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Journal für Ärztinnen und Ärzte

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INKONTINENZ<br />

Fortbildung<br />

Geriatrisches Inkontinenzmanagement<br />

Univ.-Prof. Dr. Thomas Laml<br />

Ältere Menschen haben die höchste<br />

Prävalenz von Harn- <strong>und</strong> Stuhlinkontinenz<br />

aller Altersgruppen, abgesehen von<br />

jenen Patienten mit einer speziellen neurologischen<br />

Erkrankung z.B. Rückenmarksverletzungen<br />

oder Multipler Sklerose.<br />

Schätzungen der Prävalenz von Harninkontinenz<br />

bei älteren Menschen variieren<br />

sehr stark. Dies hängt mit unterschiedlichen<br />

Definitionen der Harninkontinenz<br />

<strong>und</strong> mit einer großen Variabilität in verschiedenen<br />

Ländern zusammen. Unabhängig<br />

davon tritt Harninkontinenz aber<br />

häufiger bei Frauen als bei Männern auf.<br />

Die Prävalenz der Harninkontinenz steigt<br />

mit zunehmendem Alter <strong>und</strong> mit zunehmender<br />

Gebrechlichkeit.<br />

Bei ges<strong>und</strong>en älteren Menschen die<br />

selbständig leben, liegt die Prävalenz der<br />

Harninkontinenz zwischen 5% <strong>und</strong> 30%.<br />

Bei Menschen, die wegen Alter oder<br />

Krankheit ans Haus geb<strong>und</strong>en sind, liegt<br />

die Prävalenz zwischen 13% <strong>und</strong> 53%. In<br />

Pflegeheimen sind Menschen, die an<br />

einer Harninkontinenz leiden, noch häufiger<br />

zu finden; hier beträgt die Prävalenz<br />

bis zu 70%.<br />

Bei Menschen die älter als 65 Jahre<br />

sind ist die Prävalenz der verschiedenen<br />

Inkontinenzarten wie folgt:<br />

• Belastungsharninkontinenz 30%,<br />

• überaktive Blase 20%,<br />

• Mischinkontinenz 45%,<br />

• funktionale Inkontinenz 11%.<br />

Es konnten einige Risikofaktoren, die<br />

mit einer Harninkontinenz bei älteren<br />

Menschen assoziiert sind, identifiziert<br />

werden. Diese sind: zunehmendes Alter,<br />

weibliches Geschlecht, verringerte kogni-<br />

tive Fähigkeiten, Diabetes mellitus, eingeschränkte<br />

Mobilität, funktionelle Behinderungen,<br />

Obstipation, chronischer<br />

Husten, zerebrovaskuläre Erkrankungen,<br />

Einnahme von Diuretika, Harnwegsinfektionen<br />

<strong>und</strong> Operationen im Urogenitalbereich.<br />

Die genaue Betrachtung der<br />

Risikofaktoren <strong>für</strong> das Entstehen einer<br />

Harninkontinenz zeigt, dass die Verknüpfung<br />

von Alter, Gebrechlichkeit <strong>und</strong><br />

Harninkontinenz komplex ist. Die Harninkontinenz<br />

ist in diesem Kollektiv<br />

meist multifaktoriell verursacht <strong>und</strong> die<br />

ätiologischen Faktoren liegen nicht immer<br />

im Urogenitaltrakt.<br />

Obwohl ein wachsendes Bewusstsein<br />

<strong>für</strong> Risikofaktoren besteht, gibt es zur<br />

Zeit keine Daten von prospektiv randomisierten<br />

Studien über erfolgreiche Päventionsstrategien.<br />

Trotzdem versuchen<br />

wir die Prävalenz von Harninkontinenz<br />

bei älteren Patientinnen zu verringern,<br />

indem wir uns auf diese Risikofaktoren<br />

konzentrieren.<br />

Harninkontinenz ist bei älteren Menschen<br />

oft vorübergehend. Die Ursachen<br />

<strong>für</strong> die vorübergehende Harninkontinenz<br />

können leicht gemerkt werden durch die<br />

Verwendung des mnemotechnischen<br />

Begriffes DIAPPERS. Bei diesem aus<br />

dem englischen Sprachraum stammenden<br />

Begriff steht jeder Buchstabe <strong>für</strong><br />

eine Ursache. Diese sollen hier im Original<br />

wiedergegeben werden:<br />

D: Delirium<br />

I: Infection (urinary tract infections)<br />

A: atrophic urethritis/ vaginitis<br />

P: psychologic (Depression, Neurosis)<br />

P: pharmacologic<br />

E: excess urine output<br />

R: restricted mobility<br />

S: stool impaction<br />

D: delirium<br />

Delirium ist gekennzeichnet durch<br />

wechselnde Aufmerksamkeit <strong>und</strong> Desorientiertheit.<br />

Es entwickelt sich im Verlauf<br />

von St<strong>und</strong>en oder Tagen, im Gegensatz<br />

zur Demenz, welche sich im Laufe<br />

von Jahren entwickelt.<br />

Delirium ist, wenn es unerkannt bleibt,<br />

von einer hohen Mortalität begleitet. Es<br />

kann z.B. von einer tiefen Venenthrombose,<br />

Herzversagen oder beinahe von jedem<br />

Medikament verursacht werden. Viele<br />

dieser Zustände können sich beim alten<br />

Menschen atypisch präsentieren <strong>und</strong><br />

wenn der Patient als deren Folge verwirrt<br />

ist, kann eine Harninkontinenz als erstes<br />

Symptom auftreten.<br />

I: infection (urinary tract infections)<br />

Ebenso können symptomatische Harnwegsinfektionen<br />

eine Harninkontinenz<br />

verursachen, wenn auch selten. Eine<br />

asymptomatische Bakteriurie <strong>und</strong> ein<br />

asymptomatischer Harnwegsinfekt, welche<br />

bei alten Menschen häufiger sind,verursachen<br />

in der Regel keine Inkontinenz.<br />

A: atrophic urethritis/vaginitis<br />

Eine atrophe Urethritis oder Vaginitis<br />

verursacht häufig Beschwerden im unteren<br />

Harntrakt bei Frauen <strong>und</strong> gelegentlich<br />

auch eine Harninkontinenz. Ungefähr<br />

80% älterer Menschen, die eine<br />

urogynäkologische Ambulanz aufsuchen,<br />

leiden an einer atrophen Urethritis/Vaginitis.<br />

Wenn atrophe Veränderungen<br />

vorliegen, so werden sie meist von<br />

Drangsymptomen oder Dranginkontinenz<br />

begleitet. Es ist wichtig diese Symptome<br />

zu erkennen, da sie leicht mit einer<br />

seite 22 DER MEDIZINER 1-2/2008

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