Auch ein Spätzleshaker und MA setzen Akzente - Buchreport
Auch ein Spätzleshaker und MA setzen Akzente - Buchreport
Auch ein Spätzleshaker und MA setzen Akzente - Buchreport
Verwandeln Sie Ihre PDFs in ePaper und steigern Sie Ihre Umsätze!
Nutzen Sie SEO-optimierte ePaper, starke Backlinks und multimediale Inhalte, um Ihre Produkte professionell zu präsentieren und Ihre Reichweite signifikant zu maximieren.
34<br />
buchreport.magazin März 2011<br />
HANDEL Der Regionalfilialist Osiander hat jetzt die 50-Mio-Marke erreicht<br />
<strong>und</strong> versucht <strong>ein</strong>en Spagat zwischen Traditionsbuchhandel <strong>und</strong> Resterampe.<br />
Entscheidender Erfolgsfaktor bleibt für Christian Riethmüller gutes Personal.<br />
<strong>Auch</strong> <strong>ein</strong> <strong>Spätzleshaker</strong><br />
<strong>und</strong> <strong>MA</strong> <strong>setzen</strong> <strong>Akzente</strong><br />
Osiander-Führungstrio:<br />
Hermann-Arndt Riethmüller<br />
(oben) ist seit 1973 im<br />
Familienbetrieb <strong>und</strong> verantwortet<br />
IT <strong>und</strong> Rechnungswesen.<br />
H<strong>ein</strong>rich<br />
Riethmüller, seit 1977 im<br />
Geschäft, kümmert sich<br />
schwerpunktmäßig um<br />
Einkauf <strong>und</strong> Verkauf <strong>und</strong><br />
ist im Börsenver<strong>ein</strong> als<br />
Vorsitzender des Sortimenter-Ausschusses<br />
aktiv.<br />
Christian Riethmüller<br />
(großes Bild, in s<strong>ein</strong>em<br />
Büro) ist 2002 ins Unternehmen<br />
<strong>ein</strong>getreten.<br />
Unten an der Tür verweist das Gründungsdatum<br />
1596 auf denkbar tief<br />
wurzelnde Buchhandelstradition.<br />
Oben im vierten Stock erzählt Christian<br />
Riethmüller von s<strong>ein</strong>en interessanten Erfahrungen<br />
als Manager bei Aldi Süd, die er bei<br />
dem baden-württembergischen Regionalfilialisten<br />
Osiander nach <strong>und</strong> nach <strong>ein</strong>bringt,<br />
auch als Antworten auf die Umbrüche der<br />
Buchbranche.<br />
Beim Discounter hätte Christian Riethmüller<br />
gern noch <strong>ein</strong> bisschen länger mitgemischt,<br />
als die Familie 2002 den damals 28-<br />
Jährigen aus Birmingham vom britischen<br />
Aldi-Ableger zurück nach Tübingen ruft. Die<br />
Osiandersche Buchhandlung, gerade in<br />
<strong>ein</strong>em verstärkten Veränderungsdruck, sucht<br />
in Zeiten wegbrechender Umsätze <strong>und</strong> drohender<br />
Verluste ihre Wachstums- <strong>und</strong> regionale<br />
Expansionsstrategie. Da sind auch die<br />
branchenfremden Erfahrungen der nächsten<br />
Generation gefragt. Christian Riethmüller<br />
bringt u.a. Leistungskennzahlen <strong>und</strong> <strong>ein</strong>e<br />
ausgeklügeltere Personal<strong>ein</strong>satzplanung <strong>ein</strong>,<br />
macht sich für den Rückzug aus der unrentablen<br />
Stuttgarter Filiale (2003) stark <strong>und</strong><br />
treibt in jüngster Zeit das Engagement im<br />
Nonbook- <strong>und</strong> <strong>MA</strong>-Segment voran.<br />
Ringen im Familienkreis<br />
„Wir sind oft unterschiedlicher M<strong>ein</strong>ung“,<br />
erzählt Christian Riethmüller (36) freimütig<br />
von durchaus lebhaften Aus<strong>ein</strong>andersetzungen<br />
im Geschäftsführungstrio mit Vater Hermann-Arndt<br />
(66) <strong>und</strong> s<strong>ein</strong>em Onkel H<strong>ein</strong>rich<br />
Riethmüller (55). Das Ringen um zukunftsträchtige<br />
Lösungen hat Osiander in<br />
den letzten Jahren immerhin zu kontinuierlichem<br />
Wachstum auf zuletzt 50 Mio Euro<br />
