Fachbuch 128/3 Leseprobe
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Beckert ´ Herold<br />
Kompendium<br />
der Schweiûtechnik<br />
Band 3:<br />
Eignung metallischer Werkstoffe<br />
zum Schweiûen<br />
Herausgeber: Behnisch<br />
2., überarbeitete Auflage
Die Deutsche Bibliothek ± CIP-Einheitsaufnahme<br />
Kompendium Schweiûtechnik / [Hrsg.: Behnisch]. - DuÈsseldorf :<br />
(<strong>Fachbuch</strong>reihe Schweiûtechnik ; Bd. <strong>128</strong>)<br />
ISBN 3-87155-204-6<br />
Bd. 3. Eignung metallischer Werkstoffe zum Schweiûen / Beckert ´ Herold. - 2002<br />
ISBN 3-87155-207-0<br />
<strong>Fachbuch</strong>reihe Schweiûtechnik<br />
Band <strong>128</strong>/3<br />
ISBN 3-87155-207-0<br />
Alle Rechte vorbehalten.<br />
f Verlag fuÈr Schweiûen undverwandte Verfahren DVS-Verlag GmbH, DuÈsseldorf ´ 2002<br />
Herstellung: J. F. Ziegler KG, Remscheid<br />
Titelgestaltung: M + V Werbeagentur, Willich
Geleitwort zur 2. Auflage<br />
Als der Verlag sich vor genau fuÈnf Jahren zur Herausgabe eines Kompendiums der Schweiûtechnik<br />
entschloû, tat er dies mit der Feststellung und guten Absicht, die seit vielen Jahren spuÈrbare LiteraturluÈcke<br />
mit einem aktuellen, aber auch preisguÈnstigen Gesamtwerk uÈber Schweiûverfahren,<br />
Schweiûmetallurgie, Werkstoffe undkonstruktive Grundlagen zu schlieûen. Die groûe Nachfrage<br />
nach dem vierbaÈndigen Fundus an umfassendem Wissen und Betriebspraxis hat sich erfreulicherweise<br />
in verhaÈltnismaÈûig kurzer Zeit bestaÈtigt, so daû der Verlag und sein Autorenteam sich um eine<br />
UÈ berarbeitung undErgaÈnzung der vergriffenen Auflage bemuÈhten, die als Neufassung nunmehr in<br />
gewohnter QualitaÈt vorgelegt werden kann.<br />
Der Entwicklungsstand der Schweiûprozesse, die uÈberschaubare Palette schweiûgeeigneter Werkstoffe<br />
sowie die gestalterischen GrundsaÈtze zum Bau von Schweiûkonstruktionen, wie sie in den<br />
fuÈnfziger Jahren dem Studierenden und praktisch taÈtigen Ingenieur zu Studium und BerufsausuÈbung<br />
zur VerfuÈgung standen, rechtfertigten seinerzeit ein ein- bis zweibaÈndiges <strong>Fachbuch</strong>; fuÈnfzig Jahre<br />
spaÈter hat allein die immense Zunahme der Werkstoffgruppen und ihre technisch und wirtschaftlich<br />
befriedigende Verarbeitung mit einem vielfachen Angebot an FuÈge- undTrennprozessen die Erweiterung<br />
des Buchtextes erforderlich gemacht. DaruÈber hinaus haben jahrzehntelange Erfahrungen und<br />
BewaÈhrungen von vollstaÈndig geschweiûten Konstruktionen zu neuen Bauweisen und deren AusfuÈhrung<br />
bis hin zur automatisierten Fertigung gefuÈhrt.<br />
Auch die Internationalisierung des Regelwerks, der Berechnungsmethoden und der AusfuÈhrungsbestimmungen,<br />
beispielsweise im konstruktiven Ingenieurbau, Schienenfahrzeug- undDruckgeraÈtebau,<br />
verursachten eine thematische Erweiterung und einen didaktischen Aufbau des vorliegenden<br />
Studier- und Nachschlagewerks.<br />
Die jetzige Ausgabe wird sowohl dem technisch-wissenschaftlich orientierten als auch dem in der<br />
Anwendung taÈtigen Leserkreis gerecht. SchwerpunktmaÈûig wollen die logisch gegliederten vier<br />
BaÈnde auf die vielfaÈltigen Fragen nach dem ,,Wie`` eine rasche Antwort in den Wissensbereichen<br />
Schweiûeignung der metallischen Werkstoffe ± Schweiûmetallurgie ± thermische FuÈge- undTrennverfahren<br />
± schweiûgerechte Konstruktion geben. Zur Vertiefung der Materie Schweiûtechnik dienen<br />
die jedem der einzelnen BaÈnde angeschlossenen Literaturstellen aus Wissenschaft, Betriebspraxis<br />
undaktuellem Regelwerk.<br />
Die von der Erstausgabe her bekannten Autoren haben sich auch in dieser Auflage um eine sorgfaÈltige<br />
Anpassung undErweiterung des schweiûtechnischen Wissens bemuÈht. An der UÈ berarbeitung<br />
des Bandes 1 von R. Killing hat Dr.-Ing. U. Killing mitgewirkt. Der von der Autorengemeinschaft<br />
Probst/Heroldin erster Auflage verfaûte Band2 ist nunmehr allein von Herrn Prof. H. Herold<br />
uÈberarbeitet worden; als Nachfolger von Herrn Prof. A. Neumann zeichnet Herr Dipl.-Ing. R.<br />
Neuhoff fuÈr die sorgfaÈltige Betreuung von Band4 verantwortlich.<br />
Allen Autoren, die besonders aufgrund ihrer aktiven paÈdagogischen TaÈtigkeit um die stetigen<br />
VeraÈnderungen und Neuerungen wissen, sei abschlieûend fuÈr ihre Literaturarbeit herzlich gedankt.<br />
DuÈsseldorf, im Sommer 2002<br />
Verlag und Herausgeber
