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Therapie Info Dezember 2008 - Wiener Gebietskrankenkasse

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therapie<br />

info<br />

INFORMATION FÜR VERTRAGSÄRZTE<br />

Pharmakotherapie im Alter<br />

Ein Rezept um 50.000 Euro<br />

Osteoporose, Teil 3<br />

20. Jahrgang, Nr. 4 / <strong>Dezember</strong> <strong>2008</strong><br />

www.wgkk.at


therapie info INFORMATION FÜR VERTRAGSÄRZTE<br />

2<br />

Inhalt<br />

Pharmakotherapie im Alter Seite 3<br />

Versorgungsforschung Seite 7<br />

Piroxicam – der Markt verändert sich Seite 10<br />

Ein Rezept um EUR 50.000,–<br />

Indikation pulmonal arterielle<br />

Hypertension PAH Seite 11<br />

Paradigmenwechsel zum Thema<br />

Osteoporose, 3. Teil Seite 12<br />

Blick über die Grenzen<br />

Teil 2: Schweden Seite 13<br />

Antipsychotika bei Kindern und<br />

Jugendlichen Seite 16<br />

Impressum<br />

Kontaktadresse:<br />

Medizinischer Dienst, Vertragspartnerökonomie und -kontrolle,<br />

Dr. Cornelia Siess, Tel. 601 22-2597<br />

E-Mail: cornelia.siess@wgkk.sozvers.at<br />

Herausgeber & Druck:<br />

<strong>Wiener</strong> <strong>Gebietskrankenkasse</strong><br />

Alle: 1100 Wien, <strong>Wiener</strong>bergstraße 15–19<br />

Satz- und Druckfehler vorbehalten<br />

Bildquelle: Bilderbox und WGKK<br />

Nachdruck und Vervielfältigung nur mit ausdrücklicher<br />

Genehmigung der WGKK gestattet<br />

Vorwort<br />

Sehr geehrte Damen und Herren!<br />

Die SV-Träger haben mit ihrer breiten patientenbezogenen<br />

Verfügbarkeit von Abrechnungsdaten die<br />

Möglichkeit, Versorgungsforschung zu betreiben.<br />

Zielsetzung ist es, die Realversorgung darzustellen<br />

und auf mögliche Abweichungen von der „Idealversorgung“<br />

hinzuweisen.<br />

In der aktuellen Ausgabe wird das Konzept der Versorgungsforschung<br />

dargestellt und mehrere konkrete<br />

Ergebnisse von Versorgungsanalysen:<br />

− Wie sieht die Pharmakotherapie bei älteren Patienten<br />

aus, welche sind die am häufi gsten verordneten<br />

Wirkstoffe?<br />

− Welchen Einfl uss hatte die kritische Bewertung<br />

von Piroxicam durch die Zulassungsbehörde<br />

auf das Verordnungsverhalten österreichischer<br />

Ärzte?<br />

− Wieviele Patienten mit pulmonal artieller Hypertonie<br />

werden in Österreich mit Hochpreispräparaten<br />

mit bis zu EUR 50.000,– pro Rezept behandelt?<br />

− Wieviele Kinder und Jugendliche werden mit<br />

Antipsychotika behandelt? Werden es immer<br />

mehr?<br />

Zum dritten Mal in Folge wird auf neue Perspektiven<br />

in der <strong>Therapie</strong> der Osteoporose hingewiesen und<br />

mit einer Übersicht über das schwedische Gesundheitssystem<br />

hofft das Redaktionsteam, eine Palette<br />

von Themen anzubieten, die Ihr Interesse wecken.<br />

Mit freundlichen Grüßen<br />

Dr. Cornelia Siess<br />

Medizinischer Dienst


Pharmakotherapie im Alter<br />

Im Jahr 2006 waren bei sieben österreichischen<br />

KV-Trägern (BGKK, KGKK, NÖGKK, SGKK,<br />

STGKK, TGKK, WGKK) mit insgesamt rund fünf<br />

Mio. geschützten Personen etwa ein Fünftel der<br />

Anspruchsberechtigten 60 Jahre oder älter. Die<br />

medikamentöse Versorgung dieses wichtigen<br />

Personenkreises wurde einer Analyse auf Basis<br />

der Heilmittelabrechnungsdaten des Jahres<br />

2006 dieser KV-Träger unterzogen.<br />

Heilmittelverordnungen allgemein<br />

Rund 92 % der geschützten Personen älter als<br />

60 Jahre erhielten im Untersuchungsjahr mindestens<br />

eine Heilmittelverordnung auf Kosten eines<br />

KV-Trägers. Nicht erfasst sind davon Arzneimittel<br />

mit einem Kassenpreis unter der Rezeptgebühr,<br />

die für nicht-gebührenbefreite Personen verordnet<br />

wurden, sowie eine allfällige Selbstmedikation. Die<br />

Heilmittelkosten, die für Patienten ab 61 Jahren<br />

ausgegeben wurden, betrugen rund EUR 675 Mio.<br />

Daraus abgeleitet betrugen die durchschnittlichen<br />

Kosten im Jahr 2006 pro Patient EUR 715,48. Im<br />

Mittel wurden für einen Patienten 39 Packungen auf<br />

Kosten der österreichischen Krankenversicherung<br />

rezeptiert.<br />

Wirkstoffe<br />

Bedingt durch die Multimorbidität älterer Patienten<br />

– durchschnittlich treten bei den über 70-Jährigen<br />

drei bis neun Erkrankungen auf (1) – kommt es bei<br />

evidenzbasierter <strong>Therapie</strong>wahl oftmals zur Polypharmakotherapie.<br />

