Das Magazin 1/2010 - Evangelische Heimstiftung
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Aus meinem Leben<br />
Mein erster<br />
Schulgang<br />
im Jahr 1937.<br />
Bei der Erstkommunion.<br />
Als Elfjährige<br />
mit ihren Eltern<br />
(13. Juni 1942).<br />
Links außen in der Tennisrunde (Anfang der 70er-Jahre).<br />
Dritte im Dameneinzel und Tennis-Clubmeisterin 1971 (3.v.r.)<br />
16 „Aus der <strong>Heimstiftung</strong>“ 1/<strong>2010</strong><br />
<strong>Das</strong> Ziel nicht aus<br />
den Augen verlieren<br />
Der Krieg selbst ging an Ursula Kempinski fast spurlos vorüber, doch<br />
seine Konsequenzen haben ihr Leben geprägt: Ein langer leidvoller<br />
Weg führte sie vom heutigen Polen über Graz und Sachsen ins Ruhrgebiet<br />
– schließlich zu den Schwaben. Die resolute Seniorin, die seit<br />
etwas mehr als einem Jahr im Pflegezentrum Haus im Schelmenholz<br />
in Winnenden lebt, ist überzeugt davon, dass es sich lohnt, auch in<br />
größter Not und bei unüberwindbar erscheinenden Herausforderungen<br />
an sein Ziel zu glauben und es nicht aus den Augen zu verlieren.<br />
Ursula Kempinski<br />
wohnt seit einem<br />
guten Jahr im „Haus<br />
im Schelmenholz“<br />
in Winnenden.<br />
Kurzbiografie<br />
Ursula Kempinski ist mein Name,<br />
geboren bin ich am 2. April 1931 in<br />
einem oberschlesischen Ort mit dem<br />
schönen Namen Antonienhütte, unweit<br />
von Kattowitz. Die ersten Jahre<br />
waren hart, was für mich und meine<br />
Mutter schon mit einer schweren<br />
Geburt losging. Meine Kindheit war<br />
geprägt von Hunger, Entbehrungen<br />
und väterlicher Strenge. Mit sechs<br />
kam ich auf die Deutsche Schule.<br />
Mein Weg dorthin führte über die<br />
polnisch-deutsche Grenze, was sehr<br />
aufregend war, denn immer wieder<br />
huschten Schatten vorüber – vermutlich<br />
Schmuggler. Nachdem mein Vater<br />
arbeitslos wurde, zogen wir 1938 auf<br />
deutsches Gebiet in die Beuthener Gegend.<br />
Kaum war ich im Gymnasium,<br />
bekam ich Scharlach. Da genehmigte<br />
der Hausarzt Hausunterricht, meine<br />
beste Freundin brachte die Schulbücher.<br />
Der Krieg brach aus, doch zum Glück<br />
war unser Gebiet kaum davon betroffen.<br />
Kurz vor Kriegsende wurden die Schulen<br />
geschlossen. Es dauerte nicht lange, da<br />
war die russische Armee im Anmarsch.<br />
Rasch wurde ein Köfferchen gepackt<br />
und ab ging’s zum Bahnhof. Graz<br />
hieß unser Ziel, wo uns eine Cousine<br />
aufnahm. Leider wurde unsere Abhängigkeit<br />
dort ausgenutzt, und ich<br />
musste alles machen: Vom Kochen<br />
über das Geschirrversorgen bis hin<br />
zu allerlei Putzarbeiten. Bald zogen<br />
wir weiter nach Sachsen, wo uns eine<br />
Frau mit zwei Töchtern eine Bleibe<br />
ermöglichte. Dresden brannte, und<br />
das amerikanische Militär rückte ein.<br />
Doch dann überließen sie urplötzlich<br />
der russischen Seite das Feld.<br />
Ich war etwa 14, da luden sie uns auf<br />
LKWs und brachten uns in die Gegend<br />
von Frankfurt an der Oder. Wir wurden<br />
bei Bauern einquartiert, mussten auf<br />
dem Feld schuften und nachts auf dem<br />
Fußboden schlafen. Vom Schleppen<br />
zentnerschwerer Säcke holte ich mir<br />
einen Leistenbruch, und obendrein<br />
wurde noch die Mutter krank. Der<br />
Vater war in Russland, was haben wir<br />
da gebetet! Einmal wäre ich um ein<br />
Haar vergewaltigt worden und konnte<br />
in letzter Sekunde in ein kleines Kalkhäuschen<br />
fl üchten. Zwei Jahre später,<br />
um 1947, wurden wir dann erneut zum<br />
Aufbruch gezwungen: Dieses Mal nach<br />
Westen, in Güterwagen ohne Wasser<br />
und Toiletten waren wir eine ganze<br />
Woche lang unterwegs. Unweit von<br />
Hannover kamen wir in ein Auffanglager,<br />
von dort ging es bald weiter ins