Oktober - PriceWaterhouseCoopers AG
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<strong>Oktober</strong> 2010<br />
pwc:<br />
Das Magazin für Vorausdenker<br />
Stars mit Streifen<br />
Adidas-Vorstand Erich Stamminger<br />
Geist und Genius<br />
Nobelpreisträgertreffen in Lindau<br />
Plattform statt Parkett<br />
Die Entmenschlichung der Wall Street<br />
Neue Spitzen<br />
Seit Juli im Amt:<br />
PwC-Vorstandssprecher<br />
Norbert Winkeljohann und sein<br />
Führungsteam
pwc: Inhalt<br />
Titel Märkte Wissen<br />
Neue Spitzen<br />
PwC-Vorstandssprecher Norbert<br />
Winkeljohann im Gespräch mit Wolfgang<br />
Kaden. Seite 4<br />
Alle Neune<br />
Das neue Führungsteam von PwC Deutschland<br />
im Überblick. Seite 8<br />
Trends Seite 12<br />
Swissness School<br />
Alexander Niemetz über Erfolgs- und andere<br />
Geheimnisse der Schweiz. Seite 14<br />
Die Marke der Athleten<br />
Erich Stamminger, Markenvorstand der<br />
Adidas <strong>AG</strong>, im Gespräch über Stars und<br />
Streifen. Seite 18<br />
Mensch im Wertewandel<br />
Was Buchautor Jörn Klare unter anderem<br />
herausbekam, als er versuchte, seinen eigenen<br />
Wert zu berechnen. Seite 22<br />
Auf Windfang<br />
Die Offshorewindindustrie steht in Deutschland<br />
vor dem Durchbruch. Und vor einigen<br />
Fragezeichen. Seite 24<br />
Trends Seite 28<br />
Der Mustermann<br />
Der Mathematiker und Systembiologe<br />
Fabian Theis im Porträt. Seite 30<br />
Topp, dies Wetter gilt!<br />
Wetteroptionen waren ein Hit an den Derivatemärkten.<br />
Doch neue Anbieter setzen<br />
auf individualisierte Produkte. Seite 32<br />
Nobelesse oblige<br />
Ein Besuch beim Jahrestreffen der Nobelpreisträger<br />
in Lindau. Seite 34<br />
Gutes tun – gewusst wie<br />
Der Ausbildungsgang zum CSR-Manager<br />
feiert die ersten Absolventen. Seite 38<br />
2 pwc: | oktober 2010
Lösungen<br />
Trends Seite 40<br />
Wall Street 4.0<br />
Menschen an der New Yorker Börse waren<br />
gestern, Maschinen am Washington Boulevard<br />
sind heute. Seite 42<br />
Ein Offenbacher in Hongkong<br />
Wie die Schramm <strong>AG</strong> als erstes deutsches<br />
Unternehmen den Gang an die Börse in<br />
Hongkong schaffte. Seite 48<br />
Wenn nichts mehr geht<br />
Einblicke in die Arbeit der Restrukturierungsexperten<br />
von PwC. Seite 50<br />
Publikationen Seite 54<br />
Impressum Seite 55<br />
pwc: Editorial<br />
Norbert Winkeljohann,<br />
Vorstandssprecher der<br />
PricewaterhouseCoopers <strong>AG</strong><br />
Sehr geehrte Leserinnen und Leser,<br />
Sie, unsere Mandanten, sind das Wichtigste für uns als Dienstleister.<br />
Trotzdem stellen wir in der Titelgeschichte dieser Ausgabe von pwc:<br />
nicht Sie, sondern ausnahmsweise uns selbst in den Mittelpunkt.<br />
Warum tun wir das? Weil wir der Meinung sind, dass Sie wissen sollten,<br />
wer seit Juli an der Führungsspitze Ihres Prüfungs- und Beratungsunternehmens<br />
steht. Die älteste und schönste Form der Kommunikation ist<br />
natürlich nach wie vor der persönliche und direkte Austausch und in den<br />
vergangenen Wochen haben meine Vorstandskollegen und ich wieder<br />
viele Gespräche mit Unternehmensvertretern geführt. Diese Gespräche<br />
setzen wir selbstverständlich fort; aber das braucht Zeit – und deshalb<br />
sollen Sie uns in diesem Heft schon einmal ein wenig kennenlernen.<br />
Uns mit uns selbst zu beschäftigen, wird aber keineswegs zum Prinzip<br />
für „pwc: Das Magazin für Vorausdenker“. Auch künftig finden Sie<br />
hier Themen aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft, die informieren<br />
und unterhalten sollen, aber vor allem einen Blick nach vorne und einen<br />
Blick zur Seite werfen. Kurz: Beiträge, die über den Tellerrand des eigenen<br />
Geschäftsalltags hinausgehen. Das ist und bleibt die Leitidee dieses<br />
Magazins. Auch in dieser Ausgabe finden Sie dafür gute Beispiele: Wir<br />
blicken hinter die Kulissen des alljährlichen Nobelpreisträgertreffens in<br />
Lindau. Pünktlich zum Kinostart von Wall Street II liefern wir eine Zustandsbeschreibung<br />
des New Yorker Börsenparketts ab. Und wir erklären,<br />
warum sich ein Mittelständler aus dem hessischen Offenbach als<br />
erstes europäisches Unternehmen an der Hong Kong Stock Exchange<br />
hat listen lassen.<br />
Wir wünschen Ihnen gleichermaßen Anregung und Vergnügen,<br />
Norbert Winkeljohann<br />
pwc: | oktober 2010 3
pwc: Titel<br />
4 pwc: | oktober 2010
„Dialog mit Wirtschaft<br />
und Politik“<br />
Der neue PwC-Vorstandssprecher Norbert Winkeljohann im Gespräch mit<br />
Wolfgang Kaden.<br />
pwc: Herr Professor Winkeljohann, zum ersten Mal haben die 426<br />
Partner von PricewaterhouseCoopers ihren Vorstandssprecher in<br />
einer Urwahl gewählt. War es spannend?<br />
Norbert Winkeljohann: Das war schon spannend. Für unsere Firma<br />
war die Direktwahl des Sprechers ein Novum. Aber auch für mich<br />
war es eine ganz besondere Erfahrung, sich einem solchen Wettbewerb<br />
zu stellen. Die Eigenvermarktung liegt Wirtschaftsprüfern<br />
und Steuerberatern, die eher im Hintergrund arbeiten, häufig fern.<br />
Es gab drei Bewerber. Normalerweise laufen solche Ausleseprozesse<br />
doch hinter einem Vorhang ab. Was bedeutet es für ein<br />
Unternehmen, wenn das alles öffentlich geschieht?<br />
Als Wirtschaftsprüfungsgesellschaft stehen wir für Vertrauen und<br />
Transparenz. Diese Transparenz wollten wir als Partner und Inhaber<br />
unserer Firma auch nach innen berücksichtigt sehen. Im Ergebnis<br />
hat der damit verbundene Kulturwandel eine neue Offenheit in unserer<br />
Gesellschaft bewirkt.<br />
Was hat die Führung veranlasst, dieses Verfahren zu wählen?<br />
Der Wunsch nach mehr Partnerschaft und Unternehmertum in unserer<br />
Gesellschaft. Als Partnerinnen und Partner sind wir Unternehmer,<br />
die ihre Mandanten aus einer unternehmerischen Perspektive<br />
betreuen. Denn derjenige, der wie ein Unternehmer die Bereitschaft<br />
mitbringt, Chancen und Risiken zu tragen, kann Entscheiderinnen<br />
und Entscheider in der Wirtschaft zukunftsweisend betreuen.<br />
No Risk, no Fun. Wer sich einer solchen Wahl stellt, trägt auch das<br />
Risiko, zu verlieren. Haben Sie den möglichen Prestigeverlust einer<br />
Niederlage einkalkuliert?<br />
Dem Sprecher einer Gesellschaft wie PwC werden Entscheidungen<br />
abverlangt, bei denen er manchmal Risiken in Kauf nehmen muss.<br />
Wer sich einer solchen Wahl stellt, muss also bereit sein, Risiken<br />
einzugehen. Das Nachdenken über Chancen und Risiken stand nie<br />
im Vordergrund, sondern der Gedanke, nach welchen Grundsätzen<br />
und mit welchen innovativen Ideen unsere Firma erfolgreich durch<br />
die nächsten Jahre geführt werden kann.<br />
Die Öffentlichkeit des Auswahlprozesses macht das Risiko natürlich<br />
größer.<br />
Das ist im politischen Leben nicht anders. Und dort ist meines Wissens<br />
noch niemand daran gestorben, dass er zweiter Sieger war.<br />
Sie sind in einer bewegten Zeit Vorstandssprecher des größten Prüfungs-<br />
und Beratungsunternehmens in Deutschland geworden. Es<br />
gab nach Ausbruch der Finanz- und Wirtschaftskrise heftige Kritik<br />
– an den Bankern, den Aufsehern, den Politikern, den Ratingagenturen,<br />
gelegentlich auch an den Prüfungsunternehmen. Welche<br />
Lehren ziehen die Prüfer aus dem Desaster?<br />
Kurz gefasst lautet der Auftrag eines Wirtschaftsprüfers, die Richtigkeit<br />
der Rechnungslegung von Jahresabschlüssen zu prüfen. Wir<br />
befassen uns selbstkritisch mit der Frage, ob das ausreicht, um der<br />
Erwartungshaltung der Öffentlichkeit mit Blick auf unsere Tätigkeit<br />
nachzukommen; ob der Prüfungsauftrag beispielsweise eine Erweiterung<br />
im Hinblick auf das Verständnis und die Nachvollziehbarkeit<br />
von Geschäftsmodellen der zu prüfenden Unternehmen erfahren<br />
muss.<br />
Also die Abkehr vom Typus des Hakelmachers.<br />
Nicht eine Abkehr. Die Tätigkeit des Wirtschaftsprüfers wird weiterhin<br />
mit einem Gesamturteil enden, aber die in Teilen sehr starke<br />
Verschulung der Prüfungstätigkeit sollte um Maßnahmen zum besseren<br />
Verständnis für wirtschaftliche Gesamtzusammenhänge in<br />
den Unternehmen ergänzt werden. Wir sind beispielsweise bei PwC<br />
dabei, unsere Branchenexpertise noch weiter zu stärken, um die<br />
schwierigen Verästelungen der wirtschaftlichen Betätigung unserer<br />
Mandanten noch besser nachvollziehen zu können. Damit würde<br />
das Fundament unseres Gesamturteils deutlich breiter.<br />
Wie weit kann eine tiefer gehende, inhaltliche Prüfung gehen?<br />
Die Unternehmen stecken den Budgetrahmen für die Abschlussprüfung<br />
heute sehr eng. Das führt dazu, dass die Prüfung im Regelfall<br />
in einem kalkulierten Zeitrahmen abzuwickeln ist. Manchmal<br />
zeigt sich der Schwierigkeitsgrad von Sachverhalten aber erst<br />
während der Prüfung – zum Beispiel, wenn es darum geht, umfangreiche<br />
Verträge nachzuvollziehen, die bei grenzüberschreitenden Finanztransaktionen<br />
aufgesetzt werden. In einem solchen Fall muss<br />
es im Interesse der Aufsichtsgremien und auch des Managements<br />
liegen, dem Prüfer ausreichend Zeit zur Verfügung zu stellen, um<br />
ein sicheres Gesamturteil abgeben zu können. Das bedeutet Flexibilität<br />
von Zeitbudgets nach oben und unten.<br />
Wie weit wird eine kritische Prüfung der Unternehmen durch den<br />
Umstand erschwert, dass sie von denen bezahlt wird, die sie zu<br />
prüfen hat?<br />
Wir haben ja seit geraumer Zeit die Regelung, dass der Prüfer vom<br />
Aufsichtsrat beauftragt wird und nicht vom Vorstand. Das sichert<br />
die nötige Unabhängigkeit. Darüber hinaus gibt es detaillierte Regelungen,<br />
die eine zu große wirtschaftliche Nähe des Prüfers zum geprüften<br />
Unternehmen verhindern.<br />
In der Öffentlichkeit werden Wirtschaftsprüfungsunternehmen wenig<br />
wahrgenommen. Müssten sie nicht mehr Öffentlichkeit wagen?<br />
Einer der wichtigsten Berufsgrundsätze der Wirtschaftsprüfer ist die<br />
Verschwiegenheitspflicht. Sie führt dazu, dass Wirtschaftsprüfer im<br />
pwc: | oktober 2010 5
pwc: Titel<br />
Hintergrund agieren und weniger wahrgenommen werden. Wir ha-<br />
ben jedoch seit einigen Jahren den Dialog mit der Wirtschaft und<br />
auch mit der Politik verstärkt und bringen unsere Erfahrungen zum<br />
Beispiel in Gesetzgebungsverfahren mit ein.<br />
Wir sprachen eben über Ihren Auftraggeber, den Aufsichtsrat. Wie<br />
bewerten Sie heute dessen Rolle? Gibt es eine Art Machtverschiebung<br />
in den Unternehmen zu dessen Gunsten?<br />
Machtverschiebung ist vielleicht zu viel gesagt. Aber das Aufgabenspektrum<br />
und die Haftungsrelevanz haben deutlich zugenommen –<br />
und wir stellen fest, dass die Aufsichtsräte deutlich mehr Zeit investieren,<br />
um ihre Aufgaben zu erfüllen.<br />
Wie sehen Sie die Aufgaben eines Aufsichtsrates?<br />
Neben seinen gesetzlichen Pflichten ist der Aufsichtsrat gleichzeitig<br />
auch Sparringspartner des Vorstands, gibt kreative Impulse für die<br />
Fortentwicklung des Unternehmens, verlangt dem Vorstand Strategien<br />
ab, genehmigt Budgets und Investitionen. Wir als Abschlussprüfer<br />
begrüßen den engen Dialog mit dem Aufsichtsrat, wenn es<br />
darum geht, Schwachstellen aufzuzeigen und Risiken zu beurteilen.<br />
Der Bundestag hat durch verschiedene Gesetze versucht, den<br />
Aufsichtsrat zu stärken, gerade auch in seiner Unabhängigkeit. Zu<br />
diesen neuen Regeln gehört auch eine zweijährige Phase, in der<br />
ehemalige Vorstände nicht in den Aufsichtsrat ihres bisherigen Arbeitgebers<br />
einziehen dürfen. Halten Sie diese Reformen für richtig?<br />
Den Grundgedanken der Regelung, wonach Aufsichtsräte nicht<br />
von ehemaligen Vorstandsmitgliedern dominiert werden dürfen, die<br />
ihre eigene Arbeit kontrollieren, halte ich für richtig. Allerdings muss<br />
berücksichtigt werden, dass ehemalige Vorstandsmitglieder auch<br />
wichtige Unternehmenseinblicke in die Arbeit des Aufsichtsrats einbringen<br />
können. Daher hätte es ausgereicht, eine Dominanz ehemaliger<br />
Vorstandsmitglieder zu verhindern, etwa indem man eine Obergrenze<br />
für die Zahl ehemaliger Vorstandsmitglieder im Aufsichtsrat<br />
festsetzt. Insofern ist die jetzige gesetzliche Regelung zu starr.<br />
Wie lässt sich konkret die Zusammenarbeit zwischen Aufsichtsrat<br />
und Wirtschaftsprüfung verbessern?<br />
Wir pflegen den Dialog mit dem Aufsichtsrat beziehungsweise den<br />
Ausschüssen von Aufsichtsräten, wie zum Beispiel dem Prüfungsausschuss,<br />
immer regelmäßiger. Dabei beschäftigen wir uns systematisch<br />
mit aufsichtsrelevanten Themen, die aus Sicht des Wirtschaftsprüfers<br />
von Bedeutung sind. Übrigens geschieht das mit<br />
Wissen und Unterstützung des Managements.<br />
… also unabhängig von der Jahresprüfung.<br />
Ja, bei einer zunehmenden Zahl von Unternehmen geht der Aus-<br />
„Die Unternehmen stecken den Budgetrahmen für<br />
die Abschlussprüfung heute sehr eng. Manchmal<br />
zeigt sich der Schwierigkeitsgrad von Sachverhalten<br />
aber erst während der Prüfung.“<br />
Norbert Winkeljohann, PwC-Vorstandssprecher<br />
tausch deutlich über die Themen der Jahresabschlussprüfung hinaus<br />
und das Interesse an einem solchen Dialog ist sehr groß.<br />
Diese Beratungstätigkeit für den Aufsichtsrat ist für Sie sicherlich<br />
auch ein interessantes neues Geschäftsfeld. Was sind denn darüber<br />
hinaus die wesentlichen Wachstumstreiber für PwC?<br />
Vor dem Hintergrund weitergehender Regulierung sehe ich, das<br />
wird Sie vielleicht überraschen, das Thema Wirtschaftsprüfung/<br />
Rechnungslegung als einen Wachstumstreiber. Die Wirtschaftsprüfung<br />
wird sich in Richtung prozessorientierte Prüfung verändern.<br />
Unternehmen müssen ihre Risikomanagementsysteme mehr und<br />
mehr als geschlossene Kreisläufe organisieren, die weltweit alle für<br />
die Unternehmenssteuerung relevanten Bereiche abdecken.<br />
Daneben werden nationale Bestrebungen einzelner Länder die weltweite<br />
Vereinheitlichung der Rechnungslegung erschweren und ein<br />
differenziertes Vorgehen bei Unternehmen und Wirtschaftsprüfern<br />
notwendig machen. Weitere Wachstumstreiber sehen wir in den<br />
Bereichen Consulting, grenzüberschreitende Transaktionen, Steuerund<br />
Rechtsberatung.<br />
Ist die Beratung also Ihr wesentliches Wachstumsterrain?<br />
Wir wachsen in der Beratung in der Tat schneller als in der Prüfung.<br />
Aber Beratung ist ein weites Feld. Da sind zum einen die angesprochenen<br />
Bereiche Globales Risikomanagement und Compliance.<br />
Daneben das aktuelle Thema Nachhaltigkeit. Ein weiteres großes<br />
Wachstumsterrain ist Management-Consulting und schließlich<br />
grenzüberschreitende Unternehmenstransaktionen, die aktuell<br />
wieder zunehmen.<br />
Wie schätzen Sie die Entwicklung in Ihrer Branche ein? Werden die<br />
großen Prüfungsunternehmen zulasten der kleinen zulegen?<br />
Die weltweite Abschlussprüfung einschließlich der Prüfung von Risikomanagementsystemen<br />
erfordert zunehmend globale Prüfungsansätze.<br />
Neue Herausforderungen sehen wir beim Verständnis und<br />
der Nachvollziehbarkeit von Geschäftsmodellen. Dazu bedarf es<br />
einer weltweit aufgebauten Branchenexpertise. Dieses Know-how<br />
6 pwc: | oktober 2010<br />
Vita<br />
Norbert Winkeljohann, 52, gehört dem Vorstand von PwC Deutschland<br />
seit 1999 an und leitete seitdem den Bereich Mittelstand/Familienunternehmen.<br />
Seit 1. Juli 2010 ist er Vorstandssprecher.<br />
Der gebürtige Osnabrücker ist Doktor der Wirtschaftswissenschaften,<br />
Steuerberater und Wirtschaftsprüfer sowie seit 2001 Honorarprofessor<br />
der Universität Osnabrück. Winkeljohann ist verheiratet<br />
und hat einen Sohn.