Vorwort zur 2. Auflage<br />
Die Schweiûeignung des Werkstoffes bestimmt im Zusammenhang mit der Schweiûsicherheit der<br />
Konstruktion undder fertigungstechnisch bedingten SchweiûmoÈglichkeit die QualitaÈt einer<br />
Schweiûverbindung. Die seit mehreren Jahrzehnten weltweit gefoÈrderte Forschung zur Schweiûbarkeit<br />
als Resultierende der drei genannten Eigenschaften erbrachte viele wichtige Erkenntnisse, die<br />
heute zur Grundlage der modernen Schweiûtechnik gehoÈren. Um dieses Wissen voll nutzen zu<br />
koÈnnen, muÈssen die ZusammenhaÈnge zwischen Schweiûprozeû undWerkstoffverhalten sowie die<br />
Auswirkung des Schweiûens auf die QualitaÈt unddie Gebrauchseigenschaften geschweiûter Verbindungen<br />
verstaÈndlich gemacht werden. Herr Prof. Dr. M. Beckert hat deshalb schon in den Jahren<br />
1980 und 1985 diese wichtige Thematik geschlossen in einem <strong>Fachbuch</strong> behandelt, das 1997 im Band<br />
3 ,,Eignung metallischer Werkstoffe zum Schweiûen`` auf den neuesten Stand von Wissenschaft und<br />
Technik gebracht wurde.<br />
Die nunmehr zweite vorliegende UÈ berarbeitung hat nicht nur eine VerstaÈrkung der Autorenschaft<br />
gebracht, sondern eine Aktualisierung des einschlaÈgigen Regelwerks, der Werkstoffbezeichnungen<br />
undSymbole sowie ausgewaÈhlter textlicher Passagen.<br />
Der vorgelegte Banddient als eine EinfuÈhrung in das komplexe Gebiet der schweiûtechnischen<br />
Verarbeitung metallischer Werkstoffe. Ausgehend von den werkstoffkundlichen Grundlagen werden<br />
die Schweiûeignung der wichtigsten metallischen Werkstoffe, ihre PruÈfung undBewertung beschrieben.<br />
Die im Anhang wiedergegebene Fachliteratur bietet die MoÈglichkeit zur Vertiefung des<br />
hier vermittelten Wissensstoffes.<br />
Den Mitarbeitern des Instituts fuÈrFuÈge- undStrahltechnik der Otto-von-Guericke-UniversitaÈt Magdeburg,<br />
Frau Dipl.-Ing. M. Streitenberger, Frau Dr.-Ing. M. Zinke, Herrn Prof. W. Irmer, Herrn Dr.-<br />
Ing. J. Pieschel undHerrn Dr.-Ing. S. Zahariev sei dabei fuÈr die UnterstuÈtzung bei der UÈ berarbeitung<br />
gedankt. Frau Ch. Stiehl vom gleichen Institut hat es dankenswerterweise uÈbernommen, die gesamte<br />
technische Vorbereitung der UÈ berarbeitung zu begleiten.<br />
Magdeburg, im Sommer 2002<br />
M. Beckert und H. Herold
1 EinfuÈhrung<br />
1.1 Schweiûbarkeit ± Schweiûeignung, Schweiûsicherheit und SchweiûmoÈglichkeit<br />
Viele metallische undnichtmetallische Werkstoffe werden heute geschweiût. Die moderne<br />
Schweiûtechnik bietet leistungsfaÈhige, auf die Werkstoffeigenschaften und die konstruktiven Belange<br />
abgestimmte Schweiûtechnologien.<br />
Die Schweiûbarkeit ist ein Komplex von werkstofflichen, konstruktiven undfertigungstechnischen<br />
Komponenten. Sie ist gegeben, wenn durch einen Schweiûprozeû eine Konstruktion aus einem<br />
metallischen Werkstoff so hergestellt werden kann, daû sie alle betrieblichen Anforderungen ohne<br />
SchaÈdigungen erfuÈllt, siehe DIN 8528-1. Die Schweiûbarkeit haÈngt also von den Eigenschaften des<br />
Werkstoffs, von den Bedingungen der schweiûtechnischen Fertigung, von der Lage und der konstruktiven<br />
Gestaltung der Schweiûverbindungen in der Konstruktion ab. ZweckmaÈûig ist deshalb die<br />
Unterteilung in die drei komplexen EinfluûgroÈûen Schweiûeignung, Schweiûsicherheit und<br />
SchweiûmoÈglichkeit, Bild1-1.<br />
Bild 1-1. Schweiûbarkeit undihre Einfluûkomplexe<br />
Schweiûeignung, Schweiûsicherheit undSchweiûmoÈglichkeit.<br />
Die Schweiûeignung ist die werkstoffliche Voraussetzung, um durch einen Schweiûprozeû stoffschluÈssige<br />
Verbindungen herzustellen, die geforderten Eigenschaften und Festigkeitswerten genuÈgen.<br />
Die Schweiûeignung eines Werkstoffs ist um so besser, je weniger zusaÈtzliche fertigungstechnische<br />
und konstruktive Maûnahmen notwendig sind, um eine einwandfreie Schweiûverbindung zu<br />
erhalten. Keine Schweiûeignung liegt vor, wenn es bei einem (wirtschaftlich) vertretbaren fertigungstechnischen<br />
Aufwandnicht gelingt, eine von groben Fehlern freie Schweiûverbindung mit<br />
bestimmten mechanischen Mindestwerten herzustellen. Die Schweiûeignung eines metallischen<br />
Werkstoffs wird durch seine chemische Zusammensetzung (reines Metall oder Legierung, Begleitelemente),<br />
seine metallurgische Erzeugung (Seigerungen, Verunreinigungen, EinschluÈsse) und<br />
durch seinen strukturellen Aufbau (Gitterstruktur, GefuÈge) bestimmt.<br />