getragen <strong>und</strong> auf Rang 9 der größten Buchhandelsunternehmen<br />
im deutschsprachigen<br />
Raum (s.S. 24).<br />
Christian Riethmüller spricht im buchreport-Interview<br />
offen über die Herausforderungen<br />
für das Familienunternehmen<br />
Osiander wie für die Gesamtbranche.<br />
»Branche darf sich nicht<br />
Wie ernst steht es um die Buchbranche?<br />
C. Riethmüller: So schlecht war 2010 gar<br />
nicht. Mich stört das Jammern. Gut, wir hatten<br />
<strong>ein</strong> schlechtes erstes Halbjahr, dann die<br />
Fußball-WM, aber ab Juni sind die Umsätze<br />
in die Höhe gegangen. Das zweite Halbjahr<br />
war, vom Eis- <strong>und</strong> Schneeproblem im<br />
Dezember abgesehen, ganz ordentlich.<br />
Aber das Zwischenhoch im zweiten Halbjahr<br />
wird vielfach nur der unerwarteten Sonderkonjunktur<br />
im Sachbuch zugeschrieben …<br />
Gut, damit kommen wir auf <strong>ein</strong> hausgemachtes<br />
Problem der Branche. Die Programme<br />
waren 2010 insgesamt schwächer<br />
als im Vorjahr. Damals hatten wir stärkere<br />
Titel in der Belletristik <strong>und</strong> bessere Titel im<br />
Jugendbuch. Das Ergebnis: Von den zehn<br />
bestverkauften Produkten im Dezember<br />
2010 waren bei Osiander sechs Nonbooks<br />
<strong>und</strong> nur vier Bücher. Außer Sarrazin <strong>und</strong><br />
Follett war da nicht viel, es gab diesmal k<strong>ein</strong>e<br />
Überraschungen, die wir über das Bar-
uchreport.magazin März 2011 35<br />
selbst runterziehen«<br />
sortiment nachordern mussten. Wir haben<br />
es als Branche nicht geschafft, interessante<br />
Bücher auf den Markt zu bringen, die uns<br />
dann mehr Umsatz verschafft hätten.<br />
Schwaches Programm plus schlechtes Wetter<br />
– das wars?<br />
Trotz der fehlenden Impulse durch interessante<br />
Titel hatten wir für Dezember mit 5%<br />
Plus gerechnet. Die sind ganz klar dem Wetter<br />
zum Opfer gefallen, denn Buchhandel<br />
hängt wesentlich von Laufk<strong>und</strong>schaft ab. In<br />
Textilläden kommen 95% der K<strong>und</strong>en mit<br />
<strong>ein</strong>er klaren Kaufabsicht, bei uns sind es nur<br />
die Hälfte. Ist die Straße vereist, fehlt die<br />
Frequenz <strong>und</strong> wir machen weniger Umsatz.<br />
Das heißt für mich aber nicht, dass das weiter<br />
so s<strong>ein</strong> muss.<br />
Woher nehmen Sie Ihren Optimismus?<br />
Wir hatten zuvor drei Weihnachtsgeschäfte<br />
in Folge mit Zuwächsen <strong>und</strong> ich interpretiere<br />
2010 nicht wie andere als Erdrutsch<br />
Richtung Internet. Die Online-Shops beste-<br />
Zur Person<br />
Christian Riethmüller<br />
1974 in Tübingen geboren, hat<br />
European Business Management<br />
an der FH Trier studiert.<br />
Von 1999 bis 2002 arbeitet er<br />
für den Lebensmitteldiscounter<br />
Aldi Süd, zunächst als Bereichsleiter<br />
in der Region Aichtal/Baden-Württemberg,<br />
dann in Birmingham<br />
beim britischen Aldi-<br />
Ableger. Im August 2002 tritt<br />
Christian Riethmüller ins Familienunternehmen<br />
Osiandersche<br />
Buchhandlung <strong>ein</strong> <strong>und</strong> ist seit<br />
2004 geschäftsführender Gesellschafter<br />
neben s<strong>ein</strong>em Vater<br />
Hermann-Arndt Riethmüller<br />
<strong>und</strong> s<strong>ein</strong>em Onkel H<strong>ein</strong>rich<br />
Riethmüller. Christian Riethmüller<br />
ist verheiratet mit Kathrin<br />
von Papp-Riethmüller, die ebenfalls<br />
der Geschäftsleitung<br />
angehört, <strong>und</strong> hat zwei Kinder.