In der internationalen Literatur<br />

wird die Anzahl der Patienten über 65 Jahren die<br />

mindestens fünf verschiedene Medikamente pro<br />

Woche einnehmen mit > 40 % angegeben. 12 %<br />

nehmen wöchentlich zehn Medikamente und mehr<br />

ein (2).<br />

Im Vergleich dazu wurden bei rund 30 % der Anspruchsberechtigten<br />

über 60 Jahren ein bis vier<br />

verschiedene Wirkstoffe verordnet, 26 % erhielten<br />

fünf bis acht Wirkstoffe, 17 % neun bis zwölf und<br />

19 % 13 Wirkstoffe und mehr. Innerhalb der einzelnen<br />

Altersdekaden sah die Verteilung so aus, dass<br />

die Anzahl der verordneten Wirkstoffe mit dem Alter<br />

zunahm: Bei den 61- bis 70-Jährigen erhielten 13 %<br />

≥ 13 und mehr Wirkstoffe und in der Altersgruppe<br />

über 90 Jahren waren es bereits 29 % (siehe Abbildung<br />

1).<br />

Anteil der Patienten an Versicherten in %<br />

Verteilung der Anzahl der Wirkstoffe (WS) nach Alter<br />

40,00<br />

35,00<br />

30,00<br />

25,00<br />

20,00<br />

15,00<br />

10,00<br />

5,00<br />

0<br />

Abbildung 1<br />

61 bis 70 71 bis 80 81 bis 90 91 und älter<br />

Die Detailanalyse der verordneten Wirkstoffe ergab,<br />

dass die meisten Verordnungen aus dem kardiovaskulären<br />

Bereich stammten. Ebenfalls sehr häufi g<br />

wurden Protonenpumpenhemmer, nichtsteroidale<br />

Antirheumatika (NSAR), Antidiabetika und Allopurinol<br />

verordnet (siehe Abbildung 2).<br />

Omeprazol<br />

Furosemid<br />

Esomeprazol<br />

Metoprolol<br />

Alendronsäure<br />

Metformin<br />

Lisinopril<br />

Carvedilol<br />

Lansoprazol<br />

Bisoprolol<br />

Diclofenac<br />

Lisinopril/HTC<br />

Ginkgo<br />

Allopurinol<br />

Enalapril<br />

Enalapril/HTC<br />

Diosmin<br />

Simvastatin<br />

Amlodipin<br />

Pantoprazol<br />

Abbildung 2<br />

Die 20 am häufi gsten für Patienten > 60 Jahre<br />

verordneten Wirkstoffe<br />

0 200 400 600 800 1.000 1.200<br />

Packungen in Tausend<br />

3


therapie info INFORMATION FÜR VERTRAGSÄRZTE<br />

4<br />

Bei wie vielen Patienten ist<br />

eine Versorgung mit über<br />

zehn Medikamenten sinnvoll?<br />

Des Weiteren wurde ermittelt, wie viele Patienten<br />

Wirkstoffe verordnet bekamen, die laut Beers-Liste<br />

kritisch zu bewerten sind. Bei der Beers-Liste handelt<br />

es sich um eine Aufstellung von Wirkstoffen, die<br />

bei älteren Patienten vermieden werden sollten, weil<br />

sie zB ein höheres Potenzial für schwerwiegende<br />

Arzneimittel-Nebenwirkungen oder eine ungünstige<br />

Pharmakokinetik (zB Erhöhung der Sturzgefahr<br />

durch langwirksame Benzodiazepine) aufweisen.<br />

Sie wurde 1991 in den USA entwickelt und im Laufe<br />

der Jahre mehreren Aktualisierungen sowie Anpassungen<br />

an den deutschen bzw. österreichischen<br />

Arzneimittelmarkt unterzogen (2, 3, 4).<br />

Zu den in dieser, für Österreich adaptierten Liste (4)<br />

angeführten Substanzen gehören die Benzodiazepine,<br />

Clorazepam, Diazepam, Lorazepam, Oxazepam<br />

und Triazolam. Im Jahr 2006 wurden von diesen<br />

rund 311.000 Packungen für Patienten über 60<br />

Jahren verordnet, wobei zu beachten ist, dass der<br />

Kassenpreis vieler Benzodiazepin-Präparate unter<br />

der Rezeptgebühr liegt und daher nur für gebührenbefreite<br />

Patienten von der sozialen Krankenver-<br />

sicherung erstattet wird. Im Bereich der Herz-Kreislaufmittel<br />

sind unter anderen Digoxinderivate, der<br />

Alphablocker Doxazosin und der Calciumantagonist<br />

Nifedipin für alte Menschen unangebracht. Bei<br />

den untersuchten KV-Trägern wurden für die betreffenden<br />

Altersgruppen rund 360.000 Packungen<br />

verordnet. Unter den Antidepressiva sollten Fluoxetin-<br />

und Amitriptylin-hältige Präparate gemieden<br />

werden, von denen rund 135.000 Packungen<br />

verordnet wurden. Bei den NSAR sind Indometacin,<br />

Naproxen und Piroxicam für ältere Patienten ungeeignet.<br />

Von diesen Substanzen wurden insgesamt<br />

rund 74.000 Packungen abgegeben. Insgesamt<br />

machten die Verordnungen der genannten Wirkstoffe<br />

2,4 % aller für die untersuchten Altersgruppen<br />

verordneten Packungen aus.<br />

Dosierung<br />

Bei etwa sieben Prozent aller auf dem Markt befi<br />

ndlichen Arzneimittel enthält die Fachinformation<br />

Hinweise, dass die Dosierung bei Patienten mit<br />

höherem Lebensalter angepasst werden muss (5).<br />

Diese Notwendigkeit basiert unter anderem darauf,<br />

dass es mit zunehmendem Alter zu einer Reduktion<br />

des Gesamtkörperwassers sowie der Plasmaproteine<br />

und zu einer relativen Zunahme des Körperfetts<br />

kommt. Dadurch verändern sich die Verteilungsvolumina<br />

von Arzneimitteln: Bei lipophilen Arzneistoffen<br />

wie Amoxicillin, Diazepam, Chlordiazepoxid,<br />

Nitrazepam und Furosemid verlängert sich dadurch<br />

die Wirkungsdauer, weil die Aufnahme in die Fettdepots<br />

des Körpers verstärkt wird. Die Wirkstoffspiegel<br />

im Gewebe sind erhöht, die Plasmaspiegel<br />

hingegen vermindert. Durch die Abnahme des Körperwassers<br />

kommt es hingegen zu einer Wirkungsverstärkung<br />

von hydrophilen Wirkstoffen (zB Digoxin,<br />

ACE-Hemmer, L-Thyroxin). Da sich ab dem 40.<br />

Lebensjahr die glomeruläre Filtrationsrate jährlich<br />

um rund ein Prozent verringert, müssen gerade bei<br />

älteren Patienten jene Wirkstoffe, die primär renal<br />

ausgeschieden werden (zB Captopril, Cefuroxim,<br />

Lithium, Theophyllin), niedriger dosiert werden. Da<br />

die Perfusion und die Stoffwechselleistung der Leber<br />

im Alter abnehmen, muss die Dosierung von<br />

vornehmlich hepatisch eliminierten Wirkstoffen wie<br />

Benzodiazepinen, Betablockern und Fentanyl reduziert<br />

werden (6).<br />

Bei der Berechung der durchschnittlichen DDD’s


pro Patient (Defi ned daily dose, von der WHO publizierte<br />

defi nierte Tagesdosen, auf Basis deren<br />

nationale und internationale Vergleiche des Arzneimittelverbrauchs<br />

möglich sind) anhand der Daten<br />

der österreichischen KV-Träger fi elen relativ hohe<br />

Dosierungen bei den Wirkstoffen Ramipril (507<br />

DDD’s/Patient), Glimepirid (379 DDD’s/Patient) und<br />

Moxonidin (352 DDD’s/Patient) auf. Bei den Protonenpumpenhemmern<br />

ging die durchschnittliche<br />

<strong>Therapie</strong>dauer von zwischen 13 und 19 Wochen pro<br />

Patient entweder wesentlich über die in A&V Magenkrank<br />

empfohlenen Fristen hinaus und/oder der<br />

Großteil der Patienten erhielt bei Leitlinien-adäquater<br />

Behandlungsdauer die Maximaldosis anstelle<br />

der empfohlenen Tagesdosis.<br />

Wechselwirkungen<br />

Mit der Anzahl der verordneten Wirkstoffe steigt<br />

das Risiko von Arzneimittel-Wechselwirkungen. Außerdem<br />

fi ndet man bei älteren multimorbiden Patienten<br />

häufi ger Krankenhausaufenthalte, die einen<br />

Abgleich der Entlassungsmedikation mit der vor der<br />

Aufnahme bestehenden <strong>Therapie</strong> durch den Hausarzt<br />

notwendig machen. Im Jahr 2003 wurde in den<br />

USA bei 421 Patienten im Alter von ≥ 65 Jahren,<br />

die aus einer Notfallklinik entlassen wurden, die<br />

Entlassungsmedikation untersucht: Bei 12,6 % der<br />

Patienten wurden Arzneimittel-Wechselwirkungen<br />

festgestellt. Die häufi gsten Interaktionen konnten<br />

zwischen Antihypertensiva bzw. Diuretika und<br />

NSAR festgestellt werden (7).<br />

In der Folge wurden die Daten der sieben KV-Träger<br />

im Hinblick auf drei potenzielle, im Austria Codex-<br />

Interaktionsprogramm der Österreichischen Apotheker-Verlagsgesellschaft<br />

als mittelschwer klassifi -<br />

zierte Arzneimittel-Wechselwirkungen ausgewertet.<br />

Die gemeinsame Verordnung der Interaktionspartner<br />

musste dabei im Untersuchungszeitraum über<br />

mindestens zwei Monate erfolgt sein. Weiters wurde<br />

analysiert, ob die zur Interaktion führenden Arzneimittel<br />

vom selben Arzt oder von unterschiedlichen<br />

Medizinern verordnet wurden, wobei sich herausstellte,<br />

dass bei zwischen 89 und 93 % der betroffenen<br />

Patienten die Verordnungen vom selben Arzt<br />

veranlasst wurden. Die Untersuchung war dadurch<br />

limitiert, dass aus den Heilmittelabrechnungsdaten<br />

nicht ableitbar ist, ob der Patient die von ihm in der<br />

Apotheke abgeholten Arzneimittel auch tatsächlich<br />

eingenommen hat und ob bzw. wie der verschreibende<br />

Arzt auf eine mögliche Interaktionen reagiert<br />

hat (zB durch engmaschige Kontrollen oder Dosisreduktion).<br />

Tabelle 1<br />

Die Interaktions-bezogene Analyse der Daten brachte folgende Ergebnisse:<br />

Interaktionspartner Ergebnis der Interaktion Anzahl der<br />

betroffenen<br />

Patienten (VO<br />

vom selben Arzt)<br />

ACE-Hemmer /<br />

AT II-Antagonist<br />

+<br />

kaliumsparendes<br />

Diuretikum<br />

ACE-Hemmer<br />

+<br />

NSAR (oral, rektal, parenteral)<br />

Metoprolol<br />

+<br />

Paroxetin<br />

Hyperkaliämie und in weiterer Folge<br />

Parästhesien, Muskelschwäche,<br />

Diarrhoe, Bradykardie, EKG-<br />

Veränderungen, evtl. Herzstillstand<br />

verminderte blutdrucksenkende<br />

Wirkung; erhöhtes Risiko für<br />

Nierenfunktionsstörungen<br />

verstärkte Wirkung von Metoprolol<br />

und in der Folge Bradykardie und<br />

Hypotonie<br />

Anzahl der Ärzte<br />

mit Verordnung<br />

von beiden Interaktionspartnern<br />

15.174 3.295<br />

49.721 3.631<br />

957 794<br />

5


therapie info INFORMATION FÜR VERTRAGSÄRZTE<br />

6<br />

thr jptjhrpo thrp thrth rzprth pjrht<br />

pjrttrth prthpotothr zptzh rth tho<br />

trhotrh rthrththrthr trho orhtothr<br />

Verbesserungspotenziale<br />

Anhand der vorliegenden Ergebnisse der Analyse<br />

der Heilmittelabrechnungsdaten von sieben österreichischen<br />

KV-Trägern konnten mögliche individuelle<br />

Verbesserungspotenziale in der Pharmakotherapie<br />

älterer Patienten vor allem hinsichtlich der<br />

Anzahl der verordneten Arzneimittel, der Auswahl<br />

der Wirkstoffe und der Vermeidung von Interaktionen<br />

aufgezeigt werden.<br />

Literatur:<br />

„Zielsetzung:<br />

Lebensqualität erhalten“<br />

(1) Frühwald T.: Pharmakotherapie im Alter – Das Dilemma der Evidenz-basierten<br />