Allgemein wirdzwischen Kaltpreû-, Warmpreû- undSchmelzschweiûprozessen unterschieden. Die<br />
jeweils erforderlichen werkstofflichen Voraussetzungen, um ein befriedigendes Schweiûergebnis zu<br />
1
erreichen, sind unterschiedlich. Deshalb ist die Angabe, daû ein bestimmter metallischer Werkstoff<br />
schweiûgeeignet sei, unvollstaÈndig, wenn die Verfahrensgruppe oder der Schweiûprozeû nicht mit<br />
genannt werden, fuÈr deren Anwendung dies zutrifft. Bei Angaben zur Schweiûeignung von StaÈhlen<br />
ist in aller Regel die Eignung fuÈr das Schmelzschweiûen gemeint.<br />
Die Schweiûsicherheit eines Bauteils oder eines Bauwerks wird von der Lage und Gestaltung der<br />
Schweiûverbindungen in der Konstruktion bestimmt. Sie ist gegeben, wenn alle betriebsbedingten<br />
Beanspruchungen ohne funktionsstoÈrende SchaÈdigungen ertragen werden. Die Schweiûsicherheit<br />
wird im Kontext der schweiûgerechten Gestaltung einer Konstruktion mit der Art und dem Umfang<br />
der betrieblichen Beanspruchungen bestimmt. Die Schweiûeignung und die SchweiûmoÈglichkeit<br />
beeinflussen die Schweiûsicherheit. Deshalb ist es moÈglich, durch geeignete Werkstoffauswahl und<br />
fertigungstechnische Maûnahmen die Schweiûsicherheit zu erhoÈhen.<br />
Anmerkung: Das in der Vergangenheit gehaÈufte Auftreten von SproÈdbruÈchen an groûen geschweiûten<br />
Konstruktionen, wie BruÈcken, Schiffen undanderen Stahlbauten, veranlaûte<br />
umfangreiche Untersuchungen. Mit dem zunehmenden Einsatz von hoÈherfesten<br />
StaÈhlen wurden der SproÈdbruch, seine Ursachen und die MoÈglichkeiten, ihn zu verhindern,<br />
weltweit zum zentralen Forschungsthema. Die groûe Bedeutung des SproÈdbruchs<br />
fuÈhrte dazu, daû man unter Schweiûsicherheit vorrangig das Verhalten geschweiûter<br />
Stahlkonstruktionen gegen sproÈde BruÈche verstand. Schweiûsicherheit<br />
umfaûte im weiteren Sinn die Sicherheit einer Schweiûkonstruktion, unter vorgegebenen<br />
Betriebsbedingungen fuÈr die Betriebsdauer funktionsfaÈhig zu bleiben.<br />
Die dritte komplexe EigenschaftsgroÈûe, die zur Schweiûbarkeit zaÈhlt, ist die SchweiûmoÈglichkeit.<br />
Sie beschreibt den Einfluû der Fertigung vor, waÈhrend und nach dem Schweiûen. Sie ist vorhanden,<br />
wenn ein werkstoff- undkonstruktionsmaÈûig vorgegebenes technisches Gebilde beanspruchungsundfunktionsgerecht<br />
geschweiût werden kann. Zur SchweiûmoÈglichkeit zaÈhlen alle technischen<br />
Parameter und technologischen Bedingungen des schweiûtechnischen Fertigungsprozesses.<br />
1.2 PruÈfung der Schweiûbarkeit<br />
Die Schweiûbarkeit ist eine komplexe GroÈûe, die sich nicht messen und zahlenmaÈûig erfassen laÈût.<br />
Deshalb kann es auch kein universelles PruÈfverfahren zur Feststellung der Schweiûbarkeit geben. Bei<br />
den in der Literatur angegebenen SchweiûbarkeitspruÈfungen handelt es sich in der Regel um<br />
SchweiûeignungspruÈfungen.<br />
1.2.1 PruÈfung der Schweiûeignung<br />
Um Aussagen uÈber die Schweiûeignung eines metallischen Werkstoffs zu erhalten, muû der Einfluû<br />
des Schweiûens auf die Eigenschaften untersucht und erfaût werden. Die Anwendung eines einzigen<br />
PruÈfverfahrens erlaubt in der Regel noch keine ausreichende Beurteilung der Schweiûeignung eines<br />
Werkstoffs. DafuÈr sinddie Ergebnisse mehrerer sich ergaÈnzender PruÈfungen heranzuziehen. FuÈrden<br />
Nachweis einer ausreichenden Schweiûeignung sind fuÈr das jeweils angewandte PruÈfverfahren<br />
bestimmte Kriterien oder Zahlenwerte festgelegt. Die Schweiûeignung wird von den Forderungen,<br />
die an die Schweiûsicherheit gestellt werden, und von den MoÈglichkeiten der schweiûtechnischen<br />
Fertigung (SchweiûmoÈglichkeit) beeinfluût. Die Beziehungen zwischen SchweiûmoÈglichkeit und<br />
Schweiûeignung ermoÈglichen es, die Bedingungen des Schweiûprozesses so zu gestalten, daû auch<br />
bei schlechteren werkstofflichen Voraussetzungen ein befriedigendes Schweiûergebnis erreicht<br />
werden kann. Allgemein gilt, daû eine technologisch und oÈkonomisch optimale Gestaltung<br />
schweiûtechnischer Fertigungsprozesse die Ergebnisse von SchweiûeignungspruÈfungen erfordert.<br />
2
1.2.2 PruÈfung der Schweiûsicherheit<br />
PruÈfungen der Schweiûsicherheit sollen Aussagen uÈber das voraussichtliche Verhalten geschweiûter<br />
Gebilde im Betrieb ergeben. Man will feststellen, ob die Anordnung und Gestaltung der SchweiûnaÈhte<br />