36<br />
Wege zum K<strong>und</strong>en:<br />
Der Stammsitz von<br />
Osiander ist seit 1925 in<br />
der Wilhelmstraße 12 in<br />
Tübingen (l.), die sich<br />
weiterhin als Universitätsbuchhandlung<br />
präsentiert, aber wegbrechende<br />
Fachbuch-<br />
Umsätze durch Nonbooks<br />
<strong>und</strong> <strong>MA</strong>-Angebote<br />
kompensiert.<br />
hen jetzt seit 15 oder 20 Jahren <strong>und</strong> wir<br />
haben gelernt, damit zu leben, haben<br />
Umsätze abgegeben, haben aber auch<br />
immer wieder <strong>ein</strong> überraschendes Plus<br />
gemacht. Diesmal hatten wir selbst am 24.<br />
Dezember, als niemand mehr im Internet<br />
bestellen konnte, <strong>ein</strong>en richtig schlechten<br />
Umsatz – wegen 20 cm Neuschnee.<br />
Haben die K<strong>und</strong>en womöglich durch den<br />
Schnee das Internet schätzen gelernt?<br />
Kann s<strong>ein</strong>, <strong>und</strong> damit auch k<strong>ein</strong> Missverständnis<br />
entsteht, ich sage nicht: Es ist alles<br />
gut <strong>und</strong> geht so weiter. <strong>Auch</strong> ich bin fest<br />
davon überzeugt, dass immer mehr Umsatzanteile<br />
ins Internet gehen. Und wenn<br />
ich an den E-Book-Markt denke: <strong>Auch</strong> durch<br />
diese Entwicklung werden wir langfristig<br />
zwischen 5 <strong>und</strong> 10% Umsatz abgeben.<br />
Damit wird sich im stationären Buchhandel<br />
die Spreu vom Weizen trennen. Es wird<br />
Unternehmen geben, die die richtige Strategie<br />
haben <strong>und</strong> überleben. Nicht wenige<br />
andere werden aufgeben.<br />
Wie lautet die vielversprechende Strategie?<br />
Wir haben es bei Osiander in den letzten 15<br />
bis 20 Jahren geschafft, den Umsatz zu verdreifachen.<br />
Natürlich dank Expansion, aber<br />
wir haben auch Buchhandlungen, die jetzt<br />
buchreport.magazin März 2011<br />
erst nach 15 Jahren <strong>ein</strong> Umsatzmaximum<br />
erreicht haben, also den besten Umsatz, den<br />
sie je hatten, trotz Online-Wettbewerb.<br />
Flächenneutral?<br />
Ein ganz klar flächenneutrales Wachstum!<br />
Wenn dem nicht so wäre, dann wären alle<br />
unsere Bemühungen um schöne Läden <strong>und</strong><br />
kompetente Mitarbeiter falsch. Dann hätte<br />
Hugendubel recht: Ich baue <strong>ein</strong>en ordentlichen<br />
Laden, reduziere m<strong>ein</strong> Personal auf <strong>ein</strong><br />
Minimum, mache 40% Nonbook-Anteil<br />
<strong>und</strong> dann wird das Ganze irgendwie laufen.<br />
Da sind wir anderer M<strong>ein</strong>ung. Die Branche<br />
darf sich nicht selbst runterziehen.<br />
Wer oder was zieht herunter?<br />
Wenn immer mehr Große durch weniger<br />
Personal auf der Fläche signalisieren, dass<br />
der deutsche Sortimentsbuchhandel kaum<br />
noch Mitarbeiter hat, dann treiben wir als<br />
Branche den K<strong>und</strong>en ins Internet. Der Vorteil,<br />
den wir dem Internet gegenüber haben,<br />
ist der Mitarbeiter, der kompetent <strong>und</strong><br />
fre<strong>und</strong>lich ist. Das Problem lautet: Wenn <strong>ein</strong><br />
junger K<strong>und</strong>e beim großen Filialisten die<br />
»Mitarbeiter,
uchreport.magazin März 2011 37<br />
Erfahrung macht, ich bekomme k<strong>ein</strong>e Beratung<br />
mehr <strong>und</strong> sich daraufhin entscheidet,<br />
im Internet <strong>ein</strong>zukaufen, so ist der auch für<br />
uns verloren, wenn er zum Studium nach<br />
Tübingen kommt. Er gibt uns wahrsch<strong>ein</strong>lich<br />
nicht die Chance, ihm etwas anderes zu<br />
zeigen. Darum richtet sich m<strong>ein</strong>e Kritik an<br />
die gesamte Branche: Die Kl<strong>ein</strong>en, die<br />
„Kruschbuden“, wie wir hier sagen, sind im<br />
