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I n fo rm a tio n - IG Metall Bayern

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Ein Fass ohne BodenSchelskys GoldgrubeDer Vertrag zwischen Schelsky und Siemens wurde für Erstereneine Goldgrube, die Schätzungen über das Volumen reichen biszu 60 Millionen Euro. Um die Zahlungswege zu kaschieren wurdenZwischenfi<strong>rm</strong>en eingeschaltet. Gemäß einem Vertrag vom19.12.1990 zahlte die Sicon Holding für Grundbesitz GmbH,eine Fremdfi<strong>rm</strong>a, die nicht Siemens gehört, an eine Schelsky-Fi<strong>rm</strong>a 52.000 Mark im Monat, ab September 1992 schon 57.000Mark. Ab 1995 übernahm die Siemens-Tochter GVD Leasing dieZahlungen. Die Fi<strong>rm</strong>a wurde später in Siemens Finance&Leasingumbenannt. Mit dem neuen Vertrag von 2001, den Siemens-Finanzvorstand Johannes Feldmayer unterschrieb, erreichte dasVolumen noch höhere Summen. Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth ve<strong>rm</strong>utet Zahlungen bis 2006 in einer Gesamthöhe vonmindestens 34 Millionen Euro, es könne aber auch noch mehrsein. WEITER AUF SEITE 161213


Wer ist Wilhelm Schelsky?Der 1949 als Sohn des Soziologen Helmut Schelsky geboreneWilhelm, begann 1978 als Vertriebskaufmann bei Siemensund <strong>fo</strong><strong>rm</strong>te aus der „Ak<strong>tio</strong>nsgemeinschaft UnabhängigerBetriebsangehöriger“ bei Siemens in Erlangen Mitte der 1980erJahre die „Arbeitsgemeinschaft Unabhängiger Betriebsangehörigere.V.“. Die Organisa<strong>tio</strong>n wurde als Berufsverband und Lobbyorganisa<strong>tio</strong>nim Deutschen Bundestag angemeldet. Sie machtePropaganda gegen die angebliche „kollektive Gleichmacherei“und die „ferngesteuerte“ <strong>IG</strong> <strong>Metall</strong>. Die AUB dagegen sei„betriebsnah, ideologiefrei, zukunftsorientiert“. In der Erklärung„Wer wir sind - was wir wollen“ wurden den Gewerkschaften„verkrustete Funk<strong>tio</strong>närsapparate“, Bürokratie, Bevo<strong>rm</strong>undung,„kollektive Gleichmacherei“, „parteipolitischer Gesinnungsdruck“und die Ausgrenzung Andersdenkender unterstellt. FrühereWeggefährten schildern Schelsky als außerordentlich autoritärund selbstherrlich, ihm wird der Satz zugesprochen, wonach sichmit Geld alles regeln ließe.Nach Geld, Macht und Ansehen strebte Schelsky vor allem.Die Süddeutsche Zeitung schreibt über ihn: „Er residierte ineinem schmucken weißen Backsteinhaus im Oberfränkischen,erwarb renovierte Villen in Ostdeutschland. Schelsky pflegteteure Hobbys, kaufte edle Möbel, ein Haus in Kanada, eineYacht, Antiquitäten, Gemälde und verfügte über einen ansehnlichmotorisierten Fuhrpark. Und trotzdem blieb noch genug übrig,um reichlich Geld in Sportvereine zu stecken, die dafür denSchriftzug AUB auf den Trikots trugen.“ (Süddeutsche Zeitung29.03.2007)Nachdem er 1990 offiziell aus dem Siemens-Konzern ausgeschiedenwar, wurde er Miteigentümer gemeinsamer Unternehmen:Schelsky übernahm zunächst 16,6 Prozent undspäter 46 Prozent an dem Greifswalder Unternehmen ML&S,ein ehemaliges Siemens-Werk. Unter Schelskys Führungging das Unternehmen aus dem Flächentarif und erhöhtedie Wochenarbeitszeit auf 40 Stunden. Der Betriebsrat desWerks, das Teile für ISDN-Anlagen fertigte, hatte zuvor für dasOutsourcing gestimmt - mit der Stimmenmehrheit von SchelskysAUB. Eine weitere gemeinsame Beteiligung existierte an der NSGNetzwerk-Service GmbH in Feldkirchen bei München, die heuteunter dem Namen Cancom Netzwerk-Service GmbH ihren Sitz inJettingen-Scheppach hat.Schelsky baute ein umfassendes Netz von Beratungsfi<strong>rm</strong>en auf,er betrieb unter anderem eine „Gesellschaft zur Qualifizierungvon Führungskräften mbH“ und eine „Unternehmens-Infrastruktur-Planung GmbH“ und den „Erlanger Sicherheitsservice“. Er teiltemit, er „berate auch Unternehmen beim Aufbau von Betriebsräten.“Als er Siemens verließ, ließ er im kleinen Kreis fallen,er tue jetzt das, was er vorher auch gemacht habe, nur gegenGeld. Viele Mitarbeiter seiner Fi<strong>rm</strong>en arbeiteten in Wirklichkeitwohl für die AUB. Wilhelm Schelsky wurde am 14.02.2007 inUntersuchungshaft genommen, am 27.03.2007 trat er als AUB-Vorsitzender zurück.1415