in einer Konstruktion eine hinreichende Sicherheit gegen die betrieblichen Beanspruchungen<br />
fuÈr die Dauer des Einsatzes gewaÈhrleisten. AÈ hnlich wie bei der Schweiûeignung reicht auch fuÈrdie<br />
Untersuchung der Schweiûsicherheit ein einzelnes PruÈfverfahren in der Regel nicht aus. Am aussagefaÈhigsten<br />
sindaufwendige BauteilpruÈfungen.<br />
3
2 Schweiûeignung der unlegierten und anderen legierten StaÈhle<br />
2.1 Werkstoffgrundlagen<br />
2.1.1 Einteilung der StaÈhle<br />
Die am haÈufigsten verwendeten metallischen Konstruktionswerkstoffe sind die StaÈhle. Zu ihnen<br />
gehoÈren alle Eisenwerkstoffe mit Kohlenstoffgehalten bis maximal 2 %. Die Eigenschaften der<br />
StaÈhle lassen sich durch die chemische Zusammensetzung und durch WaÈrmebehandlungen in weiten<br />
Grenzen veraÈndern. Diese Feststellung gilt auch fuÈr die Schweiûeignung.<br />
In der Stahlmetallurgie vollzogen sich in den letzten Jahrzehnten bedeutende VeraÈnderungen. WaÈhrend<br />
in den sechziger Jahren das Siemens-Martin-Verfahren in der Stahlerzeugung dominierte und<br />
auch das Thomas-Verfahren noch eine gewisse Rolle spielte, wird heute nahezu aller Stahl im<br />
Elektroofen und nach dem Sauerstoff-Blas-Verfahren erzeugt. Beim heutigen Stand der Stahlmetallurgie<br />
besteht kein gravierender Einfluû des Erschmelzungsverfahrens auf die Schweiûeignung.<br />
Abgesehen von einigen wenigen Ausnahmen bleibt daher die Wahl des Erschmelzungsverfahrens<br />
dem Stahlhersteller uÈberlassen.<br />
Man unterscheidet nach der Vergieûungsart zwischen unberuhigten, halbberuhigten und vollberuhigten<br />
StaÈhlen. Als Beruhigen oder Desoxidieren bezeichnet man das Entfernen des in der<br />
Stahlschmelze geloÈsten Sauerstoffs durch die Zugabe von Elementen, die eine staÈrkere chemische<br />
AffinitaÈt zum Sauerstoff haben als Eisen. Die hauptsaÈchlichen Desoxidationselemente in der Stahlmetallurgie<br />
sindMangan, Silizium undAluminium. Wirdeine Stahlschmelze ohne die Zugabe von<br />
Desoxidationsmitteln in einer Kokille vergossen, dann reagiert der beim Erstarren ausscheidende<br />
Sauerstoff mit dem im Schmelzbad befindlichen Kohlenstoff zu Kohlenmonoxid. Die Reaktionen<br />
und das Aufsteigen der mit Kohlenmonoxid gefuÈllten Gasblasen verlaufen unter heftigem Aufwallen<br />
der Schmelze. Drei Merkmale sind kennzeichnend fuÈr einen unberuhigt vergossenen Stahlblock:<br />
± seine von Verunreinigungen weitgehendfreie Auûenschicht, die Speckschicht,<br />
± eine starke Blockseigerung mit hoÈheren Phosphor- undSchwefelgehalten,<br />
± ein einfacher oder doppelter Blasenkranz aus den im Stahl verbliebenen Gasblasen, Bild 2-1a.<br />
Beim nachtraÈglichen Warmverformen des Blocks verschweiûen die von den Gasblasen gebildeten<br />
HohlraÈume. Ein beruhigt vergossener Stahlblock weist dagegen keinen Blasenkranz und keine<br />
Seigerungen auf, aber einen Kopflunker, der vor der weiteren Verarbeitung durch AbschoÈpfen<br />
entfernt werden muû, Bild 2-1b.<br />
Die Einteilung der StaÈhle kann nach verschiedenen Gesichtspunkten vorgenommen werden. Neben<br />
Einteilungen nach Erzeugungsverfahren und der Vergieûungsart lassen sich die StaÈhle nach dem<br />
Verwendungszweck zum Beispiel in BaustaÈhle undWerkzeugstaÈhle unterscheiden. Andere Einteilungskriterien<br />
beziehen sich auf die moÈgliche Weiterbehandlung oder -verarbeitung, beispielsweise<br />
Einsatz- undVerguÈtungsstaÈhle oder NitrierstaÈhle, ferner auf die AusfuÈhrungsform wie Breitflach-,<br />
Band- und Rohrstahl oder auf kennzeichnende Legierungselemente, zum Beispiel Chrom-Nickel-<br />
StaÈhle undWolfram-StaÈhle.<br />
FuÈr Aussagen zur Schweiûeignung haben Angaben der chemischen Zusammensetzung, des GuÈteund<br />
Behandlungszustandes vorrangige Bedeutung.<br />
Die DIN EN 10020 unterscheidet heute bei der Definition 3 Klassen von StaÈhlen: unlegierte StaÈhle,<br />
nichtrostende StaÈhle undandere legierte StaÈhle.<br />
Zur Einteilung nach der chemischen Zusammensetzung heiût es, daû von den in der Norm oder in den<br />
Lieferbedingungen vorgeschriebenen Mindestgehalten auszugehen ist. Ein Stahl gilt als unlegiert,<br />
4
Bild 2-1. Gasblasenanordnung in einem<br />
unberuhigt vergossenen Stahlblock.<br />
Die Seigerung von C, S undP in<br />
unberuhigt (a) undberuhigt (b) vergossenen<br />
StahlbloÈcken, ausgedruÈckt<br />
im prozentualen VerhaÈltnis des jeweils<br />
