" in der Persondes Herrn R **: "Einem geringen Manne diente er mit größeren Freuden als einem vornehmen.Und wenn man ihn um die Ursache fragte, sagte er: Ich fUrchte, der vornehme möchtemich bezahlen und durch eine reiche Belohnung mich zu einem Lastträger seiner Meynungenund zu einem Beforderer seiner Affecten erkaufen wollen. Er hatte einen geschicktenBedienten, der ihm aber des Tages nicht mehr, als etliche Stunden aufwarten durfte. Alser seinen Herrn in unserer Gegenwart einmal fragte, ob er nichts zu thun hätte; SO sagte er:Denkt ihr denn, daß ihr bloß meinetwegen und meiner Kleidung und Wäsche wegen in derWelt seyd? Wollt ihr denn so unwissend sterben als ihr gebohren seyd? Wenn ihr nichts zuthuen habt, so setzt euch hin, und überlegt, was ein Mensch ist; so werden euch Beschäftigungengenug einfallen. Er gab ihm verschiedene Bücher zu lesen. Und wenn er ihn auskleidete;so mußte er ihm allemal sasen, wie er den Tag zugebracht hätte." (S. 14; vg!.SS In, S. 246) Diese Passage versammelt und fokusiert in die insignifikante Identität des ,er'das Problem der - inter- wie innerpersonalen - Machtstruktur aufklärerischer Öffentlichkeit.Hier ist das Herr/Knecht-Verhältnis aristotelisch gefaßt - Herrschaftslegitimationdurch Wissen -, in den Lehren des Vaters wird Gleiches und gleiche Rechenschaft gegenübersich selbst verlansc (vg!. SS III, S. 246f.). In Konsequenz fUhrt die Selbstbeobachtung zudem für die Empfindsamkeit diagnosizierten Reflexiv-Werden des Geruhls; Geliert beschreibt,was als intellektuelle Freude den körperlichen Affekt sanktioniert, als interpersonaleRelation: Herr R ** "schlug keine Vergnügung aus; allein mir kam es immer vor, alsob er sich nicht sowohl an den Ergötzlichkeiten selbst, als vielmehr an den VergnügUngenbelustigte, das die Ergötzlichkeiten andern machten." (GS IV, S. 14) Die Empfindsamkeitkultiviert das innerpersonale Mitgefühl und ihre Tränenseligkeit ist oft nichts als das Selbst­Mitleid des Verstandes vor der Unmöglichkeit der Affekte.58) Auch das mathematisch-wissenschaftliche Verfahren ist im allgemeinen Sinne eine Formhermeneutischer Arbeit.59) Vg!. M. Fierz. lsaak NftVfo"s Lehre vom absollJtm &111m. I,,: StmJilJm gmeral~ 10 (1957),S.464-470.60) Vg!. SS III, S. 131, 182, u. 185.61) .Die Welt kann die Poeten entbehren, und mittelmäßige braucht sie gar nicht." (SS In,S. 182)62) .AlIein, wird man sagen, wenn man selbst nicht gerührt ist, wie soll man denn daschreiben? ( ... ] Man stellt sich, als ob man etwas wäre, das man nicht ist. Gut! Wereigenützig genug ist, sich zu verstellen, oder wer dazu gezwungen ist, der behält doch511


allemal in seihen Briefen die Pflicht, den Charakter zu beobachten, den er vorstellenwill." (138)63) Gellerts Optimismus hat eine grausame Pointe: HDie Zeit belohnt Sie gewiß; und sollte esdie Weh nicht thun: so wird Sie Ihr Gewissen belohnen." (SS IH, S. 142)64) Praktische Bedenklichkeiten Gellerts werden zunächst ausgeklammert.65) Hlch sehe keinen anderen wissenschafdichen Weg für eine Anthropologie, als das ~rmeintlieh.Natürliche' [ ... ] zu destruieren und seiner ,Künsdichkeit' im Funktionssystem dermenschlichen Elementarleistung .Leben' zu überfiihren." (Hans Billnunbwg. AnthropologischeAnnä"herllng an die Aktllalitä~ der Rhetorik. In: Dws. Wi,.klichkeiten, in "-en wi,. leben. Atifsä~zelind eine Rede. Stllttgarl 1981, S. 104-136, hier S. 11 5)66) Im weiteren Sinne ist auch rationale Deskription eine textuelle Intention; hier aber wird derBegriff in der üblichen Intention in Opposition zu Deskription setzenden Bedeutung gebraucht.Zu den argumentativen Hypostasen methodischen Denkens gehört, daß nach derUr-Wahl die reine Formalität des Verfahrens inhaltliche Richtigkeit garantiere, daß zwarein voluntaristisches Moment dem Verfahren vorausgehe, dieses aber immanent .uninteressiert'- weil konstitutiv inhaltsleer und rein formal- sei. Damit ist prinzipiell nur die Startbedingungder Argumentation - die .Versuchsanordnung' des Textes - disponibel; sein Prozessvollzieht sich als Folge von Implikationen, die aus der Srartbedingung abzuleitend sind,wenn nicht in seinem Verlauf externe - und damit relativ zur Logik der Textualität kontingente- Zusatzbedingungen eingefiihrt werden. Idealiter stellt der Text ein geschlossenesSystem dar; realiter wird, wie nicht anders auch das Marktgeschehen bei Smith oder derKosmos Newtons - sein Verlauf bei Bedarf durch eine .invisible hand" reguliert. Freilichkönnen die textuelIen Korrigenda ihrerseits keine systematische, sondern nur epistemischtopischePlausibilität beanspruchen. In der Verwischung dieser Grenze zwischen systematischerund epistemischer Geltung liegt nicht nur ein Wirkungsptinzip, sondern auch eineWirkungsintention rationaler Textualität.67) Daß systematische Bestimmung ihrerseits nur als temporaler Vorgang der Applikation einesbestimmenden Schematismus - als inventio - zu begreifen ist, wird dabei vernachlässigt;der Gegenstand wird - gleich ob empirisch-methodisch, ontologisch, anthropologisch odererkenntnistheoretisch - auf die Erscheinung seines Bestimmt-Seins reduziert (vgl. über denDoppelsinn des Begriffs .Erfahrung' bei Kant: Kambartei, Erfahrung, S. 98ff.).68) Die Betonung liegt hier auf Balance. Jede virtuelle Identität ist Balance zwischen den Subjektivismender Verständnisse. Auch eine Differenz kann gleichgewichtig sein und die Kraftihrer Argumente kann sich gegenseitig aufheben. (Dies ist die Technik des virtuellen Ausgleichsder Egoismen, das Ideal der praktischen und ökonomischen Rationaliät!) So wirdauch die insinuative Absicht des Textes ~rstärkt, wenn die textudle ,Logik' der inhaltlichenkontrastiert: In einem Verfahren indirekten Beweises werden die Prinzipien der Textualitätbestätigt, wenn auf inhaltlicher Stufe eine falsche Entscheidung zur Katastropheführt, besonders, wenn es gelingt, die Notwendigkeit des verhängnisvollen Prozesses plausibelzu vermitteln, ohne daß das Subjekt die Fehlerhaftigkeit der ausgangsrelevanten Entscheidung- den .Wendepunkt' - zunächst bemerken würde. Nun steht der Rezipient selbstvor der Katastrophe, daß die Logik seiner Affinnation zum Desaster führt. Da die Logik derTexualität nicht umkehrbar ist, muß das Verfahren neu gestartet werden. Der Text erscheint.tiefgründig', vielleicht sogar .abgründig'; er fordert wiederholte lektüre, bis derRezipient die falsche Entscheidung, den textuellen oder - so die Hoffnung der dramatischenKonsequenzlogik der Klassik, nach welcher der Text folgerichtig, der pragmatische Prättextseines Verständnisses hingegen katastrophisch ist - den lebensweldichen Ort der Abweichungvom Pfad der Tugend erkennt. Ist dieser bestimmt, so ist das Subjekt aus der Faszinationdes Textes entlassen. Je verborgener er aber ist, um so wirksamer ist der Text - undum so ~rfallener ist ihm der Rezipient: Die lektüre fordert Iteration - und in dieser wirdbeiläufig die positive Logik der Tcxtualität habitualisiert. Im Gegensatz dazu droht durchwiderstandslose Kongruenz von Inhalt und Textualität die Darstellung im Banalen zuverschwimmen. Hier muß der Gefahr von Langeweile durch externe respektive inhaltlicheStimulanzien vorgebeugt werden, indem die Startsituation unter einem starken Zwang von512