Medikation; HTA-Newsletter 49 (2006); Online<br />

im Internet: http://hta.lbg.ac.at/de/newsletter_archive.php?iMe<br />

nuID=63&iYear=2006 (Zugriff am 12.6.<strong>2008</strong>)<br />

(2) Pham C. B.; Dickman, R. L.: Minimizing Adverse Drug Events in<br />

Older Patients; American Family Physician 76 (2007), 12, 1837<br />

– 1844<br />

(3) Schwalbe O. et al.: Die Beers-Liste, Medizinische Monatsschrift<br />

für Pharmazeuten 30 (2007), 7, 244-248<br />

(4) Dückelmann C. et al.: Pharmakovigilanz – Ein Handbuch über<br />

Arzneimittelneben und -wechselwirkungen (<strong>2008</strong>), S. 60<br />

Vorschläge zur Verbesserung<br />

der Pharmakotherapie älterer<br />

Patienten (2, 6):<br />

l Erwägung von nicht-medikamentösen <strong>Therapie</strong>optionen<br />

l Weniger ist mehr: Wenn immer möglich nicht<br />

mehr als drei Wirkstoffe gleichzeitig verordnen<br />

l Zu <strong>Therapie</strong>beginn langsam und mit niedriger<br />

Dosis auftitrieren: „Start low and go<br />

slow“<br />

l Sowohl Anzahl der Medikamente als auch<br />

deren Dosierung möglichst niedrig halten<br />

l Bei neuen Symptomen zunächst immer an<br />

eine mögliche Arzneimittel-Neben-/Wechselwirkung<br />

denken<br />

l Regelmäßige Überprüfung der Medikation<br />

auf ihre Notwendigkeit hin (alle sechs bis<br />

zwölf Monate und bei jeder Änderung) und<br />

gegebenenfalls Absetzen; keine gewohnheitsmäßigen<br />

Dauertherapien<br />

l Vermeidung von Arzneistoffen, die laut<br />

Beers-Liste für ältere Patienten nicht geeignet<br />

sind<br />

l Beachtung von Wechselwirkungen, v. a. mit<br />

NSAR, Antihypertensiva, Allopurinol, Theophyllin<br />

und Neuroleptika<br />

l Besondere Beachtung der Compliance<br />

(5) Heyn G.; Arzneimittel im Alter – Dosierungen häufi g zu hoch;<br />

Pharmazeutische Zeitung online; Online im Internet: www.pharmazeutische-zeitung.de/index.php?id=2696&type=4<br />