können sich nur global agierende Prüfungs- und Beratungsunter-<br />
nehmen leisten. Externe – nationale wie internationale – Qualitäts-<br />
sicherungsmaßnahmen tun ein Übriges, um die Prüfung bei den<br />
größeren Häusern zu konzentrieren. Kleine und mittelständische<br />
Wirtschaftsprüfungsunternehmen werden aber auch wachsen, bei-<br />
spielsweise im Bereich Gutachten oder Steuerberatung.<br />
Sie beschäftigen jetzt rund 8.500 Menschen. Wird die Mannschaft<br />
noch größer werden?<br />
Wohin die Reise geht, hängt zum einen vom Markt, vom Wachs-<br />
tum ab. Zum anderen aber auch von unserer Produktivitätsentwick-<br />
lung. Wir denken beispielsweise über Shared Service Center nach,<br />
in denen wir weltweit Standardprozesse aus der Abschlussprüfung<br />
konzentrieren. Übergeordnetes Ziel ist und bleibt aber Wachstum.<br />
Deshalb wollen wir in einigen Jahren mehr Mitarbeiterinnen und<br />
Mitarbeiter beschäftigen als heute.<br />
Sie holen Ihre Mitarbeiter im Wesentlichen von den Hochschulen.<br />
Dort haben sich durch die Einführung des Bachelors und des Mas-<br />
ters die Laufbahnen entscheidend verändert. Erschwert das oder<br />
erleichtert das die Rekrutierung des Nachwuchses?<br />
Das können wir noch nicht ganz absehen, weil es den Bachelor-<br />
abschluss noch nicht so lange gibt.<br />
… reicht denn der Bachelor für eine Tätigkeit als Wirtschaftsprüfer<br />
aus?<br />
Nicht in der Verwaltungsarbeit versinken: Norbert Winkeljohann im<br />
Gespräch mit Wolfgang Kaden, langjähriger Chefredakteur des Ma-<br />
nager-Magazins.<br />
Wir gehen davon aus, dass wir in Zukunft circa 70 Prozent Bache-<br />
lor- und 30 Prozent Masterabsolventen einstellen werden. Schon<br />
bisher sind wir ein Ausbildungsunternehmen, das heißt, die ersten<br />
Berufsjahre dienen der Qualifizierung für den Steuerberater, den<br />
Wirtschaftsprüfer oder andere Disziplinen. Im Bereich Wirtschafts-<br />
prüfung entwickelt unsere Branche derzeit mit verschiedenen<br />
Hochschulen einen Masterstudiengang für Accounting, den man<br />
neben der beruflichen Praxis absolvieren kann.<br />
In Ihrem obersten Führungsgremium findet sich keine einzige Frau.<br />
Kann sich ein großes Dienstleistungsunternehmen wie Ihres diese<br />
Vernachlässigung des weiblichen Potenzials leisten?<br />
Nein. Unsere Berufseinsteiger sind zu mehr als 60 Prozent weib-<br />
lich. Insofern muss sich die Anzahl der Frauen in Führungspositi-<br />
onen bei PwC ändern. Auf Partnerlevel sind wir in Teilbereichen auf<br />
gutem Wege. Beim letzten Jahrgang der Partnerernennungen waren<br />
in der Steuerabteilung immerhin schon 60 Prozent weiblich.<br />
Braucht man eine Frauenquote, um hier ein neues Denken durchzusetzen?<br />
Eine Frauenquote fordern doch nur noch einige Politiker, die sich<br />
mit dem Thema bisher nicht ausführlich auseinandersetzen konnten.<br />
Bei uns sind insbesondere die Frauen gegen eine Frauenquote.<br />
Wir leben in einer Leistungsgesellschaft. Was wir brauchen, sind<br />
Rahmenbedingungen, die es den Frauen ermöglichen, ihre Leistungsfähigkeit<br />
fair unter Beweis zu stellen. Das Thema Frauen in<br />
Führungspositionen haben wir kürzlich ausführlich in unserer Partnerschaft<br />
diskutiert und ich habe den unbedingten Willen gespürt,<br />
hier Fortschritte zu erzielen.<br />
Herr Winkeljohann, Sie leben in Osnabrück, sind in dieser Region<br />
auch groß geworden. Nun müssen Sie umziehen nach Frankfurt.<br />
Wie schwer fällt der Ortswechsel?<br />
Mir persönlich fällt der Wechsel nicht so schwer, weil ich in den vergangenen<br />
Jahren sehr häufig auf Reisen war und dabei auch viel<br />
Zeit in Frankfurter Hotels verbracht habe. Ich freue mich auf Frankfurt.<br />
Diese Stadt hat ihre Reize und sie ist die deutsche Finanzmetropole.<br />
Sie haben neben Ihrem Prüferjob auch noch einen Lehrauftrag erfüllt<br />
und Bücher geschrieben. Mit dem Bücherschreiben wird es<br />
jetzt wohl vorbei sein?<br />
Da ich mich als Sprecher unserer Gesellschaft auf unsere Mandanten<br />
und deren Bedürfnisse konzentrieren möchte, also sehr viel<br />
in der Wirtschaft unterwegs sein will, werde ich beim Bücherschreiben<br />
kürzer treten. Allerdings wollen wir Wissensführer in unserer<br />
Branche sein. Daher werden wir Innovation und die wissenschaftliche<br />
Betätigung unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fördern.<br />
Sie waren bisher als Vorstand noch mittendrin im Kampfgetümmel,<br />
zuständig für den Mittelstand und für Familienunternehmen. Auch<br />
in Zukunft, haben Sie gesagt, wollten Sie weiter mitmischen, nicht<br />
nur als Trainer am Spielfeldrand, sondern als „Spielertrainer“. Wie<br />
muss man sich das vorstellen?<br />
Das bedeutet, dass ich nicht in der Verwaltungsarbeit versinken<br />
will. Ich habe ein hervorragendes Team und wir haben eine Aufgabenteilung<br />
vereinbart. Mein Vorgänger hat die Firma sehr gut<br />
nach innen aufgestellt, unsere Wettbewerbsposition ist gut. Wir<br />
werden uns intensiv um unsere Mandanten kümmern und eine<br />
starke Präsenz in der Wirtschaft zeigen. Da bin ich mitten auf dem<br />
Spielfeld dabei.<br />
pwc: | oktober 2010 7
pwc: Titel<br />
Neun Spitzen<br />
Das neue Führungsteam<br />
von PwC Deutschland im Überblick<br />
Von Corinna Freudig<br />
Peter Bartels<br />
Leiter Middle Market<br />
und Public Sector<br />
Vielleicht liegt es an seiner humanistischen<br />
Schulbildung, dass der 1965 geborene Peter<br />
Bartels sich bereits im Jahre 1992 mit<br />
einem Thema beschäftigte, das erst Jahre<br />
später „modern“ wurde: Er verband Ökologie<br />
und Ökonomie und promovierte zu<br />
„Umweltrisiken und Jahresabschluss“. Dieser<br />
ganzheitliche Ansatz kam gut an: Die<br />
Arbeit wurde mit dem Forschungspreis des<br />
Stifterverbandes der Deutschen Wissenschaft<br />
ausgezeichnet. Der gebürtige Kieler,<br />
der im unterfränkischen Würzburg seine<br />
Jugend verbrachte, ist fast noch ein PwC-<br />
Neuling im Vorstand: Der Steuerberater<br />
und Wirtschaftsprüfer wechselte erst 2008<br />
von einer großen mittelständischen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft<br />
zu PwC – hatte<br />
allerdings vor Jahren schon einmal bei einer<br />
Vorgängergesellschaft gearbeitet. Seine<br />
fachlichen Schwerpunkte liegen in der<br />
Corporate-Finance-Beratung im Allgemeinen<br />
und in der Unternehmensbewertung im<br />
Speziellen. Auch bei den Kundengruppen<br />
hat er sich spezialisiert: War er bislang Vertriebsansprechpartner<br />
für den Mittelstand<br />
und die öffentliche Hand in Hamburg, so<br />
konzentriert er sich künftig bundesweit auf<br />
diese Kundengruppen. Sein Ziel: PwC noch<br />
stärker als bisher als integrierten Berater für<br />
das breite Spektrum der Wirtschaftsprüfung<br />
und -beratung zu etablieren – ganzheitlich<br />
eben.<br />
Peter Bartels<br />
„Wir setzen auf feste Teams<br />
und Ansprechpartner für Familienunternehmen,<br />
den Mittelstand<br />
und die öffentliche<br />
Hand. Denn wir stiften nur<br />
dann Nutzen, wenn wir die<br />
Besonderheiten unserer Mandanten<br />
kennen. Und nur dann<br />
ist unsere Arbeit erfolgreich.“<br />
„Viele, vielleicht sogar die<br />
meisten unserer Kunden, sind international<br />
tätig. Deshalb brauchen<br />
sie ein funktionierendes<br />
Netzwerk. Das bietet ihnen PwC.“<br />
Jan Konerding<br />
CFO und Internationales<br />
Hamburg gilt als Tor zur Welt – und so wundert<br />
es vielleicht nicht, dass ein gebürtiger<br />
und überzeugter Hamburger die Bezeichnung<br />
„Internationales“ in seinem Vorstandstitel<br />
trägt. Viele Jahre war Jan Konerding,<br />
Jahrgang 1955, Mitglied des Global Board<br />
von PwC. Bis heute hat er eine Reihe internationaler<br />
Funktionen: Er ist COO im Führungsteam<br />
des Central Clusters von PwC<br />
und gehört zur weltweiten Extended Network<br />
Operations Group, die die netzwerkweite<br />
Zusammenarbeit bei PwC erleichtern<br />
soll. Hier sind genauso Fingerspitzengefühl,<br />
Präzision und Konzentrationskraft gefordert<br />
wie für seine deutschen Aufgaben als CFO<br />
und COO. Als Hobbygolfer sind Jan Konerding<br />
diese Fähigkeiten aber bestens<br />
bekannt. Daneben hat er vor einigen Jahren<br />
als Senior Relationship Partner eine Vertriebsaufgabe<br />
in der Hansestadt übernommen.<br />
Doch trotz aller Liebe zum Norden<br />
hat der Rechtsanwalt, Wirtschaftsprüfer<br />
und Steuerberater, dessen fachliche Wurzeln<br />
in der Corporate-Finance-Beratung<br />
liegen, auch ein süddeutsches Standbein:<br />
Seit diesem Jahr ist er seitens des PwC-<br />
Vorstandes Linksunterzeichner für den Neumandanten<br />
MAN SE mit Sitz in München.<br />
8 pwc: | oktober 2010<br />
Jan Konerding
Georg Kämpfer<br />
„Expertise und Vertrauen sind die<br />
Basis für nachhaltige Kundenbeziehungen.<br />
Dies gilt mehr denn je für<br />
unsere Profession und muss unseren<br />
Marktauftritt prägen.“<br />
Prof. Georg Kämpfer<br />
Leiter Großkunden<br />
& Regulatory<br />
Ohne Zögern ergriff der heute 55-jährige Georg Kämpfer 1990 als junger Wirtschafts-<br />
prüfer die Chance, für die PwC-Vorgängergesellschaft Treuarbeit in die neuen Bundes-<br />
länder zu gehen. Der Aufbau des Geschäfts in Ostdeutschland hat Kämpfer während<br />
seiner Jahre in Berlin und Leipzig nachhaltig geprägt. Denn in der noch jungen Markt-<br />
wirtschaft galt es, unternehmerische Impulse zu setzen, regulatorische Anforderungen<br />
umzusetzen und sich für eine kulturell geprägte Integration einzusetzen. Die Erkennt-<br />
nis, dass so etwas nur erfolgreich sein kann, wenn man Vertrauen schafft und bereit ist,<br />
Neues dazuzulernen, begleitet ihn bis heute. Als Vertriebsvorstand profitiert er von die-<br />
sen Erfahrungen, wenn er mit seinen Kunden – Vorständen und Aufsichtsräten – über<br />
aktuelle Entwicklungen der jeweiligen Branche und die Geschäftsmodelle der Unterneh-<br />
men diskutiert. Besonders vertraut sind ihm die Bereiche Transport und Logistik, der<br />
Public Sector und Pharma/Healthcare. Zu seinen großen Mandaten gehörten unter an-<br />
derem die Deutsche Bahn, die Deutsche Telekom und B. Braun Melsungen. Aber Georg<br />
Kämpfer hat noch eine andere Leidenschaft: die eigene Branche, deren Interessen er<br />
in Berufsorganisationen wie dem IDW und der WPK vertritt. Und damit auch möglichst<br />
viele junge Menschen diese Leidenschaft entwickeln, widmet er sich außerdem der universitären<br />
Lehre, zunächst an der Handelshochschule Leipzig, seit 2004 an der Universität<br />
Mannheim.<br />
„Unsere Kunden sind ständigen regulatorischen<br />
Änderungen ausgesetzt und unterliegen<br />
einer eigenen wirtschaftlichen<br />
Dynamik. Wir gehen mit und denken voraus:<br />
mit klarem Industrieverständnis und<br />
einem integrierten Ansatz, der die Services<br />
von PwC verbindet.“<br />
Markus Burghardt<br />
Leiter Financial Services<br />
Das gesamte Spektrum von Unternehmen<br />
der Finanzdienstleistungsbranche – Banken,<br />
Versicherungen, Kapitalanlage- und Leasing-<br />
gesellschaften – umfasst der Bereich Financial<br />
Services (FS), den Markus Burghardt<br />
verantwortet. Die Besonderheit dieses<br />
Marktes: Er ist sehr stark reguliert und erfordert<br />
deshalb ein hoch spezialisiertes Branchen-Know-how.<br />
Darauf konzentrieren sich<br />
die speziell für die FS-Branche ausgebildeten<br />
Mitarbeiter. Für den 1961 in Fulda geborenen<br />
Wirtschaftsprüfer und Steuerberater<br />
Burghardt ist diese Branchenspezialisierung<br />
das Erfolgsrezept. Es sei wie beim Joggen,<br />
sagt der Hobbyläufer: Wenn das Terrain<br />
bekannt ist, kann man sich ganz auf den<br />
Laufrhythmus – das Wesentliche – konzentrieren<br />
und dabei den notwendigen Weitblick<br />
entwickeln. Burghardt spricht dabei nicht als<br />
Theoretiker: Der WP und Stb ist selbst bei<br />
Financial Services beruflich groß geworden<br />
und hat während seines beruflichen Aufenthalts<br />
in Kanada und den USA auch den USamerikanischen<br />
Certified Public Accountant<br />
erworben. Internationalität ist denn auch ein<br />
wichtiger Aspekt für die Finanzdienstleistungsbranche,<br />
die eine stark vernetzte und<br />
globalen Trends ausgesetzte Industrie ist.<br />
Er selbst ist Mitglied der europäischen und<br />
weltweiten Financial-Services-Führungsteams<br />
bei PwC und legt großen Wert auf die<br />
internationale Vernetzung seiner Kollegen<br />
und Mitarbeiter.<br />
pwc: | oktober 2010 9<br />
Markus Burghardt
pwc: Titel<br />
Prof. Dieter Endres<br />
Leiter Tax<br />
Dieter Endres<br />
„Die Profilierung als Top-Berater, sowohl<br />
als einzelne Person als auch<br />
als Firma, ist für uns das A&O“<br />
Im Beruf hält es der Mannheimer Dieter Endres wie bei seinem liebsten sportlichen<br />
Hobby, dem Basketball: Das Team behält zwar die Gesamtübersicht, aber dennoch gibt<br />
es auf jeder Position einen Spezialisten. Auch der 54-Jährige ist ein solcher – für Ver-<br />
rechnungspreise, internationales Steuerrecht und M&A-Beratung. Hier innovativ zu sein<br />
und maßgeschneiderte Lösungen zu entwickeln, ist ihm und seinen Partnerkolleginnen<br />
und -kollegen wichtig, weshalb sie eine Tax Innovation/Solutions Group gebildet haben,<br />
die sich gezielt mit der Suche nach neuen Ideen beschäftigt. Besonders liegt Endres<br />
aber die Steueroptimierung beim Schritt über die Grenze am Herzen. Wer seinen Namen<br />
bei Amazon eingibt, stößt auf etliche Titel: vom „Handbuch zur Besteuerung deutscher<br />
Unternehmen mit Auslandsbeziehungen“ bis zum „Doppelbesteuerungsabkommen<br />
Deutschland/USA“. In New York war er denn auch im Rahmen eines Secondments<br />
tätig und hat an der Harvard University in Cambridge nach seiner Promotion ein Stipendium<br />
absolviert. Seitdem hat ihn die Hochschularbeit nicht mehr losgelassen: An der<br />
Universität Mannheim ist Endres, der schon mehrfach als einer der führenden Steuerberater<br />
in Deutschland ausgezeichnet wurde, Honorarprofessor. Doch auch wenn er im<br />
Hörsaal derjenige ist, der spricht, gilt für ihn das Motto: Zuhören ist wichtiger als Zutexten!<br />
Denn das Gespräch als älteste Form der Kommunikation ist seiner Meinung nach<br />
am wirkungsvollsten – beim Umgang mit Mandanten wie mit Mitarbeitern.<br />
„Das, was wir tun, ist in der Sache<br />
in weiten Teilen austauschbar. Wie<br />
wir etwas tun und wer es tut, das<br />
darf nicht austauschbar sein. Unsere<br />
Mandanten müssen merken: Er –<br />
oder sie – ist von PwC.“<br />
Marius Möller<br />
Leiter Human Capital<br />
Mit erst 33 Jahren wurde Marius Möl-<br />
ler 1997 zum Partner im Steuerbereich er-<br />
nannt – und zählte damals zu den jüngsten<br />
Partnern, die es bei PwC und den Vorgän-<br />
gergesellschaften jemals gegeben hat. In-<br />
sofern weiß er aus eigener Erfahrung, wie<br />
man Karriere macht. Und das ist gut so:<br />
Denn seit der heute 46-Jährige vor einem<br />
Jahr Personalvorstand wurde, gehört die<br />
Karriereentwicklung nebst vielen ande-<br />
ren Aufgaben vom Hochschulmarketing<br />
über die Aus- und Fortbildung bis zum Ta-<br />
lent Management zu seinem Aufgabenge-<br />
biet. Eine allzu große Umstellung war das<br />
für den im hessischen Bensheim geborenen<br />
Möller nicht – auch wenn sein beruflicher<br />
Schwerpunkt im Steuerfach insbesondere<br />
im Bereich M&A und Umstrukturierungen<br />
lag. Als Leiter Steuern der Stuttgarter Nie-<br />
derlassung war ihm Personalarbeit bestens<br />
vertraut. Zumal Mitarbeiter und Kunden für<br />
ihn ohnehin zwei Seiten einer Medaille sind:<br />
Die Sicht und Bedürfnisse der Kunden in<br />
die Personalarbeit hineinzutragen zählt er<br />
zu seinen wichtigsten Aufgaben. Denn PwC<br />
baut keine Autos, produziert keine Maschi-<br />
nen und stellt keine Tabletten her, sondern<br />
lebt als Dienstleister vom Auftreten, der Ak-<br />
zeptanz, der Kompetenz und der Zuverläs-<br />
sigkeit der Mitarbeiter.<br />
10 pwc: | oktober 2010<br />
Marius Möller
Martin Scholich<br />
„Als Berater reicht es nicht, zu wissen,<br />
wie man ein Shared Services<br />
Center designt, ein IT-Management<br />
aufsetzt, den Fair Value berechnet<br />
oder einen Kaufpreis allokiert. Wir<br />
müssen beurteilen und bewerten,<br />
vernetzen und verstehen, zuhören<br />
und zupacken.“<br />
Martin Scholich<br />
Leiter Advisory<br />
Ausdauer und Aufmerksamkeit – diese Eigenschaften<br />
braucht der begeisterte Tennisspieler<br />
Martin Scholich in einem Match.<br />
Ausdauer und Aufmerksamkeit sind für ihn<br />
aber auch essenzielle Zutaten, um der Beziehung<br />
von Beratern und Mandanten die<br />
richtige Würze zu geben. Das sind seine Erfahrungen<br />
als Senior Relationship Partner<br />
für die Unternehmen der Rhein-Main-Region:<br />
beharrlich, aber nicht aufdringlich die<br />
Mandanten betreuen; ihnen erst zuhören<br />
und dann sprechen; und dabei gut gelaunt<br />
und mit Spaß bei der Sache sein. Letzteres<br />
fällt ihm als gebürtigem Rheinländer natürlich<br />
nicht schwer. Schon seit 2004 leitet<br />
der 45-Jährige bei PwC die Sparte Advisory<br />
mit ihren Transactions- und Consulting-<br />
Services. Scholich ist zudem Mitglied im<br />
internationalen Advisory-Managementteam.<br />
Seine fachlichen Spezialgebiete sind die<br />
Unternehmensbewertung, das Portfoliomanagement<br />
und die Transaktionsberatung –<br />
und das Thema Innovationen. Er startete<br />
vor fünf Jahren ein professionelles, und<br />
in der Dienstleistungsbranche keinesfalls<br />
übliches, Innovationsmanagement. Mittlerweile<br />
ist es bei PwC unternehmensweit<br />
ausgerollt und die ersten Kunden lassen<br />
sich auch schon beraten, wie sie ein Innovationsmanagement<br />
am besten aufsetzen<br />
können.<br />
Harald Kayser<br />
„Die Wirtschaftsprüfung muss sich<br />
emanzipieren: weg von dem reinen<br />
standardisierten, verschulten<br />
und formalen Abarbeiten, hin zur<br />
Beschäftigung und Diskussion mit<br />
unseren Mandanten über ihre wirtschaftlichen<br />
Hintergründe und<br />
Geschäftsmodelle.“<br />
Harald Kayser<br />
Leiter Assurance<br />
Der 1966 im Ruhrgebiet geborene Harald<br />
Kayser ist Unternehmer aus Leidenschaft.<br />
Schon in seiner Jugend startete er mit eigenen<br />
Geschäftsideen in die Selbstständigkeit.<br />
Bereits während seines BWL-Studiums<br />
in Lüneburg und Tübingen kristallisierte sich<br />
für ihn der Branchenschwerpunkt Automobil<br />
heraus, dem er immer noch treu ist. Bei PwC<br />
übernahm der Wirtschaftsprüfer und Steuerberater<br />
die Betreuung des Jahresabschlussprüfungsmandanten<br />
Bosch, bis heute ist er<br />
für den Volkswagen-Konzern zuständig. Zudem<br />
war Kayser Leiter der China Business<br />
Group, die deutsche Unternehmen bei ihren<br />
Aktivitäten in China begleitet. Später übernahm<br />
er die Branchenverantwortung für das<br />
interne Netzwerk Automotive, erst bei PwC<br />
Deutschland, dann auf europäischer Ebene.<br />
Seine fachlichen Spezialgebiete sind neben<br />
der Jahresabschlussprüfung IFRS- und US-<br />
GAAP-Einführungen sowie die Transaktionsberatung.<br />
Nachhaltig geprägt wurde sein<br />
Arbeitsverständnis von dem internationalen<br />
PwC-Programm Ulysses, bei dem er einige<br />
Monate für eine NGO in Indien arbeitete. Hier<br />
habe er gelernt, dass es in seinem Business<br />
um mehr gehe als um Business: nämlich den<br />
Menschen.<br />
„Aktuelle Themen sind es, die unsere<br />
Mandanten und Kunden interessieren<br />
und worüber sie mit uns sprechen wollen.<br />
Je flexibler wir agieren und je besser<br />
wir unser Wissen zu einem Thema<br />
bündeln, umso schneller, zielgerichteter<br />
und strukturierter können wir individuelle<br />
Fragestellungen beantworten.“<br />
Andreas Menke<br />
Leiter geschäftsbereichsübergreifende<br />
Produkte<br />
Andreas Menke ist im PwC-Vorstand<br />
doppelt neu: Der Wirtschaftsprüfer und<br />
Steuerberater ist nicht nur ein neues Vor-<br />
standsmitglied, sondern übernimmt auch<br />
einen neuen Bereich und verantwortet künf-<br />
tig die geschäftsbereichsübergreifenden<br />
Services, in denen sich Experten der drei<br />
Bereiche Governance, Risk and Compli-<br />
ance, Forensic Services und Sustainabil-<br />
ity Services aus den Geschäftsbereichen<br />
Assurance, Advisory und Tax zusammen-<br />
geschlossen haben. Ziel ist es, den Mandanten<br />
Prüfung, Unternehmens- und auch<br />
Steuerberatung branchenspezifisch aus einer<br />
Hand anbieten zu können. Der aus dem<br />
niedersächsischen Berge stammende und<br />
1960 geborene Andreas Menke hat direkt<br />
nach seinem Studium bei PwC angefangen<br />
und in den letzten Jahren DAX-Mandanten<br />
betreut: Die Deutsche Post <strong>AG</strong> begleitete er<br />
während ihrer Privatisierung, ihrem<br />
Börsengang und der Umsetzung der Internationalisierungsstrategie,<br />
danach übernahm<br />
er die weltweite Verantwortung als<br />
Global Relationship Partner für die<br />
Deutsche Telekom <strong>AG</strong>. Andreas Menke ist<br />
eines wichtig – gegenüber Kunden und Mitarbeitern:<br />
ein partnerschaftliches Miteinander<br />
und gegenseitige Akzeptanz; insbesondere<br />
in Veränderungsprozessen, in denen<br />
große Unternehmen eigentlich fast immer<br />
stecken.<br />
pwc: | oktober 2010 11<br />
Andreas Menke
pwc: Trends Trends Trends<br />
Öffentlicher Buchführungswirrwarr<br />
Die öffentlichen Haushalte stecken mit-<br />
ten in einem Reformprozess. Die traditio-<br />
nelle Kameralistik, die nur die Einnahmen<br />
und Ausgaben des Staates betrachtet, hat<br />
vielfach ausgedient. Die doppelte Buchfüh-<br />
rung (Doppik) ist im Kommen. Mit Hessen<br />
und Hamburg haben die ersten Bundeslän-<br />
der ihre Bilanz vorgelegt, so wie inzwischen<br />
sämtliche Gemeinden in Nordrhein-West-<br />
falen, Hessen und Rheinland-Pfalz. Das Er-<br />
gebnis: Die finanzielle Situation der Länder<br />
und Kommunen wird sehr viel transparenter.<br />
„Dennoch wird weiterhin diskutiert, ob die<br />
Reform von Nutzen und die Doppik für den<br />
öffentlichen Bereich geeignet ist“, sagt An-<br />
dreas Hellenbrand, bei PwC Experte für die<br />
öffentliche Verwaltung. Der Grund: Statt<br />
die dank der Doppik deutlicher zutage tre-<br />
tenden strukturellen Probleme aktiv anzu-<br />
gehen, verharrt man oft in althergebrachter<br />
Steuerungskultur. „Die Probleme lassen<br />
sich nicht aus dem Rechnungswesen he-<br />
raus lösen“, sagt Hellenbrand. „Die Ursache<br />
liegt tiefer: Die Schnittstelle zwischen der<br />
strategisch-politischen Steuerung und den<br />
operativen Ziel- und Kennzahlkonzepten im<br />
Haushalts- und Beteiligungsmanagement<br />
funktioniert nicht.“ Zu diesem Ergebnis<br />
Immer mehr Piraten an Bord Das Ausland isst mit<br />
Immer mehr deutsche<br />
Schiffe werden von Piraten<br />