Notwendigkeit zur Auflösung steht und der Text seine vermeintliche Freiheit der Affirmationnutzt, diese auch inhaltlich sukzessive zu vollziehen. Die affirmative Strategie hatjedoch den Nachteil, daß das ,happyend' den Rezipienten notwendig vom Text erlöst. Gehtman nicht von jenem grausamen Extrem mentaler Depravation aus, dem Fremdes per se alsBedrohung erscheint, so wendet sich das Interesse anderen Startsituationen zu, um die balsamischeErfahrung konventioneller Kongruenz zu iterieren. - Zu befürchten steht, daß beider Schilderung der affirmativen textuelIen Strategie die Assoziation ,Trivialliteratur' in denSinn kam. Tatsächlich ist dieses Verfahren textml/ trivialer als das indirekte - aber auf allensozialen und intellektuellen Ebenen und in völliger Unabhängigkeit vom Wert seiner Inhalte:jede methodisch-rationale Darstellung folgt seinem Schema!69) Wiederum ist zu differenzieren zwischen textueller und inhaltlicher Ratiomorphie. Die poetologischeDiskussion um diese Differenz zentriert sich im 18. Jahrhundert um den Begriffdes ,Wunderbaren'. Vgl. Karl-Heinz Stahl. Das Wunderbare ab Prohlem und Gegenstand derdeldschen Poetik des 17. und 18. Jahrhunderts. Frankfurt a. M. 1975; Hans Otto Horch/ GefWg­Michael Schulz. Das Wunderbare in der Poetik der Friihaufklijrung. Gottsched und die Schweizer.Darmstadt 1988.70) Wenn Blumenberg die Differenz der Zeit-Struktur von Rhetorik und Rationalität beschreibt,charakterisiert er zugleich die Kairologie der Textualität und bestimmt diesedamit als Supplement von Rhetorik: .. [ ... } Theorien werben implizit um ,Zustimmung', wiees Rhetorik explizit rut. Der entscheidende Unterschied besteht in der Dimension der Zeit;Wissenschaft kann warten oder steht unter der Konvention, es zu können, während Rhetorikden Handlungszwang des Mängelwesens als konstitutives Situationselement voraussetzt- wenn sie nicht mehr omatus der Wahrheit sein kann." (Blumenberg, Annäherung, S. 113)71) Insofern ist der ,Text' eine Residuum oraler Psychagogie.72) V gl. Ivan II/ich/Barry Sanders. Das Denken lernt schreiben. usekultur und Identität. Reinbek1988.73) Als solche wird die Beschreibung hier verwandt, d.h. die Darstellung der These figuriert alsintentionale Entität unter den Prämissen methodisch-rationaler Episteme.74) D.h. zur ,Lektion'.75) Diese Darstellung ist eine Umkehrung des historischen Verlaufs. Die normierende Inbesitznahmekünstlerischer Techniken zur moralischen Verftigung ist Folge, nicht Voraussetzungder Erkenntnis des Plausibilitätsdefizits methodischer Erkenntnis.76) Zur Kompatibilität und letzIich Identität psychologischer Wirkungsprinzipien und ethischerHandlungsnormen vgl. Wemer Strube. Ästhetische Illusion. Ein kritischer Beitrag zurGeschichte der Wirkungsä'sthetik im 18. Jahrhundert. Dijj. Bochum 1971.77) Absolut betrachtet ist auch die logische Grammatik nichts anderes als das Ostinato einernämlichlogischer- Befindlichkeit des Textsubjekts. Das ,Kippen' der Referenz ist ein qualitativerVorgang, der systematisch nicht auszuweisen ist: ein Wechsel der kommunikativenbzw. rezeptiven Intention. Prinzipiell ist es, wie die linguistische Debatte um den Satz,Little green ideas sleep furiously' beweist, immer möglich, einen praktischen Text als philosophischen,einen philosophischen als fiktionalen, den fiktionalen als lyrischen; kurz: jedervon diesen als alle anderen und darüber hinaus alle nicht erwähnten und alle erwähnten alsjeden anderen von ihnen und jeden von diesen zu lesen. Das Ganze mag zwar unsinnig sein,aber dieser, Unsinn' ist wiederum praktischer oder epistemischer, keinesfalls jedoch systematischer,Natur'. Im Normalfall schließt das Subjekt aus dem praktischen Prätext auf einesemantische Intention, trägt diese an den Text heran und erprobt sie - unter der Hypostasedes ,principle of chariry' - an ihm, bis es sich - wiederum sind die Gründe subjektiv, allenfallsepistemisch - gezwungen sieht, die referentielle Intention der Lektüre zu wechseln.78) Text ist, genau genommen, diese Bewegung der Modifikation; nicht nur die erste Stase wirdaufgelöst, sie ist bereits Resultat einer Modifikation des Rezpientenbewußtseins, die mitdem ersten Buchstaben, mit der Vorlage des Textes, mit der Suche nach ihm - oder einemText überhaupt -, mit der Lust oder dem Zwang zu lesen, mit der Fähigkeit zu lesen undder Praxis des Erlernens schon begonnen hat.79) Eventuell hat die Erosion des Verstehens schon vor dem Text begonnen, ohne daß das Sub-513