(Zugriff<br />

am 12. 6. <strong>2008</strong>)<br />

(6) Bergert F. W. et al.: Hausärztliche Leitlinie „Pharmakotherapie<br />

im Alter“; Version 1.07 vom 18. April 2007; Online im Internet:<br />

http://www.pmvforschungsgruppe.de/pdf/03_publikationen/alter_ll.pdf<br />

(Zugriff am 12. 6. <strong>2008</strong>)<br />

(7) Hastings S. N. et al.: The Quality of Pharmakotherapy in Older<br />

Veterans Discharged From the Emergency Department or Urgent<br />

Care Clinic; J. Am. Geriatr. Soc. 55 (2007), 9, 1339 - 1348


Versorgungsforschung<br />

Vor kurzem fanden Sie in unserer Vertragspartnerzeitung<br />

einen Beitrag, der sich mit der<br />

Wirksamkeit medizinischer Maßnahmen im Alltag<br />

kritisch auseinandersetzte. Die Unterschiede<br />

zwischen Effi cacy und Effectiveness, die sich im<br />

Arzneimittelbereich gut darstellen lassen, leiten<br />

über zur allgemeinen Frage nach der Wirksamkeit<br />

von im Gesundheitssystem erbrachten Leistungen<br />

bei den Betroffenen. Die multidisziplinäre<br />

Wissenschaft, die sich mit Fragestellungen aus<br />

diesem Komplex beschäftigt, wird Versorgungsforschung<br />

genannt.<br />

Was ist Versorgungsforschung?<br />

Entsprechend der Defi nition der deutschen Bundesärztekammer<br />

(1) ist Versorgungsforschung die wissenschaftliche<br />

Untersuchung der Versorgung von<br />

Einzelnen und der Bevölkerung mit gesundheitsrelevanten<br />

Dienstleistungen und Produkten unter<br />

Alltagsbedingungen. Gegenstand der Versorgungsforschung<br />

ist die „letzte Meile“ des Gesundheitssystems.<br />

Damit ist die konkrete Kranken- und Gesundheitsversorgung<br />

in den Arztpraxen, Krankenhäusern<br />

und sonstigen Gesundheitseinrichtungen zu verstehen,<br />

in deren Rahmen die entscheidenden Versorgungsleistungen<br />

zusammen mit den PatientInnen<br />

erbracht werden. Sie zeichnet sich also durch ihre<br />

besondere Nähe zur klinisch praktischen Patientenversorgung<br />

der ärztlichen Tätigkeit aus.<br />

Die zentrale Frage lautet: Welche Maßnahmen sind<br />

unter welchen Rahmenbedingungen geeignet, gesundheitliche<br />

Outcomes zu verbessern?<br />

Im deutschsprachigen Raum ist die Versorgungsforschung<br />

und die mit ihr assoziierten Begriffe Über-,<br />

Unter- und Fehlversorgung durch das Gutachten<br />

des deutschen Sachverständigenrates 2000/2001<br />

in das Blickfeld einer größeren Öffentlichkeit getreten.<br />

Die Experten kamen in ihrem Gutachten (2)<br />

zu dem Schluss, dass einerseits viele Patienten ein<br />

Übermaß an medizinischer Versorgung erhalten,<br />

während anderen die notwendige medizinische Versorgung<br />

vorenthalten wird und wieder andere falsch<br />

behandelt werden. Diese Experten schätzten beispielsweise,<br />

dass 30 Prozent aller Röntgenuntersuchungen<br />

überfl üssig sind oder dass nicht einmal die<br />

Hälfte aller Herzinfarktpatienten nach dem aktuellen<br />

Stand des medizinischen Wissens behandelt wird.<br />

Unter Überversorgung versteht man eine Behandlung,<br />

die aus medizinischen Gründen nicht notwendig<br />

und deren Nutzen nicht hinreichend gesichert<br />

ist, die in unwirtschaftlicher (ineffi zienter) Form erbracht<br />

wird oder deren geringer Nutzen die Kosten<br />

nicht rechtfertigt.<br />

Unterversorgung ist die teilweise oder gänzliche<br />

Verweigerung von Versorgungsleistungen trotz anerkannten<br />

Bedarfs, deren Nutzen hinreichend gesichert<br />

ist und deren Einsatz wirtschaftlich vertretbar<br />

ist.<br />

Fehlversorgung ist jede Versorgung, durch die ein<br />

vermeidbarer Schaden entsteht; um einen solchen<br />

handelt es sich, wenn Leistungen erbracht werden,<br />

deren Nutzen nicht hinreichend gesichert ist, Behandlungen<br />

nicht fachgerecht durchgeführt oder<br />

Leistungen unterlassen oder nicht rechtzeitig erbracht<br />

werden, deren Nutzen und Wirtschaftlichkeit<br />

hinreichend gesichert sind.<br />

Auch wenn eine vergleichbare Untersuchung aus<br />

Österreich fehlt, ist davon auszugehen, dass auch<br />

hierzulande durch eine bedarfsgerechte Nutzung<br />

„Theoretische Modelle müssen<br />

sich auch unter Praxisbedingungen<br />

bewähren.“<br />

7


therapie info INFORMATION FÜR VERTRAGSÄRZTE<br />

8<br />

der verfügbaren Ressourcen, also durch Vermeidung<br />

von Über-, Unter- und Fehlversorgung, die<br />

Gesundheitsversorgung der Bevölkerung verbessert<br />

werden könnte.<br />

Aufgaben der<br />

Versorgungsforschung:<br />

Das Leitbild der Versorgungsforschung ist die<br />

„lernende Versorgung“. Es beinhaltet das Ziel, die<br />

Gesundheits- und Krankenversorgung in ein lernendes<br />

System zu verwandeln, das durch geeignete<br />

Lernstrukturen und – prozesse in der Lage ist,<br />

die drei Ziele „Patientenorientierung, Qualität und<br />

Wirtschaftlichkeit“ gemeinsam und kontinuierlich<br />

zu verbessern. Zur Verwirklichung dieses Leitbildes<br />

muss die Versorgungsforschung zwei Aufgabenkomplexe<br />

bearbeiten:<br />

Input Ë Throughput Ë Output Ë Outcome<br />

zB Ressoucen Versorgungsstrukturen<br />

Versorgungsprozesse<br />

Versorgungstechnologien<br />

Versorgungsleistung<br />

Wirkung/<br />

Ergebnis<br />

1. Die Kranken- und Gesundheitsversorgung beschreiben,<br />

erklären, gestalten, begleiten und<br />

bewerten. Dies kann krankheitsspezifi sch oder<br />

in einer umfassenderen Sicht krankheitsübergreifend<br />

(Stichwort: Integrierte Versorgung) erfolgen.<br />

2. Die Wissenschaften untereinander sowie Wissenschaft<br />

und Praxis zielgerichtet integrieren,<br />

das heißt als Querschnittsfach eine interdisziplinäre<br />

Betrachtung der Versorgungssituation gewährleisten.<br />

Der Implementierung, also der Übertragung von Erkenntnissen<br />

der Wissenschaft in die tägliche Praxisroutine,<br />

kommt dabei besondere Bedeutung zu.<br />

Hier setzt die Implementierungsforschung an.<br />

Systemtheoretisches Modell:<br />

Zur Betrachtung des Versorgungssystems hat sich<br />

in der Literatur das systemtheoretische Modell<br />

etabliert (3):<br />

Durch dieses Modell werden die Prozesse im Gesundheitssystem<br />

transparenter gemacht und es<br />

kann gezeigt werden, dass in einem System nicht<br />

nur einfache Ursache-Wirkungs-Beziehungen herrschen,<br />

sondern auch Wechselwirkungen und Rückkoppelungsprozesse<br />

auftreten können. Die dadurch<br />

bedingte Komplexität des Versorgungssystems erschwert<br />

es, dieses zu verstehen und zu steuern. Die<br />

Steuerbarkeit leidet zusätzlich daran, dass Eingriffe<br />

in das System neben den beabsichtigten Folgen<br />

zahlreiche unbeabsichtigte Folgen nach sich ziehen<br />

können.<br />

Die Elemente des Systems können wie folgt charakterisiert<br />

werden:<br />

Input: Der Input beschreibt alle Ressourcen, die in<br />

das Versorgungssystem einfl ießen, sowie die Patienten.<br />

Dabei interessieren in erster Linie die Faktoren<br />

Personal (Auswahl, Qualifi kation, Fehlzeiten,<br />

Motivation), Finanzierung (Ressource, Geld). Beim<br />

Input „Patient“ muss zwischen Bedarf, Nachfrage<br />

und Inanspruchnahme unterschieden werden. Erst<br />

durch die Inanspruchnahme tritt der Patient in das<br />

Versorgungssystem ein.<br />

Throughput charakterisiert die Strukturen und Prozesse<br />

im Versorgungssystem.<br />

Output: Unter Output wird die konkret erbrachte<br />

Versorgungsleistung verstanden.<br />

Davon unterschieden wird der Outcome. Dieser<br />

beschreibt das letztlich interessierende Ergebnis,<br />

nämlich den durch die Versorgungsleistung erzeugten<br />

Gewinn (oder Verlust) an Lebensjahren, Gesundheit,<br />

Wohlbefi nden und / oder Lebensqualität.<br />

Erst ein Gewinn an Gesundheit und / oder Lebensqualität<br />

rechtfertigt die Existenz des Versorgungssystems.<br />

Durch die Unterscheidung von Output<br />

und Outcome wird auch dem Umstand Rechnung<br />

getragen, dass das gesundheitliche Ergebnis nicht<br />

nur von den erbrachten Versorgungsleistungen abhängt,<br />

sondern auch von anderen Faktoren, wie etwa<br />

der Mitarbeit des Patienten oder den sozioökonomischen<br />

Rahmenbedingungen beeinfl usst wird.<br />

Implementierungsforschung:<br />

Ein Ansatz zur Verbesserung des Outputs des Gesundheitssystems<br />

und letztlich zur Erzielung besserer<br />

Outcomes ist die Übertragung von neuen


Erkenntnissen in die Versorgungsroutine. Hier, bei<br />

der Übertragung bzw. Übertragbarkeit von Wissen<br />

in die tägliche Praxis setzt die Implementierungsforschung<br />

an.<br />

Die Publikation hochwertiger und evidenzbasierter<br />

Leitlinien allein ist zu wenig, dadurch wird eine Veränderung<br />

im Praxisalltag deutlich verzögert oder gar<br />

nicht erreicht. Es besteht zweifellos dringender Bedarf<br />

nach effektiven Implementierungsstrategien.<br />

In einem ersten Schritt müssen Hindernisse und Erfolgsfaktoren<br />

einer erfolgreichen Implementierung<br />

gefunden werden.<br />

Barrieren gibt es viele:<br />

im organisatorischen Kontext:<br />

l Finanzielle Nachteile<br />

l Organisatorische Einschränkungen (wie Zeitmangel)<br />

l Haftungsrechtliche Konsequenzen<br />

l Patientenwünsche und –erwartungen<br />

im sozialen Kontext<br />

l Bestehende Praxis-Routinen<br />

l Meinungsführerschaften<br />

l Überkommene Aus-, Fort- und Weiterbildungsinhalte<br />

l Interessengruppen (wie Pharmaindustrie)<br />

im professionellen Kontext<br />

l Klinische Unsicherheit<br />

l Selbstvertrauen in eigene Kompetenz und Fähigkeiten<br />

l Tatendrang (Selbstverpfl ichtung zum Handeln)<br />

l Überfl uss an <strong>Info</strong>rmationen<br />

Neben Barrieren gibt es auch Anreize zur Leitlinienumsetzung,<br />

wobei es keinen Goldstandard gibt („it<br />

is not realistic to expect that one approach can solve<br />

all the problems“). Vielmehr bedarf es spezieller<br />

Ansätze, zugeschnitten auf die jeweilige Zielgruppe,<br />

die das professionelle Umfeld, das jeweilige<br />

Versorgungsproblem und weitere Faktoren berücksichtigen.<br />

Als im Allgemeinen wirksam haben sich<br />

Erinnerungshilfen (Reminder) und vielschichtige<br />

Interventionen, die auf mehreren Ebenen ansetzen,<br />

erwiesen; Feedbackberichte und Prüfungen zeigen<br />

ebenso wie die Beispielwirkung lokaler Meinungsführer<br />

gemischte Effekte, während für die Verbreitung<br />

gedruckter Schulungsunterlagen und den<br />

Besuch von Weiterbildungsveranstaltungen nur<br />

fragliche Effekte gefunden wurden (4).<br />

In Österreich spielt die Versorgungsforschung noch<br />

nicht die ihr zustehende Rolle, wenn auch hierzulande<br />

das Interesse zunehmend erwacht. Daten der<br />

Sozialversicherungen können dabei eine Schlüsselrolle<br />

spielen – sie bilden einen wichtigen Teil des<br />

tatsächlich gelebten Versorgungsgeschehens ab<br />

und wurden bereits bei der Studie „Use of recommended<br />

medications after myocardial infarction in<br />

Austria“ (5) und der Analyse der Auswirkungen von<br />

Medikamentenverschreibungen im Krankenhaus auf<br />

den niedergelassenen Bereich sowie in zahlreichen<br />

Analysen zur Medikamentenversorgung in den Vertragspartnerzeitungen<br />

genutzt.<br />

Literatur:<br />

„Leitlinien müssen auch<br />

gelebt werden.“<br />

1 Schwartz FW, et al. Bundesärztekammer (D), Arbeitskreis „Versorgungsforschung“<br />

beim Wissenschaftlichen Beirat. Defi nition<br />

und Abgrenzung der Versorgungsforschung; 09 2004. http://www.<br />

bundesaerztekammer.de/page.asp?his=6.3289.3293.3294<br />

2 Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen.<br />

Bedarfsgerechtigkeit und Wirtschaftlichkeit. Gutachten<br />

2000-2001. Über-, Unter- und Fehlversorgung.<br />

3 Pfaff H,. Versorgungsforschung – Begriffsbestimmung, Gegenstand<br />

und Aufgaben. In: Pfaff HSM, Lauterbach KW, et al. Hrsg.<br />

Gesundheitsversorgung und Disease Management. Grundlagen<br />

und Anwendungen der Versorgungsforschung. Verlag Hans<br />

Huber 2003; 13-23<br />

4 Ollenschläger G, Kirchner HMF. Leitlinien in der Medizin – scheitern<br />

sie an der praktischen Umsetzung? Internist 2001; 42:473-<br />

483<br />

5 Winkelmayer WC et al. “Use of recommended medications after<br />

myocardial infarction in Austria” Eur J Epidemiol <strong>2008</strong>; 23 (2):<br />

