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Macher - WirtschaftsEcho

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<strong>WirtschaftsEcho</strong> ·APRIL/MAI 2010 <strong>Macher</strong> & Märkte 4<br />

Die Kunert Gruppe<br />

Die Kunerts können vor allem mit ihrer Erfahrung<br />

punkten. Seit 110Jahren sind sie im Verpackungsgeschäft.<br />

1893 hat Alois Paul, der Urgroßvater von<br />

Andreas Kunert, dem heutigen Geschäftsführer des<br />

Wellpappe-Werks in Biebesheim, seine Schachtelproduktion<br />

gegründet. Gemeinsam mit seinem<br />

Schwiegersohn Karl Kunert macht er aus dem Familienunternehmen<br />

Paul &CoinEulau im Sudetenland<br />

rasch einen Industriebetrieb.<br />

Bereits 1902findet sich Wellpappe im Sortiment,<br />

später kommen Hartpapierhülsen hinzu. Nach dem<br />

Zweiten Weltkrieg und der Flucht in den Westen<br />

gründen die Söhne vonKarl Kunert die Firma 1948<br />

neu. Paul &CoinWildflecken an der Rhön wirdder<br />

Hauptsitz der Hülsenproduktion. 1957 folgt die<br />

Gründung der Kunert Wellpappe in Bad Neustadt,<br />

seit 1985 gibt es Kunert Wellpappe in Biebesheim.<br />

Heute produzieren 16 WerkeinWest- und Osteuropa<br />

sowie Asien Hartpapierhülsen, Wellpappe und<br />

Hülsenkarton. Die Kunert-Gruppe beschäftigt 1800<br />

Mitarbeiter weltweit und produziert jährlich<br />

300 000 Tonnen Hülsen, Wellpappe und Kantenschutz.<br />

[Infobox]<br />

Inspiration durch<br />

den Faltenrock<br />

Wellpappe – Die Kunert-Gruppe,die auch in Biebesheim produziert, baut auf Tradition<br />

und gestaltet die Zukunft des Öko-Produktes mit –Branchenverband sitzt in Darmstadt<br />