Bezug auf Themen oder Präsentation zu<br />
schwach <strong>und</strong> die Großen sparen zum Teil<br />
beim Personal <strong>und</strong> haben fast nur noch junge<br />
Leute, die k<strong>ein</strong>e Ausbildung haben <strong>und</strong><br />
die K<strong>und</strong>en zur Information an die Terminals<br />
verweisen. Wir wollen <strong>ein</strong>en Mittelweg<br />
gehen. Den Vorteil gegenüber dem Internet<br />
– Beratung, Begegnung <strong>und</strong> Erlebnis – können<br />
nur die Mitarbeiter transportieren. Und<br />
wenn wir jetzt nicht ausbilden, dann wird es<br />
tatsächlich so s<strong>ein</strong>, dass unsere Regale in<br />
absehbarer Zeit von externen Service-Unternehmen<br />
<strong>ein</strong>geräumt werden, die Kasse von<br />
Studenten mit relativ niedrigem St<strong>und</strong>enlohn<br />
betreut wird <strong>und</strong> der K<strong>und</strong>e sich s<strong>ein</strong><br />
Buch selbst suchen muss. Ich sage nicht,<br />
dass wir mit dem Osiander-Konzept garantiert<br />
langfristig erfolgreich sind, aber die<br />
andere Alternative ist der schnellere Tod.<br />
Personal gilt als maßgeblicher Kostenfaktor.<br />
Wie halten Sie die Balance, Präsenz zu zeigen<br />
<strong>und</strong> doch rentabel zu arbeiten?<br />
<strong>Auch</strong> wir haben vor zehn Jahren zu viele<br />
Leute auf der Fläche gehabt. Wir haben im<br />
Buchhandel generell in <strong>ein</strong>em Maße Personal<br />
<strong>ein</strong>gesetzt, wie es nicht nötig war <strong>und</strong> da<br />
hat zuletzt jeder abgebaut. Die Frage ist nur,<br />
wie weit man geht. In Osiander-Buchhandlungen<br />
finden Sie auf die Fläche ca. 40 bis<br />
45% mehr Personal als bei den anderen<br />
größeren Filialisten. Man muss langfristig<br />
denken <strong>und</strong> das heißt, dass wir dem K<strong>und</strong>en<br />
außerhalb des Internets <strong>ein</strong> Einkaufserlebnis<br />
bieten müssen, bei dem er neben <strong>ein</strong>er<br />
attraktiven Sortimentsauswahl eben die Mitarbeiter<br />
findet, die auch in der Lage sind,<br />
den K<strong>und</strong>en zu begeistern, egal ob das die<br />
Beratung ist oder der fre<strong>und</strong>liche Kassenabschluss.<br />
Osiander als Discounter:<br />
Gut gelegene Ladenlokale<br />
– im Bild <strong>ein</strong>e ehemalige<br />
Postfiliale in Tübingen<br />
– werden von Osiander<br />
zu günstigen Bedingungen<br />
angemietet. Nach frischem<br />
Anstrich werden<br />
angekaufte Bücher-Restposten<br />
<strong>und</strong> Nonbooks<br />
auf Klapptischen präsentiert.<br />
Die befristeten<br />
Shops laufen unter der<br />
Bezeichnung Osiander<br />
Extra <strong>und</strong> werden von<br />
Auszubildenden betreut.<br />
die den K<strong>und</strong>en begeistern«
38<br />
Osiander im Überblick<br />
Leben Sie in <strong>ein</strong>em besonderen Biotop?<br />
Wir haben zugegebenerweise den Vorteil, in<br />
Mittelstädten zu sitzen <strong>und</strong> sind k<strong>ein</strong> anonymes<br />
Großkaufhaus. In den Mittelstädten<br />
herrscht noch <strong>ein</strong>e andere K<strong>und</strong>enbindung<br />
als in Großstädten <strong>und</strong> da macht der kompetente<br />
Mitarbeiter den Unterschied, <strong>ein</strong> paar<br />
Euro Umsatz mehr herauszuholen. Bisher<br />
rechnet sich das für uns, wir zahlen sogar<br />
überdurchschnittlich <strong>und</strong> können doch rentabel<br />
arbeiten. An der Personalschraube wollen<br />
wir möglichst nicht weiter drehen.<br />
An welchen Schrauben dann? Welche Perspektive<br />
können Sie Ihren 280 Mitarbeitern<br />
<strong>und</strong> der nächsten Riethmüller-Generation<br />
geben?<br />
<strong>Auch</strong> bei den Mieten können wir nicht viel<br />