katieren: „Fieber, Filz und Führungsschwäche – Das haut denstärksten Standort um.“ Der Betriebsrat hatte Front gegen denAbbau von 2.000 Arbeitsplätzen gemacht. Zuständig für dieSchmähak<strong>tio</strong>n war die Medienagentur Publicis, die 1995 gemeinsammit Siemens ein Joint Venture namens MDC in München undErlangen unterhielt. Publicis publizierte auch den AUB-Newsletter.Allerdings wurde die AUB-Ak<strong>tio</strong>n ein Flop, weil sich die eigenenMitglieder angewidert von ihr distanzierten.Who is Who bei der AUB?Die stellvertretende Bundesvorsitzende Ingrid Brand-Hückstädtwird ve<strong>rm</strong>utlich das Erbe des zurückgetretenen VorsitzendenWilhelm Schelsky übernehmen. Bevor sie in den Dienst der AUBtrat, war die Rechtsanwältin für den Arbeitgeberverband derDruckindustrie Nord tätig und als Sprecherin der FDP Schleswig-Holstein zur Zeit der Barschel-Affäre. Neuer Schatzmeister derAUB ist Roland Scholz, er übernahm im November 2006 dasAmt von Rudi Lutz. Mit ihm rückte auch Peter Pogrzeba inden Vorstand, Betriebsrat bei SIS München-Perlach. WeitereVorstandsmitglieder sind Gudrun Haseloh, Stephanie Frank,Susann Herbert, Brigitte Labs und Traute Jäger.Der frühere AUB-Pressesprecher Lothar Mahling ist jetztMitglied der Hauptgeschäftsführung bei der Vereinigungder Bayerischen Wirtschaft, dort zuständig für die strategischeKommunika<strong>tio</strong>n. Präsident des Verbandes ist RandolfRodenstock. Im Rodenstockwerk in Regen stellt die AUBeine Frak<strong>tio</strong>n im Betriebsrat. Auch bei Rodenstock sollenFührungskräfte dazu e<strong>rm</strong>utigt worden sein, während derArbeitszeit Wahlkampf gegen die <strong>IG</strong> <strong>Metall</strong> zu betreiben, währenddie <strong>IG</strong> <strong>Metall</strong> ihre Flugblätter nur in der Freizeit und vorden Werkstoren verteilen durfte. Als Mahling im Dezember 2000aus dem Amt schied, wurde er mit den Worten verabschiedet,man werde ihn ve<strong>rm</strong>issen, „die gute Zusammenarbeit wirdaber auf anderer Ebene <strong>fo</strong>rtgesetzt.“ Mahling war an Schelskys„Schema Unternehmens-Infrastruktur-Planung GmbH“ beteiligt.Bis Ende 2006 waren beide auch Partner beim 1992 gegründeten„Führungs-Forum - Gesellschaft zur Qualifizierung vonFührungskräften“. Mahling war unter Martin Bangemann Sprecherder FDP.Was wird aus der AUB nach Schelsky?Der Ruf ist ruiniert und der Geldhahn ist zu: Die ErbenSchelskys in der AUB-Bundeszentrale am Nürnberger Spittlertorgrabenaber wollen den Skandal um ihren Vorsitzendenaussitzen. Schelskys langjährige Stellvertreterin, Ingrid Brand-Hückstädt, erklärte: „Der ehemalige AUB Vorsitzende, WilhelmSchelsky, hat der AUB durch seine offensichtlich zahlreichenAktivitäten als Unternehmensberater schweren Schaden zugefügt.Der Vorstand hatte hiervon keine Kenntnis.“ Ein neuerVorstand werde mit neuen Strukturen für mehr Offenheit sorgen.„Transparenz war früher nicht gewünscht.“Aber an der Basis rumort es. Ende März 2007 haben sichdie „Unabhängigen“ im Betriebsrat der Hamburger Siemens-2021