VON HELEN KNUST<br />

Braunes Papier und Stärkeleim<br />

gehören zu den Kunerts<br />

wie Mehlstaub und<br />

Zucker zu einer Bäcker-Familie.<br />

Schon der Urgroßvater war<br />

Schachtelmacher,hat 1893 im Sudetenland<br />

angefangen, mit Verpackungen<br />

Geld zu verdienen. Die<br />

Söhne traten in seine Fußstapfen,<br />

nach dem zweiten Weltkrieg nahmen<br />

die Enkel die Produktion wieder<br />

auf. Die Urenkel sind noch immer<br />

im Geschäft, einer vonihnen<br />

ist Andreas Kunert. Wenn er heute<br />

im Wellpappenwerk Biebesheim<br />

eine wichtige Entscheidung treffen<br />

muss, telefoniert er sich deshalb<br />

nicht bis zu einer Konzernzentrale<br />

durch, wo im vollen Terminkalender<br />

des Chefs erst in drei<br />

Tagen eine Lückefür ein Gespräch<br />

frei ist. Er geht einfach ins Nebenzimmer<br />

und bespricht sich mit<br />

seinem Bruder Wolfgang, mit dem<br />

er die Geschäfte in Biebesheim gemeinsam<br />

führt. Oder er ruft seinen<br />

Cousin Manfred in Wildflecken<br />

an, Mathias in Bad Neustadt<br />

oder Walter in Peiting.<br />

„Im Familienbetrieb sind die<br />

Wege kurz“, sagt der 48-jährige.<br />

Entscheidungen können auch mal<br />

einfach aus dem Bauch heraus getroffen<br />

werden.<br />

Flexibilität ist wichtig auf<br />

umkämpften Markt<br />

Diese Flexibilität ist wichtig auf<br />

dem hart umkämpften Papiermarkt.<br />

110 Wellpappefabriken<br />

gibt es in Deutschland, etwa<br />

40 Prozent davon sind in der<br />

Hand vonKonzernen und werden<br />

zentral gesteuert.<br />

In Biebesheim produziert die<br />

Kunert-Gruppe klassische Faltkisten<br />

aus Wellpappe, ganz nach<br />

Wunsch mit bis zu sechs Farben<br />

bedruckt. So bekommt ein Staubsauger<br />

der Firma Xnicht nur einen<br />

individuellen Karton, der im<br />

Elektromarkt gleichzeitig Regal-<br />

Dekoration ist. Er kann in seiner<br />

Verpackung auch bis zu sieben<br />

Meter hoch gestapelt werden und<br />

würde nach einem Sturz aus<br />

knapp zwei Meter Höhe ohne<br />

Beulen und Kratzer noch zuverlässig<br />

saugen.<br />

Auch Teleskop-Verpackungen,<br />

werbewirksame Verkaufsaufsteller<br />

für den Kassenbereich, Kartons<br />

für Gefahrgut aus der eigenen<br />

Zertifizierungsstelle und wasserfeste<br />

Verpackungen gehören<br />

ins Sortiment. Die Kunerts können<br />

ihre Wellpappe ziemlich vielen<br />

Bedingungen anpassen, entscheidend<br />

ist eine genaue Absprache<br />

mit dem Kunden. Wenn der<br />

Lieferant für Peking-Ente in Senfkruste<br />

aber vorher nicht sagt, dass<br />

er seine Kisten längerfristig in<br />

Kühlhäusern unterstellen will,<br />

kann die Fracht auch mal einknicken<br />

und die Soße auf den Boden<br />

tropfen.<br />

Damit das nicht passiert, gibt<br />

es im Wellpappenwerk eine ausgefeilte<br />

Qualitätskontrolle. „Produziert<br />

wird millimetergenau“,<br />

betont Kunert. Um Lager- und<br />

Transportkosten zu minimieren,<br />

werden in Biebesheim in der Regel<br />

nur die flachen, gestanzten<br />

Pappen gefertigt. Falten und Aufstellen<br />

übernehmen die Kunden<br />

selbst. Früher war das Handarbeit,<br />

heute sind Maschinen am<br />

Werk. Und die können nicht gegensteuern,<br />

wenn die linke Kistenseite<br />

mal ein bisschen länger<br />

ist als die rechte.Die Pappen müssen<br />

automatengängig sein, ein<br />

Qualitätsmerkmal, das für jeden<br />

Wellpappenhersteller ein Muss<br />

ist.<br />

27 000 Quadratmeter bebaute<br />

Fläche hat das Gelände der Kunert-Gruppe<br />

in Biebesheim. In<br />

großen Mengen wird aus Wasser<br />

und Kartoffel-, Mais- oder Weizenstärke<br />

der Leim angerührt,<br />

über riesige Rollen und Walzen<br />

laufen in der Produktionshalle die<br />

braunen Papierbahnen, der Rohstoff<br />

für die Wellpappenproduktion.<br />

„Das Papier ist zu 80 Prozent<br />

recycelt“, sagt Kunert. Frischfaserpapier<br />

werde nur selten, als<br />

einzelne verstärkende Schicht für<br />

einen besonders stabilen Karton<br />

verwendet.<br />

Aber auch dann handelt es sich<br />

um Verschnitt der Holzwirtschaft,<br />

betont Oliver Wolfrum vom Verband<br />

der Wellpappen-Industrie<br />

(VDW) in der Darmstädter Hilpertstraße.<br />