festgestellten Analysenwertes zur<br />
Schmelzenanalyse nach Erdmann-Jesnitzer.<br />
wenn die in Tabelle 2-1 angegebenen Gehalte der einzelnen Elemente nicht uÈberschritten werden. Ein<br />
Stahl gilt als legiert, wenn der angegebene Grenzgehalt eines Legierungselementes erreicht oder<br />
uÈberschritten wird. Die unlegierten und anderen legierten StaÈhle werden nach HauptguÈteklassen<br />
eingeteilt.<br />
Tabelle 2-1. Grenzen zwischen unlegierten und legierten StaÈhlen (Schmelzenanalyse).<br />
Festgelegtes Element<br />
Grenzwert<br />
Massenanteil in %<br />
Festgelegtes Element<br />
Grenzwert<br />
Massenanteil in %<br />
Al Aluminium 0,30 Se Selen 0,10<br />
B Bor 0,0008 Si Silicium 0,60<br />
Bi Bismuth 0,10 Te Tellur 0,10<br />
Co Kobalt 0,30 Ti Titan 0,05<br />
Cr Chrom 0,30 V Vanadin 0,10<br />
Cu Kupfer 0,40 W Wolfram 0,30<br />
La Lanthanide (einzeln gewertet) 0,10 Zr Zirkon 0,05<br />
Mn Mangan 1,65 1) Sonstige (mit Ausnahme von Kohlenstoff,<br />
Mo MolybdaÈn 0,08<br />
Phosphor, Schwefel, Stickstoff)<br />
Nb Niob 0,06<br />
(jeweils) 0,10<br />
Ni Nickel 0,30<br />
Pb Blei 0,40<br />
1 ) Falls fuÈr Mangan nur ein HoÈchstwert festgelegt ist, ist der Grenzwert 1,80 % und die 70 %-Regel gilt nicht.<br />
HauptguÈteklassen der unlegierten StaÈhle:<br />
± Unlegierte QualitaÈtsstaÈhle:<br />
Hierzu zaÈhlen Stahlsorten, fuÈr die im allgemeinen Anforderungen bezuÈglich beispielsweise der<br />
BruchzaÈhigkeit, KorngroÈûe und/oder Umformbarkeit bestehen, ohne daû uÈber die Tabelle 2-1<br />
hinaus Forderungen bezuÈglich des Reinheitsgrades festgelegt werden.<br />
± Unlegierte EdelstaÈhle:<br />
Hierzu zaÈhlen Stahlsorten, die, verglichen mit den QualitaÈtsstaÈhlen, einen hoÈheren Reinheitsgrad<br />
hinsichtlich nichtmetallischer EinschluÈsse haben. Der HoÈchstgehalt an Phosphor (P) plus Schwefel<br />
(S) bleibt hier auf maximal 0,020 % in der Schmelzenanalyse beschraÈnkt. Sie sindmeist fuÈr eine<br />
VerguÈtung oder OberflaÈchenhaÈrtung bestimmt, auf die sie gleichmaÈûig ansprechen. Durch genaue<br />
5
Einstellung der chemischen Zusammensetzung und durch besondere Herstellungs- und PruÈfbedingungen<br />
werden sehr unterschiedliche Verarbeitungs- und Gebrauchseigenschaften erreicht,<br />
zum Beispiel eng begrenzte Festigkeit oder HaÈrtbarkeit, gute Verformbarkeit undSchweiûeignung.<br />
HauptguÈteklassen der anderen legierten StaÈhle:<br />
± Legierte QualitaÈtsstaÈhle:<br />
Die hier erfaûten StaÈhle sindfuÈr aÈhnliche Verwendungen wie die unlegierten QualitaÈtsstaÈhle<br />
vorgesehen. Durch ihren Gehalt an Legierungselementen genuÈgen sie besonderen Anwendungsbedingungen.<br />
Sie sind aber im allgemeinen nicht fuÈr eine VerguÈtung oder OberflaÈchenhaÈrtung<br />
bestimmt. Zu den legierten QualitaÈtsstaÈhlen zaÈhlen fuÈr den Stahlbau einschlieûlich des DruckbehaÈlter-<br />
undRohrleitungsbaus bestimmte schweiûgeeignete FeinkornbaustaÈhle mit Mindestwerten<br />
der Streckgrenze von 380 N/mm 2 (bis Dicken von 16 mm) undeiner Kerbschlagarbeit von ISO-<br />
V-LaÈngsproben bei ±50 C von 27 J. Weiterhin gehoÈren hierzu nur silizium- oder silizium- und<br />
aluminiumlegierte StaÈhle mit bestimmten magnetischen Eigenschaften, legierte StaÈhle fuÈr Schienen,<br />
fuÈr warm- oder kaltgewalzte Flacherzeugnisse, die fuÈr schwierigere Kaltumformarbeiten<br />
bestimmt sind und die kornfeinenden Elemente wie Bor, Niob, Titan, Vanadin und/oder Zirkonium<br />
enthalten, sowie die DualphasenstaÈhle, die in kleinen vereinzelten FlaÈchen 10-35 % Martensit in<br />
dem hauptsaÈchlich ferritischen MikrogefuÈge haben, sowie StaÈhle, die nur kupferlegiert sind.<br />
± Legierte EdelstaÈhle:<br />
Hier werden die StaÈhle erfaût, die durch eine genaue Einstellung der chemischen Zusammensetzung<br />
unddurch Herstellungs- undPruÈfbedingungen die unterschiedlichsten Verarbeitungs- und<br />
Gebrauchseigenschaften erhalten haben. Es werden drei Untergruppen unterschieden:<br />
± nichtrostende StaÈhle auf Chrom- undNickelbasis,<br />
± SchnellarbeitsstaÈhle mit MolybdaÈn, Wolfram und/oder Vanadin mit einem Gesamtgehalt von<br />
7%,<br />
± sonstige legierte EdelstaÈhle.<br />
2.1.2 Bezeichnung der StaÈhle<br />
2.1.2.1 EuropaÈisches Bezeichnungssystem mit Kurznamen<br />
Die Bezeichnung der StaÈhle durch Kurznamen erfolgt in den europaÈischen Normen einheitlich durch<br />
ein Hauptsymbol nach DIN EN 10027-1 undein Zusatzsymbol (Anmerkung: DIN V 17006-100 liegt<br />