jekt sich ihrer bewußt gewesen wäre. Der Text: fungiert dann als Affirmation des Unbewußten.Hieraus leitet sich die therapeutische Funktion texrlicher Objektivation ab: Er zeigtdem Individuum mehr, als es von sich wußte. Freilich unterstellt sich das Subjekt damitdem Kurarell seiner Herrschaft: Es erscheint als Funktion der textuelIen Struktur. Psychoanalytischund psychohistorisch - siehe Geliert - kann diese Unterwerfung des Subjekts alsIdentifikation mit dem Vater - und dem nomme du pere - gedeutet werden; der Text wirdzum legalen Supplement verbotener Wünsche.80) Wenn aber das Bewußtsein als identisches jede Wahrnehmung begleitet, so spielt es für dieVerhältnisse der einzelnen Wahrnehmungen untereinander keine Rolle. Es wird zum reinenMedium.81) V gl. Dante Alighieri. Das Gastmahl (II convito) Vbers. von Kar! Llldwig Kannegießer. (= DanteAlighieri's (sie!}) prosaische Schriften. Teil 1) Leipzig 1845. bes. S. 32, sowie S. 3f.; vgl. dazuKar! Olto Apel. Die Idee der Sprache in der Tradition deJ Hllmanismus von Dante bis Vico. (= Archivf Begriffigeschichte Bd. VIlI) Bonn 21975; Willy Krogmann. Die Mannigfaltigkeit der Sprachein der Sicht DanteJ. In: Die Metaphysik im Mittelalter. Hrsg. v. Palll Wilpert. (= MiscellaneaMediaevalia Bd. 2) Berlin 1963, S. 136-143.82) V gl. Dante, Gastmahl, S. 98f.83) Valla bestreitet nicht die Existenz von Begriffen, wohl aber ihre Angemessenheit und Erkennbarkeit.84) V gl. [van IIlich. Vom Recht au/Gemeinheit. Reinbek 1982; S. 15ff., bes.S. 18; Wemer Bahner.Beitrag zlIm Sprachbewllßtsein in der spanischen Literatur des 16. und 17. jahrhunderts. Berlin1956.85) So ist John Milton nicht nur politischer Radikaler und ästhetisches - episches wie lyrisches- Genie, sondern auch der Autor einer ramistischen Logik.86) Dies ist die Tätigkeit der Sprachwissenschaften, Textwissenschaften, Informationstheorien,Semantiken, Pragmatiken, Ästhetiken, vermeinrlichen Rhetoriken und wie immer auch dieBemühungen heißen mögen, das Erleben der Worte in Begriffen zu sterilisieren. V gl. Blich:Gemeinheit, S. 24f.87) Zur Differenz a priori/a posteriori - notwendig/kontingent vgl. Kripke, Name.88) V gl. Specht, Commercium.89) Dante A!ighieri. Vber die Volkssprache. (De vlIlgari e!oqllio). [n: Dante Alighieri's (sicl) prosaischeSchriften. Vbers. von Karl Llldwig Kannegießer. Thei! 2. uipzig 1856, S. 98.90) IIIich, Gemeinheit, S. 27.91) Die parole spielt methodisch keine Rolle, da das Erkenntnissubjekt zu situativen oder personalenÄußerungen weder willens noch in der Lage ist. "Descartes' noch immer aufschlußreicheIllusion bestand nicht so sehr darin, daß die morale dijinitive bald kommen müsse,weil die Physik schnell zu vollenden wäre, sondern vielmehr darin, daß die Zwischenzeiteine statische Phase des Festhaltens am seit eh und je Verbindlichen sein könne. Descarteserkannte nichts von der Rückwirkung des theoretischen Prozesse auf das vermeinrliche Interimder provisorischen Moral." (Blumenberg, Annäherung, S. 110)92) "Letztlich beruht also jede sichere Begründung bei Locke auf Sprachkonventionen des Beweisenden,die sich auf von diesem selbst willkürlich, d.h. ohne Adäquatheitsintentionen,gebildete übersehbare Ideenkomplexe beziehen. Für einen anderen verbindlich ist ein solcherBeweis dann, wenn dieser Gesprächspartner bereit ist, ein abweichendes Verständnisder verwendeten Termini und damit auch des zu beweisenden Satzes zurückzustellen. Unterdiesen Umständen lassen sich dann allerdings beliebige Sätze nach geeigneten Bezeichnungsfeststellungengewiß machen: Beweise, die vor den jeweils nötigen terminologischenKonventionen interessant erscheinen, können nach diesen Fixierungen jedes Interesse verlieren,weil der Sinn des .bewiesenen Satzes' anders gemeint war als erwartet." (Kambacrel,Erfahrung, S. 47)514


7 Statt eines Schlusses: Leibniz oder die Moral der Vernunft1) Zwar ist Baumgartens Ästhetik nicht unmittelbar auf Text gerichtet, sondern scheint alsgnoseologia inferior gerade auf eine Ebene unmittelbarer Wahrnehmung abzuzielen, die derVerbegrifflichung von Wahrnehmung gerade vorausliegt, aber er erschließt damit der systematisch-begrifflichenPhilosophie eine Sphäre, die bis dahin Dominium und Refugiumder ungenauen Regeln der Rhetorik war. Baumgarten negiert die Rhetorik nicht, sondernfunktionalisiert sie; "im Schutze ihrer Traditionsargumente entfaltet sich das Neue" (Mari.­LuiJe Linn. A. G. BaumgartenJ' ,Aesthetica' und die antike Rhetorik. In: DVjJ. 41 (1967},S. 424-443, hier: S. 443; vgJ. UrJula Franke. KNnJt als ErkenntniJ. Die Rolle der Sinnlichkeitin der ÄJthetik deJ Alexander Gottlieb Baumgarten. Wiesbaden 1972, bes. S. 109, sowie MichaelJliger. Kommentierende Einführung in BaumgartenJ ,Aesthetica'. Zur entJtehenden wiuenJchajtlichenÄJthetik des 18. JahrhundertJ in DeutJchland. Hi/deJheim / New York 1980 u. Friedhelm SolmJ.DiJciplina AeJthetica. Zur Frühgeschichte der ästhetiJchen Theorie bei Baumgarten und Herder. Stuttgart1990). Gleichzeitig reduziert die Ästhetik die Sinnlichkeit der Darstellung auf ihrenphänomenalen Gehalt. Schmidt-Biggemann spricht von der ,,alleinigen Legitimität dessachlichen Arguments" (Schmidt-Biggemann, Topica universalis, S. 302); sie besiegelt damitdas Schicksal der Topik und der inventiven, kombinatorischen Virtuosität (vgJ. A a. 0.,S. 299 u. Beetz, Logik, S. 120-160). Zum Schluß seiner Deszendenzgeschichte der Topikresümiert Schmidt-Biggemann lakonisch: "Die Konstitution der Ästhetik beseitigte dieletzten Reste universaler Topik." (A. a. 0., S. 302)2) Doch stehen bereits die umfänglichen Poetiken des Barock, die Winfied Barner aufgearbeitethat unter ,Methodisierungsdruck' (vgJ. Winfied Barner. Barockrhetorik. UnterJuchungenzu ihren geJchichtlichen Grundlagen. Tiibingen 1970).3) VgJ. FranciJj. Kovach. The TranJcendentality ofBeamy in ThomaJ AquinaJ. In: Die MetaphyJikim Mittelalter. HrJg. v. Paul Wilpert. Berlin 1963, S.386-392.4) Die Transformation der hermeneutica sacra in eine hermeneutica profana bewahrt eine Reihestruktureller Isomorphien: Hans Georg Gadamer bestimmt mit Spiel und Bildhaftigkeitzwei Momente der Erfahrung des Kunstwerks, die das Paradigma universal gültiger hermeneutischerErfahrung darstellt. Sie entsprechen strukturell den Praxis und Werkcharalctergenannten allgemeinen Konstituenten der Textualität. Das Spiel fordert vom Spieler, seineMfekte zurückzustellen und sich den Notwendigkeiten des Regelkorpus zu fügen. Damitaber ist "das ,Subjekt' der Erfahrung der Kunst, das was bleibt und beharrt, [...} nicht dieSubjektivität dessen, der sie erfährt, sondern das Kunstwerk selbst. [...} Das Subjekt desSpiels ist nicht der Spieler, sondern das Spiel kommt durch den Spielenden lediglich zurDarstellung." (HanJ Georg Gadamer. Wahrheit und Methode. Tiibingen 31973, S. 98; vgJ. 102)Die Gadamersche Hermeneutik ist keine Theorie des Verstehens als kommunikativer Aktsondern Theorie des Selbst-Verständnisses der Vernunft. Sie reiht sich ein in die TraditionLutherscher Hermeneutik und bleibt ihr treu, auch wenn sie inhaltlich die Erfahrung desGlaubens durch die Erfahrung einer Vernunft substituiert, die sich nur in den jeweiligenModi ihres Erscheinens zeigt. Klaus Weimar zeigt diese Hermeneutik als rekonstruktiveVerbegriffiichung - und implizit damit als nachgängige ,Rationalisierung' inspiriertenSinn-Erlebens: "Am Anfang steht für Luther die unbestreitbare Erfahrung, daß an läßlichoder aufgrund der Predigt über Texte der Bibel oder anläßlich oder aufgrund dieser Texteselbst ein Verständnis entstehen kann, welches Glaube genannt wird, und als Erfiillung derIntention dieser Texte angesehen wird. Um dies Verständnis als sinnvoll, möglich und notwendigbegreifen zu können, muß in Übereinstimmung mit ihm rekonstruiert werden, wiePredigt und Text beschaffen sein müssen, damit die Erfahrung des Glaubens Erf"üllung ihrerIntention ist. Das hermeneutische Denken ist Extrapolation der Erfahrung des Glaubens,welche im Gang der Begründung ihren Ausgangspunkt als Ziel anvisiert. Das ist die genuineForm des hermeneutischen Zirkels, welcher nicht das Verstehen, sondern das Verstehendes Verstehens, eben die Hermeneutik, die Reflexion, betrifft und im vollendeten Begreifendes Verstehens als Vollendung der Bewegung des Verstehens auftritt, wie es ja auch nicht515