Seit 2009 weist ein<br />

Öko-Signet auf die Umweltverträglichkeit<br />

der Papp-Verpackung<br />

hin. Aber das ist kein neuer Trend:<br />

„Wellpappe war schon immer<br />

öko“, sagt Wolfrum. Rund 80 Prozent<br />

aller Waren, die in Deutschland<br />

auf Reisen gehen, würden in<br />

Wellpappe verpackt.<br />

Einfache Prinzipien<br />

bringen den Erfolg<br />

„Erfolgreiche Unternehmen bauen<br />

auf einfache Prinzipien“, sagt<br />

Andreas Kunert selbstbewusst.<br />

Zum klassischen Nebenprodukt<br />

Wellpappe,das zwar keiner wirklich<br />

haben möchte,aber doch alle<br />

brauchen, hat angeblich der Faltenrock<br />

Ende des 18. Jahrhunderts<br />

einen Tüftler in den USA inspiriert,<br />

erzählt Wolfrum. Auch<br />

Kunert bedient sich Vokabeln aus<br />

der Modewelt, um das Prinzip<br />

Wellpappe zu erklären. Wie mit<br />

einem Lockenstab die Haarewird<br />

in den Maschinen die Papierfaser<br />

gebogen und ist auch ohne Leim<br />

schon stabil. Umhüllt von zwei<br />

glatten Papierbahnen entsteht ein<br />

Karton mit Luftpolster. Jenachdem,<br />

wie fest er sein soll, werden<br />

bis zu drei Wellen übereinandergelegt.<br />

In die Kisten kann fast alles.<br />

VonKnabbergebäck über Getränkedosen,<br />

Ersatzteile für Autos,<br />

Schrauben oder Blumenzwiebeln<br />

bis zu Kosmetikprodukten oder<br />

Lacken und Farben.<br />

Die Zusammenarbeit mit derartig<br />

vielen Branchen hat sich bei<br />

den Kunerts schon immer als Vorteil<br />

erwiesen. Ist der Sommer<br />

trüb und grau, geht zwar die Produktion<br />

in der Getränkeindustrie<br />

zurück, aber die Regenschirmhersteller<br />

legen zu. In der aktuellen<br />

Wirtschaftskrise gab es auch<br />

im Biebesheimer Werk Einbrüche<br />

und Kurzarbeit, die breite<br />

Aufstellung hat das Unternehmen<br />

aber vor größerem Schaden<br />

bewahrt, sagt der Geschäftsführer.<br />

Der Umsatz lag 2009 bei etwa<br />

30 Millionen Euro. So gab es zwar<br />

einen Einstellungsstopp, vonden<br />

190 Mitarbeitern wurde aber nie-<br />

mand entlassen. Andreas Kunert<br />

ist das wichtig. Als Leiter eines<br />

mittelständischen Unternehmens,<br />

bei dem der Großteil der<br />

Belegschaft aus der Region<br />

kommt und der demnächst sein<br />

25-jähriges Dienstjubiläum feiert,<br />

ist er sich seiner sozialen Verantwortung<br />

bewusst. „Wir ziehen<br />

auch mal einen Mitarbeiter<br />

mit, der nicht auf dem Höhepunkt<br />

seiner Leistungsfähigkeit<br />

ist“, sagt er.<br />

Der VDW vertritt etwa80Prozent<br />

der deutschen Wellpappenindustrie.<br />

Hier ist der Umsatz<br />

2009 im Schnitt um etwa 16Prozent<br />

gesunken, von 3,6 auf 3,06<br />

Milliarden Euro. Was das Problem<br />

für die Wellpappenproduzenten<br />

verstärkt hat, waren die<br />

drastisch gestiegenen Papierpreise<br />

ausgerechnet im Krisenjahr.<br />

Das an die Kunden weiterzugeben,<br />

sei nicht drin gewesen, sagt<br />

Wolfrum. Und da die Roh- und<br />

Hilfsstoffe etwa 50Prozent der<br />

Gesamtkosten bei den Herstellern<br />

ausmachen, war der Effekt<br />

enorm. Während ein Quadratmeter<br />

Wellpappe 2008 im Schnitt<br />

noch 52,1 Cent brachte,waren es<br />

2009 nur noch 46,7 Cent. Ein Minus<br />

vonetwa10, 4Prozent. „Wir<br />

haben die Talsohle erreicht, aber<br />

es wird nicht gleich wieder bergauf<br />

gehen“, sagt Wolfrum.<br />

Tendenz geht zu<br />

„Mikrowellen“<br />

Derzeit gibt es die Tendenz zu<br />

immer bunteren und leichteren<br />

Wellpappen. Der Verbandsgeschäftsführer<br />

spricht im Fachjargon<br />

vonMikrowellen, auch wenn<br />

sich damit kein Essen warm machen<br />

lässt. „Damit erobern wir<br />

Bereiche, die früher der Faltschachtel<br />

gehörten“, sagt Wolfrum.<br />

Ob Handy-Karton oder Bic-<br />

Mac-Schachtel, das meiste ist aus<br />

Wellpappe machbar.Auch der Internethandel<br />

kommt den Wellpappe-Produzenten<br />

zugute.<br />

Während 1999 nur 1,3 Milliarden<br />

Euro auf diesem Feld umgesetzt<br />

wurden, waren es 2009 schon<br />

21,9 Milliarden Euro. Hauptabnehmer<br />

für Wellpappe ist die Le-<br />

Andreas Kunert FOTOS: ALEXANDER HEIMANN

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