attackiert. Im vergangenen<br />
Jahr hat sich der Anteil der<br />
betroffenen Reedereien von<br />
20 Prozent auf 42 Prozent<br />
mehr als verdoppelt. Das ergab<br />
eine Umfrage von PwC<br />
unter 101 deutschen Seefahrtsunternehmen.<br />
„Die Sicherheitslage<br />
hat sich offenbar<br />
auch gut ein Jahr nach<br />
Beginn der Marineoperationen Atalanta von EU und NATO kaum verbessert“,<br />
sagt Claus Brandt, Leiter des maritimen Kompetenzcenters<br />
von PwC. Knapp 70 Prozent der Reeder beklagen die Zusatzkosten<br />
durch Piraterie. Am stärksten schlagen dabei die gestiegenen Versicherungsprämien<br />
zu Buche. www.pwc.de/de/reeder2010<br />
kommt auch die PwC-Studie „Output-<br />
orientierte Steuerung in Landkreisen“. Mehr<br />
noch: Die handelnden Personen sind demnach<br />
in der Regel gar nicht bereit, sich auf<br />
ein Mehr an Steuerung einzulassen. „Es<br />
fehlen anerkannte Steuerungsstandards“,<br />
sagt Hellenbrand und fordert: „Politik und<br />
Verwaltungsleitung müssten sich ähnlich<br />
wie Unternehmen dem Corporate-Governance-Kodex<br />
einem Steuerungskodex verpflichten.“<br />
Nur so lassen sich Kompetenz<br />
und Effizienz in der Steuerung öffentlicher<br />
Verwaltungen nachhaltig erhöhen.<br />
www.pwc.de/de/Landkreisstudie<br />
Die deutsche Ernährungsindustrie erhofft sich viel vom Auslandsgeschäft.<br />
Zu diesem Ergebnis kommt das PwC-Exportbarometer dieser<br />
Branche. Demnach erwarten 38 Prozent der 400 befragten Unternehmen,<br />
dass ihr Auslandsumsatz in den kommenden sechs Monaten<br />
steigt. 57 Prozent gehen davon aus, dass sich der Handel mit<br />
Russland beleben wird, rund 51 Prozent erwarten erhöhte Ausfuhren<br />
nach Japan und immerhin 42 Prozent glauben an einen Überschuss<br />
im Handel mit den Vereinigten Staaten. Wichtigste Abnehmer bleiben<br />
aber die Staaten der<br />
Europäischen Union.<br />
82 Prozent der deutschen<br />
Exporte gehen<br />
in die Nachbarländer:<br />
vor allem nach Frankreich,<br />
Italien und in die<br />
Niederlande. www.pwc.<br />
de/de/exportbarometer<br />
12 pwc: | oktober 2010
Auf gute Nachbarschaft<br />
Die Gesellschaften von PwC Deutschland und<br />
PwC Österreich haben den Zusammenschluss in<br />
einer Holdinggesellschaft vereinbart, um die gemeinsame<br />
Marktbearbeitung zu stärken. Vor allem<br />
bei der Betreuung von Kunden in Osteuropa sehen<br />
die Gesellschaften durch das Zusammengehen<br />
gute Chancen. Die Kooperation gibt außerdem<br />
weiteren europäischen PwC-Netzwerk-Gesellschaften<br />
die Möglichkeit, beizutreten.<br />
Buchmarkt gibt sich krisenfest<br />
Während sich der deutsche Zeitungs-<br />
markt nur langsam von der Wirtschafts-<br />
krise erholt, zeigt sich der Buchmarkt<br />
erstaunlich stabil. Das geht aus dem<br />
„Global Entertainment and Media Out-<br />
look: 2010 – 2014“ von PwC hervor.<br />
Selbst in den Krisenjahren 2008 und<br />
2009 stieg der Umsatz um jeweils 0,4<br />
und 2,3 Prozent. Für die kommenden<br />
Jahre prognostizieren die PwC-Experten<br />
ein durchschnittliches Plus von 1,4 Pro-<br />
zent von 13,7 auf 14,6 Milliarden US-Dol-<br />
lar im Jahr 2014. Damit bleibt Deutschland<br />
der umsatzstärkste Buchmarkt in<br />
Europa. Gleichzeitig dämpfen die Experten<br />
die Erwartungen an das E-Book.<br />
www.pwc.de/de/outlook2010<br />
Neues von Nel<br />
Europäischer Buchmarkt<br />
Umsatz in Milliarden Dollar<br />
Ab 2010 Prognose<br />
5,83<br />
5,16<br />
3,68<br />
3,57<br />
2,48<br />
7,33<br />
Deutschland<br />
Frankreich 5,25<br />
Italien 3,62<br />
Großbritannien 3,58<br />
Spanien 2,29<br />
2006 2008 2010 2012<br />
Drei Fragen an ...<br />
Barbara Wieler<br />
… zu Biodiversität<br />
Gemeinsam mit den Vereinten Nationen hat<br />
PwC die Studie „The Economics of Eco-<br />
systems and Biodiversity“ stellt. Was ist die<br />
zentrale Botschaft?<br />
Dass die wirtschaftlichen Schäden durch die<br />
globale Umweltzerstörung und dem damit<br />
verbundenen Artenverlust enorm sind und<br />
sich jährlich auf schätzungsweise zwei bis<br />
4,5 Billionen US-Dollar belaufen.<br />
Haben die Unternehmen das Thema Biodi-<br />
versität auf der Agenda?<br />
Nicht wirklich: Nur einige wenige Vorreiter<br />
gehen das Thema strategisch an. Viele Un-<br />
ternehmen haben noch nicht realisiert, dass<br />
der Schwund der Artenvielfalt direkte Aus-<br />
wirkungen auf Angebot, Nachfrage und da-<br />
mit auch Kosten, Preise und Renditen hat.<br />
Barbara Wieler ist<br />
PwC-Expertin für<br />
Welche Zusam-<br />
menhänge gibt es<br />
zwischen Biodi-<br />
versität und wirt-<br />
schaftlicherEnt- wicklung?<br />
Ganz verschie-<br />
dene: So leisten<br />
beispielsweise<br />
Insekten durch<br />
Bestäubung ei-<br />
nen Beitrag zur<br />
Sustainability Services landwirtschaftlichen<br />
Erzeugung<br />
im Wert von bis zu 190 Milliarden US-Dollar<br />
pro Jahr. Ein anderes Beispiel: Der Markt für<br />
Biodiversity-Offsets, bei denen Verursacher<br />
von Umweltschäden gesetzlich verpflichtet<br />
sind, einen Ausgleich durch Investitionen in<br />
Ökosysteme zu schaffen, wird heute bereits<br />
auf über drei Milliarden US-Dollar jährlich geschätzt.<br />
www.pwc.de/de/teeb<br />
pwc: | oktober 2010 13
pwc: Märkte<br />
Swissness School<br />
Sie glauben, niemand kombiniere Selbstbewusstsein und Selbstzweifel besser<br />
als die Deutschen? Da kennen Sie aber die Schweizer nicht. Folgen Sie bitte<br />
unserem Autor Alexander Niemetz auf die andere Seite des Hochrheins.<br />
So etwas gibt es in Europa nur einmal: eine<br />
Nation mit vier Sprachgruppen, die es über<br />
Jahrhunderte schaffen, ohne Spannungen<br />
und Identitätskrisen zusammen zu leben, zusammen<br />
zu arbeiten, zu harmonieren, ohne<br />
jemals die nationale Identität infrage zu stellen.<br />
Belgien steht davor, an der Sprachgrenze<br />
zu zerbrechen; Tschechien und die Slowakei<br />
haben das bereits hinter sich; Spanien<br />
erlebt den Sezessionsterror der Basken und<br />
lebt mit den Separationsansprüchen der<br />
Katalanen. Kein Zweifel: Das machen die<br />
Schweizer besser.<br />
Ökonomisch gesehen gibt es so etwas sogar<br />
in der ganzen Welt nicht. Die Schweiz<br />
mit ihrem Franken demonstriert das Selbstbewusstsein<br />
einer kleinen, aber hoch effizienten<br />
Wirtschaftsnation, die keinen Vergleich<br />
scheut: nicht mit Deutschland, nicht mit den<br />
USA, nicht mit Japan oder Dubai. Ja, man<br />
sieht sich auf einer Insel der Glückseligen,<br />
mit hohen Löhnen, geringen Steuern, hohen<br />
Sozialstandards, höchster Wettbewerbsfähigkeit.<br />
Kaum ein Land hat die Finanz- und Wirtschaftskrise<br />
so elegant weggesteckt wie die<br />
Schweiz; welch anderes Land hat die Fast-<br />
Pleite der größten Bank (UBS) so schnell und<br />
geschmeidig – ja Gewinn bringend – gemanagt?<br />
Kaum ein Land vereint hohen Ausländeranteil<br />
und geringe Arbeitslosigkeit in<br />
gleichem Maß wie die Schweiz. Welch anderes<br />
Land kann, in dem von Schulden gebeutelten<br />
Europa, sich stolz Nettogläubiger<br />
Nicht von gestern: Was<br />
Friedrich Schiller die<br />
Schweizer im Nationalepos<br />
Wilhelm Tell sagen<br />
lässt, ist immer<br />
noch aktuell.<br />
zu nennen? Welch anderes Land kann mit<br />
einem so schlanken Staat und einer so geringen<br />
Staatsverschuldung aufwarten? Und<br />
welches Land hat eine härtere, stabilere<br />
Währung – trotz aller Turbulenzen – als die<br />
kleine Schweiz?<br />
Natürlich: Die Stabilität der Schweiz ist gepaart<br />
mit einem Schuss Schwerfälligkeit.<br />
Langsamkeit gewissermaßen als politisches<br />
Prinzip. Aber, es funktioniert. Der Staatsbürger<br />
ist in dieser direkten Demokratie die letzte<br />
Instanz. Das gilt für alles, die Steuern, die<br />
Sozialabgaben, Verträge mit dem Ausland, ja<br />
selbst für den Bau von Minaretten. Die Mehrparteien-Regierung<br />
(Bundesrat) regiert ohne<br />
Koalitionsverträge und ohne starken Regierungschef<br />
als oberstes Kollektiv. Das ist<br />
kompliziert und dennoch ein Stabilitätsfaktor.<br />
Die Schweiz leistet sich einen stark ausgeprägten<br />
Föderalismus mit 26 Kantonen, die<br />
mit weit mehr Kompetenzen ausgestattet<br />
sind als etwa die deutschen Bundesländer.<br />
Und – ein wahrer Luxus – die über dreitau-<br />
Der gebürtige<br />
Schweizer Alexander<br />
Niemetz, 66,<br />
war mehr als 20<br />
Jahre in Deutschland<br />
tätig, unter<br />
anderem als Moderator<br />
des Heute-<br />
Journals im ZDF.<br />
„Der brave Mann denkt<br />
an sich selbst zuletzt.“<br />
1. Aufzug, 1. Szene<br />
send Städte und Gemeinden verfügen über<br />
ihre eigene Einkommensteuerkompetenz,<br />
was ihnen ein hohes Maß an Selbstständigkeit<br />
und Unabhängigkeit gewährleistet. Wie<br />
gesagt: ein komplexes System von „Check<br />
and Balance“, das vernünftige, bodenständige<br />
politische Lösungen produziert.<br />
Nationale Identität, ökonomische Prosperität,<br />
politische Stabilität – die Schweizer könnten<br />
stolz sein, selbstbewusst. Aber sie sehen<br />
ihr Land quasi im Ausnahmezustand, sie<br />
ducken sich weg, schotten sich ab, fühlen<br />
sich umzingelt. Die Schweiz zweifelt an sich<br />
selbst, an ihren Institutionen; sie verzweifelt<br />
in Teilen an der Politik, an den großen<br />
Konzernen, an den (zu) großen Banken, ja<br />
sogar an ihrer Fußball-Nationalmannschaft,<br />
auch wenn die in Südafrika als Einzige den<br />
späteren Weltmeister Spanien besiegte. Es<br />
ist nicht zu fassen, aber da ist trotz ununterbrochener<br />
Erfolgsgeschichte ein Hauch von<br />
Minderwertigkeitskomplex, der die Seele<br />
dieses Volkes einschnürt und zu seltsamen<br />
Abwehrreflexen führt.<br />
Ja, man duckt sich weg, wenn die OECD,<br />
die USA, die EU und vor allem Deutschland<br />
die Bastion „Bankgeheimnis“ schleifen wollen.<br />
Die Drohung von Exfinanzminister Peer<br />
Steinbrück, die Kavallerie loszuschicken,<br />
wenn die Schweiz nicht kooperiert, die deutschen<br />
Steuerhinterzieher nicht „ausliefert“,<br />
dem automatischen Informationsaustausch<br />
nach europäischer Fasson nicht zustimmt,<br />
14 pwc: | oktober 2010
„Der kluge Mann<br />
baut vor.“<br />
1. Aufzug, 2. Szene<br />
„Verbunden werden<br />
auch die Schwachen<br />
mächtig.“<br />
1. Aufzug, 3. Szene<br />
„Der Starke ist am<br />
mächtigsten allein.“<br />
1. Aufzug, 3. Szene<br />
Deine Welt sind die Berge:<br />
Mit einer mittleren Höhe von<br />
1.307 Metern ist die Schweiz<br />
das mit Abstand höchstgelegene<br />
Land Europas.<br />
pwc: | oktober 2010 15
pwc: Märkte<br />
Genf<br />
Vevey<br />
Nestlé<br />
Basel<br />
Bern<br />
COOP<br />
Novartis<br />
Roche<br />
UBS<br />
Quellen BAK Basel Economics <strong>AG</strong>, Handelszeitung<br />
wurde als Angriff auf die Schweizer Identität<br />
gesehen, der Ankauf von CDs mit gestoh-<br />
lenen Bankkundendaten durch deutsche<br />
Regierungsstellen (auch in Deutschland ja<br />
rechtlich umstritten) galt fast als Kriegserklärung<br />
an den Finanzplatz Schweiz; aber auch<br />
als Angriff auf das schweizerische Selbstverständnis,<br />
das dem Steuerbürger Vertrauen<br />
entgegenbringt und nicht wie in Deutschland<br />
auf Misstrauen und Kontrollwahn setzt.<br />
Die Schweiz fühlt sich am Pranger – und<br />
viel schlimmer: von Freunden an den Pranger<br />
gestellt. Vorbei die Zeiten, als die katholischen<br />
Kanzler Adenauer, Kiesinger oder<br />
Kohl, mit offen zur Schau gestellter Affinität<br />
zur Schweiz, Deutschland regierten. Die<br />
schweizerische Botschaft in Berlin liegt zwar<br />
in direkter Nachbarschaft zu Bundeskanzleramt<br />
und Reichstag – aber das Klima ist<br />
frostiger, geschäftsmäßiger, distanzierter geworden.<br />
Hinzu kommt: Die Schweiz tut sich schwer<br />
mit Europa. Die EU ist zur Projektionsfläche<br />
für viele Ängste der Schweiz geworden. Das<br />
ABB<br />
Migros<br />
UBS<br />
Zurich<br />
Zürich<br />
Holcim<br />
Schindellegi Rapperswill<br />
Luzern<br />
Kühne + Nagel<br />
Lugano<br />
offizielle Sprachgebiete<br />
Französisch<br />
Deutsch<br />
Rätoromanisch<br />
Italienisch<br />
St. Gallen<br />
BIP in Franken/Kopf<br />
unter 50.000<br />
50-60.000<br />
60-70.000<br />
über 70.000<br />
Misstrauen im Volk sitzt tief, mit einer intensiveren<br />
Annäherung an die EU Souveränität<br />
zu verlieren, Bürgerrechte (wie die direkte<br />
Demokratie) an den bürokratischen Moloch<br />
Brüssel abgeben zu müssen. Es ist fatal:<br />
Kaum ein Land dieser Welt ist so intensiv<br />
in die Globalisierung eingebunden wie die<br />
Schweiz, profitiert von der Globalisierung so<br />
Schweigen ist Gold:<br />
Das Bankgeheimnis<br />
galt lange als das<br />
stärkste Argument<br />
für Geldanlagen in<br />
der Schweiz.<br />
„Wir sind´s gewohnt,<br />
dass man uns<br />
gut begegnet.“<br />
1. Aufzug, 4. Szene<br />
deutlich und bleibt politisch doch so nach innen<br />
gekehrt; das Land ist, was Außenhandel<br />
und Investitionen betrifft, intensiv mit der EU<br />
vernetzt und bleibt doch in selbst gewählter<br />
Isolierung.<br />
Es ist nicht so, als gäbe es in der Schweiz<br />
nicht das Gefühl, dass da irgendwas nicht<br />
stimme. Die Medien sind voll von Lamentos<br />
über den Zustand der Politik und vor allem<br />
der Regierung. Man führt Systemdebatten,<br />
bezweifelt die Regierungsfähigkeit des Bundesrats,<br />
beklagt den Konsensverlust zwischen<br />
staatstragenden Parteien. Es gärt in<br />
der Schweiz – aber am Ende wird sich auch<br />
hier jener typisch schweizerische Pragmatismus<br />
durchsetzen, der vielleicht ein bisschen<br />
langweilig erscheinen mag, aber insgesamt<br />
eben doch höchst erfolgsorientiert ist. Die<br />
Schweiz wird gewiss nicht Mitglied der EU,<br />
aber sie wird ein Arrangement finden, das<br />
wirtschaftlichen Erfolg und Souveränitätsverzicht<br />
in eine vernünftige Balance bringt. Die<br />
Schweiz wird nie zum Liebling europäischer<br />
und amerikanischer Finanzminister werden,<br />
aber ihr Franken bleibt eine Lieblingswährung<br />
der Finanzinvestoren.<br />
Deutschland mag derzeit für viele „national<br />
gesinnte“ Schweizer der Lieblingsfeind<br />
sein, die Deutschen juckt das wenig; Ärzte,<br />
16 pwc: | oktober 2010
„Ja, wir sind<br />
eines Herzens,<br />
eines Bluts.“<br />
2. Aufzug, 2. Szene<br />
Professoren, Banker, Ingenieure und was es<br />
sonst an Kreativen und Hochqualifizierten<br />
gibt, finden in der Schweiz ein Jobparadies<br />
zu sehr annehmbaren Bedingungen.<br />
Die Schweiz wird all die Verwerfungen über-<br />
leben, weil sie gut aufgestellt ist: Sie ist Euro-<br />
pa im Kleinformat, kann Beispiel sein für das<br />
weitere Zusammenwachsen Europas – ohne<br />
bürokratischen Überbau, mit starken föde-<br />
ralen Strukturen, mit der Mitbestimmung der<br />
Bürger. In diesem Europa hätte dann auch<br />
die Schweiz einen Platz. Die Schweiz setzt<br />
Herr Knüsel, was gefällt Ihnen an den Deutschen<br />
besonders gut?<br />
Sehr starker Teamgeist, hohes Arbeitsethos,<br />
offene Worte.<br />
Sind das keine Schweizer Eigenschaften?<br />
Die ersten beiden schon. Aber mit den Worten<br />
gehen Schweizer wesentlich vorsichtiger<br />
um. Meine persönlichen Erfahrungen dazu<br />
sind: Sie sind zurückhaltender, denken erst<br />
nach, bevor sie reden, und sagen dann auch<br />
nicht immer sofort alles, was sie so denken.<br />
Sie sind also näher an den Schwaben als an<br />
den Rheinländern?<br />
Aus meiner Sicht schon – die Sprachen sind<br />
eng verwandt. Das Schweizerdeutsche ist<br />
ebenso ein Dialekt des Alemannischen wie<br />
das Schwäbische. Ähnlich bei Schweizern<br />
und Schwaben ist auch die Angewohnheit,<br />
eher weniger zu reden und dafür mehr zu arbeiten.<br />
Wobei es in der Schweiz in den letzten<br />
Jahrzehnten eine sehr starke Öffnung<br />
gab. Die Schweiz ist sehr multikulturell und<br />
profitiert von fremden Einflüssen.<br />
„Die Zeit bringt<br />
Rat. Erwartet´s in<br />
Geduld.“<br />
2. Aufzug, 2. Szene<br />
auf Wettbewerb, nicht auf Gleichmacherei –<br />
das hat sie in den Genen. Davon kann auch<br />
Deutschland sich eine Scheibe abschnei-<br />
den. Die Schweiz vertraut ihren Bürgern, da<br />
ist ein Vertrauensklima gewachsen. Deutsch-<br />
land misstraut seinen Bürgern und schafft<br />
ein flächendeckendes Kontrollsystem. Die<br />
Schweizer können mit Problemen umgehen,<br />
sie können auch Krisen ertragen – allerdings<br />
erwarten sie, dass ihre politischen Spitzen<br />
und ihre Wirtschaftsgrößen Ehrlichkeit und<br />
Verantwortung leben und nicht nur reden.<br />
Dann sollte es ihnen, und Ihnen, nicht<br />
schwerfallen, sich in Deutschland zu integrieren.<br />
Als ich vor zwölf Jahren von PwC Schweiz<br />
nach Deutschland gekommen bin, war die<br />
Akzeptanz von Anfang an da. Ich habe sehr<br />
schnell tolle Kollegen gefunden. Auch die<br />
anderen Schweizer, die ich in Deutschland<br />
kenne, fühlen sich sehr wohl.<br />
Mit den Deutschen, die in der Schweiz sind,<br />
fühlen sich die Schweizer hingegen nicht immer<br />
so wohl …<br />
Es haben schon immer viele Deutsche in der<br />
Schweiz gelebt, ohne dass das Probleme<br />
gegeben hätte. Allerdings war die Zuwanderung<br />
zuletzt immens – bis zu 3.000 Personen<br />
pro Monat; das kann zu Konflikten führen.<br />
Was sollte man als Deutscher in der Schweiz<br />
beachten, um Konflikten zu vermeiden?<br />
Wenn man sich bewusst ist, dass in der<br />
Schweiz trotz der Nähe zu Deutschland<br />
vieles anders läuft, und sich darauf einstellt,<br />
kann man nicht viel falsch machen.<br />
„Es kann der Frömmste<br />
nicht im Frieden bleiben,<br />
wenn es dem bösen<br />
Nachbarn nicht gefällt.“<br />
4. Aufzug, 3. Szene<br />
Die Strukturen der Schweiz sind stabil – das<br />
gilt für die Politik genauso wie für den Wirt-<br />
schaftsstandort. Ein Land, das im interna-<br />
tionalen Wettbewerbsranking ebenso weit<br />
vorne steht wie im Bereich Innovation und<br />
Forschung, das im Pro-Kopf-Einkommen<br />
unter den ersten fünf rangiert, muss nicht<br />
in kollektiver Malaise erstarren. Eine Wirt-<br />
schaftsmacht, die im derzeitigen Währungs-<br />
wirrwarr von Euro-Krise und Dollar-Schwä-<br />
che zum Ankerplatz der Finanzinvestoren<br />
wird, muss nicht verzweifeln.<br />
„Erst denken, dann reden“<br />
Daniel Knüsel, seit zwölf Jahren als Schweizer bei PwC Deutschland, über die<br />
Dos und Don´ts im rheinüberschreitenden Umgang.<br />
Kitzlige Themen wie Steuerdaten oder Volksabstimmung<br />
zum Minarett-Verbot spricht<br />
man dann besser gar nicht erst an?<br />
Das wäre übertrieben, es gibt keine Tabuthemen.<br />
Es kommt nicht so sehr darauf an,<br />
was man adressiert, sondern wie man es<br />
macht.<br />
Daniel Knüsel ist bei PwC Deutschland<br />
Leiter des Bereichs Valuation & Strategy<br />
Financial Services<br />
pwc: | oktober 2010 17
pwc: Märkte<br />
„Fußball ist Herz und<br />
Seele der Marke“<br />
Adidas-Markenvorstand Erich Stamminger über Fußball und Lifestyle, über<br />
Starkult und Firmenkultur, über Wettbewerb – und nicht über Wettbewerber.<br />
Interview: Wolfgang Kaden<br />
pwc: Herr Stamminger, wenn heute jemand die Marke Adidas kaufen<br />
wollte, was müsste er wohl zahlen?<br />
Erich Stamminger: Eine Marke wie adidas ist mit ideellen Werten<br />
aufgeladen, da ist es schwer, sie nur mit einer Summe zu bewerten.<br />
…ist die Marke Adidas so viel wert wie die ganze Firma?<br />
Für mich persönlich ist sie sogar mehr wert als das, was wir an der<br />
Börse kosten. Ich bin schon fast dreißig Jahre in der Firma und daher<br />
sehr mit den drei Streifen verbunden.<br />
Wie definieren Sie den Kern der Marke Adidas?<br />
Wir wollen die besten Produkte für den Athleten, für den Sportler<br />
bereitstellen und ihm helfen, seine Leistungen zu verbessern.<br />
Sie sind also noch immer primär sportorientiert?<br />
So ist es, auch wenn Markt und Marke sich verändert haben.<br />
Wie weit sind Sie ein Sportartikel-Unternehmen, wie weit eine<br />
Mode- und Lifestyle-Firma?<br />
18 pwc: | oktober 2010
Vor zehn Jahren haben wir die Marke neu ausgerichtet. Da haben<br />
wir definiert, dass wir zwei Drittel der Marke weiterhin im Sport<br />
beheimatet sehen und ein Drittel im Freizeit-Segment. Wobei die<br />
Übergänge zwischen den Bereichen fließend sind, denn der Käufer<br />
kann ein T-Shirt ja auch für den Sport nutzen und umgekehrt. Wo-<br />
bei wichtig ist, dass wir den Freizeit-Bereich immer wieder aus dem<br />
Sport „aufladen“, denn er lebt ja auch aus dem Sport heraus.<br />
Wie weit prägt die Firmenkultur Ihre Marke?<br />
Jeder im Unternehmen muss wissen, wofür die Marke steht und wo<br />
sie herkommt. Die Mitarbeiter müssen die Marke nach innen wie<br />
nach außen leben.<br />
Viele Menschen identifizieren Adidas mit Fußball …<br />
… und Fußball ist auch das Herz und die Seele der Marke Adidas,<br />
spätestens seit Deutschland 1954 mit dem Schraubstollen-Schuh<br />
von Adi Dassler Weltmeister wurde. Allerdings gründet die Historie<br />
nicht nur auf dem Fußballschuh.<br />
Bleiben wir so kurz nach der WM noch ein wenig beim Fußball.<br />
Deutschland ist im Halbfinale ausgeschieden, aber Sie sind mit<br />
Spanien Weltmeister geworden. Ich vermute, Sie waren zufrieden<br />
mit dem Ergebnis.<br />
Ich bin sogar sehr zufrieden mit dem Verlauf der WM. Adidas war<br />
mit Abstand die sichtbarste Marke der WM und wir werden unseren<br />
Fußball-Umsatz in diesem Jahr auf eine neue Rekordmarke von<br />
mindestens 1,5 Milliarden Euro erhöhen.<br />
In der Tat – Sie waren bei der WM unübersehbar präsent. Was<br />
bringt ein solches Großereignis für Sie?<br />
Das ist die beste Plattform, die sich eine Marke wie Adidas wünschen<br />
kann, um ihre Werte und Produkte der Welt zu präsentieren.<br />
Es gibt nichts Besseres.<br />
In Südafrika waren zwölf Mannschaften vertreten, die adidas fördert<br />
– doppelt so viel wie bei der WM vor vier Jahren. Warum?<br />
Wir hatten 2006 etwas Pech, weil sich etliche Mannschaften, die<br />
bei uns unter Vertrag standen, nicht qualifizierten. Diesmal hatten<br />
wir einfach mehr Glück. Wir haben seitdem nur drei Mannschaften<br />
hinzugenommen. Mexiko und Paraguay, die sich beide qualifiziert<br />
haben; und Russland – die waren in Südafrika nicht dabei.<br />
Wie weit hängt das Marketingergebnis vom sportlichen Erfolg der<br />
von Ihnen unterstützten Teams ab?<br />
Es ist natürlich nicht gut, wenn Topmannschaften, die wir unter Vertrag<br />
haben, früh ausscheiden. Aber die Marke gewinnt nicht nur,<br />
wenn eine unserer Mannschaften ins Endspiel kommt oder wenn<br />
wir mit mindestens zwei Mannschaften im Halbfinale stehen. Den<br />
Markenaufbau muss ich immer langfristig anlegen und eine WM<br />
ist ein wichtiges Element in diesem Prozess, unabhängig vom Abschneiden<br />