Niederlassung von ihrer Organisa<strong>tio</strong>n distanziert und wollenihr von der Belegschaft erhaltenes Mandat „ohne weitereBindung an eine Gruppe“ vertreten. Im Siemens-StammhausErlangen G haben die sechs freigestellten AUB-BetriebsräteGisbert Andraschko, Wolfgang Dokoupil, Andreas Eberhorn,Annette Gutensohn, Agathe Hempel und Detlef Hutter nachdem Eingeständnis von Wilhelm Schelsky am 01.06.2007Konsequenzen gezogen und ihrer bisherigen Organisa<strong>tio</strong>ngeschlossen den Rücken gekehrt. Per Aushang gaben sie ihrenEntschluss bekannt: Sie seien „zutiefst betroffen und […] sinduns einig, in einer solchen Organisa<strong>tio</strong>n mit unseren Idealennichts mehr verloren zu haben.“ Auch sie beteuern hoch undheilig von den Machenschaften zwischen Schelsky und Siemensnichts gewusst zu haben. Wie glaubhaft das ist, bleibt dahingestellt.Nur wenige der AUB-Betriebsräte, ob ausgetreten oder nicht,sind bereit, sich öffentlich zu äußern. Über Geld hat man offensichtlichnicht einmal intern gesprochen. Und wenn jemand malzaghaft gefragt hat, dann wurde der „rigoros und aggressivabgebürstet“, erinnert sich ein Aussteiger, der seinen Namennicht veröffentlicht sehen will. Denn in der AUB hätten nur„ein paar wenige Figuren das Sagen“ gehabt „und wer denengehorchte, durfte mitlaufen.“ Wer hingegen auf Unabhängigkeitetwa bei der Aufstellung der Betriebsratskandidaten pochte, seibald „weg vom Fenster gewesen“. Da hätten nämlich Siemens-Führungskräfte ganz konkrete Empfehlungen gegeben.Diskrete Förderungvon AUB-BetriebsrätenEngagierte Interessensvertreter der Beschäftigten haben es(gelinde gesagt) nicht leicht, eine berufliche Karriere zu machen.Für AUB-Kandidaten schien das nicht zu gelten. „Was bei derAUB immer schon auffiel, war ihre Nähe zur Geschäftsleitung“sagen etliche Betriebsräte, die der <strong>IG</strong> <strong>Metall</strong> angehören. Und weilsie gute Beziehungen zur Führung haben, konnten sie LeutenJobs verschaffen und taten das auch. Betriebsräten wurde vonBeschäftigten unter vier Augen gestanden: „Wenn du für dieSicherheit der Arbeitsplätze eintrittst, bist du richtig bei der <strong>IG</strong><strong>Metall</strong>. Wenn du selber einen Job willst, bist du richtig bei derAUB.“Es gibt zahlreiche Fälle, in denen Kandidaten der AUB auffälligviel Zeit für den Betriebsratswahlkampf hatten oder nacheiner gewissen Zeit plötzlich in den Genuss einer höherenEinstufung kamen. „Viele Mitglieder der <strong>IG</strong> <strong>Metall</strong> an verschiedenenStandorten hatten den Eindruck“, erinnert sich derBetriebsratsvorsitzende im Siemens-Stammhaus in Erlangen,Klaus Hannemann, „dass ihre Personalorganisa<strong>tio</strong>n wusste, dassman sich mit der AUB gut stellen musste.“2223


