14. <strong>MainzerMedienDisput</strong> <strong>Begrenzter</strong> <strong>Journalismus</strong>sten. Erst in jüngster Zeit urteilten mehrere Gerichte,dass solche Verträge rechtswidrig sind (Buchholz 2009).Derzeit fordern die Verleger mit Blick auf den Nachrichtenaggregator„Google News“ ein so genanntes Leistungsschutzrechtfür Rechteinhaber, das aber, so istdem Stand der Debatte zu entnehmen, die Urheber nichtexplizit berücksichtigen soll, sondern lediglich die Verlegerals Mittler innerhalb der journalistischen Wertschöpfungskette.Die Verwertungsgesellschaften wurdenbislang in diese Überlegungen noch nicht einbezogen.Schließlich gibt es eine Reihe weiterer rechtlicher Regelungenoder Gesetzesvorhaben, die Einfluss auf die Qualitätvon <strong>Journalismus</strong> haben können. Hier kann beispielsweiseauf die veränderten rechtlichen Regelungenzum Thema „Product Placement“ verwiesen werden, daskünftig im Privatfernsehen erlaubt ist. Näheres hierzus. „Faktor Public Relations und Werbung“.InterviewsWie die oben angerissenen Themenkomplexe zeigen,handelt es sich bei den rechtlichen Rahmenbedingungenum einen wesentlichen Einflussfaktor. Sie waren inder für diese Analyse zur Rate gezogenen Literatur alswesentlicher Einflussfaktor allerdings nicht genanntund waren daher nicht explizit in unserem Fragenkatalogenthalten. So ist es zu erklären, dass allein DomenikaAhlrichs, Chefredakteurin der Netzeitung, sich hierzuim Zusammenhang mit der Frage der Selbstzensuräußert. Sie sagt: „Wir haben immer Angst vor Klagenund Unterlassungserklärungen, weil wir ein kleinesUnternehmen sind. Wir kennen einige Promis, die sehrscharf reagieren, wenn man über sie berichtet. Hier sindwir übervorsichtig, während alle Medien um uns herumin die Vollen gehen.“LösungsansätzePolitisches Bewusstsein entwickelnJournalisten bzw. Journalistenverbände sollten aktiverund hartnäckiger sich für eine Verbesserung der Rechtevon Journalisten und Informanten einsetzen - und sichnicht wegen angeblicher Befangenheit scheuen, darüberzu berichten.Rechtsschutz verbessernEin umfassender Rechtsschutz bzw. eine Vermögenshaftpflichtversicherungfür kleine Unternehmen undOrganisationen sowie freie Journalisten kann das finanzielleRisiko mindern, das mit Klagen und Unterlassungserklärungeneinhergeht. Dieser Rechtsschutz sollteausdrücklich auch das selbständige Publizieren imNetz auf eigenen Plattformen wie Blogs umfassen.IT- und Medienkompetenz stärkenJournalisten sollten sich regelmäßig über aktuelle technischeund organisatorische Entwicklungen hinsichtlicheines möglichst umfassenden Informantenschutzesinformieren und schulen lassen können. Redaktionensollten über die Veröffentlichung ihres öffentlichenPGP-Schlüssels auf ihrer Website potenziellen Informantendie Möglichkeit geben, ihnen auf sicherem WegInformationen über das Internet zukommen zu lassen.Bislang bieten diesen Service die wenigsten Redaktionenbzw. freien Journalisten.Rechtskompetenz stärkenDas Recht auf Akteneinsicht über die Informationsfreiheitsgesetzedes Bundes und der Länder sollte bekanntergemacht werden. Journalisten, die Akteneinsichtfordern, sollten unbürokratisch rechtliche Beratungerhalten können, um aussichtsreiche Anträge stellen zukönnen.Informationsrechte einfordernJournalisten sollten öfter und systematischer versuchen,Behördenakten nach den Informationsfreiheitsgesetzeneinzusehen. Nur so kann sich in den Redaktionen,aber auch in den Behörden ein selbstverständlichererUmgang etablieren.24
14. <strong>MainzerMedienDisput</strong> <strong>Begrenzter</strong> <strong>Journalismus</strong>7 Faktor Bildung„Inhaltliches Engagement scheint mir etwas in Misskreditgeraten zu sein. Es besteht die Gefahr, dass sichTechnik und Handwerk zu sehr in den Vordergrund schieben,der Bezug zum Stoff dagegen in den Hintergrundrückt“.Ulrike Maercks-FranzenProblemaufrissJournalist ist kein Beruf, sondern eine Berufung. Auchheute kann man diese These aus den 70er Jahren nochlesen und hören - aber sie wird seltener. Journalist istein Beruf, den jeder lernen kann - diese Meinung istprinzipiell Konsens. Und prinzipiell ist der Zugang zumJournalistenberuf tatsächlich frei. Theoretisch brauchtman nicht einmal einen Schulabschluss, um Journalistzu