der einzelnen Teams.<br />
Sie werben nicht nur mit Teams, sondern auch mit einzelnen Athleten,<br />
etwa dem Argentinier Lionel Messi. Nimmt Ihr Kunde tatsächlich<br />
wahr, dass der Messi-Schuh, den er im Laden kauft, von Adidas<br />
stammt? Er würde den auch von Puma oder Nike erwerben.<br />
Das Gute ist, dass die Marke über den einzelnen Athleten hinausreicht.<br />
Eine Marke ist langfristig angelegt, ist nicht abhängig von<br />
einem einzelnen Athleten. Gerade die junge Zielgruppe weiß ganz<br />
genau, welche Schuhmarke Messi beim letzten Spiel getragen hat.<br />
Das wissen wir durch Marktforschung. Im Übrigen gibt es wenige<br />
Athleten, bei denen der einzelne Sportler mit einem speziellen<br />
Schuh verbunden ist. Das ist beispielsweise bei David Beckham der<br />
Fall, der eine eigene Kollektion hat. Eine solche Verknüpfung haben<br />
wir aber häufiger im Basketball als im Fußball.<br />
Einen Messi für die Marke einzukaufen kostet ein Höllengeld. Können<br />
Sie messen, ob Sie dieses Geld wieder einspielen?<br />
Ja und nein. Wir kalkulieren die Verträge, aber wir können das natürlich<br />
nie hundertprozentig ermitteln. Unter anderem, weil Fußball<br />
ja nicht nur Fußball ist. Eine Fußballweltmeisterschaft wird nicht nur<br />
von Fußballfans gesehen, sondern auch von Menschen, die sich<br />
Seit fast 30 Jahren im<br />
Dienst der drei Streifen:<br />
Adidas-Markenvorstand<br />
Erich Stamminger<br />
pwc: | oktober 2010 19
pwc: Märkte<br />
sonst das ganze Jahr nicht sonderlich für Fußball interessieren. Da-<br />
mit wirken solche Werbeträger, ein einzelner Star wie eine Nationalmannschaft,<br />
über den Fußball hinweg in andere Bereiche, Laufen<br />
etwa oder Fitness. Das größte Segment bei uns ist „Training“, also<br />
Ausrüstung, die nicht einer einzelnen Sportart zuzurechnen ist.<br />
Die Fußball-WM ist ein globales Ereignis. Sie verkaufen ihre Produkte<br />
überall auf der Welt. Wie deutsch ist Adidas noch in der Markenwahrnehmung?<br />
Wir definieren uns als globale Marke mit deutschen Wurzeln. Sie<br />
werden allerdings viele Franzosen finden, die meinen, Adidas sei<br />
eine französische Marke, weil Horst Dassler einmal ein zweites<br />
Headquarter in Frankreich aufgebaut hatte. In Amerika sind viele<br />
Konsumenten überzeugt, Adidas sei eine amerikanische Marke.<br />
Das korrigieren wir nicht – warum auch? Wir verstärken diese Wahrnehmung<br />
eher noch, indem wir Designcenter in den einzelnen Regionen<br />
aufgebaut haben und versuchen, auf diese Weise den Geschmack<br />
der lokalen Konsumenten besser zu treffen.<br />
Automarken haben, bei aller Internationalität, immer noch eine<br />
starke nationale Identität. Ein Toyota ist japanisch, ein BMW<br />
deutsch. Das scheint in Ihrer Branche anders.<br />
So ist es. Unser Konsument ist sehr jung, daher stark auf das Internet<br />
orientiert und global vernetzt. Im Übrigen sind auch unsere Athleten<br />
weltweit bekannt, über die Ländergrenzen hinweg.<br />
Machen Sie regionale Unterschiede in der Markenführung?<br />
Nein, die Markenführung ist ausschließlich global. Allerdings gibt es<br />
unterschiedliche Schwerpunkte, in Amerika beispielsweise Basketball<br />
oder in Indien Cricket.<br />
Machen Sie auch Fehler in der Markenführung?<br />
Ich habe noch keinen Menschen getroffen, der keinen Fehler macht.<br />
Und da beziehe ich mich mit ein. Mein Credo ist: Solange die Trefferquote<br />
über 90 Prozent liegt, können wir zufrieden sein.<br />
Haben Sie bei Adidas so etwas wie eine Fehlerkultur?<br />
Ja. Wir erwarten von unseren Mitarbeitern und von uns selbst, dass<br />
wir Risiken eingehen, kalkulierte Risiken. Nur dadurch haben wir die<br />
Chance, Neues auszuprobieren.<br />
Zum Neuen gehört die Markenerweiterung, in Neudeutsch: Line Extension.<br />
Trügt der Eindruck, dass Adidas da eher zurückhaltend ist?<br />
Der trügt. Wir haben beispielsweise eine neue Modemarke aufgebaut,<br />
namens Y 3. Die kommt aus dem Sportswear heraus und<br />
geht in den High-End-Fashion-Bereich. Das Ypsilon steht für Yohji<br />
Yamomoto, ein Stardesigner aus Japan, die Drei für die Adidas-<br />
Der Sport-Konzern<br />
Seit der Gründung im Jahr 1949 ist Adidas aufs engste mit sportlichen<br />
Höchstleistungen verknüpft. Der Sieg bei der Fußball-WM<br />
1954 markierte nicht nur für Deutschland, sondern auch für Adidas<br />
einen großen Schritt im Nachkriegsaufstieg – Firmengründer Adolf<br />
„Adi“ Dassler höchstselbst hatte den deutschen Spielern vor dem<br />
Finale die eigens erfundenen Schraubstollen in die Schuhe gedreht.<br />
Die Ausrüstung von Spitzensportlern ist seither eines der wichtigsten<br />
Marketing-Instrumente von Adidas – nicht nur, aber vor<br />
allem im Fußball. Bei der WM<br />
2010 trugen zwölf der 32<br />
Mannschaften Schuhe und Trikots<br />
der Drei-Streifen-Marke<br />
aus Herzogenaurach – auch<br />
Weltmeister Spanien. Zudem<br />
ist Adidas seit 1970 Hersteller<br />
aller Bälle bei Fußball-Weltund<br />
Europameisterschaften.<br />
Der Umsatz von 10,4 Milliarden<br />
Euro (2009) wird zu je<br />
etwa<br />
45 Prozent mit Sportschuhen<br />
und Sportkleidung erzielt – die<br />
übrigen zehn Prozent entfallen<br />
Streifen. Wir sind mit diesem Label seit vielen Jahren, zuerst in Paris,<br />
dann in New York, ein Höhepunkt der Fashion Week geworden.<br />
Worauf führen Sie das zurück?<br />
Weil wir es authentisch aufgebaut haben. Die Mode kommt aus<br />
dem Sport heraus. Das ist eine Markenspreizung, die keine andere<br />
Marke in unserer Branche mit Erfolg geschafft hat.<br />
Mode, zumal sportliche, ist immerhin noch nahe dran am Marken-<br />
kern. Wie aber sieht es aus mit Sportgetränken, mit Sportsnacks,<br />
Sporthotels? Käme so etwas auch mal für Sie infrage?<br />
Wir decken Brillen, Sportbrillen, Kosmetik, Uhren über Lizenzen ab.<br />
Bei Getränken testen wir gerade gemeinsam mit Coca-Cola, ob es<br />
Sinn macht, ob es authentisch ist, ob der Konsument ein solches<br />
Produkt mit unserem Label haben möchte.<br />
Wo liegen die Grenzen der Markenspreizung?<br />
Dort, wo eine Erweiterung nichts mehr mit dem Sport im weitesten<br />
Sinne zu tun hat. Wir tasten uns an verschiedene Dinge heran. Aber<br />
wir sind da sehr sensibel, insoweit haben Sie recht mit ihrer ein-<br />
gangs geäußerten Skepsis.<br />
Der Weltmarktführer in Ihrer Branche ist Nike, dicht gefolgt von Adi-<br />
das. Stimmt der Eindruck, dass zwischen den beiden Konzernen<br />
eine heftige Feindschaft gepflegt wird, auch von Ihrer Seite?<br />
Ich verfolge bei Adidas die Linie, mich auf unseren eigenen Weg zu<br />
konzentrieren, Wettbewerber zu beobachten, ihnen aber nicht zu<br />
viel Bedeutung beizumessen und auch nicht groß über sie zu reden.<br />
Was genug sagt über den Umgang miteinander. Dennoch: Welche<br />
Rolle spielt denn dieser Zweikampf, extern wie auch intern, in der<br />
Kommunikation mit der eigenen Truppe, gegenüber den Kunden?<br />
20 pwc: | oktober 2010
Lassen Sie es mich so sagen: Wenn Sie eine bestimmte Sportart<br />
ausüben, dann wollen Sie gewinnen, selbstverständlich auf faire Art<br />
und Weise. Das ist ganz normal und in der Wirtschaft nicht anders.<br />
Unser Mission Statement ist „to be the leading sports brand in the<br />
world“. Das bedeutet: Wir wollen inhaltlich führend sein, in dem,<br />
was wir tun. Jeder Mitarbeiter muss hoch motiviert sein, in seinem<br />
Bereich zu gewinnen, gegen welchen Wettbewerber auch immer.<br />
Adidas ist heute nicht nur Hersteller, sondern auch Einzelhändler.<br />
Sie betreiben weltweit über 2.000 Shops, in Eigenregie und als<br />
Franchise. Was ist das wesentliche Motiv?<br />
Mit eigenen Geschäften steigen wir da ein, wo wir keine geeignete<br />
Handelslandschaft vorfinden. Beispielsweise in den osteuropäischen<br />
Ländern, in China, Indien, Korea oder im Nahen Osten.<br />
Der zweite Aspekt ist, dass es Länder gibt, in denen unsere Marken<br />
nicht fair präsentiert werden. Wenn man wie wir einen Bekanntheitsgrad<br />
von 98 Prozent aufweist und eine hohe Beliebtheit besitzt,<br />
die Kunden aber unsere Ware nicht finden, dann ist man gezwungen,<br />
eigene Geschäfte aufzumachen.<br />
In Deutschland gibt es einen gut ausgebauten Handel, und sie treten<br />
dort dennoch mit eigenen Geschäften an.<br />
Wir haben in Deutschland ganz, ganz wenige Geschäfte. Das sind<br />
Flagship-Stores, in denen wir uns als Marke angemessen präsentieren<br />
und wo wir schnell Rückmeldungen bekommen, was sich gut<br />
verkauft und was nicht so gut läuft.<br />
Ihr Konzern ist nicht nur Adidas mit seinen Untermarken. Sie betreiben<br />
außerdem den Golf-Ausrüster Taylor Made und für 3,8 Milliarden<br />
Dollar haben Sie vor vier Jahren in den USA die heruntergewirtschaftete<br />
Marke Reebok hinzugekauft. Wie grenzen Sie Reebok<br />
von Adidas ab?<br />
Adidas ist der Spezialist in praktisch allen Sportarten. Das ist unsere<br />
Herkunft, und so ist das noch heute. Reebok hatte es geschafft,<br />
eine authentische Trainings- und Fitness-Marke zu sein. Das ist die<br />
Stärke von Reebok, die wir jetzt wieder herausstellen, beispielsweise<br />
mit dem neuen Toning-Schuh EasyTone, der so gebaut ist, dass<br />
er beim Gehen spezielle Muskelgruppen im Bein und im Gesäß<br />
stärkt. Dieses Konzept ist ein Riesenerfolg: Wir werden in diesem<br />
Jahr rund zehn Millionen Paar Toning-Schuhe verkaufen.<br />
Wie viel Eigenständigkeit billigen Sie Reebok zu?<br />
Wir gewähren beiden Marken, Adidas und Reebok, eine gewisse<br />
Eigenständigkeit, aber alle Marken berichten an mich. Die Marken<br />
müssen sich ergänzen, wo es Sinn macht, und sie müssen sich<br />
überlappen, wo es Sinn macht. Wir müssen die Stärken beider Marken<br />
herausarbeiten, ohne dass sie sich unnütz in die Quere kommen.<br />
Da gibt es natürlich immer wieder mal Diskussionen mit den<br />
Markenverantwortlichen.<br />
Sie sind regelmäßig als Schlichter gefordert?<br />
Ein kalkulierter Wettbewerb im Konzern ist gesund. Er darf nur nicht<br />
aus dem Ruder laufen.<br />
Deutschland hat in den vergangenen Jahrzehnten im Einzelhandel<br />
den Siegeszug der Discounter und der No-Name-Produkte erlebt.<br />
Sind diese Anbieter auch für einen Markenriesen wie Adidas eine<br />
Gefahr?<br />
Die Discounter spielen auch in unserem Markt eine Rolle. Aber<br />
unser Vorteil ist, dass es eben eine Begehrlichkeit nach unseren<br />
Produkten und Marken gibt. Wir arbeiten mit dem Fachhandel zusammen<br />
und müssen bei der ewigen Preisdrückerei nicht alles mitmachen.<br />
Wenn wir immer nur billiger werden, können wir nicht mehr<br />
die gewohnte Qualität liefern, die der Konsument erwartet.<br />
Erich Stamminger, Jahrgang 1957, begann 1983 seine Laufbahn bei Adidas als Assistent des Marktforschungsleiters. 1991 wurde er Marketingleiter<br />
von Adidas Deutschland, 1997 Vorstandsmitglied der Adidas <strong>AG</strong>. Seit 2009 ist der Betriebswirt als Markenvorstand für Global<br />
Brands verantwortlich.<br />
pwc: | oktober 2010 21
pwc: Märkte<br />
Mensch im Wertewandel<br />
Was der Buchautor Jörn Klare unter anderem herausbekam,<br />
als er versuchte, seinen eigenen Wert zu berechnen.<br />
Zusammengestellt von Detlef Gürtler, illustriert von Markus Kluger<br />
22 pwc: | oktober 2010
pwc: | oktober 2010 23
pwc: Märkte<br />
Auf Windfang<br />
Der Anteil der erneuerbaren Energien muss steigen. Das ist Konsens bei Politik,<br />
Wirtschaft und Gesellschaft. Deutschland setzt vor allem auf Windenergie<br />
im Allgemeinen und die noch heranreifende Offshoretechnologie im Besonderen.<br />
Über sie haben Experten bei der Fachtagung PwC Wind Day diskutiert.<br />
Von Corinna Freudig<br />
Rotor rot-weiß: Die Montage von<br />
Windstrom-Anlagen ist wetterabhängig<br />
und technisch komplex.<br />
24 pwc: | oktober 2010
„Die Nutzung der Windenergie wird die zen-<br />
trale Rolle im Energiemix der Zukunft spie-<br />
len. Offshorewindparks sind dabei eine<br />
entscheidende Größe. Unser Ziel ist eine<br />
installierte Offshoreleistung von 25.000<br />
Megawatt bis zum Jahr 2030.“ Diese Sät-<br />
ze von Umweltminister Norbert Röttgen<br />
Ende April zur Eröffnung des ersten deut-<br />
schen Offshorewindpark alpha ventus, in<br />
der Nordsee rund 65 Kilometer vor der Insel<br />
Borkum gelegen, waren eine gute Nachricht<br />
für die deutsche Offshorebranche. Sie ist für<br />
Deutschland der Treiber Nummer eins, um<br />
das ausgegebene CO 2-Einsparungsziel von<br />
40 Prozent bis zum Jahr 2020 zu erreichen.<br />
Rund 30 Offshoreprojekte für insgesamt<br />
10.000 Megawatt und mit einem gesam-<br />
ten Investitionsvolumen von voraussicht-<br />
lich mehr als 30 Milliarden Euro haben vom<br />
Staat bereits eine Genehmigung erhalten.<br />
Die deutsche Windenergieindustrie ins-<br />
gesamt wuchs trotz Wirtschaftskrisenjahr<br />
• Der weltweite Windenergiemarkt<br />
soll von<br />
30 Milliarden Euro 2009<br />
auf 200 Milliarden Euro<br />
2014 steigen.<br />
2009 um 15 Prozent. Mit rund 90.000 Be-<br />
schäftigten beschäftigt sie heute knapp 40<br />
Prozent mehr Menschen als vor fünf Jahren.<br />
Begünstigt wurde diese Entwicklung insbesondere<br />
durch die Novelle des Erneuerbare-<br />
Energien-Gesetz 2009, das die Einspeisevergütung<br />
windenergiefreundlicher gemacht<br />
hat.<br />
Und auch im weltweiten Vergleich kann sich<br />
Deutschland sehen lassen: „Nach den USA<br />
und China liegt Deutschland auf Platz drei,<br />
was die neu installierte Leistung anbelangt.<br />
Bei den EU 27 liegen wir auf Platz eins. Allerdings<br />
segelt Spanien hart am Wind und<br />
• 2009 kamen 40 Prozent<br />
der Stromversorgung<br />
aus erneuerbaren<br />
Energien in Deutschland<br />
aus der Windenergie.<br />
ist kurz davor, vorbeizuziehen“, sagte Manfred<br />
Wiegand, Leiter des Energiesektors bei<br />
PricewaterhouseCoopers (PwC) in Deutschland<br />
und Utilities Leader weltweit, beim<br />
PwC Wind Day, zu dem rund 100 Zuhörer<br />
in die Jacobs University in Bremen gekommen<br />
waren.<br />
So hoffnungsvoll all diese Entwicklungen<br />
stimmen mögen – stürmische Begeisterung<br />
wäre aus heutiger Sicht noch fehl am Platz.<br />
Denn wenn man die Gegenwart realistisch<br />
betrachtet, werden die hehren Ziele der<br />
Politik noch vom Winde verweht: Das Off-<br />
pwc: | oktober 2010 25
pwc: Märkte<br />
Umkämpfter Pionier: Die Anlage Alpha<br />
Ventus ermöglicht den Blick auf die<br />
Zukunft der Offshore-Windenergie.<br />
shoretestfeld Alpha Ventus verfügt mit sei-<br />
nen zwölf Multimegawatt-Windenergieanla-<br />
gen gerade einmal über 60 Megawatt. Die<br />
ersten rein kommerziell genutzten Windparks<br />
sind erst im Bau: Die BARD-Gruppe<br />
aus Emden hat im Juli die zweite von 80<br />
geplanten Fünf-Megawatt-Windenergieanlagen<br />
auf See errichtet – in der Endausbaustufe<br />
soll der 100 Kilometer vom Nordseeufer<br />
gelegene Park 400 Megawatt installierte<br />
Leistung bringen. Zeitgleich errichtet EnBW<br />
mit Baltic I den ersten Offshorewindpark vor<br />
Mecklenburg-Vorpommern in der Ostsee,<br />
der mit 21 Windenergieanlagen und einer<br />
installierten Leistung von 48 Megawatt allerdings<br />
vergleichsweise klein ist.<br />
Der Weg zu den politisch ausgegebenen<br />
Offshorezielen für 2030 ist also noch weit;<br />
und beschwerlich. Das machten die Redner<br />
aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft<br />
deutlich. Beschwerlich ist der Weg aus vielerlei<br />
Gründen: Aus technischer Sicht gehören<br />
dazu die noch nicht ausgereifte Entwicklung<br />
und fehlende Erfahrung mit den<br />
Multimegawatt-Offshorewindenergieanlagen<br />
und Offshore-Errichtungsgeräten. Zudem<br />
birgt der Bau solcher Offshorewindparks<br />
hohe Risiken.<br />
Diese beginnen bei der Wetterlage: Bei<br />
stürmischem Wetter kann keine Windenergieanlage<br />
und kein Fundament draußen im<br />
Meer errichtet werden. Und sie enden bei<br />
der wichtigen Frage der Finanzierung. „Die<br />
Investition in einen durchschnittlichen Park<br />
in der Nordsee mit etwa 80 Anlagen liegt<br />
heute bei mehr als 1,4 Milliarden Euro“,<br />
sagt PwC-Experte Heiko Stohlmeyer, der<br />
• Im Jahr 2009 lag der<br />
Umsatz der deutschen<br />
Windindustrie bei<br />
6,5 Milliarden Euro.<br />
26 pwc: | oktober 2010
sich schon seit vielen Jahren mit der Finan-<br />
zierung und Wirtschaftlichkeit von Offshore-<br />
Windenergieprojekten beschäftigt. „Die<br />
Obergrenze der Kreditlinien bei Banken<br />
beträgt für derartige Projekte heute aber<br />
nur 30 bis 50 Millionen Euro.“ Das heißt:<br />
Die Projektträger müssen für projektfinan-<br />
zierte Offshore-Windenergieparks eine Vielzahl<br />
von Banken ins Boot holen und das ist<br />
durch die Wirtschaftskrise nicht gerade begünstigt<br />
worden: „In Europa gibt es gerade<br />
mal etwa 20 Banken, die aktuell bereit sind,<br />
solche Projekte zu finanzieren“, so Stohlmeyer.<br />
Doch hier weht bereits ein erstes erfrischendes<br />
Lüftchen. Das versprach zumindest<br />
Umweltministeriumsvertreter Torsten<br />
Bischoff beim PwC Wind Day, der von ersten<br />
Überlegungen des Bundes berichtete,<br />
mithilfe der Kreditanstalt für Wiederaufbau<br />
Finanzierungsinstrumente zu entwickeln<br />
und die Anreize für Windpark-Finanzierungen<br />
zu erhöhen.<br />
Probleme macht außerdem die teure Netzanbindung<br />
auf See, zu der die Netzbetreiber<br />
gesetzlich eigentlich verpflichtet sind,<br />
sich bisher aber noch eher in Zurückhaltung<br />
üben. Um jedoch Haushalte von Ahrensbis<br />
Augsburg mit Strom von hoher See versorgen<br />
zu können, muss diese Anbindung<br />
gewährleistet sein. „Bisher ist das Netzproblem<br />
überdies technisch noch nicht befriedigend<br />
gelöst, genauso wie der Anlagenbau<br />
selbst noch nicht ausgereift ist“, so Dr.<br />
Hans-Gerd Busmann, der das Fraunhofer-<br />
Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik<br />
in Bremerhaven leitet. Er sprach sogar<br />
von Jahren, die es noch dauern würde,<br />
• Die Anfangsvergütung<br />
für Onshore liegt nach<br />
EEG bei 9,2 Cent/kWh,<br />
für Offshore bei 13 Cent.<br />
Spitzencluster für Windenergie<br />
Das Herz der deutschen Windenergie<br />
schlägt im Norden Deutschlands. Denn Bremen,<br />
Bremerhaven, Cuxhaven, Emden und<br />
Oldenburg haben gezeigt, wie Strukturwandel<br />
aussehen kann, und sich vom Standort<br />
für Reedereien und Werften hin zum Spitzencluster<br />
für Windenergie entwickelt. Insbesondere<br />
hat sich die Region zum Zentrum<br />
des Offshorewindkraftanlagenbaus gemausert.<br />
Beispiel Bremerhaven: Hier wurde das<br />
Industriegebiet Luneort erschlossen und<br />
20 Hektar aufgesandet – mit direktem Zugang<br />
zum Hafen und seeschifftiefem Wasser.<br />
Derzeit sucht Bremerhaven Projektentwickler<br />
und Investoren für die Erweiterung<br />
des Hafens speziell für Offshoretechnologie.<br />
Viele Firmen der Windenergiebranche<br />
haben ihre Testzentren in der Region. Die<br />
bis man von einer reifen Technologie sprechen<br />
könne. Das gilt auch für die Stromspeicherung,<br />
besonders für weit entfernt<br />
gelegene Offshoreprojekte. Die F&E-Abteilungen<br />
der großen Energieversorger arbeiten<br />
zwar mit Hochdruck an technischen<br />
Lösungen, aber Fakt ist: weder Pumpspeicherkraftwerke,<br />
noch private Elektrospeicher<br />
bieten bisher nennenswerte und breit<br />
einsetzbare Alternativen.<br />
Eine weitere Herausforderung für den Offshorebereich:<br />
der Transport. Via Straße oder<br />
Schiene können die riesigen Windenergieanlagen<br />
und Fundamente für den Offshore-<br />
Bereich aufgrund ihrer Ausmaße nicht transportiert<br />
werden: Schwerlastfundamente mit<br />
mehreren tausend Tonnen und Rotorblätter<br />
mit Durchmessern von bis zu 180 Metern<br />
sind für die LKW-Verladung nun einmal<br />
nicht gemacht. Um das Transportproblem<br />
in den Griff zu bekommen, haben sich die<br />
meisten Anlagenbauer deshalb in Küstennähe<br />
angesiedelt. Vor allem in der Metropolregion<br />
Bremen-Oldenburg wurde sehr<br />
schnell das Fähnlein von „Schiffsbau“ auf<br />
„Offshorewindenergie“ gedreht und die notwendige<br />
Infrastruktur geschaffen (siehe Ka-<br />
• Europa ist mit<br />
38 Windparks mit<br />
828 Turbinen und<br />
2.056 Megawatt in neun<br />
Ländern Weltmeister<br />
bei Offshorewind.<br />
Politik hat zudem den Weg geebnet, damit<br />
sich dort ein wissenschaftliches Zentrum<br />
für die Branche etabliert: Seit 2001 wurden<br />
62 Technologieentwicklungsprojekte und<br />
Prototypen mit einem Gesamtaufwand von<br />
28,4 Millionen Euro gefördert. In Bremerhaven<br />
wurde ein Fraunhofer-Institut für<br />
Windenergie und Energiesystemtechnik gegründet<br />
und an der Hochschule gibt es verschiedene<br />
Studienschwerpunkte rund um<br />
Windenergie. In Varel hat die Stiftung Offshore<br />
Windenergie ihren Sitz, in Bremerhaven<br />
die Windenergie-Agentur, das größte<br />
deutsche Branchennetzwerk.<br />
Ihr Ansprechpartner für Bremen:<br />
thomas.ull@de.pwc.com<br />
... und zum Thema Windenergie:<br />
heiko.stohlmeyer@de.pwc.com<br />
sten). Doch noch ist die Zahl der Service-,<br />
Hub- und Errichterschiffe, die in der Lage<br />
sind, die Anlagen auf See zu transportieren<br />
und die Gründungsstrukturen zu heben und<br />
im Meeresgrund zu befestigen, bei Weitem<br />
nicht ausreichend, um die Offshoreziele<br />
der Bundesregierung zu realisieren. Dazu<br />
kommt der Gegenwind auch immer wieder<br />
von ganz anderer Seite: den Umweltschützern.<br />
Das Umweltministerium beschäftigt sich<br />
zum Beispiel gerade damit, welche Auswirkungen<br />
die Fundamente auf tiefbohrende<br />
Meeresfauna wie den Maulwurfskrebs haben.<br />
Es sei schon etwas absurd, wunderte<br />
sich Heiner Heseler, Staatsrat beim Bremer<br />
Senator für Wirtschaft und Häfen, dass Umweltschutzorganisationen<br />
die vermehrte<br />
Nutzung von Erneuerbaren Energien zwar<br />
forderten, aber manchmal vergessen würden,<br />
dass diese eben auch produziert werden<br />
müssten.<br />
Ende September erscheint im Erich-<br />
Schmitt-Verlag der Tagungsband „Die Zukunft<br />
der Windenergie“, der auf den Vorträgen<br />
und Diskussionen des PwC Wind Day<br />
basiert und im Buchhandel erhältlich ist.<br />
• Die deutsche<br />
Windenergie macht 70<br />
Prozent ihres Umsatzes<br />
mit dem Export.<br />
pwc: | oktober 2010 27
pwc: Trends Trends<br />
Das Gezerre um den Kaufpreis<br />
Langwierige Verhandlungen gehören zu je-<br />
dem Unternehmenskauf dazu. Schließlich<br />
müssen sich Käufer und Verkäufer über je-<br />
des Detail einigen. Die Ergebnisse fließen<br />
dann in den Unternehmenskaufvertrag ein,<br />
dessen zentraler Bestandteil der Kaufpreismechanismus<br />