anders sein kann, wenn das Verstehen als Verstehen verstanden werden soll." (Klaus Weimar.HistoriJche EinleitJmg zur literaturwiJJenJ"haftlichen Hermeneutik. Tübingen 1975. S. 32f.) "LuthersHermeneutik ( ...} leitet die ihr vorausliegende Erfahrung des Ereignisses Glaubennicht ,historisch' als Ereignis der Auslegung der Schrift ab, sondern befragt es ,transzendental'nach den Bedingungen seiner Möglichkeit (in der Schrift}." (A. a. 0., S. 33f.) Ihr wird.. der Text, die Schrift als Wort Gottes, zum Subjekt der Auslegung, und zwar weil diejenigeForm des Verstehens, welche theologisch Glauben genannt wird, als nicht machbar und alsonicht verdienstlich erfahren wurde." (A. a. 0., 34f.) Neben dieser inspirierten theologischenHermeneutik beschreibt Weimar einen zweiten, säkularen Zweig der Tradition, der in derrationalistischen Philosophie und damit semantisch in einer Repräsentationstheorie des Zeichensgründet. Ihr Kronzeuge ist Gottsched, dessen Konzept wird als Expansion Wol/EcherPhilosophie ins Literarische verstanden. Das Problem dieser - Weimar nennt sie "Signifikationshermeneutik"- ist nicht, den Prozeß des Verstehens selbst auf die Bedingungen seinerMöglichkeit hin zu reflektieren, sondern ihn in seinen materialen Parametern zu bestimmen.In dieser Form ist Hermeneutik Theorie, nicht Meta-Theorie der Kommunikation. Siewill - um einen Ausdruck Gadamers zu gebrauchen, den er rur die eigene Konzeption ausdrücklichablehnt, (Gadamer, Wahrheit, S. 372) - .. psychische Transposition": .. Der Prozeßder Sprachwerdung ruhrt von den res über die notiones zu den verba; der Prozeß der Auslegungbzw. des Verstehens ruhrt von den verba über die notiones zu den ces, ist also die spiegelbildlichgenaue Umkehrung der Entstehung. Der Verstehende folgt der Signifikat ion derRede und eignet sich durch Aufgeben der wo,!,haften Zeichen den selben Sinn (significatus)an, welcher im Geist des Redenden war. Der Verstehende entspricht der Intention des Redenden,indem er den Prozeß der Entstehung der Rede sozusagen rückwärts ablaufen läßt,vom Wort zeichen über die Begriffe zu den in ihnen vergegenwärtigten Sachen, und ein Zeichenerfüllt seine Aufgaben vollkommen, indem es sich selbst aufgibt und nur zur Sachebringt. Das Verständnis einer Rede ist dann richtig und angemessen, wenn der Verstehendeaufgrund seiner Sach- und Sprachkenntnis anläßlich der gehörten Wörter mit größtmöglicherWahrscheinlichkeit und Genauigkeit dieselben Begriffe oder Vorstellungen von denselbenSachen hat wie der Autor. Die richtige Auslegung führt zu einer Verdopplung desgemeinten Sinnes, indem der Verstehende der significatio der Worte folgt." (Weimar, Einleitung,S. 16f.)5) Zum Problem des ,Sprunges' bei Leibniz vgl. Martin Gueroult. Raum. Zeit, Kontinuitiitund Principium indiscernibilium. In: Systemprimip und Vielheit der WiSJenJchaften. Hrsg. v. UdoWilhelm Bargend und }ürgen Blühdorn. (Studia Leibnitiana, Sonderheft 1) Wiesbaden 1969.S. 62-77. bes. S. 72f.6) Diese Darstellung ist - siehe Ramus-Kapitel- freilich nur ein systematisches, ahistorischesModell zur Beschreibung einer historisch komplexen Interdependenz.7) Tatsächlich werden die vernunftunfähigen Subjekte aus der Gattung ausgegrenzt oder in dasStadium der Vor-Vernunft, in Kindlichkeit verwiesen.8) A) Zitiert wird im Allgemeinen - und ohne weitere Kennzeichnung - nach der Ausgabe:Gottfried Wilhelm Leibniz. PhiloJophiJche Schriften. Hrsg. u. iiberJ. v. Hans Heinz Holz. Darmstadt1959/f. Band 1 dieser Ausgabe enthält vermischte Schriften, Bd. 2 (2 Tle.) die Thevdizee undBd. 3 (2 Tle.) die Nouveaux ESJais. Aus dieser Ausgabe werden die einzelnen Titel nach evd.Buch, Paragraph und Seitenzahl unter den folgenden Siglen zitiert: Monadologie: Mo; Nou­VtaUX ESJais Sur L'Entendement Humain: NE; Essais De Theodicee Sur La Bonte De Dieu, LaLiberle De L'Homme Et L'Origine Du Mal: Th; Systeme nouVtau De La Nature Et De La CommunicationDes Substances, Amsi Bien Que D. L'Union Qu'lI Y A Entr L'Ame Et Le Corps: SN; PrincepJDe La Natllre Et De La Grace, Fondis En Raison: PN. Darüber hinaus wurde herangezogen:G. W. L. Die philosophischen Schriften. Hrsg. v. c.l. Gerhardt. 7 Bde. Berlin 1875/f. (Repr.Hildesheim 1962). Diese Ausgabe wird unter der Sigle ,Gerh., nach Band- und Seitenzahlzitiert. Zitate aus der Akademie-Ausgabe (vgl. Kap. 1, Anm. 131) werden weiterhin mitder Sigle ,SS', Zitate aus den Politischen Schriften (vgl. Kap. 1, Anm. 197) mit der Sigle,PS' gekennzeichnet. Ausnahmsweise wird auch auf die Ausgabe Gott/ried Wilhe1m Leibniz.Neue Abhandlungen über den menschlichen Verstand. Oben, eingel. 11. hrsg. v. Ernst Cassirer. Ham-516


