stadt blatt
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uhrkultur:<br />
Im Mittelpunkt<br />
Kultur & Kunst im Revier<br />
Auch Oer-Erkenschwick<br />
ist Kulturhaupt<strong>stadt</strong><br />
Die Vision „2010“ muss auch in der Peripherie des<br />
Ruhrgebiets spürbar werden. Eine Randbeobachtung.<br />
Jede Kulturhaupt<strong>stadt</strong> geht mit diesem Titel anders<br />
um. Luxemburg machte mit einem freundlich-selbstironischen<br />
Logo auf sich aufmerksam,<br />
das einen hellblauen, röhrenden Hirsch<br />
zeigte. Anfang dieses Jahres wühlte Liverpool<br />
für seine Eröffnungsveranstaltung<br />
in der jüngeren Geschichte und beförderte<br />
einen der Beatlesüberlebenden,<br />
Ringo Starr, zutage. Starr<br />
durfte ein Liedchen trällern, während<br />
um ihn herum ein Großteil des<br />
Etats in Form eines Großfeuerwerks<br />
verballert wurde. Relativ im Dunkeln<br />
blieben an diesem Abend die Kräne<br />
und Baustellen jener Projekte, die<br />
nicht rechtzeitig fertig geworden<br />
sind. Aber selbst damit bekommt<br />
man eine Minute dreißig in der Tagesschau,<br />
kurz vor dem Wetter.<br />
Die Kulturhaupt<strong>stadt</strong> ist kein Ponyhof,<br />
soviel steht fest. Mit Blick auf<br />
Liverpool könnte man 2010 Herbert<br />
Grönemeyer unter Tage seinen WM-<br />
Heuler „Zeit, das sich was dreht“ singen<br />
lassen. Oder doch lieber die Zeilen<br />
„Du bist keine Welt<strong>stadt</strong>“ oder<br />
„Es ist ok, es tut gleichmäßig weh?“<br />
Aus einer Ansammlung von 53 Gemeinden<br />
eine äußere wie innere Einheit zu<br />
formen, scheint der größte Kraftakt für 2010<br />
zu sein. Sonst bleiben Großprojekte wie die<br />
500 Fesselballons, die die ehemaligen Kohlenschächte<br />
markieren sollen, nichts als heiße Luft.<br />
Immerhin werden diese „Schachtzeichen“ über<br />
das ganze Ruhrgebiet verteilt sein, dass jedem<br />
Besucher klar wird, die Kulturhaupt<strong>stadt</strong> geht<br />
auch hinter der Essener Stadtgrenze weiter.<br />
Randgemeinden wie Moers oder Kamen befürchten,<br />
dass sich die Hauptveranstaltungen<br />
zu sehr auf Essen konzentrieren könnten; dies<br />
gilt auch für die fi nanzielle Unterstützung mit<br />
Mitteln der Ruhr.2010 GmbH. Die Verant-<br />
20 <strong>stadt</strong><strong>blatt</strong>: 1 | 2008 Februar - März<br />
wortlichen beschwichtigen mit der Idee, dass<br />
in jeder Woche des Jahres eine Gemeinde im<br />
Mittelpunkt stehen soll. Wie das konkret aussehen<br />
soll, ist, wie das Gesamtprogramm, noch<br />
nicht ganz klar, aber Ruhr.2010-Chef Fritz Pleit-<br />
gen macht schon mal gute Stimmung: „38 Wochen<br />
sind schon vergeben und wir fangen mit<br />
Dinslaken an.“ Warum nicht Dinslaken, wenn<br />
es stimmt, dass Provinz kein Ort, sondern eine<br />
Haltung ist? Diese Nebenzentren könnten den<br />
ganzen Charme der Ruhr.2010 ausmachen.<br />
Was den Unterschied zwischen einer warmen<br />
Augustwoche am Duisburger Innenhafen und<br />
neblig-verregneten Novembertagen in Oer-Erkenschwick<br />
ausmacht, wird aber die Praxis erst<br />
zeigen müssen.<br />
Die Frage, ob der Etat von 48 Millionen Euro<br />
wirklich reicht, hat Pleitgen kürzlich selbst<br />
gestellt. Istanbul kann für 2010 schon jetzt<br />
mit einem Budget von 120 Millionen rechnen.<br />
Bleibt die Hoffnung auf Sponsoren, angedacht<br />
sind da z.B. das Außenministerium<br />
und die Goethe-Gesellschaft – so soll die Internationalität<br />
der Veranstaltung betont werden.<br />
Es wird aber wohl darauf hinauslaufen,<br />
dass die üblichen Verdächtigen wie die<br />
ortsansässigen Energie- und Stahlunternehmen<br />
als Sponsoren auftreten werden. Leider<br />
braucht Kultur neben dem Geist immer auch<br />
Geld, um bestehen zu können. Bleibt zu hoffen,<br />
dass es, verbunden mit derartigen Großsponsoren,<br />
nicht nur eine Unterstützung der<br />
großen Events mit genügend Medienbeachtung<br />
gibt, sondern dass auch die Off-Kultur<br />
und die weniger bekannten Künstler davon<br />
profi tieren.<br />
Wenn man den Verantwortlichen zuhört, merkt<br />
man schon, dass sie die ganze Bevölkerung einbeziehen<br />
wollen. Steven Sloane will die etwa<br />
5,3 Millionen Menschen im Ruhrgebiet zum gemeinsamen<br />
Singen bewegen, ganz ohne Heidewitzka<br />
und Fischer-Chöre-Playback. Und<br />
Pleitgen träumt angenehm größenwahnsinnig<br />
von der Sperrung der A 40 zwischen Duisburg<br />
und Dortmund, um dort eine lange Tafel aus<br />
20.000 Tapeziertischen zu errichten, an der sich<br />
die Bevölkerung treffen soll. Und wie nachhaltig<br />
solche Menschenzusammenführungen sein<br />
können, hat man ja schon neun Monate nach<br />
dem WM-Sommer erlebt. (vkb) �