als Vornorm vor). Es gibt zwei Arten von Kurznamen, die mit Hinweisen auf die Verwendung und die<br />
nach der chemischen Zusammensetzung.<br />
Die Kurznamen mit Hinweisen auf die Verwendung und die mechanischen oder physikalischen<br />
Eigenschaften beginnen mit einem Hauptsymbol des hauptsaÈchlichen Einsatzgebietes.<br />
S = StaÈhle fuÈr den allgemeinen Stahlbau<br />
P = StaÈhle fuÈr den DruckbehaÈlterbau<br />
L = StaÈhle fuÈr den Rohrleitungsbau<br />
E = MaschinenbaustaÈhle<br />
B = BetonstaÈhle<br />
Y = SpannstaÈhle 1)<br />
R = StaÈhle fuÈr oder in Form von Schienen 1)<br />
H = kaltgewalzte Flacherzeugnisse in hoÈherfesten ZiehguÈten 2)<br />
D = Flacherzeugnisse aus weichen StaÈhlen zum Kaltumformen 2)<br />
T = Feinst- undWeichblech und-bandsowie spezialverchromtes Blech undBand 2)<br />
M = Elektroblech 2)<br />
6
Eine dem Hauptsymbol nachfolgende Zahl entspricht in der Regel dem Mindestwert der Streckgrenze<br />
R e in N/mm 2 fuÈr die kleinste Erzeugnisdicke. Bei den mit 1) gekennzeichneten Bezeichnungen<br />
gibt die Zahl nach dem Hauptsymbol die Zugfestigkeit an oder weist mit einem weiteren<br />
Kennbuchstaben bei 2) auf besondere Behandlungsarten hin. Die dem Mindestwert der Streckgrenze<br />
folgenden Zusatzsymbole unterteilen sich in zwei Gruppen. Die zur ersten Gruppe gehoÈrenden<br />
Symbole betreffen den Behandlungszustand nach DIN V 17006-100:<br />
M = thermomechanisch gewalzt<br />
N = normalgegluÈht oder normalisierend gewalzt<br />
Q = verguÈtet,<br />
G = andere GuÈten, wenn erforderlich mit 1 oder 2 Ziffern<br />
B = Gasflaschen<br />
S = einfache DruckbehaÈlter<br />
T = Rohre<br />
Die zweite Gruppe von Zusatzsymbolen gibt entweder entsprechend der nachstehenden Aufstellung<br />
eine bestimmte Kerbschlagarbeit an:<br />
Kerbschlagarbeit PruÈftemperatur<br />
27 J 40 J 60 J C<br />
JR KR LR +20<br />
J0 K0 L0 0<br />
J2 K2 L2 ±20<br />
J3 K3 L3 ±30<br />
J4 K4 L4 ±40<br />
J5 K5 L5 ±50<br />
J6 K6 L6 ±60<br />
oder kennzeichnet bestimmte andere Eigenschaften (Auswahl):<br />
H = Hochtemperatur<br />
L = Tieftemperatur<br />
R = Raumtemperatur<br />
X = Hoch- undTieftemperatur<br />
Nachstehendfolgen einige Beispiele zur Benennung:<br />
S355NL ist die Bezeichnung fuÈr einen Baustahl mit einer Streckgrenze von 355 N/mm 2 im normalgegluÈhten<br />
Zustand, der sich fuÈr einen Einsatz im Stahlbau bei tiefen Temperaturen eignet.<br />
S355JR ist die Bezeichnung fuÈr einen Baustahl, dessen Streckgrenze 355 N/mm 2 betraÈgt undder bei<br />
20 C eine Mindestkerbschlagarbeit von 27 J hat.<br />
E295 ist die Bezeichnung fuÈr einen Maschinenbaustahl mit einer Mindeststreckgrenze von 295 N/<br />
mm 2 .<br />
P355NH ist die Bezeichnung fuÈr einen normalgegluÈhten DruckbehaÈlterstahl mit einer Streckgrenze<br />
von 355 N/mm 2 , der fuÈr den Hochtemperatureinsatz geeignet ist.<br />
Bei den Kurznamen nach der chemischen Zusammensetzung werden vier Gruppen unterschieden:<br />
± unlegierte StaÈhle mit einem mittleren Mangangehalt a 1 % (ausgenommen AutomatenstaÈhle);<br />
± unlegierte StaÈhle mit einem mittleren Mangangehalt A 1 %, unlegierte AutomatenstaÈhle und<br />
legierte StaÈhle (auûer SchnellarbeitsstaÈhlen) mit Gehalten der einzelnen Legierungselemente<br />
unter 5 Gewichtsprozent;<br />
7
± legierte StaÈhle (auûer SchnellarbeitsstaÈhlen), wenn mindestens der Gehalt eines Legierungselementes<br />
A 5 % ist;<br />
± SchnellarbeitsstaÈhle.<br />
Bei unlegierten StaÈhlen besteht der Kurzname aus dem Grundsymbol C fuÈr Kohlenstoff undeiner<br />
Zahl, die, durch 100 dividiert, dem Kohlenstoffgehalt in Prozent entspricht.<br />
Bei legierten StaÈhlen mit Gehalten der einzelnen Legierungselemente bis 5 % bildet eine Zahl den<br />
Anfang des Kurznamens, die, durch 100 dividiert, dem Kohlenstoffgehalt entspricht, gefolgt von den<br />
chemischen Zeichen der Legierungselemente und Zahlen, die sich durch Multiplikation mit 4, 10,<br />
100 oder 1000 aus den jeweiligen Legierungsgehalten ergeben. Die Multiplikatoren sind:<br />
4 fuÈr Cr, Co, Mn, Ni, Si, W;<br />
10 fuÈr Al, Be, Cu, Mo, Nb, Pb, Ta, Ti, V, Zr;<br />
100 fuÈr Ce, N, P, S;<br />
1000 fuÈrB.<br />
Legierte StaÈhle, bei denen mindestens der Gehalt eines Legierungselements uÈber 5 % liegt, erhalten<br />
ein vorangestelltes Symbol X, gefolgt von einer Zahl, die dem 100fachen Gehalt an Kohlenstoff<br />
