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Begrenzter Journalismus - MainzerMedienDisput

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14. <strong>MainzerMedienDisput</strong> <strong>Begrenzter</strong> <strong>Journalismus</strong>zuvor von russischen und amerikanischen Forschernverkündet worden war. Erst das Blog Plazeboalarm.deund die Neue Zürcher Zeitung entdeckten ein möglichesMotiv für die Mitteilung des Paul-Scherrer-Instituts. Eswollte offensichtlich die Entdeckung für sich beanspruchen,bevor die „International Union of Pure andApplied Chemistry“ über den offiziellen Entdecker entscheidenwürde (Delius et al. o.J.).Spin DoctoringEin besonderer Fall ist die „Initiative Soziale Marktwirtschaft“(INSM), die sich den Anstrich einer unabhängigen,nicht-kommerziellen zivilgesellschaftlichen Initiativegibt. Dabei ist sie eine seit nunmehr zehn Jahrenlaufende Kampagne des Arbeitgeberverbands Gesamtmetall,die von der großen PR-Agentur Scholz & Friendsorchestriert wird. Das Ziel: Die Einstellung zur Wirtschaft-und Sozialordnung verändern - im Sinne derArbeitgeber. Die Medienarbeit überschritt immer wiederberufsethische Grenzen - von Journalisten wie PR-Leutengleichermaßen. Beispielsweise lancierte die INSMfür 60.000 Euro siebenmal Dialoge in der Seifenoper„Marienhof“ - und kassierte hierfür vom „Deutschen Ratfür Public Relations“ eine öffentliche Rüge wegenSchleichwerbung. Auch gab sie eine Studie zur Gesundheitsreformin Auftrag, die von Leitmedien ohne denHinweis auf den Auftraggeber zitiert wurde. Vornehmlichagiert sie jedoch über so genannte Botschafter undExperten, die in den Medien auftreten, ohne jedoch ihreVerbindung zur INSM offen zu legen (Kutz/Nehls 2007).In der ARD-Sendung „Monitor“ bewertet der MedienwissenschaftlerSiegfried Weischenberg die PR-Arbeitder INSM folgendermaßen: „Die Initiative Neue SozialeMarktwirtschaft ist höchst erfolgreich, weil es ihrgelungen ist, so einen neoliberalen Mainstream in denMedien durchzusetzen. Und das konnte auch leichtgelingen, weil die Medien kostengünstig produzierenmüssen. Sie sind sehr darauf angewiesen, dass ihnenzugeliefert wird, hier gibt’s eine Lobby, die sehr wohlhabendist. Das ist natürlich eine sehr, sehr problematischeGeschichte, weil die Medien nicht das tun, was sietun sollen. Die Journalistinnen und Journalisten fallensozusagen aus der Rolle, weil sie nicht kritisch kontrollieren,weil sie die Interessen nicht transparent machen“.(Müller et al. 2005) Christian Nuernbergk kommt ineiner Studie zu dem Schluss, dass die Medienberichterstattungdie INSM-Perspektive weitgehend übernimmt,insbesondere wenn sie exklusive Medienkooperationenanbietet (Nuernbergk 2006). Beispielsweise enthielt dieFachzeitschrift „medium Magazin“ im Winter 2004einen INSM-Prospekt, der von zwölf Nachwuchsjournalistenbefüllt wurde, alle Schüler einer Kölner Journalistenschule.Darin sollen sich die so genannten „ReformReporter“ mit der ausführlichen Darstellung von neoliberalenPositionen begnügt haben. (Kraschinski 2004).Im Editorial hieß es, dass „für diese jungen Kollegenberuflich nichts schief gehen“ könne.In diesem Zusammenhang ist auch die Debatte um hochbezahlte Nebentätigkeiten von Moderatoren und Journalistendes öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu erwähnen,die das NDR-Medienmagazin „Zapp“ mit einerReportage angefacht hatte. Es hatte über genehmigteNebenjobs von Journalisten und Moderatoren wie TomBuhrow („Tagesthemen“), Claus Kleber („heute-journal“)und Petra Gerster („heute“) berichtet. Diese hatten biszu 20.000 Euro für Gast-Vorträge bei Unternehmen undVerbänden verlangt und damit eine Diskussion um ihrejournalistische Glaubwürdigkeit ausgelöst. Gleichzeitigwurde die Diskussion auch als „Neiddebatte“ betrachtet.Dennoch wurde anschließend von ARD und ZDF eineVerschärfung der internen Regeln diskutiert (u.a. Tagesspiegel2009). Beschlossen wurde aber lediglich, diebestehenden Regeln auch anzuwenden und strenger zuprüfen (Auskunft der Pressestellen von ARD und ZDF am27.10.09).In letzter Zeit wurden einige Fälle von Unternehmenbekannt, die ebenfalls „schwarze PR“ betreiben. DieDeutsche Bahn AG etwa ließ es sich 1,3 Millionen Eurokosten, die öffentliche Meinung zu den Themen Bahn-Privatisierung und GDL-Streik zu beeinflussen, ohnedass der Öffentlichkeit bekannt gewesen wäre, wer hinterden Aktivitäten stand. Diese so genannten No-Badge-Aktivitäten beziehen sich auf Maßnahmen wieMeinungsumfragen, Leserbriefe, Beiträge in Online-Foren, vorproduzierte Medienbeiträge und Blog-Beiträge,bei denen Urheber oder Auftraggeber nicht erkennbarsind (Müller/Klein 2009:1). Beispielsweise wurdenwährend des Streits mit der Lokführergewerkschaft GDLvon einer Agentur Meinungsumfragen durchgeführt, diejedoch einen direkten Auftrag durch die Deutsche Bahnbestritt. Laut Umfrage fand die Mehrheit der Befragtendie Forderungen der Gewerkschafter überzogen. InFolge tauchten Kommentare in Online-Foren von führendenMedien auf, die sich auf die Umfrage bezogen.Die Umfrage fand aber auch in den Medien breite Resonanz:Nachrichtenagenturen wie dpa, ddp und AP, Online-Medienwie „Spiegel Online“ sowie Tageszeitungenwie „Die Welt“, die „Berliner Morgenpost“ und die„Frankfurter Rundschau“ griffen die Ergebnisse unkritischauf, wie eine Untersuchung der Nicht-Regierungs-35

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