urg 1971 zurückgegriffen. Dabei wird mit dem Zusatz (Cassirer) zur Sigle NE kenntlichgemacht.B) Im Zentrum dieser Ausführungen stehen nicht die bestimmten Modalitäten und Möglichkeitensprachlicher Repräsentation, sondern die Bedingung und die systematische Fassungdes Zeichens als solches. Zum Repräsentationsbegriff Leibnizens, dessen Bedeutungund zur älteren Lteratur vgl. Dietrich MAhnk •. LeibnizenJ Synthese wn Uni"ersalmathematik undIndividualmetaphysik. Halle 1925 (Repr. Stuttgart-Bad Canmtatt 1964, S. 515ff.; zur Sekundärliteraturüber Leibnizens Sprachauffassung und -theorie vgl. Klaus D. Dutz. Zeichenth_i.und Sprachwissenschaft. Eine kritiJch annotierten Bibliographie der Sekundä,.literatur. Mit einemAnhang: Sekundärliteratur Zur Sprachforschung im 17. Jahrhundert v. Ulrike K/inkhammer. Miin­Jter 1983, sowie die Leibniz-Bibliographie. Hrsg. v. Albert Heinekamp. Frankfurt a. M. 1984,S.307-317.9) Zum Problem des Verhältnisses körperlicher Mechanik und panpsychistischer Ontologievgl. Martin Schneider. Leibniz über GeiJt und MaJchine. In: Phil.Jb. 92 (1985), S. 335-352.10) Leibniz betont: ,,[ ... } la notion des Atomes est chimerique, et ne vient que des conceptionsincompletes des hommes." (NE II, 17, § 3, S. 392) V gl. Hans POJer. Gottfried Wilhelm Leibniz.In: Klauiker der PhiloJophie. Hrsg. v. Ottfried Höfle. Bd. 1, München 21985, S. 378-404,hier: S. 394ff.; HanJ Heinz Holz. Leibniz. Stuttgart 1958, 2. 29-59.11) Wie Gott als Gott der Macht der Ort absoluter Identität war, ist er aus der Perspektive der"petits Dieux" (SN, § 5, S. 206) d. h. der humanen Monaden, als Gott der Ideen Ort allerDifferenz, denn, wie Hans Heinz Holz in bezug auf den Leibnizschen Seinsbegriff formuliert:"Unendlichkeit ist nur intentsiv als Repräsentation des Ganzen im Individuum zufassen, also gerade als Einheit. Der vollständige Begriff des Individuums schließt nach Leibnizdie unendliche Existenz ein, weil es die series rerum als vollständige Menge der requisitaseiner einschließt." (Hans Heinz Holz. Leibniz: Die KonJtruktion des Kontingenten. In: KlausPete" I Wo/fgang Schmidt / HanJ Heinz Holz. ErkenntniJgewißheit und Deduktion. Zum Aufbauder philosophischen SYJteme bei DucarteJ, Spinoza und Leibniz. DarmJtadt u. Neuwied 1979,S. 129-178, S. 158)12) V gl. Kondylis, Aufklärung, S. 55ff.13) Solche wäre unmöglich, da wiederum Differenzielles substanzialisiert würde.14) Ein kon


haltenden Begriffs ist. Für den Menschen ist qua Gedächtnis nicht nur die Akkumulationseiner Bewußtseinszustände, sondern gleichfalls deren Reflexion konstitutiv. Da die Begriffewiederum virtuell sind und ihre Gültigkeit abhängig von der Iteration ihres reflektierendenVollzuges, ist die Selbstbehauptung humaner Identität nur als Prozeß der Akkumulationidentischer Begriffe denkbar.18) Der nächste Paragraph wiederholt die fa~on du pader der Kausalitäten: ,,Aussi voyons nousque la Nature a donne des perceptions relevees aux animaux par les soins, qu'elle a pris deleur fournir des organes, qui ramassent plusieurs rayons de lumiere ou plusieurs undulationsda I'air pour les faire avoir plus d'efficace par leur union." (Mo, § 25)19) Damit droht die Gefahr eines unendlichen Regresses und das Dilemma aller Reflexionsphilosophie.V gl. Dieter Henrich. Ficht .. Ich. In: Der5. Selb5tverh/iltniue. Gedanken und AU51egungenzu den Grundlagen der klaui5chen deuf5chen Phil050phie. Stuttgart 1981, S. 57-82.20) Zur komplexen Konstruktion der Interdependenz von Kontinuität und Diskretheit temporalerStasen vgl. Gernot Bbnme. Zeit und Zahl. Studien zur Zeittheorie bei Platon, Ari5tOtele5, Leibnizund Kant. Frankfurt a. M. 1974, S. 195-257, bes. 247; Sybi//e Kr/imer. Zur Begründung de5Infinite5imalkalkü!J durch Leibniz. In: Phil050phia naturali5, 28 (1991), S. 117-146. Die Ausführungenvon Ernst Cassirer können - wie von Cassirer selbst in späteren Jahren - als überholtbetrachtet werden (vgl. Ermt Cauirer. Leibniz' SY5tem in .. inen wiuemchaftlichen Grundlagen.Marburg 1902 (Repr. Darm5tadt 1961), S. 90-102.21) Vgl. M05e5 Mendeluohn. Ober die Empfindung. In: Den Ä5theti5che Schriften in AU5wahl; HrJg. v.Otto F. Best. Darm5tadt 1974, S. 29-110, bes. die von Mendelssohn selbst verfassten .Anmerkungendes Herausgebers (A.a.O., S. 91-110)22) Eine .. imagination forte" wirkt, indem sie ,Jrappe et erneut" (Mo, § 27). Auf der kreatürlichenEbene argumentiert Leibniz mit dem antiken Wirkungsschema des elos kai phobos;dessen christliche Pazifizierung durch spes et metu in dem beruhigten Mitleid der transzendentenHeilsgewißheit ist erst mit dem theologischen Programm der Theodizee und seinerAntizipation der Notwendigkeit, systematisch also auf der vernünftigen Ebene humaner Argumentationzu bewerkstelligen. (V gl. Manfred Fuhrmann. Einführung in die antike Dichtung5theorie.Darm"adt 1973, S. 291ff.)23) Signifikant für die methodische &hwierigkeit, das Konzept von trans-temporaler Identitätmonadologisch denken zu können, ist die wiederholte Reformulierung dieses Punktes in derMonadologie (vgl. Mo, § 7, Anm. 1, S. 440). Ursprünglich hatte Leibniz formuliert: .. Cependantil faut bien qu'il y ait quelque changement dans les Monades: ( ... )" (ebd.); schließlicherstreckt sich die Argumentation über mehrere Paragraphen.24) Sybille Krämer warnt vor einem ,naturalistischen Fehlschluß' im Verständnis der LeibnizsehenMathematikkonzeption, dem das hier Geäußerte korreliert: .. Rechnen heißt nicht einfachmit Zahlen operieren, wie etwa mit Anzahlen von Rechensteinen ,hantiert' werdenkann, sondern heißt, mit den symbolischen Repräsentanten der Zahlen regelgeleitet verfahren."(Krämer, Begründung, S. 135)25) Zur dieser zeitlichen Verschiebung vgl. Emmanuel Levina5. Intentionalitä~ und Empfindung. In:Ders. Die Spur de5 Anderen. Unter5uchungen zur Phä'nomenologie und Sozialphil050phie. Freiburg1983, S. 154-184, bes. 167f.26) .. ( ... } il (Dieu} est toujours parfaitement content et a son aise." (Th II, § 114, S. 376) Zur,Blödigkeit' vgl. Georg Stanitzek. Blbäigkeit. Be5chreibungen des Individuum5 im 18. Jahrhundert.Tübingen 1989.27) Auf der Ebene der Perzeption, also auf der Stufe der einfachen Monade, kann Gedächtnisnicht vorkommen, denn was als Erinnerung erscheint ist eine bestimmte Identität kausalerZuschreibung: Eine Handlung ist dem Subjekt identisch. Aber noch bei Tieren ist die Erinnerungqualitativ, d. h. keine Erkenntnishandlung, sondern eine quasi materiale Rekurrenzder Befindlichkeit, die sich nach Nähe richtet (vgl. Mo, 63ff., S. 466f.). Daß eine Identitätder Perzeption als Einheit der Zeit der Abfolge vorausgehen muß, ist hierbei zunächstnicht thematisiert.28) .. ( ... } quand on montre le baron aux chiens, ils souviennent de la douleur qu'illeur a cause etcrient ou fuient." (Mo, § 26, S. 430/ vgl. Zitat oben! V gl. PN, § 5, S. 420f.) Die patheti-518