ist. Das Problem: Oft einigen<br />
sich die Parteien auf einen Mechanismus,<br />
ohne die Konsequenzen zu überschauen.<br />
Zur Wahl stehen das Locked-Box-Modell,<br />
das sich auf den letzten Bilanzstichtag bezieht,<br />
oder der Completion-Mechanismus,<br />
der den Kaufpreis anhand eines Zeitpunkts<br />
Kurz notiert<br />
MEhR SIChERhEIT<br />
Die US-Regierung will<br />
das Exportkontrollsystem<br />
reformieren, um die<br />
nationale Sicherheit zu<br />
stärken. Das wird die<br />
Luft-, Raumfahrt- und<br />
Verteidigungsindustrie zu spüren bekommen,<br />
deren Absatz- und Produktionsschwerpunkte<br />
im Ausland liegen. Die PwC-<br />
Publikation „Point of View – Export control<br />
reforms“ informiert betroffenen Unternehmen,<br />
wie sie am besten damit umgehen.<br />
www.pwc.de/de/us-export<br />
in der Zukunft ermittelt. Das Locked-Box-<br />
Modell gilt als schnell, einfach und kostensparend.<br />
Der Nachteil: Der Käufer trägt<br />
das Risiko, wenn sich die Geschäftslage<br />
bis zum Abschluss des Deals verschlechtert.<br />
Der Completion-Mechanismus wiederum<br />
minimiert das Risiko für den Käufer,<br />
erhöht es aber für den Verkäufer, weil Umsatz-<br />
oder Gewinneinbrüche zum Stichtag<br />
des Geschäftsabschlusses eingepreist<br />
werden. Zudem gilt er als besonders kompliziert<br />
und zeitaufwendig. „Damit es bei<br />
der finalen Kaufpreisfindung keine bösen<br />
NEUER STANDARD<br />
Der IFRS 9 „Financial Instruments“ soll<br />
sukzessive den IAS 39 „Financial Instruments:<br />
Recognition and Measurement“<br />
ersetzen, was nicht nur zu tief greifenden<br />
Änderungen in der internationalen Rechnungslegung<br />
führt, sondern auch Auswirkungen<br />
auf Prozesse und Systeme haben<br />
wird. Das IASB sieht die Umsetzung spätestens<br />
für das Geschäftsjahr 2013 vor,<br />
wesentliche Umsetzungsentscheidungen<br />
sollten deshalb bereits 2011 abgeschlossen<br />
sein.<br />
www.pwc.de/de/IFRS9<br />
Überraschungen gibt, sollten sich die Vertragsparteien<br />
bei den Verhandlungen und<br />
den Vertragsformulierungen über alle möglichen<br />
finanziellen und bilanziellen Auswirkungen<br />
einzelner Vertragsregelungen genau<br />
bewusst sein“, rät daher Dirk Fischer, Transaktionsexperte<br />
bei PricewaterhouseCoopers<br />
(PwC). In der Krise hatte das Locked-Box-<br />
Modell an Attraktivität verloren, weil die Käufer<br />
die Geschäftsrisiken nicht tragen wollten. Seit<br />
Ende 2009 ist allerdings eine Rückkehr des<br />
Locked-Box-Mechanismus zu beobachten.<br />
www.pwc.de/de/preismechanismen<br />
WENIGER GELD<br />
Im Krisenjahr 2009 ist die Vergütung der<br />
Aufsichtsräte von DAX- und MDAX-Unternehmen<br />
um rund 13 Prozent zurückgegangen.<br />
Das ergab eine PwC-Kurzstudie. Der<br />
Grund: Die erfolgsabhängigen Zahlungen<br />
fielen niedriger aus als 2008. Bemerkenswert<br />
ist dabei, dass einige<br />
Aufsichtsräte entweder<br />
ganz oder teilweise<br />
auf den variablen Anteil<br />
ihrer Vergütung verzichteten.<br />
www.pwc.de/de/<br />
ar-verguetung<br />
28 pwc: | oktober 2010
89 Börsengänge gab es nach<br />
Angaben des „IPO Watch Europe“ von PwC<br />
auf den europäischen Aktienmärkten im zweiten<br />
Quartal 2010. Sie brachten den Emittenten Kapital<br />
im Volumen von insgesamt 9,014 Milliarden<br />
Euro ein. Das sind 66 Börsengänge mehr als im<br />
zweiten Quartal 2009 und zehn mehr als im<br />
Vergleich zum ersten Quartal des laufenden Jahres.<br />
Drei Fragen an ... Lorenz Bernhardt<br />
... zu Änderungen bei den Funktionsverlagerungen<br />
Der Bundestag hat Änderungen zum Thema Funktionsverlagerung<br />
beschlossen. Wie sehen die aus?<br />
Die Koalition hatte sich vorgenommen, den Forschungsstandort<br />
Deutschland durch Erleichterungen<br />
bei der Besteuerung von Funktionsverlagerungen zu<br />
stärken. Nach der Gesetzesänderung können nun unter<br />
bestimmten Voraussetzungen die einzelnen Wirtschaftsgüter,<br />
die eine Funktionsverlagerung umfasst,<br />
auch einzeln bewertet werden. Das sollte in vielen Fällen<br />
eigentlich zu einer niedrigeren Steuerlast führen als<br />
Lorenz Bernhardt leitet die bisherige Regelung.<br />
den Bereich Transfer Pricing<br />
bei PwC.<br />
Überzeugen die neuen Spielregeln?<br />
Nur bedingt. Der Gesetzestext war eine Kompromisslösung<br />
und ist vage formuliert. Mittlerweile verdichten sich leider die Hinweise, dass die<br />
Finanzverwaltung den Text eng auslegen will und davon ausgeht, „eigentlich hätte sich<br />
nichts geändert“. Wir müssen auf das in Aussicht gestellte BMF-Schreiben warten.<br />
Wie regeln andere Staaten denn Funktionsverlagerungen?<br />
Sie schließen sich Deutschlands Ansatz – jedenfalls dem bisherigem – in aller Regel<br />
nicht an. Vielmehr regeln sie, wenn überhaupt, dass eine Funktionsverlagerung unter<br />
Einschluss eines Firmenwertes nur besteuert werden soll, falls es um die Übertragung<br />
von Betrieben oder Teilbetrieben geht. Ansonsten kommt die Einzelbepreisung zur Anwendung,<br />
die typischerweise geringere Steuern nach sich zieht. Mit einer sinnvollen<br />
Auslegung der deutschen Gesetzesnovelle würden wir uns diesem Rechtsstand im<br />
Ausland annähern. www.pwc.de/de/funktionsverlagerung<br />
Alles für …<br />
Aufsichtsräte<br />
unter www.pwc.de/de/boardroom<br />
Wichtige Schatzmeister<br />
Seit der Wirtschaftskrise wird den Finanz-<br />
abteilungen innerhalb der Unternehmen<br />
deutlich mehr Wertschätzung entgegenge-<br />
bracht. Zu diesem Ergebnis kommt die in-<br />
ternationale PwC-Studie „Global Treasury<br />
Survey 2010“, für die weltweit rund 600<br />
Finanzabteilungsleiter befragt wurden. „In<br />
den Unternehmen setzt sich die Erkennt-<br />
nis durch, dass der Treasurer weit mehr<br />
ist als ein ‚Kassenwart’. Allerdings fehlen<br />
im Treasury oft die notwendigen finanziellen<br />
und personellen Ressourcen, um<br />
wichtigen Aufgaben bei der Kontrolle von<br />
Finanzierungs- und Liquiditätsrisiken an-<br />
gemessen nachkommen zu können“, erläutert<br />
Thomas Schräder, bei PwC Experte<br />
für Corporate Treasury Solutions. So sind<br />
im Treasury der Unternehmenszentralen<br />
durchschnittlich nur fünf Mitarbeiter beschäftigt.<br />
Das Jahresbudget beläuft sich<br />
bei mehr als der Hälfte der befragten<br />
Treasurer auf weniger als eine Million Euro.<br />
Mit diesen Mitteln müssen die Abteilungen<br />
häufig komplexe, großvolumige Finanztransaktionen<br />
organisieren.<br />
www.pwc.de/de/treasury2010<br />
pwc: | oktober 2010 29
pwc: Wissen<br />
„Die Zelle ist keine Suppe von Molekülen. Da gibt<br />
es Strukturen, die Sie verstehen müssen.“<br />
Fabian Theis, Professor für Mathematik an der TU München<br />
Ist den Mustern des Lebens auf der Spur: Fabian Theis vor einer Darstellung intrazellulärer Strukturen.<br />
30 pwc: | oktober 2010
Der Mustermann<br />
Fabian Theis, 34, Mathematiker und Systembiologe, beschäftigt sich damit,<br />
das Leben in unseren Zellen berechenbar zu machen.<br />
Von Vanessa de l´Or<br />
Am Telefon klingt Fabian Theis ein wenig<br />
außer Atem. Er fahre gerade mit dem<br />
Fahrrad zur Arbeit, erklärt er zwischen zwei<br />
Atemzügen. „Kommen Sie gerne vorbei –<br />
es geschieht nicht allzu oft, dass Medien<br />
sich für mich interessieren.“<br />
Das könnte sich noch ändern, denn der 34<br />
Jahre junge Physiker, Mathematiker und Informatiker<br />
gehört zu jener kleinen Schar von<br />
Wissenschaftlern, die nicht nur am Anfang<br />
einer beeindruckenden akademischen Laufbahn<br />
stehen, sondern obendrein gesellig –<br />
und damit publikumstauglich – sind.<br />
Wir treffen uns in Theis´ kleinem Büro im<br />
Münchener Helmholtz-Zentrum. Die Wände<br />
sind übersät mit Fotos und Klecksbildern<br />
seiner zwei Kinder, und nur eine kleine Tafel<br />
voller mathematischer Formeln deutet auf<br />
das hin, was der Wissenschaftler eigentlich<br />
macht: Für die Helmholtz-Gesellschaft bildet<br />
Theis biologische Systeme in algorithmischen<br />
Modellen nach.<br />
Seine Kompetenz ist die Entwicklung statistischer<br />
Methoden, um Muster – Erscheinungs-<br />
oder Verhaltensmuster – besser zu<br />
verstehen. Er erforscht unter anderem zusammen<br />
mit Biologen, wie sich die Grenze<br />
zwischen Mittel- und Hinterhirn bei der Entwicklung<br />
eines Mausembryos herausbildet.<br />
Dabei muss es sich natürlich nicht immer<br />
um die Gehirne von Mäusen handeln,<br />
bis vor ein paar Monaten waren zum Beispiel<br />
Geldströme sein Thema: Am Max-<br />
Planck-Institut in Göttingen beschäftigte er<br />
sich zusammen mit seinem Kollegen Dirk<br />
Brockmann mit dem Fluss von Dollarnoten<br />
zwischen 3.000 US-Landkreisen; anhand<br />
von Stichproben vollzogen sie deren Weg in<br />
Computermodellen nach. Auch dabei ging<br />
es darum, Muster zu erkennen und als<br />
Systeme darzustellen.<br />
Über seine aktuelle Arbeit spricht Theis in<br />
schlichten Worten. Das Ganze funktioniere<br />
nur, sagt er, „wenn Sie einen Biologen<br />
finden, der Ihnen die Ergebnisse, die Sie<br />
da errechnen, auch glaubt.“ Das hört sich<br />
an, als nehme ihn kaum einer ernst. Dabei<br />
ist es schon heute für Biologen entscheidend,<br />
mit Statistikern und Informatikern zusammenzuarbeiten,<br />
um Entwicklungsprozesse<br />
oder Verhaltensmuster zu verstehen.<br />
„In zehn bis 20 Jahren ist keine biologische<br />
Forschung mehr vorstellbar, die ohne diese<br />
Methoden auskommt“, fügt Theis hinzu.<br />
Gewagt ist die Prognose keineswegs. Diese<br />
Forschung verheißt große Fortschritte in<br />
der Praxis, zum Beispiel in der Medizin. Um<br />
eine Krankheit bekämpfen zu können, ist es<br />
notwendig, das Verhalten einzelner Stoffe<br />
im Körper im Laufe der Zeit zu kennen.<br />
Theis fasst das so zusammen: „Die Zelle<br />
ist keine Suppe von Molekülen. Da gibt<br />
es Strukturen, die Sie verstehen müssen.“<br />
Außerdem käme es auf die Prozesse an.<br />
Hierzu bringt er das Beispiel eines Radios:<br />
„Wenn ich das einfach nur zerlege und seine<br />
Einzelteile betrachte, werde ich noch nicht<br />
erkennen, wie es funktioniert.“ Die Modelle<br />
des Münchner Wissenschaftlers ermöglichen<br />
es also, nicht nur Strukturen, sondern<br />
auch Abläufe nachzubilden.<br />
Mittlerweile unterhalten wir uns schon eine<br />
gute Stunde in dem kleinen Raum. Locker<br />
Der Interdisziplinäre<br />
Der 34-jährige Spross einer Amberger Arztfamilie<br />
ist ein multidisziplinärer Durchstarter.<br />
Das Mathematikstudium begann er an der<br />
Fernuniversität, während des Zivildienstes,<br />
danach kam Physik dazu (zwei Diplome),<br />
dann Promotion erst in Biophysik und anschließend<br />
in Informatik, mit Studien- und<br />
Forschungsstationen in Regensburg, Granada,<br />
Helsinki, Tallahassee und Tokio. Im<br />
Jahr 2006 erhielt Fabian Theis den Heinz-<br />
Maier-Leibnitz-Preis für herausragende<br />
Nachwuchsforscher, seit 2009 ist er Professor<br />
für Mathematik in der Systembiologie an<br />
der Technischen Universität München.<br />
lässt er das rechte Bein über seine rechte<br />
Armlehne baumeln. Mit den Worten „darf<br />
ich das kurz erklären?“ zeichnet er hin und<br />
wieder ein anschauliches Bild auf ein Papier,<br />
wobei er die englischen Namen hinschreibt<br />
und die deutschen ausspricht.<br />
Zweifelsohne gehört Theis nicht zu jenen<br />
Mathematikern, die irgendwo im stillen<br />
Kämmerlein wissenschaftliche Rätsel lösen<br />
wollen. Er arbeitet daran, dass sein Gegenüber<br />
versteht, was er macht. Er braucht<br />
Menschen um sich herum wie überhaupt<br />
den Bezug zum realen Leben. Seine eigentliche<br />
Disziplin ist die Mathematik, jedoch<br />
setzt er sich immer wieder intensiv mit anderen<br />
Fächern auseinander, um den Bezug<br />
zu konkreten Problemen zu finden. Dabei<br />
unternimmt er eine Gratwanderung zwischen<br />
möglichst generell gültigen statistischen<br />
Modellen und möglichst individuellen<br />
Lösungen.<br />
Verschiedene Unternehmen sind bereits an<br />
Theis’ Forschung interessiert. Sein aktuelles<br />
Thema im Bereich der Zellbiologie stößt insbesondere<br />
bei Pharma- und Medizintechnikfirmen<br />
auf offene Türen – aber darüber<br />
hinaus sind Verfahren zur Mustererkennung<br />
für alle Unternehmen interessant, die<br />
schnell und präzise große Datenmengen interpretieren<br />
müssen, von Mobilfunk- bis zu<br />
Stromkonzernen.<br />
Im Verbund mit anderen Forschern arbeitet<br />
Theis mit Unternehmen wie Siemens, Beiersdorf<br />
und Roche zusammen. Außerdem<br />
gehört ihm die kleine Firma „Instant Solutions“,<br />
die sich mit vergleichsweise banaler<br />
Programmierarbeit beschäftigt und aus der<br />
Zeit stammt, als Theis noch für die Programmierzeitschrift<br />
Java schrieb; einmal<br />
wurde er von der sogar zum Autor des Jahres<br />
gekürt.<br />
Heute ist er freilich in seinem eigenen Unternehmen<br />
kaum noch aktiv. Unternehmertum<br />
interessiere ihn nicht, Geld auch nicht,<br />
bekennt er. „Unsere Währung ist, dass wir<br />
publiziert werden.“<br />
pwc: | oktober 2010 31
pwc: Wissen<br />
32 pwc: | oktober 2010
Topp, dies Wetter gilt!<br />
Wetteroptionen waren ein Hit an den Derivatemärkten. Doch für individualisierte<br />
Produkte fehlt es den Börsen an Liquidität. Eine Chance für neue Anbieter.<br />
Von Susanne Osadnik<br />
Für Eric Stein sind Wetten auf das Wetter<br />
das „fast perfekte Geschäft“. Ob das Wet-<br />
ter sich ändert oder bleibt, wie es ist, „jeder<br />
hat die gleichen Voraussetzungen, es kann<br />
keine Insiderdeals geben“, sagt der Wet-<br />
termann des Energieversorgers RWE. Stein<br />
beobachtet bei RWE die weltweite Entwick-<br />
lung von Wetter, Klima und Temperatur. Und<br />
er handelt auch selbst mit Regen, Sturm,<br />
Schnee, Sonne – an der Terminbörse von<br />
Chicago (CME), der einzigen Börse, an der<br />
zurzeit mit Wetterderivaten gehandelt wer-<br />
den kann.<br />
Dort, in Chicago, wurden die Wetterderi-<br />
vate auch entwickelt. In der zweiten Hälfte<br />
der 90er-Jahre begannen amerikanische<br />
Energiekonzerne, Optionen auf bestimmte<br />
Temperaturwerte als Instrument einzusetzen,<br />
um sich gegen Nachfrageschwankungen ih-<br />
rer Kunden abzusichern. Banken und Versi-<br />
cherungen witterten ein Geschäft und wur-<br />
den aktive Marktteilnehmer: Sie kassierten<br />
die Prämie, die die Energiekonzerne zahlten,<br />
um sich gegen Wetterkapriolen abzusichern,<br />
und übernahmen damit das Wetterrisiko.<br />
Nach außerbörslichem Start wurde<br />
1999 das erste Wetterderivat an der CME<br />
gehandelt. Seitdem ist das Handelsvolumen<br />
bis zu Beginn der Wirtschaftskrise stetig bis<br />
auf eine Million Kontrakte jährlich gestiegen.<br />
Dabei handelt es sich fast ausschließlich<br />
um Standardprodukte, die auf den Messergebnissen<br />
von Wetterstationen in aller Welt<br />
basieren und hauptsächlich Heiz- und Kühlgradtage<br />
der Energiekonzerne abdecken.<br />
Seit 24 Monaten mischt RWE mit beim<br />
großen Wetter-Poker. Zockerei will Wetterhändler<br />
Stein das nicht nennen, denn „der<br />
Markt für Wetterderivate ist sehr transparent,<br />
sind doch die relevanten Temperaturdaten<br />
auch in ihrer historischen Entwicklung<br />
verfügbar“. Er redet lieber von „wissenschaftlicher<br />
Grundlagenarbeit“. Denn die<br />
Wetterstationen, auf die er zurückgreift, erheben<br />
exakte Daten, die von den staatlichen<br />
Wetterdiensten in Modelle gegossen<br />
werden. Damit soll das Wetter so exakt<br />
wie möglich vorhergesagt werden. „Unsere<br />
Aufgabe ist es, diese Modelle zu vergleichen<br />
und Voraussagen zu treffen“, so Stein.<br />
„Wenn wir glauben, klüger als der Markt zu<br />
sein, kaufen oder verkaufen wir entsprechend.“<br />
Am Ende gibt es immer einen klaren<br />
Gewinner und einen klaren Verlierer.<br />
Doch so klar ist die Lage nur, solange man<br />
im Bereich von Standardprodukten bleibt.<br />
Zwar sind nicht nur die Energiebranche,<br />
sondern auch Tourismus, Gastronomie, Verkehr<br />
und natürlich die Landwirtschaft vom<br />
Wetter abhängig. Aber deren Bedürfnisse<br />
sind in der Regel zu speziell, um an der<br />
Börse auf Gegenliebe zu stoßen. Beispiel<br />
Luftverkehr: Wie müsste ein Derivat aussehen,<br />
das Fluglinien gegen eine Wetterlage<br />
absichert wie jene, die im April aschebedingt<br />
fast ganz Europa lahmlegte?<br />
Die an Börsen gehandelten Kontrakte sind<br />
standardisiert und eignen sich deshalb für<br />
große Energiekonzerne, die das Absatzvolumen<br />
von Konsumenten absichern wollen.<br />
Aber ein Skilift-Betreiber, der sich gegen<br />
Schneemangel an seinem Standort absichern<br />
möchte? „Viele Unternehmen sind<br />
interessiert, stellen aber fest, dass sie individuelle<br />
Lösungen brauchen“, sagt ein<br />
Mitarbeiter eines Energieanbieters. Und für<br />
solche Maßanzüge gebe es „nicht genug Liquidität<br />
im Markt“.<br />
Folglich wären sie schlicht zu teuer. „Heute<br />
bieten wir Wetterderivate nicht mehr aktiv<br />
an“, erklärt Claudia Meyer, Rohstoff- und<br />
Wetterexpertin der HypoVereinsbank. „Für<br />
viele Kunden stimmt die Relation zwischen<br />
Eintrittsprämie und Auszahlungssumme im<br />
Schadensfall nicht.“ Damit nimmt das Geschäft<br />
mit dem Wetterrisiko vorweg, was<br />
auch vielen anderen Absicherungsgeschäf-<br />
ten blüht, wenn schärfere Regulierung die<br />
Lust am Spekulieren verdirbt: Der Börsenhandel<br />
trocknet aus, an seine Stelle treten<br />
Deals, die direkt zwischen einem Unternehmen<br />
und einer Bank, einem Versicherer<br />
oder einem anderem Unternehmen geschlossen<br />
werden.<br />
Solche Deals sind das täglich Brot von<br />
Mark Rüegg. Er ist der Chef von Celsius<br />
Pro, einem jungen Unternehmen in Zürich,<br />
das immer wieder neue Ideen austüftelt,<br />
wie mit dem Wetter Geld zu verdienen ist.<br />
Der einstige UBS-Börsenhändler und sein<br />
Team sind keine Meteorologen, sondern<br />
Kinder der Hedgefonds-Branche und das<br />
Schlüsselwort für ihr Business heißt: Korrelation.<br />
„Wir bringen Temperaturschwankungen,<br />
Niederschlagsmengen, Schneehöhen<br />
oder die Zahl an Sonnenstunden in<br />
„Wir bringen Schneehöhen oder Sonnenstunden in<br />
Zusammenhang mit dem Erfolg von Unternehmen.“<br />
Mark Rüegg, Gründer von Celsius Pro<br />
Zusammenhang mit dem wirtschaftlichen<br />
Erfolg von Hotels, Freizeitparks, Obstbauern<br />
oder auch Snowboard-Verleihern“, so<br />
Rüegg. Jeder Kunde von Celsius Pro kreiert<br />
seinen eigenen, maßgeschneiderten Index,<br />
indem er definiert, was er für wie lange absichern<br />
will. Für ein Tourismusunternehmen<br />
in Bayern, das sich gegen schlechtes Wetter<br />
im Sommer absichert, wäre das: kumulierter<br />
Niederschlag in München im August.<br />
Regnet es viel im August, kassieren die<br />
Bayern, scheint die Sonne, steckt Celsius<br />
Pro die Absicherungsprämie ein.<br />
Die ersten Open-Air-Festivals sind bereits<br />
Kunden des Schweizer Start-ups geworden.<br />
Eine Stadt, die sich gegen zu hohe Winterdienst-Kosten<br />
absichern<br />
wollte, ist hingegen doch<br />
noch abgesprungen. Aber<br />
der nächste Winter kommt<br />
bestimmt.<br />
pwc: | oktober 2010 33
pwc: Wissen<br />
Für Peter Badge ist Lindau ein Pflichttermin. Der Fotograf aus Berlin hat sich zum Ziel gesetzt, alle Nobelpreisträger der Welt<br />
vor seine Kamera zu bekommen – und wo ginge das besser als beim Jahrestreffen am Bodensee? Hier im Bild: Françoise Barré-Sinoussi,<br />
Mitentdeckerin des Aids-Virus (Medizin, 2008), und Paul J. Crutzen, Mitentdecker des Ozonlochs (Chemie, 1995).<br />
Frank Sherwood Rowland (links), und Mario Molina (rechts), beide Mitentdecker des Ozonlochs (Chemie, 1995). Dazwischen: Robert<br />
Laughlin, Physik-Nobelpreisträger 1998 für seinen Beitrag zur theoretischen Erklärung des fraktionellen Quanten-Hall-Effekts.<br />
34 pwc: | oktober 2010
Nobelesse oblige<br />
Beim alljährlichen Nobelpreisträgertreffen in Lindau trifft sich die Geisteselite<br />
der Welt zum wissenschaftlichen Stelldichein. Der Autor Andreas Molitor war<br />
dabei und hat für pwc: seinen persönlichen Science-Fiction aufgeschrieben.<br />
Fotos: Peter Badge<br />
Diplomatie zählt nicht unbedingt zu den besonderen<br />
Stärken von Frederik Behrends.<br />
Nein, die Äußerung seiner jungen amerikanischen<br />
Chemikerkollegin vorn auf dem Podium<br />
kann er auf keinen Fall stehen lassen.<br />
„Ehrlich gesagt denke ich darüber gar nicht<br />
nach“, hat sie lächelnd auf die Frage nach<br />
der Verantwortung der Wissenschaft für<br />
das Gemeinwohl geantwortet. „Als junge<br />
Wissenschaftlerin muss ich mich profilieren,<br />
und da geht es nun mal darum, so viel wie<br />
möglich zu publizieren. Ich bin den ganzen<br />
Tag im Labor, da mache ich mir keine Gedanken<br />
um die Gesellschaft.“<br />
Behrends erhebt sich von seinem Stuhl<br />
in der zehnten Reihe. „Das ist alles total<br />
falsch!“, ruft der junge Chemiker aus Münster<br />
in Richtung Podium. „95 Prozent der<br />
Menschen da draußen haben keine Ahnung,<br />
was wir in unseren Labors machen. Es kann<br />
doch nicht darum gehen, so viele Aufsätze<br />
wie möglich zu veröffentlichen. Wissenschaft<br />
muss der Gesellschaft dienen!“ Er<br />
bekommt Beifall. Endlich mal eine Störung<br />
der Harmonie!<br />
Die grauhaarige Dame ganz links auf dem<br />
Podium hat aufmerksam zugehört. Nicht<br />
zuletzt für solche Themen ist sie von Paris<br />
zum Nobelpreisträgertreffen nach Lindau<br />
an den Bodensee gereist. „Wissenschaftler<br />
sind menschliche Wesen“, sagt sie trocken<br />
lächelnd und schaut dabei zu der jungen<br />
Chemikerin herüber, „menschliche Wesen<br />
sind Primaten, und Primaten verteidigen<br />
nun mal ihr Territorium.“ Kurze Pause. „Sie<br />
haben nichts Falsches gesagt. Als junge<br />
Forscherin werden Sie nun mal daran gemessen,<br />
wie viel sie publiziert haben. Sie<br />
sind ein Opfer des Systems.“<br />
Und dann setzt Françoise Barré-Sinoussi<br />
zu einer kurzen Brandrede an, jeder Satz<br />
ein Torpedo. „Als Wissenschaftler und erst<br />
recht als Nobelpreisträger haben wir eine<br />
besondere Verantwortung.“ Treffer. „Wir<br />
sollten uns immer fragen, welchen Nutzen<br />
unsere Forschung für die Menschen dieser<br />
Erde hat.“ Treffer. „Ich bin ganz klar der<br />
Meinung, dass es unsere Aufgabe ist, unsere<br />
Stimme gegenüber der Politik zu erheben,<br />
damit die richtigen Entscheidungen getroffen<br />
werden.“ Behrends strahlt, die junge<br />
Chemikerin schaut betreten drein. Wer ist<br />
schon gern Opfer eines Systems?<br />
Françoise Barré-Sinoussi ist nicht einfach<br />
eine Wissenschaftlerin, sie ist eine Legende.<br />
1983 hat sie mit ihrem Kollegen Luc Montagnier<br />