machen. Dafür arbeiten wir heute wesentlich<br />
energiebewusster, verzichten etwa häufiger<br />
auf Rolltreppensysteme, denn die kosten<br />
extrem viel Geld. Wir haben in Heilbronn<br />
festgestellt, dass trotz Rolltreppe <strong>ein</strong><br />
Großteil der K<strong>und</strong>en auch die fußläufige<br />
Treppe nach oben nutzt.<br />
Ansonsten liegt die Perspektive im Sortiment.<br />
Wir fahren zweigleisig, ergänzen das<br />
Sortiment mit hochwertigen Geschenkartikeln<br />
<strong>und</strong> veranstalten mehrmals im Jahr<br />
Themenwochen, in denen wir neben Büchern<br />
entsprechende Nonbooks anbieten.<br />
Da haben wir fantastische Möglichkeiten.<br />
Wilhelmstr. 12, 72074 Tübingen Tel. (07071) 9201-0 www.osiander.de<br />
Gesellschaftsform GmbH<br />
Geschäftsführende Christian Riethmüller<br />
Gesellschafter H<strong>ein</strong>rich Riethmüller<br />
Hermann-Arndt Riethmüller<br />
Geschäftsleitung Claudia Zürcher-Riethmüller<br />
Kathrin von Papp-Riethmüller<br />
Ulrike Sander<br />
Umsatz 2010 50 Mio<br />
Mitarbeiter 283<br />
Filialen � Albstadt (800 qm) � Backnang (320 qm)<br />
� Biberach (350 qm) � Böblingen (160 qm)<br />
� Calw (300 qm) � Heilbronn (1140 qm)<br />
� Konstanz I (895 qm) � Konstanz II (Uni 100 qm)<br />
� Konstanz III (900 qm) � Neustadt (1010 qm)<br />
� Pforzheim (850 qm) � Reutlingen (3500 qm)<br />
� Rottenburg (320 qm) � Schwäbisch Hall (700 qm)<br />
� Speyer (1230 qm) � Tübingen I (745 qm)<br />
� Tübingen II (130 qm) � Tübingen III (85 qm)<br />
� Tübingen IV (960 qm) � Tübingen V (150 qm)<br />
� Villingen I (685 qm) � Villingen II (300 qm)<br />
Quelle: Osiander/buchreport-Filialatlas<br />
buchreport.magazin März 2011<br />
»Das Signal:<br />
Christian Riethmüller kann sich fürs Nonbook<br />
begeistern, mit dem Thema liegt Osiander<br />
voll im Trend. Der gelernte Discounter<br />
wiederholt den dramatischen Bef<strong>und</strong>: Sechs<br />
der Top-Ten-Verkäufe seien zuletzt Nonbooks<br />
gewesen. Frühstücksbrettchen, <strong>ein</strong> <strong>Spätzleshaker</strong>,<br />
mit dem man die schwäbische Spezialität<br />
schnell zubereiten kann, <strong>ein</strong>e Tasche<br />
<strong>und</strong> <strong>ein</strong>e Auswahl mit gängigen Vornamen<br />
versehener Drehkugelschreiber für 4,99 Euro<br />
als Bestseller. Es sind alles Produkte, die man<br />
im Buchhandel eigentlich nicht sucht, aber<br />
findet <strong>und</strong> mitnimmt. In den 1a-Lagen, sagt<br />
Riethmüller, könne man im Gr<strong>und</strong>e alles verkaufen.<br />
Natürlich intelligent gemacht <strong>und</strong><br />
mit der nötigen Dezenz, also nicht im Eingangsbereich<br />
den Buchhandels-Charakter<br />
verwässern. Deswegen werde man Nonbooks<br />
<strong>und</strong> <strong>MA</strong> bei Osiander nicht so massiv<br />
im Eingangsbereich sehen.<br />
<strong>MA</strong> ist das zweite große Stichwort, das bei<br />
Osiander <strong>ein</strong>e Zeitlang k<strong>ein</strong>e große Rolle<br />
spielte, aber mittlerweile offenbar zu <strong>ein</strong>em<br />
Erfolgsfaktor geworden ist.<br />
Welche Bedeutung hat der Bücherramsch?<br />
Das ist <strong>ein</strong> Thema, das auch bei uns von<br />
<strong>ein</strong>igen noch kritisch gesehen wird. Aber<br />
wir müssen auch im Rahmen der Buchpreisbindung<br />
den K<strong>und</strong>en <strong>ein</strong> in Teilen<br />
preiswertes Sortiment anbieten. Wir dürfen<br />
ja <strong>ein</strong>es nicht vergessen: Die Buchpreisbindung<br />
ist in den Köpfen der K<strong>und</strong>en gar<br />
nicht verankert, 80% wissen gar nichts<br />
davon <strong>und</strong> selbst bei <strong>ein</strong>er Azubi-Vorstellungsr<strong>und</strong>e<br />
zucken die meisten Kandidaten<br />