entspricht, und den chemischen Symbolen der Legierungselemente und Zahlen der Legierungsgehalte.<br />
SchnellarbeitsstaÈhle werden mit HS und den Gehalten an W, Mo, V und Co in der gegebenen<br />
Reihenfolge bezeichnet.<br />
Beispiele fuÈr die Kurznamen nach der chemischen Zusammensetzung sind:<br />
C45E ist die Bezeichnung fuÈr einen unlegierten Stahl mit 0,45 % Kohlenstoff undeinem vorgeschriebenen<br />
maximalen S-Gehalt. Auch andere Zusatzsymbole koÈnnen nachgestellt sein.<br />
10CrMo9-10 ist die Bezeichnung fuÈr einen legierten Stahl mit 0,10 % Kohlenstoff, 2,2 % Chrom und<br />
1 % MolybdaÈn.<br />
19Mn5 ist die Bezeichnung fuÈr einen legierten Stahl mit 0,19 % Kohlenstoff und1,25 % Mangan.<br />
X5CrNi18-8 ist die Bezeichnung fuÈr einen hochlegierten Stahl mit 0,05 % Kohlenstoff, 18 % Chrom<br />
und8 % Nickel.<br />
HS6-5-2-5 ist die Bezeichnung fuÈr einen Schnellarbeitsstahl mit 6 % Wolfram, 5 % MolybdaÈn, 2%<br />
Vanadin und 5 % Kobalt.<br />
2.1.2.2 Nummernsystem<br />
Die Bezeichnung der StaÈhle mit Werkstoffnummern ist in DIN EN 10027-2 festgelegt. Diese<br />
bestehen aus der Werkstoffhauptgruppennummer, einer zweistelligen Stahlgruppennummer und<br />
einer ebenfalls zweistelligen ZaÈhlnummer, die sich auf die StahlqualitaÈt bezieht. Es koÈnnen AnhaÈngeziffern<br />
folgen, die auf die Erschmelzungsart und den Behandlungszustand hinweisen.<br />
Die Werkstoffhauptgruppennummern sind:<br />
0 = Roheisen,<br />
1 = Stahl,<br />
2 = Schwermetalle,<br />
3 = Leichtmetalle,<br />
4 bis 8 = nichtmetallische Werkstoffe.<br />
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Die Stahlgruppennummern sind:<br />
00 und90 = unlegierte GrundstaÈhle,<br />
01 bis 07 und91 bis 97 = unlegierte QualitaÈtsstaÈhle,<br />
10 bis 19 = unlegierte EdelstaÈhle,<br />
08 bis 09 und98 bis 99 = legierte QualitaÈtsstaÈhle,<br />
20 bis 89 = legierte EdelstaÈhle.<br />
2.1.2.3 Historische Kurznamen der deutschen StaÈhle<br />
Im DIN-Normenheft 3 waren Kurznamen der StaÈhle angegeben, die vor Inkrafttreten der DIN EN<br />
10027-1 und -2 verwendet wurden. Man unterschied auch hier Kurznamen zur Beschreibung der<br />
chemischen Zusammensetzung undKurznamen zur Beschreibung mechanischer Eigenschaften. Die<br />
Kurznamen zur Beschreibung der chemischen Zusammensetzung entsprachen bis auf geringe Unterschiede<br />
denjenigen, die im vorangegangenen Abschnitt nach DIN EN 10027 behandelt wurden,<br />
und werden deshalb hier nicht weiter aufgefuÈhrt.<br />
Der vollstaÈndige Kurzname der BaustaÈhle nach DIN 17100 bestand aus dem Kennbuchstaben St, der<br />
Kennzahl fuÈr die Zugfestigkeit und der Kennziffer fuÈr die GuÈtegruppe. Man unterschieddrei GuÈtegruppen:<br />
GuÈtegruppe 1 = keine PruÈfung,<br />
GuÈtegruppe 2 = garantierte Kerbschlagarbeit A v von 28 J bei 0 C,<br />
GuÈtegruppe 3 = garantierte Kerbschlagarbeit A v von 28 J bei 0 C.<br />
Dem Symbol St wurde bei unberuhigtem Stahl ein U, bei beruhigtem ein R und bei sonderberuhigtem<br />
ein RR vorweggestellt.<br />
Beispiele fuÈr die Kurznamen nach den mechanischen Eigenschaften waren:<br />
St 44-2 war der Kurzname eines Stahls mit einer Mindestzugfestigkeit von 430 N/mm 2 der GuÈtegruppe<br />
2.<br />
RSt 37-3 war der Kurzname eines beruhigten Stahls mit einer Zugfestigkeit von 360 N/mm 2 der<br />
GuÈtegruppe 3.<br />
Bei den FeinkornbaustaÈhlen nach DIN 17102 wurde dem Symbol St der Kennbuchstabe E zugefuÈgt<br />
und die Angabe der Streckgrenze in N/mm 2 .<br />
StE 285 war die Bezeichnung eines Feinkornbaustahls mit einer Streckgrenze von 285 N/mm 2 .<br />
2.1.3 Eisen-Kohlenstoff-Diagramm<br />
2.1.3.1 Reineisen<br />
Eisen ist das Grundmetall fuÈr die wichtigsten technischen Legierungen, die StaÈhle. Reines Eisen ist<br />
weich, die Zugfestigkeit betraÈgt etwa 200 N/mm 2 und die Bruchdehnung etwa 60 %. In der AbkuÈhlkurve<br />
von reinem Eisen treten mehrere Haltepunkte auf, Bild2-2. Ein ausgepraÈgter Haltepunkt<br />
erscheint bei 1536 C, dem Schmelzpunkt des Eisens. (AbhaÈngig vom Reinheitsgraddes Eisens wird<br />
der Schmelzpunkt mit 1528 bis 1541 C angegeben.) Hier wirddie KristallisationswaÈrme von etwa<br />
270 J/g Fe frei. Erst nach dem Erstarren der gesamten Eisenschmelze sinkt die Temperatur weiter. Bei<br />
1392 C tritt ein zweiter Haltepunkt auf. Hier wird das kubischraumzentrierte Kristallgitter des<br />
Deltaferrits (d-Fe) unter WaÈrmeabgabe von etwa 10,5 J/g Fe in das kubischflaÈchenzentrierte Kristallgitter<br />