153-162<br />

9


therapie info INFORMATION FÜR VERTRAGSÄRZTE<br />

10<br />

Piroxicam – der Markt verändert sich<br />

Im Juni 2007 informierte die europäische Zulassungsbehörde<br />

EMEA über eine Neubewertung<br />

von Piroxicam (1). In Folge thematisierten auch die<br />

KV-Träger die neue sehr kritische Sicht zu Piroxicam<br />

und zeigten die Patientenzahlen auf, die vom<br />

notwendigen Veränderungsmanagement betroffen<br />

sind (2-7):<br />

l Patienten, die bei akuten Entzündungs- und<br />

Schmerzzuständen mit Piroxicam behandelt<br />

werden<br />

l Patienten mit Langzeittherapie ohne Magenschutz<br />

l Patienten mit einer maximalen Tagesdosis von<br />

über 20mg<br />

Wie verordneten österreichische Ärzte Piroxicam nach der neuen EMEA-Empfehlung?<br />

Entwicklung der Patientenzahlen Okt 2007 – März <strong>2008</strong> gegenüber Gesamtjahr 2006:<br />

BGKK KGKK NÖGKK StGKK TGKK WGKK<br />

Akuttherapie - 59 % - 63 % - 58 % - 59 % - 55 % - 57 %<br />

fehlender Magenschutz - 59 % - 58 % - 49 % - 58 % - 55 % - 51 %<br />

zu hohe Dosierung - 59 % - 39 % - 38 % - 48 % - 40 % - 43 %<br />

Sowohl die Entwicklung der Patientenzahlen als auch<br />

die Verordnungszahlen sind seit der EMEA-Empfehlung<br />

rückläufi g. Der Rückgang der Patientenzahlen<br />

ist nur scheinbar höher als der Verordnungsrückgang<br />

von ca. -30 %, da die Patientenversorgung<br />

eines Halbjahres mit den historischen Daten eines<br />

Gesamtjahres verglichen werden.<br />

Packungen<br />

9.000<br />

8.000<br />

7.000<br />

6.000<br />

5.000<br />

4.000<br />

3.000<br />

2.000<br />

1.000<br />

0<br />

2007/01<br />

Diskussion<br />

Die Aussendungen über die neue kritische Bewertung<br />

von Piroxicam hat zu einem deutlichen Rückgang<br />

in der Patientenversorgung mit diesem Medikament<br />

geführt, der sich nach einigen Monaten<br />

wieder stabilisiert hat. Erst mit der Streichung der<br />

50-Stück-Packung aus dem EKO ab September<br />

<strong>2008</strong> wird ein weiterer Verordnungsrückgang erwartet.<br />

Literatur<br />

1 Pressemitteilung der EMEA 25.06.2007 http://www.emea.europa.eu/pdfs/human/press/pr/26514407en.pdf<br />

2 Änderungen der Verwendung von Piroxicam, im blickpunkt<br />

1/<strong>2008</strong>;10-11<br />

3 Aktuelle Pressemitteilung der EMEA zu Piroxicam, Ökomed<br />

1/<strong>2008</strong>;3-4<br />

4 Änderungen der Verwendung von Piroxicam, therapie info<br />

1/<strong>2008</strong>;10-11<br />

5 Pressemitteilung der EMEA zu Piroxicam, medinfo 2/<strong>2008</strong>;5-7<br />

6 Pressemitteilung der EMEA zu Piroxicam, Top Tipps 4/2007,<br />

7-8<br />

7 Aktuelle Pressemitteilung der EMEA zu Piroxicam, Ökonomie &<br />

Praxis, 1/<strong>2008</strong>, 2-5<br />

Verordnungsentwicklung Piroxicam M01AC01<br />

2007/02<br />

2007/03<br />

2007/04<br />

2007/05<br />

2007/06<br />

2007/07<br />

2007/08<br />

2007/09<br />

2007/10<br />

2007/11<br />

2007/12<br />

<strong>2008</strong>/01<br />

<strong>2008</strong>/02<br />

<strong>2008</strong>/03<br />

<strong>2008</strong>/04<br />

<strong>2008</strong>/05


Ein Rezept um EUR 50.000,–<br />

Indikation pulmonal arterielle Hypertension PAH<br />

Die pulmonale Hypertonie wurde von der WHO<br />

nach unterschiedlichen klinischen Kriterien eingeteilt.<br />

Für die <strong>Therapie</strong>entscheidung steht allerdings<br />

die funktionelle NYHA Klassifi kation und die<br />

Studien- bzw. Zulassungsdokumentation der verfügbaren<br />

Präparate im Vordergrund. Die Prognose<br />

dieser seltenen Erkrankung ist ohne adäquate<br />

<strong>Therapie</strong> sehr schlecht (1). Seit einiger Zeit stehen<br />

jedoch wirkungsvolle Therapeutika zur Verfügung,<br />

die größtenteils auch im Gelben Bereich des EKO<br />

mit folgender Regel angeführt sind:<br />

„Bei pulmonal arterieller Hypertension nach Durchführung<br />

einer kompletten invasiven hämodynamischen<br />

Messung inklusive eines akuten Vasoreaktivitätstests.<br />

Diagnose, Erstverordnung und<br />

engmaschige Kontrolle durch entsprechende Fachabteilungen<br />

und Zentren.“<br />

Aufgrund der hohen Jahrestherapiekosten, die bei<br />

ca. EUR 30.000 pro Patient beginnen und im Einzelfall<br />

auch EUR 300.000 betragen können, ist diese<br />

<strong>Therapie</strong> nur in einem solidarisch fi nanzierten Gesundheitssystem<br />