mit den Schultern. Deshalb denken die K<strong>und</strong>en<br />
auch, dass Bücher bei manchen Anbietern<br />
günstiger sind, beispielsweise bei Amazon.<br />
Wir haben im vergangenen Jahr den<br />
<strong>MA</strong>-Umsatz im Unternehmen um 60%<br />
erhöht, weil wir damit auch signalisieren<br />
wollen: <strong>Auch</strong> bei uns gibt es günstige Titel.<br />
Ist das <strong>ein</strong>e Gratwanderung?<br />
Es ist <strong>ein</strong> Spagat: Wir werden nicht das komplette<br />
Erdgeschoss mit <strong>MA</strong> zustellen, sondern<br />
bei uns steht im Eingangsbereich weiterhin<br />
anspruchsvolle Literatur. Ich will<br />
weder, dass die Preisbindung fällt, noch dass<br />
wir <strong>ein</strong> Ramschladen wie Weltbild werden,<br />
aber es gibt im <strong>MA</strong>-Bereich fantastische<br />
Möglichkeiten, <strong>ein</strong>e gute Qualität zu <strong>ein</strong>em
uchreport.magazin März 2011 39<br />
Komm alle 7 bis 10 Tage vorbei«<br />
attraktiven Preis zu verkaufen. Wenn die<br />
Titel Marken sind, wenn wir zum Beispiel<br />
Reste von Gräfe <strong>und</strong> Unzer haben oder<br />
Eichendorff, Adalbert Stifter <strong>und</strong> Droste-<br />
Hülshoff von Hanser anbieten, dann sehen<br />
wir, dass K<strong>und</strong>en zugreifen, die diese<br />
Bücher sonst definitiv nicht gekauft hätten.<br />
Sind normalpreisige Bücher zu teuer?<br />
Es gibt ja sogar die Diskussion, ob Bücher<br />
teurer werden müssen. Es ist sicher so, dass<br />
manche Bücher tatsächlich mehr kosten<br />
dürfen, wenn man an 45 Euro für 90 Minuten<br />
Fußball denkt, <strong>und</strong> <strong>ein</strong> Buch, von dem<br />
ich sehr lange etwas habe, nur die Hälfte<br />
kostet. Da verkaufen wir auch unter Wert.<br />
Es muss aber <strong>ein</strong>en Bereich geben, wo wir<br />
Menschen, die nicht so viel Geld zur Verfügung<br />
haben oder für die Lesen nicht so wichtig<br />
ist, den Zugang zu Büchern günstiger<br />
machen <strong>und</strong> den Preisimpuls nutzen. Wir<br />
haben in den Jahren, als wir die „Süddeutsche<br />
Bibliothek“ für 4,99 Euro verkauft<br />
haben, ja in der Belletristik nicht massiv verloren.<br />
Wie viel Billigbuch verträgt die Marke?<br />
Wenn es darum ginge, Bücher generell<br />
preiswerter zu verkaufen, hätte Aldi <strong>ein</strong>en<br />
größeren Anteil daran. Aber die Leute kau-<br />
fen dort ihre Bücher nicht, weil sie die Qualität<br />
der Buchhandlung haben wollen. Wir<br />
haben in den letzten Jahren fünf Osiander-<br />
Outlet-Läden aufgemacht, immer für <strong>ein</strong><br />
halbes Jahr, in denen wir in vorübergehend<br />
leer stehenden Läden auf 60 bis 70 schlichten<br />
Tischen günstige Bücher, Nonbooks <strong>und</strong><br />
in der Saison Kalender anbieten. Das läuft<br />
als „Osiander Extra“ unter unserer Marke.<br />
Ich würde sogar so weit gehen: Wenn da<br />
nicht Osiander stehen würde, hätten wir<br />
nicht den Erfolg, weil die Leute sich drauf<br />
verlassen können, dass das Angebot qualitativ<br />
stimmt. Wir haben <strong>ein</strong> anderes Angebot<br />
als Weltbild <strong>und</strong> verkaufen nur Waren, die<br />
zu unserer Marke passen.<br />
Erweitert <strong>MA</strong> tatsächlich den Markt?<br />
Es nimmt unseren bestehenden Buchhandlungen<br />
etwas Umsatz weg, aber das wird<br />
mehr als kompensiert <strong>und</strong> ich gewinne<br />
begeisterte K<strong>und</strong>en, was das mehr als ausgleicht.<br />
Ich erreiche den Imagewandel, dass<br />
man bei Osiander auch regelmäßig preiswert<br />
<strong>ein</strong>kaufen kann.<br />
Damit <strong>MA</strong> funktioniert, muss ich regelmäßig<br />
neue Stapel bringen. Wir wechseln in<br />
unseren traditionellen Buchhandlungen<br />