des Austenits oder Gammaeisens (g-Fe) umgewandelt. Bei weiterem AbkuÈhlen findet man<br />
bei 900 C erneut einen Haltepunkt. Bei dieser Temperatur wandelt sich der Austenit in Alphaeisen<br />
(a-Fe) um, das wiederum ein kubischraumzentriertes Kristallgitter aufweist. Bei einer Temperatur<br />
von 769 C tritt eine geringe Unstetigkeit im AbkuÈhlverlauf auf. Unterhalb dieser Temperatur, die<br />
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Bild 2-2. AbkuÈhlungs- undErhitzungskurven<br />
von reinem Eisen.<br />
Bild 2-3. Kubischraumzentrierte (krz) Elementarzelle<br />
von a-Fe, kubischflaÈchenzentrierte (kfz)<br />
Elementarzelle von g-Fe.<br />
Curiepunkt heiût, wird das bis dahin unmagnetische Eisen magnetisch, Bild 2-3. Die Erhitzungskurve<br />
von reinem Eisen weist im wesentlichen die gleichen Umwandlungstemperaturen auf, nur der<br />
Haltepunkt bei 900 C ist auf 915 C angehoben.<br />
Die Haltepunkte werden mit aufsteigender Temperatur mit A 2 ,A 3 undA 4 bezeichnet; A ist die<br />
AbkuÈrzung des franzoÈsischen Wortes arreÁt = Haltepunkt. Die Haltepunkte auf der AbkuÈhlungskurve<br />
erhalten zusaÈtzlich den Index r, der sich von refroidissement = AbkuÈhlung ableitet. Diejenigen der<br />
Erhitzungskurve erhalten den Index c, abgeleitet von chauffage = ErwaÈrmung. Die Unterscheidung<br />
zwischen der Lage der Haltepunkte beim Erhitzen und AbkuÈhlen ist erforderlich, weil die einzelnen<br />
Umwandlungstemperaturen, vor allem bei legierten StaÈhlen, von der Erhitzungs- beziehungsweise<br />
der AbkuÈhlgeschwindigkeit abhaÈngen. Der Unterschiedzwischen der A c - undder A r -Temperatur<br />
wirdHysterese genannt. Diese betraÈgt zwischen A c3 undA r3 15 C.<br />
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2.1.3.2 Eisen und Kohlenstoff<br />
Eine wesentliche Gemeinsamkeit aller unlegierten undniedriglegierten StaÈhle ist, daû sie auûer<br />
Begleit- undLegierungselementen Kohlenstoff enthalten. Der Kohlenstoff bestimmt maûgeblich die<br />
Eigenschaften eines Stahls. Technisch interessant sindEisenlegierungen, die bis etwa 5 % Kohlenstoff<br />
enthalten. In Eisenschmelzen ist der Kohlenstoff geloÈst. Das Erstarrungs- undUmwandlungsverhalten<br />
kohlenstoffhaltigen Eisens unterscheidet sich von dem des reinen Eisens. Die Temperaturen<br />
der Haltepunkte sinken und erweitern sich zu Temperaturbereichen. Die VerhaÈltnisse werden<br />
durch das stabile System Eisen ± Graphit, bei dem der Kohlenstoff elementar als Graphit auftritt, und<br />
das metastabile System, bei dem der Kohlenstoff in Form von Zementit Fe 3 C vorliegt, beschrieben.<br />
Graphit undZementit koÈnnen auch nebeneinander auftreten. Die Umwandlungen laufen teils nach<br />
dem metastabilen und teils nach dem stabilen System ab. Es gibt drei wesentliche EinfluûgroÈûen, die<br />
bestimmen, ob der Kohlenstoff bevorzugt als Graphit oder als Zementit vorliegt. Es sind dies:<br />
± AbkuÈhl- bzw. Erstarrungsgeschwindigkeit einer Eisenschmelze mit geloÈstem Kohlenstoff. Langsame<br />
AbkuÈhlung beguÈnstigt die Graphitausscheidung, schnelle die Zementitbildung.<br />
± Kohlenstoffgehalt: Hoher Kohlenstoffgehalt (Guûeisen) foÈrdert die Graphitbildung, niedriger<br />
(Stahl) die Zementitbildung.<br />
± Silizium- undMangangehalt: Bei hoÈheren Kohlenstoffgehalten (Guûeisen) beguÈnstigt Silizium<br />
die Graphitbildung, Mangan die Zementitbildung.<br />
Es ist uÈblich, beide Systeme in einem Doppeldiagramm, dem Eisen-Kohlenstoff-Diagramm (EKD),<br />
zusammenzufassen. Im EKD nach Bild 2-4 entsprechen die durchgezogenen Linien dem System<br />
Eisen ± Zementit und die unterbrochenen dem System Eisen ± Graphit. FuÈr StaÈhle gilt das erstgenannte<br />
System. Die uÈblichen Guûeisenarten enthalten einen groûen Anteil des Kohlenstoffs als<br />
Graphit.<br />
Bild 2-4. Eisen-Kohlenstoff-Diagramm (EKD):<br />
±±±±± = stabiles System Eisen ± Graphit,<br />
______ = metastabiles System Eisen ± Zementit.<br />
Das EKD informiert in AbhaÈngigkeit vom Kohlenstoffgehalt undvon der Temperatur uÈber jeweilige<br />
GefuÈgezustaÈnde, wenn entsprechend erwaÈrmt undabgekuÈhlt wurde. Es gilt nur unter den Bedingungen,<br />
die einen metastabilen (oder einen stabilen) Gleichgewichtszustand gewaÈhrleisten. Wirdeine<br />
Eisen-Kohlenstoff-Legierung von hohen Temperaturen zu schnell abgekuÈhlt, dann stellen sich, je<br />
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