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Zur Tätigkeit Joseph Stolls in der NS-Zeit - Bensheim

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kriegsäußerungen zum Dritten Reich und zu se<strong>in</strong>er Rolle dar<strong>in</strong> zeigen vor allem das Bild e<strong>in</strong>es<br />

sich betrogen fühlenden Idealisten.<br />

<strong>Stolls</strong> Rechtfertigungen im Spruchkammerverfahren s<strong>in</strong>d freilich, da sie e<strong>in</strong> höheres Strafmaß<br />

abwenden sollten, mit Vorsicht zu behandeln, doch zeigen sie bereits die Grundl<strong>in</strong>ie auf,<br />

<strong>der</strong> Stoll <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Selbstbetrachtung nach Kriegsende treu blieb. Se<strong>in</strong> ganzes Wirken, so umriß<br />

Stoll im Sommer 1947 se<strong>in</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Weimarer <strong>Zeit</strong> (vgl. Kap. II.2.b) entwickeltes und <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>NS</strong>-<strong>Zeit</strong> zugespitzes Geme<strong>in</strong>schaftsideal, sei „alle<strong>in</strong> darauf gerichtet“ gewesen, „e<strong>in</strong>e<br />

wahrhafte Volksgeme<strong>in</strong>schaft herbeizuführen“ über alle „politischen, religiösen<br />

und gesellschaftlichen Gegensätze“ h<strong>in</strong>weg, um so <strong>der</strong> „Allgeme<strong>in</strong>heit zu nützen“.<br />

Deswegen sei er als „Idealist und leicht zu begeisternde Natur <strong>der</strong> raff<strong>in</strong>ierten Propaganda<br />

<strong>der</strong> <strong>NS</strong>DAP zum Opfer gefallen“ und habe Hitlers „Betrug“ am deutschen<br />

Volk – und somit auch an ihm selbst – nicht bemerkt. In den Worten des begabten Heimatdichters<br />

<strong>Joseph</strong> Stoll: „Dieser größten Köpenickiade <strong>der</strong> Weltgeschichte b<strong>in</strong> eben<br />

auch ich unterlegen.“ 204<br />

Als aktiver Multiplikator nationalsozialistischen Gedankengutes hat sich Stoll offenbar nie<br />

begriffen. In „damaliger <strong>Zeit</strong>“, me<strong>in</strong>te er im Februar 1948, „überholte e<strong>in</strong>e Rede die<br />

an<strong>der</strong>e“. 205 Hiermit teilte Stoll freilich die gerade <strong>in</strong> <strong>der</strong> Frühphase <strong>der</strong> Bundesrepublik verbreitete<br />

Auffassung, daß re<strong>in</strong> schriftstellerisches o<strong>der</strong> rednerisches Wirken während des <strong>NS</strong>-<br />

<strong>Zeit</strong> unter dem Motto, man habe damals „viel schreiben“ 206 müssen, zu entschuldigen sei.<br />

Zwar g<strong>in</strong>g Stoll fortan durchaus mit dem Nationalsozialismus, mit Hitler und se<strong>in</strong>er<br />

Kriegspolitik <strong>in</strong>s Gericht 207 , doch blieb er se<strong>in</strong>er Selbstsicht als Betrogener treu. Ganz deutlich<br />

wird dies <strong>in</strong> <strong>Stolls</strong> Rede zu se<strong>in</strong>em 75. Geburtstag im Januar 1954, <strong>in</strong> <strong>der</strong> er se<strong>in</strong>en Werdegang<br />

mit dem Lauf e<strong>in</strong>es „Wiesenbächle<strong>in</strong>s“ verglich und poetisch rekapitulierte. „Wenn<br />

auch <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em weiteren Laufe“, umschrieb Stoll die Ankunft se<strong>in</strong>es Lebenslaufes <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>NS</strong>-<strong>Zeit</strong> unter dem Raunen und Lachen se<strong>in</strong>er Zuhörer, „bisweilen e<strong>in</strong>e schmutzige Kröte<br />

dar<strong>in</strong> baden wollte und für M<strong>in</strong>uten das Wasser trübte“, so „setzte sich jedes Mal<br />

<strong>der</strong> aufgewühlte Schlamm sehr bald wie<strong>der</strong> ab.“ 208<br />

204 HHStAW Abt. 520 Be / Stoll, Stoll an Spruchkammer Bergstraße zu Heppenheim [undat.; e<strong>in</strong>geg. 11.8.1947], S. 1f.<br />

205 NL Stoll 13, Verteidigungsschrift <strong>Stolls</strong> auf die Anklageschrift v. 19.2.1948 [undat.], S. 2.<br />

206 So die im August 1955 gegebene Auskunft e<strong>in</strong>es höheren Beamten des Bundesm<strong>in</strong>isteriums für gesamtdeutsche<br />

Fragen (BMG) auf die Frage, warum e<strong>in</strong> ehemaliger hoher Mitarbeiter des Propagandam<strong>in</strong>isteriums durch das<br />

BMG geför<strong>der</strong>t werde. Art. „Propaganda. Es hat sich nichts geän<strong>der</strong>t“, <strong>in</strong>: Der Spiegel Nr. 34 v. 17.8.1955. S. 11–<br />

13, hier S. 12.<br />

207 Vgl. hierzu v.a. <strong>Stolls</strong> Büttenrede „Mensch, erkenne dich selbst!“ zum Karneval am 6.2.1951 (<strong>in</strong>: NL Stoll 04), <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> er, be<strong>in</strong>ahe resignierend und dem humorvollen Anlaß unpassend, über Mord, Technik und Krieg vortrug.<br />

208 Tonbandmitschnitt <strong>der</strong> Rede <strong>Stolls</strong> zu se<strong>in</strong>em 75. Geburtstag am 23.1.1954 <strong>in</strong> NL Stoll 17.<br />

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