beim <strong>MA</strong> regelmäßig, so dass wir dem K<strong>und</strong>en<br />
auch signalisieren: Komm alle 7 bis 10<br />
Tage her <strong>und</strong> du bekommst zusätzlich zum<br />
normalen Buchhandel attraktive Sonderangebote.<br />
Eine Herausforderung sind wie<br />
beim Nonbook die Reste. Wenn das, was<br />
nicht verkauft wird, weggeschmissen wird,<br />
habe ich k<strong>ein</strong>e Spanne mehr, darum kommen<br />
bei uns die Reste in die Outlets <strong>und</strong><br />
dort verkaufe ich fast alles. Wir haben durch<br />
die Outlets die Möglichkeit geschaffen, dass<br />
unsere Buchhandlungen Produkte, die wirklich<br />
durch sind, aus dem Sortiment nehmen<br />
können.<br />
Da spielt Christian Riethmüller s<strong>ein</strong>e Discounter-Erfahrung<br />
aus s<strong>ein</strong>en Aldi-Jahren<br />
aus. Die leer stehenden Läden in guter Lage<br />
sind vorübergehend für <strong>ein</strong> Drittel der Miete<br />
zu haben. Die Ausstattung ist schlicht mit<br />
mobilen Möbeln <strong>und</strong> <strong>ein</strong>em Mitarbeiter an<br />
der Kasse. In Tübingen ist <strong>ein</strong> „Osiander<br />
Extra“-Laden sogar zur Dauer<strong>ein</strong>richtung<br />
geworden. Aus <strong>ein</strong>em früheren Zweitausend<strong>ein</strong>s-Standort<br />
ist <strong>ein</strong>e dauerhafte Osiander-<br />
Osiander Extra:<br />
Nach <strong>ein</strong> paar Monaten<br />
werden die Sonderverkaufsflächen<br />
wieder<br />
geräumt, mit <strong>ein</strong>em<br />
Extra-Nachlass. Weggeschmissen<br />
wird aber<br />
auch sonst wenig: Wenn<br />
die Sonderangebotsware<br />
an <strong>ein</strong>em Standort niemanden<br />
mehr lockt, sind<br />
andere Läden <strong>und</strong> Lagen<br />
noch aufnahmefähig.
40<br />
In den Filialen wird der<br />
Online-Shop als „schnellster<br />
Weg zum Buch“<br />
beworben. Den ersten<br />
Webshop hatte Osiander<br />
bereits 1996 <strong>ein</strong>gerichtet.<br />
Er trägt heute direkt gut<br />
4% zum Umsatz bei,<br />
wird in Radiospots<br />
beworben <strong>und</strong> erzielt<br />
Wachstumsraten von<br />
mehr als 20%. Er gilt<br />
aber vor allem als Teil<br />
<strong>ein</strong>er Multichannel-Strategie<br />
im Verb<strong>und</strong> mit<br />
Laden <strong>und</strong> Printkatalog.<br />
Resterampe geworden, die von Auszubildenden<br />
geführt wird, die jeweils für drei Monate<br />
an den „Extra“-Standorten intensiv <strong>und</strong> konzentriert<br />
<strong>MA</strong>-Erfahrung sammeln. Dieser Teil<br />
der Berufssozialisation kommt Riethmüller<br />
zufolge den Stammbuchhandlungen bei der<br />
Pflege des <strong>MA</strong>- <strong>und</strong> Nonbook-Segments<br />
zugute.<br />
Im Haupthaus ist das Ergänzungssortiment<br />
sehr dezent integriert ...<br />
... weil das noch die typische Universitätsbuchhandlung<br />
ist, aber im Kern mit rückläufigen<br />
Umsätzen. In unserem Jahresgespräch<br />
wurde aber klar herausgestellt: Der<br />
Nonbook-Anteil muss auch dort verdreifacht<br />
werden, wie das an anderen Standorten zum<br />
Teil schon erfolgt ist.<br />
Wie dramatisch verändert sich die Nachfrage<br />
in der klassischen Universitätsbuchhandlung?<br />
Ist das Fachbuch nicht mehr gefragt?<br />
Wir haben in Tübingen steigende Studentenzahlen<br />
<strong>und</strong> trotzdem gehen die Umsätze<br />
zurück. Das hängt mit dem Gebrauchtbuchhandel<br />
zusammen, mit dem Zielkauf in<br />
Online-Shops, mit den von Dozenten <strong>ein</strong>gesetzten<br />
Skripten. Durch die Studiengebühr<br />
fehlt den Studierenden auch das Geld. Das<br />
Geschäft in diesem Bereich wird auch künftig<br />
rückläufig s<strong>ein</strong>, da ist das Ende noch<br />