mit zusätzlicher Qualitätskontrolle<br />

jeder einzelnen <strong>Therapie</strong> fi nanzierbar. Nachdem<br />

nunmehr Ilomedin, Revatio, Tracleer, Thelin, Ventavisim<br />

Gelben Bereich, sowie Volibris im Roten<br />

Bereich des EKO gelistet sind, und Flolan und Remodulin<br />

eine Zulassung für diese Indikation haben,<br />

stellt sich die Frage, wie die Versorgungsdichte der<br />

PAH mit diesen Medikamenten in Österreich ist.<br />

Was ist die Erwartungshaltung? Aus der Literatur<br />

kann eine Prävalenz der Erkrankung von 15 bis 50<br />

betroffenen Personen pro Million Einwohner abgeleitet<br />

werden (2,3,4).<br />

2007 wurden auf Kosten der 9 <strong>Gebietskrankenkasse</strong>n<br />

behandelt:<br />

l 116 Patienten mit mit Iloprost um EUR 573.273,24<br />

l 150 Patienten mit Sildenafi l um EUR 495.544,50<br />

l 310 Patienten mit Bosentan um EUR 6.948.415,78<br />

Die Präparate Thelin und Volibris wurden erst <strong>2008</strong><br />

in den EKO aufgenommen. Flolan und Remodulin<br />

sind im Warenverzeichnis des Apothekerverlages<br />

nicht angeführt und haben daher in der Apothekenabrechnung<br />

keine zuordenbare Pharmanummer.<br />

Einige SV-Träger konnten aber Daten zu diesen<br />

Präparaten erheben: 5 SV-Träger mit insgesamt 3,0<br />

Mio. Versicherten hatten 2007 8 Patienten mit Remodulin<br />

oder Flolan und einem durchschnittlichen<br />

Aufwand von EUR 135.000,– pro Patient.<br />

Das österreichische Gesundheitssystem wurde in<br />

internationalen Vergleichen als besonders innovativ<br />

und patientenfreundlich bezeichnet (5,6,7). Die<br />

in Relation zu den publizierten epidemiologischen<br />

Daten gut argumentierbare Vollversorgung von Patienten<br />

mit der Indikation PAH unterstreicht die<br />

Leistungsfähigkeit des österreichischen Gesundheitswesens.<br />

Diese hohe Versorgungsqualität auch<br />

mit sehr teuren Medikamenten wird fi nanzierbar<br />

durch<br />

l kostengünstige Generikaverordnungen, v.a. von<br />

PPI, ARB, ACE-I, SSRI<br />

l Verordnung der am besten dokumentierten<br />

Leitsubstanzen statt me-too Präparaten<br />

l Biosimilareinstellungen statt Firmentreue<br />

l kostenbewusstes innovatives Verordnungsverhalten<br />

statt stagnierendem altbekanntem<br />

Die SV-Träger wenden sich an die therapieführenden<br />

Ärzte: Unterstützen Sie die Leistungsfähigkeit<br />

unserer Gesundheitssystems! Innovation statt Stagnation.<br />

Für Fragen zum Thema steht Ihnen Ihre<br />

GKK oder der Autor gerne zur Verfügung: berthold.<br />

reichardt@bgkk.at<br />

Literatur<br />

1 Diagnostik und <strong>Therapie</strong> der chronischen pulmonalen Hypertonie;<br />

Clin Res Cardiol 96:301–330 (2007); Herausgegeben vom<br />

Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie – Herz-<br />

und Kreislaufforschung e.V.; http://leitlinien.dgk.org/images/<br />

pdf/leitlinien_volltext/2007-05_pulmonalen_hypertonie.pdf (Zugang<br />

am 16. 4. <strong>2008</strong>)<br />

2 Die pulmonale Hypertonie – Eine seltene Krankheit ohne <strong>Therapie</strong>optionen?<br />

Schweiz Med Forum Nr. 13 28. März 2001; http://<br />

www.medicalforum.ch/pdf/pdf_d/2001/2001-13/2001-13-374.<br />

PDF (Zugang am 9. 10. <strong>2008</strong>)<br />

3 NICE: Epoprostenol, iloprost, bosentan, sitaxentan and sildenafi<br />

l for the treatment of pulmonary arterial hypertension in adults<br />

4 State-of-the-art paper: Pulmonary Arterial Hypertension; J Am<br />

Coll Cardiol, <strong>2008</strong>; 51:1527-1538<br />

5 Wilking, Jönsson: A pan-European comparison regarding patient<br />

access to cancer drugs; http://ki.se/content/1/c4/33/52/<br />

Cancer_Report.pdf (Zugang am 9. 10. <strong>2008</strong>)<br />

6 Österreich Spitze bei moderner Krebstherapie; http://journale.<br />

apa.at/cms/journale/gesundheit/dossier.pdf;jsessionid=a9L9je<br />

LTwWc-?doc=CMS1221491934064 (Zugang am 9.10.<strong>2008</strong>)<br />

7 Euro Health Consumer Index 2007; http://www.healthpowerhouse.com/media/Rapport_EHCI_2007.pdf<br />

(Zugang am 9. 10.<br />

<strong>2008</strong>)<br />

11


therapie info INFORMATION FÜR VERTRAGSÄRZTE<br />

12<br />

Paradigmenwechsle zum Thema<br />

Osteoporose, 3. Teil<br />

Zusatzuntersuchung Labor:<br />

Nur bei Vorliegen eines pathologischen Befundes<br />

sollten zur Ausschlussdiagnostik der sekundären<br />

Osteoporose folgende Parameter als Basis in Erwägung<br />

gezogen werden:<br />

Serum Kalzium Kreatinin<br />

Serum Phosphat Albumin<br />

Alkalische<br />

Phosphatase und gGT<br />

BSG/CRP, wenn<br />

erhöht Protein-Elphor<br />

Blutbild<br />

Verlaufskontrollen sind nur bei Abweichungen sinnvoll.<br />

Nach neueren Studien ist auch Diabetes mellitus<br />

in die Differentialdiagnostik einzubeziehen, da<br />

beim Typ-I das Frakturrisiko um das 12-Fache und<br />

beim Typ-II um das 1,7-Fache erhöht ist. Dies liegt<br />

in einer vermehrten Knochenresorption durch Glykosurie<br />

und einer reduzierten Osteoblastenfunktion<br />

durch die Insulindefi zienz.<br />

Hyperthyreose (Osteoporose-Prävalenz 4-7%) und<br />

primärer Hyperparathyreoidismus (selten, aber klinisch<br />

lange inapparent) können einen Knochenmasseverlust<br />

verursachen. Die primäre hereditäre<br />

Laktoseintoleranz und Zöliakie können zu einer Malabsorption<br />

von Kalzium und Vitamin-D führen. Bei<br />

antiepileptischer <strong>Therapie</strong> sind Interaktionen mit<br />

dem Vitamin-D-Stoffwechsel möglich. Dadurch ergeben<br />

sich in Einzelfällen spezifi sche Ergänzungen<br />

der Laborparameter:<br />

TSH 25(OH)-Vitamin D3<br />

Gonadenhormone<br />

(FSH, Östradiol,<br />

Testosteron<br />

Harnkalzium aus 24<br />

Stunden Harn<br />

Parathormon Laktoseintoleranz-,<br />

Zöliakiescreening<br />

Weiterführende Spezialuntersuchungen (CTX, Osteocalcin,<br />

Chopecalciferol, TRAP-5b, bALP) sind<br />

bei Abweichungen in den zitierten Bereichen durch<br />

Speziallabors möglich.<br />

Zusatzuntersuchung Radiologie:<br />

Der seitlichen Thoraxaufnahme kommt in der Frühdiagnostik<br />

der Osteoporose zunehmend Bedeutung<br />

zu, da dabei „silent fractures“ erkannt werden<br />

können.<br />

Die Projektionsradiographie im Bereich der Hüfte<br />

wird heute nicht routinemäßig empfohlen. Diese<br />

Untersuchung ist im Bereich von BWS und LWS<br />

bei Rückenschmerzen oder schmerzunabhängigen<br />

Frakturindikatoren sinnvoll. Die damit festgestellte<br />

osteopenische Knochenstruktur ist nur ein<br />

schwacher Prädiktor von Frakturen.<br />

Die quantitative CT (QCT) und Sonographie (QUS)<br />

sind heute in der Osteoporosediagnostik von DXA<br />

abgelöst.<br />

CT, MRI und Szintigraphien haben in der Osteoporosediagnostik<br />

keinen Stellenwert.<br />

Zusammenfassend kann gesagt werden:<br />

1. Prophylaxe durch die Basismaßnahmen Bewegungskoordination,Muskelkraftverbesserung,<br />

Ernährung und Lebensstil (Kalzium,<br />

Vitamin-D)<br />

2. Basisdiagnostik durch Erhebung der Risikofaktoren,<br />

Anamnese, Klinik und DXA unter<br />

Berücksichtigung des Alters.<br />

3. weitere Zusatzdiagnostik im Einzelfall<br />

4. <strong>Therapie</strong> mit Prophylaxe beginnen<br />

5. Spezifi sche Osteoporosetherapie nach erfolgter<br />

Basisdiagnostik und DXA und nicht<br />

nach alleinigen technischen Parametern:<br />

• Bisphosphonate Goldstandard, Knochenmasse<br />

steigt nach 6 Monaten, 10 Jahreswirksamkeit,<br />

<strong>Therapie</strong>dauer 3-5 Jahre, <strong>Therapie</strong>beurteilung<br />