sche Geste ist kein Zeichen, sondern eine Induktion, die Verhaltensmodifikation bewirkt.Zum Zeichen wird die Geste erst durch die Zuschreibung einer Kausalität, die nicht mitder - prinzipiell unmöglichen - Kausalität selbst zu verwechseln ist. Diese Zuschreibung istjedoch bereits Produkt von Reflexion. Da die Geste dem Schlag nicht identisch ist, aber inProlepsis als Indiz und Anzeichen des Schlages gewertet wird, steht sie hier schon etwas fürein anderes. Damit formiert sich ein Zeichenproblem: Das Zeichen wird vom Gedächtnisinszeniert, da die Identität der Erinnerung sich in der je situativen Perzeption als - faktische,nicht als reflektierte - interpretative Vorgabe behauptet. Freilich geschieht diese Interpretationunabhängig von Bewußtsein, einfach als Folge der Identität der Seele. Da diesepathetische Prolepsis auch in der reflektierten Monade noch statt hat, kann es zum Konfliktzweier ,Zeichenmodi' kommen, das Urteil der Vernunft kann als absolut überzeitliches zurrelativen Konsistenz des Gedächtnisses in Opposition treten, sobald die Reflexion dem widerspricht,was die Geste bedeutet. Das Illusionsproblem der aufklärerischen Ästhetik deutetsich an; es stellt sich mit dem Bewußtsein der Zeichenhaftigkeit des Gedächtnissesselbst, d. h. mit dem Bewußtsein, daß den Zeichen der Vernunft ein Pathos des Körpers aufgleicher, nämlich der Ebene der Zeichen, entgegenstehen kann, ohne daß sich die Kraft derVernunft und jene körperlicher Pathetik gegenseitig eliminieren, gerade weil die reflexive,sich selbstbehauptende Vernunft im pathetischen Zeichen das andere ihrerselbst erkennt.Da das Interesse der Vernunft überzeitlich ist, muß ihr Zeichen überzeitlich zu sein, sieerkennt in der kontingenten Biographie des pathetischen Zeichens nur eine Simulation deseigenen Interesses. Da aber auch die Vernunft auf Gedächtnis und damit auf Zeichen angewiesenbleibt, eignet ihren Zeichen gleichfalls ein pathetisches Radikal; und da sie sich ihrerSchwäche bewußt ist, muß sie sich zuweilen eben dieses Radikals bedienen, es amplifizierenund habitualisieren, um sich im status hominis zu behaupten. Dieses pathetische Zeichender Vernunft ist die vernünftige Bestreitung der Unmittelbarkeit - der Präsenz - des Gefühls.Das Interesse der Vernunft inszeniert eine pathetische Reflexivität: eine vernünftigeDomestizierung des Gefühls. Sie versucht in diesem Kampf einen Vorteil dadurch zu erlangen,daß sie ihn auf ihr eigenstes Gebiet: auf das Gebiet der Zeichen zieht.29) Preis für die Fixierung auf Identität des Bewußtseins ist sein katastrophisches Umschlagen.Mit dem Primat des Identischen wird alle Heteronomie zur Bedrohung, weil alles Heteronomeals dysfunktional erfahren wird: Aus dem Interesse der Vernunft gedrängt, wird esunbewußt. Im Urteil der Vernunft bedeuten die Zeichen der Biographie Devianz.30) Eben diesen Schluß von Möglichkeit auf Wirklichkeit wird Kant kritisieren.31) Leibniz kennt keinen leeren Raum vg!. Mo, § 61; NE IV, Kap. 7, § 14, S. 401; Ne (Cassirer),Vorrede, S. 18.32) In der Metaphysik der intellektueller Kräfte gibt es keine Indifferenz (vg!. Ne II, Kap. 21, §48, S. 312f.; NE 11, Kap. 20, § 6, S. 226ff.; Th, § 35, S. 261; Th, § 46, S. 277).33) Zu den Stufen der (bewußten) Wahrnehmung vg!. G. W. 1. Meditatione de


ve que les regles du fini reuissent ans I'infini [...}' Der Terminus ,Kontinuität' enthüllt soeine operative Dimension: Er gilt als eine Vorschrift, eine gewisse Ordnung beim unbegrenztenAusfUhren der Operationen zu wahren und auf diese Weise die Ordnung der durchdie Operation erzeugten Gegenstände zu verbürgen." (Das Leibnizzitat nach Gottfried Wi/­helm Leibniz. Mathemati"he Schriften. Hrsg. v. C. 1. Gerhardt. 7 Bde., Ber/in I Halle 1849-1863(Repr. Hildesheim 1965}, IV, S. 93)37) Die Theodizee endet dementsprechend auch in einer emphatischen Schau, in der sich Leibnizauf die Schau Antonios in Vallas De voluptate cückbezieht und sie zu überbieten sucht.38) Zur Problematik des principium indiscernibilium vgl. Gueroult, Raum.39) V gl. Specht, Commercium, S. 69-96.40) Hier sind freilich weder die im engeren Sinne linguistischen Leistungen Leibniz' (vgl. HansAarsle/f. The Eighteenth Centllry, Inclllding Leibniz. In: Cllrrent Trends in Lingllistics. Ed. byThomas A. Seboek. Vol. 13: Historiography o[ Lingllistics, S. 383-480, Section 1: Leibniz,S. 385-410) noch seine Bemühungen um eine logische Grammatik Thema. Es geht wederum die idealen Möglichkeiten, noch um die konkreten Bedingtheiten sprachlicher Form,sondern einzig um den systematischen Ort und die daraus von Leibniz - auch als Autor -gezogene praktische Bedeutung des Zeichengebrauchs.41) Freilich wird dabei unter Sprache die vox begriffen und nicht das Bild götclicher ordo, wiees sich im Text einer - manifesten oder latenten- .heiligen Schrift' materialisiert, und dasdie sprachphilophischen Reflexionen im Repräsentarnen und in der Reflexion auf die Bedingungenvon dessen Möglichkeit nachzubilden versuchen. Entscheidend an dieser Stelleist, daß in der semantischen Autarkie der Monade Kommunikation nur noch ,ideal', d. h.nur noch über das Medium Gott denkbar ist.42) Ein historisches Indiz für die Gültigkeit der Implikationen der monadischen Konzeptionliegt im Absterben der sprachlichen Produktionswissenschaften Rhetorik und Anweisungspoetik,sowie deren Ersetzung durch analytische Wissenschaften wie Kritik, Hermeneutik,Ästhetik, Sprachwissenschaften, die alle zunächst den Zustand ,der Monade' analysieren undallenfalls nach der Reflexion auf die allgemeinen Bedingungen des Gegenstands notwendigeBedingungen seiner Synthese exponieren. Diese können ihrerseits entweder bedingte,vorläufige Gültigkeit beanspruchen - und werden damit selbst zum Objekt der Analyse(s. u.) -, oder sie rekurrieren auf ,primitive Wahrheiten' (Mo, § 33), deren Geltung von derMöglichkeit wie dem Ereignis der Kommunikation gänzlich unabhängig ist. (Wenn es linguistischeUniversalien gibt, existieren sie auch, wenn keiner spricht. Ein rhetorischer commonplace hingegen ist davon abhängig, daß er von Zeit ZII Zeit erfahren wird; erfahren werdenkann er, da die Sprache Setzung des Sozialen ist und nur im Sozialen bestehen kann. DasSoziale aber ist rhetorisch gesehen gleich ursprünglich mit der Sprache gestiftet. Der rhetorischeZirkel: Daß die loci communes nur gelten, wenn sie gültig sind.)43) Dem widerspricht scheinbar der Gemeinplatz, daß die Rhetorik nur dort gedieh, wo republikanischeVerhältnisse herrschten. Freilich hat Rede nur Sinn in Situationen relativer Freiheit,d. h. solange die Gewalt des Kairos nicht ,zuschlägt'. Aber sie hat auch und gerade denZweck, die ihr nicht eliminierbare Gewalt unschädlich zu machen, sie abzulenken, sich ihrzu entziehen.44) Diese Ergebnisse können jedoch nicht real, sondern nur intentional identisch sein, sonst kämedie Welt zum Stillstand, weil eine Identität der intellektuellen Zustände eintreten würde.Sie können aber in ihrem rationalen Substrat identisch sein; die Differenzen markierendann eine ,Peripherie' als quasi subjektive Begleiterscheinung. Doch heißt dies auch, daßZustände ohne Peripherie undenkbar sind; die Zustände der Monade sind partielle Identitätenund periphere Differenzen, d. h. Ähnlichkeiten: ..[...) cependant iI est tres vray que lesperceptions ou expressions de toutes les substances s' entrerepondent, en sorte que chacunsuivant avec soin certaines raisons ou loix qu'il a observees, se rencontre avec raut re qui enfait autant, comme lors que plusieurs s'estant accordes de se trouver ensemble en quelqueendroit a un certain jour prefix, le peuvent faire effectivement s'i1s veuillent. Or quoy tousexpriment les memes phenomenes, ce n'est pas pour cela que leur express ions soyent parfaitementsemblables, mais il suffit qu'elles soyent proportionelles; comme plusieurs specta-520