das HI-Virus als Auslöser von Aids<br />
identifiziert. Vor zwei Jahren wurden beide<br />
dafür mit dem Medizin-Nobelpreis ausgezeichnet.<br />
Die 63-jährige Virologin verkörpert<br />
den Prototyp der sozial engagierten, kämpferischen<br />
Forscherin. Sie selbst bezeichnet<br />
sich als „Wissenschaftsaktivistin“; wo sie<br />
auftritt, weht ein Hauch von Greenpeace.<br />
Nach der Entdeckung des HI-Virus blieb sie<br />
nicht in ihrem Labor des Pariser Pasteur-Instituts,<br />
sondern reiste ein ums andere Mal<br />
nach Afrika, um die Ausbreitung von Aids<br />
an Ort und Stelle zu bekämpfen. Beharrlich<br />
stellte sie sich gegen Ignoranz, Unwissen<br />
und Totschweigen. Wenn sie Armut und<br />
fehlende Bildung als gesellschaftliche Ursachen<br />
von Aids kritisiert, spricht sie Klartext.<br />
Voriges Jahr beispielsweise bezeichnete sie<br />
Äußerungen von Papst Benedikt XVI., Kondome<br />
seien keine Lösung für das Aidsproblem,<br />
als „falsch und fatal“.<br />
Solche Streitbarkeit ist das Salz in der Suppe<br />
des Lindauer Nobelpreisträgertreffens.<br />
Einmal im Jahr beherbergt das beschauliche<br />
Bodensee-Inselstädtchen das wohl<br />
höchstmögliche Konzentrat wissenschaftlicher<br />
Exzellenz. In diesem Jahr trafen sich<br />
Ende Juni/Anfang Juli 71 Vertreter der naturwissenschaftlichen<br />
Forschungselite zum<br />
Austausch von Gedanken und Ergebnissen<br />
mit Kollegen und 650 Nachwuchswissen-<br />
schaftlern, die aus 70 Ländern nach Lindau<br />
gepilgert waren. Die jungen Wissenschaftler,<br />
ausgewählt aus 20.000 Bewerbern, strömen<br />
in die Vorträge und Diskussionsrunden,<br />
sie hängen an den Lippen der Laureaten<br />
und stellen sich am Podium an, um nach<br />
der Präsentation vielleicht eine Frage stellen<br />
zu können. Beim Dinner (Dresscode Smart<br />
Casual) am zweiten Abend dürfen die Jungforscher<br />
sich an den Tischen der Preisträger<br />
verteilen. Wer das Pech hat, als Biologe<br />
beispielsweise neben einem Laureaten aus<br />
der Elementarteilchenphysik zu sitzen, ist<br />
zwar beim Tischgespräch fachlich etwas<br />
eingeschränkt, kann aber problemlos auf einen<br />
Gedankenaustausch zum Thema Niedrigtemperaturgaren<br />
ausweichen. Oder der<br />
mitgereisten Frau des Nobelpreisträgers erzählen,<br />
was man mit Drosophila-Fliegen so<br />
alles anstellen kann.<br />
Es gibt insbesondere eine Frage, die das<br />
Lindauer Treffen seit jeher begleitet: die<br />
nach dem Selbstverständnis des Wissen-<br />
„Als Wissenschaftler und erst recht als Nobelpreisträger<br />
haben wir eine besondere Verantwortung.“<br />
Françoise Barré-Sinoussi, Medizinnobelpreisträgerin 2008<br />
schaftlers. Soll er für eine wertfreie, positivistische<br />
Forschung kämpfen und sich<br />
aus allen Niederungen, vor allen denen der<br />
Politik, heraushalten? Oder zählt es zu den<br />
Pflichten der wissenschaftlichen Top Executives,<br />
auch zu politischen, ökonomischen<br />
und ethischen Debatten Stellung zu beziehen?<br />
Die Antwort von Barré-Sinoussi ist<br />
bekannt. Die Gegenposition nimmt – unter<br />
anderen – Osamu Shimomura ein, Chemie-<br />
Nobelpreisträger 2008. Auf die Frage in<br />
einem Wissenschaftsblog, ob Forscher sich<br />
stärker politisch engagieren sollten, antwortete<br />
er mit einem einzigen Satz: „No politics<br />
at all!“<br />
Dass Lindau eine Stätte des Innehaltens<br />
und Räsonierens wird, wenn die Laurea-<br />
pwc: | oktober 2010 35
pwc: Wissen<br />
Streitbare Laureaten: Rita Levi-Montalcini, Entdeckerin des Nervenwachstumsfaktors (Medizin, 1986) und<br />
mit derzeit 101 Jahren die älteste Nobelpreisträgerin aller Zeiten. Rechts: Richard R. Ernst, Chemienobelpreis 1991<br />
für Erkenntnisse zur magnetischen Kernspinresonanz-Spektroskopie.<br />
„Die Welt stagniert,<br />
wenn sie aufhört, nach Wissen zu streben.“<br />
Martin Chalfie, Chemienobelpreisträger 2008<br />
Osamu Shimomura (links) und Martin Chalfie forschten beide an fluoreszierenden Proteinen und legten den Grundstein dafür, dass Protei-<br />
ne als genetische Marker eingesetzt werden können. Gemeinsam mit Roger Y. Tsien erhielten sie den Chemie-Nobelpreis 2008.<br />
36 pwc: | oktober 2010
ten anreisen, ein Ort der Diskussion um das<br />
Wohl der Menschheit und die Zukunft des<br />
Planeten, hat eine gewisse Tradition. 1955<br />
verfassten auf Initiative Werner Heisenbergs<br />
18 in der Atomforschung tätige Nobelpreis-<br />
träger eine Erklärung gegen den poten-<br />
ziellen Einsatz von Atomwaffen. Knapp zwei<br />
Jahrzehnte später appellierte Physiknobel-<br />
preisträger Dennis Gabor an die in Lindau<br />
versammelten Wissenschaftler, „eine neue<br />
Technik zu entwickeln, eine, die ausschließ-<br />
lich unerschöpfliche und sich selbst erneu-<br />
ernde Ressourcen nutzt“. Und nie wurde<br />
ein Vortrag frenetischer bejubelt als jener<br />
des Jahres 1993, in dem die Medizinnobelpreisträgerin<br />
Rita Levi-Montalcini, damals<br />
schon 84 Jahre alt, von ihren Zuhörern deren<br />
Einsatz zum Schutz der Biosphäre und<br />
für eine gerechtere Welt forderte und eine<br />
„Magna Charta of Duties“ skizzierte.<br />
Dieses Jahr lastete der Klimawandel bleischwer<br />
über so manchem Vortrag und mancher<br />
Diskussion. Robert Laughlin (Physik,<br />
1998) wagte einen Blick ins Jahr 2210,<br />
in eine Welt ohne Kohle und Erdöl. Auch<br />
das legendäre Ozon-Trio war angereist.<br />
Sherwood Rowland, Paul Crutzen und Mario<br />
Molina (Chemie, 1995) hatten in den<br />
70er-Jahren als Erste die Zerstörung der<br />
Ozonschicht dokumentiert. Nachdem die<br />
Verwendung von Fluorchlorkohlenwasserstoffen<br />
(FCKW) inzwischen weltweit erheblich<br />
eingeschränkt wurde, deutet jetzt vieles<br />
darauf hin, dass die Ozonkonzentration<br />
über der Antarktis im Jahr 2080 wieder das<br />
Niveau von 1950 erreichen könnte. Ein gern<br />
zitiertes Beispiel dafür, dass wissenschaftliche<br />
Erkenntnis durchaus zu Problemlösungen<br />
führt – auch wenn es im Einzelfall<br />
mal etwas länger dauert.<br />
Die jungen Wissenschaftler erstarrten aber<br />
keineswegs in Ehrfurcht vor den bahnbrechenden<br />
Erkenntnissen der Vergangenheit.<br />
Immer wieder fragten sie die „Klima“-Laureaten<br />
nach einem Ausweg aus der CO2-Fal le, nach der kühnen Idee für die Lösung der<br />
Energieprobleme der Zukunft. Wer, wenn<br />
nicht die Ikonen der Klimaforschung, sollte<br />
den großen Wurf zustande bringen? Molinas<br />
Forderung nach neuen Kernkraftwerken<br />
war den meisten zu wenig.<br />
Sybille Anderl, 28-jährige Astrophysikerin<br />
aus Bonn, verließ die Diskussion der Kli-<br />
maexperten sehr nachdenklich. „Ich frage<br />
mich, ob ich mich meiner persönlichen Verantwortung<br />
für die Zukunft unserer Welt als<br />
Astrophysikerin durch das Beobachten und<br />
Beschreiben des Universums wirklich angemessen<br />
stelle“, vertraute sie ihrem Internet-Tagebuch<br />
an. Einerseits argumentiert<br />
Anderl, die auch Philosophie studiert hat, in<br />
bester aristotelischer Tradition, es sei nun<br />
mal „eine natürliche Antriebskraft des Menschen,<br />
die Welt zu verstehen und das Wissen<br />
zu mehren“. Aber so richtig glücklich ist<br />
sie damit auch nicht. „Es wäre schon verlockend,<br />
mein Leben etwas greifbar Sinnvollem<br />
zu widmen“, sagt sie. „Mit dem, was<br />
ich mache, werde ich niemals jemanden<br />
retten, der krank ist.“<br />
Am meisten beeindruckt, aber auch irritiert<br />
zeigte sich Anderl von Richard R. Ernst,<br />
der für seine Erkenntnisse zur magnetischen<br />
Kernspinresonanz-Spektroskopie<br />
(NMR) 1991 den Chemienobelpreis erhielt.<br />
Mit jakobinischem Furor zertrümmerte der<br />
77-jährige Schweizer die Hoffnung des wissenschaftlichen<br />
Nachwuchses, von ihm Rezepte<br />
zur Rettung der Welt zu erhalten: „Ich<br />
habe keine Lösung! Ihr seid diejenigen, die<br />
„Wir haben schon so viel Mist erforscht, der<br />
niemandem etwas gebracht hat.“<br />
Richard R. Ernst, Chemienobelpreisträger 1991<br />
es in der Hand haben, etwas zu ändern! Ihr<br />
seid diejenigen, die die Verantwortung für<br />
die Zukunft unseres Planten tragen!“ „Von<br />
der eigenen Verantwortung hat er nicht gesprochen“,<br />
sagt die Astrophysikerin, enttäuscht<br />
darüber, dass Ernst die Lichtgestalten<br />
ins Dunkel stellt. „Das ist mir dann<br />
doch ein bisschen wenig.“<br />
Der Bildungsoptimist Ernst sieht die Aufgabe<br />
seiner Zunft vor allem in einer Lehre,<br />
die sich nicht auf die sinnlose Anhäufung<br />
von Wissen beschränkt. „Wir brauchen keine<br />
Experten, die sehr viel über sehr wenig<br />
wissen“, kritisiert er den heutigen Universitätsbetrieb.<br />
„Wir haben schon so viel Mist<br />
erforscht, der niemandem etwas gebracht<br />
hat.“ Was er damit genau meint, sagt er allerdings<br />
nicht. Ist es obsolet, den Zerfall von<br />
Quarks zu untersuchen? Zu erforschen, wie<br />
die Membran um die ersten primitiven Zellen<br />
wohl wuchs, vor mehr als drei Milliarden<br />
Jahren? In die Unendlichkeit des Universums<br />
hineinzurufen: „Is anybody out there?“<br />
Ernst spricht abfällig von „Luxuspflänzchen,<br />
die von der Gesellschaft brav gewässert<br />
werden, weil sie angeblich so wahnsinnig<br />
wertvoll sind“. Soll man sie vertrocknen lassen?<br />
Brauchen wir stattdessen noch mehr<br />
Klimaforschung? Noch mehr Zukunftsszenarien<br />
zur Energieversorgung?<br />
„Nein“, formuliert Martin Chalfie (Chemie,<br />
2008) die Gegenposition. „Es gibt nach wie<br />
vor eine Menge guter Gründe, Dinge zu erforschen,<br />
die keinen direkten Anwendungsbezug<br />
haben“, meint der Amerikaner. „Die<br />
Welt stagniert, wenn sie aufhört, nach Wissen<br />
zu streben.“Allerdings will Chalfie nicht,<br />
dass die Wissenschaftler sich mit ihren Erkenntnissen<br />
in die kleine Welt ihrer Labors<br />
und Kolloquien zurückziehen. „Wenn ich die<br />
Menschen für meine Forschung begeistern<br />
will, muss ich ihnen erst mal erklären, was<br />
ich überhaupt mache.“<br />
Aber interessieren sich die Menschen<br />
tatsächlich für die Details aus den Forschungstempeln?<br />
Nicht mal Frederik Behrends,<br />
der junge Physiker, der so vehement<br />
für eine gesellschaftsdienliche Wissenschaft<br />
plädiert, glaubt daran. „Wenn ich mich auf<br />
den Marktplatz stelle und erzähle, dass ich<br />
bestimmte Eigenschaften von Gläsern erforsche,<br />
bleibt keiner stehen.“<br />
Es ist ein Dilemma: Je mehr man wissenschaftliche<br />
Erkenntnis popularisiert, desto<br />
weniger hat das mit Wissenschaft zu tun.<br />
„Wissenschaftliches Wissen kann es nur innerhalb<br />
der Wissenschaft geben“, konstatiert<br />
der Soziologe Hans Peter Peters vom<br />
Forschungszentrum Jülich. Seit 25 Jahren<br />
untersucht er das Verhältnis von Wissenschaft<br />
und Öffentlichkeit. Die Gesellschaft<br />
habe die Produktion von Wissen an ein Teilsystem<br />
delegiert, das nach eigenen Regeln<br />
funktioniere. „Der Alltagsbürger hat in der<br />
Wissenschaft schlichtweg keine Rolle.“<br />
Man könnte sagen: Es gibt Wissenschaft<br />
und es gibt Science Pop. Letzterer verschafft<br />
dem Publikum wohl nur die Illusion,<br />
etwas verstanden zu haben. Aber vielleicht<br />
ist selbst diese Verstehensillusion wichtig –<br />
weil sie zur Integration der Wissenschaft in<br />
die Gesellschaft beiträgt.<br />
Hat Richard R. Ernst in Lindau mit seinen<br />
Kollegen über solcherlei geredet? Oder darüber,<br />
wer – wie er sagt – „Mist erforscht“<br />
und wer nicht? „Leider, leider eben nicht“,<br />
sagt Ernst. „Untereinander ist man halt immer<br />
sehr nett und unverbindlich.“<br />
Wie beim abendlichen Get-together. Links<br />
reihen sich die Damen auf, rechts die<br />
Herren, denen noch flugs eine rote Nelke<br />
ins Knopfloch gesteckt wird, die Musikband<br />
gibt den Takt vor. Science Pop mag es vielerorts<br />
geben. Aber nicht in Lindau – dort<br />
gibt es die Nobelpreisträger-Polonaise. NO-<br />
BELesse oblige.<br />
pwc: | oktober 2010 37
pwc: Wissen<br />
38 pwc: | oktober 2010
Gutes tun, gewusst wie<br />
Eine neue Ausbildung soll zur Professionalisierung des Managements von<br />
Corporate Social Responsibility beitragen. Jetzt gibt es die ersten Absolventen<br />
– und bereits die nächsten Interessenten.<br />
Von Detlef Gürtler<br />
Dass Corporate Social Responsibility (CSR)<br />
ein wichtiger Erfolgsfaktor für Unternehmen<br />
sein kann, haben inzwischen viele gelernt.<br />
Doch wie sie dazu werden kann und<br />
wie man selbst verantwortlich dazu beitragen<br />
kann, das wissen nur wenige. Seit<br />
dem Frühjahr 2010 sind es zwölf Menschen<br />
mehr: die Absolventen der ersten Weiterbildung<br />
zum CSR-Manager an der „Fundraising-Akademie“<br />
in Frankfurt.<br />
Im Herbst 2009 ging der Kurs erstmals an<br />
den Start – von Beginn an in Kooperation<br />
mit PricewaterhouseCoopers (PwC). „Trotz<br />
oder gerade wegen der Finanzkrise hat<br />
die Umsetzung von Unternehmensverantwortung<br />
in den Betriebsalltag Konjunktur“,<br />
erklärte damals Dieter Horst, langjähriger<br />
CSR-Experte bei PwC, dieses Engagement,<br />
„Nur wer sich fachkundig auf neue CSR-<br />
Strategien und auf neue aus der Betriebswirtschaft<br />
adaptierte Management- und Berichterstattungsstrukturen<br />
zu CSR einstellen<br />
kann, wird in Zukunft Erfolg haben.“<br />
Auf eine Besonderheit wurde im Ausbildungsdesign<br />
von Anfang an Wert gelegt:<br />
Das Angebot sollte sowohl für Teilnehmer<br />
aus Unternehmen als auch aus Non-<br />
Profit-Organisationen passen. Beiden Seiten<br />
sollte damit die Möglichkeit gegeben<br />
werden, sich mit dem Thema CSR als Ganzes<br />
zu beschäftigen.<br />
„Das war ein sehr ambitioniertes Projekt“,<br />
sagt Thomas Kreuzer, der Leiter der Fundraising-Akademie,<br />
der dafür sorgte, dass<br />
dieser Doppelcharakter nicht nur Programm<br />
war, sondern sich auch tatsächlich in der<br />
Zusammensetzung des Kurses widerspiegelte.<br />
„CSR bedeutet eben nicht nur, dass<br />
die eine Seite zahlt, und die andere Seite etwas<br />
damit macht. Viele der Non-Profit-Organisationen<br />
haben ja inzwischen die Größe<br />
eines Mittelständlers erreicht und müssen<br />
sich deshalb selbst damit beschäftigen, wie<br />
denn bei ihnen Corporate Social Responsibility<br />
aussehen soll.“<br />
Dafür bot das Ausbildungsprogramm genügend<br />
Anregungen. Auf dem Programm<br />
standen Themen wie Stakeholder-Management,<br />
CSR-Strategieentwicklung, Messung<br />
und Bewertung unternehmerischer Nachhaltigkeit,Corporate-Citizenship-Instrumente<br />
sowie strategische Partnerschaften<br />
zwischen privatwirtschaftlichen, öffentlichen<br />
und zivilgesellschaftlichen Sektoren.<br />
Drei jeweils viertägige Blockveranstaltungen<br />
auf Schloss Herborn nordwestlich<br />
von Frankfurt wechselten mit berufsbegleitenden<br />
Aufgaben ab, am Ende standen eine<br />
Projektarbeit sowie ein Kolloquium.<br />
Das Feedback der ersten Absolventen fällt<br />
fast durchweg positiv aus. „Eine gelungene<br />
und wertvolle Ausbildung“, lautet etwa das<br />
Fazit von Gabriele Schurkus, Business Ma-<br />
nager CSR bei Manpower Deutschland. Sie<br />
lobt insbesondere „gute Praxisbeispiele,<br />
fundierte Informationen und hochkarätige<br />
Referenten“.<br />
Allein schon in der Zusammensetzung der<br />
Dozenten zeigt sich die Spannweite des<br />
Angebots: vom Deutschen Netzwerk Wirt-<br />
schaftsethik und dem Institut für Ökolo-<br />
gische Wirtschaftsforschung über KfW und<br />
Bertelsmann-Stiftung bis hin zu RWE und<br />
Deutscher Telekom. Von PwC waren die<br />
CSR-Experten Dieter Horst und Jens Brodersen<br />
im Dozenten-Kreis vertreten.<br />
Für Kreuzer stach als besonders positiv hervor,<br />
wie gut der Gemeinsamkeitsansatz in<br />
der Praxis umgesetzt wurde: „Der Austausch<br />
zwischen Profit- und Non-Profit-Teilnehmern<br />
war phänomenal.“ Das bestätigt auch<br />
Kursteilnehmerin Sabine te Heesen, beim<br />
VNR Verlag für die deutsche Wirtschaft als<br />
Referentin für Vorstandsprojekte tätig und<br />
dabei auch für CSR zuständig: „Es war für<br />
mich sehr hilfreich, die Sicht- und Denkweise<br />
der Non-Profit-Organisationen kennenzu-<br />
lernen.“ Gewünscht hätte sich te Heesen allerdings<br />
eine stärkere Berücksichtigung des<br />
CSR-Managements bei kleinen und mittleren<br />
Unternehmen (KMU): „Gerade für KMU ist<br />
dieser Ausbildungsgang sehr wichtig, denn<br />
CSR-Manager werden meist aus dem bestehenden<br />
Mitarbeiterstamm rekrutiert. Eine<br />
berufsbegleitende Ausbildung ist daher notwendig.<br />
Deshalb halte ich es für wichtig, den<br />
Ausbildungsgang für diese Klientel attraktiver<br />
zu gestalten.“<br />
Nach den positiven Erfahrungen mit diesem<br />
Pionier-Kurs haben sich die Fundraising-<br />
Akademie und PwC entschlossen, die Kooperation<br />
fortzusetzen und auch in diesem<br />
Herbst wieder an den Start zu gehen, mit einer<br />
Ausbildungsdauer von November 2010<br />
bis April 2011. Akademieleiter Kreuzer denkt<br />
auch schon darüber hinaus: „Wir sehen hier<br />
„CSR bedeutet nicht nur, dass die eine Seite zahlt,<br />
und die andere Seite etwas damit macht.“<br />
Thomas Kreuzer, Leiter der Fundraising-Akademie<br />
ein Wachstumsfeld und möchten deshalb in<br />
Zukunft zwei Kurse pro Jahr anbieten.“ Bei<br />
einer „idealen Gruppengröße von zwölf bis<br />
15 Teilnehmern“ (Kreuzer) käme auf diese<br />
Weise in relativ kurzer Zeit eine dreistellige<br />
Zahl von Absolventen bzw. CSR-Managern<br />
zusammen – potenziell eine hervorragende<br />
Basis für ein Alumni-Netz, aus dem<br />
sich auch ein nationales CSR-Netzwerk<br />
entwickeln kann. Für dessen Aufbau kann<br />
die Akademie zwar Hilfestellung geben, die<br />
eigentliche Verbindungsarbeit müssen aber<br />
in erster Linie die Absolventen selbst leisten.<br />
Doch da ist Kreuzer zuversichtlich: „Ich fand<br />
es beachtlich, wie intensiv sich die Kurs-Kollegen<br />
sofort vernetzt haben.“<br />
Ihre Ansprechpartner<br />
dieter.w.horst@de.pwc.com<br />
jens.brodersen@de.pwc.com<br />
www.fundraisingakademie.de<br />
www.pwc.de/de/sustainability<br />
pwc: | oktober 2010 39
pwc: Trends<br />
Neue<br />
Risikokultur<br />
Am 30. Juni 2010 hat die Bundesanstalt für<br />
Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) erst-<br />
mals die aufsichtsrechtlichen Mindestanfor-<br />
derungen an das Risikomanagement von<br />
Investmentgesellschaften (InvMaRisk) fest-<br />
gelegt. Verlangt wird ein ganzheitliches Risi-<br />
komanagementsystem, das die Risiken aus<br />
den Sondervermögen bei der Gesamtbe-<br />
trachtung der Risiken der Gesellschaft mit<br />
einbezieht. Ziel einer solchen Betrachtung<br />
ist neben der Sicherung des Vermögens<br />
der Gesellschaft der Solvenzschutz – vor<br />
allem der Anlegerschutz in Bezug auf das<br />
verwaltete Treuhandvermögen. Das Mot-<br />
to “Client risk is our risk“ wird zur obersten<br />
Maxime erklärt. Das muss sich jetzt auch<br />
in einem integrierten Risikomanagement-<br />
system widerspiegeln. Eine Risk Manage-<br />
ment Policy hat alle wesentlichen Risiken<br />
der Investmentvermögen zu adressieren.<br />
Das Risikocontrolling ist im Investmentpro-<br />
zess zu verankern. Neben einem Limitsy-<br />
stem sowie risikoadäquaten Stresstests<br />
Kurz notiert<br />
BELIEBTER ARBEITGEBER<br />
Der Marktforscher Trendence<br />
hat 220.000 Studenten in<br />
Europa gefragt, wo sie<br />
gern arbeiten würden.<br />
Das Ergebnis: PwC ist<br />
bei Wirtschaftswissen-<br />
schaftlern der beliebteste<br />
Arbeitgeber, gefolgt von Google. Im aktu-<br />
ellen Universum-Ranking, das Studierende<br />
von 100 europäischen Hochschulen berück-<br />
sichtigt, landete PwC auf Platz sieben.<br />
Alles über die …<br />
PwC-onlinekanäle<br />
unter www.pwc.de/de/pwc-im-netz<br />
fordert die BaFin erstmals die Einführung<br />
eines angemessenen Liquiditätsrisikoma-<br />
nagements. Basierend auf den Erfahrungen<br />
aus der Finanzkrise gilt es nun, Handlungsalternativen<br />
festzulegen, um auch im Falle<br />
eines Liquiditätsengpasses die Aussetzung<br />
der Anteilsrücknahme zu verhindern. Die<br />
Gesellschaften müssen ihr Risikodeckungspotenzial<br />
vierteljährlich ihrem Gesamtrisikoprofil<br />
gegenüber stellen und darüber hinaus<br />
eine unabhängige Compliance-Funktion mit<br />
einem Compliance-Beauftragten einrich-<br />
THE WINNER IS …<br />
Für Steuerberater ist der Preis „Tax Firm of<br />
the Year“, den die Londoner Zeitschrift „International<br />
Tax Review“ jedes Jahr vergibt,<br />
eine besondere Auszeichnung. PwC hat die<br />
Trophäe nach 2008 nun zum zweiten Mal<br />
geholt. Freuen können sich auch die Kollegen<br />
vom Transfer Pricing. Sie gewannen den<br />
„European Transfer<br />
Pricing Firm of the<br />
year“. www.pwc.de/<br />
de/auszeichnungen<br />
ten. Der BaFin ist es gelungen, in enger Abstimmung<br />
mit der Praxis ein Regelwerk von<br />
Mindestanforderungen an das Risikomanagementsystem<br />
vorzulegen, das den Besonderheiten<br />
und dem geschäftstypischen<br />
Zusammenspiel von Eigen- und Treuhandgeschäft<br />
der Investmentgesellschaften<br />
Rechnung trägt. Die gelebte Risikokultur ist<br />
dabei ein wesentlicher Erfolgsfaktor. Risikomanagement<br />
ist zugleich aber immer auch<br />
Chancenmanagement.<br />
www.pwc.de/de/InvMaRisk<br />
STIMMUNGS-<br />
BARoMETER<br />
Im Personalmanagement<br />
werden<br />
die Bedürfnisse von<br />
Mitarbeitern zu wenig berücksichtigt. Es gelingt<br />
oft nicht, Talente an ein Unternehmen<br />
zu binden. PwC hat daher mit dem St. Galler<br />
ISG Institut das Instrument PeopleValue<br />
entwickelt, das die Zufriedenheit eines Mitarbeiters<br />
mit seinem Job und seinem Arbeitgeber<br />
misst. www.pwc.de/de/talentcheck<br />
40 pwc: | oktober 2010
Wirtschaftsbestseller<br />
Die beliebtesten deutschen Unternehmen 2010<br />
Prozent der Befragten, die das Unternehmen positiv bewerten, in Klammern: 2009<br />
1. (2.) Daimler 19% (15%)<br />
2. (3.) Siemens 15% (11%)<br />
3. (1.) Volkswagen 14% (22%)<br />
4. (4.) BMW 11% (10%)<br />
5. (5.) Audi 6% (5%)<br />
6. (8.) Bosch 5% (4%)<br />
7. (-) Lufthansa 3% (1%)<br />
8. (9.) BASF 3% (3%)<br />
9. (-) Bayer 3% (2%)<br />
10. (7.) Porsche 3% (5%)<br />
Die getAbstract-Top-Five unter den<br />
deutschsprachigen Wirtschaftsbüchern:<br />
1. Stefan Riße: Die Inflation<br />
kommt!, FinanzBuch, 19,90<br />
Euro<br />
2. Meinhard Miegel: Exit, Propy-<br />
läen, 22,95 Euro<br />
3. Gunter Dueck: Aufbrechen!,<br />
Eichborn, 19,95 Euro<br />
4. Susanne Schmidt: Markt<br />
ohne Moral, Droemer, 19,95<br />
Euro<br />
5. Beate Brüggemeier: Wert-<br />
schätzende Kommunikation im Business,<br />
Junfermann, 24 Euro<br />
Deutschlands Starkonzerne<br />