durch DXA fraglich<br />

• SERM Raloxifen Frauen postmenopausal,<br />

cave Thromboembolierisiko<br />

• Strontium ranelat bei Bisphosphonatunverträglichkeit<br />

• Calcitonin second line<br />

Literatur beim Verfasser


Blick über die Grenzen<br />

Teil 2: Schweden<br />

1, 2<br />

Finanzierung und Ausgaben<br />

Das schwedische Gesundheitssystem wird zu 71 %<br />

durch Steuern fi nanziert, (Beveridge-System). Die<br />

restliche Finanzierung erfolgt durch staatliche Zuschüsse<br />

(16 %), Patientengebühren (3 %) und andere<br />

Beiträge und Quellen. Es gibt einen einzigen<br />

staatlichen Sozialversicherungsträger, die „Försäkringskassan“.<br />

Sowohl die jährlichen nationalen Gesundheitsausgaben<br />

als auch die Gesundheitsausgaben pro Kopf<br />

sind in Schweden niedriger als in Österreich: Im Jahr<br />

2005 betrugen die nationalen Gesundheitsausgaben<br />

Schwedens 9,1 % des Bruttoinlandsprodukts,<br />

in Österreich hingegen 10,2 %. Die kaufkraftbereinigten<br />

Gesundheitsausgaben pro Kopf lagen im<br />

selben Zeitraum in Schweden bei 2.918 US-$ und<br />

in Österreich im Vergleich dazu bei 3.519 US-$.<br />

Organisation 1<br />

Die Organisation des schwedischen Gesundheitssystems<br />

erfolgt auf drei Ebenen:<br />

Auf der nationalen Ebene werden die Grundsätze<br />

der gesundheitlichen Versorgung und die gesundheitspolitische<br />

Ausrichtung vorgegeben. Das Ministerium<br />

für Gesundheit und soziale Angelegenheiten<br />

ist für den Erlass von Gesetzen und Verordnungen<br />

zuständig, das Zentralamt für das Gesundheits- und<br />

Zentralwesen für die Überwachung der Qualität und<br />

die staatliche Auswertungsstelle für medizinischtechnologische<br />

Versorgung für die Beurteilung sowohl<br />

neuer als auch etablierter medizinischer Methoden.<br />

Auf der regionalen Ebene sind die 21 Provinziallandtage<br />

für die Bereitstellung und Finanzierung der<br />

stationären und ambulanten medizinischen Versorgung<br />

verantwortlich. Durch diese Dezentralisierung<br />

kommt es zu großen regionalen Unterschieden in<br />

der Versorgung.<br />

Die Betreuung von Senioren und Menschen mit<br />

besonderen Bedürfnissen im Rahmen der Haus-<br />

und Heimpfl ege liegt im Aufgabenbereich der 290<br />

schwedischen Gemeinden.<br />

1, 3, 4<br />

Ärztliche Hilfe<br />

Innerhalb des zuständigen Provinziallandtages<br />

besteht für die Patienten freie Arztwahl. 80 % der<br />

schwedischen Allgemeinmediziner (als „Familienärzte“<br />

bezeichnet) sind in so genannten Gesundheitszentren<br />

tätig. Pro Gesundheitszentrum<br />

arbeiten drei bis vier Familienärzte, acht bis zehn<br />

Krankenschwestern oder –pfl eger, eine Hebamme,<br />

ein bis zwei Physiotherapeuten und andere Gesundheitsexperten.<br />

Die Zentren verfügen teilweise<br />

auch über Röntgen und Labor. Der Rest der Allgemeinmediziner<br />

arbeitet entweder privat oder hat<br />

– was allerdings immer seltener vorkommt – einen<br />

Vertrag mit den Provinziallandtagen abgeschlossen.<br />

Die ambulante Versorgung durch Fachärzte fi ndet<br />

vorwiegend in den Kliniken statt. Für fachärztliche<br />

Behandlungen ist keine Überweisung notwendig im<br />

Unterschied zu vielen anderen Ländern, in denen<br />

dem Hausarzt eine Gatekeeper-Funktion zukommt.<br />

Braucht nun ein Patient in Schweden ärztliche Hilfe,<br />

so ruft er beim Gesundheitszentrum an und führt<br />

zunächst ein Gespräch mit einer Distriktkrankenschwester<br />

(= Krankenschwester, die bei einem Gesundheitszentrum<br />

angestellt ist und Hausbesuche<br />

durchführt, sowie das Verschreibungsrecht für be-<br />

Schweden hat ein staatliches<br />

Gesundheitssystem<br />

13


therapie info INFORMATION FÜR VERTRAGSÄRZTE<br />

14<br />

Wartezeiten sind eine Schwachstelle<br />

des schwedischen Systems.<br />

stimmte Arzneimittel hat). Diese erteilt erste medizinische<br />

Ratschläge und vereinbart, falls notwendig,<br />

einen Termin mit einem Arzt. Die Wartezeit auf einen<br />

Termin bei einem Allgemeinmediziner kann bis zu<br />

einer Woche betragen, jene bei Fachärzten bis zu<br />

drei Monaten.<br />

5, 6, 7, 8<br />

Heilmittel<br />

Sämtliche Arzneimittel werden über die schwedische<br />

Apothekenkette Apoteket abgegeben. Das<br />

Apothekennetz wurde 1970 gegründet, ist in staatlicher<br />

Hand und arbeitet ohne Gewinninteresse. Im<br />

Jahr 2007 verfügte Apoteket über ca. 900 Filialen<br />

sowie ca. 800 Apoteket-Vertreter. Bei letzteren handelt<br />

es sich um Vertragspartner (zB Tankstellen), die<br />

berechtigt sind, bestimmte OTC-Präparate in dünn<br />

besiedelten Gebieten auszugeben, und man kann<br />

bei ihnen ärztlich verordnete Arzneimittel bestellen.<br />

Sie verfügen allerdings über kein pharmazeutisches<br />

Fachwissen. Hausapothekenführende Ärzte gibt es<br />

in Schweden nicht.<br />

Die Verschreibung von Heilmitteln erfolgt entweder<br />

auf einem herkömmlichen Rezeptformular oder in<br />

mittlerweile rund 75 % der Fälle per e-Rezept. Dabei<br />

handelt es sich um ein elektronisches Rezept,<br />

das direkt vom verschreibenden Arzt an das Netz<br />

von Apoteket übermittelt wird. Der Patient erhält<br />

dann in der Apotheke seiner Wahl die verordneten<br />

Arzneimittel gegen Vorlage seines Ausweises. Seit<br />

dem Jahr 2005 werden die Daten der eingelösten<br />

Rezepte für 15 Monate in einer e-Medikationsdatenbank<br />

gespeichert. e-Rezepte sind bis zu zwölf<br />

Monate gültig, wobei der Patient maximal den Drei-<br />

Monats-Bedarf auf einmal abholen kann. Weiters<br />

besteht die Möglichkeit, Rezepte unter Angabe<br />

eines speziellen PIN-Codes via Internet oder durch<br />

Anruf bei einem Call-Center einzulösen. Der Patient<br />

kann sich jederzeit in der Apotheke eine Liste jener<br />

Medikamente ausdrucken lassen, für die zwar Verschreibungen<br />

vorliegen, die aber noch nicht abgeholt<br />

wurden.<br />

Erstattungsfähige Arzneimittel werden in eine Positivliste<br />

aufgenommen, nachdem sie einer gesundheitsökonomischen<br />

Bewertung durch ein Health<br />

Technology Assessment unterzogen worden sind.<br />

Es gibt eine Aut-idem-Regelung, durch die die Apotheken<br />

dazu verpfl ichtet sind, das jeweils kostengünstigste<br />

Präparat abzugeben. Möchte ein Patient<br />

dennoch das teurere Arzneimittel haben, muss er<br />

die Differenz zum kostengünstigsten aufzahlen. Die<br />

Aut-idem-Regelung funktioniert in Schweden ohne<br />

jegliche Kritik und hat bisher zu großen Ersparnissen<br />

im Gesundheitssystem geführt.<br />

1, 9<br />

Selbstbehalte<br />

Bei Arztbesuchen in Gesundheitszentren müssen<br />

die Patienten eine Gebühr von zwischen 10 1 und<br />

16 1 entrichten. Für Facharztkonsultationen ist<br />

die Gebühr höher. Hat ein Patient bereits mit den<br />

von ihm entrichteten Gebühren innerhalb der letzten<br />

zwölf Monate nach dem ersten Arztbesuch die<br />

Obergrenze von rund 100 1 erreicht, ist er von der<br />

Zuzahlung befreit.<br />

Auch für Heilmittel existieren Selbstbehalte: Bis<br />

100 1 zahlt man den vollen Preis, darüber gibt es<br />

degressiv gestaffelte Zuzahlungen. Die Höhe des<br />

degressiv gestaffelten Selbstbehaltes richtet sich<br />

danach, wie viel der Patient in diesem Jahr bereits<br />

für Arzneimittel ausgegeben hat. Hat ein Patient innerhalb<br />

von zwölf Monaten ab der ersten Behandlung<br />

die Obergrenze von rund 195 1 erreicht, gilt er<br />

für diese Periode als zuzahlungsbefreit.<br />

1, 3, 6, 8<br />

Chancen und Risiken<br />

In der Vergangenheit wurden diverse Maßnahmen<br />

zur Heilmittelkostendämpfung wie Erhöhung der<br />

Patientenselbstbeteiligung, Spannensenkungen,<br />

Streichungen von der Positivliste, Einführung von<br />

Arzneimittelkomitees zur Steuerung des Verordnungsverhaltens<br />

von Ärzten, die Einrichtung eines<br />

pharmakoökonomischen Evaluierungsinstituts und<br />

die Einführung der Generikasubstitution durchgeführt.