teurs croyent voir la meme chose, et s'entrentendent en effect, quoyque chacun voye et parleselon la mesure de sa veue." (D, § 14, S. 94)45) In seiner spekulativen Weiterfiihrung des Leibnizschen Zeitbegriffs interpretiert GernotBöhme die Zeit der Monade als .. die Lebenszeit" (Böhme, Zeit, S. 254). Abgesehen von demtrivialen Einwand, daß Böhme nicht, wie er formuliert, eine .. Zeit der Monade" (ebd.), sonderndie Zeit eines ihrer Zustände meinen kann, bleibt diese Definition unklar, da unterLebenszeit entweder die Zeit des Organismus oder die Zeit mentaler Selbstgegenwart oderdie Zeit intellektueller Selbstmächtigkeit verstanden werden kann.46) Die Intuition Gottes erscheint ad hominem als Umkehrung der Perspektivenmetapher desBlicks auf die Stadt: .. Car Dieu tournant pour ainsi dire tous costes et de toutes les fa'i0ns lesysteme general des phenomenes qu'il trouve bon de produire pour manifester sa gloire, etregradant toutes les faces du monde des toutes les manieres possibles, puisqu'il n'y a pointde rapport qui echappe a son omniscience" (Discours de metaphysique § 14, S. 94, § 14,S·92)47) Wie Hans Heinz Holz in der Einleitung zu dem Abschnitt Unendlichkeit und Fortschritt, dersich mit dem Pascalsehen Unendlichkeitsbegriff auseinandersetzt, schreibt, war Leibnizdurchaus nicht von einer quasi automatischen und kontinuierlichen Zunahme der Vollkommenheitdes Universums überzeugt: .. Wird Vollkommenheit nach dem Vorbild der Kraftgedacht, so muß die Summe stets die gleiche bleiben; wird sie hingegen als ein Modus desVollzugs genommen, so ist sie steigerungsfähig, im unendlichen Ganzen der Welt sogarunendlich stiegerungsfähig." (A. a. 0., S. 366)48) Nicht das Gedächtnis, sondern die Erinnerung ist Spefizikum der beseelten Lebewesen (alsqualitative Erinnerung) und der Menschen (als reflektierende Erinnerung). Gedächtnis isteine Funktion der Perzeption selbst, nur durch die Leistung der Monade, in ihrer IdentitätPerzeptionen zu bewahren, ist es überhaupt nöglich, Tatsachen zu erinnern, die zuvor nichtInhalt der bewußten Aufmerksamkeit waren: .. Car toute attention demande de la memoire,et souvent quand nous ne sommes point admonestes pour ainsi dire er avertis de prendregarde a quelques unes de nos propres perceptions presentes, nous les liassons passer sansreflexion et meme sans etle remarquees; mais si quelcun nous en avertit incontinent apres etnous fait remarquer par exemple quelque bruit qu'on vient d'entendre, nous nous en souvenonset nous nous appercevons d'en avoir eu tantost quelque sentiment. Ainsi c'estoient desperceptions dont nous ne nous estions pas appeC'ius incontinent, l'apperception ne venantdans ce cas que de I' avertissement apres quelque intervalle tout petit qu'il soit. " (NE, Preface,S. XXII)49) Zum Begriff der Spur vgl.Jacques Derrida. Grammatologie. Frankfurt a. M. 1974, S. 81ff.; zurKonzeption Leibnizens vg!. Ge..ard Lehrun. La nation de ,ressemblance', de Descartes a Leibniz. In:Sinnlichkeit und Verstand in der deutschen und Jranziisischen Philosophie von Descartes bis Hegel.HrJg. v. Hans Wagner. Bonn 1976, S. 39-57.50) Vg!. NE III, Kap. 9, S. 165ff.51) Für Leibniz impliziert dies die Abwehr quietistischer Mystik (vg!. Discours, § 9[., S. 84ff.).52) ,Maschinenbau' ist die Domäne der Deutschen - sie sind in der Lage, "bewegende Werckezu verfertigen, die nicht nur die augen sättigen, und großer Herrn Curiosität büßeten, sondernauch etwas verrichten, die natur der Kunst unterwerffen, und die Menschliche arbeitleieher machen könten." (SS 4,1, S. 544); doch auch wenn sie die Neugier befriedigen, könnensie als ,Kommunikationsmaschinen' durchaus nützen, wie Leibniz in den Lebensregelnüberlegt: "man mus allezeit etwas bey sich [haben} da mit man den leüten verwunderungerwecken könne. Zum exempel die kleine machine so viel last ziehet." (SS 4,1, S. 888)Natürlich ist auch die Schöpfung - neben der Unendlichkeit des Lebendigen (vg!. Mo,§ 66ff.) - als unendliche Maschine darstellbar (Mo, § 65).53) Indem Leibniz eine klare Sprache fordert, steht er gegen die verblümte Rede barocker Rhetorik;mit seinen Maschinen allerdings scheint er der Allegorie als Erkenntnisfigur - vergleichbarder Metapher im Blumenbergschen Sinne - das Wort zu reden. Vom klassischenSymbolbegriff trennt ihn die Arbitrarität der Setzung, doch ist diese wiederum nicht Produkteines objektivierten Stiftungsmoments, sondern Resultat intellektueller Mimesis, die521


in der Verbindung der distanzierten Isomorphie von mundus sensibilis und mundus intelligibilisein Drittes, Minieres: ein Zeichen schafft. In der Maschinenmetaphorik wird das Materialeseinerseits zum ,Zeichen' der Relation bewegender Kräfte. Die Maschinenmetaphernsind - als sprachlich materiale - Zeichen und - indem sich das Material als Medium derTransmissions und Transformation von Kräften definiert - zugleich Zeichen des Zeichens.54) Vgl. Leibniz zur Anamnesis: NE I, Kap., 1, § 5, S. 21ff.55) "Ce n'est donc pas le souvenir qui fasse justement le meme hornrne. { ... } car il faut savoir quechaque ame garde toutes les impressions precendentes et ne sauroit se mypartir de la manierequ'on vient de dire: l'avenir dans chaque substance a une parfaite liaison avec le passe,c'est ce qui fait l'identite de l'Individu." (NE II, Kap. 1, § 12, S. 110)56) Im Fragment An Mundus perfectione c,",cat (Philosophische Schriften, I, S. 268-272) und anderenReflexionen zu Pascals Unendlichkeitsbegriff erörtert Leibniz die Möglichkeit desWiederabstiegs der einzelnen Monade und prüft das Konzept eines ruhenden Universums.57) Zur Stadt vgl. Mo, § 57 u. 85ff.; zum Getriebe (der Mühle): Mo, § 64, NE LIX; zum Spiegelkabinettvgl. Th 11, § 147, S. 458f., NE 11, Kap. 29, § 8, S. 458ff.58) Die basale Metaphorizität des Zeichens ist chronologisch, nicht etwa referentiell, wie Leibnizin einer ,wert neutralen' Version des Sündenfalltheorems formuliert: .. C'est que nos besoinsnous ont oblige de quitter I'ordre nature! des idees, car cet ordre seroit commun auxanges et aux hommes et a toutes les intelligences en general et devroit estre suivi de nous, sinous n'avoins point egard a nos interests: il a donc fallu s'attacher a ce!uy que les occasionset fes accidens, OU nostl-e espece est sujette, nous ont fourni; ee cet ordre ne don ne pas I'originede. notion., mais pur ainsi dire l'hiJtoire de no. decou .. erte5." (NE III, Kap. 1, § 5, S. 8) Zeichensind an sich Zeichen der Geschichte und zugleich Zeichen einer in den status hominisgefallenen, also Metaphern der absoluten Wahrheit.59) V gl. Gerhard Schmidt. Leibniz contra Locke - eine Sy.temkonfrontation. In: Sinnlichkeit undVer.tand, S. 59-73; Liider Giibe. Zur ApritJT'itä~.problematik bei Leibniz-Locke in ihrem Verhä·ltni.zu Decarte5 und Kant. In: A. a. 0., S. 75-106. Zu Locke vgl. Friedrich KambarteI. Erfahrung undStruktur. Baluteine zu einer Kritik de. FtJT'mali.mu. und Empiri.mu •. Frankfurt a. M. 1968.60) "Mais une Ame ne peut lire en elle meme que ce qui y est represente distinctement, elle nesauroit developper tout d'un coup se replis, car ils vont a l'infini." (Mo, § 61, S. 466)61) Leibniz folgt damit für seine Individual-Metaphysik der Tradition der antiken Musikästhetikund ihrer Deduktion tonaler Verhältnisse aus dem Monochord (vgl. auch Th 11,§ 181, S. 524).522