Die getAbstract-Top-Five unter den<br />
englischsprachigen Wirtschaftsbüchern:<br />
1. Eamon Javers: Broker, Trader, Lawyer,<br />
Spy; HarperBusiness, 30,99 Dollar<br />
2. Arthur B. Laffer, Stephen Moore: Re-<br />
turn to Prosperity, Threshold Editions,<br />
48,68 Dollar<br />
3. Erik Qualman: Socialnomics, Harper<br />
Collins, 24,95 Dollar<br />
4. Robert Skidelsky: Keynes, Allen Lane,<br />
35 Dollar<br />
+40 21 225-3818<br />
5. Peter Cappelli, Harbir Singh, Jitendra<br />
Singh, Michael Useem: The India Way,<br />
Harvard Business Press, 29,95 Dollar<br />
getAbstract ist der weltweit größte<br />
Anbieter von Buchzusammenfassungen:<br />
www.getAbstract.de<br />
ist die Telefonnummer der German Business Group<br />
von PricewaterhouseCoopers in Bukarest.<br />
Ansprechpartner sind dort Jörg Wiederhold und<br />
Wilhelm Simons. Die beiden Wirtschaftsprüfer sind<br />
nicht nur in Rumänien bestens vernetzt, sondern<br />
stehen auch im engen Kontakt mit den Kollegen<br />
der übrigen German Business Groups in Südost-<br />
und Mittelosteuropa.<br />
Quelle: PwC-Umfrage<br />
Drei Fragen an ...<br />
Markus Böhm<br />
… zum Thema IT-Risiken<br />
Markus Böhm ist<br />
bei PwC<br />
Experte für<br />
IT-Governance.<br />
Was machen Unterneh-<br />
men falsch beim Um-<br />
gang mit IT-Risiken?<br />
Leider fehlt es oft an der<br />
notwendigen IT-Gover-<br />
nance und definierten<br />
Regeln für eine Risiko-<br />
vorsorge in der IT. Statt-<br />
dessen sind persön-<br />
liches Ermessen und<br />
immer knappere Bud-<br />
gets ausschlaggebend<br />
für die Balance zwi-<br />
schen Risiken, Überwa-<br />
chungsmechanismen und Investitionen. Aber<br />
der Kardinalfehler ist: Man vergisst oft, dass<br />
IT-Risiken immer auch Business-Risiken sind.<br />
Was können Unternehmen dagegen tun?<br />
Die etablierten Maßnahmen für IT-Governance<br />
und Risikomanagement ermitteln, analysieren,<br />
bewerten, mit den Realitäten des<br />
Unternehmens und mit anderen abgleichen.<br />
Dabei hilft zum Beispiel unsere Methode „IT<br />
Governance and Risk Diagnostic (IT-GaRD)“.<br />
Werden IT-Risiken bei einer „normalen“ IT-<br />
Prüfung nicht ohnehin betrachtet?<br />
Ja und nein – sie sind zwar zentraler Bestandteil<br />
von IT-Prüfungen und auch IT-Governance<br />
spielt zunehmend eine Rolle, aber: Der Fokus<br />
liegt fast ausschließlich auf der Rechnungslegung.<br />
Andere Auswirkungen, die IT-Risiken<br />
auf das Geschäft haben können, kommen<br />
hier möglicherweise zu kurz.<br />
pwc: | oktober 2010 41
pwc: Lösungen<br />
The place to be: In den 1920er-Jahren<br />
wurde die New Yorker<br />
Börse zum Zentrum des globalen<br />
Finanzmarkts – eine Position,<br />
die trotz Crash und Weltwirtschaftskrise<br />
nie in Gefahr geriet.<br />
42 pwc: | oktober 2010
Wall Street 4.0<br />
Im Herbst kehrt Gordon Gekko in Wall Street II in die Kinos zurück. Doch die<br />
letzte Tanzrunde auf dem Börsenparkett hat längst begonnen. Menschen an der<br />
Wall Street waren gestern, Maschinen am Washington Boulevard sind heute.<br />
Von Christine Mattauch<br />
Auf den ersten Blick ist alles so wie früher.<br />
Alan Valdes steht an seiner Arbeitsbox mit<br />
der Nummer 5EC, wie stets akkurat gekleidet<br />
in Nadelstreifen und Krawatte. Mit der<br />
einen Hand hält er das Handy ans Ohr, mit<br />
der anderen zupft er seinen Firmenpartner<br />
am Ärmel, deutet auf ein Laufband mit Kürzeln<br />
und Kursen. Gleich wird die „Opening<br />
Bell“ einsetzen, mit der jeden Vormittag um<br />
9.30 Uhr der Handel an der New York Stock<br />
Exchange (NYSE) beginnt. Trader laufen<br />
vorbei, tippen hektisch auf Handcomputern.<br />
Der Lärm ist ohrenbetäubend – Gesprächsfetzen,<br />
laute Rufe und das Klatschen der<br />
Besucher auf der Empore.<br />
Wenige Minuten später ist es, als sei ein<br />
Orkan vorbeigezogen. Die Ruhe nach dem<br />
Sturm. Alan wandert über das Parkett.<br />
„Love of my life, wie geht es dir?“, schäkert<br />
er mit einer CNN-Journalistin. Eine chinesische<br />
Korrespondentin stürmt auf ihn zu<br />
und fragt, ob er einen Kommentar geben<br />
kann. Alan sagt zu. Abgesehen vom Börsenauftakt<br />
und dem Handelsschluss um<br />
16 Uhr hat der große Mann mit der Silbermähne<br />
in diesen Tagen viel Zeit. „Piloten<br />
werden bei Start und Landung benötigt. So<br />
ist das jetzt auch bei uns.“<br />
Denn in Wirklichkeit ist nichts so wie früher.<br />
Das Herz der Wall Street, das Parkett der<br />
NYSE, ist kaum mehr als eine lebhafte Kulisse<br />
für eine Finanzwelt, die mehr und mehr<br />
ohne Menschen auskommt. Rund 1.500<br />
Parketthändler gibt es noch, es waren mal<br />
6.000. Zugleich sinkt die Bedeutung der<br />
Börse selbst: Nur rund ein Drittel der Aktien,<br />
die an der NYSE notiert sind, werden im Tagesgeschäft<br />
tatsächlich noch dort gehandelt<br />
– vor vier Jahren waren es noch 75 Prozent.<br />
Der Rest läuft über Computerbörsen,<br />
elektronische Plattformen und sogenannte<br />
Dark Pools, in denen Algorithmen Angebot<br />
und Nachfrage zusammenbringen, automatisch<br />
und in Sekundenbruchteilen. Der<br />
Marktanteil der NYSE-Euronext-Gruppe am<br />
US-Handel liegt nur noch bei 25 Prozent.<br />
Die Touristen, die sich vor dem ehrwürdigen,<br />
1901 erbauten Sitz der NYSE in Downtown<br />
Manhattan gegenseitig fotografieren, ahnen<br />
davon nichts. Für sie ist das „Big Board“,<br />
wie die NYSE auch genannt wird, immer<br />
noch eine Ikone, Symbol einer Glitzerwelt,<br />
in der Emotionen und Gier das Geschehen<br />
beherrschen. Das liegt am Fernsehen,<br />
das gern Bilder von aufgeregten und panischen<br />
Händlern zeigt, und das liegt an<br />
Regisseuren wie Oliver Stone, der in seinem<br />
neuen Film „Wall Street: Geld schläft nicht“<br />
den Mythos aufleben lässt. Dabei sind die<br />
Händlerszenen des Films nicht einmal in<br />
New York gedreht, sondern in New Jersey.<br />
Konkret: bei der Firma Knight Capital, am<br />
Washington Boulevard in Jersey City.<br />
Vom Finanzdistrikt in Manhattan trennt Jersey<br />
City nur der Hudson, doch die Büromieten<br />
sind günstiger. Vor fünf Jahren ist<br />
Knight in den verspiegelten Glasbau mit 22<br />
Etagen gezogen. Es gibt kein Schild, kein<br />
Logo und natürlich keine Touristen. Außerhalb<br />
der Finanzbranche ist die Firma nahezu<br />
unbekannt, dabei hat sie, gemessen am<br />
Handelsvolumen, bereits die NYSE überholt.<br />
Erst 1995 gegründet, ist Knight Capital heute<br />
die größte der elektronischen Plattformen.<br />
Viele Experten sehen in ihr die Zukunft der<br />
Finanzbranche. „Wir sind die Avantgarde“,<br />
sagt Peter Kenny. Zum Beweis führt er in<br />
den Handelssaal im ersten Stock.<br />
Der ist so groß und so hoch wie eine Fabrikhalle<br />
und dabei tageslichthell. An den<br />
Wänden das Sternenbanner und große TV-<br />
Bildschirme. Hunderte von Menschen sitzen<br />
an langen Tischen, ohne Raumteiler,<br />
ohne Zwischenwände, arbeiten ruhig und<br />
konzentriert. Jeder hat vier Monitore vor<br />
sich, eine Tastatur, ein Telefon, eine Gegensprechanlage.<br />
Peter Kenny, ein schlanker<br />
Mann mit kurzen braunen Haaren, ist einer<br />
der Geschäftsführer, doch er sitzt an einem<br />
Tischabschnitt wie jeder andere. Sein Blick<br />
wandert über Zahlenkolonnen und Kurvendiagramme.<br />
Er greift zum Telefon, sagt leise,<br />
pwc: | oktober 2010 43
pwc: Lösungen<br />
„Hey, what’s up“, hört zu, sagt „I like that a<br />
lot“, legt auf. Es wird 9.30 Uhr. Auf einem<br />
der Wandbildschirme wird live der Börsen-<br />
auftakt an der Wall Street übertragen, ohne<br />
Ton. Keiner sieht hin. Auch der Geräuschpe-<br />
gel verändert sich nicht. Plötzlich ruft einer<br />
„Two Fifty.“ Peter Kenny kräuselt den Mund<br />
und sagt spitz: „Immer der gleiche Kollege,<br />
der Lärm macht.“<br />
Zehn Milliarden Wertpapiere täglich wer-<br />
den bei Knight im Schnitt gehandelt, fast<br />
drei mal so viele wie an der NYSE. In New<br />
Jersey laufen 99 Prozent des Handels automatisch,<br />
von Computer zu Computer. „Wir<br />
brauchen Menschen nur noch für spezielle<br />
Situationen“, sagt Peter. Etwa wenn Großaufträge<br />
hereinkommen. Oder Investoren<br />
Rat suchen, per Mail oder telefonisch. Während<br />
Alan Valdes das Parkett jeden Tag in<br />
Anzug und Krawatte betritt, trägt Peter ein<br />
orange-schwarz-gestreiftes Polohemd und<br />
eine beige Stoffhose. Einige seiner Kollegen<br />
tragen sogar Jeans. Warum auch nicht, die<br />
Kunden sehen sie ja nicht.<br />
Peter Kenny hat bis vor vier Jahren in der<br />
NYSE gearbeitet. Dann tauschte er das<br />
quirlige Parkett gegen die Bildschirme bei<br />
Knight ein. „Es war ein gutes Timing“, sagt<br />
er und will damit wohl sagen, dass er gerade<br />
noch den Absprung gefunden hat. Kenny<br />
ist 51, und Knight Capital hat ihn eingestellt,<br />
weil er gute Kontakte zu Investoren<br />
besitzt. Die meisten seiner Kollegen bei den<br />
elektronischen Plattformen sind jünger, viel<br />
jünger. Sie werden vor allem wegen ihrer<br />
Computerkenntnisse eingekauft.<br />
Die Umstellung fiel Kenny nicht leicht. „Ich<br />
musste ein anderer Typ von Broker werden.“<br />
Ging er früher durch die Gänge der NYSE,<br />
flog hier ein Gruß und da ein Spruch, man<br />
redete über Zahlen und Trends. Bei Knight<br />
heben seine Kollegen selten die Augen vom<br />
Monitor, und der Trader-Chat läuft mit geradezu<br />
maschineller Effizienz, in Kürzeln, nur<br />
Eingeweihten verständlich: „b 25m“, „16.10<br />
for 50K“, „LDK seller 25m“.<br />
„Wir brauchen Menschen nur noch für spezielle<br />
Situationen.“<br />
Peter Kenny, Geschäftsführer von Knight Capital<br />
Die neue Welt des elektronischen Handels<br />
hat viele Vorteile gebracht – mehr Liquidität,<br />
gesunkene Kosten. Die Händlermargen,<br />
die sogenannten Spreads, die vor wenigen<br />
Jahren noch bei 25 Cent lagen, sind inzwischen<br />
auf Pennys geschrumpft. Die Kehrseite:<br />
Immer mehr Broker geben auf. „Der<br />
Parketthandel stirbt“, sagt Alan Valdes. Vor<br />
wenigen Jahren hatte seine Firma DME<br />
Securities noch sieben Partner. Heute sind<br />
es zwei. Während Knight Capital innerhalb<br />
von 15 Jahren von null auf 1.200 Mitarbeiter<br />
gewachsen ist.<br />
Alan hat sich eine zweites Standbein als<br />
College-Lehrer aufgebaut, am New York<br />
Institute of Technology. Trotzdem ist ein<br />
Abschied von der NYSE für ihn undenkbar.<br />
„Ich bin ein Teil dieser Welt. Ich liebe es,<br />
morgens durch die Tür zu kommen. Einige<br />
Kollegen kenne ich besser als meine Freundin.<br />
Wir spielen Tennis, fahren zusammen<br />
in Urlaub, man kennt die Kinder. Es ist eine<br />
Familie!“ Wenn er am Wochenende allein<br />
in seinem Haus in Pennsylvania sitzt, fehlt<br />
ihm was.<br />
Als 16-Jähriger fing er als Laufbursche an<br />
der NYSE an, verdiente sich ein Zubrot neben<br />
der High School. Behielt den Job, während<br />
er studierte, stieg auf zum Schreiber,<br />
der die Aufträge der Kunden notierte. „Als<br />
ich mit dem Studium fertig war, verdiente<br />
ich mehr als meine Professoren.“ Fast 35<br />
Jahre ist das her. Alan wurde Händler, gründete<br />
eine eigene Firma. Erlebte die goldenen<br />
Zeiten in den 80ern, als die Händler<br />
sich neue Autos kauften, wenn ein Reifenwechsel<br />
anstand. Überstand den Crash von<br />
1987, die Internetblase der 90er und den<br />
Absturz von Lehman. Und beobachtete den<br />
Siegeszug der Computer.<br />
Auch das Parkett der NYSE ist längst mit<br />
Bildschirmen vollgestellt, und die Händler<br />
laufen mit tragbaren Minicomputern herum.<br />
Keine „Tickets“ mehr, auf denen die Broker<br />
früher ihre Order notierten und nach Erledigung<br />
auf den Boden warfen. „An hektischen<br />
44 pwc: | oktober 2010
The place to watch: In den 1980er-Jahren<br />
verfolgten Millionen von Anlegern das Ge-<br />
schehen auf dem Parkett der New York<br />
Stock Exchange, Börsenreporter kom-<br />
mentieren gerne live aus dem Getümmel,<br />
das nach der Schlussglocke schlagartig<br />
vorbei war.<br />
pwc: | oktober 2010 45
pwc: Lösungen<br />
Tagen wateten wir knöcheltief in Papier“,<br />
erinnert sich Alan. War es besser damals?<br />
Alan bemüht sich um Objektivität. „Wahr-<br />
scheinlich war es nur anders“, sagt er.<br />
Aber dann siegt die Nostalgie, und er er-<br />
zählt, wie sie dem alten David heimlich den<br />
Krückstock verkürzten, jedes Mal, wenn er<br />
einnickte. Erst nach zwei Wochen bemerk-<br />
te er den Schabernack, da ging er schon<br />
krumm wie ein Fragezeichen. Anderen Kol-<br />
legen haben sie die geschlossenen Schirme<br />
mit alten Tickets gefüllt, und wenn sie die<br />
Wall Street II<br />
Eigentlich dürfte es diesen Film gar nicht<br />
geben: Trotz des gewaltigen Erfolgs von<br />
„Wall Street“ aus dem Jahr 1987 wollte Regisseur<br />
Oliver Stone um keinen Preis einen<br />
Nachfolgefilm drehen – schließlich war der<br />
von Michael Douglas gespielte Finanzhai<br />
Gordon Gekko, den Stone der Wall Street<br />
als Zerrbild vorhalten wollte, für viele Banker<br />
und Spekulanten zum Vorbild geworden.<br />
Erst die Weltfinanzkrise von 2008 änderte<br />
Stones Sinn. In „Wall Street: Geld<br />
schläft nicht“, versetzt er (den gerade aus<br />
dem Gefängnis entlassenen) Gekko ins Jahr<br />
2007, wo er in Vorträgen vor der Massenvernichtungswaffe<br />
Spekulation und dem<br />
Platzen der<br />
Finanzblase<br />
warnt – das<br />
er natürlich<br />
nicht verhindern<br />
kann.<br />
Filmstart in<br />
den USA:<br />
24. September,<br />
in<br />
Deutschland:<br />
21.<br />
<strong>Oktober</strong><br />
„War es früher besser?<br />
Ach, wahrscheinlich war es nur anders.“<br />
Alan Valdes, Börsenmakler an der New York Stock Exchange<br />
dann vor der NYSE aufspannten, regnete<br />
es Papierschnipsel. Im kühlen Handelssaal<br />
von Knight Capital sind solche Scherze undenkbar.<br />
Doch im Kampf um Marktanteile lässt sich<br />
das Rad nicht zurückdrehen. Längst hat<br />
auch die NYSE-Unternehmensgruppe elektronische<br />
Plattformen und einen Dark Pool<br />
eingerichtet. „Die großen Banken wollen<br />
das, es spart Geld“, sagt Alan, „aber ob es<br />
gut ist für Amerika?“ In einer Parallelstrategie<br />
versucht die NYSE zugleich das Parkett<br />
zu stärken, mit einer fünf Millionen Dollar<br />
teuren Modernisierung. Die meisten hölzernen<br />
Händlerkabinen verschwinden, „die<br />
stammen noch aus der Weltwirtschaftskrise“,<br />
weiß Alan. An ihre Stelle treten moderne<br />
Arbeitsnischen aus Plexiglas, in denen<br />
man sich sogar setzen kann – ein Novum.<br />
„Ich hab’ nie einen Stuhl gehabt“, sagt Alan.<br />
Um keinen Preis will die NYSE das Parkett<br />
verlieren, ihr Markenzeichen. Noch immer<br />
ist die Opening Bell ein Ereignis, von vielen<br />
Fernsehstationen live übertragen, verfolgt<br />
von 100 Millionen Menschen in aller Welt.<br />
Vor die ruhigen Arbeitstische von Knight<br />
stellt sich bisher kein Journalist. Doch wer<br />
weiß, ob sich nicht auch das einmal ändert.<br />
„Die Zukunft, das sind wir“, sagt Peter<br />
Kenny ruhig. Knight Capital wächst rasant<br />
und global, mit Ablegern in London, Hongkong,<br />
Singapur. Was ist mit Deutschland?<br />
„Nur eine Frage der Zeit.“<br />
Oliver Stone hat eine Familiensaga gedreht<br />
und das wahre Wall-Street-Drama verpasst:<br />
die Ablösung der Menschen durch Maschinen.<br />
Alan Valdes wird sich den Streifen<br />
trotzdem anschauen, mit der Haltung eines<br />
Kommissars, der in einen Krimi geht. „It’s<br />
Hollywood“, sagt er lakonisch. Peter Kenny<br />
will nicht einmal das tun. „Wozu?“, fragt er<br />
und hebt die Achseln. Mit seinem Arbeitsalltag<br />
hat die Kinowirklichkeit nun wirklich gar<br />
nichts mehr zu tun. Obwohl einige Film szenen<br />
an seinem eigenem Schreibtisch gedreht<br />
sind.<br />
46 pwc: | oktober 2010
The place to kill the place to be 2010: Han-<br />
delssaal bei Knight Capital in New Jersey,<br />
der größten elektronischen Plattform für<br />
den Wertpapierhandel in den USA. Im Handelsvolumen<br />
liegt Knight heute bereits vor<br />
der New York Stock Exchange.<br />
pwc: | oktober 2010 47
pwc: Lösungen<br />
Ein Offenbacher in<br />
Hongkong<br />
Dass ein deutsches Unternehmen in Hongkong an die Börse geht,<br />
ist alles andere als selbstverständlich. Für die Firma Schramm gab es jedoch<br />
gute Gründe für den Weg gen Osten.<br />
Von Corinna Freudig<br />
48 pwc: | oktober 2010
Genau 1.319 Aktiengesellschaften sind zum<br />
Stichtag 31. Dezember 2009 an der Börse<br />
in Hongkong gelistet. Nur elf davon kom-<br />
men nicht aus China. Und von diesen wie-<br />
derum nur eine aus Europa. Genauer ge-<br />
sagt: aus Deutschland. Noch genauer: aus<br />
Offenbach. Die Schramm <strong>AG</strong>, ein Unterneh-<br />
men, das im September seinen 200. Ge-<br />
burtstag feierte und sein Geld mit Lacken<br />
zur Oberflächenveredelung und Beschich-<br />
tung verdient: für Mobiltelefone und Mikro-<br />
wellen, Stoßdämpfer und Spiegelgehäuse,<br />
Vorschaltgeräte und Verkehrsschilder. Damit<br />
sind weltweit 850 Mitarbeiter beschäftigt,<br />
die 2009 einen Umsatz von 133 Millionen<br />
US-Dollar erwirtschaftet haben.<br />
Was sucht ein Offenbacher Mittelständler<br />
an der Börse in Hongkong? „Unser künf-<br />
tiges Wachstum kommt in erster Linie aus<br />
Asien“, sagt CEO Peter Brenner. „Wir möch-<br />
ten dort deshalb weiter in Infrastruktur und<br />
Standorte investieren, um nah bei unseren<br />
asiatischen Kunden zu sein, zu denen zum<br />
Beispiel Samsung und LG gehören.“ Zu<br />
Schramm, die im Jahr 2007 von der mit-<br />
telständischen Grebe-Gruppe an das ko-<br />
reanische Unternehmen SSCP verkauft<br />
Wo der Börsenbulle ein<br />
Börsenbüffel ist – an<br />
der Börse Hongkong –<br />
ließ sich die Offenbacher<br />
Schramm <strong>AG</strong> als<br />
erstes europäisches<br />
Unternehmen listen.<br />
wurden, gehören Joint<br />
Ventures und Lizenz-<br />
partnerschaften, aber<br />
auch eigene Unterneh-<br />
men in China und Thailand.<br />
In Taiwan entstand ein De-<br />
signzentrum für Laptops, und<br />
in Vietnam ist derzeit eine neue<br />
Produktionsstätte in Bau.<br />
Peter Brenner ist die treibende Kraft<br />
des Börsengangs. 1989 startete er bei<br />
Schramm eine Lehre zum Industriekauf-<br />
mann. Danach studierte er und kam zurück<br />
– als Vertriebsmitarbeiter. Heute ist er CEO,<br />
ein kräftig gebauter Mann, der energiegeladen,<br />
entschlossen und entscheidungsstark<br />
wirkt: „Für solch einen Börsengang darf<br />
man kein schwaches Management haben,<br />
weil man mit perhaps und maybe nicht weiterkommt.“<br />
Am 29. Dezember 2009 war der erste Handelstag<br />
an der Hong Kong Stock Exchange<br />
für die Schramm <strong>AG</strong>, die 25 Prozent ihrer<br />
Anteile über eine Kapitalerhöhung ausgegeben<br />
hatte. Schramm war das erste europäische<br />
Unternehmen und ist bis heute das<br />
einzige deutsche, das dort gelistet ist. Der<br />
„First Mover“ hat es am schwersten und es<br />
hätte auch eine einfachere Variante gegeben:<br />
eine bereits an der Hongkonger Börse<br />
zugelassene Landesgesellschaft. „Doch wir<br />
wollten unsere deutsche Identität nicht aufgeben“,<br />
erklärt Brenner, „weil sie für Innovationskraft<br />
und Qualität steht – hinsichtlich<br />
der Produkte und der Produktionsverfahren,<br />
zum Beispiel in Sachen Umweltschutz.“<br />
Als Börsenstandort war Hongkong aus<br />
deutscher Sicht also Terra incognita – für<br />
Schramm und die beteiligten externen Partner<br />
von PwC Deutschland und PwC China<br />
sowie die internationale Anwaltsgesellschaft<br />
Norton Rose. Sie mussten intensive Vorarbeiten<br />
leisten, um das deutsche mit dem<br />
Hongkonger Börsenrecht zu synchronisieren,<br />
das sich am britischen Vorbild orientiert<br />
und damit fundamentale Unterschiede, vor<br />
allem im Aktionärsschutz, aufweist. Im September<br />
2009 schließlich akzeptierte Hongkong<br />
den Rechtsrahmen börsenfähiger<br />
Gesellschaften mit Sitz in Deutschland als<br />
„acceptable jurisdiction of an issuers place<br />
of incorporation“ und erleichterte den Zugang<br />
zur Börse damit deutlich. Davon können<br />
die „Follower“ jetzt profitieren.<br />
Der eigentliche Arbeitsbeginn lag aber<br />
schon lange vor der offiziellen Anmeldung<br />
bei der Börse Anfang 2009. „Davor hat sich<br />
Schramm im Prinzip ein Jahr restrukturiert“,<br />
erzählt PwC-Experte Frank Kosner, der den<br />
Tipps zum Börsengang<br />
im Ausland<br />
1. Wählen Sie einen Börsenplatz,<br />
an dem Sie Geschäftsaktivitäten<br />
in größerem Umfang haben<br />
oder planen.<br />
2. Wählen Sie Working Parties (Anwalts-,<br />
Prüfungs- und Beratungsgesellschaften), die<br />
international tätig und im Zielland vertreten<br />
sind und bereits Erfahrung mitbringen.<br />
3. Lassen Sie Sorgfalt bei der Teamzusammenstellung<br />
von In- und Externen walten,<br />
denn: Das Projekt verläuft nur so gut und effizient,<br />
wie diese gut zusammenarbeiten.<br />
4. Planen Sie im Projektplan ausreichende<br />
Pufferzonen ein.<br />
5. Stellen Sie unternehmensintern die notwendigen<br />
personellen Kapazitäten zur Verfügung:<br />
Ein Börsengang bringt einen hohen<br />
administrativen Aufwand mit sich.<br />
6. Entscheiden Sie schnell – und auch einmal<br />
unbürokratisch.<br />
7. Bereiten Sie Ihre internen Strukturen (gesellschaftsrechtlicher<br />
Status, Rechnungslegung,<br />
steuerliche Situation, Compliance- und<br />
Risikomanagement etc.) auf die Börsennotierung<br />
vor – mit ausreichendem Zeitvorlauf.<br />
Offenbacher Fernost-Börsengang begleitete.<br />
„Das Unternehmen wurde in eine <strong>AG</strong><br />
umgewandelt, IFRS-Rechnungslegung eingeführt,<br />
ein Headquarter in Hongkong als<br />
Dach für alle asiatischen Standorte gegründet<br />
und die Vorbereitung auf die Transparenzanforderungen<br />
eines börsennotierten<br />
Unternehmens hinsichtlich Compliance, Risikomanagement<br />
und Investor Relations begonnen.“<br />
En passant wurden überdies zwei<br />
weitere chinesische Unternehmen gekauft.<br />
Mit dem Börsengang hat Brenner die Bekanntheit<br />
der Schramm <strong>AG</strong> in Asien jedenfalls<br />
deutlich erhöht: Fast jedes asiatische<br />
Wirtschaftsmagazin berichtete darüber.<br />
„Unser Brand ist breit bekannt geworden –<br />
das ist toll, weil wir uns dadurch ganz andere<br />
Möglichkeiten der Finanzierung erschließen.“<br />
Doch Brenner denkt schon längst<br />
wieder voraus: „Asiatische Firmen investieren<br />
zunehmend in Europa – wenn wir zu<br />
ihnen ein gutes Geschäftsverhältnis haben,<br />
dann bleiben oder werden sie auch in Europa<br />
unsere Kunden.“<br />