Das größte Problem im schwedischen Gesundheitssystem<br />

stellen allerdings die langen Wartezeiten auf<br />

ärztliche Behandlungen dar. Ende 2005 wurde von<br />

der Regierung eine Behandlungsgarantie eingeführt,<br />

die gewährleisten soll, dass kein Patient länger als<br />

drei Monate auf einen Arzttermin warten muss. Wird<br />

diese Frist nicht eingehalten, so wird dem Patienten<br />

eine Behandlung an einem anderen Ort angeboten,<br />

wobei die Kosten samt Reisekosten vom jeweiligen<br />

Provinziallandtag übernommen werden.<br />

Nachdem auch in Schweden der ökonomische<br />

Druck immer größer wird, sind Kostenrestriktionen<br />

und Effi zienzsteigerungen notwendig, um die beschränkt<br />

vorhandenen Ressourcen optimal nutzen<br />

zu können. Aus diesem Grund wird ein Leistungsvergleich<br />

zwischen den teils sehr unterschiedlich<br />

geführten Provinziallandtagen angestrebt. Da die<br />

Daten aufgrund der starken Dezentralisierung auf<br />

nationaler Ebene kaum vorhanden bzw. untereinander<br />

nicht kompatibel sind, wird derzeit ein Modell<br />

eingeführt, mit dem die erreichten Ziele und Ergebnisse<br />

im Gesundheitsbereich besser evaluiert und<br />

verglichen werden können.<br />

Voraussichtlich ab Mitte 2009 soll der schwedische<br />

Apothekenmarkt liberalisiert werden. Die Apotheken<br />

der staatlichen Apothekengesellschaft sollen<br />

zum Teil verkauft und der Markt für neue Anbieter<br />

geöffnet werden. Ziel ist vor allem die Verbesserung<br />

des Zugangs durch Erhöhung der Anzahl der<br />

Apotheken (Schweden ist viermal so groß wie Österreich,<br />

hat aber weniger Apotheken) und durch<br />

Ausweitung der Öffnungszeiten sowie Reduktion<br />

der Wartezeiten an den Schaltern. Derzeit wird die<br />

Aufl ösung des Apothekenmonopols in Schweden<br />

allerdings noch kontroversiell diskutiert.<br />

Wir danken Herrn Mag. (FH) Thomas Steinschaden<br />

für die Qualitätssicherung dieses Artikels.<br />

Literatur<br />

1 Das schwedische Gesundheitswesen, Schwedisches Institut,<br />

Januar 2007; http://www.sweden.se/upload/Sweden_se/german/factsheets/SI/Das_schwedische_Gesundheitswesen_<br />

TS76r.pdf (Zugriff am 26. 6. <strong>2008</strong>)<br />

2 G. Kochler, Gesundheitsausgaben: Schweiz wiederum im zweiten<br />

und dritten Rang; Schweizerische Ärztezeitung 88 (2007),<br />

47; 2004-2007<br />

3 Das schwedische Gesundheitssystem, Rheinhessische Patienteninformation;<br />

http://www.gesundheitsseiten.de/start.php?na<br />

s=l,0350,0260&thema=Schweden&SID=9b 1409bba5375 (Zugriff<br />

am 26. 6. <strong>2008</strong>)<br />

4 Staatl. Gesundheitszentren, In Schweden leben und arbeiten<br />

- Das Netzwerk in Schweden; http://www.inschweden.se/gesundheit/rztl.-hilfe-vardcentralen/staatl.-gesundheitszentren.<br />

html (Zugriff am 26. 6. <strong>2008</strong>)<br />

5 Apoteket; http://www.apoteket.se/content/1/c4/49/47/ApoteketGerman.pdf<br />

(Zugriff am 26. 6. <strong>2008</strong>)<br />

6 Schweden hebt das Apothekenmonopol auf, Bundesagentur<br />

für Außenwirtschaft; http://www.handelskammer.cci.se/data/<br />

apoteket.pdf (Zugriff am 26. 6. <strong>2008</strong>)<br />

7 Th. Steinschaden, The Implementation of e-Prescribing of Pharmaceuticals<br />

in Austria and Sweden - Status and Attitudes of<br />

Doctors; Diploma Thesis submitted at the IMC University of Applied<br />

Sciences Krems, Mai <strong>2008</strong><br />

8 ÖBIG, Arzneimittelausgaben. Strategien zur Kostendämpfung<br />

in der EU (2001)<br />

9 S. Vogler et al., Arzneimittel: Wer zahlt? Erstattung und Selbstbeteiligung<br />

in der erweiterten EU; Soziale Sicherheit 59 (2006),<br />

10, 411 – 418<br />

Red.<br />

Zugang zu Heilmitteln<br />

verbessern.<br />

15


therapie info INFORMATION FÜR VERTRAGSÄRZTE<br />

16<br />

Antipsychotika bei Kindern und<br />

Jugendlichen<br />

Die Antipsychotika Olanzapin (Zyprexa), Quetiapin<br />

(Seroquel und Generika) und Risperidon (Risperdal<br />

und Generika) haben keine bzw. eine eingeschränkte<br />

Zulassung für Kinder und Jugendliche.<br />

Zulassung bei Kindern und Jugendlichen lt. Austria-Codex,<br />

Stand 1. 7. <strong>2008</strong>:<br />

Aripiprazol: Es gibt keine Erfahrungen bei Kindern<br />

und Jugendlichen unter 18 Jahren.<br />

Olanzapin: Es gibt keine Erfahrungen bei Kindern<br />

Quetiapin: Die Sicherheit und Wirksamkeit von<br />

Seroquel wurden bei Kindern und Jugendlichen<br />

nicht untersucht.<br />

Risperidon: Risperdal ist indiziert zur Behandlung<br />

von Anpassungsstörungen und anderen impulshaften<br />

Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern,<br />

Jugendlichen und Erwachsenen mit unterdurchschnittlichen<br />

intellektuellen Funktionen und geistiger<br />

Zurückgebliebenheit, bei denen destruktive<br />

Verhaltensweisen (z. B. aggressives, impulsives<br />

und eigengefährdendes Verhalten) vorherrschen.<br />

Risperdal ist indiziert zur Behandlung von Autismus<br />

bei Kindern und Jugendlichen.<br />

Es mehren sich die Hinweise auf den Einsatz der<br />

Antipsychotika bei Kindern (1, 2). Dies wird kri-<br />

Kinder sind anders.<br />

tisch gesehen, weil es keine Zulassungsdaten gibt,<br />

und somit die Wirksamkeit und Verträglichkeit bei<br />

Kindern und Jugendlichen nicht geprüft ist. Eine<br />

rezente Studie bei Kindern und Jugendlichen mit<br />

Schizophrenie bestätigt dies (3). Außerdem wird auf<br />

die Nebenwirkungen der neueren Antipsychotika<br />

mit Gewichtszunahme und metabolischen Problemen<br />

hingewiesen.<br />

Bundesdeutsche Daten zeigen eine Zunahme der<br />

Verordnungen von Antipsychotika in den Jahren<br />

2001-2006 (1). Auch in Österreich werden die Antipsychotika<br />

vermehrt bei Kindern und Jugendlichen<br />

eingesetzt.<br />

Tabelle 1:<br />

Bundesweite Verordnungen von Antipsychotika bei<br />

Kindern und Jugendlichen in den Jahren 2000 und<br />

2007 (Quelle: Pegasus)<br />

Substanz<br />

Patientenalter<br />

5 bis 10 Jahre<br />

Patientenalter<br />

10 bis 15 Jahre<br />

2000 2007 2000 2007<br />

Aripiprazol 0 18 0 107<br />

Olanzapin 35 56 106 401<br />

Quetiapin 0 78 2 729<br />

Risperidon 74 719 384 3.561<br />

Aufgrund der fehlenden Zulassung (mit teilweisen<br />

Ausnahmen für Risperidon), der mangelhaft dokumentierten<br />

Wirksamkeit und der diskutierten Sicherheitsmängel<br />

sollte die Indikationsstellung für<br />

den Einsatz von Antipsychotika bei Kindern und Jugendlichen<br />

besonders streng gehandhabt werden.<br />

Auf die gesetzlichen Vorgaben der Patienteninformation<br />

und Einverständniserklärung für den Einsatz<br />

außerhalb der Zulassung sollte im Eigeninteresse<br />

des behandelten Arztes besonderer Wert gelegt<br />

werden.<br />

Literatur<br />

1 Kinder: Neuroleptikagebrauch steigt, Arzneitelegramm <strong>2008</strong>;<br />

39: 69-70<br />

2 Study of Newer Antipsychotics Finds Risks for Youths,<br />

New York Times <strong>2008</strong>, September 15<br />

3 Double-Blind Comparison of First- and Second-Generation Antipsychotics<br />

in Early-Onset Schizophrenia and Schizo-affective<br />

Disorder: Findings From the Treatment of Early-Onset Schizophrenia<br />

Spectrum Disorders (TEOSS) Study; Am J Psychiatry.<br />

<strong>2008</strong> Sep 15 [Epub ahead of print]

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