nicht erreicht.<br />
Neben Nonbook ist<br />
das andere große Thema<br />
der Umsatzverlagerungen<br />
Multichannel.<br />
Können Sie die Leute dazu<br />
bringen, von Amazon<br />
abzulassen?<br />
Selbst Fre<strong>und</strong>e von mir<br />
sagen, sie bestellen ihre<br />
Bücher bei Amazon, weil sie<br />
dort auch andere Dinge <strong>ein</strong>kaufen.<br />
Wir können da nicht<br />
mithalten, nicht mit dem<br />
Gesamtsortiment, nicht mit der<br />
Suchmaschine, nicht mit den<br />
K<strong>und</strong>enbewertungen, die den<br />
Online-K<strong>und</strong>en als Orientierung<br />
dienen. Aber der Multichannel-<br />
Gedanke funktioniert durchaus.<br />
Wir haben <strong>ein</strong>en 200-Seiten-Katalog<br />
– abgeguckt von der Mayerschen<br />
–, in dem nur Titel sind, die wir<br />
selbst ausgesucht haben. Wir haben<br />
w<strong>und</strong>erschöne Läden <strong>und</strong> wir haben<br />
<strong>ein</strong>e Homepage, die gut weiterent-<br />
buchreport.magazin März 2011<br />
»Das Modell<br />
wickelt worden ist. Das Zusammenspiel<br />
funktioniert. Anders als bei Amazon tätigen<br />
nur 10% der Besuchern unserer Website<br />
<strong>ein</strong>en Online-Einkauf, wir haben also viele<br />
Besucher, die das als Informationskanal nutzen,<br />
die sich auf den Einkauf bei uns vorbereiten,<br />
die Veranstaltungsinformationen<br />
abrufen.<br />
Was kann der eigene Online-Shop direkt zum<br />
Umsatz beitragen?<br />
Seit zehn Jahren haben wir zweistellige Zuwachsraten<br />
im Online-Bereich <strong>und</strong> sind<br />
jetzt bei gut 4% Umsatzanteil angelangt.<br />
Das ist noch nicht das Ende der Fahnenstange,<br />
aber wir sind auch nicht so blauäugig,<br />
dass wir sagen, wir können Amazon die<br />
K<strong>und</strong>en wegreißen, nur weil wir <strong>ein</strong> bekannter<br />
Mittelständler in der Region sind.<br />
Unterstütze D<strong>ein</strong>en lokalen Händler ...<br />
So weit denken unsere K<strong>und</strong>en im Moment<br />
nicht. Aber das Internet <strong>und</strong> daran anknüpfende<br />
Services sind <strong>ein</strong> wichtiges Marketinginstrument.<br />
Wir liefern innerhalb von<br />
Tübingen mit dem Fahrradkurier, sind versandkostenfrei<br />
auch unter 10 Euro das<br />
ganze Jahr über. Das bringt uns viel, kostet<br />
aber auch viel Geld. Die K<strong>und</strong>en sind sehr<br />
zufrieden <strong>und</strong> dass wir die Fahrradauslieferung<br />
über <strong>ein</strong>e Schülerfirma abwickeln,<br />
kommt besonders gut an.<br />
Osiander ist <strong>ein</strong> regionaler Filialist. Wie<br />
schätzen Sie die Perspektiven der verschiedenen<br />
Buchhandelsformen vom Standort-Buchhändler<br />
bis zum großen Filialisten <strong>ein</strong>?<br />
Ich glaube, dass alle Buchhandelsformate<br />
vom Strukturwandel ähnlich betroffen sind.<br />
Die größeren haben zunächst <strong>ein</strong>en längeren<br />
Atem <strong>und</strong> profitieren im Moment noch<br />
davon, dass kl<strong>ein</strong>ere schließen <strong>und</strong> sie deren<br />
Umsatzanteil abbekommen. Aber irgendwann<br />
funktioniert das auch nicht mehr,<br />
auch weil kl<strong>ein</strong>ere zurückkommen <strong>und</strong><br />
Nischen be<strong>setzen</strong>.<br />
Die regionale Form ist nicht schlecht.<br />
Man sieht es an der Mayerschen, an Pustet<br />
oder an uns, weil wir in der Region <strong>ein</strong>e<br />
Marke sind. Wenn da Thalia oder Hugendubel<br />
<strong>ein</strong>en Laden aufmachen, tun die sich<br />
nicht leicht. Von daher glaube ich, dass Filialkonzepte,<br />
die <strong>ein</strong>en regionalen Bezug<br />
haben <strong>und</strong> stark als Marke sind, im Moment<br />
die zukunftsfähigsten sind.