Mehr zum Thema Börsengang nach Hongkong<br />
unter www.pwc.de/de/ipo-hongkong,<br />
zu Börsengängen und IPOs insgesamt unter<br />
www.pwc.de/de/boersengang.<br />
pwc: | oktober 2010 49
pwc: Lösungen<br />
Wie geht´s weiter, wenn<br />
nichts mehr geht?<br />
Mit schnellem Überblick, klarem Konzept und konsequentem Handeln:<br />
ein Blick in den Arbeitsalltag der PwC-Restrukturierungsexperten.<br />
Von Anja Dilk und Heike Littger<br />
Als Jörg Artmann als neuer Finanzvorstand<br />
zur Alno <strong>AG</strong> kam, war der Küchenhersteller<br />
schwer angeschlagen. Immer wieder hatten<br />
die Gesellschafter Geld nachgeschossen.<br />
Immer wieder hatte man ein bisschen<br />
restrukturiert, ein wenig saniert, aber nie<br />
„das Übel an der Wurzel gepackt“, sagt Artmann.<br />
Auch die Fusion mit dem ostwestfälischen<br />
Küchenhersteller Wellmann 2003<br />
brachte nicht die erhoffte Wende. „Wenn<br />
sich zwei Kranke zusammentun, wird daraus<br />
bekanntlich kein Gesunder“, so Artmann.<br />
Ende 2009 musste dann endgültig<br />
eine Entscheidung fallen: entweder Gang in<br />
die Insolvenz; oder ein letztes, diesmal umfassendes<br />
Sanierungskonzept.<br />
Jörg Artmann lacht. Heute kann er das.<br />
Denn das Gröbste ist geschafft. Allzu gut<br />
erinnert er sich noch an jenes heiße Klausurwochenende<br />
in Frankfurt, an dem er mit<br />
seinen Vorstandskollegen über dem neuen<br />
Konzept brütete. Eine einheitliche Organisationsstruktur<br />
über alle Marken und Standorte<br />
hinweg, ein gemeinsamer Vertrieb, eine<br />
Finanzspritze von 60 Millionen Euro für den<br />
Umbau des Unternehmens. Das waren die<br />
wichtigsten Eckpfeiler für einen Sanierungs-<br />
Businessplan. So könnte es gehen. Doch<br />
die Banken winkten ab. Restrukturierungsexperten<br />
mussten her, die den Finanzinstituten<br />
das Vertrauen zum Erneuerungskurs<br />
des angeschlagenen Konzerns zurückgaben.<br />
Jörg Artmann kontaktierte Joachim<br />
Englert: „Wir brauchen ein Sanierungsgutachten.“<br />
Acht Wochen lang durchforstete<br />
der Partner in der Restrukturierungsabteilung<br />
bei PricewaterhouseCoopers (PwC) mit<br />
einem zwölf Mann starken Team die Alno<br />
<strong>AG</strong>. Sie analysierten Zahlen, Abläufe und<br />
Strukturen, durchleuchteten die Abteilungen<br />
nach Optimierungsmöglichkeiten, verfeinerten<br />
Vorstandskonzept und Businessplan.<br />
„Die Zusammenarbeit hat nicht nur<br />
menschlich sehr gut funktioniert, sondern<br />
auch die Banken überzeugt“, erinnert sich<br />
Artmann. Nachdem PwC-Mann Englert die<br />
Ergebnisse den Bankern präsentiert hatte,<br />
gab es grünes Licht für den Sanierungsplan.<br />
Dann wurde über Details verhandelt: Kreditkonditionen,<br />
Beiträge der Gesellschafter,<br />
Kapitalerhöhung.<br />
Unternehmen finden oft nur schwer allein<br />
aus der Krise. Wer seit Jahren an verschiedenen<br />
Standorten produziert, weil es historisch<br />
so gewachsen ist, mit denselben Lieferanten<br />
arbeitet, weil man sich gut kennt,<br />
und Angebote der Konkurrenz nicht mehr<br />
auf dem Schirm hat, kommt oft gar nicht<br />
auf die Idee, das Gewohnte infrage zu stel-<br />
50 pwc: | oktober 2010
len. Beharrungskraft und Betriebsblindheit<br />
gehören für den Restrukturierungsexperten<br />
Englert zu den typischen Fehlern von Unter-<br />
nehmen, die in Schieflage geraten. „Doch<br />
irgendwann muss man die alten Zöpfe ab-<br />
schneiden und sein Konzept gründlich auf<br />
den Prüfstand stellen.“ Nutzen wir alle Sy-<br />
nergien? Gibt es günstigere Lieferanten?<br />
Wäre eine Investition in Messroboter zur<br />
Qualitätssicherung sinnvoll? Und sind die<br />
Produkte, die wir im Portfolio haben, wirk-<br />
lich alle noch profitabel? Hat sich der Markt<br />
nicht längst geändert?<br />
Umso wichtiger ist, dass Restrukturierungs-<br />
teams schnell handeln. Marschrichtung:<br />
sich zunächst auf das Wesentliche konzen-<br />
trieren. Wie ist die Situation, wo liegen die<br />
Schwachstellen, mit welchen Strategien<br />
lässt sich das ändern, mit welchen Maß-<br />
nahmen können diese Strategien operativ<br />
umgesetzt werden? „Oft verfügen die alten<br />
Managementteams nicht über die Kompe-<br />
tenz, den Umbau zu bewältigen“, sagt Eng-<br />
lert. Auch in der Führungsspitze dreht sich<br />
das Personalkarussell.<br />
Haben die Unternehmen schon ein kompe-<br />
tentes Managementteam an Bord und einen<br />
eigenen Plan in der Tasche, wie es „dem<br />
neuen Vorstandsteam bei der Alno <strong>AG</strong> her-<br />
vorragend gelungen ist“, so Englert, kann<br />
der Prozess vergleichsweise schnell gehen.<br />
Zwei Monate brauchten die PwCler für das<br />
Sanierungsgutachten beim Küchenherstel-<br />
ler. Dann ging es an die Umsetzung. Auf 20<br />
Millionen Euro Kreditrückzahlung verzich-<br />
teten die Banken, dieselbe Summe schos-<br />
sen die Gesellschafter des Unternehmens<br />
Bauknecht und die Beteiligungsgesellschaft<br />
German Capital hinzu, zudem sind Artmann<br />
und sein Team derzeit auf Roadshow bei in-<br />
stitutionellen Investoren, um ihr neues Kon-<br />
zept zu präsentieren. Damit alle Marken der<br />
Firma gemeinsam und effizient produzieren<br />
können, werden parallel die Fabriken umge-<br />
baut, die Verwaltung zentralisiert, die Billigproduktpalette<br />
abgespeckt und neue Premiumprodukte<br />
entwickelt. Bis 2013 sollen das<br />
im Sanierungsgutachten bestätigte Konzept<br />
umgesetzt und Alno für die Zukunft gerüstet<br />
sein.<br />
Vor einer anderen Situation stand PwC-<br />
Mann Thomas Steinberger: Restrukturierung<br />
eines bereits insolventen Unternehmens.<br />
Am 5. März 2009 meldete der<br />
„Restrukturierung muss man ganzheitlich anpacken:<br />
Strategie, Operations, Prozesse und Finanzierung.“<br />
Joachim Englert, Restrukturierungsexperte bei PwC<br />
schwedische Autozulieferer Plastal Insolvenz<br />
an, nur einen Tag später der im fränkischen<br />
Weißenburg angesiedelte deutsche<br />
Ableger. Zusammen mit dem Insolvenzverwalter<br />
stand PwC vor der Aufgabe, ein attraktives<br />
Paket zu schnüren und möglichst<br />
viele von den gut 2.000 Arbeitsplätzen an<br />
sechs deutschen Standorten zu erhalten.<br />
Steinberger: „Heute ist es kaum möglich, für<br />
insolvente, nicht restrukturierte Unternehmen<br />
einen potenten Käufer zu finden.“ Vor<br />
allem in der krisengebeutelten Autobranche.<br />
„Ein Unternehmen muss da schon seine<br />
Hausaufgaben gemacht haben.“<br />
Konkret bedeutet das: Überarbeitung aller<br />
strategischen Komponenten vom Produktportfolio<br />
und der Wertschöpfungstiefe über<br />
Standort-, Organisations- und Führungsstrukturen<br />
bis zur Suche nach strategischen<br />
Alternativen wie Allianzen oder Veränderungen<br />
im Gesellschafterkreis. „Außerdem<br />
muss gesichert sein“, so Steinberger, „dass<br />
die Neuausrichtung nicht im Projektalltag<br />
untergeht und nicht in einem klassischen<br />
Kostensenkungsprogramm endet.“ Es gehe<br />
um die Zukunft und nicht um Bilanz-Kosmetik.<br />
Generell sei die Restrukturierung<br />
einfacher, wenn ein Unternehmen bereits<br />
insolvent ist. „Die Liquidität ist in der Regel<br />
für den Verwalter durch das Insolvenzgeld<br />
erst einmal gesichert. Und spätestens wenn<br />
der Insolvenzverwalter durchs Unternehmen<br />
geht, ist wirklich jedem klar, dass es<br />
pwc: | oktober 2010 51
pwc: Lösungen<br />
nicht mehr so weitergehen kann, wie bisher.<br />
Alle müssen an einem Strang ziehen.“ An-<br />
fang Februar hat der französische Faurecia-<br />
Konzern Plastal Deutschland übernommen<br />
– mit zweijähriger Standortgarantie.<br />
An einem Strang ziehen, alle Beteiligten ins<br />
Boot holen, im Gespräch bleiben – auch<br />
für Josef K. Fischer gehört die offene Kom-<br />
munikation innerhalb des Unternehmens<br />
und gegenüber den Stakeholdern zum A<br />
und O einer erfolgreichen Restrukturierung.<br />
„Wer das nicht macht, verspielt Vertrauen<br />
und gefährdet die Restrukturierung<br />
erheblich.“ Seit <strong>Oktober</strong> 2008 bietet der<br />
Professor für Finanzwirtschaft und Volkswirtschaftslehre<br />
an der Nürnberger Georg-<br />
Simon-Ohm-Hochschule eine Weiterbildung<br />
zum Restrukturierungsmanager an. Ein<br />
122-stündiger Ritt durch Risiko-, Changeund<br />
Innovationsmanagement, Liquiditätssicherung<br />
und Kreditbeschaffung, Arbeitsund<br />
Insolvenzrecht. Unter den Teilnehmern<br />
viele Steuerberater, Wirtschaftsprüfer,<br />
Rechtsanwälte und Banker – aber auch ein<br />
paar Geschäftsführer und Controller aus<br />
mittelständischen Unternehmen. „Restruk-<br />
turierung hat immer noch ein Geschmäckle“,<br />
so Fischer, „wer gibt schon gerne zu,<br />
dass es im eigenen Unternehmen wackelt?“<br />
Dabei ist einer der wesentlichen Erfolgsfaktoren<br />
bei Restrukturierungen Schnelligkeit:<br />
„Wer zu lange wartet, verbaut sich Handlungsoptionen.“<br />
Das sagt auch Ulrich Krystek. Der Professor<br />
für strategisches Controlling an der TU Berlin<br />
hat gerade zusammen mit Derik Evertz,<br />
Leiter des Bereiches Business Recovery<br />
Services bei PwC, ein neues Buch über Restrukturierung<br />
und Sanierung herausgegeben<br />
(siehe Kasten). Ein Fazit: „Unternehmen<br />
schlagen immer noch zu spät Alarm.“ Weil<br />
die Hoffnung als Letztes stirbt oder weil die<br />
Geschäftsführung Angst hat, an den Pranger<br />
zu geraten. Noch immer heißt es in der<br />
Öffentlichkeit schnell: Das Management<br />
ist schuld. Doch das ist zu simpel gedacht,<br />
weiß Krystek: „Die Wirtschaftskrise hat uns<br />
allen gezeigt, dass die Ursachen nicht mehr<br />
nur intern zu verorten sind.“ Während die<br />
vorausgegangene Krise der New Economy<br />
nur einen abgegrenzten Wirtschaftszweig<br />
betraf, ist die aktuelle eine umfassende –<br />
sie hat DAX-Unternehmen wie Mittelständ-<br />
„Wer nicht offen kommuniziert, verspielt Vertrauen<br />
und gefährdet die Restrukturierung erheblich.“<br />
Josef K. Fischer, Professor für Finanzwirtschaft, Georg-Simon-Ohm-Hochschule Nürnberg<br />
ler, Old and Young Economy gleichermaßen<br />
ergriffen. „Niemand hatte damit gerechnet“,<br />
so der Restrukturierungsexperte, „dass sie<br />
sich so rasant ausbreiten würde.“ Genauso<br />
wenig, dass Kredite nur noch schwer zu<br />
beschaffen sind, seit 2009 werden Sicherheiten<br />
und Konditionen nachverhandelt, Unternehmen<br />
in der Bonität herabgestuft.<br />
„Alles, was ich tue, muss der Liquidität nutzen“,<br />
beschreibt PwC-Experte Englert die<br />
wichtigste Finanzregel für Restrukturierungen.<br />
„Dabei gilt: cash is king“. Vor allem<br />
aber müssen alle Bausteine zusammenpassen:<br />
Strategie, operative Maßnahmen, die<br />
Analyse der Prozesse im Unternehmen, personelle<br />
Ausstattung, Sicherstellung der Umsetzung<br />
und Finanzierung.<br />
Thomas Will weiß das nur zu gut. Die Anfänge<br />
des Restrukturierungsprozesses bei<br />
Wohnbau Mainz waren für den neu berufenen<br />
Geschäftsführer „ein Kampf ums<br />
Überleben“. Je tiefer er in die Verästelungen<br />
des maroden Unternehmens bohrte, desto<br />
mehr Unsauberkeiten, krumme Bilanzergebnisse<br />
und finanzielle Lecks taten sich<br />
auf. Lange schon hatte das städtische Wohnungsbauunternehmen<br />
seine Ausgaben<br />
nicht mehr aus den Mieteinnahmen decken<br />
können, zumal Mieterhöhungen unter anderem<br />
aus politischen Gründen jahrelang gedeckelt<br />
oder ausgesetzt wurden. Neue Ge-<br />
52 pwc: | oktober 2010
schäftsfelder von der Gastronomie bis zum<br />
Bauträger hatten die Wohnbau Mainz erst<br />
recht in die roten Zahlen gestürzt.<br />
Als durch die Krise 2008 unerwartet Kre-<br />
dite in Höhe von 200 Millionen Euro fällig<br />
wurden, war nicht mehr zu übersehen, wie<br />
dramatisch es um das Unternehmen stand.<br />
„Die Stadt war fassungslos, die Mitarbeiter<br />
waren erschüttert“, erinnert sich Will. „Mit<br />
dieser Dimension hatte keiner gerechnet.“<br />
Doch dann überzeugte Will den Oberbür-<br />
germeister: Wir holen uns Top-Experten für<br />
die Sanierung, dafür hilft uns die Stadt zunächst<br />
mit einem Bürgschaftsrahmen von<br />
300 Millionen, damit uns die nächsten fälligen<br />
Kredite nicht in die Pleite reiten. Klar<br />
war schon damals, es wird nicht ohne Kapitalnachschuss<br />
gehen. Die Belegschaft ließ<br />
sich auf die harte Sanierung einschwören:<br />
Wenn wir alle die Ärmel hochkrempeln, können<br />
wir es schaffen, zumindest den Kern<br />
des Unternehmens zu retten. Erste Entlassungen<br />
bis in die Führungsspitze wurden<br />
ausgesprochen. Ein Verhandlungsmarathon<br />
mit den Banken begann.<br />
Die erste Bestandsaufnahme des zur Hilfe<br />
gerufenen PwC-Teams war verheerend:<br />
Schlichte Sanierung geht nicht mehr, komplette<br />
Restrukturierung tut not. Doch mittlerweile<br />
sind die entscheidenden Stellschrauben<br />
gedreht. Die Wohnbau Mainz<br />
konzentriert sich jetzt aufs Kerngeschäft<br />
der Wohnungsvermietung, die übrigen<br />
Geschäftsfelder wurden abgewickelt, die<br />
Gewerbeobjekte in einer extra für diesen<br />
Zweck gegründeten Tochtergesellschaft<br />
zum Verkauf gestellt. Neue Gesellschafter<br />
wurden gewonnen, von alten trennte<br />
man sich. Das Eigenkapital wurde auf einen<br />
branchenüblichen Stand gebracht. Die Zahl<br />
der Kreditverträge ist auf ein Fünftel eindampft,<br />
die Laufzeiten sind gut gemischt.<br />
Schulden werden abgebaut, die Zinsen sind<br />
im Griff. 2.800 Wohnungen wurden verkauft,<br />
4.000 Mieterhöhungen ausgesprochen, Bestände<br />
neu bewertet, die Sachkosten für<br />
das Vermietungsgeschäft fast halbiert, ein<br />
Was tun, wenn es brennt?<br />
Drittel der Mitarbeiter entlassen, Aufgaben<br />
neu verteilt. „Laisser-faire ist nicht mehr,<br />
aber alle arbeiten gut mit. Denn wir haben<br />
das Vertrauen aller Beteiligten zurückgewinnen<br />
können“, sagt Geschäftsführer Will.<br />
„Und das ist wesentlich für den Erfolg.“ Er<br />
lehnt sich zurück und sieht sorgenfreier in<br />
die Zukunft. „So langsam macht die Sache<br />
richtig Spaß.“<br />
Ihre Ansprechpartner:<br />
joachim.englert@de.pwc.com<br />
derik.evertz@de.pwc.com<br />
thomas.steinberger@de.pwc.com<br />
www.pwc.de/de/restrukturierung<br />
Bei der Sanierung muss alles ganz schnell und auf einmal geschehen. Aber trotzdem bitte<br />
auch gründlich und geplant, meint Prof. Ulrich Krystek, der mit Derik Evertz von PwC das<br />
neue Praxis-Handbuch „Restrukturierung und Sanierung von Unternehmen“ (Schäffer-<br />
Poeschel, 69,95 Euro) herausgegeben hat. Denn genau dass hätten viele Krisen-Unternehmen<br />
zuvor sträflich vernachlässigt. Deshalb müsse für den Restrukturierungsprozess ein<br />
Controlling aufgesetzt werden, das das Management zeitnah mit Informationen versorgt:<br />
Greifen unsere Maßnahmen? Ist unser Zeit- und Budgetplan realistisch? Gibt es Faktoren,<br />
die wir nicht berücksichtigt haben? Für die Planung rät Krystek, mehrere Zukunftsszenarien<br />
zu entwickeln und daraufhin alle relevanten Unternehmensprozesse abklopfen. Es sei entscheidend,<br />
drohende Gefahren zu erkennen, um so rechtzeitig geeignete Reaktionsstrategien<br />
entwickeln zu können. „Dasselbe gilt natürlich auch für Chancen.“<br />
pwc: | oktober 2010 53
pwc: Lösungen<br />
Publikationen<br />
Alles über Medien<br />
Der „Global Entertainment<br />
und<br />
Media Outlook“<br />
nimmt weltweit<br />
die Geschäftsaussichten<br />
der<br />
Medienmärkte<br />
unter die Lupe.<br />
Ein Ergebnis:<br />
China wird 2011<br />
mit einem Umsatz von rund 95 Milliarden<br />
US-Dollar zum drittgrößten Medienmarkt<br />
hinter den USA und Japan aufsteigen und<br />
Deutschland auf Rang vier verweisen.<br />
Ihr Ansprechpartner:<br />
werner.ballhaus@de.pwc.com<br />
Tel.: 0211 981-5848<br />
Preis: ab 100 US-Dollar je nach Format<br />
Bestellung: www.pwc.de/de/outlook2010<br />
Für Aufsichtsräte<br />
Seit einigen<br />
Jahren<br />
wächst die<br />
Bedeutung<br />
von Aufsichtsräten.<br />
Dank einiger regulatorischer Neuerungen<br />
können sie mittlerweile die Geschäftsleitung<br />
eines Unternehmens effizienter überwachen.<br />
Der PwC-Aufsteller für Aufsichtsräte<br />
erleichtert es ihnen, sich in ein neues Aufsichtsratsamt<br />
einzuarbeiten. Er richtet sich<br />
nicht nur an Aufsichtsräte von Aktiengesellschaften,<br />
sondern auch an Unternehmen<br />
mit anderer Rechtsform.<br />
Ihre Ansprechpartner:<br />
henning.hoensch@de.pwc.com<br />
Tel.: 030 2636-1269<br />
Preis: 25 Euro<br />
Bestellung: www.pwc.de/de/boardroom<br />
Steuerwissen gebündelt<br />
PwC bietet<br />
eine Zusammenstellung<br />
der steuerrechtlich<br />
relevanten<br />
Themen an: Alle aktuell verfügbaren PwC-<br />
Newsletter und -Publikationen zu den Themenbereichen<br />
Steuern und Recht wurden<br />
unter dem Titel „Zapfen Sie unser Wissen<br />
an. Kostenlose Informationsdienste für<br />
Steuerexperten“ für Sie zusammengestellt.<br />
Die Übersicht kann kostenlos von der PwC-<br />
Homepage heruntergeladen oder als Newsletter<br />
abonniert werden.<br />
Ihre Ansprechpartnerin:<br />
christine.chahed@de.pwc.com<br />
Tel.: 030 2636-5267<br />
Download: www.pwc.de/de/anzapfen<br />
Erfolgsunternehmen<br />
Gerade in<br />
schwierigen<br />
Zeiten zeigt sich,<br />
welche Unternehmen<br />
innovativ<br />
und wandlungsfähig<br />
sind: Solche<br />
Unternehmen<br />
verfallen nämlich<br />
nicht in eine<br />
Schockstarre,<br />
sondern passen sich den aktuellen Problemen<br />
an oder wagen sogar etwas Neues. Die<br />
European School of Business und PwC haben<br />
fünf solcher Unternehmen und ihre Erfolgsfaktoren<br />
analysiert.<br />
Ihre Ansprechpartnerin:<br />
diane.robers@de.pwc.com<br />
Tel.: 069 9585-5511<br />
Download: www.pwc.de/de/neue-wege<br />
Erbschaftsteuer<br />
Die Erbschaftsteuer<br />
treibt seit<br />
ihrer Reform etlicheFamilienunternehmer<br />
um.<br />
Die Publikation<br />
„Entscheidungswirkungen<br />
der<br />
Erbschaftsteuer<br />
auf die Unternehmensnachfolge“<br />
zeigt auf, was der deutsche Gesetzgeber<br />
etwa vom britischen Modell lernen kann.<br />
Ihr Ansprechpartner:<br />
michael.haug@de.pwc.com<br />
Tel.: 0711 25034-1705<br />
Preis: 25 Euro, Verlag Moderne Wirtschaft<br />
ISBN: 3-934803-46-6<br />
Bestellen: www.pwc.de/de/erbschaftsteuer<br />
Auf stürmischer See<br />
Die Wirtschaftskrise<br />
hat die<br />
Schifffahrt<br />
hart getroffen.<br />
Viele deutsche<br />
Schiffe blieben<br />
2009/2010 in den<br />
Häfen liegen.<br />
Die Charterraten<br />
stürzten in den<br />
Keller. Die Folge:<br />
Etliche Reedereien hatten mit Liquiditätsengpässen<br />
zu kämpfen. Die aktuelle PwC-<br />
Studie „Deutsche Schifffahrt“ zeigt auf, wie<br />
die Reeder derzeit ihre aktuelle und mittelfristige<br />
Geschäftslage einschätzen.<br />
Ihr Ansprechpartner:<br />
c.brandt@de.pwc.com<br />
Tel.: 040 6378-1607<br />
Bestellung: ww.pwc.de/de/reeder2010<br />
54 pwc: | oktober 2010
Due-Diligence-Ratgeber<br />
Die Risiken bei Unternehmenskäufen sind<br />
mit der Wirtschaftskrise enorm gestiegen.<br />
Das „Beck´sche Mandatshandbuch Due<br />
Diligence“ zeigt Ihnen auf, wie Sie die Risiken<br />
im Vorfeld bewerten und einen Kauf<br />
zielorientiert vorbereiten. Neben zahlreichen<br />
einschlägigen Gesetzesreformen,<br />
die es seit der Vorauflage gab, ist selbstverständlich<br />
auch die relevante Rechtsprechung<br />
und Literatur eingearbeitet.<br />
Besonders praxisrelevante Bereiche sind<br />
vertieft dargestellt. Neu enthalten ist etwa ein Kapitel zur Compliance<br />
Due Diligence. Besonders hilfreich ist die zusammenfassende,<br />
zweisprachige Checkliste.<br />
Ihr Ansprechpartner:<br />
erik.hummitzsch@de.pwc.com<br />
Tel.: 089 5790-5185<br />
Preis: 98 Euro, Verlag C.H. Beck<br />
ISBN: 978-3-406-58973-7<br />
Bestellung: www.pwc.de/de/handbuch-due-diligence<br />
Mehr IT-Sicherheit<br />
Wie können Unternehmen die Sicherheit<br />
ihrer IT-Systeme steigern? Die Publikation<br />
„IT-Governance in der Praxis“, an<br />
der mehrere PwC-Experten mitgeschrieben<br />
haben, veranschaulicht, wie sich<br />
die Gefahren unter Berücksichtigung<br />
von technischen, prozessualen und organisatorischen<br />
Aspekten eindämmen<br />
lassen. Das funktioniert etwa mit einem<br />
sauber aufgesetzten Identity and Access<br />
Management. Indem es effiziente<br />
und sichere – und teilweise automatisierte – Prozesse für die Vergabe<br />
von Berechtigungen vorsieht, hilft es, Kosten in der Verwaltung<br />
zu sparen.<br />
Ihr Ansprechpartner:<br />
johannes.liffers@de.pwc.com<br />
Tel.: 030 2636-1658<br />
Preis: 49,95 Euro, Springer Verlag<br />
ISBN: 978-3-642-03504-3<br />
Bestellung: www.pwc.de/de/iam-buch<br />
Impressum<br />
Herausgeber:<br />
PricewaterhouseCoopers <strong>AG</strong> WPG<br />
Olof-Palme-Straße 35, 60439 Frankfurt am Main<br />
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Oliver Heieck (PricewaterhouseCoopers <strong>AG</strong>)<br />
Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben<br />
die Meinung der Autoren wieder.<br />
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(ein Unternehmen der G+J Wirtschaftsmedien GmbH & Co. KG)<br />
Stubbenhuk 3, 20459 Hamburg<br />
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Fotosearch<br />
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Seite 8/9: PWC (4)<br />
Seite 10/11: PWC (5)<br />
Seite 12: Erwin Wodicka/Bilder-Box, Cinetext, Stills Online, PWC,<br />
Cartoon: NEL<br />
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Seite 24/25: Paul Langrock/Zenit/Laif<br />
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Seite 32/33: Fotosearch<br />
Seite 38: gettyimages<br />
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Seite 47: Melanie Feuerbacher<br />
Seite 48/49: Bobby Yip/Reuters/Corbis, artpartner-images/gettyimages<br />
Seite 50-53: Studio Kumicak+Namslau<br />
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Schützenstraße 18, 10117 Berlin<br />
pwc: erscheint viermal im Jahr in einer Auflage von<br />
12.000 Exemplaren.<br />
© <strong>Oktober</strong> 2010. PricewaterhouseCoopers <strong>AG</strong><br />
PricewaterhouseCoopers bezeichnet die PricewaterhouseCoopers <strong>AG</strong><br />
Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und die anderen selbst ständigen und<br />
rechtlich unabhängigen Mitgliedsfirmen der<br />
PricewaterhouseCoopers International Limited.<br />
PricewaterhouseCoopers. Die Vorausdenker.<br />
pwc: | oktober 2010 55
www.pwc.de<br />
Erfolgsformeln<br />
Das ist die Formel von Glycerintrinitrat. Dem Schweden<br />
Alfred Nobel gelang es, diese Flüssigkeit durch Verbindung mit<br />
Kieselgur zu stabilisieren – zu Dynamit. Das Vermögen, das er<br />
damit verdiente, stiftete er für die Nobelpreise (siehe Seite 34).