War und ist die AUBeine „Konkurrenzgewerkschaft“?Keineswegs, weder rechtlich noch tatsächlich. Denn dieAUB ist nicht streikfähig und weder willens noch in der Lage,Tarifverträge abzuschließen. Ihr Einfluss außerhalb von Siemensist gering. In der Praxis ging es im Grunde immer nur gegen die<strong>IG</strong> <strong>Metall</strong> oder andere DGB-Gewerkschaften: „Sie lassen uns dieArbeit tun. Sie machen Opposi<strong>tio</strong>n, gehen durch den Betriebund verteilen Ostereier“, sagt Betriebsrat Klaus Hannemann.Und „die geben gegenüber dem Arbeitgeber zu schnell nach.Verlagerungen, Ausgliederungen, Umwandlungen winken siedurch. Wir dagegen prüfen hart, ob das wirklich wirtschaftlichbegründet ist, und suchen nach Alternativen.“Bei brisanten Themen wie Auslagerungen oder Arbeitszeitverlängerunggingen AUB-Betriebsräte gerne auf Tauchsta<strong>tio</strong>n,sagten auf Betriebsversammlungen nichts, ve<strong>rm</strong>ieden, Posi<strong>tio</strong>nergreifen zu müssen. Aber wenn es in das Kalkül passt, wirddie ansonsten „kooperative“ AUB zuweilen auch verbalradikal.Bei Opel warf das AUB-Betriebsratsmitglied Eugen Kahldem Betriebsratsvorsitzenden Klaus Franz (<strong>IG</strong> <strong>Metall</strong>) „Verrat“und Schmusekurs vor, als die Betriebsräte um möglichst vieleArbeitsplätze beim schlingernden Autokonzern kämpften.„Im Kern hat die AUB nicht die Interessen der Beschäftigtenim Blick, sondern die des Unternehmers“, sagt Wolfgang Niclas,Bevollmächtigter der <strong>IG</strong> <strong>Metall</strong> in Erlangen. Dort, wo die AUB dieMehrheit der Mandate errungen hat, hat sie dafür gesorgt, dassdie Unternehmensführung keine Probleme mit dem Betriebsrathat. Das gehörte zum „Deal“, den Schelsky offenkundig ausgehandelthatte. Die Betriebsräte vor Ort funk<strong>tio</strong>nierten in diesemSinne, sie stellten die Arbeitnehmerinteressen hinter dieder Unternehmensführung. Die politische Begleitmusik lieferteSchelsky aus der Zentrale. Was dort verlautbart wurde, lässtallerdings an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig, es sind dienur leidlich kaschierten Parolen der Arbeitgeber und ihrer neoliberalenPropagandisten, die den Sozialstaat abbauen und diearbeitenden Menschen dem zügellosen Wettbewerb des freienMarktes ausliefern wollen.Worte des Vorsitzenden SchelskyZur Mitbestimmung:Als die Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes im Jahr2000 anstand, erklärte AUB-Chef Schelsky, die Forderungen desDGB bedeute „eine faktische Entmachtung aller Betriebsräteund eine Entmündigung aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiterdurch betriebsfremde Gewerkschaftsfunk<strong>tio</strong>näre. Dadurch würdenInvesti<strong>tio</strong>nen in Deutschland verhindert und Arbeitsplätze vernichtet.“(28.05.2000)Zur Tarifpolitik:Vor der Tarifrunde 2004 sagte Schelsky vor Delegierten der AUB:„Wenn man Herrn Peters angesichts der heute beginnendenTarifrunde im <strong>Metall</strong>bereich schon wieder drohen hört, dasses eine harte Tarifauseinandersetzung geben können und das24 25


Stimmen zur AUB„Wir haben es bei der Finanzierung der AUBdurch Siemens mit einem ungeheuerlichenSkandal zu tun, der in seiner Systematik undseinen finanziellen Dimensionen einmalig in derdeutschen Wirtschaftsgeschichte ist.“ (auf derWebseite der <strong>IG</strong> <strong>Metall</strong> für Siemens-Beschäftigte,www.dialog.igmetall.de, 23. Mai 2007)Berthold Huber,Zweiter Vorsitzender der <strong>IG</strong> <strong>Metall</strong>„Bei unseren Betriebsräte-Versammlungen haben wir denPersonalverantwortlichen immer wieder die Bevorzugungder AUB um die Ohren gehauen. Wir haben doch gesehen,welche Mittel die AUB zur Verfügung hatte: daskonnten die mit ihren Beiträgen nicht finanzieren.“(Süddeutsche Zeitung, 18. Mai 2007)Ralf Heckmann, Gesamtbetriebsratsvorsitzender Siemens„Keiner von uns hat geglaubt, dass Siemens so vielGeld für die AUB übrig hat.“ (Magazin Mitbestimmung05/2007)Werner Neugebauer, bayerischer <strong>IG</strong>-<strong>Metall</strong>-Bezirksleiter28

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