werden. Die Realität sieht allerdings sehr anders aus,das zeigen Studien über journalistische Ausbildung.Weischenberg/Malik/Scholl (2007) stellen in ihrer Journalistenstudiefest, dass 66 Prozent der Journalisten einHochschulstudium abgeschlossen hat und gerade maldrei Prozent kein Abitur hat. Das liegt auch sozusagen inder Familie: Journalisten „rekrutieren sich sehr deutlich(...) aus (...) der Mittelschicht“ (Weischenberg/Malik/Scholl 2006a:69). Noch ausgeprägter ist dieser Befundbei Ziegler (2008), der bei den Absolventen der Journalistenschulendanach geforscht hat. Hier kamen Arbeiterals Elternteile quasi gar nicht vor. Insgesamt unterscheidensich Journalisten also hinsichtlich ihrer formalenBildung vom Durchschnitt der Bevölkerung.Der Weg in den professionellen <strong>Journalismus</strong> ist nachwie vor sehr unterschiedlich. Anders als in den USA, woüber die Hälfte aller Journalisten an speziell auf diejournalistische Ausbildung ausgerichteten Hochschulenausgebildet wird, spielt die hochschulgebundene Journalistenausbildungin Deutschland noch immer keinezentrale Rolle. Etwa 14 Prozent aller Journalisten habenJournalistik studiert, zeigen Weischenberg/Malik/Scholl- ein Studienfach, das Ende der 70er Jahre aus einerintensiven Qualitätsdebatte über die Journalistenausbildungheraus entstanden ist und wissenschaftlicheund berufsethische Inhalte und Reflexion mit Berufspraxisverknüpft. Das Gros der Journalisten hat einsprachwissenschaftliches Studium absolviert, so wieinsgesamt die Geisteswissenschaften dominieren. Inzwischenverläuft der praktische Berufseinstieg sowohlüber verschiedene Praktika (69 Prozent) wie auch überVolontariate (62 Prozent). Weischenberg erkennt einenTrend hin zum Praktikum insbesondere im RundfunkundOnlinebereich.Den Trend zum Mainstream fürchtet Ziegler auch beiseiner Untersuchungsgruppe: den Absolventen derJournalistenschulen, aus denen sich die „mediale Elite“rekrutiert (Ziegler 2008). Ausgebildet wird dort sehrpraktisch, immer stärker crossmedial und mit Akzentauf den Online-Medien. Die Lehrpläne seien stark angroßen Namen ausgerichtet, das Netzwerk der erfolgreichenAbsolventen reiche in beinahe alle Redaktionen,so dass sich der elitäre Zirkel über Generationen fortführt.„Dies verhindert eine intensivere inhaltliche Auseinandersetzungüber alternative Gestaltungsformenwie zum Beispiel Sozialreportagen oder Projektjournalismus“(Ziegler 2008: 31). Gefahr sieht Ziegler vor allemdurch die Selbstbezogenheit des <strong>Journalismus</strong>, die er beider Einstellung der Journalistenschüler deutlich erkennt:„Sie orientieren sich aneinander und bevorzugenLeitmedien, die sie in ihrer eher linksliberalen Haltungbestätigen. Der journalistische Markt verlangt allenfallsstichflammenartig die Berichterstattung über die Randgruppender Gesellschaft - wenn sich diese Reportagenmit einer von einem Spitzenpolitiker zitierten Studieverbinden lassen“.Diese Art des marktkonformen <strong>Journalismus</strong> sieht Zieglerals Ergebnis der Ausbildung an Journalistenschulen:„Mit dem Wandel vom wert- zum zweckrationalen Handeln,vom dominanten Selbstbild des Kommunikatorszum Mediator, ist offenbar die Rolle des anwaltschaftlichen<strong>Journalismus</strong> verloren gegangen“ (Ziegler 2008:32). Ursache ist für ihn vor allem die homogene sozialeHerkunft und das dadurch resultierende Rollenbild, wassich durch die Ausbildung und den Eintritt in die Reihender Alumni weiter verfestigt. Durch die Ferne zu anderenBevölkerungsschichten rücken deren Themen in denHintergrund. Und das obwohl der Anteil von Armen inder Gesamtbevölkerung seit Jahren steigt und, so Ziegler,„ein die Partizipation von Minderheiten fördernder<strong>Journalismus</strong> (...) dringlicher [erforderlich ist] denn jezuvor“. (Ziegler 2008: 32).Die Auseinandersetzungen mit ethischen Normen undden Zielkonflikten des <strong>Journalismus</strong> wird der Journalistenschülerstudiezufolge ausgeklammert. Stattdessenwird praktisch mit Hilfe der erfolgreichen Alumni konkreteRecherche gelehrt. Für Ziegler sind die Schulen sonicht in der Lage den durch die soziale Herkunft derJournalisten einseitigen Blick auf die Welt zu weiten,weil Ansätze zur Verarbeitung sozialer Themen nur vom25