LITERATURVERZEICHNIS


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Aus dem Programmli te ra tu rwissenschaft. ----KAIIl PMIU"'_II%(h.dH·~1Dirk GrathoffKleists GeheimnisseUnbekannte Seiteneiner Biographie1993. 176 S. Kart.ISBN 3-531-12517-6Das Buch von Dirk Grathoff schlägteine neue lösung für das Rätsel derWürzburger Reise Heinrich vonKleists ous dem Jahre 1 800 vor,dem die Forschung bislang vergebensnachspürte. Weder eine Geschlechtsoperationnoch Industriespionagewaren der Anlaß für dieReise, wie öltere Spekulationenmutmaßten, sondern Bemühungen,mit Freimaurern außerhalb Preußensin Kontakt zu kommen, um vonihnen eine mäzenatenartige Unterstützungfür seine geplante philosophischeAusbildung zu erhalten.Die Begegnung mit dem schlesischenGrafen von Schlabrendorferöffnet neuartige Perspektiven fürKleists anti napoleonische Einstellung,die schon frühzeitig währendseiner Besuche in Paris durch girondistischeSchriften von Schlabrendorfsbeeinflußt worden ist.Wolfgang GramsKarl Philipp MoritzEine Untersuchung zum Naturbegriffzwischen Aufklärung und Romantik1992. 305 S. (KulturwissenschaftlicheStudien zur Deutschen literatur;hrsg. von Dirk Grathoff, GünterOesterle und Gert Sautermeister)Kort.ISBN 3-531-12346-7Der Autor untersucht am Werk vonKarl Philipp Moritz das Verhältnisvon Natur, Individuum und GesellschaftgegenEndedes 18.Jahrhunderts.Naturwahrnehmung wird alsästhetische Tätigkeit entdeckt, dieansonsten getrennte Erkenntnisqualitätenzusammenfügt. Natur wirddamit zum sozialen Raum, in demdas Subjekt Sozialität übt. In Moritz'Rhetorikkonzept entspricht demDialog mit der Natur folglich daspolitische Ideal der "zutraulichenVolksassemblee". Über eine umweltgeschichtlicheDarstellung vonMoritz' Wahrnehmungsraum Naturwird schließlich seine Nähe wieDifferenz zu aufklärerischer undromantischer Fortschrinskritik untersucht.David Hili (Hrsg.)J. M. R. LenzStudien zum Gesamtwerk1994. 233 S. Kart.ISBN 3-531-12445-5Dieser Band versammelt die überarbeitetenund erweiterten Beiträgezu einem internationalen Symposion,das aus Anlaß des 200. Todestagesvon Jakob Michael Reinholdlenz stattfand. Namhafte WissenschaftlerausDeutschland, Großbritannien,Dänemark und den USAstellen hier die neuesten Forschungsergebnissevor. Sie zeigen, daßlenz, der lange Zeit im Schanenseines 'Bruders' Goethe stand, Einsichtenin seine kulturelle Umwelthane und zu verminein vermochte,die ihn zum vielleicht aktuellstenDichter der deutschen Klassikergenerationmachen.WESTDEUTSCHERVERLAGOPLADEN . WIESBADEN


Aus dem Programmliteratu rwissenschahDlllmUR1SCHl MODERNlIN EURON.... (,"w;..~l·~~V;A_-.ttöll. ....U"0l ... ~ PT' .... ·'tNC"!."""-"--Hans Joachim Piechotta/Ralph-Rainer Wuthenow/Sabine Rothemann (Hrsg.)Die literarischeModerne in EuropaBand 1 : Erscheinungsformen literarischerProsa um die Jahrhundertwende1994. 528 S. Kart.ISBN 3-531-12511-7Für die Moderne ist der Verlustübergreifend gültiger Bestimmungskategorienkonstitutiv. Das dreibändigeWerk "Die literarische Modernein Europa" verläßt daher denWeg der herkömmlichen literaturhistorisch-enzyklopädischenDarstellungund verlegt statt dessen denSchwerpu nkt a uf d ie Ana Iyse g ru ndsätzlicherliteraturtheoretischer, poetologischerund philosophischer Fragen.Die Einzeluntersuchungen des erstenBandes zeigen mit Blick aufden Zerfall traditioneller, .,realistischer"Einheiten wie Handlung,Charakter und Individuum in denmodernen Romanen und Erzählungendie Geschichte der Auseinandersetzungdieser literatur mit denvon der Tradition vorgegebenenBegriffen Gattung, Nationalliteratur,Autor und Werk.Walter Delabar/Werner Jung/Ingrind Pergande (Hrsg.)Neue Generation -Neues ErzählenDeutsche Prosa-literaturder achtziger Jahre1993. 247 S. Kart.ISBN 3-531-12447-1literatur einer "belle epoque", einersatten Generation, die nichts mehrerlebt hat und nichts mehr zu erzählenweiß? Oder literatur, in deralles erlaubt ist, jedes Thema, jederStil, und fürdie nichts mehr Verbindlichesund kein Tabu existiert? Diedeutsche Prosa der achtziger Jahremuß sich viele Fragen und Unterstellungengefallen lassen, in denenRatlosigkeit durchscheint, unter anderemdeshalb, weil am Ende derDekade niemand ein konsensfähigesResümee zu ziehen vermochte.Der Band stellt Autoren, die sich inden achtziger Jahren durchgesetzthaben, neben Trends, die sich inder neuen literatur erkennen lassen,und Themen, dievon besondererBedeutung gewesen sind.Gerhard MeiselLiebe im Zeitalterder Wissenschaftenvom MenschenDas Prosawerk Robert Musils1991. 306 S. (KulturwissenschahlicheStudien zur Deutschen literatur;hrsg. von Dirk Grathoff, GünterOesterle und Gert Sautermeister)Kart.ISBN 3-531-12267-3Der Physiker, Psychologe, Ingenieur,Offizier und Schriftsteller RobertMusil schreibt literatur mit Herrschaftsanspruch.Er verfolgt das Ziel,in der literatur das gesamte Wissenseiner Zeit zu konzentrieren und zuübertrumpfen. Dabei gehtMusil vonder Annahme aus, daß sich allekurrenten Sprach- und Wissensordnungenbeim "gesprächigsten" Thematreffen: der liebe.WESTDEUTSCHERVERLAGOPLADEN . WIESBADEN

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